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Die Brüder und die Lehren der Gnade

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  • Die Brüder und die Lehren der Gnade

    Aus: Zeit & Schrift 6/2019


    Mark R. Stevenson:
    Die Brüder und die
    Lehren der Gnade
    Wie stand die Brüderbewegung des 19. Jahrhunderts zur
    calvinistischen Heilslehre?
    Bielefeld (CLV) 2019 geb., 476 Seiten
    ISBN 978-3-86699-391-4
    € 16,90


    1 Vgl. meine Einleitung in die
    Artikelserie
    »Gefahren der reformier ten Theologie« von George Zeller, Zeit ö Schrift 2/2009. S. i8f.

    2 In deutscher Übersetzung liegen vor: John F. Parkinson: Erwählung.
    Wer, wie und wozu?, Düsseldorf/ Steffisburg (CMV/CLKV)20io: Dave Hunt: Eine Frage der Liebe. WirdCott im Calvinismus falsch dargestellt?, Wiesenbach {European Missionary Press) 2011.

    3 Vgl. Mark R. Stevenson: »Early Brethren Leaders and the Question of
    Calvinism«, Brethren Historical Re view 6 (2010), S. 2-33. bes. 2-6.




    Seit einigen Jahrzehnten erlebt der Calvinismus in konservativen evangelikalen Kreisen eine erstaunliche Renaissance. Mit seiner Betonung der Souveränität Gottes und solider biblischer Belehrung stellt er für viele offenbar ein geeignetes Gegenmittel gegen evangelikale Verflachung, Verweltlichung, bedürfnisorientierte Verkündigung usw. dar.
    Auch Teile der Brüderbewegung haben sich diesem Trend angeschlossen - hierzulande etwa an der Propagierung von Autoren wie
    Arthur W. Pink,
    R.C.Sproul,
    John Piper,
    John Mac Arthur
    oder Paul Washer
    durch der Brüderbewegung nahestehende Verlage und Personen zu erkennen.'
    Im angelsächsischen Raum regte sich schon ab den 1990er Jahren Protest gegen diese Entwicklung:
    bekannte »offene Brüder«
    wie
    David Gooding,
    John F. Parkinson,
    J. B. Nicholson jun.,
    Dave Hunt oder
    David Dunlap kritisierten den Calvinismus in teils drastischer Form.

    Diese Auseinandersetzungen
    waren einer der Gründe, die den Autor des vorliegenden Buches dazu bewogen, sich im Rahmen einer Dissertation mit der Frage zu beschäftigen, wie die Väter der Brüderbewegung zum Calvinismus
    standen.^
    Stevensons Arbeit,
    zuerst 2017
    beim amerikanischen Wissen
    schaftsverlag Wipf & Stock er schienen, beginnt mit einer Ein führung in Forschungsstand,
    Thema, Quellen und Methoden
    (23-44). Es folgen zwei Kapitel über die historische Entwicklung der
    calvinistischen Heilslehre vom 17. bis zum 19. Jahrhundert (45-123),
    bevor sich der Verfasser seinem ei
    gentlichen Hauptgegenstand zuwendet. In den Kapiteln 4-6 unter
    suchter, ob und wie sich die ersten drei der sog.
    »Fünf Punkte des Calvinismus«
    (völlige Verderbtheit,
    bedingungslose Erwählung,
    begrenzte Sühne)
    in den Schriften der »Brüder« des 19. Jahrhunderts wiederfinden (125-330).

    Jedem Autor wird dabei Jeweils ein eigener Abschnitt gewidmet;
    herangezogen werden
    (chronologisch sortiert)

    Harris,
    Bellett,
    Groves,
    Darby,
    Hall,
    Chapman,
    Craik,
    Müller, Soltau,
    Howard,
    Newton,
    Miller,
    Snell,
    H. Groves,
    Trotter,
    Mackintosh,
    Dyer,
    Kelly,
    Stanley,
    Ross,
    Lincoln,
    Bevan,
    Dennett,
    Grant,
    Caldwell,
    Munro,
    Moorhouse,
    Anderson,
    Cutting,
    Marshall,
    Ritchie
    und
    Gase.

    Kapitel 7
    befasst sich mit den Themen
    Glaube,
    Buße und
    Heilsgewissheit (331-410),

    zunächst in der calvinistischen und puritanischen Tradition, dann bei den
    calvinistischen Kritikern der
    »Brüder«
    (u.a. Croskery,
    Reid,
    Dabney)
    und schließlich bei den »Brüdern« selbst
    (Darby,
    Soltau,
    Mackintosh,
    Kelly,
    Ross,
    Dennett,
    Grant,
    Caldwell,
    Campbell,
    Cutting,
    Rea, Marshall).

    Eine zusammenfassende Bewertung rundet die Darlegungen
    ab (411-425).

    Stevensons These ist,
    »dass bei den Brüdern des 19. Jahrhunderts eine calvinistische Soteriologie die normative Position dar stellte« (195). Ihm ist bewusst, dass
    die »Brüder« sich selbst nicht als
    Calvinisten bezeichneten und den
    Calvinismus (ebenso wie den Arminianismus) für ein »menschliches System« mit biblisch nicht begründbaren Elementen hielten
    (413); anhand der untersuchten Schriften kann er jedoch eindeu-
    tig nachweisen, dass das Heils
    verständnis der meisten »Brüder«
    dem Calvinismus wesentlich näher
    stand als dem Arminianismus: Sie betonten den »völligen Ruin des Menschen« und »bestritten konsequent, dass gefallene Menschen
    einen >freien Witlen< besitzen« (411;
    Punkt! des Calvinismus): sie »vertraten die Lehre von der bedingungslosen Erwählung, gegründet auf Gottes souveränen Willen und nicht auf den vorhergesehenen Glauben des Einzelnen« (412;
    Punkt 2); und sie »lehnten [...] es durchweg ab, dass Christus am Kreuz die Sünden der Ungläubigen getragen habe - ein Kennzeichen der arminianischen Position«
    (328; Punkts). Insofern erscheint dem Autor »die Verwendung des
    Adjektivs calvinistisch durchaus angemessen, um die Soteriologie der
    Brüder zu charakterisieren« (414).

    Stevenson legt Wert auf die Feststellung, dass der Calvinismus theologiegeschichtlich kein einheitliches Phänomen war, sondern in verschiedenen Abstufungen
    vorkam-
    vom »gemäßigten« über
    den »strikten« und den »Hoch-«
    bis hin zum
    »Hyper-Calvinismus«
    (84f.).

    Die »Brüder« ordnet er »zwischen striktem und gemäßigtem
    Calvinismus« ein (105). Dass sie die doppelte Prädestination ablehnten (also die Vorherbestimmung zum
    Heil und zur Verdammnis), die von
    Kritikern-und auch von den »Brüdern«
    selbst-oft als wesentliches
    Merkmal des Calvinismus angesehen wurde (53, 74, 92, 95, 204,
    241, 274. 416), stellt für Stevenson
    daher kein Problem dar, da diese Lehre ihm zufolge nur im »Hoch-« und »Hyper-Calvinismus« ver treten wurde (84f., 242, 263).






    Es ist sicher kein Zufall, dass die deutsche Übersetzung ausgerechnet beim Verlag CLV erscheint, der bewusst Autoren beider Richtungen verlegt.
    Einzigartig war nach Steven
    son die Position der »Brüder« zur
    Reichweite des Erlösungswerks.
    Indem sie zwischen universaler Sühnung (propitiation) und partikularer Stellvertretung {Substitution) unterschieden (typologisch vorgeschattet durch die beiden Böcke am großen Versöhnungstag; 3M0 16), gelang es ihnen, scheinbar widersprüchliche Bibeltexte
    miteinander zu vereinbaren, »die in ihrer Ausrichtung entweder universal
    (z. B. jo 2,2) oder partikular (z. B. Eph 5,25) waren,
    ohne dabei
    die Stoßkraftwederdes einen noch des anderen Aspekts abzuschwächen, worin - ihrer Meinung nach
    - der Fehler sowohl der calvinistischen als auch der arminianischen Auslegung bestand« (329). Stevenson sieht darin einen »originale[n] Beitrag« Darbys zur Theologiegeschichte, »auch wenn nur wenige außerhalb der Brüderbewegung
    dies zur Kenntnis genommen haben« (300, Anm. no7). Wegen ihrer »partikuiare[n] Elemente« (330) sei diese Sichtweise aber aufjeden Fall dem »calvinistische[n] Lager«
    zuzuordnen (329)
    Der aus Kanada stammende Verfasser, der seit 20 jähren am Emmaus Bible College in Dubuque (Iowa) lehrt, hat eine sorgfältig recherchierte, detailliert belegte und stringent aufgebaute Arbeit vorgelegt.
    Ob man sein Anliegen teilt,
    dass die »anti-calvinistlsche Stimmung, die einige Gruppen zeit genössischer Brüder {und anderer Evangelikaler) prägt«, dringend zu korrigieren sei (44), hängt von der persönlichen Haltung zum Galvinismusab. Der Rezensentmuss bekennen, dass er sich am ehesten in
    den Positionen des schottischen
    mus und »Brüderiehre« zweifellos bedeutend größer ausgefallen.
    Tatsächlich ist ja der für die Brüderbewegung so charakteristische Dispensationalismus mit seiner Unterscheidung zwischen
    Israel und der Gemeinde, seiner Erwartung eines buchstäblichen
    Tausendjährigen Reiches usw. in den letzten Jahrzehnten gerade von reformierter Seite am hef tigsten angegriffen worden. Obklassische Calvinisten dem von
    Stevenson und anderen^ offenbar angestrebten Schulterschluss zwi
    schen »Brüdern« und Reformierten uneingeschränkte Begeisterung entgegenbringen würden,
    muss daher bezweifelt werden. Die deutsche Übersetzung des Buches (von Alois Wagner) liest
    Evangelisten Alexander Marshall
    (1846-1928) wiederfindet, der bei
    Stevenson immer wieder als stö rende »Ausnahme« im allgemei
    nen calvinistischen Konsens der
    »Brüder« erscheint (185, 195, 274, 276,328, 413). Marshall legte gro
    ßen Nachdruck auf die Verant wortung des Menschen, das Heil
    anzunehmen, und hielt den Calvi
    nismus für »eines der Haupthin dernisse für die Verbreitung des Evangeliums« (268). Seine Ansich
    ten über Buße,Glauben und Heils
    gewissheit nehmen auf frappie
    rende Weise zentrale Erkenntnisse
    der heutigen Free Grace Theoiogy
    vorweg.''
    Stevenson konzentriert sich auf die Soteriologie. Hätte er andere Bereiche der Theologie in den Blick genommen (z.B. Ekklesiologie oder Eschatologie), wären die
    Unterschiede zwischen Calvinis



    4 Zur Einführung in die FfeeCraceT/ieo/ogyvgl.CharlesC.RyrierHowpuacfie gerettet? Was Errettung bedeutet, Dil lenburg (CV) 1998; Scott Crawford: »Glaube, Werke und Heilsgevvissheit«, ZeitöSchrifi 4/2012, S. 12-21.



    sich Im Großen und Ganzen flüssig. Gegenüber der Originalaus
    gabe wurden ca. 120 »Anmerkungen des Übersetzers« und ca. 220 »Anmerkungen des Herausgebers« hinzugefügt (u.a. Übersetzungen von Buchtiteln, historische
    Hintergrundinformationen, Worterklärungen, weiterführende Hinweise), was zusammen mitdergrößeren Schrift und dem kleineren Format dazu geführt hat, dass die deutsche Fassung über 150 Seiten mehr enthält als die englische.
    Lay out und Typografie sind ansprechend (wenn auch etwas weniger bibliophil als in der Originalaus gabe), die sachlich-schlichte Umschlaggestaltung unterstreicht die
    Seriosität des Inhalts.


    Michael Schneider

    Zeit & Schrift 6-2019
    Im Herrn Jesus Christus
    Hans Peter Wepf
    1. Mose 15.6
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