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Was für ein Dienst? - Apg. 6,1-4

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  • Was für ein Dienst? - Apg. 6,1-4

    Liebe Forumleser,

    schon oft habe ich Auslegungen zu Apg. 6,1-4 gehört. In den meisten Fällen ging man davon aus, dass die Apostel einen Mahlzeitendienst betrieben hätten. Aber war es wirklich so? Beim genauen Lesen des Textes sind mir Zweifel gekommen. Meine Befunde dazu will ich nachfolgend darlegen.


    Der Dienst

    Täglicher Dienst
    Gemäss Apg. 6,1-4 gab es einen täglichen Dienst. Dieser Dienst diente der Unterstützung von Bedürftigen.

    Apg. 6,1-4 (Elberfelder 1905):
    In diesen Tagen aber, als die Jünger sich vermehrten, entstand ein Murren der Hellenisten [griechische Juden] gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung [Dienst, Fürsorge] übersehen wurden.
    Die Zwölfe aber beriefen die Menge der Jünger und sprachen: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes verlassen und die Tische bedienen [Dienst an den Tischen tun]. So sehet euch nun um, Brüder, nach sieben Männern aus euch, von gutem Zeugnis, voll [Heiligen] Geistes und Weisheit, die wir über dieses Geschäft bestellen wollen; wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren [weiterfahren].
    Fragen
    Beim Lesen des obigen Textes stellen sich folgende Fragen:
    (1) Um welche Art Dienst handelte es sich?
    (2) Von wem wurde dieser Dienst ausgeübt?
    (3) Weshalb erforderte dieser Dienst integere Männer?


    Fakten gemäss Text
    Bei den Nachfolgern JESU in Jerusalem wurden Bedürftige aus dem Kreis der Nachfolger unterstützt. Dies geschah offensichtlich täglich. Diese Unterstützung erfolgte über einen Dienst an Tischen (griech. διακονειν τραπεζαις). Wer aber diesen Dienst ausübte, wird nicht erzählt. Jedenfalls wurde dieser Dienst bis zu diesem Zeitpunkt nicht von den Aposteln selber ausgeübt. Diese dienten vielmehr mit dem Wort (Apg. 5,42). Die Apostel lehrten sowohl im Tempel als auch in den Privathäusern.

    Apg. 5,42 (Elberfelder 1905):
    Und sie [die Apostel] hörten nicht auf, jeden Tag im Tempel und in den Häusern zu lehren und Jesus als den Christus zu verkündigen.
    Beim Dienst an den Bedürftigen war ein Missstand aufgetreten. Jüdische Witwen aus der Diaspora wurden offensichtlich übergangen bzw. diskriminiert. Dieser Missstand wurde den Aposteln vorgelegt. Die Apostel nahmen diese Klagen auf. Der Missstand sollte behoben werden.
    Es wurde sogar in Erwägung gezogen, dass die Apostel den Dienst selber übernehmen sollten. Die Apostel lehnten dies ab. Sie wollten ihre Zeit anders einsetzen. Für sie hatte die Wortverkündigung Vorrang. Sie schlugen deshalb vor, dass sich sieben Brüder, voll Geist und Weisheit um dieses Geschäft kümmern sollten.
    Anmerkung: Die Diskriminierung könnte folgenden Grund gehabt haben. Nachfolger aus konservativen jüdischen Kreisen argwöhnten, Juden aus der griechischen Diaspora wären Kompromisse mit dem Hellenismus eingegangen. Also sollte man die Unterstützung eher den konservativen, einheimischen Glaubensgenossen zukommen lassen.


    Was war dies für ein Dienst?
    Beim Studium des Textes und der Vorgeschichte kam ich zum Schluss: Der Dienst an Tischen hatte mit Geldabgaben zu tun. Meines Erachtens wurden Spendengelder an die Bedürftigen abgegeben. Ich möchte meine Begründung entlang folgender Aspekte darlegen:

    a. Wo lebten die Nachfolger in Jerusalem?
    b. Wo nahmen sie die Mahlzeiten ein?
    c. Geldmittel für Bedürftige.
    d. Welcher Art war der Dienst an Tischen?
    e. Qualifikation der Verantwortlichen.
    f. Reichen sieben Männer?



    a. Wo wohnten die Nachfolger JESU in Jerusalem?
    Die Nachfolger lebten offensichtlich in zahlreichen Häusern in Jerusalem (Apg. 2,46; 5,42). Aus ausserbiblischen Quellen geht zudem hervor, dass die Nachfolger Häuser in der Nähe des Tempels erworben haben.

    b. Wo nahmen sie die Mahlzeiten ein?
    Die Nachfolger assen in ihren Häusern (Apg. 2,46). Nirgendwo ist die Rede, dass eine Art Suppenküche betrieben worden wäre.

    Apg. 2,46 (Elberfelder 1905):
    Täglich verharrten sie einmütig im Tempel und brachen zu Hause das Brot, nahmen Speise mit Frohlocken und Schlichtheit des Herzens.
    Die Hauptmahlzeit des Tages fand am Abend statt. Für den Einkauf der Nahrungsmittel und die Zubereitung der Speisen waren in gemischten Haushalten die Frauen zuständig. Auch die Witwen aus der Diaspora konnten die Zubereitung der Speisen noch selber bewerkstelligen. Es handelte sich bei den Witwen in der Regel auch nicht um hochbetagte, gebrechliche Seniorinnen. Die Lebenserwartung der Menschen lag zu jener Zeit eher unter 50 Jahren.


    c. Geldmittel für Bedürftige
    Die Apostelgeschichte berichtet, dass Begüterte Nachfolger ihren Besitz veräusserten. Der Erlös wurde für Bedürftige eingesetzt.

    Apg 4:34-35 (Elberfelder 1905):
    Denn es war auch keiner bedürftig unter ihnen, denn so viele Besitzer von Äckern oder Häusern waren, verkauften sie und brachten den Preis des Verkauften und legten ihn nieder zu den Füssen der Apostel; es wurde aber jedem zugeteilt, so wie einer Bedürfnis hatte.
    Der Text lässt an dieser Stelle offen, wer die Geldmittel an die Bedürftigen austeilte. Aber offensichtlich wurde Bargeld an Bedürftige abgegeben.


    d. Dienst an Tischen
    Der Dienst an den Bedürftigen nahm offensichtlich täglich mehrere Stunden in Anspruch. Dies sieht man an der Reaktion der Apostel. Man erwog, dass die Apostel diesen Dienst selber an die Hand nehmen sollten. Die Apostel lehnten ab. Sie fürchteten, sie würden von diesem Dienst zu stark absorbiert (Apg. 6,2).

    Meines Erachtens steht der Dienst an Tischen (griech. διακονειν τραπεζαις) mit der Geldabgabe im Zusammenhang. Für die Tische steht der griechische Begriff trapezas. Diese Trapezas wurden im speziellen auch von den Geldwechslern und Geldverleihern verwendet (so auch in Mk. 11,15; Mt. 21,12). Ein Geldverleiher wurde Trapezith genannt. Noch heute tragen viele Banken in Griechenland die Bezeichnung Trapeza.

    Bezeichnenderweise wird dieser Dienst an Tischen als Geschäft (griech. χρειας) bezeichnet (Apg. 6,3).

    Von den Spendengeldern wurde täglich an die Bedürftigen abgeben (vgl. Apg. 4,35). Die Bedürftigen konnten sich damit die Nahrungsmittel für die Mahlzeit am Abend kaufen. Dieser Dienst wurde von Nachfolgern JESU ausgeübt. Aber nicht von den Aposteln selber. Sie hatten sich der Wortverkündigung gewidmet (Apg. 5,42).


    e. Qualifikation der Verantwortlichen
    Hätte es sich um eine einfache Mahlzeitenausgabe gehandelt, hätte man irgendwelche Nachfolger (Jünger) mit dieser Aufgabe betrauen können. Es handelte sich aber offensichtlich um eine Aufgabe, die höchste Vertrauenswürdigkeit voraussetzte. So wurde tatsächlich in Erwägung gezogen, dass die Apostel selbst diesen Dienst an den Tischen ausführen sollten (Apg. 6,2). Wann erklärt man eine Sache zur Chefsache? In der Regel, wenn es sich um das Verwalten von anvertrautem Geld handelt.
    Es wurde schliesslich vorgeschlagen, sieben Männer mit gutem Leumund und voll Geist und Wahrheit in diese Aufgabe einzusetzen. Für das Ausgeben von Mahlzeiten wären diese Qualitäten nicht in diesem Ausmass erforderlich gewesen. Für das gerechte Verwalten und Abgeben von Finanzmitteln jedoch schon.

    Warum wurden keine Frauen eingesetzt? Hätte es sich um die Abgabe von Mahlzeiten gehandelt, hätte man auch Frauen einsetzen können. Die Arbeit wäre ja im Hause erfolgt. Es wurden jedoch Männer eingesetzt. Also handelte es sich um eine "öffentliche" Aufgabe.

    f. Reichen sieben Männer aus?
    Für die Verwaltung der Gelder und die tägliche gerechte Abgabe von Bargeld an die Bedürftigen reichen sieben Männer.


    Zusammenfassung
    Aus den oben dargelegten Gründen komme ich zu folgendem Schluss: Beim täglichen Dienst handelte es sich um die Abgabe von Bargeld an Bedürftige. Da es sich dabei um anvertraute Gelder handelte, wurden vertrauenswürdige Männer mit gutem Leumund eingesetzt.
    Es scheint mir auch, dass die Unzufriedenheit der Witwen ein generelles Problem aufgedeckt hatte. Nämlich die angemessene Verwaltung der Spendengelder. Mit diesen Geldern wurden wahrscheinlich auch Häuser angemietet in der Nähe des Tempels. Die Apostel hatten zu viele Aufgaben unter einen Hut zu bringen. Um sich zu entlasten, suchten sie Männer, denen sie die Verwaltung der Spendengelder anvertrauen konnten.

    Soweit wie ich Apg. 6,1-4 verstehe.


    PS. Ich hatte die Grundgedanken zu diesem Artikel schon im letzten Jahr unter dem Stichwort Trapezas auf der Website veröffentlicht. Beim genauen Studium der Verse 1-4 sind mir noch weitere Zusammenhänge wichtig geworden. Deshalb habe ich den Artikel überarbeitet.
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