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Das Volk - das im Finsteren sass (Jes. 9,1-2)

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  • Das Volk - das im Finsteren sass (Jes. 9,1-2)

    Liebe Forumleser,

    in diesem Beitrag möchte ich auf die Verheissung in Jes. 9,1-2 eingehen. Diese Verheissung enthält viel Hoffnung. Sie erfüllte sich mit dem Kommen JESU (Mt. 4,12-16).


    Einleitung
    Die Verheissung in Jes. 9,1-2 hat sehr viel mit der Geographie der Region rund um das galiläische Meer zu tun. Sie hat auch sehr viel mit der Geschichte des Volkes Israel zu tun. Im Besonderen mit der Geschichte der Juden, die ins Exil nach Babylon mussten.

    Dieser Beitrag steht auch in engem Zusammenhang mit jenem zum Stamm Sebulon und Naphtali auf diesem Forum. Es ist empfehlenswert, jene Beiträge ebenfalls zu lesen.

    Bibelübersetzung
    Zum Verständnis dieser Prophezeiung ist eine präzise Wort-für-Wort-Übersetzung unerlässlich. Ich habe mir die Schlüsselbegriffe in den Originalsprachen sehr genau angeschaut und Vergleiche mit den verschiedensten Bibelübersetzungen angestellt. Ich erlaube mir, ein Beispiel zu geben. Ich wähle Mt. 4,15. Unter den griechischen Text setze ich die entsprechenden deutschen Begriffe.

    Mt. 4,15:
    γη ζαβουλων και γη νεφθαλιμ οδον θαλασσης περαν του ιορδανου γαλιλαια των εθνων.
    Land Sebulon und Land Naphtali Weg Meeres jenseits des Jordan Galiläa der Nationen.

    Die Elberfelder wiedergibt Mt. 4,15 jedoch wie folgt:
    Land Sebulon und Land Naphtali, gegen den See hin, jenseits des Jordan, Galiläa der Nationen.

    Der griechische Text spricht jedoch vom Weg des Meeres, der Via Maris. Elberfelder wiedergibt diese Stelle m.E. unpräzise. Dies erstaunt umso mehr, als auch Jes. 9,1 eindeutig diesen Meerweg erwähnt. Die Handelsstrasse Via Maris war ein Standardbegriff in der Antike (siehe Beitrag zu Sebulon).

    Die Übersetzung von Young’s Literal Translation wiedergibt m.E. diesen Text am treffendsten. Ich halte mich deshalb an Young’s Literal Translation für diese Textstelle. Sonst benutze ich gerne die Elberfelder.

    Verheissungen im vollen Wortlaut
    Nun zitiere ich die vollständigen Verse aus Jes. 9,1-2 und Mt. 4,15-16. Bibelübersetzung: Young’s Literal Translation. Die Übersetzung von der englischen in die deutsche Sprache habe ich selber vorgenommen.

    Jes 9,1-2:
    Wie die frühere Zeit das Land Sebulon und das Land Naphtali erhellte, so hat die letzte Zeit den Weg des Meeres [Via Maris] geehrt, jenseits des Jordans, und den Distrikt der Nationen. Das Volk, das in der Finsternis wandert, hat ein grosses Licht gesehen, über den Ansässigen des Landes der Todesschatten ist ein Licht aufgeschienen.
    [As the former time made light the land of Zebulun and the land of Naphtali, so the latter has honoured the way of the sea, beyond the Jordan, Galilee of the nations. The people who are walking in darkness have seen a great light, dwellers in a land of death-shade, light has shone upon them.] (Young’s Literal Translation).

    Mt. 4,15-16:
    Land Sebulon und Land Naphtali, Weg des Meeres [Via Maris], jenseits des Jordan, Galiläa der Nationen: Das Volk, das in Finsternis sitzt, hat ein grosses Licht gesehen, und denen, die im Land und Schatten des Todes sitzen, ist Licht aufgegangen.
    [Land of Zebulun and land of Naphtali, way of the sea, beyond the Jordan, Galilee of the nations! -- The people that is sitting in darkness saw a great light, and to those sitting in a region and shadow of death -- light arose to them.] (Young’s Literal Translation).

    Schlüsselbegriffe
    Die Prophezeiung enthält einige geographische und geschichtliche Schlüsselbegriffe. Ohne diese Schlüsselbegriffe kann man die Botschaft der Prophezeiung schwerlich verstehen.

    Die Schlüsselbegriffe lauten:
    - Distrikt der Nationen (hebr. galil ha’gojim) Galiläa der Nationen (griech. γαλιλαια των εθνων)
    - Weg des Meeres (griech. οδον θαλασσης)
    - jenseits des Jordan
    - frühere Zeit
    - letzte Zeit
    - das Volk (hebr. am; griech. λαος)
    - wandern und sitzen (ansässig werden)


    Distrikt der Nationen
    Die Stammesgebiete von Sebulon und Naphtali wurden zum Distrikt der Nationen (hebr. galil ha’gojim). Bei der Überführung des hebräischen Begriffes galil ha’gojim in die griechische Sprache entstand der Begriff Galiläa. Der Landstrich Galiläa war vom 8. bis zum 1. Jh. v. Chr. unter nicht-jüdischer Herrschaft. Die Nationen - Assyrer bis Römer - regierten über diese Gegend. Deshalb die Bezeichnung Distrikt der Nationen (hebr. galil ha’gojim).

    Die Via Maris
    Der Weg des Meeres (Via Maris) war eine wichtige - wenn nicht gar die wichtigste - antike internationale Handelsroute im Nahen Osten. Sie verband Ägypten mit dem Zweistromland (Mesopotamien).

    Die Via Maris folgte, von Ägypten herkommend, der Mittelmeerküste, umlief den Karmel im Osten und erreichte Megiddo in der Jesreel-Ebene. Sie durchquerte die Stammesgebiete von Issaschar und Sebulon in Richtung galiläisches Meer. Durch das Taubental erreichte die Via Maris die Ebene des heutigen Nof Ginnosar am galiläischen Meer. Von dort führte die Handelsroute nordwärts nach Hazor, dann hinüber auf die Golanhöhe und weiter Richtung Damaskus und Mesopotamien. Auf diese Via Maris beziehen sich sowohl Jes. 9,1 und Mt. 4,15.

    Jenseits des Jordan
    Das Jenseits des Jordan wird stets aus der Sicht von Jerusalem aus definiert. Etwas liegt jenseits des Jordans, wenn es sich östlich des Jordans befindet.

    Judaä jenseits des Jordans
    Geographische Lage
    Sowohl Matthäus und Markus benutzen diesen Begriff (Mt. 4,25 und 19,1 und Mk. 10,1). Sie sagen, dass sich Jesus nach Judäa jenseits des Jordans begeben habe. Dieses Judäa jenseits des Jordan liegt im Dreieck nördlich des Jarmuk-Flusses und östlich des oberen Jordans. Sprich in der Gaulanitis und Batanäa, was dem heutigen Golan entspricht. Die Via Maris durchquerte dieses Judäa jenseits des Jordan.

    Von Juden besiedelt
    Mit Judäa jenseits des Jordan hat es folgende Bewandtnis. Im Jahre 586 v. Chr. eroberten die Babylonier Judäa und Jerusalem. Grosse Teile der jüdischen Bevölkerung wurden nach Babylon verschleppt. Erst der Perserkönig Darius erlaubte den Juden die Rückkehr nach Israel (538 v. Chr.). Viele Juden machten sich auf den Weg. Auf der Via Maris reisten sie Richtung Israel. Viele siedelten sich in Jerusalem und Judäa an (siehe Nehemia).

    Als Alexander der Grosse den mittleren Osten eroberte (um 330 v. Chr.), begann eine sehr schwierige Zeit. In Jerusalem wurde eine, dem Hellenismus freundlich gesinnte, Regierung eingesetzt. Konservative Juden hatten jedoch grosse Schwierigkeiten mit dem Hellenismus. Sie wanderten deshalb wieder weg von Judäa und Jerusalem. Sie zogen sich zurück in die abgelegene Gegend rund um das galiläische Meer. Sie siedelten sich auch in der Batanäa und in der Gaulanitis an. Sie warteten dort auf den verheissenen Gesalbten Gottes, den Spross Davids (gemäss Jes. 11). Stetig strömten weitere jüdische Volksangehörige auf der Via Maris von Babylon zurück. Auch diese konservativen Gruppen siedelten sich in Wartestellung im Judäa jenseits des Jordan und in Galiläa an. Ihre Erwartung war gross, dass Gott die Geschichte sehr bald wenden würde.

    Name
    Weil sehr viele Juden in der Batanäa und in der Gaulanitis wohnten, erhielt diese Region nördlich des Jarmuk und östlich des oberen Jordans den Namen Judäa jenseits des Jordan. Das geistliche Zentrum von Judäa jenseits des Jordan war die Stadt Gamala. Sie beherbergte gut 5000 jüdische Volksangehörige. Die Stadt hatte eine Synagoge. Die Römer zerstörten Gamala im Jahre 67 n.Chr. Erst 1967 wurde die Stadt wieder entdeckt. Die Ruinen sind heute für jedermann zugänglich.


    Frühere Zeit (erste Zeit)
    Der Prophet Jesaja bezieht sich hier auf die Blütezeit Sebulons und Naphtalis vor der Eroberung durch die Assyrer um 730 v. Chr. Der internationale Handel auf der Via Maris brachte den Leuten entlang dieser Handelsstrasse Wohlstand (siehe Beitrag zu Sebulon).

    Letzte Zeit (letzte Tage)
    Der Begriff letzte Zeit (oder letzte Tage) war ein einschlägiger Begriff in konservativen, hebräisch-jüdischen Kreisen. Propheten und konservative Juden erwarteten das Kommen des Gesalbten Gottes in dieser Zeitperiode. Sie wird letzte Zeit genannt, weil danach der Gesalbte Gottes die Herrschaft antreten wird. Die Zeitperiode in der JESUS erschien, wurde als diese Zeit verstanden. Deshalb benutzt die Apostelgeschichte genau diesen Begriff, um die Ausgiessung des Heiligen Geistes zeitlich einzuordnen.

    Apg 2,17:
    Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, dass ich von meinem Geist ausgiessen werde […].

    Das Volk
    Man beachte, dass die Prophezeiung von dem Volk (hebr. am; griech. λαος) spricht. Nicht von Völkern. Die Prophezeiung spricht auch nicht von Heiden oder Nationen. Wer ist nun das Volk, das im Finsteren sitzt? Es handelt sich um die konservativen Juden, die sich in der Region des galiläischen Meeres niedergelassen hatten (siehe Abschnitt Judäa jenseits des Jordan).

    Das Volk sitzt im Finsteren. Es sitzt sozusagen in einem finsteren Reich. Denn es herrschen andere Herrscher, nur nicht der verheissene Gesalbte Gottes, der Spross Davids.

    Auch JESUS verstand unter diesem Volk die Juden. Denn er sagte (Zitat): Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel (Ende Zitat, Mt. 15,24). Siehe auch Mt. 10,5-15.

    Wandern und Sitzen
    Die Verheissung in Jes. 9,2 betont beides: das Wandern und das Sitzen (das Ansässig werden). Das jüdische Volk wanderte auf der Via Maris von Babylon nach Israel zurück. Dann liessen sich viele konservative Juden in Warteposition im Norden Israels nieder und wurden ansässig.

    Das Zitat in Matthäus 4,16 betont das Sitzen (ansässig sein). Das Verb wandern (in Jes. 2) wird durch sitzen ersetzt. Dies wiedergibt die Situation auch treffender. Zur Zeit JESU war keine nennenswerte Rückwanderung aus Babylon festzustellen. Diejenigen, die zurückgekommen waren, waren ansässig geworden.


    Zusammenfassung der Verheissung
    In dieser kurzen Zusammenfassung möchte ich nochmals das Zitat in Mt. 4,15-16 betrachten.

    Mt. 4,15:
    Land Sebulon und Land Naphtali, Weg des Meeres [Via Maris], jenseits des Jordan, Galiläa der Nationen.
    Vers 15 umreisst die geographische Ausdehnung. Die Beschreibung macht deutlich, dass die Verheissung neben Galiläa auch die Region östlich des oberen Jordans einschliesst.

    Mt. 4,16:
    Das Volk, das in Finsternis sitzt, hat ein grosses Licht gesehen, und denen, die im Land und Schatten des Todes sitzen, ist Licht aufgegangen.
    Vers 16 bestätigt, dass das konservative jüdische Volk in dieser Region den Gesalbten kommen sieht. Das Licht ging auf mit dem Kommen JESU.

    Matthäus beschreibt die Erfüllung dieser Verheissung wie folgt (Mt. 4,12-14):
    Als ER aber gehört hatte, dass Johannes überliefert worden war, entwich er nach Galiläa und verlassen habend Nazara kam und wohnte er in Kapernaum, das am See liegt, in dem Gebiet von Sebulon und Naphtali damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist.

  • #2
    MT 4.15

    Mt 4:15

    Gh Zaboulwn

    kai gh Nefqaleim

    hodon qalasshs

    peran tou Iordanou

    Galilaia twn eqnwn

    4:15 „Land Sebulon

    und Land Naphthali,

    [Gebiet] gegen das Meer hin,

    [Gebiet] jenseits des Jordans

    [und] Galiläa der Heiden [o.: derer, die von den Völkern sind]:



    Lieber Hans-Peter!

    Vielleicht ist hier Theodor Zahn (Mt-Komm.) eine Hilfe:



    Derech Hajjam [„Weg gegen das Meer hin“] „bezeichnet, da es unter lauter Land­schaftsnamen steht, jedenfalls nicht eine Straße, sondern das in der Richtung zum Meer gelegene Gebiet.

    Fußn.: Das adverbiale derech [„Weg“] (Num 21, 4. 34; Deut 1, 19; Jos 2, 7; 8, 15; Jer 52, 7) heißt niemals „längs, entlang", sondern „in der Richtung zu". Die Übersetzung von Delitzsch (Komm. von 1889) „die Straße am Meere" scheint mir in beiden Teilen unhaltbar. Wie die LXX das adverbiale derech regel­mäßig durch den Akk. hodon (seltener wie Ez 8, 5; 40, 24-27 geradezu durch die bloße Präposition pros übersetzt, so auch der griech. Mt, welcher eben dadurch, daß er diesen Akkusativ in eine Reihe mit drei Nominativen stellt, zeigt, daß er ihn ebenso wie peran tou iordanou als ein substantiviertes Adverbiale angesehen wissen will s. vorhin Anm. 4. Auch peran ist ja ur­sprünglich ein Akkusativ, wie so viele andere Adverbien und Präpositionen (makran dikhn, carin, cf Blaß-Kühner 1, 2, 306). …

    Das adverbial gebrauchte Derech ist wiederum substantiviert, gleichsam wieder in ein Substantivum zurückverwandelt.

    Daß Jesaja unter dem Meer hier den See Genezareth verstanden haben sollte, würde ohne Rücksicht auf die Verwendung dieser Stelle durch Mt niemandem eingefallen sein. Es paßt dies auch nicht in den Zusammenhang, denn es zieht sich zwar ein Teil des Gebietes von Naphthali und ein Teil von Peräa an den Ufern dieses Sees entlang ; aber abgesehen davon, daß man nur für Jes 8, 23 und wiederum nur unter dem Einfluß des miß­verstandenen Mt für Derech diese Bedeutung angenommen hat, würde es so verstanden nicht auf Sebulon und den Kreis der Heiden, sondern nur auf Naphthali und Peräa bezogen werden können. Daß es aber nicht dazu dient, überflüssiger Weise die Lage dieser beiden Landesteile zu bestimmen, beweist schon die Stellung zwischen diesen beiden Ausdrücken. Auch die Straße, welche man im späteren Mittelalter via mAris nannte, lief nicht am See hin, sondern be­rührte ihn nur au einer einzigen Stelle, bei Kapernaum, und das Meer, zu welchem sie führte, ist das mittelländische. So auch bei Jesaja. Nachdem er zuerst die beiden an einander grenzenden Gebiete Naphthali und Sebulon genannt hat, geht sein Blick ost­wärts über den Jordan und den See Genezareth, sodann westwärts in der Richtung zum Meere hin, wo das Stammgebiet Aschers lag, endlich nordwärts zum "Kreis der Heiden". Die 5 einander koordinierten Ausdrücke entsprechen nicht 5 scharf gegen einander abgegrenzten Gebieten, sondern decken sich teilweise, aber doch nicht so, daß einer derselben fehlen könnte. Sie beschreiben in ihrer Gesamtheit das ganze zur Zeit Jesu Galiläa genannte Land mit Einschluß der östlich und westlich angrenzenden Landstriehe. Daß Mt das Wort des Jesaja anders verstanden habe, daß er darin insbesondere eine Weissagung auf Kapernaum als eine am „Meer Galiläas" d. h. am See Genezareth gelegene Stadt gefunden habe, ist zwar oft behauptet, aber nie begreiflich gemacht worden.



    Und:

    Nach Lenski: (Mt-Kommentar)

    Der HODON QALASSHS ist nicht die Straße …, sondern das Gebiet, durch welche die Via Maris, jene große antike Straße, führte. Der Akk. HODON (Hebr: DERECH) ist adverbial und deutet Ausdehnung an. Dieser Adverbiale Akk. zusammen mit dem Genitiv wird hier substantiviert gebraucht bzw steht als unabhängiger Ausdruck: Das [Gebiet] entlang des Meeres. Dasselbe gilt für den Ausdruck peran tou iordanou = Das [Gebiet] jenseits des Jordan …



    Auch Albrecht übersetzt so:

    BR Mt 4:15 Das Land Sebulon und das Land Naphtali, das Gebiet nach dem Meere zu, die Gegend östlich vom Jordan, das heidnische Galiläa

    Auch Herder/Jerusalemer.

    Mit lieben Grüßen,



    Thomas

    Kommentar


    • #3
      Lieber Bruder Thomas,

      bitte fasse meine Entgegenhaltung nicht persönlich auf. Ich weiss ja nicht, ob Du selber griechische Kenntnisse hast oder nicht. Meine Kritik richtet sich nur an Theodor Zahn und Lenski.

      Ich bin mit den Schlussfolgerungen von Theodor Zahn und Lenski nicht einverstanden. Ihre Ableitungen und Begründungen sind, wissenschaftlich betrachtet, nicht haltbar. Nur schon die Leichtigkeit, mit der sie den Meerweg oder die Meerstrasse behandeln, ist einfach nicht seriös. Die Via Maris ist viel älter als im obigen Kommentar suggeriert wird. Schon in der frühen Antike (2. Jahrtausend vor Chr.) wurde zwischen zwei Kommunikationslinien unterschieden: der Meeresstrasse und der Königsstrasse. In Transjordanien verlief die Königsstrasse. Sie verlief von Damaskus herkommend, nach Süden durch Gilead, Moab und Edom Richtung Eilat. Die zweite Kommunikationslinie war die Meeresstrasse oder der Meerweg. Diese zweite Kommunikationslinie heisst Meeresstrasse, weil sie auf langer Strecke der Mittelmeerküste folgt.

      Schon die ältesten, vorchristlichen Zeugnisse benutzen diese zwei Namen. Die lateinische Vulgata (5. Jh. n. Chr.) übersetzte Seeweg, Seestrasse mit Via maris.

      Philologisches (sprachwissenschaftliches)
      A. Griechischer Begriff in Mt. 4,15
      Der Begriff hodon qalasshs bedeutet Weg des Meeres (Genitiv). Die Übersetzungen reden vom Weg des Meeres oder einfach vom Meerweg oder der Meerstrasse.

      Grosser Langenscheidt Altgriechisch:
      Er lässt keine Deutung zu, wie sie Zahn und Lenski anführen. Die griechischen Referenzsätze benutzen hodos und hodon im Sinne von Weg, Strasse, Route (auch im übertragenen Sinne).

      Auch KJB, Interlineare Study Bible und Young's Literal Translation stützen die Thesen von Zahn und Lenski nicht.

      KJB erklärt hodon - hodos wie folgt:
      - apparently a primary word; a road; by implication, a progress (the route, act or distance); figuratively, a mode or means: journey, (high-)way.

      Interlineare Study Bible erklärt hodon/hodos wie folgt:
      - a way, a travelled way, road, a travellers way, journey, travelling
      - (fig.) a course of conduct, a way of thinking, feeling, deciding.

      An keiner Stelle im griech. NT wird der griech. Begriff hodon/hodos im Sinne von gegen gebraucht. Die entsprechenden Wörter sind pros bzw. kata (siehe z.B. Lk. 24,50; Joh. 18,29; Apg. 6,1 bzw. Apg. 2,10; 26,14; 27,7; 27,12). Der Begriff hodon/hodos wird - nach meiner Recherche - stets im Sinne von Weg angewandt.


      B. Der hebräische Begriff
      Der Vollständigkeit sei noch auf den hebr. Text in Jesaja eingegangen.

      Alle Bibelübersetzungen, die ich konsultiert habe, wiedergeben die entsprechende Jesaja-Stelle als Meeresstrasse, Meerweg oder Weg am Meer.

      Selbst die Elberfelder übersetzt Jesaja 8,23 (entspricht Jes. 9,1 bei anderen Übersetzungen) mit:
      "[...] so bringt die spätere den Weg am Meer, das [Land] jenseits des Jordan [und] den Kreis der Nationen zu Ehren (Ende Zitat).

      Der hebräische Begriff lautet: derech ha'jam.
      KJB erklärt das Substantiv derech wie folgt:
      - a road
      - fig. a course of life or mode of action

      Interlineare Study Bible:
      - way, road, distance, journey, road, way, path, journey
      - fig. direction, manner, habit, way of course of life, manner

      Zum Kontext in Jes. 9:
      Der Vers 9,2 spricht vom wandern. Dies passt zu einem Weg, zu einer Strasse. Und nicht zu einer Landschaft.


      Judäa jenseits des Jordan versus Peräa
      Zum Schluss noch ein Wort zu Judäa jenseits des Jordan. Geschichtlich und geographisch kann eindeutig belegt werden, dass das Judäa jenseits des Jordan nicht mit Peräa gleichgesetzt werden kann. Judäa jenseits des Jordan liegt nördlich des Jarmuk und östlich des oberen Jordans. Schon in Jos. 19,32-39 wird auf Judäa jenseits des Jordans hingewiesen. Naphtali grenzt im Osten an Judäa jenseits des Jordan. Im Süden an Sebulon und Issaschar. Naphtali hat absolut keine gemeinsame Grenzen mit Peräa. Peräa reicht bei weitem nicht bis zum Jarmuk-Fluss. Zwischen Jarmuk und Peräa liegt die Dekapolis (zur Zeit Jesu).

      Jos. 19,34 (Elberfelder):
      "Und die Grenze [Naphtalis] wandte sich nach Westen in Richtung Asnot-Tabor und lief von dort nach Hukkok. Sie stiess im Süden an Sebulon, während sie im Westen an Asser stiess und an Juda am Jordan [Judäa jenseits des Jordan] gegen Sonnenaufgang. (Ende Zitat)

      Somit war also der obere Jordan Grenze zwischen Naphtali und Judäa jenseits des Jordan.

      Schlusswort
      Ich bin mir bewusst, dass meine Entgegnung etwas hart ausgefallen ist. Man möge mir dies verzeihen. Aber ich kann den beiden Autoren beim besten Willen nicht folgen.

      Die Entgegnung ist absolut nicht gegen Dich, lieber Thomas, gerichtet. Einzig und allein kritisiere ich die Argumentation von Zahn und Lenski.

      PS. Ich denke, man muss bei Theodor Zahn etwas Nachsicht üben. Habe erst heute (21. Feb. 2006) nachgeschaut, wann Theodor Zahn gelebt hat. Er wirkte im ausgehenden 19. Jh. bis 1933 (Todesjahr). Somit ist seine Argumentation teilweise verständlich. Er hatte noch nicht den Zugang zu Dokumenten und Schriften wie wir heutzutage mit dem Internet. Zahns eigenwillige Interpretation von Mt. 4 ist sicherlich zum Teil auf diesen Umstand zurückzuführen. Zum anderen versuchte er, seine Auffassung über eine Textstelle mit wortreichen Begriffsanalysen zu belegen. Heute geht man in der Regel umgekehrt vor. Zuerst studiert man das geschichtliche Umfeld. Denn Gott sprach jeweils zu Menschen einer bestimmten Zeit und Geschichte. Dann analysiert man den Begriff mit Hilfe von Referenzaussagen. Und schliesslich schreitet man zur Interpretation der Schriftstelle.

      Kommentar


      • #4
        Zitate

        Lieber Thomas,

        gerne möchte ich an dieser Stelle nochmals einen Wunsch anbringen. Wenn ein Text zitiert wird, sollte doch eine vollständige Quellenangabe gemacht werden. Ich zumindest würde dies sehr begrüssen.

        So bin ich mir bei deinem obigen Beitrag nicht sicher, welchen Lenski Du zitiert hast.

        Besten Dank.

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