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JONA

 

Jona Walvoord



Jona
(John D. Hannah)


EINLEITUNG


Verfasserfrage


Der Hebräer Jona ( Jon 1,9 ), Sohn Amittais ( Jon 1,1 ; Amittai bedeutet "(mein) Wahrer"), ist der einzige Prophet im Alten Testament, der den Versuch machte, vor Gott zu fliehen. Jona, dessen Name "Taube" bedeutet, war ein Diener des Herrn aus Gat-Hefer ( 2Kö 14,25 ), einer Stadt im Gebiet des Stammes Sebulon ( Jos 19,10.13 ). Er lebte in der Zeit, als Jerobeam II. König des Nordreiches war ( 2Kö 14,23-25 ). Seine Prophezeiung, daß Israels Grenzen ( 2Kö 14, 25 ) sich unter Jerobeam erweitern würden, bewahrheitete sich.

Jona ist einer der vier alttestamentlichen Propheten, auf deren Wirken Jesus Bezug nahm ( Mt 12,41; Lk 11,32 ). Die drei anderen sind Elia ( Mt 17,11-12 ), Elisa ( Lk 4,27 ) und Jesaja ( Mt 15,7 ).

Sein Amt weist einige Parallelen zu seinen unmittelbaren Vorgängern Elia ( 1Kö 17-19; 21; 2Kö 1-2 ) und Elisa ( 2Kö 2-9; 13 ) auf, die in Israel predigten und ebenfalls zur Heidenmission - in Phönizien und Aram - berufen wurden.

Einige Gelehrte haben die These vertreten, daß Jona nicht der Verfasser des gleichnamigen prophetischen Buches sei, weil von ihm darin jeweils in der dritten Person die Rede ist (vgl. Jon 1,3.5.9.12;2,1;3,4;4,1.5.8-9 ). Das ist jedoch kein sehr stichhaltiges Argument. Mose, der Verfasser des Pentateuch, benutzte häufig die dritte Person, wenn er seine eigenen Taten beschrieb, und auch Jesaja und Daniel sprachen in ihren Texten manchmal von sich in der dritten Person (z. B. Jes 37,21; 38,1; 39,3-5; Dan 1,1-7,1 ). Doch da das Buch Jona durchgehend in der dritten Person gehalten ist, sind manche Wissenschaftler der Ansicht, das Buch sei von einem anderen Propheten kurze Zeit nach den geschilderten Ereignissen geschrieben worden.



Jona

Entstehungszeit


Da 2Kö 14,25 Jona mit der Regierung Jerobeams II. in Verbindung bringt, müssen die im Buch Jona dargestellten Begebenheiten sich irgendwann in dessen Regierungszeit (793 - 753 v. Chr.) ereignet haben. Die Prophezeiung über die Erweiterung der Grenzen Israels deutet möglicherweise auf den Anfang der Herrschaft König Jerobeams. Das macht Jona zu einem Zeitgenossen von Hosea und Amos (vgl. Hos 1,1; Am 1,1 ). Weil der Prophet in der Vergangenheitsform von Ninive spricht ( Jon 3,3 ), kamen manche Exegeten zu der Annahme, daß Jona später - nach der Zerstörung der Stadt im Jahr 612 v. Chr. - lebte. Das Tempus des hebräischen Verbs kann sich jedoch genauso auf das Bestehen der Stadt zur Zeit Jonas beziehen.

 


Historisches Umfeld


Jerobeam II., in dessen Regierungszeit Jonas Prophezeiungen fallen, war der mächtigste König des Nordreiches (vgl. 2Kö 14,23-29 ). Davor hatten die Assyrer die Vorherrschaft im Nahen Osten behauptet und Tributzahlungen von Jehu bezogen (841 - 814 v. Chr.). (Zu den Grausamkeiten der Assyrer vgl. den Kommentar zum Buch Nahum.) Nach der Vernichtung der Aramäer waren die Assyrer jedoch aufgrund interner Zwistigkeiten zeitweilig geschwächt. Diesen vorübergehenden Rückschlag für die imperialistischen Hoffnungender Assyrer konnte Israels König Jerobeam dazu nutzen, Gebiete zu besetzen, die vorher zu Aram (nordöstlich von Damaskus und nördlich von Hamat) gehört hatten, und damit seinem Staatsgebiet die größte Ausdehnung zu geben, die es seit der Zeit Davids und Salomos gehabt hatte.

Das religiöse Leben in Israel war jedoch solcherart, daß Gott Hosea und Amos sandte, um das Volk vor dem ihm drohenden Strafgericht zu warnen: Israel werde wegen seiner Halsstarrigkeit in die Hände des von Gott erwählten Werkzeugs seines Zornes, eines heidnischen Volkes aus dem Osten, fallen. Amos warnte davor, daß Gott Israel werde "wegführen lassen bis jenseits von Damaskus" ( Am 5,27 ). Hosea schließlich identifizierte den verheerenden Eroberer ausdrücklich als Assyrien: "Nun aber muß Assur ihr König sein; denn sie wollen sich nicht bekehren." ( Hos 11,5 ). Assyrien, das im Moment zurückgedrängt sei, werde wie ein schlafender Gigant erwachen und das Nordreich als Beute verschlingen. Diese Vorhersage bewahrheitete sich im Jahre 722 v. Chr., als Sargon II. das Nordreich in Gefangenschaft führte ( 2Kö 17 ). Die Prophezeiungen von Hosea und Amos erklären vielleicht Jonas Widerwillen, in Ninive zu predigen. Er fürchtete, dazu benutzt zu werden, dem Feind zu helfen, der später sein eigenes Volk vernichten würde.

Die Stadt Ninive lag am Ostufer des Tigris, etwa 800 km von Samaria, der Hauptstadt des Nordreichs, entfernt. Sie war sehr groß und, wie Babel, durch eine äußere und eine innere Stadtmauer geschützt. Die innere Mauer war 15 Meter breit und 30 Meter hoch. Bevor Jona diese scheinbar uneinnehmbare, festungsähnliche Stadt erreichte, waren in ihr zwei Plagen ausgebrochen (765 und 759 v. Chr.). Außerdem fand am 15. Juni 763 v. Chr. eine vollständige Sonnenfinsternis statt. Alle diese Ereignisse galten als Zeichen göttlichen Zorns und sind möglicherweise auch die Erklärung dafür, daß die Einwohner Ninives so bereitwillig auf Jonas Botschaft, die etwa um das Jahr 759 verkündet wurde, eingingen.





Botschaft


Der Bericht über Jonas Sendung nach Ninive und die damit verbundenen Begebenheiten war an das israelitische Volk gerichtet. Das Buch wurde nicht einfach um der historischen Erzählung willen geschrieben, sondern enthielt darüber hinaus eine Botschaft an das Nordreich. In gewissem Sinn ist Jona auch nicht die Hauptperson des Buches; das ist Gott. Der Herr hat das erste ( Jon 1,1-2 ) und das letzte Wort ( Jon 4,11 ). Gott gab dem Propheten zweimal eine Weisung ( Jon 1,2;3,2 ); er sandte einen Sturm auf dem Meer ( Jon 1,4 ); er schickte einen großen Fisch zur Rettung Jonas ( Jon 2,1 ); er befahl dem Fisch, Jona auf das Trockene zu speien ( Jon 2,11 ); er drohte Ninive mit dem Gericht und hatte Erbarmen mit ihm ( Jon 3,10 ); er ließ eine Rizinusstaude wachsen, die seinem Propheten Schatten spendete ( Jon 4,6 ); er schickte einen Wurm, um die Pflanze zu zerstören ( Jon 4,7 ); und er sandte einen sengenden Wind, der Jona quälte ( Jon 4,8 ).

Welche Botschaft nun wollte Gott den Israeliten durch sein Handeln an Jona und den Einwohnern von Ninive und durch die Naturphänomene (d. h. das Meer, Tiere und Pflanzen und den Wind) übermitteln?

Eines seiner Anliegen war offensichtlich, den Israeliten seine Sorge für die heidnischen Völker deutlich zu machen. Die Liebe des Herrn zu allen Menschen sollte durch Israel, Gottes auserwähltes Bundesvolk, verkündet werden. Israel sollte die Gnade seiner Barmherzigkeit allen Völkern predigen ( Jes 49,3 ). Das Buch Jona sollte Israel an diesen seinen missionarischen Auftrag erinnern.

Zweitens demonstriert das Buch Gottes Souveränität in der Erreichung seiner Ziele. Obwohl Israel sich als seiner Mission untreu erwies, sorgte Gott treu für die Verkündigung seiner Liebe. So dankt Jona für seine wunderbare Rettung denn auch "...dem Herrn, der mir geholfen hat" ( Jon 2,10 ). Israel unterließ es zwar, Gottes Gnade zu verkündigen, doch sein Werk wird vollendet - trotz menschlicher Schwäche und Unvollkommenheit.

 

Zum dritten enthielt die Reaktion der Heiden eine Zurechtweisung für Gottes sündiges Volk Israel (vgl. John H. Stek: "The Message of the Book of Jona", Calvin Theological Journal 4, 1969, 42 - 43). So steht die religiöse Einsicht der Schiffsleute ( Jon 1,14-16 ) und ihre Sorge um den jüdischen Propheten in schroffem Kontrast zu Israels mangelndem Engagement für die heidnischen Völker. Jonas Verhärtung gegen Gott veranschaulicht - und tadelt - Israels Gleichgültigkeit. Ninives Bußbereitschaft steht in scharfem Gegensatz zu Israels ablehnender Haltung gegenüber den Warnungen von Jonas Zeitgenossen Hosea und Amos.

Viertens war Jona für Israel ein Symbol des eigenen Ungehorsams gegenüber Gott und der eigenen Gleichgültigkeit gegenüber der religiösen Not anderer Völker. Hosea, Jonas Zeitgenosse, stellte durch seine Liebe zu einer Prostituierten (ein Symbol für Israels religiöse Launenhaftigkeit) bildhaft Gottes grenzenlose Liebe zu seinem Volk dar. Ähnlich symbolisiert Jona mit seinem Ungehorsam und seiner Unzufriedenheit das Volk Israel, und Gottes Bestrafung Jonas zeigt seinen Zorn gegen Israel. Doch zugleich ist das freundliche und wunderbare Handeln des Herrn an Jona auch ein Abbild seiner zärtlichen Liebe und Langmut gegenüber seinem Volk. Als Jona aus reuigem Herzen sein Buch schrieb, war es Gottes Wunsch, daß Israel die Lehre, die Jona erhalten hatte, beherzige und Buße tue, wie es Jona und Ninive getan hatten.




Authentizität und Historizität


Kritische, gegen alles Übernatürliche voreingenommene Forscher haben die Authentizität des Buches Jona aus mehreren Gründen bestritten. Zum einen reagieren sie skeptisch auf das Wunder mit dem großen Fisch, der den Propheten verschlingt. Gelehrte haben jedoch nachgewiesen, daß ein solches Ereignis durchaus realistisch ist (z. B. A.J. Wilson, Sign of the Prophet Jonah and Its Modern Confirmations , Princeton Theological Review 25, Oktober 1927, S. 630 - 42; George F. Howe, Jonah and the Great Fish, Biblical Research Monthly, January 1973, S. 6 - 8). Der "große Fisch" war möglicherweise ein Säugetier, ein Pottwal ( Catodon Macrocephalus ). Man weiß, daß Pottwale schon ungewöhnlich große Objekte, einmal sogar einen 4,50 Meter großen Hai, verschluckt haben (Frank T. Bullen, Cruise of the Cachalot Round the World after Sperm Whales . London: Smith, 1898). Andere Forscher berichteten, daß Riesenhaie ( Rhineodon Typicus ) schon Menschen verschlungen haben, die später lebend im Magen des Haies gefunden wurden.

Zweitens haben manche Forscher die Größe von Ninive ( Jon 3,3 ) und seiner Bevölkerung ( Jon 4,11 ) in Frage gestellt. Es stimmt zwar, daß Ninives innere Stadtmauer nach den Angaben von Archäologen nicht einmal 12 km lang war und daß deshalb die Durchquerung der Stadt, deren Durchmesser weniger als 3 km betrug, wohl kaum eine Dreitagesreise in Anspruch nahm. (Bei einer Tagesreise auf freiem Land wurden gewöhnlich 22 - 30 km zurückgelegt.)

Man kann diesem Einwand jedoch zweierlei entgegenhalten: 1. "Die Stadt" schloß wahrscheinlich die umliegenden Städte, die von Ninive abhängig waren, mit ein. Drei solcher mit Ninive in Verbindung stehender Städte werden im 1Mo 10,11-12 erwähnt.

2. Ein Zeitaufwand von drei Tagen für die Durchquerung einer solchen Stadt und ihrer Vorstädte ist durchaus vertretbar, da Jona auf seinem Weg ja immer wieder haltmachte und predigte ( Jon 3,3-4 ). (Zur Bevölkerung von Ninive vgl. den Kommentar zu Jon 4,11 .) Eine Stadt mit drei Kilometern Durchmesser war außerdem in der damaligen Zeit im Nahen Osten ungeheuer groß. So ist es nicht verwunderlich, daß Ninive als eine große Stadt bezeichnet wurde ( Jon 1,2;3,2-4.7;4,11 ).

Zum dritten löste der Verweis auf den König von Assyrien als "König von Ninive" ( Jon 3,6 ) bei manchen Exegeten Verwirrung aus. Doch es ist im Alten Testament durchaus üblich, die Hauptstadt eines Landes (z. B. Ninive) stellvertretend für das ganze Land (z. B. Assyrien) zu nennen. So werden Ahab von Israel ( 1Kö 21,1 ) und Ahasja von Israel ( 2Kö 1,3 ) jeweils als "König von Samaria" bezeichnet, und von Ben-Hadad von Aram wird als "König von Damaskus" gesprochen ( 2Chr 24,23 ).

Der vierte Einwand gegen das Buch Jona richtet sich gegen die plötzliche Reue der Einwohner Ninives. Er leugnet damit letztlich das übernatürliche Wirken des Heiligen Geistes. Wäre Jona jedoch während der Herrschaft des assyrischen Königs Assur-dan III. (772 - 754 v. Chr., vgl. die Tabelle "Könige von Assyrien im Mittel- und Neuassyrischen Königreich") nach Ninive gekommen, so hätte er die Stadt durch das Vorzeichen zweier Hungersnöte (765 und 759) und eine totale Sonnenfinsternis am 15. Juni 763 auf seine Botschaft psychologisch vorbereitet gefunden. Die Menschen jener Tage faßten solche Ereignisse häufig als Zeichen göttlichen Zorns auf.

Der fünfte Grund, aus dem manche Forscher die Authentizität des Buches bestreiten, ist das rasche Wachstum der Staude ( Jon 4,6 ). Dabei handelte es sich wahrscheinlich um eine Rizinuspflanze, die für ihr schnelles Wachstum, ihre Höhe und ihre großen Blätter bekannt ist (vgl. auch den Kommentar zu Jon 4,6 ).

Andererseits sprechen aber auch verschiedene Argumente für die Historizität des Buches: 1. Es werden bekannte Städte erwähnt, so Ninive ( Jon 1,2;3,2-4.6-7;4,11 ), Tarsis ( Jon 1,3;4,2 ) und Jafo ( Jon 1,3 ). 2. Jona gilt als historische Gestalt, nicht als erfundene Figur. Er soll ein Prophet aus Gat-Hefer ( 2Kö 14,25 ) gewesen sein, der in der Regierungszeit einer anderen historischen Person, Jerobeams II., lebte. 3. Jesus erkannte die Historizität Jonas ( Mt 12,41; Lk 11,29-30.32 ) und das große Wunder seiner Rettung aus dem Bauch des Fisches an ( Mt 12,40 ) und nannte Jona einen Propheten ( Mt 12,39 ). Ja, Jesus gründete seinen eigenen Ruf zur Umkehr auf Jonas Aufruf zur Buße ( Mt 12,41; Lk 11,29-32 ). Wenn Jonas Geschichte nicht authentisch, also eine Fiktion, Allegorie oder Parabel, ist, so wäre eine solche literarische Form höchst ungewöhnlich und unterschiede sich von allen anderen prophetischen Büchern.





GLIEDERUNG


I. Jonas Ungehorsam ( Kap. 1-2 )

     A. Die Weisung an den Propheten ( 1,1-2 )
     B. Der Ungehorsam des Propheten ( 1,3 )
     C. Die Folgen diese Ungehorsams ( 1,4-2,11 )
          1. Der große Wind ( 1,4-16 )
          2. Der große Fisch ( 2,1-11 )

II. Jonas Gehorsam ( Kap. 3-4 )

     A. Die erneute Weisung an des Propheten ( 3,1-2 )
     B. Der Gehorsam des Propheten ( 3,3-4 )
     C. Die Bekehrung der Einwohner Ninives ( 3,5-10 )
          1. Die Reaktion des Volkes ( 3,5 )
          2. Die Reaktion des Königs ( 3,6-9 )
          3. Die Reaktion Gottes ( 3,10 )

     D. Die Unzufriedenheit des Propheten ( Kap.4 )
          1. Jonas Unmut ( 4,1-5 )
          2. Gottes Erklärung ( 4,6-11 )




AUSLEGUNG


I. Jonas Ungehorsam
( Jon 1-2 )


A. Die Weisung an den Propheten
( 1,1 - 2 )


Jon 1,1-2


Der Gott Israels befahl Jona (vgl. die Ausführungen unter "Verfasserfrage" in der Einführung), einem Propheten ( 2Kö 14,25; Mt 12,39 ), in die große Stadt Ninive zu gehen und wider sie zu predigen . (Das Wort "groß" taucht häufig auf: "große Stadt", Jon 1,2;3,2;4,11 ; "großer Wind", Jon 1,4 ; "großer Sturm", V. 12 ; "großer Fisch", V. 1 .) Die Botschaft, die Jona verkündigen sollte, steht in Jon 3,4 .Er verkündete sie mit göttlicher Vollmacht, denn das Wort des HERRN geschah ihm . Diese Quelle steht für ihre Verläßlichkeit. Die Stadt Ninive lag am Ostufer des Tigris, etwa 800 km nordöstlich von Samaria (vgl. die Karte "Das assyrische Reich"). Die Entfernung erforderte eine Reise von über einem Monat, wenn Jona die übliche Tagesdistanz von 22 - 30 km zurücklegte. Ninive war die zweitgrößte Stadt nach Babel. (Zur Größe Ninives vgl. die Ausführungen unter "Authentizität und Historizität" in der Einführung sowie den Kommentar zu Jon 4,11 .) Im heutigen Irak läge es gegenüber der modernen Stadt Mossul.

 Erbaut wurde Ninive von Nimrod ( 1Mo 10,11 ). Nach Jonas Zeit wurde es unter Sanherib (705 - 681 v. Chr.), dem Nachfolger Sargons II. (722 - 705 v. Chr.), der das Nordreich besiegte, Hauptstadt des assyrischen Reiches. Der Grund dafür, daß Gott Jona sandte, um "wider" Ninive zu predigen (d. h. ihm Gottes Gericht und seinen Untergang zu verkündigen), war, daß ihre Bosheit vor ihn gekommen war , d. h. daß die Menschen dort immer weiter sündigten. Auch der assyrische König gab zu, daß die Wege seines Volkes "böse" und von "Frevel" gekennzeichnet seien ( Jon 3,8 ). Dabei waren sie "fröhlich" ( Zeph 2,15 ) und hielten sich für unbesiegbar. Der Prophet Nahum beschrieb einige ihrer Schandtaten ( Nah 3,1.4.16 ). Unter anderem war Ninive damals im Nahen Osten für die grausame Behandlung seiner Kriegsgefangenen berüchtigt. (Näheres zu Ninives Grausamkeiten in der Einführung zu Nahum.) Daneben war der Götzendienst der Stadt allgemein bekannt; sie besaß Tempel, die den Göttern Nabo, Assur und Adad geweiht waren; auch Ischtar, eine Liebes- und Kriegsgöttin, wurde verehrt.





B. Der Ungehorsam des Propheten
( 1,3 )


Jon 1,3


Obwohl Jona Gottes Zorn gegenüber Assyrien anscheinend einsah und billigte, fühlte er doch nicht im entferntesten das Mitleid, das Gott für die Assyrer empfand. Aus einem seine religiöse Verpflichtung verdunkelnden patriotischen Eifer heraus und im Vertrauen auf Gottes Gnade (vgl. Jon 4,2 ) stahl er sich vor seiner Verantwortung davon. Es mutet seltsam an, daß ein Prophet Gottes den Befehl seines Herrn, Verdammung zu predigen, nicht befolgen will.

Statt nach Nordosten zu reisen, floh Jona auf dem Seeweg in die entgegengesetzte Richtung. Er bestieg in Jafo (dem modernen Jaffa), an der Küste Israels, etwa 50 km von Samaria und ebenso weit von Jerusalem entfernt, ein Schiff . Es sollte nach Tarsis fahren - vielleicht Tartessos in Südspanien, etwa 4000 km westlich von Jafo. Da Tarsis eine phönizische Kolonie war, waren die Schiffsleute wohl Phönizier. Diese waren bekannt für ihre seetüchtigen Schiffe und ihre nautischen Fähigkeiten.





C. Die Folgen dieses Ungehorsams
( 1,4 - 2,11 )


Der Aufbau von Jon 1,4-16 bildet einen Chiasmus, wie die folgende Aufstellung zeigt (übernommen von Yehuda Radday: "Chiasmus in Hebrew Biblical Literature"; in: Chiasmus in Antiquity: Structures, Analyses, Exegesis . Hildesheim: Gerstenberg 1981, S. 60).

a Die Furcht der Schiffsleute (V. 4 - 5 a)

b Das Gebet der Schiffsleute zu ihren Göttern (V. 5 b)

c Die Schiffsleute werfen die Ladung ins Meer (V. 5 c)

d Die Worte des Schiffsherrn an Jona (V. 6 )

e Das Gespräch der Schiffsleute untereinander (V. 7 a)

f Die Frage der Schiffsleute an Jona: "Wer bist du?" (V. 7 b - 8 )

g Jonas Bekenntnis (V. 9 )

f' Die Frage der Schiffsleute an Jona: "Warum hast du das getan?" (V. 10 a)

e' Die Frage der Schiffsleute an Jona: "Was sollen wir mit dir tun?" (V. 10 b - 11 )

d' Jonas Anweisung an die Schiffsleute (V. 12 )

c' Das Rudern der Schiffsleute (V. 13 )

b' Das Gebet der Schiffsleute zum Herrn (V. 14 )

a' Die Furcht der Schiffsleute vor dem Herrn (V. 15 - 16 )



1. Der große Wind
( 1,4 - 16 )


Die Hauptperson der Erzählung ist Gott, nicht Jona. Er lenkte souverän die Ereignisse, von denen der Text berichtet, um seine Ziele zu erreichen. Er überwand Jonas Widerstand und öffnete die Herzen der Niniviten. Zunächst jedoch änderte er auf wunderbare Weise die Reiserichtung seines Knechtes.



a. Die Not der Schiffsleute
( 1,4 - 5 a)


Jon 1,4-5 a


Gott ließ einen großen Wind aufs Meer kommen ( FUl , "schleuderte"), der so stark war, daß er ein großes Unwetter auslöste. So groß war der Sturm, daß die Schiffsleute dachten, das Schiff würde zerbrechen . Kein Wunder, daß sie sich fürchteten! Die Tatsache, daß jeder Seemann dabei zu seinem Gott betete, legt die Annahme nahe, daß die Phönizier viele verschiedene Gottheiten verehrten. Als erfahrene Seeleute erleichterten sie außerdem das Schiff, indem sie die Ladung über Bord warfen (vgl. Apg 27,17-18 ) in der Hoffnung, das leichter gewordene Schiff werde nicht sinken.





b. Jonas Gleichgültigkeit
( 1,5 b - 6 )


Jon 1,5.6 (Jon 1,5b.6)


Im Gegensatz zu der Angst der Seeleute ist Jonas Reaktion erstaunlich. Er war hinunter in das Schiff gestiegen und eingeschlafen, völlig unberührt vom Schlingern des Schiffs im Sturm. Vielleicht fühlte er sich dort sicher. Offensichtlich spürte er die Gefahr nicht. Ironischerweise mußte ein heidnischer Schiffsherr einen Mann Gottes zum Beten anhalten. Der Kapitän war verzweifelt; jeder bekannte Gott sollte angerufen werden, damit einer sie aus der Gefahr erlöse (vgl. daß wir nicht verderben ; V. 6 ). Die Not war so groß, daß die Männer um ihr Leben fürchteten - doch Gottes Diener schlief. Was für ein Paradebeispiel für das Volk Gottes damals und heute, aus der Apathie zu erwachen, wenn Menschen auf dem Meer des Lebens unterzugehen drohen und um Hilfe rufen!





c. Die Gründe für das Unglück
( 1,7 - 9 )


Jon 1,7


Während der Kapitän versuchte, Jona zu wecken (V. 6 ), kamen die Schiffsleute zu dem Schluß, daß der tragische Sturm die Folge göttlichen Zorns über die Missetat eines an Bord befindlichen Menschen war. Das Werfen von Losen vor einer Entscheidung - in diesem Fall, um den Schuldigen zu finden - war damals in Israel und in anderen Ländern des Nahen Ostens allgemein gebräuchlich (vgl. 3Mo 16,8; Jos 18,6; 1Sam 14,42; Neh 10,35; Est 3,7; Spr 16,33; Apg 1,26 ). Vielleicht wurden gekennzeichnete Steine in einen Behälter gelegt, und dann einer herausgenommen. Hier zeigte Gott seine Herrschaft über Jona: Er ließ das Los seinen ungehorsamen Propheten "treffen".



Jona 1,8-9


Obwohl er gegen Gottes Befehl rebelliert hatte (vgl. V. 2 - 3 ), stand Jona den Schiffsleuten und ihren auf ihn einprasselnden fünf Fragen Rede und Antwort. Er gab ohne Zögern seine Nationalität an ( Ich bin ein Hebräer ) und bekannte die Macht und Größe seines Gottes. Trotz seines Ungehorsams wußte Jona doch zumindest, von was für einem Gott er sprach. Er sagte, daß Gott der HERR ( Jahwe ) sei, der Gott Israels, der einen Bund mit seinem Volk geschlossen hat und ihn auch hält. Er sagte auch, daß sein Gott der Gott des Himmels (vgl. 1Mo 24,3.7 und den Kommentar zu Esr 1,2 ) sei, der eine wahre Herrscher, im Gegensatz zu den vielen falschen Göttern der Schiffsleute (vgl. Jon 1,5 ). Er bekräftigte, daß Jahwe der Schöpfer sei, der Eine, der das Meer und das Trockene gemacht hat (vgl. 2Mo 20,11; Ps 95,5 ). Als Schöpfer der Welt beherrscht er die Natur, auch die Stürme auf dem Meer (vgl. Ps 89,10 ). Die Formulierung der Frage in Jon 1,11 zeigt deutlich, daß die Schiffsleute diese Tatsache anerkannten. Dagegen erscheint es vielleicht befremdlich, daß Jona behauptete, diesen Gott anzubeten, wenn er ihm nicht gehorchte, doch das kommt bei Gläubigen häufig vor.




d. Die Beruhigung des Meeres
( 1,10 - 16 )


Jon 1,10


Als sie hörten, daß Jonas Gott das Meer beherrsche, und da sie wußten, daß Jona sich gegen diesen Gott aufgelehnt hatte, wurde den Schiffsleuten klar, daß der Aufruhr des Meeres ein Zeichen für Gottes Unzufriedenheit mit Jona war. Das ängstigte sie, denn sie wußten sich keinen Rat, wie sie den Gott eines anderen beschwichtigen sollten. Vielleicht fühlten sie sich auch auf abergläubische Weise von Gott für Jonas "Vergehen" mitverantwortlich gemacht. Mit ihrer Frage Warum hast du das getan? tadelten die Schiffsleute den Propheten für sein unvernünftiges Handeln. Diese Frage macht nachdrücklich klar, daß er in ihren Augen für ihre mißliche Lage verantwortlich war, und ist eher ein Ausdruck des Erschreckens über Jonas Ungehorsam als eine wirkliche Frage. Die heidnischen Schiffsleute schienen die Tragweite dieses Ungehorsams eher zu erfassen als der Prophet selbst!




Jon 1,11


Es fällt wiederum auf, wie rasch die Schiffsleute die Situation begriffen. Sie glaubten, daß Jonas Gott das Meer beherrsche, wie er ihnen gesagt hatte (V. 9 ), und wandten sich daher für eine Lösung ihres immer bedrängender werdenden Dilemmas an Jona. Sie spürten, daß sie etwas mit ihm tun mußten, weil er für den Sturm verantwortlich war. Nur dann würde der Sturm sich legen.


Jon 1,12


Jonas Reaktion war Reue. Da er nun die Größe seines Ungehorsams, der den großen Wind verursacht hatte, einsah, war er bereit, die Strafe, sogar den Tod, auf sich zu nehmen. Deshalb forderte er die Schiffsbesatzung auf, ihn ins Meer zu werfen . Erst wenn er nicht mehr an Bord wäre, würde das Meer still werden. Vielleicht hielt er das auch für einen Ausweg aus seinem Auftrag (vgl. Jon 4,3.8 ). Doch Gott hatte andere Pläne!




Jon 1,13-14


Die Seeleute wollten jedoch ungern ein Menschenleben opfern, aus Angst, sich des Mordes schuldig zu machen - eine Haltung, die wiederum in scharfem Gegensatz zu Jonas mangelndem Mitleid mit den Niniviten steht (vgl. Jon 4,1-2 ). So versuchten die Männer auf dem Schiff (mit Ausnahme von Jona) nochmals, ans Land zu kommen . Doch gegen Gottes Willen konnten ihre kümmerlichen Anstrengungen nichts ausrichten. Der Sturm wurde sogar stärker. Als sie die Zwecklosigkeit ihrer Bemühungen erkannten, und weil sie der Überzeugung waren, daß Jonas Gott das Meer in seiner Gewalt habe, sahen sie ein, daß sie Jonas Anweisung ausführen mußten. Doch diese Heiden, die die Gebote Gottes nicht hatten, kannten instinktiv den Wert des menschlichen Lebens und baten Gott, ihnen in seiner Gnade nicht unschuldiges Blut zuzurechnen . Mit ihren Worten: " Du, HERR, tust, wie dir's gefällt ", beugten sich die Schiffsleute vor Gottes Souveränität und Vorsehung im Sturm ( Jon 1,4 ) und beim Werfen der Lose (V. 7 ).




Jon 1,15-16


Die Schiffsleute befolgten die Anweisungen des Propheten (V. 12 )und warfen Jona in das tobende Meer, und es wurde still . Das bewies ihnen die Wirklichkeit und Macht des Gottes Israels. Sie standen in Ehrfurcht vor dem Herrn ( fürchteten den HERRN ). Er hatte getan, was ihren Göttern unmöglich war. Die plötzliche Windstille war die Antwort auf ihre Gebete (V. 5 ). Sie war aber auch ein Beweis dafür, daß der Sturm die Folge von Jonas Ungehorsam gewesen war und daß sie kein unschuldiges Leben vernichtet hatten, als sie ihn über Bord warfen. Völlig überwältigt angesichts der plötzlichen Ruhe brachten sie dem HERRN ( Jahwe , dem Gott Israels) zu Ehren Opfer dar und taten Gelübde . Wieder stehen hier die Seeleute im Gegensatz zu ihrem ehemaligen Passagier. Während Jona Gott ungehorsam war, lobten sie ihn!


 


2. Der große Fisch
( 2,1 - 11 )


a. Jona wird verschlungen
( 2,1 )


Jon 2,1


Doch der Prophet kam nicht in den Fluten um, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre.
Gott ließ einen Fisch kommen, der Jona verschluckte, und erwies sich damit einmal mehr als beherrschende und zentrale Instanz dieser historischen Erzählung.

 Es ist dies das erste von vier Ereignissen, die Gott in der Folge noch geschehen ließ (vgl.
Jon 4,6-8 ).

 Der
große Fisch war möglicherweise ein Pottwal - ein Säugetier - oder vielleicht auch ein Riesenhai (vgl. "Authentizität und Historizität" in der Einführung ).
Gott beherrscht nicht nur das Meer, sondern auch alles, was darin ist.

Durch das große Meerungeheuer bewahrte Gott Jonas Leben und ließ ihn später unverletzt an Land gelangen.

Die Wendung
drei Tage und drei Nächte muß sich nicht unbedingt auf eine Dauer von 72 Stunden beziehen, sondern kann auch einen 24-Stunden-Tag und Teile zweier weiterer Tage bezeichnen (vgl. Est 4,16 mit Est 5,1 und den Kommentar zu Mt 12,40 ,wo Jesus sagt, er werde so lange begraben sein, wie Jona sich im Bauch des Fisches befand).




b. Jonas Lobpreis
( 2,2 - 10 )


Dieses Gebet Jonas ist keine Bitte um Rettung; er bittet darin um nichts. Es ist ein Dankpsalm des Propheten (V. 10 ) an Gott, dafür, daß er ihn durch den Fisch vor dem Ertrinken bewahrte. Jona betete ihn, als er sich im Magen des Fisches befand (V. 2 ), und schrieb ihn später, nachdem der Fisch ihn wieder ausgespien hatte, auf. Der Prophet erkannte, daß Gott ihn durch den großen Fisch gerettet hatte, und dankte ihm für seine unergründliche Gnade. Er lobte Gott für seine Rettung aus dem nassen Grab (vgl. Ps 30,4 ; vgl. Bernhard W. Anderson, Out of the Depths . Philadelphia: Westminster Press 1974, S. 84 - 86).

Der Inhalt von
Jon 2 entspricht in mehrfacher Hinsicht dem von Kapitel 1 :

Die Schiffsleute 1,4 Notlage auf dem Meer 1,14 Gebet zu Gott 1,15 b Rettung aus dem Sturm 1,16  Opfer und Gelübde für Gott

Der Prophet
Jon 2,4-7 a Notlage auf dem Meer 2,2.8 Gebet zu Gott 2,7 b Rettung vor dem Ertrinken 2,10 Opfer und Gelübde für Gott

1. Eine Zusammenfassung von Jonas Erfahrungen.

Jon 2,2-3


Nachdem er den Ort bezeichnet hat ( im Leibe des Fisches ), an dem er seine Stimme zum Gebet erhebt, erzählt Jona in poetischer Form die Geschichte seiner Rettung:

Wenn auch die Schiffsleute dem Herrn ( Jon 1,16 ) Opfer dargebracht hatten, so war er doch in besonderer Weise Jonas Gott. Als die Schiffsleute ihn über Bord warfen, betete er in seiner Angst, und der HERR antwortete ihm mit einer wunderbaren Fügung (dem Fisch).
Die Wendung
aus dem Rachen des Todes drückt die Todesangst aus, die den Propheten gepackt hatte.
Sie besagt nicht, daß er tatsächlich starb.Gott
hörte seine Stimme und kam ihm zu Hilfe. ?????

2. Die Beschreibung von Jonas Erfahrungen ( Jon 2,4-7 ). Hier berichtet der Prophet von seiner Angst in der Tiefe und von Gottes gnädiger Rettung. Jon 2,4 :
Zwar hatten die Schiffsleute Jona dem Meer überantwortet (
Jon 1,15 ),
doch eigentlich war es Gott, der ihn
in die Tiefe geworfen hatte und hinter ihrer Tat stand.
Als die Fluten des Mittelmeers über Jona gingen, wußte er, daß Gott die
Wogen und Wellen beherrscht (und bezeichnete sie als " deine Wogen und Wellen"; vgl. Ps 88,7 ).



Jon 2,5


Verstoßen von Gott wegen seines Ungehorsams, zeigte der Prophet Reue und neuen Glauben und gab seinem Vertrauen Ausdruck, wieder in Gottes Nähe zu gelangen (engl.: I will look again toward Your holy temple - ich sehe wieder auf deinen heiligen Tempel ; Luther: "ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen"; ökumen. Einheitsübersetzung: "Wie kann ich deinen heiligen Tempel wieder erblicken?"). Der "heilige Tempel" war vielleicht der Tempel in Jerusalem oder, was wahrscheinlicher ist, Gottes himmlischer Thron (vgl. Ps 11,4 ), denn der Prophet sprach davon, daß sein Gebet zu Gott in seinen heiligen Tempel drang ( Jon 2,8 ).

Oder aber Vers
5 bezog sich auf den Tempel in Jerusalem und Vers 8 auf den himmlischen Tempel.



Jon 2,6-7 a


In dieser Gefahr umgaben die Wasser Jona, und das Meer umringte ihn. Wasserpflanzen wickelten sich um sein Haupt und hielten ihn umklammert.
 Er
sank hinunter zu der Berge Gründen , und die Riegel der Erde drohten, sich für ewig hinter ihm zu schließen. So beschreibt der Prophet seinen Sturz in die Tiefe, die ihm als sein nasses Grab erschien.




Jon 2,7.8 (Jon 2,7b.8)


In diesem Moment der Hoffnungslosigkeit und äußersten Verzweiflung sandte Gott den Fisch, der den Propheten aus der Grube ("Grube" ist ein Synonym für Grab) heraufholte (Luther: "du hast mein Leben aus dem Verderben geführt"; ökumen. Einheitsübersetzung: "doch du holtest mich lebendig aus dem Grab herauf"). Gott hat sein Leben gerettet, und der reuige Prophet bekennt nun, daß der Herr sein Gott ist (vgl. V. 2 ). Als er spürte, daß er am Ertrinken war und daß das Leben aus ihm wich (engl: my life was ebbing away; Luther: "Als meine Seele in mir verzagte"; ökumen. Einheitsübersetzung: "Als mir der Atem schwand"), wandte er sich zu Gott und betete zu ihm (vgl. V. 3 ) um Rettung (zum heiligen Tempel ; vgl. den Kommentar zu V. 5 ). In der höchsten Gefahr betete der Prophet, und sein Gebet stieg zum Himmel empor und wurde auf wunderbare Weise beantwortet.

3. Der Ausdruck von Jonas Dankbarkeit. Jon 2,9-10 : Die Aussage über die Torheit, sich an das Nichtige zu halten, setzt einen dunklen Kontrast gegen Gottes leuchtende Gnade. Kein lebloses Götzenbild könnte eine solche Rettung bewirken wie der Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat (vgl. Jon 1,9 ). Im Gegensatz zu jenen, die auf die Rettung durch schwache Götzen vertrauten (vgl. Jon 1,5 ), brachte Jona dem wahren Gott ein Dankopfer (vgl. Jon 1,16 ) für seine wunderbare Vorsehung dar. Er tat ein Gelübde dem Herrn zu gehorchen, der ihm geholfen (d. h. ihn gerettet) hat. Rettung aus gefahrvollen Situationen ist stets die Fügung eines gnädigen Gottes. c) Jonas Rückkehr ( Jon 2,11 )




Jon 2,11


Nach Jonas Rettung aus dem nassen Grab sprach der HERR zu dem Fisch , den Propheten nach der dreitägigen Rückreise (vgl. Jon 2,1 ) sicher ans Land zu setzen, vermutlich an der Küste Palästinas. Sieben Wunder geschahen bereits in dieser kurzen Erzählung: Gott ließ einen großen Sturm aufkommen ( Jon 1,4 ); er ließ das Los auf Jona fallen ( Jon 1,7 ); er beruhigte das Meer, als Jona über Bord geworfen worden war ( Jon 1,15 ); er befahl dem Fisch, Jona zu verschlucken ( Jon 2,1 ); ließ ihn durch den Fisch sicher transportieren, auf trockenes Land speien, und, vielleicht das größte Wunder, er erweichte das Herz des ungehorsamen Propheten (bezeugt durch Jonas Dankgebet in Kapitel 2 ).




II. Jonas Gehorsam
( Jon 3-4 )


A. Die erneute Weisung an den Propheten
( 3,1 - 2 )


Jon 3,1-2


Nachdem er Jona von seinem wissentlichen Ungehorsam bekehrt hatte, befahl der Herr dem Propheten erneut, seinen ihm zugeteilten Auftrag zu erfüllen (vgl. Jon 1,2 ). Viermal wird Ninive im Text als große Stadt bezeichnet ( Jon 1,2;3,2-3;4,11 ). Wie in der Einführung bereits erwähnt, war die Stadt von einer inneren und einer äußeren Stadtmauer umgeben. Die riesige innere Mauer (15 m breit und 30 m hoch) hatte einen Umfang von etwa 12 Kilometern, die äußere Mauer schloß Felder und kleinere Städte mit ein (vgl. Rehobot-Ir, Kelach und Resen; 1Mo 10,11-12 ). Die Wendung "große Stadt" bezeichnete wahrscheinlich die eigentliche Stadt Ninive sowie ihre Verwaltungsbezirke.

Jonas Anweisungen lauteten einfach, die 800 km nach Ninive zu reisen und die Botschaft , die der Herr ihm zu gegebener Zeit mitteilen würde, zu predigen (vgl. Jon 3,4 ). Interessanterweise wiederholte Gott in seiner erneuten Weisung nicht den Grund für die Verkündigung (vgl. Jon 1,2 b).




B. Der Gehorsam des Propheten
( 3,3 - 4 )


Jon 3,3


Die Reaktion des Propheten war anders als in Kapitel 1 . Damals ( Jon 1,3 ) war er ungehorsam gewesen und nach Westen gegangen. Dieses Mal gehorchte Jona dem Herrn und machte sich auf nach Nordosten, nach Ninive .

Erneut erwähnt Jona die Größe Ninives und gibt an, daß es drei Tagereisen dauerte, die Stadt, d. h. Ninive einschließlich aller seiner Vorstädte, zu durchqueren (vgl. die Ausführungen unter "Authentizität und Historizität" in der Einführung sowie den Kommentar zu Jon 3,2 ).




Jon 3,4


Eine Tagereise weit bedeutet nicht, daß Jona erst einen ganzen Tag lang in die Stadt hineinwanderte, bevor er zu predigen begann. Er fing vielmehr an zu predigen, sobald er die Stadt betreten hatte. Die Botschaft, die Gott dem Propheten in den Mund legte, drohte mit der völligen Zerstörung Ninives binnen 40 Tagen . Vielleicht war das eine Gnadenfrist, die den Menschen Gelegenheit zur Reue geben sollte, bevor das Gericht über sie hereinbrach. Jona fuhr mit dieser Verkündigung drei Tage fort, bevor er sich "östlich der Stadt" niederließ ( Jon 4,5 ).



C. Die Bekehrung der Einwohner Ninives
( 3,5 - 10 )


1. Die Reaktion des Volkes
( 3,5 )


Jon 3,5


Die Worte des Propheten breiteten sich rasch in der ganzen Stadt aus. Die Leute von Ninive nahmen Jonas Botschaft ernst und glaubten an Gott . Es liegt eine gewisse Ironie darin, daß die Menschen sich jetzt, als der Prophet vom Gericht sprach, änderten. Zuvor hatte Jona bereut, und nun empfanden auch diese Heiden Reue. Als äußeres Zeichen innerer Zerknirschung und Demut fasteten sie (vgl. 1Sam 7,6; 1,12; Neh 1,4; Sach 7,5 ) und zogen den Sack zur Buße an (derbes Tuch; vgl. 1Mo 37,34;1Kö 21,27; Neh 9,1; Est 4,1-4; Kl 2,10; Dan 9,3; Joe 1,8 ). Die Menschen aller sozialen Schichten, groß und klein , hofften, daß Gott von seinem Zorn ablassen und sie verschonen würde.

Wie bereits erwähnt, finden manche Gelehrten eine solche grundlegende Kehrtwendung zu Gott unglaubwürdig. Es stimmt zwar, daß die assyrischen Berichte nichts von dieser eine ganze Stadt ergreifenden Reue erwähnen, andererseits verschweigt die offizielle Geschichtsschreibung häufig Ereignisse, insbesondere solche, die für sie wenig rühmlich sind (z. B. enthalten die ägyptischen Berichte nichts über den Durchzug der Israeliten durchs Rote Meer, und die assyrische Geschichtsschreibung berichtet nicht über den Verlust von 185 000 Kriegern vor Jerusalem; 2Kö 19,35 ).

Eine andere Frage ist, ob die Bekehrung der Leute von Ninive echt war. War ihre religiöse Reaktion eventuell nur oberflächlich, wie im Falle Ahabs ( 1Kö 21,27-29 )? Wenn die Bekehrung der Niniviten tatsächlich echt war, so ist es schwer zu erklären, warum die Assyrer in ihren Gewalttaten fortfuhren und bald darauf Israel vernichteten (etwa 37 Jahre später, im Jahr 722 v. Chr., besiegten die Assyrer das Nordreich). Vielleicht kehrte die nächste Generation zu der für die Assyrer typischen Grausamkeit zurück.

Im übrigen handelte Jonas Botschaft von der Abkehr vom Bösen zur Vermeidung von Strafe; so glaubten vielleicht viele seinen Worten, ohne sich wirklich zu bekehren. Vielleicht glaubten sie an die Drohung von Gottes Gericht, ohne jedoch an Jahwe als den einzig wahren Gott zu glauben. C.F. Keil schrieb: "Doch wie tief auch immer die reuige Trauer Ninives gegangen und wie aufrichtig auch immer die Bußfertigkeit der Menschen gewesen sein mag, ... letztlich handelten sie auf Befehl des Königs; die Reue hielt nicht an und hatte auch keine dauernden Auswirkungen" ("Jona", in: "Commentary on the Old Testament in Ten Volumes", 10,409). Offensichtlich handelten die Leute von Ninive, unter dem Eindruck der Verkündigung Jonas, aus Furcht (vgl. Jon 3,8-9 ). Auch wenn die Menschen äußerlich Reue zeigten (sie fasteten und trugen Bußkleidung), ging wohl keine dauernde religiöse Veränderung in ihnen vor. Auf alle Fälle hatte Jonas Predigt eine weitreichende und tiefgreifende, wenn auch keine dauerhafte Wirkung.




2. Die Reaktion des Königs
( 3,6 - 9 )


a. Seine Reue
( 3,6 )


Jon 3,6


Die Kunde von der religiösen Zerknirschung der Menschen kam vor den König von Ninive (wahrscheinlich Assur-dan III.). Obwohl Ninive erst in der Regierungszeit Sanheribs (705 - 681 v. Chr.) Hauptstadt des assyrischen Reiches wurde, residierten manche Könige dort. Die Nachricht des unmittelbar bevorstehenden, drohenden Unheils veranlaßte den König, dasselbe zu tun wie sein Volk (vgl. V. 5 ). Er zog den Sack an, ein grobes Gewand, setzte sich in die Asche (vgl. Jes 47,1 ) und demonstrierte damit seine Reue und seinen Glauben an die Botschaft des Propheten.




b. Seine Weisungen
( 3,7 - 9 )


Jon 3,7-8


Die Reue bewog den König und seine Gewaltigen zum Erlaß eines königlichen Befehls . Das Dekret wies die Menschen an zu fasten (darauf bezieht sich vielleicht das in V. 5 erwähnte Fasten), den Sack anzulegen (vgl. den Kommentar zu V. 5 ), zu Gott zu rufen mit Macht und ihre Bosheit (ihre bösen Wege ; vgl. V. 10 ) zu bereuen. Selbst die Tiere durften keine Nahrung zu sich nehmen und wurden in rauhes Tuch gewickelt. Maßnahmen wie diese waren im Nahen Osten nichts Ungewöhnliches; sie waren ebenfalls ein Zeichen der Bußfertigkeit der Menschen.

Jon 3,9


Die Frage: " Wer weiß ?" (vgl. 1Sam 12,22; Joe 2,14 ), deutet die Möglichkeit an, daß Jonas Gott seine Drohung vielleicht nicht wahrmacht. Der König hoffte, Gott werde sich aufgrund seiner und seines Volkes Zerknirschung sein Urteil gereuen lassen und sich von seinem grimmigen Zorn abwenden und die Stadt verschonen. (Vgl. daß wir nicht verderben in Jon 1,6 .) Diese Angst vor Gottes Gericht ist eigentlich überraschend, denn die Assyrer waren sonst ein grausames, gewalttätiges Volk (vgl. Nah 3,1.3-4 ),das niemanden fürchtete (vgl. 2Kö 18,33-35 ).




3. Die Reaktion Gottes
( 3,10 )


Jon 3,10


Gott sandte den Niniviten als Beweis seiner Gnade Jona, sagte ihm, was er ihnen verkündigen sollte, und erreichte die Herzen dieser vielen Menschen. Die Botschaft des Propheten enthielt möglicherweise auch Bedingungen für die Rücknahme der Drohungen Gottes. Als er daher ihre reuevolle Reaktion sah, reute Gott das Übel , das er ihnen angedroht hatte. Er hatte Jona verschont ( Jon 2 ), nun verschonte er Ninive. Gottes Barmherzigkeit und seine Gnade sind stets unverdient - Reue ist niemals ein Verdienst. Das bedeutet jedoch nicht, daß Gott nicht auf Reue reagiert. Ninives Reue zögerte Gottes Zerstörung der Stadt um etwa 150 Jahre hinaus. Offensichtlich verfielen die Bewohner in der Folge wieder der Sünde, so daß die Stadt später, im Jahr 622 v. Chr., zerstört wurde (vgl. das Buch Nahum).

Mit seiner Strafandrohung gegen Ninive schuf Gott einen dunklen Hintergrund, um davor umso lebendiger seine verzeihende Gnade erstrahlen zu lassen. Das machte sie den Herzen der Sünder noch eindrücklicher. Gottes bereitwillige Barmherzigkeit gegenüber einem bösen, aber reuigen Volk und sein Absehen von der angedrohten Zerstörung zeigte Israel, daß sein kommendes Gericht aus Gottes Hand nicht auf Gottes mangelnde Bereitschaft zur Vergebung, sondern auf seine eigene Unbußfertigkeit zurückzuführen war.





D. Die Unzufriedenheit des Propheten
( Jon 4 )


1.Jonas Unmut
( 4,1 - 5 )


a. Jonas Zorn
( 4,1 )


Jon 4,1


Jona war empört über Gottes Güte gegenüber den Niniviten und lehnte sie offen ab. Er symbolisierte damit letztlich die Haltung ganz Israels. Die Selbstsucht Jonas war eine Mahnung für Israel in seiner Gleichgültigkeit gegen Gottes Wege und Wohltaten. Das Wort aber weist auf den Kontrast zwischen Gottes Barmherzigkeit ( Jon 3,10 ) und Jonas Unmut, Gottes Abwendung von seinem Zorn ( Jon 3,9-10 ) und Jonas aufkommendem Ärger. Jonas Zorn ( er ward zornig heißt wörtlich: er "wurde hitzig") auf Gott, weil er die Einwohner von Ninive verschonte, kam aus seinem blinden Patriotismus. Er wußte wahrscheinlich aus den Prophezeiungen von Amos und Hosea, daß die Assyrer Israel vernichten würden. Seine Haltung gegenüber Gottes Handeln schwankt auffallend abrupt zwischen verschiedenen Extremen (Ungehorsam, Jon 1 ; Dank, Jon 2 ; Gehorsam, Jon 3 ; Unmut, Jon 4 ).




b. Jonas Gebet
( 4,2 - 3 )


Jon 4,2


Vor Zorn und Empörung tadelte der Prophet seinen Herrn. Sein Vorwurf lautete, auf eine knappe Formel gebracht: " Ich wußte ja, daß du gnädig bist, und nun sieh, was geschehen ist! " Jona gab in diesem Zusammenhang zu, daß er nach Tarsis geflohen war, weil er nicht wollte, daß die Niniviten vor dem Gericht errettet würden. (Er selbst wollte aus dem drohenden Verderben gerettet werden (vgl. Jon 2,3.8 ), doch die Niniviten sollten umkommen.) Die Niniviten nahmen Gottes Gnade bereitwilliger an als der Prophet. Jona, der Gottes Barmherzigkeit so tief erfahren hatte, war selbst erbarmungslos in seiner Haltung gegenüber den Leuten von Ninive.

Jona wußte um Gottes Vergebungsbereitschaft, doch er wollte nicht, daß seine Feinde sie kennenlernten. Die Untergangsdrohung gegen Ninive ( Jon 3,4 ) konnte ja abgewendet werden, wenn seine Hörer sich zu seinem gnädigen Gott bekehrten.

Wie genau der Prophet Gottes Wesen erfaßte, macht seine an 2Mo 34,6 angelehnte Formulierung deutlich. Tatsächlich decken sich Jonas Worte über Gott fast völlig mit Joels Beschreibung des Herrn ( Joe 2,13 ; vgl. Neh 9,17; Ps 103,8; 145,8 ). Gott ist gnädig (d. h. er sehnt sich nach den Menschen und hilft ihnen) und barmherzig (liebevoll in seiner Zuwendung), langmütig (er findet kein Vergnügen an der Bestrafung der Bösen; vgl. 2Pet 3,9 ) und von großer Güte ( HeseD , "treue Liebe oder Treue zu einem Bundesgenossen"). Auch die Psalmisten sprachen häufig von dem "gnädigen" und "barmherzigen" Gott, manchmal allerdings in umgekehrter Reihenfolge ( Ps 86,15; 103,8; 111,4; 112,4; 145,8 ). Jona wußte, wie er sagt, daß Gott sich des Übels gereuen läßt , und er fürchtete, daß alle diese Eigenschaften Gottes auch den verabscheuenswerten, grausamen Niniviten zugute kommen würden - und so geschah es!




Jon 4,3


Jonas Ärger über Gottes Tun war so groß, daß er ihn bat, er möge ihn tot sein lassen (vgl. Jon 4,8;1Kö 19,4 ), während er doch zuvor um sein Leben gebetet hatte ( Jon 2,3 ). Vielleicht war er nun enttäuscht, daß seine Drohung nicht wahr geworden war. Er fühlte sich so in seinen Erwartungen betrogen, weil Gott von seinem Zorn abgelassen und die Stadt nicht zerstört hatte, daß er nicht weiterleben wollte. Gott war besorgt um die Stadt ( Jon 4,11 ), nicht so Jona.




c. Jonas Tun
( 4,4 - 5 )


Jon 4,4-5


Obwohl Jona wußte, daß Gott langmütig ist (V. 2 ), wünschte er noch immer, daß der Herr seinem Zorn rasch nachgäbe. Doch Gott, dessen Langmut auch seinem Propheten galt, versuchte, ihn mit Argumenten zu überzeugen. So fragte er seinen schmollenden Botschafter, ob sein Unmut denn gerechtfertigt sei (vgl. V. 9 ). Die Antwort auf diese Frage konnte nur negativ ausfallen - Jona zürnte nicht mit Recht . Niemand sollte Gottes Handeln im Zorn in Frage stellen, auch wenn es nicht mit den eigenen Erwartungen oder Wünschen übereinstimmt.

Aber Jona war so verstimmt, daß er Gott nicht antwortete. Statt dessen verließ er die Stadt und baute sich eine primitive Hütte , vielleicht aus Zweigen, und setzte sich (vgl. den König, der sich in Asche setzte; Jon 3,6 ) darunter in den Schatten (vgl. Elia unter dem Wacholderbaum; 1Kö 19,4 ). Anscheinend hatte er von dieser Stelle aus einen guten Blick auf die Stadt. Warum er hier wartete, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde , ist schwer zu verstehen. Vielleicht dachte er, daß Gott auf seine Vorwürfe reagieren und die Stadt doch noch richten würde. Da er sich nicht vorstellen konnte, daß Gott Menschen, die es verdienten, nicht bestrafte, war er entschlossen, zu warten, bis Ninive diese Bestrafung auch tatsächlich erhielt. Er war jedoch im Irrtum, und sein Benehmen war kindisch. Offensichtlich hatte er vergessen, daß er, der für seinen Ungehorsam ebenfalls den Tod verdient hatte, von Gott gerettet worden war ( Jon 2 ).




2. Die Erklärung des Herrn
( 4,6 - 11 )


a. Das Beispiel wird vorbereitet
( 4,6 - 8 )


Gott in seiner Langmut (vgl. V. 2 ) versuchte nochmals, Jona zu überzeugen (vgl. V. 4 ). Diesmal führte er ihm ein Beispiel vor Augen. Er schuf etwas, was Jona Freude machte (für sein leibliches Wohl) und stellte diesem Gegenstand als Kontrast das, was ihm am Herzen lag (die Seelen der Menschen) gegenüber. Gott wies Jona diesmal nicht durch einen Sturm zurecht, sondern indem er ihm die Eigennützigkeit seiner Vorlieben und Abneigungen deutlich machte.



Jon 4,6


Gott ließ (vgl. das "ließ" in Jon 2,1 und Jon 4,7-8 ) eine Staude wachsen , die dem Propheten Schatten spendete, den ihm sein notdürftiges Blätterdach (V. 5 ) nicht geben konnte. Der Gott des Meeres, der einen Fisch schicken konnte, der Jona verschlang, ist auch der Gott des Trockenen (vgl. Jon 1,9 ) und all dessen, was auf der Erde wächst. Diese Begebenheit ist ein Beweis dafür, daß Gott barmherzig ist ( Jon 4,2 ) - auch gegen seine aufgebrachten und verstimmten Diener. Als die Staude herangewachsen war, bedeckte sie Jonas Hütte. Der Schatten der grünen Pflanze, die seinen Unterschlupf mit dichten Blättern bedeckte, schützte ihn vor den Strahlen der Wüstensonne. Möglicherweise handelte es sich bei der Pflanze ( qIqAyNn ) um eine Rizinusstaude ( Ricinus communis ), die in heißem Klima sehr rasch zu einer Höhe von 3 Metern heranwächst und riesige Blätter besitzt. Sie verwelkt sehr schnell, wenn ihr Stiel verletzt wird. Die Tatsache, daß die Pflanze über Nacht wuchs (vgl. "am Morgen, als die Morgenröte anbrach", V. 7 ; vgl. auch V. 10 ), zeigt, daß ihr ungewöhnlich rasches Wachstum ein ebenso großes Wunder war wie das Kommen des Fisches, der Jona rettete. Jona war über diese Annehmlichkeit trotz seines Ärgers und seiner Verstimmung hocherfreut. Auch dies, daß er sich über seine Bequemlichkeit freute, nicht jedoch über die Verschonung der Niniviten, ist bezeichnend in seiner Ironie.



Jon 4,7-8


Am Morgen, als die Morgenröte anbrach, ließ (vgl. "ließ" in Jon 2,1 und 4,6 ) Gott einen Wurm kommen , der die Staude, die den Propheten so erfreut hatte, anfraß. Am folgenden Tag dann ließ Gott einen heißen Ostwind kommen , der Jona Beschwernisse brachte, daß er matt wurde. Seine einfache Schutzhütte reichte nicht aus, ihn vor dem sengenden Wind aus dem Osten zu schützen. Auffälligerweise griff Gott in Kapitel 1 durch einen Sturm und einen riesigen Fisch in den Gang der Ereignisse ein; diesmal benutzte er einen kleinen Wurm und einen heißen Wind. Wieder war der Prophet so unzufrieden - zuvor wegen der Reue der Niniviten, und nun wegen des Verlustes des Schattens der Staude -, daß er tot sein wollte (vgl. Jon 4,3 ).


 

b. Die Erklärung wird ausgesprochen
( 4,9 - 11 )


Jon 4,9


Gott stellte Jona nun nochmals dieselbe Frage, die er ihm bereits vorgelegt hatte: Meinst du, daß du mit Recht zürnst (vgl. V. 4 )? Doch hier fügte er hinzu " um der Staude willen ". Gott wollte, daß Jona den Gegensatz zwischen der Schonung Ninives und der Vernichtung der Staude - den Gegensatz zwischen seiner mangelnden Sorge für das geistliche Wohl der Niniviten und seiner Sorge für sein eigenes k örperliches Wohl - einsähe. Sowohl Jonas Gleichgültigkeit (gegenüber Ninive) als auch seine Sorge (für sich selbst) waren selbstsüchtig. Jona antwortete jedoch, daß sein Zorn über den verdorrten Rizinus gerechtfertigt sei und daß er bis an den Tod zürne.

"Das Leben (besteht) für Jona aus einer Reihe peinlicher Überraschungen und Frustationen. Er versucht, vor Gott zu fliehen und läuft in die Falle. Er gibt auf, akzeptiert den unvermeidlichen Tod und wird gerettet. Er gehorcht der zweiten Weisung und hat, zu seiner unliebsamen Überraschung und Frustration, Erfolg. Er wird wütend; seine Frustration wächst." (Judson Mather, The Comic Act of the Book of Jonah . Soundings 65, Herbst 1982, S. 283).




Jon 4,10-11


Gott wollte Jona dahin bringen, zu erkennen, daß er kein Recht hatte, über die Niniviten oder die Staude zornig zu werden, da er beide weder erschaffen noch erhalten hatte und auch keinerlei Macht über sie besaß. Er konnte die Staude weder wachsen noch verdorren lassen. Die Staude hatte nur eine kurze Lebensdauer ( sie ward in einer Nacht und verdarb in einer Nacht ) und war auch nicht sehr wertvoll. Trotzdem trauerte Jona um sie. Jona hatte die Pflanze nicht aufgezogen, Gott dagegen hatte die Niniviter erschaffen. Jonas Zuneigung war abwegig; er sorgte sich mehr um eine Rizinuspflanze als um Menschenleben. Seine persönliche Bequemlichkeit war ihm wichtiger als das religiöse Schicksal von Tausenden von Menschen. Was für ein Abbild Israels zu Jonas Zeit!

Gottes Worte an den Propheten machen deutlich, daß Jona kein Recht hatte, zornig zu sein. Donald E. Baker umschreibt die Antwort des Herrn folgendermaßen: "Laß uns deinen Ärger genauer betrachten, Jona. ... Er zeigtdeine Sorge um deine geliebte Pflanze - doch was konnte sie dir wirklich bedeuten? Deine Beziehung zu ihr kann nicht sehr tief gewesen sein, denn sie war an einem Tag da und am folgenden wieder verschwunden. Deine Sorge entsprang egoistischen Motiven, nicht echter Liebe. Du besaßest nicht die Hingabe eines Gärtners. Wenn du wirklich so traurig bist - was soll dann ein Gärtner fühlen, der eine Pflanze hegte und ihr Wachstum beobachtete, nur, um sie dann welken und sterben zu sehen? So fühle ich für Ninive, nur viel stärker. All die Menschen, all die Tiere - ich schuf sie; ich sorgte für sie die ganze Zeit. Ninive hat mich grenzenlose Mühe gekostet, und es bedeutet mir alles. Dein Schmerz ist nichts, verglichen mit meinem, wenn ich an Ninives Zerstörung denke." ( Jonah and the Worm , His. Oktober 1983, S. 12).

Während Jona Gottes Verschonung der Niniviten für widersinnig gehalten hatte, entlarvte Gott Jona als denjenigen, dessen Denken widersinnig war.

Im Gegensatz zu der völlig unwichtigen Rizinusstaude war die große Stadt Ninive sehr wohl von Bedeutung; es lebten mehr als hundertzwanzigtausend Menschen in ihr. Die Worte " die nicht wissen, was rechts oder links ist " beziehen sich möglicherweise auf Kinder. In diesem Fall hätte die Bevölkerungszahl Ninives und seiner Umgebung, nach Meinung mancher Exegeten, sogar etwa 600 000 betragen. Andere Exegeten vertreten die These, daß die 120 000 Erwachsene waren, die - ein Abbild ihrer geistlichen und moralischen Verfassung ohne Gott - so undiszipliniert und einsichtslos waren wie Kinder. (In diesem Fall hätte sich die Gesamtbevölkerung auf etwa 300 000 belaufen.) Die Zahl von 120 000 für Ninive entspricht recht genau der erwachsenen Bevölkerung von Nimrod ( 1Mo 10,11-12 ; auch bekannt unter dem Namen Kelach, eine Vorstadt von Ninive). Eine Inschrift besagt, daß Assurnasirpal II. (883 - 859) 69 574 Leute aus Nimrod zu einem Fest einlud (Leslie C. Allen, The Books of Joel, Obadiah, Jonah and Micah , S. 234, Anm. 27; Daniel David Luckenbill, The Annals of Sennacherib . Chicago: University of Chicago Press, 1924, S. 116). Nach Ansicht von Donald J. Wiseman umschlossen Ninives Mauern ein Gebiet, das doppelt so groß war wie Kelach ( Jonah's Nineveh , Tyndale Bulletin 30. 1979, S. 37).

Jona ist ein besonders tragisches Beispiel für den Verfall des Volkes Israel. Wie Jona wurde auch Israel der Vorwurf des religiösen Ungehorsams und der Gleichgültigkeit gemacht. Was für ein Unglück, wenn Gottes Volk sich mehr um sein leibliches Wohl als um die Erfüllung von Gottes Willen unter den Menschen kümmert!

Gott dagegen ist selbstlos. Ihn darf eine so große Stadt jammern (h¹s, "verschonen"; vgl. Joe 2,17 ), eine Stadt mit so vielen Menschen, die seiner Gnade bedürfen.

Die beiden kleinen Propheten, die fast ausschließlich von Ninive handeln - Jona und Nahum -, schließen beide mit einer Frage (vgl. Nah 3,19 ). Die Frage in Jon 4,11 entläßt den Leser mit einer gewissen Unbehaglichkeit - der Vorhang scheint, zu abrupt zu fallen. Es wird keine Antwort von Jona überliefert. Wie ist dieses Schweigen zu verstehen? Plausiblerweise konnte Jona das Buch erst dann geschrieben haben, als er begriffen hatte, was Gott ihm sagen wollte. Er hatte anscheinend seinen Irrtum eingesehen und schrieb dann seine historisch-biographische Erzählung, um Israel zur Abkehr von seinem Ungehorsam und seiner spirituellen Gleichgültigkeit zu bewegen.

Doch das Buch schließt mit Jonas Zorn, Mißmut, Ärger und Schwäche. Ihm blieb nur, Gottes Worte über seinen eigenen Mangel an Mitleid und Gottes tiefe Barmherzigkeit zu bedenken. Der Herr hatte klar gemacht: (a) Er ist gnädig zu allen Völkern, zu den Heiden ebenso wie zu den Israeliten; (b) er ist der Herr; (c) er bestraft Auflehnung; und (d) er möchte, daß sein eigenes Volk ihm gehorsam ist, sich von seinen religiösen Irrtümern löst und nicht versucht, seiner universalen Liebe und Gnade Grenzen zu setzen.



Jona

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