Home



Stilfiguren

Stilfiguren sind ein Teil jeder Sprache. Sie verschönem und bereichem die Sprache. Wie nüchtem wäre das Hohelied, wenn die Liebenden ihre Liebe nicht in den reichen Wendungen ausgedrückt hätten, die sie gebrauchten!

 Doch Stilfiguren verzieren nicht nur die Sprache, sie leisten mehr. Sie sind das Mittel, durch das abstrakte Ideen mitgeteilt werden.
Indem Gedanken aus einem vertrauten Gebiet in ein unbekanntes Terrain übertragen werden, lemt man Wahrheit im Unbekannten durch das, was einem im Bekannten bereits vertraut ist.

 Die Hauptfunktion der Stilfiguren besteht also darin, Gedankengänge mitzuteilen.

Ganz gleich, ob die Stilfigur nun einfach oder komplex ist, sie hat stets diese eine Gmndfunktion.

Es gibt in der Heiligen Schrift verschiedene Stilfiguren, die als »Gleichnis« bezeichnet werden.
Im Alten Testament wird beispielsweise das hebräische Wort maschal, das manchmal mit »Gleichnis« übersetzt wird, eigentlich in vielen unterschiedlichen Bedeutungen verwendet.

 Ein guter Hinweis oder ein weiser Rat wird Gleichnis genannt (4Mo 23,18; Hi 27,1; Ps 49,4; 78,2), wenn er der Dummheit des Dummen gegenübergestellt wird (Spr 26,7.9).

Eine prophetische Botschaft wurde ebenso Gleichnis genannt (4Mo 24,15) wie eine Gerichtsbotschaft (Mi 2,4; Hab 2,6).
 Die Leute, denen Hesekiel seine Botschaft brachte, verwarfen seine Wamungen und Ermahnungen, indem sie fragten: »Redet er nicht in Gleichnissen?« (Hes 20,49). Es wird darauf hingewiesen, dass, obwohl das Alte Testament das Wort Gleichnis in einer Vielzahl von Bedeutungen verwendet, bei jeder dieser Bedeutungen im Mittelpunkt steht, dass ein zentraler Gedanke vom Sprecher zum Hörer übermittelt werden soll. Auch im Neuen Testament wird das Wort »Gleichnis« fiir viele verschiedene Stilfiguren verwendet. Ein Gleichnis kann die Form 10eines Vergleichs haben, bei dem eine Ähnlichkeit festgestellt wird. Jesus sagte: »Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe; so seid nun klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben« (Mt 10,16). Der Gebrauch von »gleich« oder »wie« bestimmt eine Stilfigur als einen Vergleich.

Das Gleichnis kann die Form einer Metapher haben, die unter schwellig einen Vergleich enthält.
Zum Beispiel sagte Jesus:
 »Ich bin die Tür der Schafe« (Joh 10,7).

 Das Gleichnis kann die Form eines Gleichnisses im eigentlichen Sinne annehmen. Bei dieser Stilfigur wird eine Übertragung aus einem bekannten Bereich vorgenommen. Sie basiert auf dem, was man normalerweise tut, nicht auf dem, was eine bestimmte Person wirklich tat.

Als Jesus sagte:
»Das KönigReich der Himmel gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war«,
verwendete er ein Gleichnis im eigentlichen Sinne.
 Jeder, der weiß, wie man Brot backt, kann aus diesen Worten Wahrheit lernen, weil dieser Vorgang so alltäglich ist.
 Das Gleichnis kann die Form einer Erzählung annehmen.
Anstatt wie in einem Gleichnis im eigentlichen Sinne Wahrheit auf der Grundlage dessen zu übertragen, was man normalerweise tut, ist das erzählende Gleichnis spezifisch; es überträgt Wahrheit, indem es einen besonderen Vorfall heranzieht und die Aufinerksamkeit darauf lenkt, was eine bestimmte Person tat.

So leitete Jesus drei Gleichnisse folgendermaßen ein:
»Ein Mensch hatte zwei Söhne« (Lk 15,11),
 »Es war ein reicher Mann« (Lk 16,1)
 und »Es war ein Richter in einer Stadt« (Lk 18,2).

Das erzählende Gleichnis war die Stilfigur, die Jesus am häufigsten verwendete, um seinen Hörem Wahrheit zu vermitteln.

 Da Sprichwörter ebenfalls durch Übertragung lehren, wurden sie manchmal auch Gleichnisse genannt (z.B. Lk 6,39).
 In Lukas 4,23 wird das Wort parabole mit »Sprichwort« übersetzt.
Eine andere Übersetzung der Grundbedeutung von parabole ist »Gleichnis«
 (Mt 24,32; Mk 13,28; Hebr 9,9; 11,19). 11 
Das erzählende Gleichnis findet sich auch im Alten Testament.

 Um das Urteil über David wegen seiner Sünde mit Batseba zu überbringen, gebrauchte Nathan ein erzählendes Gleichnis, in dem er Davids Sünde an einem Fallbeispiel rekonstruierte (2Sam 12,1-4).

Dieses erzählende Gleichnisnahm die Form vieler Gleichnisse unseres Herrn vorweg. Obwohl sich jedes der oben genannten Gleichnisse vom anderen unterscheidet,
sind sie sich alle darin ähnlich, dass die zu lernende Wahrheit auf einer Übertragung aus dem realen Leben beruht.

 Der Inhalt ist jedes Mal bekannt und liegt im Bereich des Möglichen.
In einem Gleichnis wird nicht versucht, etwas aus einem unbekannten Bereich in einen anderen unbekannten Bereich zu übertragen; →→
die Übertragung geschieht stets vom Bekannten zum Unbekannten.

Bei einer Allegorie wird - im Gegensatz zu einem Gleichnis - eine Geschichte konstruiert, die nicht auf der Wirklichkeit gründet.
 Die Übermittlung mit Hilfe einer Allegorie hängt daher nicht von einer objektiven Realität, sondern von dem subjektiven Gebrauch der Vorstellungskraft des Hörers ab. Es gibt mehrere Beispiele für allegorische Übermittlung im Alten Testament.

So wurde Hesekiel befohlen:
»Menschensohn, gib ein Rätsel auf und rede ein Gleichnis zum Haus Israel« (Hes 17,1). Der Prophet beabsichtigte, die Invasion Jerusalems durch Nebukadnezar und die darauf folgende Deportation des Volkes nach Babylon zu skizzieren.
Dies tat er, indem er eine Allegorie konstruierte, in der ein Adler den obersten Trieb vom Wipfel einer Zeder abbrach, ihn forttrug und in einem neuen Land einpflanzte. Diese ganze Erzählung ist eine Allegorie, weil sie der Natur widerspricht. Hier tut ein Adler, was Adler normalerweise nicht tun.

Damit das Volk die Allegorie verstehen konnte, musste der Prophet seine Botschaft auslegen.

Ein anderes anschauliches Beispiel für eine Allegorie findet sich in Richter 9.
Die Bürger von Sichem hatten Abimelech zu ihrem König gekrönt.
Als Jotam hörte, was sie getan hatten, wies er sie zurecht, indem er eine Allegorie konstruierte. In anschaulicher Weise schilderte er, dass sich die Bäume des Waldes einen König suchten.
Sie baten den Ölbaum, ihr König zu sein, doch der Ölbaum lehnte ab.
Daraufhin baten sie den
Feigenbaum, ihr König zu sein, aber auch der
Feigenbaum lehnte ab. Dann trugen sie ihre Einladung dem Wein stock vor, doch auch der Weinstock lehnte ab.
Zuletzt kamen sie zum Dombusch und baten ihn, ihr König zu sein.

Der Dombusch stimmte unter der Bedingung zu, dass sich die Bäume seiner Autorität unter warfen.
Durch diese Allegorie offenbarte Jotam, dass die Leute von Sichem den Unwürdigsten unter ihnen zu ihrem König gewählt hatten.

Diese Erzählung ist eine Allegorie, weil sie nicht auf der Wirklichkeit beruht.
Sie steht im Gegensatz zur Natur, denn echte Bäume verhalten sich nicht wie die Bäume in der Erzählung.

 In einer Allegorie wird also die Wahrheit nicht durch die Übertragung aus dem bekannten Bereich auf einen unbekannten Bereich transportiert. Die Wahmehmung der Wahrheit durch die Allegorie beruht auf dem Vorstellungsvermögen des Hörers statt auf der logischen Übertragung der Wahrheit aus der wirklichen Welt auf den unbekannten Bereich.
Eine Allegorie wird so konstmiert, dass die Wahrheit durch jeden einzelnen Teil der Allegorie gelehrt wird.
 Das erfordert vom Ausleger einer Allegorie, dass er sich mit jedem einzelnen Detail befasst.
Im Gegensatz dazu ist ein Gleichnis dazu gedacht, eine einzige grundlegende Wahrheit zu lehren; die Details eines Gleichnisses können dabei völlig nebensächlich sein.

Halten wir fest, dass der Herr Jesus Christus keine Allegorien als Stilmittel gebrauchte, um Wahrheit zu vermitteln.

Wie Jesus Gleichnisse verwendete Während seines gesamten Dienstes betonte Jesus in großem Maße die Wichtigkeit seiner Worte. Dasselbe gilt für seine Wunder. Seine Worte waren ein wichtiger Beweis für seine Identität (Joh 8,28; 14,10). Ungefähr ein Drittel der Lehre Jesu, wie sie in den Evangelien berichtet wird, geschah in Form von Gleichnissen. Daher muss man sich die Frage stellen, warum Jesus diese Methode der Wahrheitsver mittlung so intensiv einsetzte.
 Jesus selbst erklärte, warum er Gleichnisse in seiner Lehre verwendete (Mt 13,10-17). Das tat er, nachdem er das Gleichnis von dem Sämann, der Saat und den verschiedenen Ackerböden erzählt hatte; danach fragten ihn die Jünger:

 »Warum redest du in Gleichnissen zu ihnen?«
Aus ihrer Frage geht hervor, dass sie erkannt hatten, dass er eine neue Lehrmethode anwendete. Ihre Frage ist interessant in Anbetracht der Tatsache, dass Jesus im Verlauf seines Dienstes schon zuvor eine Reihe von Gleichnissen erzählt hatte, wenn auch nicht von der Art des erweiterten erzählenden Gleichnisses.

Jesus erklärte folgendermaßen, warum er erzählende Gleichnisse gebrauchte:
»Weil euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu wissen, jenen aber ist es nicht gegeben; denn wer hat, dem wird gegeben und überreichlich gewährt werden; wer aber nicht hat, von dem wird selbst, was er hat, genommen werden.
 Darum rede ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch verstehen; und es wird an ihnen die Weissagung Jesajas erfüllt, die lautet:
"Mit Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und doch nicht wahrnehmen" (Mt 13,11-14).

Jesus erklärte einerseits, dass er die Gleichnismethode in seiner Lehre gebrauchte, um einigen Wahrheit zu offenbaren, doch andererseits gebrauchte er sie, um die Wahrheit vor anderen zu verbergen.

Es war eine gemischte Hörerschaft, die seine Lehre empfing;
manche waren Gläubige und
andere waren Ungläubige.

Manche schenkten seiner Person und seinem Angebot Glauben, doch andere hatten seinen Anspruch, der Messias zu sein, abgelehnt.
Es war unmöglich, diese beiden Gruppen zu trennen.
Christus wollte Gläubige unterweisen, doch er wollte Ungläubigen nicht weitere Verantwortung aufbürden, indem er ihnen Wahrheit vermittelte, für deren Kenntnis sie verantwortlich gemacht werden würden.

Johannes der Täufer war den Juden als der Prophet von Gott erschienen,
dessen Dienst es war, ihnen den Messias vorzustellen.

 Er rief das Volk zur Buße auf und dazu, sich darauf vorzubereiten, dem Messias zu begegnen und in sein Königreich zu gelangen.
Ihre Früchte der Rechtschaffenheit würden die Echtheit ihrer Buße zeigen.

 Als Johannes seinen Dienst beendet hatte, bot sich Jesus selbst öffentlich dem in Erwartung stehenden Volk als der Messias an.
Er bestätigte seinen Anspruch als Messias und sein Angebot des Gottes reiches durch die Wunder, die er tat.
Matthäus 8-11 enthält einige der bestätigenden Wunder, die Jesus den Juden präsentierte. Während dieser Zeit erzählte Jesus nur einige wenige Gleichnisse.

 In Matthäus 12 ist ein Wendepunkt im Leben Jesu erreicht.
Weil er einen von einem Dämon besessenen blinden und stummen Mann befreite, brachten die Leute an dieser Stelle ihre Bereitschaft zum Ausdruck, ihn als Retter und Herrscher anzunehmen, indem sie sagten:
»Dieser ist doch nicht etwa der Sohn Davids?« (V. 23).

 Im Griechischen wird auf die Frage zwar eine negative Antwort erwartet; trotzdem war der Beweis, den Jesus präsentierte, so hinreichend, dass das Volk ihn als Messias akzeptiert hätte, wenn nur die Führer des Volkes ihre Zustimmung dazu gegeben hätten.

Angesichts einer solchen Haltung Christus gegenüber boten die Pharisäer eine andere Erklärung an.
Sie lehnten es ab, dass Jesus seine Macht von Gott empfing und der von Gott gesandte Messias war; statt dessen be haupteten sie, dass er seine Macht von Satan empfing und daher nicht Israels Messias sein konnte.

Der Unglaube der Führer Israels bei diesem Ereignis nahm die endgültige Ablehnung Christi durch die ganze Nation vorweg, die zu seinem Tod am Kreuz fuhren würde. Jesus führte drei Beweise an, um zu zeigen, dass er seine Macht nicht vom Satan erhielt (V. 25-29).

Er sprach eine ernste Warnung aus, indem er bestätigte, dass das Volk ein schweres Gericht würde erleiden müssen, wenn es weiterhin der Deutung der Pharisäer Glauben schenkte.

Die Pharisäer forderten daraufhin Jesus auf zu beweisen, dass er vom Himmel gekommen sei, durch etwas, was sie eindeutig nicht dem Satan zuweisen konnten. Jesus kündigte darauf hin das Zeichen Jonas an.

Christi Auferstehung, die auf seinen Tod folgte, würde solch ein Zeichen sein, das Satan keinesfalls nachahmen konnte, und daher würde es ihn als Israels Messias bestätigen.

Der Bericht vom Konflikt mit den Pharisäern schließt mit der Anmerkung, dass Jesu Mutter und Brüder am Rand der Menschenmenge standen und ihn zu sprechen wünschten.
Jesus ignorierte ihre Bitte, weil sie allein auf ihrer leiblichen Verwandtschaft mit ihm beruhte.
 Sie waren durch Blutsbande mit ihm verbunden. Jesu Absicht zu dem Zeitpunkt war es jedoch zu zeigen, dass eine geistliche Glaubensbeziehung zu ihm notwendig war.

Daher wies er diejenigen ab, die sich auf eine Blutsverwandtschaft mit ihm beriefen. »Und er streckte seine Hand aus über seine Jünger und sprach:
>>> Siehe da, meine Mutter und meine Brüder!
Denn wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter« (V. 49-50).

So wird in Matthäus 12 ein Hinweis darauf gegeben, dass die ganze Nation im Begriff war, Jesus als Messias abzulehnen, und ihn schließlich endgültig verwerfen würde, indem sie seinen Tod ver langte. Jesus wiederum machte deutlich,
dass er ihre Entscheidung ernst nahm und sein Angebot des Königreiches, das er unterbreitet hatte, dieser Generation gegenüber zurückzog.

Die Gottesherrschaft in ihrer Ausprägung als Königreich wurde auf eine spätere Zeit verschoben, wenn er in Macht und Herrlichkeit zurückkehren wird, um zu regieren.

Die Schlussfolgerung, dass sich die Gottesherrschaft als Königreich im Stadium der Verschiebung befindet, erklärt, warum Jesus die Wahrheit des königlich-messianischen Regierungsprogramms denen vermitteln wollte, die seiner Person Glauben geschenkt hatten und konsequent zu ihm gehörten.

 Hätte Jesus ohne den Gebrauch von Stilfiguren gesprochen, würden sowohl Gläubige als auch Ungläubige gehört und verstanden haben, was er sagte.

Ungläubige hätten ein größeres Gericht auf sich geladen, weil sie trotz weitergehenden Wissens gesündigt hätten.
 Deshalb wählte Christus die Gleichnismethode zur Unterweisung.

Indem er Gleichnisse verwendete, konnte Christus die Wahrheit vor Ungläubigen verbergen, um sie von der Verantwortung zu befreien, die erweitertes Wissen mit sich bringen würde; gleichzeitig konnte er aber Gläubigen die Wahrheit übermitteln.

Von diesem Zeitpunkt seines Lebens an bis zum Ende erzählte Jesus die meisten seiner Gleichnisse.

Wenn es zwischen dem Zeitpunkt der Ablehnung Jesu und seiner Kreuzigung noch Wunder gab, dann waren sie nicht dazu gedacht, die Juden davon zu überzeugen, dass er der Messias war.
Ihre Bedeutung muss im Licht von Israels unumkehrbarem Zustand der Ablehnung verstanden werden.
Die Wunder waren dazu gedacht, die Wahrheit für Gläubige zu vermitteln, die anschließend durch die Worte und die Werke Christi gelehrt werden sollte