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Oele Bäume Sträucher Heilpflanzen in der Bibel (Entwurf)

Medizin in der Bibel
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Heilpflanzen in der Bibel
Myrrhe
Und sie setzten sich, um zu essen. Und sie hoben ihre Augen auf und sahen: und siehe, ein Zug Ismaeliter kam von Gilead her; und ihre Kamele trugen Tragant und Balsamharz und Ladanum; sie zogen hin, um es nach Ägypten hinabzubringen.
Und Israel, ihr Vater, sprach zu ihnen: Wenn es denn also ist, so tut dieses: Nehmet von dem Besten des Landes in eure Gefäße und bringet dem Manne ein Geschenk hinab: ein wenig Balsam und ein wenig Traubenhonig, Tragant und Ladanum, Pistazien und Mandeln.
Ist kein Balsam in Gilead, oder kein Arzt daselbst? Denn warum ist der Tochter meines Volkes kein Verband angelegt worden?
Geh hinauf nach Gilead und hole Balsam, du Jungfrau, Tochter Ägyptens! Vergeblich häufst du die Heilmittel; da ist kein Pflaster für dich.
Plötzlich ist Babel gefallen und zertrümmert. Jammert über dasselbe! Holet Balsam für seinen Schmerz; vielleicht wird es geheilt werden!
Juda und das Land Israel waren deine Kaufleute; mit Weizen von Minnith und süßem Backwerk und Honig und Öl und Balsam trieben sie Tauschhandel mit dir.


Weihrauch


‎Weihrauch gewinnt man im Süden der Arabischen Halbinsel von Bäumen und Sträuchern, deren Rinde eingeritzt wird.
Dadurch tritt Harz in kleinen Kügelchen aus, das im Laufe des Tages trocknet und abgeschabt werden kann.
Weihrauch war vor allem in nachexilischer Zeit ein begehrtes Handelsprodukt, das im Tempelkult reichlich Verwendung fand.
Vor allem beim Räucheropfer wurde Weihrauch in einer Mischung mit anderen Spezereien verbrannt und diente dem
Wohlgeruch im Tempel. Wegen des weiten Handelsweges von Saudi-Arabien bis nach Palästina war Weihrauch eine
sehr wertvolle Spezerei.
‎2.Mose 30,34; 3.Mose 2,1.2.15.16; 5,11; 6,8; 24,7; 1.Chr 9,29; Neh 13,5.9; Hld 3,6; Jes 43,23; 60,6; 66,3; Jer 6,20;
17,26; 41,5; Hes 8,11; Sir 24,21; 39,18; 50,9; Bar 1,10; 1.Makk 4,50; Mt 2,11; Offb 18,13


Kassia  = Zimt↓↓↓↓


Zu den Bestandteilen des Salböls für die Salbung des Hohenpriesters gehörte auch Zimt
(Cinnamomum zeylanicum), der in Indien heimisch war und bis nach Israel exportiert wurde.
Der Zimtbaum wird 6-10 m hoch.
‎2.Mose 30,23; Spr 7,17; Hld 4,14; Hes 27,19; Sir 24,20; Offb 18,13


Salbölfläschchen




‎Salböl, das meist mit wertvollen Stoffen (Narde, Myrrhe, Weihrauch, Zimt u.a.) versetzt war,
war sehr kostbar und wurde in kleinen tönernen oder gläsernen Fläschchen aufbewahrt.
Über einen engen Ausguss ließ sich die ausfließende Menge ziemlich genau regulieren.
Je nach verwendeten Zutaten konnte ein solches Fläschchen bis zu mehreren Monatslöhnen teuer sein.
‎2.Mose 30,25.35; Neh 3,8; Mt 26,7; Mk 14,4; Lk 7,37–38.46; Joh 11,2; 12,3


Erdöl
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Erdöl

Pflanzen


Pflanze, pflanzen I) Zu den einzelnen in der Bibel genannten P. vgl. die betreffenden Artikel:
Akazie;

Die Akazie. gehört zu den Mimosengewächsen und kommt als strauch- und baumförmige, dornige Pflanze in wärmeren Gebieten vor. Sie kann leicht verwechselt werden mit dem gleichnamigen Baum (Robinia Pseudacacia), der aus Nordamerika stammt und erst seit etwa 1600 n.Chr. in Europa angepflanzt wurde.
In Palästina und auf der Sinaihalbinsel kommen mehrere Arten vor, u.a. die Schirm-A., Gemeine A., Negev-A. und die sog. Nil-A. Milieugerecht wird der Baum im AT nur im Zusammenhang mit der Wüste erwähnt, da er nur in Trockenregionen wächst.

Die A. (hebr. schiththah) wird als Baum nur einmal in der Bibel genannt (Jes 41,19), obwohl das Holz für den Bau der Stiftshütte große Bedeutung hatte (2Mo 25,5ff u.a.). Es war für derartige Zwecke die einzige brauchbare Holzart der Wüste. Dunkler und härter als Eichenholz, erweist sich die A. als sehr haltbar. Sie wird von holzfressenden Insekten gemieden und kann nur im frischen Zustand bearbeitet werden; sie ergibt dann eine schöne Maserung.



 Aloe;

Aloe scheint im bibl. Altertum ein Sammelbegriff für wohlriechende Holzarten gewesen zu sein, besonders für das harzreiche Holz der Aquilaria Agallocha (Lignum Aloës) angewandt. Mit der botanischen Gattung A. hat die bibl. A. nichts zu tun.
Es handelt sich vielmehr um einen Baum aus der Familie der Thymelaceen, der bes. in Hinterindien heimisch ist. Er hat ein dunkelbraunes, hartes und sprödes Holz, das ein wohlriechendes, jedoch bitteres Harz enthält. Auf den großen Handelsstraßen konnte A. bereits im Altertum nach Palästina und Ägypten importiert werden, wo es sehr geschätzt war. Es wurde als Räuchwerk (Ps 45,9; Spr 7,17) und als Zusatz bei Leicheneinbalsamierungen (Joh 19,39) verwendet. In Hld 4,14 wird es neben anderen wohlriechenden Stoffen erwähnt.

Apfel Apfelbaum

Apfel, Apfelbaum In Palästina kommen Apfelbäume verhältnismäßig selten vor. Allein in der Umgebung von Aschkelon sind sie häufiger und in guten Arten anzutreffen. Vor der Einnahme Kanaans durch die Israeliten scheint der Apfelbaum (hebr. tappuach) jedoch ein bekannter und beliebter Baum gewesen zu sein, da auch verschiedene Ortsnamen auf ihn hinweisen (vgl. Jos 15,34.53; 17,7). In späterer Zeit wird er von Joel unter den Bäumen des Landes aufgezählt (Joel 1,12) und hat einen besonderen Platz im Hohenlied (Hld 2,3; 7,9; 8,5).
Ein Wort, zur rechten Zeit geredet, vergleicht Salomo in Spr 25,11 mit einem goldenen Apfel. Das Missverständnis eines Wortes im Vulgatatext hat in der Kunst zu der falschen Darstellung geführt, nach der Eva einen Apfel vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen nahm (1Mo 2,9.17). Es liegt eine Verwechslung des lat. malum (Apfel) und malus (böse) vor. Eva nahm von der »Frucht« (1Mo 3,6).

Bakabaum Wahrscheinlich anderes Wort für → Maulbeerbaum oder → Mastixstrauch



Bohnen Bei den in der Bibel genannten B. (hebr. pol) ist an die Sau- bzw. Ackerbohne (Vicia Faba) zu denken. Sie wurden entweder frisch gekocht oder getrocknet in einer Handmühle grob gemahlen und als Grütze oder Grieß mit Knoblauch zubereitet gegessen. Auch als Viehfutter fanden sie Verwendung.
Nach 2Sam 17,28 wurden David, als er sich auf seinem Feldzug gegen Absalom befand, u.a. auch B. als Verpflegung für sein Heer gebracht. In Hungerzeiten verwendeten die Israeliten B. auch zum Brotbacken (Hes 4,9).

Buche Das in der LÜ in Hos 4,13 mit B. wiedergegebene Wort ist vielleicht richtiger mit → Terebinthe zu übersetzen. Siehe auch → Eiche.



Dattelpalme 1) Wenn die Bibel von Palmen spricht, ist stets die D. (Phönix dactylifera) gemeint, die schon sehr früh nach Palästina eingeführt wurde. Die D. ist 10–20 m, bisweilen auch 50 m hoch. Die Ansätze der abgefallenen Blätter bilden die Rinde des schlanken Stammes von 30–60 cm Durchmesser. Den Wipfel krönen 40–60 dunkelgrüne, bis zu 3 m lange Blätter (»Palmwedel«; 3Mo 23,40; Neh 8,15). Um die Fruchtbarkeit zu vergrößern, wendet man die künstliche Bestäubung an. Schon in der rabbin. Literatur wird diese Methode erwähnt. Früher gab es viel mehr D.n in Palästina als heute. Bekannt war die Palme der Debora (Ri 4,5). Jericho, »die Palmenstadt« (5Mo 34,3; Ri 1,16), war von einem Palmenwald umgeben, der etwa 20 km lang war. Tamar (»Palme«; 1Kön 9,18 und Hes 47,19) im Süden des Landes war reich an D.n; ebenso die Oase En-Gedi oder → Hazezon-Tamar. Die Palme war für das jüd. Volk von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Außer den Früchten, die der Baum in großer Menge hervorbringt, liefert der Stamm Bauholz. Die Zweige werden beim Laubhüttenfest verwendet (3Mo 23,40), mit den Blättern deckt man die Dächer oder flicht daraus Matten, Körbe und Zäune.
2) Das Bild der D. lieferte ein künstlerisches Motiv für den Schmuck der Tempelwände (1Kön 6,29; Hes 40,16ff). Tamar kommt auch als Mädchenname vor (1Mo 38,6; 2Sam 13,1; vgl. Hld 7,8f).
Als Siegeszeichen dienen Palmenzweige beim Einzug Jesu in Jerusalem (Joh 12,13) und in den Händen der großen Schar aus allen Völkern (Offb 7,9). Auf röm. Münzen aus der Zeit Kaiser Vespasians und seines Sohnes Titus ist die Palme das Symbol für das 70 n.Chr. besiegte Judäa (Judaeacapta-Münzen). Beim Bar-Kochba-Aufstand wurde die D. von den jüdischen Freiheitskämpfern ebenfalls als Motiv auf Münzen geprägt.



Dill (Anethum graveolens)
1) Gleich anderen duftenden Kräutern wie Fenchel und Kümmel gehört der D. zur Familie der Doldengewächse (Umbelliferae). Es ist eine im Kaukasus und in den Ländern am Mittelmeer heimische Pflanze, die mit zu den ältesten Arznei- und Küchenpflanzen gehört. Die ganze Pflanze ist verwendbar. Ihre Wirkung beruht auf ihrem Gehalt an ätherischen Ölen. – In der Bibel wird der D. in Mt 23,23 als zehntpflichtig erwähnt.
2) Mit dem hebr. qäsach, das die LÜ in Jes 28,25.27 mit D. übersetzt, ist der Schwarzkümmel (Nigella sativa) aus der Familie der Ranunculaceae gemeint. Der schwarze Samen dieser Pflanze von ca. 3 mm Durchmesser wurde wie der Kümmel (u.a. ins Brot gebacken) und als Heilmittel (gegen Blähungen) verwendet.



Distel Die D. wird in der Bibel fast nur im Plural und mit den → Dornen zusammen genannt. Diese Worte meinen keine bestimmten Pflanzen, sondern sind ein Sammelbegriff für eine Reihe verschiedener, mit stachligen Schutzorganen versehener Pflanzen, die gerade in heißen Klimaten bes. häufig sind. Viele Arten sind als Ackerunkräuter z.B. aus der Ebene Scharon bekannt, die im Herbst ein einziges Distelmeer ist. – Die häufigsten Arten sind:
1) der wilde Saflor (Carthamus glaucus), eine D.art mit dünnem Stängel und schmalen, mit Stacheln besetzten Blättern.
2) Eine Kornblumenart (Centaurea pallescens), die zu einer verwandten Gattung gehört. Die Blätter sind weich, aber die Blütenköpfchen sind von Stacheln umgeben.
3) Die Kugeldistel (Echinops viscosus), die mit ihren violetten Blüten überall zu finden ist.
4) Die Notabasis syriaca, eine Art mit weiß geaderten Blättern und roten Blüten.
5) Die Mariendistel (Silybum marianum), auffallend durch ihre großen, weiß geaderten Blätter. Die Blütenköpfe sind von Stacheln umgeben.
6) Die Artischocke oder Gartendistel (Cynara Scolymus). Sie wächst hauptsächlich in den Ebenen, wird bis zu 2 m hoch, hat 30–50 cm lange Blätter und purpurrote Blütenköpfe.
Die D. ist mit den Dornen zusammen eine Gottesstrafe (1Mo 3,18) und ein Zeichen der Verwahrlosung des Ackers durch Faulheit (Spr 24,31). → Nessel



Dornen
Ebenso wie → Disteln sind D. in der Bibel ein Sammelbegriff für dornige Pflanzen.
Auf den Äckern Palästinas sind so das gelb blühende Stallkraut (Ononis natrix), das dornige Bäckerkraut (Poterium spinosum) und in der Nähe Kapernaums der Judendorn (Zizyphus lotus) zu finden. Die letzte Art meinte Jesus wohl in seinem Gleichnis (Mt 13,7), da der Judendorn nach der Regenzeit sehr hoch aufschießt und oft das Korn erstickt.
Trockenes D.gestrüpp verbrennt krachend (knatternd), ohne viel Wärme zu geben. Damit wird in Pred 7,6 das Lachen der Toren verglichen.
Welcher Art die Zweige waren, aus denen die D.-krone Jesu geflochten war (Mt 27,29), ist nicht eindeutig zu bestimmen. Einige Forscher vermuten, dass die D.krone aus dem Kreuzdorn (Rhamnus lycioides) hergestellt war. Sicher waren es nicht die Zweige des sog. Christusdorns (Zizyphus spina Christi). Diese Pflanze hat wohl lange Zweige und starke D., wächst aber nur in der Küstenebene, den südl. Wüsten und im Jordantal.



Eiche Die LÜ gibt fünf hebr. Wörter mit E. wieder. Davon bezeichnet allon als charakteristischer Baum von Baschan wahrscheinlich die eigentliche E. (Jes 2,13; Hes 27,6; Sach 11,2). In Jes 6,13 werden allon und ela nebeneinander erwähnt (LÜ: E. und Linde), ebenso in Hos 4,13 (LÜ: E.n, Linden und Buchen). Daher vermutet man in ela die Terebinthe. Wieweit die übrigen Wörter bestimmte Arten bzw. allgemein große, auffallende Bäume bezeichnen, lässt sich nicht sagen.
Heute wachsen in Palästina folgende E.n:
1) Die Kermeseiche (Quercus coccifera), immergrün und stark belaubt. Die kleinen Blätter sind gezackt und die Eicheln klein und hartschalig.
2) Die griech. E. (Quercus aegilops). Eine Art, die hauptsächlich in Galiläa, aber auch im Ostjordanland vorkommt, sodass die »Eichen von Baschan« (Jes 2,13; Hes 27,6) vermutlich dieser Art waren. Die Blätter sind größer als die der Kermeseiche und werden im Frühling erneuert. Die langen Eicheln sind essbar und finden in der Gerberei Verwendung.
3) Andere, weniger vorkommende Arten sind die Steineiche (Q. ilex) auf dem Tabor und die Mooseiche (Q. cerris) auf den niedrigeren Berghängen. Allein auf dem Libanon gibt es acht weitere verschiedene Arten, darunter auch unsere Wintereiche (Q. sessiliflora).
4) Vgl. auch → Terebinthe.
In der Bibel werden E.n oft erwähnt. Manchmal hatten sie eigene Namen, auch Ortschaften wurden nach ihnen benannt (Ri 9,6.37; 1Sam 10,3). Unter E.n wurden manchmal Tote beerdigt (1Mo 35,8) und Götzenopfer dargebracht (Hos 4,13). Aus ihrem Holz wurden auch Götzenbilder gefertigt (Jes 44,14ff). Die E. ist Bild für menschliche Größe und Stärke, die aber vor Gott ohnmächtig ist (Jes 2,12f; Sach 11,2).


Eichgrund (1Sam 17,2) ist das Tal des Wadi es-Samt, neuhebr. Elah (31.652,34.938), ein breites, fruchtbares Tal mit Baumwuchs und Äckern. Es beginnt in der Nähe von Libna und ist das einzige offene Tal an der Westgrenze Judas, daher Einfallstor der Philister. Sein oberes Ende wird von der Festung → Bet-Zur gesperrt.



Feigenbaum Der F. (Ficus carica) gehört zur Pflanzenfamilie der Moraceen und ist im ganzen Gebiet des Mittelmeers heimisch. Sein Heimatland ist Vorderasien. In Syrien und Palästina, wo sein Anbau sehr alt ist (4Mo 13,23), gedeiht er vortrefflich. Der Baum wird ca. 6–9 m hoch, hat einen krummen Stamm mit glänzender Rinde, und das Geäst dehnt sich nach allen Richtungen aus. Die großen, fünflappigen Blätter fallen zu Beginn des Winters ab, und während des größten Teiles der Regenzeit ist der Baum kahl, bis er Anfang April wieder neu ausschlägt und damit den Sommer ankündigt (Mt 24,32).

Die Fruchtbildung ist eigenartig. Die sehr kleinen Blüten sitzen innen an der Wand eines urnenförmigen Blütenbodens, der z.Zt. der Reife dick und fleischig wird und die »Feige« bildet. Die Steinchen in der Feige sind die eigentlichen Früchte, das Essbare ist der fleischig gewordene Blütenstand.
In Palästina trägt der F. dreimal jährlich Früchte. Die erste Ernte aus Blütenanlagen des Vorjahres ist bereits im Frühling. Wenn im April die Endknospen der Zweige die neuen Jahrestriebe formen und dort die ersten Blätter sprießen, sitzen unter diesen Trieben kleine junge Feigen, die sog. Vorfeigen (paggim). Sie zeigen an, dass der Winter vorbei ist (Hld 2,13). Sie sind nicht saftig, werden aber trotzdem gegessen, da es zu dieser Zeit keine anderen Früchte gibt. Wo sie fehlen, ist der Baum unfruchtbar; darum verfluchte Jesus den F., dessen Blätterkleid Fruchtbarkeit nur vortäuschte (Mt 21,18ff; Mk 11,12ff; s.u.).
Ungefähr an der gleichen Stelle, wo die Vorfeige gewachsen ist, entwickeln sich dann im Vorsommer die Frühfeigen (bikkurah; Hos 9,10). Etwa Ende Mai/Anfang Juni sind sie reif und werden um ihrer besonderen Saftigkeit willen gern gegessen (Jes 28,4), sind aber nicht haltbar.
Die Triebe, die sich im frühen Vorjahr zu entwickeln begannen, sind inzwischen ausgewachsen und tragen nun die sog. späten Feigen (tena). Diese Früchte sind die besten und werden im August geerntet. Sie werden teils frisch gegessen, teils getrocknet und zu »Kuchen« zusammengepresst (1Sam 25,18; 1Chr 12,41). Das Holz des F.es ist schwammig und kann nur als Brennholz verwandt werden. Die Nützlichkeit dieses Baumes besteht also nur in seiner »Süßigkeit« und »guten Frucht« (Ri 9,11), während ein fruchtloser Baum unnütz ist und abgehauen wird (Lk 13,7).
Die Ebene um den See Genezareth herum, vor allem aber die Umgebung von Tiberias, war wegen ihrer F.anpflanzungen berühmt.
Der Feige wird von alters her heilende Kraft zugeschrieben, besonders bringt ein Feigenpflaster Geschwüre zum Reifen (Jes 38,21). Der F. wird als Obstbaum oft mit dem Weinstock und Ölbaum zusammen aufgezählt. Man pflanzte Feigenbäume auch in den Weingärten (Lk 13,6), sodass der Weinstock sich um den F. rankte. Das »Wohnen unter dem Weinstock und Feigenbaum« ist Bild des Lebens in gesichertem Frieden (1Kön 5,5; 2Kön 18,31; Mi 4,4; Sach 3,10). Der F. gehört zu den sieben Segnungen, die den Reichtum des verheißenen Landes darstellen (5Mo 8,8). Dass er in 5Mo 6,11; Jos 24,13 nicht erwähnt wird, liegt daran, dass er gewöhnlich nicht besonders gezogen wird, sondern überall wächst.
Der F. ist weder im AT noch im NT noch im jüdischen Schrifttum ein besonderes Symbol für Israel. Kein biblischer Text legt dieses Verständnis aus sich heraus nahe. Das Gleichnis vom F., der Blätter treibt (Mt 24,32f; vom Blühen ist nicht die Rede), meint nichts anderes, als dass die letzten Dinge und das Kommen des → Menschensohns durch Vorzeichen angekündigt werden. Die Verfluchung des F.s durch Jesus steht in engem Zusammenhang mit Jesu Kritik am jüdischen Tempeldienst (Mk 11,12–21). Damit ist aber nicht im Entferntesten angedeutet, Jesus habe Israel (vermeintlich durch den F. symbolisiert) verflucht. Was Jesus hier über den Tempeldienst sagt, geht nicht über die prophetische Kritik von Jer 7,1–15 hinaus.



Flachs (Linum usitatissimum; hebr. peschät)
Einjährige Pflanze mit vereinzelten Blättern am ziemlich langen Stängel und kleinen blauen oder weißen Blüten. Aus den Bastfasern wird nach entsprechender Bearbeitung das Leinen gewonnen, aus dem Samen (Leinsamen) das Leinöl.

Palästina ist reich an wilden F.arten, die als Frühjahrsblumen auf brachliegenden Äckern wachsen. Als alte Kulturpflanze wurde F. besonders in Ägypten angebaut (2Mo 9,31; Jes 19,9) und von dort nach Tyrus (Hes 27,7) und Palästina (Spr 7,16) ausgeführt. In Palästina wurde F. wohl nur vereinzelt angebaut. Ein bibl. Beleg findet sich nur für Jericho (Jos 2,6). Außerbibl. werden Geser und Bet-Schean als Anbaugebiete genannt. Nachdem der F. gesponnen war, wurde er von den Hausfrauen zu Leinwand verarbeitet (Spr 31,13). Für die Priesterkleidung war Leinen vorgeschrieben (2Mo 28; 39; 3Mo 6,3; 16,4.23; Hes 44,17f). Aus dem aus Ägypten mitgenommenen Leinen wurden die Teppiche, Vorhänge und Decken für die Stiftshütte angefertigt (2Mo 26,1.31.36). Als Besonderheit wird dabei die »gezwirnte« Leinwand genannt; hier waren verschiedene feine Fasern zu einem Faden gedreht, eine Kunst, die die Ägypter ausgezeichnet verstanden. Auch im privaten Leben waren leinene Ober- und Unterkleider sehr geschätzt (2Sam 6,14; Lk 16,19 u.a.). Leinen wurde gebraucht, um die Toten einzuwickeln (Mt 27,59 u.ö.), aus Flachsfäden wurden Seile gemacht, die leicht brennbar waren (Ri 15,14; 16,9), und auch die Dochte der Öllampen waren aus diesem Material (Werg: Jes 1,31). → Handwerk II


Galbanum Das hebr. Wort chälbenah, nur in 2Mo 30,34 als Bestandteil des Räuchwerks genannt, bezeichnet den zu einem gummiartigen Harz eingetrockneten Milchsaft, der durch Einschnitte in die Wurzel verschiedener Ferula-Arten (die zur Familie der Doldengewächse, Umbelliferae, gehören) gewonnen wird. Diese etwa 2 m hohen, aber krautartigen Pflanzen kommen v.a. in Syrien, Persien und Afghanistan vor. Der Duft beim Verbrennen ist scharf, jedoch nicht unangenehm, vgl. Sir 24,21. Im Altertum fand das G. ferner als Würze für Speisen und als Arzneimittel Verwendung.



Gerste (Hordeum sativum; hebr. seorah; griech. krithä)
In Palästina werden noch heute verschiedene Arten G. angebaut. G. wurde im November gesät und in der ersten Aprilhälfte z.Zt. des Passafestes geerntet, in Ägypten bereits im März. Die siebte Plage, der Hagel, vernichtete dort die Ähren der G. (2Mo 9,31). G. war statt des teureren Weizens das Brotgetreide des einfachen Volkes (Ri 7,13; Rut 3,15; 2Kön 4,42; Hes 4,9; Joh 6,9.13) und wurde, mit gehacktem Stroh vermischt, auch an die Pferde verfüttert (1Kön 5,8). Im röm. Heer war G.nbrot die Nahrung der Sträflinge. Mit fünf G.nbroten und zwei Fischen sättigte Jesus 5000 Männer, dazu die Frauen und Kinder, die hinaus in die Wüste gekommen waren, um ihn zu hören (Joh 6,9).



Balsam In der Bibel wird von mehreren B.arten gesprochen, die von verschiedenen Bäumen und Sträuchern gewonnen werden. Der echte B. (hebr. bosäm) kommt von dem Balsamodendron opobalsamum syn. Commiphora opobalsamum. Die Heimat dieses Baumes sind die südarab. Küstengebiete. In Palästina gab es große Anpflanzungen von B.bäumen bei En-Gedi und in der Umgebung von Jericho. Hier bestanden sie noch z.Zt. der Römerherrschaft. An den vielen dünnen Zweigen des B.baumes hängt in hellgelben Tropfen sein Harz, der B. Zuerst ist der B. flüssig wie Honig, durch die Lufteinwirkung aber wird er dunkler und ist zum Schluss ganz fest. Das hebr. Wort ist jedoch oft auch nur Sammelbegriff (1Kön 10,25; 2Chr 9,1.9.24; Hld 4,10.14; LÜ: Spezerei oder Gewürz; u.ö.). Der B. war u.a. Zutat zum Räucherwerk und Mittel zur Schönheitspflege (2Mo25,6 u.ö.; Est 2,12; LÜ: Balsam und Spezerei). Die Königin von Saba schenkte dem König Salomo eine große Menge B. (1Kön 10,10; LÜ: Spezerei; vgl. Hes 27,22).
Mit dem dt. Wort Balsam gibt die LÜ häufig das hebr. sari = → Harz wieder (1Mo 43,11; Jer 46,11; 51,8), ebenso in Ps 141,5 das hebr. schämän = Salböl und in 2Mo 30,34 das hebr. schechelät, das wohl die Schalen einer Flügelschneckenart bezeichnet, die beim Verbrennen einen intensiven Geruch verbreiten.



Granatapfel (Punica granatum)
Frucht des strauchähnlichen Granatbaumes, der am ganzen Mittelmeer bis nach Persien verbreitet ist (4Mo 13,13; 5Mo 8,8; 1Sam 14,2). Seine duftenden Blüten sind dunkelrot (Hld 6,11; 7,13), die scharlachrote Frucht hat eine lederartige Schale und ist mit einem saftigen, säuerlichen Mus und zahlreichen violetten Kernen gefüllt. Die Israeliten auf der → Wüstenwanderung vermissten den erfrischenden G. sehr (4Mo 20,5); der Mangel an Granat(apfel)bäumen wird in Joel 1,12 als Strafe Gottes angesehen.
In der Kunst war der G. ein beliebtes Motiv, etwa in den Knäufen der Tempelsäulen (1Kön 7,18.20; 2Kön 25,17; Jer 52,22) und am Saum des hohepriesterlichen Leibrocks (2Mo 28,33ff). Auch außerhalb Israels wurden bereits früh Gefäße mit G.dekoren oder -ornamenten verziert.
Im Besitz des Israel-Museums befindet sich ein Zepteraufsatz in Gestalt eines Granatapfels aus dem 14./13. Jh. v.Chr.. Aufgrund einer Inschrift nehmen manche Wissenschaftler an, dieser habe später auch im Salomonischen Tempel Verwendung gefunden. Allerdings konnte bislang weder die Interpretation der Inschrift noch ihre Datierung in salomonische Zeit zweifelsfrei geklärt werden.
Der hebr. Name des G.s, rimmon, ist wohl wegen der Beliebtheit der Frucht in vielen Ortsnamen enthalten, z.B. En-Rimmon (Jos 15,32), Gat-Rimmon (Jos 19,45), Hadad-Rimmon (Sach 12,11).

Gurke Da die aus Indien stammende Gartengurke (Cucumis sativus) in bibl. Zeit in Ägypten und Palästina unbekannt war, ist die nur in 4Mo 11,5 erwähnte qischschuah die Zuckermelone oder Gelbe Melone (Cucumis melo), von der es auch gurkenähnliche Sorten gibt. Dann handelt es sich aber in Jes 1,8; Jer 10,5 nicht um Gurken-, sondern um Melonenfelder, auf denen Vogelscheuchen und einfache Wärterlauben standen.



Hirse (Panicum miliaceum) hebr. dochan
Getreideart, die in West- und Südasien, Nordafrika und im südl. Europa häufig angebaut wird. Die Körner dienen zur menschlichen Nahrung und als Geflügelfutter, die Halme als Viehfutter. Das Brot, das Hesekiel als Zeichen für die kommende schwere Zeit Israels backen sollte, bestand z.T. aus H. (Hes 4,9)


Kalmus Das hebr. qanäh, das sonst Halm, Rohr, Röhre bedeutet (z.B. 2Mo 25,32ff; Jes 36,6), hat in 2Mo30,23; Hld 4,14; Hes 27,19 (LÜ: Kalmus) und Jer 6,20 (LÜ: östliches Gewürz) die bes. Bedeutung einer wohlriechenden Schilfart, die offenbar in Palästina nicht vorkam, sondern »aus fernen Landen« eingeführt wurde (Jer 6,20). Sie musste gekauft werden (Jes 43,24), und man verwendete sie u.a. zur Bereitung des heiligen Salböls. Es handelt sich dabei kaum um den gemeinen K. (Acorus Calamus), sondern wohl um eine Schilfart aus Vorderindien (Cymbopogon Nardus), die u.a. in Teichen und Moorgebieten an der Westküste des Hochlandes von Dekkan vorkommt und dort noch heute zur Gewinnung wohlriechender Öle verwendet wird. Von Indien brachten es die Phönizier als gut bezahlten Handelsartikel nach Arabien und weiter nach Tyrus (Hes 27,19).

Kiefer Mit K. ist in Jes 41,19; 60,13 möglicherweise die → Zypresse gemeint.

Fritz Rienecker u. a., Hrsg., „Kiefer“, Lexikon zur Bibel: Personen, Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel (Witten: SCM R. Brockhaus, 2017), 675.


Knoblauch (Allium sativum var. vulgare; hebr. schum) wurde im ganzen Vorderen Orient stets geschätzt und bildete mit anderen Zwiebeln einen wesentlichen Nahrungsbestandteil der in der Knechtschaft arbeitenden Israeliten in Ägypten (4Mo 11,5). Herodot (484–424 v.Chr.) erwähnt, dass für die Arbeiter an der Cheopspyramide eine hohe Summe für »Rettig, Zwiebeln und Knoblauch« ausgegeben wurde (II, 125). Später, bei Horaz (65–8 v.Chr.), heißen die Juden wegen ihres K.geruchs sogar »judaei foetentes« (= stinkende Juden).
Man zerstampfte die K.knollen im Mörser und vermengte sie mit Öl, aß sie auch roh zum Brot


Koriander Der K. (Coriandrum sativum) gehört zur Familie der Doldengewächse (Umbelliferae); er wurde in Ägypten wie in Palästina angebaut. Der kleine, runde, gelblich weiße Same, getrocknet von anisartigem Aroma, wird gemahlen und über Backwerk gestreut. Er war bereits früh als Gewürz und Arzneimittel bekannt; mit ihm wird das → Manna verglichen (2Mo 16,31; 4Mo 11,7).



Kümmel (Hebr. kammon; griech. kyminon)
In Palästina planmäßig angebaute Pflanze (Cuminum Cyminum), deren würzige Früchte und Kelche als Gewürz und als Arzneimittel verwandt werden. Der K. wurde mit einem Stecken ausgeklopft (Jes 28,25.27). Nach Mt 23,23 war er zehntpflichtig (→ Zehnte II,4).


Kürbis (Hebr. qischschuah) bezeichnet in 4Mo 11,5 die in Ägypten und dem Vorderen Orient angebauten fußlangen Melonengurken (Cucumis melo Chate). Sie sind durch ihren großen Saftgehalt durstlindernd und wurden deshalb von den Israeliten auf der → Wüstenwanderung schmerzlich entbehrt.

Lauch Das hebr. chasir, das sonst Gras bedeutet, bezeichnet in 4Mo 11,5 wahrscheinlich den Porree (Allium Porrum), der in Ägypten und Palästina angebaut wird. Man isst ihn als Salat, Gemüse oder als Beikraut zu Fischgerichten.



Liebesäpfel Das hebr. dudaim (von dod = Liebe), in LÜ mit L. (1Mo 30,14; Hld 7,14) übersetzt, wird von vielen mit der gelben, hochgiftigen Frucht der Alraunwurzel (Mandragora officinarum) identifiziert, die zu den Nachtschattengewächsen (Solanaceae) gehört. Den vollreifen L.n schrieb man ihres Duftes wegen eine günstige Wirkung auf Liebeskraft und Fruchtbarkeit zu.



Lilie Das hebr. schuschan (1Kön 7,19.22.26; 2Chr 4,5; Ps 45,1; 60,1; 69,1; 80,1; Hld 2,1f.16; 4,5; 5,13; 6,2f; 7,3; Hos 14,6) bezeichnet neben der in Palästina seltenen Lilie des Libanon (Lilium candidum) auch andere Lilienartige (Schwertlilien, Tulpen) oder Hahnenfußgewächse (Ranunkeln, Anemonen). Die Lilienblüte diente als künstlerisches Motiv für die Säulen → Jachin 4 und Boas sowie für das eherne → Meer (1Kön 7,19.22.26).
Die L. (griech. krinon) auf dem Feld (Mt 6,28; Lk 12,27) ist wohl die purpurrote Anemone (Anemone coronaria). Sie ist im Frühjahr überall im Mittelmeergebiet zu finden, in Palästina bes. häufig in der Scharonebene (vgl. Hld 2,1).
Das hebr. chawassälät, (Hld 2,1; Jes 35,1) bezeichnet viell. den Affodill (Asphodelus microcarpus) oder die Narzisse (Narcissus tazetta).




Linde Hebr. liwnäh (LÜ in 1Mo 30,37: Pappel) bezeichnet wahrscheinlich den Storaxbaum oder -strauch (Styrax officinalis), der 3–6 m hoch wird. Aus seiner Rinde wird ein wohlriechendes Harz gewonnen (vgl. Stakte). Der hebr. Name (liwnäh = »die Weiße«) rührt von den weißen Blütentrauben und Blattunterseiten her.
Andere denken an die Silberpappel (Populus alba), deren Blätter auf der Unterseite ebenfalls weiß sind.


Linse (Lens esculenta; hebr. adaschah).
In Palästina seit alter Zeit angebaute Hülsenfrucht (1Mo 25,34; 2Sam 17,28; 23,11). L.n wurden gekocht als Brei gegessen, aber auch geröstet und gemahlen und dann, mit Honig vermengt, zu Kuchen gebacken. In Notzeiten wurde mit gemahlenen L.n das Gerstenmehl zum Brotbacken verlängert (Hes 4,9).

Lotos In Hiob 40,21f bezeichnet L. den sog. Brustbeerbaum oder Kameldorn – Stauden oder Bäume mit stachligen Zweigen und pflaumenartigen Früchten.


Mandelbaum Der M. (Prunus amygdalus) ist in Kleinasien, Syrien und Mesopotamien beheimatet. Er ist der erste Fruchtbaum, der in Palästina im Frühjahr blüht, daher sein hebr. Name schaqed »Der Wache« oder »Frühe« (vgl. das Wortspiel in Jer 1,11f in der ZÜ, EB). In 1Mo 30,37 heißt er hebr. luz, was auch der urspr. Name Bethels ist (1Mo 28,19).
Die schneeweiße (vgl. Pred 12,5: Bild für das weiße Haar) Blüte ist kelchförmig (2Mo 25,33f; 37,19f EB, ZÜ). Die Frucht war ein wertvolles Handelsobjekt (1Mo 43,11). – Der grünende Stab Aarons, durch den ihm Gott sein Priestertum bestätigte, war der Zweig eines M.s (4Mo 17,17ff).



Maulbeerbaum, Maulbeerfeige (Hebr. schiqmah; griech. sykomorea)
Der M. der Bibel ist der Maulbeerfeigenbaum oder die Sykomore (Ficus sycomorus) aus der Familie der Moraceae. Er stammt ursprünglich aus Ägypten (Ps 78,47) und wurde später in Palästina zuerst in der Schefela (1Kön 10,27 LÜ: Feigenbaum; 2Chr 1,15; 9,27), dann in Untergaliläa und in der Gegend um Jericho (Lk 19,4) angepflanzt. Für die Pflanzungen in der Schefela gab es z.Zt. Davids einen eigens dazu bestellten königlichen Verwalter (1Chr 27,28).

Der bis zu 16 m hohe Baum hat eine gewaltige Krone, in der sich ein Mann wie Zachäus gut verbergen und dabei doch alles sehen konnte (Lk 19,4). Der Stamm erreicht einen Umfang von 10 m, das Wurzelwerk ist sehr weit verzweigt. Die Früchte der Sykomore gleichen äußerlich den Feigen, sitzen in Büscheln am Stamm und an den dickeren Ästen und sind essbar, aber nicht sehr wohlschmeckend. Um Reife und Süßigkeit zu fördern, ritzte man sie auf. Dieses Aufritzen wird in Am 7,14 (LÜ: züchtet) erwähnt. Das Holz des M.es ist fest, gleichmäßig und sehr haltbar, darum nach dem Zedernholz das beste Holz für Schreinerarbeiten (→ Haus II,1).




Minze (Griech. hädyosmon)
Wildwachsende Gewürzpflanze (Mentha silvestris aus der Familie der Labiatae); eine verwandte Art (M. sativa) wurde auch in Gärten gezogen. Nach Mt 23,23; Lk 11,42 war sie in ntl. Zeit zehntpflichtig.




Myrrhe I) Harz des südarab. Balsamodendron (syn. Commiphora) myrrha. Dieser dornige Strauch mit wohlriechendem Holz gehört ebenso wie die Boswellia-Arten (→ Weihrauch) zur Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae). Sein nächster Verwandter, Balsamodendron gileadense, ist der Lieferant der »Salbe von Gilead« (Jer 8,22). Die M. des modernen Handels wird von verschiedenen Commiphora-Arten Arabiens und Afrikas geliefert.
M. (hebr. mor; griech. smyrna) ist ein terpentinartiges, wohlriechendes Harz, das durch die Risse der Rinde aus den Harzgängen austritt. An der Luft verhärtet es zu einem rotbraunen Stoff. Die natürlich austretende M. ist die reinste und beste Sorte (LÜ: »edelste« 2Mo 30,23 oder »fließende M.« Hld 5,5.13). Geringere Qualitäten werden durch Einschneiden gewonnen.
M. diente zur Herstellung von wohlriechenden Essenzen; man brauchte es als Beimischung zum heiligen Salböl (2Mo 30,23), als Parfüm zur Körperpflege (Est 2,12), für die Kleider (Ps 45,9) und für die Schlafstätte (Spr 7,17). Frauen trugen Beutelchen mit M. auf der Brust (Hld 1,13). M. war unter den Geschenken der drei Weisen aus dem Morgenland an das Jesuskind (Mt 2,11). Die M. im Wein bei der Kreuzigung (Mk 15,23) war ein Betäubungsmittel (vgl. Spr 31,6f; → Galle). In Puderform wurde sie bei der Bestattung verwendet (Joh 19,39).
II) Das hebr. Wort loth, das die LÜ in 1Mo 37,25; 43,11 ebenfalls mit M. wiedergibt, bezeichnet das Harz der Zistrose (Cistus creticus). Es ist ähnlich wie die M. würzig und duftend und wird als Räucherwerk und Arzneimittel geschätzt. Von Arabien und Syrien wurde es nach Ägypten ausgeführt.



Myrte (Myrtus communis, hebr. hadas)
Die M. wächst in ganz Palästina und Syrien wild, wird aber auch in Gärten gezogen (Jes 41,19; 55,13). Besonders häufig ist sie in Wassernähe (Sach 1,8), doch findet man sie auch noch bis in 1000 m Höhe, in den Tälern um Jerusalem und in der Jordanebene. Sie ist ein mittelhoher Strauch aus der Familie der Myrtaceae mit immergrünen, dunkel glänzenden Blättern, die um ihres Duftes willen als Schmuck, bes. bei Hochzeitsfesten, und zu den Laubhütten (Neh 8,15) verwendet wurden. Die Königin Ester hieß hebr. Hadassa = M. (Est 2,7).



Narde (Hebr. nerd; griech. nardos).
Aromatische Flüssigkeit, die aus Wurzelstock und unteren Stengelteilen der Nordostachys Jatamansi gewonnen wird, einer Pflanze aus der Familie der Baldriangewächse (Valerianaceae), die im Himalaja in einer Höhe von 3500–5500 m wächst. Die Hindus gebrauchten die N. schon früh für medizinische Zwecke und als Handelsartikel; in Israel war sie bereits zur Zeit Salomos bekannt (Hld 1,12; 4,13f). Der weite Weg nach Palästina ließ sie jedoch sehr teuer werden (Mk 14,5; → Geld). Die N. wurde, vermischt mit anderen Substanzen, als Nardenwasser, -öl oder -salbe in Alabasterflaschen (→ Glas) in den Handel gebracht (Mt 26,7; Mk 14,3).


Nessel Das hebr. qimmos (LÜ: Nessel) kann neben den in Palästina vorkommenden N.arten der kleinen Brennnessel (Urtica urens) und der Pillenbrennnessel (U. pilulifera) auch Unkraut im Allgemeinen bezeichnen, wie es auf Ruinen (Jes 34,13; Hos 9,6) oder unbearbeitetem Land (Spr 24,31) wächst. Mit dem hebr. malluach »Salzkraut« (Hiob 30,4) ist wahrscheinlich die Salzmelde (Atriplex halimus) gemeint, die in Palästina an den Küsten des Mittelländischen und des Toten Meeres wächst und deren Blätter trotz des herben Geschmacks zuweilen gegessen werden. Die Bedeutung des hebr. charul, das LÜ in Zef 2,9 mit »Unkrautfeld«, in Hiob 30,7 und Spr 24,31 mit »Disteln« wiedergibt, ist unklar; u.a. hält man es für eine Platterbsenart (Lathyrus ochrus).

Nuss, Nussgarten Da die Haselnuss in Palästina nicht vorkommt, ist die Nuss der Bibel (hebr. ägos) die Walnuss (Juglans regia), die teils wild, teils in Gärten wächst. Der Baum, der kühle, feuchte Plätze liebt, kam am See Genezareth und am Oberlauf des Jabbok vor. Heute noch gibt es prächtige Exemplare an den Berghängen des Libanon in der Nähe der zahlreichen Gebirgsbäche. Nur einmal wird in der Bibel ein Nussgarten erwähnt (Hld 6,11).



Öl, Ölbaum I) Der immergrüne, nur bis 10 m hohe Ölbaum (hebr. zajit; griech. elaia; Olea europaea sativa) hat eine rissige, gefurchte Rinde und dunkelgrüne, weidenähnliche Blätter mit weißlicher Unterseite. Alte Bäume, die hohl geworden sind, teilen sich manchmal in eine Anzahl knorriger, durcheinanderwachsender Stämme auf.
Die Blütezeit beginnt in Palästina Anfang Mai. Die kleinen, weißen Blüten stehen in Trauben in den Stielwinkeln der Blätter. Die anfangs grünen, später dunkelblauen oder dunkelgrünen Oliven sind Steinfrüchte von etwa 2 cm Länge; ihr Ölgehalt beträgt mehr als 30 %. Die Ernte beginnt um die Zeit des → Laubhüttenfestes.
Der Ölbaum wächst sowohl auf Kalkboden wie auf Basalt, seine Wurzeln dringen in die Felsspalten ein (5Mo 32,13). Er ist also auch auf den Bergen zu finden und kommt in allen Teilen Palästinas vor (5Mo 28,40). Der Baum wird sehr alt und bleibt dabei fruchtbar; den Ölbäumen in Gethsemane schreibt man ein Alter von annähernd 2000 Jahren zu. Rund um den alten Stamm schießen Wurzelschösslinge auf (vgl. Ps 128,3).

Der Ölbaum wird durch Veredelung (vgl. Röm 11,17ff: → Einpfropfen) aus dem Oleaster (Olea europaea oleaster) gewonnen. Das Verfahren war bereits den Phöniziern bekannt, und in Palästina gab es vor der israel. Eroberung schon Olivenpflanzungen (5Mo 6,11). Das Holz ist dunkles, hartes Kernholz und für Schnitz- und Tischlerarbeiten sehr gesucht. Das »Ölbaumholz« von 1Kön 6,23.31.33 stammt jedoch nicht vom Ölbaum, sondern wahrscheinlich von der Ölweide (Eleagnus angustifolia; hebr. es schämän, wörtl. »Öl-Baum«), einem immergrünen Strauch mit schmalen, auf beiden Seiten silbrig schimmernden Blättern. Zweige und Früchte sind ölhaltig. Der Strauch wird auch in Neh 8,15 (LÜ: Balsam[zweige]) und Jes 41,19 (LÜ: Kiefer) erwähnt.
II) Den größten Wert hat der Ölbaum durch das Olivenöl (Ri 9,9), das man aus dem Fruchtfleisch gewinnt. Die Oliven werden gepflückt, mit einem leichten Stock abgeschlagen oder auch abgeschüttelt (5Mo 24,20; Jes 17,6; 24,13).

Die besten Früchte werden ausgesucht, in einer Kelter zertreten (Mi 6,15) oder in einem steinernen Mörser oder einer Ölmühle zerquetscht und in einen Korb geschüttet. Das dann heraustropfende Öl, frei von jeder Beimischung, ist das »allerreinste, gestoßene Öl« (2Mo 27,20; 3Mo 24,2). Dann wird der Korbinhalt in der Ölpresse unter einem mit Steinen beschwerten Balken weiter ausgepresst und ergibt die zweite Qualität, das »gestoßene Öl« (2Mo 29,40; 4Mo 28,5; 1Kön 5,25). Dem Öl für den täglichen Gebrauch fügte man auch Teile des Fruchtfleisches und der Kerne hinzu. Das Öl wurde in Tongefäßen aufbewahrt (1Kön 17,12; 2Kön 4,2; vgl. 1Chr 27,28; 2Kön 20,13).
Oliven und Olivenöl gehören im Mittelmeergebiet zu den wichtigsten Nahrungsmitteln (4Mo 18,12; Neh 13,5; Spr 21,17.20; Hes 16,13; 2Chr 11,11). Die Früchte werden frisch mit Salz gegessen; man legt sie in Salzlake bzw. die vollreifen Früchte in Öl ein, früher hat man sie auch getrocknet. Das Brot wird in Olivenöl getaucht, das vielfach die Butter ersetzt und auch zum Backen verwendet wird (1Kön 17,12f; → Kuchen).
Das Öl fand weiter in der Körperpflege (→ Salbe), Medizin (→ Arzt) und als Brennstoff Verwendung (→ Lampe). Es war ein wichtiger Handelsartikel (Jes 57,9; Hes 27,17; Esr 3,7).
III) Im Zushg. mit dem Gottesdienst wird Öl als Brennstoff des → Leuchters der Stiftshütte (2Mo 27,20), als Bestandteil des täglichen Speisopfers (2Mo 29,40) und zur Erzväterzeit als Trankopfer (1Mo 28,18; 35,14) genannt. Weiter diente es zur Salbung der Hohenpriester und Könige (2Mo 29,7; 1Sam 10,1; → Salbe; → Gesalbter) und wurde so zum Bild des Heiligen → Geistes (vgl. Sach 4; 2Kor 1,21f; 1Joh 2,27).
IV) Der Ölbaum ist Symbol für die Gottesfürchtigen (Ps 52,10) und das Volk Israel (Jer 11,16) und wird von Paulus in Röm 11,17–24 als Gleichnis für die bleibende Erwählung Israels genannt, die durch das Hinzukommen der Nichtjuden zu Christus nicht infrage steht. Israel bleibt der von jeher tief verwurzelte Ölbaum, von dessen Wurzeln die Heidenchristen mitgetragen und mitgenährt werden


Fritz Rienecker u. a., Hrsg., „Öl, Ölbaum“, Lexikon zur Bibel: Personen, Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel (Witten: SCM R. Brockhaus, 2017), 872–873.



Platane Die Morgenländische P. (Platanus orientalis) kommt in den östl. Mittelmeerländern häufig vor, hat 5–7-lappige Blätter und eine in großen Stücken abspringende Borke. Der Baum ist besonders in der Nähe von Brunnen und in den Flusstälern zu finden und kann sehr groß werden. Sein hebr. Name ärmon ist abgeleitet von dem Wort für »entblößen«, wohl im Hinblick auf die abblätternde Rinde.

Rizinus Wahrscheinlich bezeichnet das hebr. qiqajon (Jona 4,6–10, LÜ: Staude; vgl. EB) den Ricinus communis, ein sehr schnell wachsendes Wolfsmilchgewächs (Euphorbiaceae), das im tropischen Afrika als Baum (bis zu 13 m Höhe), im Mittelmeergebiet meist als Strauch wild und kultiviert vorkommt. Die gewöhnlich pfannengroßen Blätter können bis zu 1 m breit werden und ähneln in der Form denen der Rosskastanie. Aus der mit Stacheln besetzten Kapselfrucht wird das bekannte Öl gewonnen.



Safran Es ist unsicher, welche Pflanze mit dem hebr. karekom gemeint ist. Infrage kommen:
1) Der Safrankrokus (Crocus sativus) aus der Familie der Schwertliliengewächse (Iridaceae), der in Norditalien und Westasien bereits im Altertum häufig gezogen wurde. Die sehr langen Stempel seiner violetten Blüten liefern getrocknet den »Safran«. Mit Wasser, dem das ausgepresste, gelbe S.öl zugefügt wurde, besprengte man Kleidung und Wohnräume, auch Olivenöl wurde mit S. parfümiert. S. diente ferner zum Würzen und Färben von Speisen und als Arznei bei Magen- und Darmkrankheiten.

2) Die Gelbwurzel (Curcuma longa) aus der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae). Sie wird in ganz Südasien um des gelben Farbstoffs willen, der in ihrer Wurzel enthalten ist, gezogen. Der Farbstoff (Curcumin) wurde in ähnlicher Weise wie der S. verwendet.
In Hld 4,14 wird karekom unter anderen Pflanzen indischen Ursprungs genannt, was für die Gelbwurzel sprechen könnte. Andererseits war der Safrankrokus in Palästina überall bekannt und hatte in der jüd. Tradition als Bestandteil des Räucherwerks seine Bedeutung.


Sandelholz Die hebr. Wörter almuggim und algummim bezeichnen ein Holz, das unter Salomo als große Kostbarkeit aus Ofir und dem Libanon eingeführt und für die Inneneinrichtung des Tempels und des Palastes sowie zum Bau von Musikinstrumenten verwendet wurde (1Kön 10,11f; 2Chr 2,7; 9,10f). Die LÜ vermutet hierin S., das Holz einiger botanisch miteinander nicht verwandter Bäume Ostindiens (weißes S. von Santalum album, rotes S. von Pterocarpus santalinus), das bes. zu Schnitzarbeiten und – allerdings nur das weiße S. – zur Gewinnung des aromatisch duftenden Sandelöls verwendet wird. Da dieses S. jedoch auf dem Libanon (vgl. 2Chr 2,7) nicht wächst, hat man die hebr. Worte auch als Holz des Zypressenwacholders (Juniperus phoenicea) gedeutet, der im Libanon vorkommt und ein sehr gutes Bauholz liefert, andererseits aber keine außerordentliche Kostbarkeit (vgl. 1Kön 10,11) darstellt. Eine sichere Entscheidung lässt sich nicht treffen. Mit den »wohlriechenden Hölzern« in Offb 18,12 könnte neben S. und Zedernholz auch das Holz eines nordafrikanischen Nadelbaumes, der Sandarakzypresse (Tetraclinis articulata), gemeint sein, das von den Römern für Schnitzarbeiten geschätzt wurde. Die Ägypter bereiteten aus dem Harz des Baumes eine Salbe, die beim Einbalsamieren Verwendung fand



Schilf (auch: Rohr)
I) Die häufigsten S.arten Palästinas und Ägyptens sind:
1) das auch in Europa verbreitete Schilfrohr (Phragmites communis), das bis zu 4 m hoch wird und an ruhigen Gewässern, Mooren und auf feuchten Böden wächst;
2) das noch höhere (bis zu 5 m) Pfeilrohr (Arundo donax). Seine vielknotigen Halme sind schwerer und haltbarer als die des Schilfrohrs. Daneben gibt es noch eine große Anzahl von Binsengewächsen und Riedgräsern.
II) Den verschiedenen hebr. Worten, die LÜ mit S. oder Rohr wiedergibt, lassen sich keine bestimmten S.arten eindeutig zuordnen.
Das hebr. qanäh könnte das Pfeilrohr bezeichnen (1Kön 14,15; 2Kön 18,21; Hiob 40,21; Ps 68,31 [LÜ: Schilf]; Jes 19,6; 35,7; Hes 29,6f; LÜ: Rohr bzw. Rohrstab), steht daneben aber auch – ebenso wie das griech. kalamos in LXX und NT – ganz allgemein für Rohr, Röhre (2Mo 25,32ff; 37,17ff; LÜ: Arme), das Gelenk (Hiob 31,22), die Messrute (Hes 40,3.5, LÜ, EB; ZÜ: Messrohr) und das davon abgeleitete Längenmaß, die Rute (Hes 40,5–8 u.ö.). In Hld 4,14; Jes 43,24; Hes 27,19 (qanäh); 2Mo 30,23 (qeneh bäsäm); Jer 6,20 (qanäh haththow) bezeichnet es eine S.art, aus der ein wohlriechendes ätherisches Öl gewonnen wurde (LÜ meist → Kalmus).

Die Bedeutung des hebr. suph (2Mo 2,3 [LÜ: Rohr]; Jes19,6; Jona 2,6; LÜ: Schilf) umfasst neben dem S. vermutlich auch die verschiedenen schilfähnlichen Pflanzen. Jam suph (2Mo 10,19 u.ö.) ist das »S.meer«. Hebr. agmon (Hiob 40,26 LÜ: Binsenseil; Jes 9,13; 19,15 LÜ: Stumpf; Jes 35,7; vgl. EB, ZÜ) wäre besser mit Schilf- oder Binsenhalm zu übersetzen, achu (1Mo 41,2 LÜ: Gras; Hiob 8,11 LÜ: S.) mit Riedgras. Lediglich das hebr. gomä (2Mo 2,3; Hiob 8,11; Jes 18,2; 35,7) lässt sich mit einiger Sicherheit bestimmen. Mit diesem Wort ist wahrscheinlich die Papyrusstaude (Cyperus papyrus) gemeint, die man im Altertum zur Papierherstellung verwendete. Aus ihren zähen Stängeln flocht man in Ägypten auch bes. leichte, schnelle Boote, die in Jes 18,2 und (unter einer anderen hebr. Bezeichnung) in Hiob 9,26 erwähnt werden (LÜ: schnelle Schiffe).
III) In 2Kön 18,21; Jes 36,6; Hes 29,6 ist der Rohrstab Bild für die zerbrechende Macht Ägyptens, die den verletzt, der sich darauf stützt. In Mt 11,7 u. Lk 7,24 ist das schwankende Rohr wohl nicht ein Bild für mangelnde innere Festigkeit eines Menschen. Vielmehr liegt ein Doppelgleichnis vor: So wenig man in der Wüste einen Menschen mit luxuriösen Kleidern finden wird – den sucht man vielmehr in einem Palast –, ebenso wenig wird man im heißen Wüstensand die Sumpfpflanze Schilf finden. Jesus schildert hier die falsche Erwartung des Volks gegenüber den Boten Gottes, nämlich Johannes dem Täufer und Jesus selbst. Der Gedanke der falschen Erwartung, der man es nicht recht machen kann, wird in Mt 11,16–19 aufgegriffen und fortgeführt.
Einen Rohrstab als Zepter erhält Jesus bei seiner Verspottung (Mt 27,29; Mk 15,19).



Senfkorn (griech. sinapi)
Das Samenkorn des Schwarzen Senfs (Brassica nigra), einer einjährigen Pflanze mit holzigem Stamm, die sehr schnell aufschießt und eine Höhe von 2,5–3 m erreichen kann. Dieser »Baum« ist ein beliebter Aufenthalt der Distel- und Goldfinken, die seine ölhaltigen Samenkörner besonders gern fressen (Mt 13,31f). In Mt 13,31f kann es aber auch als übertreibende Redefigur Jesu verstanden werden: Aus einem winzigen Samenkorn wird unerwarteterweise ein riesiger Baum, in welchem Vögel sogar nisten können (so EB).
Die zerquetschten Senfkörner und das daraus gewonnene Öl werden auch medizinisch verwendet. Die geringe Größe des S.s (0,95–1,1 mm Durchmesser) ist sprichwörtlich und wird von Jesus im Gleichnis vom werdenden Gottesreich verwendet, das kaum bemerkt und unscheinbar seinen Anfang nimmt und doch eine Dynamik und eine Wachstumskraft entfaltet, die seine Ausbreitung in alle Welt vorantreibt (Mt 13,31f; Mk 4,31f; Lk 13,19).
In ähnlicher Weise versinnbildlicht das S. in Mt 17,20; Lk 17,6 Wesen und Kraft des Glaubens, der die größten Dinge zu vollbringen vermag.




Stakte Das hebr. Wort nathaph (eigentl. »Tropfen«), das LÜ in 2Mo 30,34 nach der LXX (griech. staktä) mit S. übersetzt, bezeichnet ein Räucherharz, das nur an dieser einen Stelle und zwar als Bestandteil des heiligen Räucherwerks der Stiftshütte erwähnt wird.
Ob es sich bei diesem Wort um eine andere Bezeichnung für das Harz des Mastixstrauchs (→ Mastix) handelt oder um den Storax, das Harz des Storaxstrauchs (→ Linde), lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden.




Tamariskenbaum (Tamarix; hebr. äschäl)
Der T. hat kleine schuppen- oder nadelförmige Blätter, die eng an den Zweigen liegen. Er wächst in Palästina in mehreren Arten (die größte, Tamarix articulata, kann die Größe einer Eiche erreichen), vor allem in den Wadis der Wüsten- und Steppengebiete (1Mo 21,33; 1Sam 22,6; 31,13).




Terebinthe (Pistacia terebinthus), heute häufig Terpentinpistazie genannt.
Ein verhältnismäßig kleiner Baum (bis zu 5 m Höhe), der im ganzen Mittelmeergebiet häufig vorkommt. Er ist zweigeschlechtig, sodass die kleinen ovalen, dunkelroten Steinfrüchte nur auf den weiblichen Bäumen zu finden sind. Man schätzt ihn als Schattenspender, doch fallen die Blätter bereits gegen Ende September ab. Durch Einschnitte in die Rinde gewinnt man ein wohlriechendes Harz, das als Chios-Terpentin in den Handel gebracht wird. In der Bibel ist die T. vermutlich mit dem hebr. Wort elah gemeint, das Luther meist mit → »Eiche« übersetzt hat. Sie wird als Baum der → Höhen (Hes 6,13; Hos 4,13 [LÜ: Buche]), als Schattenspender (Ri 6,11.19; 1Kön 13,14) und in bildlicher Verwendung (Jes 1,30; 6,13) erwähnt. Jakob vergrub die Götzen seiner Familie unter einer T. (1Mo 35,4). An den herunterhängenden Ästen einer T. blieb Absalom hängen (2Sam 18,9–14).



Wacholder Das hebr. Wort rotäm bezeichnet nicht, wie Luther übersetzt, den W., sondern den Retamstrauch (Retama raetam). Dieser ginsterähnliche Strauch ist ein Schmetterlingsblütler, der in allen Wüsten Syriens und Arabiens zu finden ist. Die Pflanze ist völlig blattlos, der kurze Stamm holzig, die sehr zahlreichen Zweige sind grün und werden mannshoch. Dadurch gibt der Strauch etwas Schatten (1Kön 19,4f). Im Frühling ist er mit schneeweißen, rotgestreiften Blüten bedeckt, die nach Mandeln duften. Die Wurzeln sind bitter und holzig; man hat daher in dem hebr. Wort, das die LÜ in Hiob 30,4 mit »ihre Speise« wiedergibt (lachemam) einen Fehler bei der Zufügung der Vokale vermutet und will stattdessen lechummam = »um sich zu wärmen« lesen. Im Übrigen hat Luther an dieser Stelle rotäm mit Ginster übersetzt.
Die GNB übersetzt in Jer 1,11 den Begriff schaqed (eigentlich → Mandelzweig) mit »Wacholder«, um im Deutschen das Wortspiel mit dem in V. 2 auftauchenden »wachend sein« (schoqed) deutlich zu machen.



Weide (Baum) Das hebr. arawah, das die LÜ mit W. oder Bachweide wiedergibt, bezeichnet wahrscheinlich die Euphratpappel (Populus euphratica). Sie wächst vor allem in Flusstälern (Hiob 40,22; Jes 44,4) und erreicht die Höhe einer mittelgroßen Linde. Die Äste beginnen in Mannshöhe (vgl. Ps 137,2). Die Zweige fanden beim Laubhüttenfest Verwendung (3Mo 23,40).
Die eigentliche Weide (hebr. saphsaphah) ist in Hes 17,5 gemeint (wörtlich »wie eine Weide«; LÜ: »am Ufer«; vgl. EB).



Weihrauch Durchsichtiges Harz, das von selbst oder durch künstliche Einschnitte aus den Harzgängen in der Rinde der Boswellia carterii (Familie der Balsambaumgewächse, Burseraceae) tropft, eines Strauches mit kleinen Blättern und unansehnlichen Früchten. Der Strauch wächst in Südarabien (Jes 60,6; Jer 6,20), kommt aber auch an der Westküste des Roten Meeres vor. Die Ägypter brachten W.bäume aus Punt (→ Put) mit. Von einer anderen Boswellia-Art, der Boswellia thurifera, stammt der indische W., der viell. in Offb 18,13 gemeint ist.
Das hebr. Wort lewonah = W. (griech. libanos) ist abgeleitet von dem Wort für »weiß, glänzend«. Das ausfließende Harz erhärtet langsam und wird dann zu zylinderförmigen, hellgelben Stückchen zusammengedrückt. Auf Feuer gelegt, verbrennt es langsam und mit knisternder Flamme infolge seines hohen Gehaltes an ätherischen Ölen und verbreitet dabei einen angenehmen Duft, der als Parfüm in den Kleidern hängen bleibt (Hld 3,6).
Im israelit. Gottesdienst nahm der W. einen wichtigen Platz ein. Er war ein Teil des heiligen Räucherwerks (2Mo 30,34; → Räucheropfer) und gehörte zum Speisopfer (3Mo 2,1–16), während seine Verwendung beim Schuldopfer (3Mo 5,11) und Eifersuchtsopfer (4Mo 5,15) ausdrücklich verboten war.
Unter den Schätzen der Weisen aus dem Morgenland wird auch W. genannt (Mt 2,11).



Wein, Weinberg, Weinstock I) Der Weinstock (Vitis vinifera) ist von Natur eine holzige Kletterpflanze; die schwachen Äste (Reben) und deren Seitentriebe tragen Ranken, mit denen die Pflanze an einer Stütze Halt sucht. Durch Beschneiden der Triebe erreicht man reichere Fruchtbildung (vgl. Joh 15,2ff). Der Weinstock kann sehr alt und stark werden. Die Rinde ist dann ganz verkorkt. Das Holz ist nur als Brennholz zu verwerten (Hes 15,1–6).
II,1) In Palästina sind Boden und Klima für den Wein sehr günstig. Sein Anbau ist schon früh (1Mo 14,18; vgl. auch 1Mo 9,20) und für fast alle Teile des Landes bezeugt. Man pflanzte ihn im Land der Philister (Ri 15,5), in der Ebene Jesreel (1Kön 21,1), in der Oase von En-Gedi (Hld 1,14), bes. aber in den Hügelgebieten: in der Nähe Hebrons bei Eschkol (4Mo 13,23), bei Silo (Ri 21,20f), Sichem (Ri 9,27) und Samaria (Jer 31,5), ebenso im Ostjordanland (Jes 16,8–10; Jer 48,32f) und nach Funden auch im → Negev.
2) Die Weingärten befanden sich gewöhnlich an den Hängen der Berge (Jes 5,1 EB, ZÜ; Joel 4,18). Damit der fruchtbare Boden nicht von den Winterregen fortgeschwemmt wurde, legte man Terrassen an. Man umgab den Garten mit einem Zaun oder einer Mauer, um Schäden durch Wildschweine und → Schakale zu verhindern (4Mo 22,24; Ps 80,9–14; Spr 24,30f; Hld 2,15; Jes 5,5). Der Boden wurde von Steinen gesäubert, die Weinstöcke gepflanzt, ein Wachtturm gebaut und eine Kelter ausgehauen (Jes 1,8; 5,1–7; Mt 21,33–41). Ein Weinberg erfordert viel Arbeit (vgl. Mt 20,1–16), bes. im Sommer vor der abschließenden Weinlese (vgl. den Geserkalender; → Jahr III); in dieser Zeit leben die Familien der Weinbauern heute noch vielfach in Zelten im Weinberg. Im Übrigen ist der Boden von Zeit zu Zeit zu lockern und vom Unkraut zu säubern (Spr 24,30f; Jes 5,6); die Reben müssen beschnitten und gereinigt werden (3Mo 25,3; Joh 15,2).
Der eigentliche Stamm des Weinstocks lag gewöhnlich auf dem Boden und konnte sich dort ausbreiten, während nur die fruchttragenden Äste gestützt wurden (vgl. Hes 17,6; Hos 10,1). Manchmal ließ man den Weinstock auch an anderen Bäumen emporranken, dann konnte man unter seinem Feigenbaum und Weinstock wohnen (1Kön 5,5).
3) Die Trauben geben roten Saft (Jes 63,2; Offb 14,19–20), sie wurden auch frisch gegessen oder getrocknet (4Mo 6,3; 5Mo 23,25). Aus den getrockneten Trauben, den Rosinen, presste man → Kuchen (1Sam 25,18; 30,12; → Honig III). Obgleich die ersten Trauben bereits im Juli zu reifen beginnen, lag die Hauptlese erst im September und konnte bis in den Oktober hinein dauern. Sie war eine Zeit der Freude (vgl. Jes 16,9.10), bes. wenn mit dem Keltern oder »Traubentreten« begonnen wurde. Die reifen Trauben wurden gesammelt (Jer 6,9) und in die Kelter geschüttet, die aus einer flachen Vertiefung bestand, aus der kleine Abflussöffnungen in einen zweiten, tiefer gelegenen Behälter führten. Beide waren meist aus dem gewachsenen Felsen ausgehauen. Männer traten und stampften die Trauben mit nackten Füßen (Neh 13,15; Hiob 24,11; Jes 63,3) und sangen dabei, um im Takt zu bleiben (vgl. Jes 16,10; Jer 25,30; 48,33), während das »Traubenblut« (1Mo 49,11) ihre Haut und Kleider rot färbte (Jes 63,1–3). Der ausgepresste Saft lief durch die Öffnungen in den unteren Behälter ab und wurde dann in lederne Schläuche (Hiob 32,19; Mt 9,17) oder in Tonkrüge gefüllt. Darin ließ man ihn gären und füllte ihn danach in andere Gefäße um (Jer 48,11f), wobei die → Hefen (Ps 75,9; Zef 1,12 EB) als Bodensatz zurückblieben. Neben dem Traubentreten war später auch die Balkenpresse üblich, wie man sie bei der Ölgewinnung benutzte.
4) Der Traubensaft wurde schon unvergoren als Most (hebr. tirosch) frisch von der Kelter getrunken und als Erstlingsopfer ins Heiligtum gebracht (4Mo 18,12; Neh 10,38).
Nach vollendeter Gärung ist der Wein (hebr. jajin) das alkoholhaltige Getränk, das Trunkenheit verursachen kann (1Mo 9,21). »Gewächs des Weinstocks« (Mt 26,29; Mk 14,25) war ein althergebrachter Ausdruck der Juden für den Wein, der bei gottesdienstlichen Festlichkeiten verwandt wurde, z.B. beim Passamahl und zu Beginn des Sabbats.
Öfter wird von gewürztem Wein (Ps 75,9 EB, ZÜ; Hld 8,2) oder gemischtem Wein (Spr 23,30 LÜ: was eingeschenkt ist, EB: Mischkrug; Hld 7,3 LÜ: Getränk, EB: Mischwein; Jes 65,11 LÜ: Trankopfer, EB: Mischkrug) gesprochen, über die Zutaten bzw. die Art der Mischung wird jedoch nichts Genaueres berichtet. Unterschieden wird der Wein vom »starken Getränk«, das aus anderen Früchten (z.B. Datteln), Honig und Getreide hergestellt wird (Jes 28,7; 29,9; → Trank). Weinsorten werden nach ihren Herkunftsorten benannt (Hes 27,18; Hos 14,8).
5) Brot, Wein und Öl waren in bibl. Zeit die drei Hauptnahrungsmittel (2Chr 2,9; Ps 104,14f; Klgl 2,12); der Wein wird als Gottesgabe gerühmt (1Mo 27,28; 5Mo 8,7–10; Ps 104,15; Pred 9,7; vgl. Joh 2,1–11), gehört als Trankopfer zu jedem Brandopfer (2Mo 29,38–41) und darf bei der Festfreude des Gemeinschaftsmahls vor dem Herrn nicht fehlen (5Mo 14,26). Er wurde auch als Heilmittel verwendet (Lk 10,34; 1Tim 5,23; vgl. Spr 31,6).
Bei Festen am Hof und unter den Reichen wurde jedoch vielfach das rechte Maßhalten im Trinken versäumt (Jes 28,1.7f; Am 6,6); vor solchem Missbrauch wird oft und eindringlich gewarnt (Spr 20,1; 23,29–35; Eph 5,18). Den diensthabenden Priestern waren Wein und starkes Getränk (3Mo 10,8–11), den → Nasiräern waren Wein wie Weintrauben in jeder Form verboten (4Mo 6,3f; Ri 13,4), auch die → Rechabiter tranken keinen Wein (Jer 35).
III) Im übertragenen Sinn ist der Wein ein häufiges Bild für geistliche Kräfte und Gaben (Spr 9,2; Jes 55,1), aber auch für die durch Gottes Gericht bewirkte Verblendung und Verwirrung (Jer 25,15f). Der Herr vergleicht sein Volk mit einem Weinstock (Ps 80,9–16; Hos 10,1) und ihr Land mit einem Weinberg (Jer 12,10; vgl. Mk 12,1–9). Das Gleichnis vom Weinstock, den Reben und dem Weingärtner benutzt Jesus in den Abschiedsreden, um seinen Jüngern ihr Verhältnis zu ihm und zum Vater deutlich zu machen (Joh 15,1ff).
IV) Der Eingang am → Tempel VI,1 zur Zeit Jesu war mit Säulen verziert, um die sich goldene Weinstöcke mit Reben rankten (→ Abb. 878 auf Seite 1155).




Weizen (Triticum; hebr. chiththah; griech. sitos)
Die Urform des W.s, der schon in vorgeschichtlicher Zeit angebaut wurde, stammt wahrscheinlich aus dem Vorderen Orient. Er galt schon in atl. Zeit als das beste Brotgetreide (2Mo 29,2) und wird als wichtigste und häufigste Getreideart in der Bibel vielfach erwähnt (5Mo 8,8; Ri 6,11; 1Kön 5,25; 2Chr 27,5; Esr 6,9; 7,22; Hiob 31,40; Ps 147,14; Jer 12,13; 41,8; Lk 22,31; Joh 12,24 u.ö.).
In Israel wuchs guter W. in der Umgebung von Kapernaum, Chorazin und bes. im Land Benjamin, wo nicht nur die Ähren außergewöhnlich lang waren, sondern auch die Halmlänge größer, sodass man viel Stroh erhielt.
Der W. wurde in Israel im November bzw. Dezember nach dem Frühregen gesät und je nach Lage im April, Mai oder Juni geerntet (→ Jahr). Man vermahlte ihn zu → Mehl oder aß die (in den Ähren) gerösteten Körner (Rut 2,14 u.ö.; → Grütze), die auch als Speisopfer dargebracht wurden (3Mo 2,14).
Im Altertum war Ägypten die Getreidekammer des ganzen Mittelmeergebietes (1Mo 12,10; 41,57); im Röm. Reich wurden große Mengen Korn von Alexandria nach Rom verschifft (Apg 27,6.38). Der ägypt. W. ist eine bes. Art (Triticum compositum), die mehrere Ähren an einem Halm besitzt (1Mo 41,5). Alte Abbildungen zeigen die gleiche Form, die heute noch angebaut wird.

Wermut (Artemisia absinthium; hebr. la‘anah; griech. apsinthos) ist eine Art der Pflanzengattung Artemisia aus der Korbblütlerfamilie (Asteraceae), eine wild wachsende Pflanze mit graubehaarten Blättern, kleinen, gelblichen Blütenköpfchen und von starkem, unangenehmem Geruch und sehr bitterem Geschmack. Die Bitterkeit des W.s ist in der Bibel Sinnbild der Untreue, des Abfalls von Gott, des Unrechts (5Mo 29,17; Am 5,7; 6,12; vgl. Spr 5,4), von Gott verhängter Strafen (Jer 9,14; 23,15; Offb 8,11) und Leiden (Klgl 3,15.19).


Ysop Hebr. ezow. Der eigentliche Y. (Hyssopus officinalis) kommt in Palästina nicht vor; daher ist es kaum möglich, den in der Bibel erwähnten Y. botanisch exakt zu identifizieren. Vorgeschlagen wurden die Oreganogewächse Origanum maru und Origanum syriacum. Sie gehören zur Familie der Lippenblütler (Labiatae) und gedeihen überall in Ägypten und Palästina. Die Höhe der Origanum syriacum-Pflanze wird mit 50–100 cm angegeben. Die Verzweigungen der vielen kleinen Blättchen macht diesen Y. als Sprengwedel (3Mo 14,4–7; 4Mo 19,18) und Streichquaste für das Blut des Passahlammes (2Mo 12,22) verwendbar.

Der in 1Kön 5,13 genannte Y. erscheint als niedriges Mauergewächs, was kaum zur Größe des Origanum syriacum passt. Vielleicht ist hier der Kapernstrauch (Capparis spinosa) gemeint, der auch in der Westmauer des Tempels (der sog. Klagemauer) wächst.
Man setzt den biblischen Y. aber auch mit der Mohrenhirse (Sorghum bicolor) gleich, die fast doppelt so hoch wird wie die Origanum syriacum-Pflanze und auch sonst zu den biblischen Angaben passt.
Schwierigkeiten bereitet die Zuordnung dieser botanischen Angaben zur Szene unter dem Kreuz, wo ein Schwamm auf einem Y. zum am Kreuz hängenden Jesus emporgereicht wird (Joh 19,29). Die Stängel der genannten Origanum-Pflanzen erscheinen dafür zu schwach – es sei denn, der Körper des Gekreuzigten habe sich in nur geringer Höhe über dem Boden befunden. Die Deutung, dass eine geistliche Anspielung auf 2Mo 12,22 vorliege, wo das Blut des Passalamms mit einem Y.büschel verstrichen wird, dürfte zu weit hergeholt sein (denn der Gekreuzigte ist im Verständnis des JohEv das wahre Passalamm, spendet also das erlösende Blut und empfängt es nicht). Das Problem würde sich lösen, wenn man in Joh 19,29 statt hyssopos (Y.) hyssos (Speer) lesen könnte; dieses Wort kommt jedoch weder im NT noch im sonstigen urchristl. Schrifttum vor. Die Schwierigkeit wurde offenbar schon im Rahmen der Textüberlieferung des NT empfunden; daher lesen Handschriften aus dem 9. Jh. n.Chr.: »Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig zusammen mit Galle und Ysop und legten [ihn] um einen Rohrstab.«





Zeder (Cedrus libani; hebr. äräz)
Die Z. des Libanon gehört zu den Nadelbäumen (Coniferae). Sie wird bis zu 40 m hoch und bis zu 4 m dick. In ihrem Nadelbesatz ist sie lärchenähnlich, aber immergrün. Ihre bis zu 10 cm hohen, eiförmigen Fruchtzapfen sind gestielt und stehen aufrecht auf den Zweigen. Von den ausgedehnten Zedernwäldern, die den Libanon früher bedeckten, sind nur noch an drei Stellen kärgliche Reste vorhanden.
Die Z. wird in der Bibel oft erwähnt (4Mo 24,6; Ri 9,15; Ps 29,5; 148,9 u.ö.). Sie gilt als vornehmster Baum (1Kön 5,13; 2Kön 14,9) und ist ein Bild für Kraft und Macht, aber auch für Stolz und Überheblichkeit (Ps 92,13; Jes 2,13; Hes 17,22–24; 31,1–18). Gelegentlich wird sie Z. Gottes (Ps 80,11) oder Baum des Herrn (Ps 104,16) genannt.
Das braune Zedernholz ist sehr haltbar und wird von Insekten gemieden, es hat daher seine größte Bedeutung als Baumaterial (→ Lachisch). Doch auch als Brennholz wird es geschätzt, denn es verbrennt ohne Rauchentwicklung und hinterlässt wenig Asche. Zedernholz war auch für bestimmte Reinigungsopfer vorgeschrieben (3Mo 14,4.49; 4Mo 19,6; → Opfer V,5,c-e). Aus dem duftenden Harz des Baumes wird seit dem Altertum das Zedernöl gewonnen.
Die Phönizier lieferten David Zedernstämme für den Bau seines Palastes (2Sam 5,11), Salomo für Tempel (1Kön 5,20–25) und Palast (1Kön 7,1–12), von dem ein Gebäude nach dem reichlich verwendeten Zedernholz »Libanon-Waldhaus« (V. 2) genannt wurde. Das Bauholz wurde über das Mittelmeer transportiert (2Chr 2,15), ebenso später beim Bau des zweiten Tempels (Esr 3,7). Die Phönizier selbst verwendeten Z. für die Mastbäume ihrer Schiffe (Hes 27,5). Assyrer und Babylonier führten auf ihren Kriegszügen auch häufig Zedernstämme als Beute mit fort (Jes 14,8; 37,24), was ihnen wichtig genug war, um es in ihren Siegesinschriften zu erwähnen.



Zimt (Hebr. qinnamon; griech. kinnamomon)
I) Der in der Bibel öfter erwähnte Z. (2Mo 30,23; Spr 7,17; Hld 4,14; Offb 18,13) ist der chinesische Z., der bereits im 17. Jh. v.Chr. aus China über Mesopotamien, Phönizien und Palästina nach Ägypten eingeführt wurde. Dieser Z. ist die getrocknete, ineinandergerollte innere Rinde der Zimtkassie (Cinnamomum cassia) aus der Familie der Lorbeergewächse (Lauraceae).
Man verwendete Z. dazu, Betten (Spr 7,17) und Kleider (Hld 4,14) zu parfümieren; in 2Mo 30,23 wird er als Bestandteil des heiligen Salböls genannt.
II) Neben der Zimtrinde werden auch die getrockneten Blüten des Zimtbaumes unter den hebr. Namen qiddah und qesiah genannt (LÜ: Kassia). Auch sie wurden zur Bereitung des heiligen Salböls verwendet (2Mo 30,24); ferner waren sie Bestandteil von Salben und Parfüms (Ps 45,9 u.ö.). Kassia wurde durch die Phönizier nach Palästina gebracht (Hes 27,19). Das Wort findet sich auch als Mädchenname (Hiob 42,14 LÜ: Kezia). → Kalmus

Zwiebel Die Z. (Allium cepa) aus der Familie der Liliengewächse wurde z.Zt. des AT meist roh gegessen, aber auch gebraten oder als Gemüse gekocht. Auf der Wüstenreise vermissten die Israeliten die ägypt. Z. sehr (4Mo 11,5; → Knoblauch). In Palästina werden die Z. wie der Zwiebelsame gegessen, während man die röhrenförmigen Blätter für schädlich hält. Als Zutat gehört die Z. bes. zu Linsengerichten.



Zyperblume (Lawsonia inermis oder alba; hebr. kophär)
Blüte des Hennastrauchs aus der Familie der Weiderichgewächse (Lythraceae), der bis zu 3,5 m hoch wird und dem europäischen Liguster ähnelt. Er wuchs in den Weingärten En-Gedis (Hld 1,14), wo er auch heute noch vorkommt. Seine langen, dunkelgrünen Zweige tragen lanzettförmige, hellgrüne Blätter und in großen aufrecht stehenden Trauben weiße, stark duftende Blüten (Hld 1,14; 4,13). In Ägypten wurde aus Stängeln und Blättern des Strauches ein gelbroter Farbstoff gewonnen, aus dem man eine Art Nagellack für die Frauen herstellte (weibliche Mumien aus dem Anfang des 3.Jt. v.Chr. tragen an Finger- und Zehennägeln noch Spuren dieser Farbe). Noch heute färben sich die orientalischen Frauen mit Henna Haare (vgl. viell. Hld 7,6), Handflächen und Nägel orange.



Zypresse Aus der Pflanzengattung der Zypressen (Cupressoideae) kommt in Palästina nur eine Art vor: die Mittelmeerzypresse (Cupressus sempervirens), allerdings in zwei Wuchsformen:
1) Die häufigere schlanke Kegelform, die 20 bis 50 m hoch wird. Ihre Zweige stehen schräg nach oben und liegen eng aneinander.
2) Die seltenere und kleinere Form mit ausgebreiteter, zedernartiger Krone (Cupressus sempervirens var. horizontalis).
Beide Formen sind wie fast alle Nadelhölzer immergrün (vgl. Hos 14,9). Die Blätter sind klein und schuppenartig, die Zapfen eiförmig und holzig. Das Holz ist rötlichgelb, hart und wird von Insekten gemieden.
Zwei hebr. Wörter bezeichnen vermutlich die Zypresse: berosch (1Kön 5,22.24; 6,15.34; 2Kön 19,23; Jes 60,13; Sach 11,2 u.ö.) und teaschur (nur Jes 41,19; 60,13; Hes 27,6 LÜ: Buchsbaum). Da das erste Wort häufig genannt wird, das zweite seltener, hat man berosch auch auf die kegelförmige und teaschur auf die horizontale Wuchsform deuten wollen, doch das bleibt unsicher. Koehler hält berosch für den zypressenähnlichen phön. Wacholder (Juniperus phoenicea).
Die Z. wird als ein stattlicher Baum (vgl. Hes 31,8) des Libanon (2Kön 19,23; Jes 14,8; 60,13 u.ö.) und des Senir (Hermon; Hes 27,5) erwähnt, häufig zusammen mit der Zeder. Sie liefert ein sehr wertvolles Bauholz, das man vor allem wegen seiner Dauerhaftigkeit schätzte. Salomo verwandte es zur Täfelung des Tempelinneren (1Kön 6,15.34; 2Chr 3,5); geliefert wurde es ihm von Hiram von Tyrus (1Kön 5,22.24; 2Chr 2,7). Planken und Verdeck der tyrischen Schiffe waren aus Z.nholz (Hes 27,5f; V. 5 berosch, V. 6 teaschur). Vielleicht stellte man auch Musikinstrumente daraus her (2Sam 6,5; der Text ist hier nicht eindeutig, vgl. EB Anm., ZÜ). → Arche



Und Jehova sprach zu Mose: Nimm dir wohlriechende Gewürze, Stakte und Räuchermuschel und Galban, wohlriechende Gewürze und reinen Weihrauch; zu gleichen Teilen sollen sie sein. Und mache Räucherwerk daraus, Würzwerk, ein Werk des Salbenmischers, gesalzen, rein, heilig.
Myrrhen und Aloe, Kassia sind alle deine Kleider; aus Palästen von Elfenbein erfreut dich Saitenspiel.
ich habe mein Lager benetzt mit Myrrhe, Aloe und Zimmet. Komm, wir wollen uns in Liebe berauschen bis an den Morgen, an Liebkosungen uns ergötzen.
Öl und Räucherwerk erfreuen das Herz, und die Süßigkeit eines Freundes kommt aus dem Rate der Seele.
Wer ist die, die da heraufkommt von der Wüste her wie Rauchsäulen, durchduftet von Myrrhe und Weihrauch, von allerlei Gewürzpulver des Krämers? Siehe da,



Salomos Tragbett: Sechzig Helden rings um dasselbe her von den Helden Israels.


Kiefer Mit K. ist in Jes 41,19; 60,13 möglicherweise die → Zypresse gemeint..

 

Knoblauch (Allium sativum var. vulgare; hebr. schum) wurde im ganzen Vorderen Orient stets geschätzt und bildete mit anderen Zwiebeln einen wesentlichen Nahrungsbestandteil der in der Knechtschaft arbeitenden Israeliten in Ägypten (4Mo 11,5). Herodot (484–424 v.Chr.) erwähnt, dass für die Arbeiter an der Cheopspyramide eine hohe Summe für »Rettig, Zwiebeln und Knoblauch« ausgegeben wurde (II, 125). Später, bei Horaz (65–8 v.Chr.), heißen die Juden wegen ihres K.geruchs sogar »judaei foetentes« (= stinkende Juden).
Man zerstampfte die K.knollen im Mörser und vermengte sie mit Öl, aß sie auch roh zum Brot.




Räuchermuschel


Aus den Gewürzen Myrrhe, Zimt, Würzrohr, Kassia und Olivenöl wurde das heilige Salböl hergestellt, und aus Stakte,
Räuchermuschel, Galban und ⇨Weihrauch das heilige Räucherwerk (2. Mo 30, 22–38). Wenn Maria in Bethanien Haupt
und Füße des Herrn Jesus mit kostbarer Narde salbte, so dass das Haus vom Geruch des würzigen Salböls erfüllt wurde,
so erkennen wir darin unschwer ein Bild der Anbetung (Mk 14,3ff.; Joh 12,3). Wenn wir als Erlöste unseren Gott und Vater
 in Geist und Wahrheit anbeten, dann steigt ein Wohlgeruch zu Ihm empor, der Ihn erfreut.

Arend Remmers, „Gewürze“, Lexikon Biblische Bilder und Symbole (Hückeswagen:
 Christliche Schriftenverbreitung, 2014), 76.


Wirkung der Salbung
k) 2Mose 30,24ff; Die Wirkung der Salbung

1) Myrrhe = lindert den Schmerz und stillt Blut
2) Zimmet = wie süßes würziges Feuer, scharf, stechend,
wärmend
3) Kalmus = (Würzrohr) würzig, süß,
schmerzlindernd, verdauungsfördernd,
Säure abbauend, wohlriechend, angenehm
im Geschmack
4) Kassia = lindert Brandwunden, nahrhaft
5) Öl = (Olivenöl) nahrhaft, macht haltbar, ge-
schmeidig, weich, glänzend)


Kauffmann, Der Schlüssel, o. J.


Ölbaum


Öl, Ölbaum I) Der immergrüne, nur bis 10 m hohe Ölbaum (hebr. zajit; griech. elaia; Olea europaea sativa) hat eine rissige,
gefurchte Rinde und dunkelgrüne, weidenähnliche Blätter mit weißlicher Unterseite. Alte Bäume, die hohl geworden sind,
teilen sich manchmal in eine Anzahl knorriger, durcheinanderwachsender Stämme auf.
Die Blütezeit beginnt in Palästina Anfang Mai. Die kleinen, weißen Blüten stehen in Trauben in den Stielwinkeln der Blätter.
Die anfangs grünen, später dunkelblauen oder dunkelgrünen Oliven sind Steinfrüchte von etwa 2 cm Länge;

ihr Ölgehalt beträgt mehr als 30 %. Die Ernte beginnt um die Zeit des → Laubhüttenfestes.
Der Ölbaum wächst sowohl auf Kalkboden wie auf Basalt, seine Wurzeln dringen in die Felsspalten ein (5Mo 32,13).
 Er ist also auch auf den Bergen zu finden und kommt in allen Teilen Palästinas vor (5Mo 28,40).
Der Baum wird sehr alt und bleibt dabei fruchtbar; den Ölbäumen in Gethsemane schreibt man ein Alter von
annähernd 2000 Jahren zu. Rund um den alten Stamm schießen Wurzelschösslinge auf (vgl. Ps 128,3).

Der Ölbaum wird durch Veredelung (vgl. Röm 11,17ff: → Einpfropfen) aus dem Oleaster (Olea europaea oleaster) gewonnen.
Das Verfahren war bereits den Phöniziern bekannt, und in Palästina gab es vor der israel. Eroberung schon
Olivenpflanzungen (5Mo 6,11). Das Holz ist dunkles, hartes Kernholz und für Schnitz- und Tischlerarbeiten sehr gesucht.
Das »Ölbaumholz« von 1Kön 6,23.31.33 stammt jedoch nicht vom Ölbaum, sondern wahrscheinlich von der
Ölweide (Eleagnus angustifolia; hebr. es schämän, wörtl. »Öl-Baum«), einem immergrünen Strauch mit schmalen,
auf beiden Seiten silbrig schimmernden Blättern. Zweige und Früchte sind ölhaltig.
Der Strauch wird auch in Neh 8,15 (LÜ: Balsam[zweige]) und Jes 41,19 (LÜ: Kiefer) erwähnt.
II) Den größten Wert hat der Ölbaum durch das Olivenöl (Ri 9,9), das man aus dem Fruchtfleisch gewinnt.
Die Oliven werden gepflückt, mit einem leichten Stock abgeschlagen oder auch abgeschüttelt (5Mo 24,20; Jes 17,6; 24,13).

Die besten Früchte werden ausgesucht, in einer Kelter zertreten (Mi 6,15) oder in einem steinernen Mörser oder einer
Ölmühle zerquetscht und in einen Korb geschüttet. Das dann heraustropfende Öl, frei von jeder Beimischung,
ist das »allerreinste, gestoßene Öl« (2Mo 27,20; 3Mo 24,2). Dann wird der Korbinhalt in der Ölpresse unter einem
mit Steinen beschwerten Balken weiter ausgepresst und ergibt die zweite Qualität, das »gestoßene Öl«
(2Mo 29,40; 4Mo 28,5; 1Kön 5,25). Dem Öl für den täglichen Gebrauch fügte man auch Teile des Fruchtfleisches
und der Kerne hinzu. Das Öl wurde in Tongefäßen aufbewahrt (1Kön 17,12; 2Kön 4,2; vgl. 1Chr 27,28; 2Kön 20,13).
Oliven und Olivenöl gehören im Mittelmeergebiet zu den wichtigsten Nahrungsmitteln
(4Mo 18,12; Neh 13,5; Spr 21,17.20; Hes 16,13; 2Chr 11,11). Die Früchte werden frisch mit Salz gegessen;
man legt sie in Salzlake bzw. die vollreifen Früchte in Öl ein, früher hat man sie auch getrocknet.
Das Brot wird in Olivenöl getaucht, das vielfach die Butter ersetzt und auch zum Backen verwendet wird (1Kön 17,12f; → Kuchen).
Das Öl fand weiter in der Körperpflege (→ Salbe), Medizin (→ Arzt) und als Brennstoff Verwendung (→ Lampe).
Es war ein wichtiger Handelsartikel (Jes 57,9; Hes 27,17; Esr 3,7).
III) Im Zushg. mit dem Gottesdienst wird Öl als Brennstoff des → Leuchters der Stiftshütte (2Mo 27,20),
als Bestandteil des täglichen Speisopfers (2Mo 29,40) und zur Erzväterzeit als Trankopfer (1Mo 28,18; 35,14) genannt.
Weiter diente es zur Salbung der Hohenpriester und Könige (2Mo 29,7; 1Sam 10,1; → Salbe;
→ Gesalbter) und wurde so zum Bild des Heiligen → Geistes (vgl. Sach 4; 2Kor 1,21f; 1Joh 2,27).
IV) Der Ölbaum ist Symbol für die Gottesfürchtigen (Ps 52,10) und das Volk Israel (Jer 11,16)
und wird von Paulus in Röm 11,17–24 als Gleichnis für die bleibende Erwählung Israels genannt,
die durch das Hinzukommen der Nichtjuden zu Christus nicht infrage steht. Israel bleibt der von jeher tief verwurzelte Ölbaum,
von dessen Wurzeln die Heidenchristen mitgetragen und mitgenährt werden.


Krankheit und Gesundheit in der Bibel

In der Bibel geht es nicht nur um den Himmel und das Leben nach dem irdischen Tod. Zahlreiche Angaben beziehen sich auf die Freuden und Sorgen des irdischen Lebens. Ein gewichtiger Bestandteil dieses Lebens ist die Gesundheit. Da sich Gott nicht nur für die Seele, sondern für den ganzen Menschen interessiert, verwundert es nicht, dass sich zahlreiche Bibelstellen mit der Gesundheit und Krankheit des Menschen beschäftigen.

1 Krankheit in der Bibel1

In der Bibel geht es nicht nur um den Himmel und das Leben nach dem irdischen Tod. Zahlreiche Angaben beziehen sich auf die Freuden und Sorgen des irdischen Lebens. Ein gewichtiger Bestandteil dieses Lebens ist die Gesundheit. Da sich Gott nicht nur für die Seele, sondern für den ganzen Menschen interessiert, verwundert es nicht, dass sich zahlreiche Bibelstellen mit der Gesundheit und Krankheit des Menschen beschäftigen.

Manchmal finden sich in der Bibel Sammelbegriffe wie Krankheit, Seuche, Plage, Gebrechen (5Mo 28,58-61; Mt 4,23f; Mk 5,29). Dann wiederum finden sich recht spezifische Beschreibungen einzelner Krankheiten, die durchaus auf dem Niveau der damaligen Zeit rangieren. Als Ausfluss wird ein schleimiger eitriger Eiterfluss aus der Harnröhre bezeichnet (3Mo 15,1-15), bei dem es sich möglicherweise um eine Harnröhrenentzündung (Urethritis) oder eine Gonorrhö (Geschlechtserkrankung) handelte. Neben zahlreichen Personen, die unter Aussatz litten, finden sich insbesondere in 3Mo 13 detaillierte Beschreibungen der Krankheitssymptome und dem Umgang mit Erkrankten. Verdacht auf Aussatz besteht bei Schwellungen, Ausschlag oder hellen Flecken auf der Haut. Haare werden weiß, gelegentlich wächst wildes Fleisch, das auch wieder verschwinden kann, am ganzen Körper verbreitet sich ein weißer oder rötlichweißer Ausschlag, „wie Schnee“.

Bei vermutetem Aussatz musste der Betroffene sieben bis vierzehn Tage unter Quarantäne gestellt und beobachtet werden. Bestätigten sich die Befürchtungen, galt der Kranke als kultisch unrein. Er musste normalerweise abgesondert von der übrigen Bevölkerung leben und durfte weder den Tempel noch die Synagoge besuchen. Heilungen, beispielsweise durch einen übernatürlichen Eingriff Gottes (4Mo 12,13; 2Kön 5,14; Mt 8,3; 10,8), wurden von einem Priester bestätigt, woraufhin der Betroffene auch offiziell wieder als gesund galt (3Mo 13,13). Vom Krankheitsbild her lässt sich der biblische Aussatz sowohl mit Lepra als auch mit der Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) identifizieren.

Die Auszehrung führt zur Abmagerung und zu einem allgemeinen Kräfteverfall (3Mo 26,16; 5Mo 28,22; Jes 10,16). Wahrscheinlich bezeichnen wir diese Krankheit heute als Tuberkulose (Schwindsucht). In gewisser Weise erinnert die Besessenheit an verschiedene psychische Erkrankungen. Im Neuen Testament wird sie allerdings eindeutig auf übernatürlichen, dämonischen Einfluss zurückgeführt (Mt 8,28ff.; 9,32f.; 12,22ff.). Durch Stöße oder Schläge hervorgerufene Schwellungen und Prellungen werden in der Bibel häufig als Beulen bezeichnet (l Mo 2,23; 2Mo 21,25). Blindheit wurde den biblischen Berichten entsprechend entweder vererbt (Joh 9,1), mit zunehmendem Alter erworben (1Mo 27,1; 1Sam 4,15; 1Kön 14,4) oder durch Gewalt bewusst hervorgerufen (Ri 16,21; l Sam 11,2; 2Kön 25,7), wie z.B. bei Kriegsgefangenen.

Unter Blutfluss verstand man sowohl die monatlichen Menstruation (3Mo 15,19) und die Blutungen nach der Entbindung (3Mo 12,7) als auch außergewöhnliche, langandauernde Blutungen der Frauen (3Mo 15,25; Mk 5,25f). Während dieser Zeit galten die Betroffenen als kultisch unrein und wurden weitgehend von öffentlichen und religiösen Anlässen ausgeschlossen. Auch Brandwunden werden in der Bibel beschrieben (3Mo 13, 24-28). Im Zusammenhang mit schwer ausheilenden, infizierten Wunden wird häufig von Eiter gesprochen (Ps 38,6; Spr 12,4; 14,30). Unter dem Oberbegriff „Fehler“ fasst die Bibel zahlreiche Missbildungen zusammen, die den betroffenen Priester vom Opfern disqualifiziert (3Mo 21,17-23). Als Fehler galten Blindheit, Missbildungen an Augen, Gesicht oder Gliedern, schlecht verheilte Brüche, Zwergwuchs, Hauterkrankungen, Lahmheit oder Sterilität (5Mo 23,2).

Fieber taucht in der Bibel nicht nur als Begleitumstand anderer Erkrankungen, sondern auch als selbstständige Krankheitsbezeichnung auf (3Mo 26,16; 5Mo 28,22; Joh 4,52). Auf mögliche Spezifizierungen verweist Lukas, der von einem „hohen Fieber“ (Lk 4,38f.) und wiederkehrenden Fieberschüben (Apg 28,8) berichtet. Flechten auf der Haut von Menschen und Tieren werden in der Bibel beschrieben (3Mo 21,20; 22,22).

Auch verschiedenartige Geschwüre scheinen zu biblischen Zeiten weit verbreitet gewesen zu sein. Mit „bösen Blattern“ werden Beulen bezeichnet, die zu Geschwüren aufbrechen (2Mo 9,9ff.; 5Mo 28,27). An anderen Stellen wird von „bösen Geschwüren“ am ganzen Körper berichtet (Hiob 2,7), die eher an Lepra im heutigen Sinne erinnern. Die bei Hiskia geschilderten Symptome (2Kön 20,7; Jes 38,21) lassen eher auf Furunkel (oder Abszess) schließen. Im neutestamentlichen Griechisch bezeichnet das Wort eine eitrige Geschwulst (Lk 16,20f.; Offb 16,2.11). Als Grind wird ein krustiger oder borkiger Ausschlag an Kopf und Bart bezeichnet (3Mo 13,6-8.30-37; 5Mo 28,27).

Herzerkrankungen umfassen in der Bibel sowohl psychische Leiden (1Kön 8,3 8ff.; Ps 51,11-12.19) wie auch Herzinfarkte (1Sam 25,37f.). Überhaupt finden sich in der Bibel immer wieder Hinweise auf psychosomatische Erkrankungen. Nervliche Anspannung und Überlastung kann zu körperlichen Erkrankungen führen (Dan 8,27). Bei biblischer Kahlheit geht es weniger um kosmetische als um medizinische Aspekte. Gelegentlich tritt sie zusammen mit Aussatz und anderen Hauterkrankungen auf (3Mo 13,40-43; Jes 3,17).

Knochenbrüche werden in der Bibel im Zusammenhang mit Unfällen (1Sam 4,18), Hinrichtungen (Joh 19,31) oder kriegerischen Auseinandersetzungen erwähnt. Schlecht verheilte Brüche disqualifizierten vom Priesterdienst im Tempel (3Mo 21,19). Bei der alttestamentlichen Krätze (3Mo 21,20; 5Mo 28,27) handelt es sich vermutlich um eine stark juckende Hautkrankheit, die durch Milben hervorgerufen wird. Auch Krebs scheint in der Bibel erwähnt zu werden. In 2Tim 2,17 wird die Gangrän (Brand) beschrieben. Abgestorbene Gewebeteile werden durch Fäulniserreger zersetzt. Häufig beginnt sie an den Finger- oder Zehenspitzen und ist auch durch die Amputation der betroffenen Gliedmassen nicht sicher zu heilen, da sie am Stumpf erneut auftreten kann.

Lahme sind durch Krankheit, Unfall (2Sam 4,4) oder Verstümmelung (Mt 18,8) beim Gehen behindert oder unsicher (Hebr 12,13) und oft auf fremde Hilfe angewiesen (Hiob 29,15). Einige Menschen scheinen auch von Geburt an lahm gewesen zu sein (Apg 3,2; 14,8). Die beschriebenen Lähmungen können auf geschädigtes Nervengewebe, aber auch auf Gelenkrheuma zurückgeführt werden. Paulus rät Timotheus, zur Behandlung seiner nicht näher beschriebenen Magenerkrankung regelmäßig Wein zu trinken (1Tim 5,23).

Die Symptome des Mondsüchtigen erinnern an Epilepsie (Mt 17,15; Mk 9,18), werden aber im Zusammenhang mit dämonischer Besessenheit erwähnt. Möglicherweise beobachteten die Menschen einen Zusammenfall von Krankheitsausbruch bzw. -verlauf und Mondzyklus. Die Pest wird als verheerende Seuche geschildert, die zumeist als Strafe und Gericht Gottes auftritt (3Mo 26,25; 5Mo 28,21; 2Sam 24,13), oft im Zusammenhang mit Hunger und Krieg. Der Vater des Publius auf Malta litt wahrscheinlich an einer Amöbenruhr, die auch zu einem von Fieber begleiteten Leberabszess führen kann. Bei der „Eingeweidekrankheit“ König Jorams (2Chr 21,15.18f) könnte es sich ebenfalls um eine Ruhr gehandelt haben, die einen schmerzhaften Darmvorfall nach sich zog. Sammelbezeichnung für alle Arten äußerer Verletzungen war der Begriff „Schaden“ (2Mo 21,22f; 3Mo 24,20; Dan 6,24). Der durch ungehinderte Sonneneinstrahlung auf den unbedeckten Kopf ausgelöste  Sonnenstich wird in Ps 121,6 erwähnt. Durch Schläge mit Ruten, Stöcken oder Geißeln werden Striemen und Wunden hervorgerufen (Jes 1,6; Apg 16,33). Stummheit wird im Neuen Testament auf Taubheit (Mk 7,32-37) oder auf dämonischen Einfluss zurückgeführt (Mt 9,32f.; 15,30f; Mk 9,17.25; Lk 11,14). Schwerhörigkeit und Taubheit sind angeboren oder treten infolge von Ohrenentzündungen und Alter auf (Mt 11,5; Lk 7,22).

Verrückte (Wahnsinnige) fallen vor allem durch ihr sonderbares Benehmen auf (2Kön 9,20). David simuliert Wahnsinn, indem er tobt, mit dem Körper wild gegen ein Tor stößt und Speichel in seinen Bart laufen lässt (l Sam 21,14ff.; Ps 34,1). Nebukadnezar verhält sich im Wahn wie ein Tier (Dan 4). Andere Wahnsinnige fallen mit ihren Waffen unberechenbar über ihre Mitmenschen her (Spr 26,18). Einige in der Bibel beschriebene Personen leiden unter „verdorrten Gliedmaßen“. Mit dieser Diagnose wird die vorübergehende Lähmung der Hand Jerobeams (1Kön 13,4-6) ebenso beschrieben wie die epilepsieähnliche Erstarrung des Körpers (Mk 9,18) oder eine lang andauernde Lähmung, die mit allmählichem Muskelschwund einhergeht (Sach 11,17; Mt 12,10). Die Verkrümmung des ganzen Menschen wird in der Bibel als Krankheit (Lk 13,11) oder als Folge des Alterungsprozesses beschrieben (Pred 12,3). Als Krüppel werden Menschen bezeichnet, die von Geburt an oder infolge von Krankheit und Unfall ihre Glieder nicht mehr normal gebrauchen können (Mt 15,30f; 18,8; Mk 9,43; Lk 14,13.21).

Im Zusammenhang mit Erkrankungen von Herz, Leber oder Lunge können sich wässrige Flüssigkeiten im Gewebe (Ödem) oder in der Bauchhöhle ansammeln. Dieses Krankheitsbild wird in der Bibel „Wassersucht“ genannt (2Chr 16,12; Lk 14,2).

Die Bibel beschränkt sich nicht nur auf die  Beschreibung der Krankheit

Wunden können dem eigentlichen Sinn nach entweder blutige Verletzungen (2Mo 21,25; 2Kön 9,15; Jes 53,5) oder seelische Schädigungen (Ps 38,6; Jes 1,6; Jer 15,18; 30,12) bezeichnen. Auf eine nicht näher bestimmbare Wurmerkrankung deutet der Hinweis, dass Herodes bei lebendigem Leib von Würmern zerfressen wurde (Apg 12,23). Die – gemessen an ihrer Zeit – umfassende Auseinandersetzung der Bibel mit körperlichen und seelischen Krankheiten beschränkt sich nicht nur auf ihre bloße Beschreibung, sondern versucht sie in ihr ganzheitliches Weltbild zu integrieren.

2 Wertung der Medizin

Der Einsatz von Medikamenten und anderen medizinischen Therapien wird in der Bibel zumeist positiv gewertet.2 Kritische Kommentare zur ärztlichen Hilfe finden sich immer dann, wenn Gott einen Menschen durch Krankheit zur Umkehr rufen will, der Betreffende aber statt auf Gott zu hören lieber Ärzte konsultiert.

Ärzte und Medizin werden in der Bibel immer wieder in neutralem oder positivem Zusammenhang genannt. So finden sich Hinweise auf ägyptische (1Mo 50,2) und römisch-griechische Medizin (Mk 5,26; Lk 8,43). In Israel wurden Heilkundige für ihre Arbeit bezahlt (2Mo 21,19). Außer Ärzten werden auch die medizinischen Berufe der Hebamme (1Mo 35,17; 38,28; 2Mo 1,19) und des Salbenbereiters (1Mo 50,2; 2Chr 16,14; Offb 3,18) erwähnt. Lukas, der Begleiter des Paulus, war vermutlich Arzt (Kol 4,14). Sogar Gott (2Mo 15,26) und Jesus Christus (Mt 9,12) identifizieren sich mit der Funktion des Mediziners und bezeichnen sich selber als Inbegriff des Arztes: „Ich bin der Herr, dein Arzt.“ (2Mo 15,26).

Die Medizin an sich wird in der Bibel nie kritisiert, nur die falschen Hoffnungen auf sie

Eigentlich wird die Medizin an sich nie kritisiert, nur der falsche Umgang mit ihr, bzw. die falschen Hoffnungen, die in sie gesetzt werden, wenn Menschen von Ärzten erwarten, was nur Gott ihnen geben kann. Ahasja, der sich in seiner Krankheit an ein heidnisches Orakel statt an Gott wendet (2Kön l ,6) und Asa, der alle ihm zugänglichen Ärzte konsultiert, statt Heilung und Vergebung bei Gott zu suchen (2Chr 16,12), finden schließlich keine Hilfe und sterben. Hiob erkennt den geistlichen Hintergrund seiner Leiden und bezeichnet seine Freunde vor diesem Hintergrund als „unnütze Ärzte“ (Hiob 13,4). Israel, das aufgrund seiner gottlosen Lebensweise leidet, kann durch menschliche Medizin allein nicht geheilt werden (Jes 3,7; Jer 8,22). In Diskussionen mit den Einwohnern von Nazareth erinnert Jesus an ein Sprichwort, nach dem sich der Arzt zum Nachweis seiner Fähigkeit zuerst selber heilen soll (Lk 4,23).

Obwohl die Bibel nicht in erster Linie medizinische Bildung vermitteln will, werden auch positiv Beispiele damaliger Therapien genannt. Wunden wurden ausgedrückt, gereinigt und verbunden (Jes 1,6; 30,26). Erwähnt wird auch das Desinfizieren (mit Wein) und Verschließen (mit Öl) offener Wunden durch den barmherzigen Samariter (Lk 10,34). Andere Erkrankungen (z.B. der Haut) wurden mit Salben und Balsam behandelt (Jer 8,22; 46,11). Besonders genannt wird Augensalbe (Offb 3,18). Knochenbrüche werden verbunden und geschient (Hes 30,21). Angesprochene pflanzliche Heilmittel sind Feigen bei Geschwüren (Jes 38,21) und die Früchte der Mandaragora (Liebesäpfel), die gegen Unfruchtbarkeit helfen sollten (1Mo 30,14). In anderen Fällen wurden aus Blättern erstellte Arzneimittel verabreicht (Hes 47,12). Mit Myrre vermischter Wein diente der Schmerzbekämpfung (Mk 15,23).

Paulus rät Timotheus zur Behandlung seiner nicht näher beschriebenen Magenerkrankung regelmäßig Wein zu trinken (1Tim 5,23). Bei psychischen Krankheiten versprach man sich von der Musik heilende Wirkung (1Sam 16,16). Auch der freundliche Zuspruch kann in solchen Fällen weiterhelfen (Spr 16,24). Gewalttätige Geisteskranke und Besessene wurden gebunden, um sie daran zu hindern, sich und anderen Menschen Schaden zuzufügen (Dan 4,12. 20; Mk 5,3f; Lk 8,29). Auch wenn diese in der Bibel genannten medizinischen Informationen heute nicht unmittelbar angewandt werden können, lässt ihre Erwähnung Rückschlüsse auf den geistlich korrekten Umgang des Christen mit der Medizin der Gegenwart zu.

Demnach ist für den Gläubigen die Nutzung der Medizin seiner Zeit erlaubt, möglicherweise sogar empfehlenswert, sofern diese nicht in direkter Konkurrenz zu Gott steht oder Krankheiten beheben will, die auf individuelle Sünde des Menschen oder Erziehungsmaßnahmen Gottes (Hebr 12,5ff.) zurückzuführen ist.

3 Krankheitsursachen

Alles spricht dafür, dass es in der ursprünglich von Gott konzipierten Welt keine Krankheit gegeben hat. Die meisten Krankheiten beruhen auf Mängelfunktionen des Körpers, doch war der ursprüngliche Mensch perfekt, ohne jeden Fehler (1Mo 1,31). Viele Krankheiten führen unbehandelt zum Tod, in der ursprünglichen Schöpfung aber gab es keinen Tod (1Mo 2,17; 3,14ff.; Rom 5,12ff.). Auch in dem von der Bibel angekündigten und von Christen erwarteten Reich Gottes kommen Krankheit, Leiden und Tod zu ihrem Ende (Offb 21,4). Hier wird wieder ein Zustand erreicht, wie er ursprünglich von Gott gedacht und geschaffen worden war.

Für Christen besteht die entscheidende Beziehung des Lebens im Verhältnis zu Gott. Gesund ist der Mensch letztlich nur, wenn die Beziehung zu Gott heil ist (Lk 17,11ff.). Gesundheit ist – wie das Leben überhaupt – Gabe Gottes. Krankheit ist Ausdruck davon, dass das Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf gestört ist (1Mo 3,1ff.). Der Gläubige erlebt Krankheit deshalb nicht nur als Schmerz und Bedrohung des Lebens, sondern auch als Infragestellung des Gottesverhältnisses (Ps 22; 42; 77; 88; Jes 38,1). In Gebeten sprechen die Kranken nicht nur über ihre körperlichen Qualen und Leiden, sondern ebenso über ihre Gottverlassenheit. Auch körperliche Störungen haben ihre Wurzel im gestörten Gottesverhältnis.

In der gegenwärtigen Welt kann Krankheit sowohl von Gott als auch vom Teufel verursacht werden

In der gegenwärtigen, sich gottlos gebenden Welt, kann Krankheit sowohl von Gott (5Mo 28,59ff; 32,39; 2Sam 12,15; Apg 12,23; 2Kor 12,7) als auch vom Teufel (Hiob 2,6f; Lk 9,39; 13,16) verursacht werden.

3.1 Universale Sünde

Irgendwann werden alle Menschen sterben und das zumeist an Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems, Krebs oder Infektionen. Der irdische Tod aber auch die Begrenzung des menschlichen Lebens auf 70 bis 80 Jahre, sind Folgen der Sünde (Ps 90,10). Zwar stehen dahinter nicht unbedingt die individuellen Sünden des heute von Krankheit und Tod betroffenen Menschen, wohl aber die Sünde Adams und die Sünden der Zeitgenossen Noahs. Deren Fehlverhalten ist nach biblischer Information der Ausgangspunkt des gegenwärtigen, unvollkommenen Zustands der Schöpfung (1Mo 2,17; Röm 5,12ff.).

Infolge der paradiesischen Sünde wurden die Umweltbedingungen, die Lebenslänge und die genetische Ausstattung des Menschen verändert (z. B. 1Mo 3,14-24). Lebte der Mensch ursprünglich mit Tieren und Pflanzen in vollkommener Harmonie, sind sie seit dem Sündenfall seine Konkurrenten um die für das Überleben notwendigen Ressourcen der Natur. Dabei schädigen Raubtiere und Bakterien, Schimmelpilze und Bandwürmer das Leben des Menschen, sodass dieser von Krankheiten und körperlichen Verletzungen betroffen wird.

Die genetisch bedingte Lebensverkürzung ist die Ursache für die mit zunehmendem Alter verlangsamte Regeneration des eigenen Körpers. Das wiederum führt zu einer schleichenden Alterung, die uns in Form von Krankheiten begegnet (Haarausfall, Arteriosklerose, zurückgehendes Muskelgewebe usw.). Darüber hinaus wurde das ehemals perfekte Erbgut des Menschen dem freien Spiel der Naturkräfte überlassen. Durch Strahlung, mechanische und chemische Einflüsse entstanden und entstehen zahlreiche Mutationen, die zumeist Krankheiten hervorrufen, von denen Menschen bis heute betroffen sind (Sehfehler, Missbildungen an inneren Organen, Bluterkrankheit usw.).

Diese Krankheiten haben zwar auch ihren Ursprung in der Sünde, nicht aber unbedingt in der des heute von ihr betroffenen Menschen

Diese Krankheiten haben zwar auch ihren Ursprung in der Sünde, nicht aber unbedingt in der des heute von ihr betroffenen Menschen. Vielmehr sind sie notwendige Begleiterscheinungen der von Gott getrennt existierenden Schöpfung.

3.2 Individuelle Sünde

Gott straft einzelne Menschen für ihre Überschreitung seiner Ordnungen (3Mo 26,14ff.; 2Chr 21,12ff.; 1Kor 11,30; 1Petr 3,10). Ungehorsam des Menschen Gott gegenüber kann Krankheit nach sich ziehen (5Mo 28,21ff.35.58-61). Eigene Ausschweifungen und Jugendsünden können eine Ursache für Krankheit darstellen (Hiob 20,11; Hos 7,5). Beispiele dafür lassen sich zahlreich im Alten und Neuen Testament finden. Mijram bekommt Aussatz, weil sie ungerechtfertigt gegen ihren Bruder Mose revoltiert (4Mo 12,10). Saul fällt in zeitweilige Depression und gewalttätigen Wahnsinn (1Sam 16,14ff.), weil er gegen den direkten Befehl Gottes handelt und an der Stelle eines Priesters opfert (1Sam 13,9ff.) und aus Gewinnsucht den Besitz der Feinde an sich nahm (1Sam 15,9ff.).

Gehasi, der Mitarbeiter Elisas, erkrankt, weil er Naeman, den Patienten seines Lehrers belügt und ungerechtfertigt dessen Geld an sich nimmt (2Kön 5,1-27). Hananias und Saphira sterben an einem Hirnschlag oder Herzinfarkt weil sie die Gemeindeleitung von Jerusalem wissentlich belügen (Apg 5,1-11). Christen aus Korinth sind erkrankt, weil sie nicht zwischen dem Abendmahl und ihren normalen Mahlzeiten unterschieden haben (1Kor 11,27-34). Da Krankheit auf individuelle Sünde zurückgehen kann, ermahnt Jakobus die Christen zuerst die Sünden zu bekennen und dann andere Wege der Heilung zu suchen (Jak 5,16). In der Bibel finden sich allerdings nicht nur Beispiele von Menschen die aufgrund eigener Schuld von Krankheit betroffen sind, sondern auch Fromme, die schuldlos leiden (Hiob; Lk 13,2ff.; Joh 9,2ff.; 11,4).

3.3 Fremde Sünde

Immer wieder werden, insbesondere im Alten Testament, Beispiele dafür genannt, wie Menschen wegen der Sünde ihrer Volks- oder Familienangehörigen mitleiden (2Mo 20,5; 2Kön 5,27). Manchmal, wie im Fall Achans, der illegal Beutestücke für sich behält (Jos 7; 22,20) oder der Hartherzigkeit des Pharaos, der trotz mehrfacher Aufforderung Israel nicht aus der Sklaverei entlässt (2Mo 9,1ff.8ff.), leidet sogar das ganze Volk aufgrund der Sünde eines Einzelnen (vgl. Jes l, l ff). Auch im Neuen Testament finden sich Beispiele für die negativen Auswirkungen von Sünde im direkten Lebensumfeld des Schuldigen (Mt 11,21ff.; Lk 19,41-44). Sicher empfinden manche das als ungerecht, doch machen die negativen Folgen der Sünde auch losgelöst von Gott kaum einen Unterschied zwischen schuldig und unschuldig. So mussten unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges sowohl Nazis wie auch deutsche Widerständler leiden. Die atomaren Strahlen von Tschernobyl kennen ebenfalls keinen Unterschied zwischen schuldigen Angestellten des Kernkraftwerkes und unschuldigen Anwohnern. Im Alten Testament finden sich aber auch Beispiele dafür, dass ganze Völker mit Leid und Krankheit von Gott gestraft werden, weil der überwiegende Teil ihrer Bevölkerung sich gegen Gott gestellt hat (Hes 14,19ff.; Jer 21,6). Außerdem erwähnt die Bibel negative Folgen sündigen Verhaltens bei Kindern und Enkeln, in Folge eines direkten strafenden Eingriffs Gottes oder einer belastenden Ausgangsposition durch Verschwendungssucht oder Alkoholismus ihrer Eltern (1Kön 11,11; 1Sam 15,26; Jer 29,32; 36,31; Am 7,17).

Manchmal straft Gott nicht nur aufgrund persönlicher Sünde mit Krankheit oder Tod, sondern statuiert ein abschreckendes Exempel, um die anwesenden Beobachter rechtzeitig davor zu warnen, seine Ordnungen zu überschreiten. Die oft als unverhältnismäßig streng empfundene Strafe richtet sich also nicht nur gegen die eigene Sünde, sondern auch gegen die potentiell zu erwartende Sünden im Umfeld des Betreffenden. Diese Interpretation liegt überall da nahe, wo die Krankheit in besonderer Weise pädagogisch hervorgehoben und wo die Strafe von Gott öffentlich, vor Publikum ausgesprochen und vollzogen wird. Als typisches Beispiel kann sicher die Bestrafung von Hananias und Saphira angesehen werden (Apg 5,1ff.); ebenso auch Gottes Urteil über Achan (Jos 7,25).

Häufig leiden Menschen unter dem bewusst sündigen Handeln ihrer Zeitgenossen. Weintrinker erkranken, weil der Händler seinem Erzeugnis billigen Methanolalkohol beigemischt hat. Eine Frau stirbt, weil ihr HIV-positiver Freund seine Erkrankung bewusst verschwiegen hat. Ein Autofahrer liegt wochenlang wegen eines Beckenbruchs im Krankenhaus, weil ein Betrunkener mit dessen Fahrzeug kollidiert ist. In all den genannten Beispielen haben Menschen die ihnen von Gott gegebene Freiheit benutzt, um anderen zu schaden.

Wieder könnte man fragen, warum Gott nicht verhindert, dass Menschen unter dem falschen Verhalten eines anderen leiden müssen. Das hängt damit zusammen, dass Gott keinen Menschen zwingen will, mit ihm und nach seinen Ordnungen zu leben. Gott will eine freiwillige Liebesbeziehung zu jedem Menschen. Nur die Möglichkeit, diese

Menschen haben die ihnen von Gott gegebene Freiheit benutzt, um anderen zu schaden

Freiheit auch wirklich zu missbrauchen, eröffnet auf der anderen Seite die Chance einer echten, ungezwungenen Gottesbeziehung.

Natürlich könnte Gott den Menschen falsche Entscheidungen treffen lassen, deren Ausführung aber verhindern, sofern sie anderen Schaden zufügen. Dann allerdings wäre jede echte Entscheidungsmöglichkeit hinfällig, denn wer wollte noch einen Kollegen belügen, wenn die Falschaussage im Hals stecken bleibt oder wer würde sich entscheiden, seinen ungeliebten Nachbarn zu verprügeln, wenn die erhobene Hand wie gelähmt in der Luft erstarren würde. Da Gott es mit der Freiwilligkeit ernst meint, nimmt er in Kauf, dass manchmal auch „Unschuldige“ unter sündigen Entscheidungen ihrer Mitmenschen zu leiden haben, bis hin zu Verletzungen, Krankheit und Tod. Als biblische Beispiele können die vergewaltigte Frau des Leviten (Ri 19) oder der verwundete Mann herangezogen werden, der vom barmherzigen Samariter medizinisch versorgt wird (Lk 10,25ff.).

3.4 Teuflische Absichten

Satan benutzt Krankheiten, um Menschen von Gott wegzuziehen

Der Satan benutzt biblischem Zeugnis entsprechend Krankheit, um Menschen von Gott wegzuziehen, sie verbittert und missgünstig Gott gegenüber zu machen (Hiob 2,7; Lk 13,16; Hebr 2,14). Diese Aktivität des Teufels ist unabhängig vom sündigen oder nichtsündigen Handeln des betroffenen Menschen. Zuweilen entsteht sogar der Eindruck, als konzentriere sich der Gegenspieler Gottes insbesondere auf vorbildliche Gläubige, um sie zu Fall zu bringen (Hiob 1,1.8ff.; 2,3; Lk 22,31; 1Petr 5,8). Allerdings scheinen durch den Teufel verursachte Krankheiten unter göttlicher Genehmigungspflicht zu stehen und deshalb zeitlich eng beschränkt zu sein (Hiob 1,1.8.12; 2,6f; Mt 24,21f.). Manchmal taucht Krankheit in biblischer Diagnostik auch als Nebeneffekt von dämonischer Besessenheit auf. Besessene sind stumm (Mt 9,32; Mk 9,17), blind (Mt 12,22), entwickeln eine krankhafte Aggressivität (Mk 5,1-20), schreien, wälzen sich auf der Erde oder bekommen Schaum vor dem Mund (Mk 9,18f; Lk 9,37ff.). Die in der Bibel beschriebenen Beispiele zeigen deutlich, dass alle Krankheitssymptome sofort verschwinden, wenn der Dämon den Menschen verlassen und er sich Gott gegenüber geöffnet hat (Lk 11,20ff.). Materialistisch-medizinische Therapien müssen bei diesen Erkrankungen allerdings erfolglos bleiben. Scheinbar ist es auch möglich, dass Krankheiten durch Zauberei und Magie hervorgerufen werden können. Hier geht die Aktivität nicht direkt vom Teufel aus, sondern von einem missgünstigen Zeitgenossen, der seinem Mitmenschen Schaden zufügen will. Da er dazu selbst nur bedingt in der Lage ist, macht er sich die Hilfe des Satans zunutze (2Mo 7,22; 8,3; 4Mo 22,6; 5Mo 18,10; Mt 24,24; 2Thess 2,9).

3.5 Prüfung Gottes

Gelegentlich werden Leid und Krankheit in der Bibel auch als göttliche Prüfung gedeutet (Hiob 32-37; Spr 3,1ff.; Hebr 12,5; Jak 1,2f.). In diesem Fall ist ihre Absicht nicht, den Menschen in Verzweiflung zu stürzen oder von Gott weg zu bringen, sondern echtes von falschem geistlichem Wachstum zu unterscheiden. Paulus und Jakobus fordern den Christen sogar auf, sich über Anfechtungen und Bedrängnis – zu denen auch Krankheit gehören kann – zu freuen, weil sie Standhaftigkeit, Hoffnung und Echtheit fördern (Röm 5,3ff.; Jak 1,2ff.). Petrus verweist auf die relative Kürze allen irdischen Leides und ermutigt, Krankheit zu ertragen, wenn sie eine göttliche Prüfung ist, weil das dadurch erprobte Vertrauen bei Gott mit „Lob, Ehre und Herrlichkeit“ belohnt würde (1Petr 1,6ff.;4,19).

3.6 Verherrlichung Gottes

Dass für Gott nicht nur der einzelne Mensch mit seinem zeitlich begrenzten Leiden im Mittelpunkt steht, zeigt sich unter anderem daran, dass er die Krankheit mancher Menschen lediglich deshalb zulässt, um sich zu verherrlichen. Im biblischen Kontext gibt es wichtigere Ziele als die Abwesenheit von Krankheit und Leiden, so beispielsweise Gerechtigkeit, Heiligkeit oder die Herrlichkeit Gottes.

Als sie einem Mann begegnen, der von Geburt an blind war, beginnen die Jünger über die möglichen Ursachen der Krankheit zu spekulieren. Nachdem Jesus ihnen erklärt, dass dieser Blinde nur deshalb krank ist, damit Gott jetzt an ihm seine Allmacht demonstrieren kann, heilt er den Mann (Joh 9,1-7). Als Jesus einige Zeit darauf zum sterbenskranken Lazarus gerufen wird antwortet er ganz ähnlich:

„Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern um der Herrlichkeit Gottes willen, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde.“ (Joh 11,4.40).

Scheinbar müssen Christen auch mit Krankheiten rechnen, die eine Zeit lang ertragen werden sollen, damit Gott sich zu dem von ihm anvisierten Zeitpunkt durch eine Heilung verherrlicht (vgl. 1Petr 4,11ff.).

3.7 Pädagogische Absicht

Gott zeigt Paulus, dass dieses Leiden ihn vor  Überheblichkeit bewahren soll

Wie der Schlag auf die Finger das Kleinkind davon abhalten soll, sich am Elektroherd zu verbrennen, so scheint auch Gott gelegentlich zu agieren, um Menschen vor eigenen Schwächen und Fehlern zu schützen, um sie davon abzuhalten, falsche Entscheidungen zu treffen oder um durch eine gewisse Portion Leid wertvolle Eigenschaften wie Geduld, Vertrauen und Mitgefühl zu fördern, die ansonsten vernachlässigt würden (2Kor 4,17; 1Petr 1,7; 5,10). Insbesondere kann das Leiden helfen, sich stärker mit Jesus zu identifizieren und die Sehnsucht nach seiner Wiederkunft zu erhöhen (Apg 5,41; Phil 3,10; Hebr 10,34; 1Petr 1,13). Dass Gott auch durch Leid und Krankheit erzieht, wird in der Bibel immer wieder erwähnt. Obwohl diese Erziehungsmaßnahmen wehtun können, wird der Glaubende aufgefordert, sich über das Handeln Gottes zu freuen, beweist es ihm doch, wie viel Gott an ihm liegt:

„Siehe, glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist! So verwirf denn nicht die Züchtigung des Allmächtigen!“ (Hiob 5,17; vgl. 5Mo 8,5; Ps 94,12; Spr 3,11-12; Hebr 12,5f.11)

Im Neuen Testament finden sich einzelne Beispiele von Gottes pädagogischem Handeln durch Krankheit. Das bekannteste von ihnen ist wahrscheinlich Paulus, der Gott drei mal bittet, eine nicht näher beschriebene Krankheit von ihm zu nehmen. Nachdem das nicht geschieht, zeigt Gott Paulus, dass dieses Leiden ihn vor Überheblichkeit bewahren soll (2Kor 12,7ff.). Jünger erkennen am Beispiel eines Blinden, dass Krankheit nicht immer durch Sünde verursacht ist (Joh 9,1-7). Menschen lernen vom Hauptmann von Kapernaum, wie sich echtes Gottvertrauen angesichts aussichtsloser Krankheit äußert:

„Ich sage euch, selbst nicht in Israel habe ich so großen Glauben gefunden.“ (Lk 7,9).

Die pädagogische Absicht, die Gott mit Krankheit verfolgt, kann sich also manchmal auf den Erkrankten selbst, manchmal aber auch auf die ihn umgebenden Menschen beziehen. So können Christen, die in ihrer Krankheit auf Gott vertrauen und sich von ihm gebrauchen lassen, anderen Gesunden eine Ermutigung und Herausforderung sein.

3.8 Warnung vor Schaden

Eine besondere Form des erzieherischen Einsatzes von Krankheit ist die Warnung vor größerem Schaden. In diesem Zusammenhang geht es weniger um das Training positiver Eigenschaften, als vielmehr um die Verhinderung zukünftiger Probleme.

In Gottes Augen ist die als schlimm empfundene Krankheit im Vergleich zu dem erwarteten Schaden das geringere Übel

Der Mensch soll durch eine Krankheit gezwungen werden, nachzudenken oder durch seine Schwächung außerstande sein, weitere falsche Handlungen zu unternehmen. In Gottes Augen ist die als schlimm empfundene Krankheit im Vergleich zu dem erwarteten Schaden das geringere Übel. Gott wartet hier nicht erst, bis der Mensch einen Fehler begangen hat, um ihn nachher zu bestrafen. Er versucht ihn schon im Vorfeld seiner Tat davon abzuhalten – manchmal allerdings auch erst, nachdem der Betreffende schon mit seinem negativen Vorhaben begonnen hat.

Gott kann eine Grippe dazu benutzen, um dem umtriebigen Manager eine Ruhepause zu verschaffen, ehe sein gestresstes Herz endgültig den Dienst aufgibt oder ehe er seine Familie und Gemeinde unwiederbringlich schädigt. Gott kann auch den Jugendlichen nach durchzechter Nacht durch einen schweren Kater davor warnen, zu einem gewohnheitsmäßigen Trinker zu werden.

Die Bibel erwähnt Jona, den Gott durch Todesangst und Seekrankheit davor warnen will, sich weiterhin seinem Auftrag zu widersetzten (Jona 1). Als König Asa von Juda immer mehr auf sein diplomatisches Geschick als auf Gottes Führung zu vertrauen beginnt, warnt Gott ihn erst durch den Propheten Hanani und dann durch eine Fußkrankheit. Nachdem Asa weder auf die eine noch auf die andere Ermahnung hört, sondern beide mit menschlichen Mitteln zu bewältigen versucht, lässt Gott ihn sterben (2Chr 16,1-13). Möglicherweise ist auch die Blindheit, die Paulus nach seiner Begegnung mit Jesus vor Damaskus erleidet eine solche Warnung Gottes, die ihn hindern soll, noch mehr Christen zu verfolgen und zu quälen (Apg 9,1-19; 22,1-13).

Gott kann auch durch die Krankheit eines anderen den Menschen ansprechen, den er warnen will. Beispiele dafür sind der Pharao, der durch die Krankheiten seiner Bevölkerung gewarnt wird (2Mo 9,8ff.; 12,29ff.), sich weiterhin gegen den Willen Gottes zu stellen, oder der Tod des Hananias, der die Gläubigen Jerusalems warnen soll, Frömmigkeit und Hingabe nicht nur zu heucheln (Apg 5,1-11).

3.9 Bedeutung und Grenzen verschiedener Kategorien von Krankheitsursachen

Die genannten Kategorien geben natürlich nur exemplarisch Auskunft über die wahren, biblischen Hintergründe von Leid und Krankheit. In einem konkreten Fall mischen sich zumeist verschiedene Krankheitsursachen und lassen sich nicht eindeutig voneinander unterscheiden. So kann das Leiden aufgrund der Sünde anderer Menschen gleichzeitig auf eigenes Versagen hinweisen oder bei seiner Überwindung Gott verherrlichen oder im Ertragen desselben einem pädagogischen Ziel dienen. Manchmal sind die hier unterschiedenen Krankheitsursachen auch nur zwei Seiten einer Medaille. So beschreibt dann die eine Zuordnung stärker den Anlass und eine andere die Absicht, die mit der Krankheit verbunden ist.

Schlussendlich aber sind alle genannten Krankheitsursachen und -zwecke definitiv zeitlich befristet. In der erneuerten Schöpfung, dem zukünftigen Reich Gottes, haben Leid, Tod und Krankheit keinen Platz mehr (Ps 103,3; Jes 33.24; 65,17ff.; Offb 21,1ff.). In der verbleibenden Zwischenzeit dienen sie der Liebe Gottes, die den von ihm entfernten Menschen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln in die ganzheitliche Gemeinschaft mit seinem Schöpfer zurückführen will.

Für den Kranken der gegenwärtigen, irdischen Welt ist es von Bedeutung, den Hintergrund des eigenen Leidens zu erkennen. Nur dann nämlich kann er richtig darauf reagieren und so der eigentlichen Absicht Jahwes entsprechend zu einer vertieften Gottesbeziehung kommen – ganz gleich, ob die Krankheit in diesem Prozess verschwindet oder mit dem Beistand des himmlischen Vaters bewältigt werden kann. Von einer garantierten Krankheitslosigkeit, wie sie gelegentlich fälschlich in die Prophetie von Jes 53,4f. hineingelesen wird, weiß die Bibel nichts. („Jedoch unsere Leiden – er hat sie getragen, und unsere Schmerzen – er hat sie auf sich geladen … Die Strafe lag auf ihm zu unserm Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“) Natürlich heilt Gott im Alten wie im Neuen Testament von Fall zu Fall. Insbesondere in den Evangelien häufen sich diese übernatürlichen Heilungen an Glaubenden und Nichtglaubenden (Frommen und Gleichgültigen), um die Gegenwart Gottes in seinem Sohn Jesus Christus zu augenscheinlich zu machen (Lk 7,20-23). Abgesehen davon wird den Christen im Neuen Testament an keiner Stelle Krankheits- oder Leidenslosigkeit zugesagt. Im Gegensatz dazu wird uns von dem relativ kurzen Leben der Apostel und von den Krankheiten ihrer durchaus frommen Mitarbeiter berichtet (z. B. 1Tim 5,23; 2Tim 4,20). Die in Jes 53,4f. angekündigte Leidensfreiheit hingegen wird für die Zeit des Reiches Gottes angekündigt (Offb 21,1-4).

4 Heil und Heilung

Krankheit und Tod stehen im Gegensatz zu Gottes ursprünglicher Schöpfung (1Mo 1,31; 2,17; 3,14ff.; Röm 5,12ff.). Auch im zukünftigen Reich Gottes wird es keine Krankheit und kein Leid mehr geben (Offb 21,4). Sie haben ihren Ursprung in der Trennung des Menschen von Jahwe. Doch auch in der gegenwärtigen, von Sünde gekennzeichneten Welt sind die Menschen der Krankheit nicht pauschal ausgeliefert. Gott selbst bezeichnet sich als Arzt, der von Krankheit heilt (1Mo 20,17; 2Mo 15,26; Hiob 5,18; PS 103,3); ihn sollen die Menschen um Heilung bitten (2Kön 1,2ff.). Die Ernsthaftigkeit ihrer Hinwendung zu Gott brachten die Menschen zum Ausdruck, indem sie gleichzeitig auf Nahrung verzichteten (2Sam 12,16ff.) und sich bewusst von falschem Verhalten distanzierten (4Mo 25). Prinzipiell will Gott den Leidenden von seiner Krankheit befreien. Durch sein heilendes Eingreifen will er den Menschen seine Gnade (Phil 2,27), seine Liebe (Jes 38,17) und seine Macht (Lk 5,17) konkret vor Augen führen.

Auch im Neuen Testament wird Krankheit als gottfeindliche Macht betrachtet (Lk 13,11.16). Jesus ist gekommen, um „die Werke des Teufels zu zerstören“ (1Joh 3,8). Er heilt Kranke und eröffnet sündigen Menschen einen Weg zur Vergebung ihrer Schuld. Seine Heilungen sind dabei von keiner festen Zeremonie abhängig. Jesus heilt Menschen die ihm unmittelbar gegenüberstehen (Mk 1,31; Mt 4,23), aber auch weit entfernte Kranke (Mt 8,13). Manchmal legt der den Betroffenen seine Hände auf (Mk 6,5; Lk 13,13), manchmal genügt die Berührung seiner Kleider (Mt 14,35f; Mk 5,27-34) oder ein vollmächtiges Wort (Mt 8,8.13).

Im Handeln von Jesus verwirklicht sich die alttestamentliche Ankündigung des Knechtes Gottes, durch dessen Leiden Krankheit und Wunden der Menschen geheilt werden können (Jes 53,3-5.10; Mt 8,17). Gleichzeitig werden die spektakulären Heilungen als Beleg der göttlichen Vollmacht von Jesus verstanden (Mk 16,17.20; Joh 2,23; 20,30; Apg 2,19.22). In seinem Auftrag sind auch von Jesus Jünger in der Lage Menschen von ihren Krankheiten zu heilen, böse Geister auszutreiben und sogar Tote aufzuerwecken (Mt 10,1; Mk 6,13; Lk 9,1-10,9; Apg 3; 5,12.15f; 28,8f.). Ganz allgemein werden von Jesus auch für die spätere Gemeinde Krankenheilungen vorhergesagt, an denen Andersgläubige die Größe Gottes erkennen sollen (Mk 16,17-20).

Dem Eingreifen Gottes geht im Neuen Testament zumeist die vertrauensvolle Bitte des Kranken um Heilung voraus. Dieser wendet sich entweder direkt an Jesus oder im Gebet an Gott (Mt 8,10.13; 9,22; Mk 5,34; 10,52; Lk 18,42; Apg 14,9f.). Einzelne Christen erhalten vom Heiligen Geist die Gabe der Krankenheilung (1Kor 12,9), um damit Gott zu verherrlichen und den Glaubensgeschwistern zu helfen. Jeder kranke Christ wird aufgefordert alle noch nicht vergebenen Sünden Gott zu bekennen, um jede individuelle Sünde als Krankheitsursache auszuschalten. Dann soll er sich an die Ältesten seiner Gemeinde wenden, die aufgefordert werden über dem Kranken zu beten und ihn mit Öl zu salben (Jak 5,14). Dabei werden weder ein spezieller Ritus noch eine bestimmte Ölmischung genannt; sodass angenommen werden kann, dass nicht das Öl, sondern das totale Vertrauen in Gottes Macht Voraussetzung der Heilung ist. Wie Naeman sich einer medizinisch unsinnigen Waschung im Jordan unterzieht (2Kön 5,1ff.), oder der Blinde sich von Jesus vertrauensvoll Straßendreck auf die Augen schmieren lässt (Joh 9,6), so soll der gläubige Christ seinen Kopf oder sein erkranktes Körperteil mit Öl bestreichen lassen, um seinem Vertrauen in Gott Ausdruck zu verleihen, der heilen kann wann und wie er will.

Personifiziert zuständig für das umfassende Heil des Menschen ist Gott als sein „Heiland“ (1Chr 16,35; Ps 17,7; 51,16; 85,5; Jes 43,3; 1Tim 1,1; Tit1,3). Er allein kann sowohl alle Krankheiten heilen als auch die eigentliche Ursache jeder Krankheit beseitigen, die nach biblischer Diagnose vor allem im chronischen Konflikt des Menschen mit Gott zu suchen ist. Im Neuen Testament wird Jesus Christus als Heiland Israels (Lk 2,11; Apg 5,31), der Gemeinde (Eph 5,23), so wie aller übrigen Menschen bezeichnet (Joh 4,42; 1Joh 4,14).

Neben der rein menschlich medizinischen Bekämpfung von Krankheit (3Mo 13,37; Jos 5,8; 2Chr 21,18) wird in der Bibel die Wiederherstellung der Lebensordnung Gottes als „Heilung“ bezeichnet. Dieses Eingreifen Gottes kann auch körperliche Regeneration umfassen. Gott befreit Abimelechs Frau von ihrer Unfruchtbarkeit (1Mo 20,17) und Mirjam vom Aussatz (4Mo 12,13), auch alle übrigen Erkrankungen werden von ihm geheilt (Ps 103,3). Jesus hilft Lahmen, Blinden, Stummen, Krüppeln (Mt 14,14; 15,30) und Besessenen (Mt 12,22).

Wenn Gott einen Menschen krank werden lässt, um ihn zur Einsicht zu bewegen, kann kein Arzt ihn wieder gesund machen Gott erzieht sein Volk, indem er es straft und ihm vergibt (Gericht und Gnade 5Mo 32,39; Hiob 5,18; Hos 6,1). Wenn Gott einen Menschen krank werden lässt, um ihn zur Einsicht zu bewegen, kann kein Arzt ihn wieder gesund machen (Jer 14,19; 15,18). Wenn ein Mensch aber einsichtig ist, sein falsches Verhalten verändert und Gott um Vergebung bittet (Jes 19,22; Jer 3,22), macht er ihn wieder gesund und heilt die Wunden (Jer 30,17) und die zerbrochenen Herzen (Ps 147,3; Lk 4,18). Diese göttliche Heilung umfasst sowohl die Sündenvergebung als auch ihre handfesten Folgen (2Chr 7,14; Ps 41,5; 103,3; 1Petr 2,24). Wer aber uneinsichtig ist und weiterhin ein Leben im Gegensatz zu Gottes Ordnungen führt kann weder mit Heilung noch mit Vergebung rechnen (2Chr 36,16).

Angesichts unbeschränkter Heilungsversprechungen durch pfingstlerische und charismatische Propheten ist allerdings dringend zur Vorsicht geraten. An keiner Stelle in der Bibel findet sich die verpflichtende Zusage Gottes, den Glaubenden schon während seines irdischen Lebens von jeder Krankheit und jedem Leiden zu befreien. Im Gegensatz dazu wissen wir von zahlreichen alt- und neutestamentlichen Glaubensvorbildern, dass sie trotz ihres festen Vertrauens in Gott gequält wurden, unter Krankheiten litten und starben (Hiob, Elia, Jeremia, Paulus, Timotheus). Jesus selbst verheißt, dass seine Jünger wie er selbst Leiden und Verfolgung ausgesetzt sein werden (Mt 10,17; 23,34; Mk 13,9ff.; Röm 8,17ff.; 2Kor 4,16ff.; 1Petr 1,6-9). Darüber hinaus warnt er vor Wundertätern der Endzeit, die als falsche Propheten in Erscheinung treten und durch ihre spektakulären Auftritte viele Christen verführen werden (Mt 7,15-23; 24,4f.11; Apg 8,9ff.).

Übrigens sollte es auch nachdenklich machen, dass charismatische Christen ebenso häufig an Krebs, Depression oder Herzinfarkt leiden und ebenso durch Krankheiten einen irdischen Tod sterben, wie andere Menschen auch und das trotz ihres Glaubens. Sicher, Gott heilt, aber Christen sollten auch bereit sein zu akzeptieren, wenn Gott sich momentan nicht durch die Beseitigung einer Krankheit, sondern durch seinen Beistand in der Krankheit verherrlichen will. Krankheiten, die als Strafe, als Warnung oder infolge von Sünde den Menschen quälen, werden von Gott natürlich auch nicht durch das machtvolle Wort des Propheten oder die intensive eigene Einbildung überwunden, sondern nur durch die Behebung der wirklichen Krankheitsursache (Buße, Reue, Vergebung, Neubesinnung).

Im Deutschen kommt die inhaltliche Verwandtschaft von „heil“ und „heilig“ auch sprachlich besonders gut zum Ausdruck. Als „heilig“ werden in der Bibel, Personen, Gegenstände oder Worte bezeichnet, die sich in vollkommener Harmonie mit Gott befinden. Menschen oder Dinge werden von dem gewöhnlichen Irdischen getrennt und speziell für den Dienst Gottes reserviert. Heiligkeit bezeichnet den Zustand der Reinheit und Fehlerlosigkeit vor Gott, der den Gegensatz zum normalen Zustand der gegenwärtigen Welt bildet. Gott allein ist heilig (Jes 6,3; Mt 1,18; Lk 1,35) und nur er allein kann heilig machen (Hes 37,28). Eine Person, Sache oder Zeit wird erst dann heilig, wenn sie in totalem Einklang mit Gott steht und von ihm gebraucht wird. Nicht der Mensch schafft die Heiligkeit, sondern alle Heiligkeit geht von Gott selber aus. Weil er heilig ist, sollen auch die Gläubigen heilig sein (3Mo 11,44f.; 19,2).

Heiligkeit ist dementsprechend der Zustand vollkommenen Heils, also das extreme Gegenteil von Krankheit und SündeAls besonderes Eigentum Gottes ist das Volk Israel heilig (2Mo 19,6), ebenso die Priester, die ihren ganzen Dienst auf Gott ausrichten sollen (2Mo 28,36; 3Mo 21,1-9). Die Orte an denen sich Gott offenbart werden als heilig bezeichnet, weil sie von Gott in Besitz genommen wurden (2Mo 3,5; Jes 48,2); ebenso die Zeiten, die der Erinnerung und Ausrichtung auf Gott dienen sollen (2Mo 35,2; 3Mo 23,4ff.). Selbst Gegenstände, die im Dienste des heiligen Gottes stehen, werden heilig, so die Bundeslade (2Chr 35,3), die Opfer (Hes 42,13), die Schaubrote (1Sam 21,5) oder der Zehnte (3Mo 27,32). Heiligkeit ist dementsprechend der Zustand vollkommenen Heils, also das extreme Gegenteil von Krankheit und Sünde. Heiligkeit ist der Zustand, den Jesus Christus dem kranken Menschen vermitteln will, mehr noch als die Abwesenheit von Krankheit; die Rückführung des Menschen in eine ganzheitliche Harmonie mit seinem Schöpfer.

5 Was tut der Christ bei Krankheit?

Christen sollten sich bei Krankheit zuerst vertrauensvoll im Gebet an Gott wendenIst jemand krank sehnt er vor allem seine verlorene Gesundheit zurück. Generell sollte er sich mit diesem Anliegen zuerst an Gott wenden. Zahlreiche biblische Tips zum Umgang des Christen mit seinen Krankheiten fallen für Allgemeinmediziner heute in die Kategorie alternativer Heilmethoden (Gebet, Salbung, Handauflegung). Das individuelle Vorgehen ist natürlich abhängig von der vermuteten oder bekannten Ursache der Erkrankung und dabei solle nicht nur nach den rein innerweltlich, materialistischen Ursachen wie Bakterien oder Blutfett gesucht werden, sondern auch geistliche und psychische Hintergründe Beachtung finden. Christen sollten sich bei Krankheit zuerst vertrauensvoll im Gebet an Gott wenden, der versprochen hat ihr Gebet zu erhören (Ps 30,3; 107,18ff.). Jesus ist nicht gleichgültig, sondern mitfühlend mit dem Kranken (Jes 53,4; M t 8,16f.).

5.1 Gott vertrauen

Ganz gleich, ob die Krankheit einen geistlichen oder rein körperlichen Hintergrund hat, sollte der Christ Gott um Heilung bitten (2Chr 16,12; Jes 38,2f.14) und wenn sein Gebet erhört wird, Gott öffentlich für sein Eingreifen danken (Ps 103,1-3; Jes 38,19f; Lk 17,15; Apg 3,8). Diese Hinwendung an Gott fordert natürlich das Vertrauen des Menschen in die Kraft und den Willen Gottes, Krankheit zu beseitigen (Mt 9,28f.; Mk 5,34; 10,52).

In einer überwiegend materialistisch geprägten Umwelt müssen Christen darauf achten, Gott nicht in einen Randbereich der Krankheitsbewältigung abzuschieben. Auch in diesem Zusammenhang soll er nicht den Mediziner, sondern Gott zum ersten Adressaten seiner Bitte um Gesundheit machen. Natürlich ist es auch schon an dieser Stelle geraten, sich mit der Bitte um Gebetsunterstützung an andere Glaubensgeschwister zu wenden.

5.2 Sünde bekennen

Sollte Gott auf die Gebete nicht unmittelbar mit Heilung antworten, gilt es, mögliche Hintergründe oder göttliche Bedingungen der Krankheit zu erkennen. Der Christ muss sich die Frage stellen, ob er sich nur halbherzig an Gott gewandt hat oder Gott tatsächlich ein Eingreifen zutraut. Möglicherweise muss er an dieser Stelle seinen Unglauben und Zweifel Gott bekennen (Mk 9,24; Lk 7,9; 17,5f.). Immer wieder ist Sünde Anlass für Krankheit. Deshalb sollte der Christ sein Gewissen auf unvergebene Sünde hin überprüfen, diese bekennen und Gott um Vergebung bitten (1Mo 20,17; Jak 5,16; 1Joh 1,9). Selbst wenn die jetzt genannte Sünde nicht Ursache der Erkrankung sein sollte, wird sie das Verhältnis zu Gott vertiefen und dem Christen eher ermöglichen, Gottes Reden zu hören oder mit den Begleiterscheinungen der Krankheit leben zu können.

5.3 Medizin nutzen

In einer nächsten Phase sollte der kranke Christ sich an die etablierte Medizin wenden, die mit den von Gott in die Natur gelegten Mitteln versucht den Menschen zu heilen. In vielen Fällen benutzt Gott die Überlegungen und Hände von seinen Geschöpfen, um hier auf der Erde zu handeln. Gott kann durch die chirurgische Geschicklichkeit des Arztes oder die chemische Wirkung pharmazeutischer Substanzen Heilung von Krankheit bewirken. Dabei sollte nicht gewertet oder unterschieden werden. In ihrer Wertigkeit ist eine auf Gebet folgende Spontanheilung genauso Wunder Gottes, wie sein Wirken durch die Möglichkeiten der Medizin. Für beide sollte Gott auch in gleicher Weise öffentlich gedankt werden.

5.4 Alternative Heilmethoden probieren

Auch alternative Heilmethoden, die mit Wasser, Luft, Bewegung, Heilpflanzen, Musik oder Düften Krankheit bekämpfen, sind für Christen nicht generell tabu. Sollte eine Therapie nicht anschlagen, ist es durchaus kein Zeichen von Unglauben, noch einen anderen Arzt zu konsultieren oder eine andere Methode auszuprobieren.

Auch alternative Heilmethoden, die mit Wasser, Luft, Bewegung, Heilpflanzen, Musik oder Düften Krankheit bekämpfen, sind für Christen nicht generell tabu, sollten aber auf ihre Glaubwürdigkeit und ihre religiösen Wurzeln hin überprüft werden. Heilungsangebote, auch wenn sie sich fromm anhören, sollten immer auf ihre geistlichen Nebenwirkungen und theologischen Hintergründe hin untersucht werden. Trotz legitimer medizinischer Möglichkeiten muss der Christ manchmal anerkennen, dass Heilung durch natürliche Mittel alleine nicht erreicht werden kann (5Mo 28,27; 2Chr 21,18). Spätestens aber, wenn sich trotz jahrelanger Bemühungen keine Besserung einstellt, sollte der Christ erneut nach anderen, geistlichen Hintergründen der Krankheit suchen, um diese geistlich zu bewältigen und die Möglichkeit erwägen, dass Gott sich nicht durch die Beseitigung sondern durch das Ertragen der Krankheit verherrlichen will. Denkbar wäre auch, dass diese Krankheit mit der von Sünde gekennzeichneten Welt, mit sündigem Verhalten anderer, mit Versuchung, Warnung oder Erziehung Gottes zu tun hat (vgl. Ps 31,2-9; Jes 38,12.15).

5.5 Älteste rufen

Sicher nicht bei jedem Schnupfen, wohl aber bei schweren oder hartnäckigen Krankheiten sollte sich der Christ mit Bitte um Gebet und Salbung an die Ältesten seiner Gemeinde wenden (Jak 5,14f.). Nach der im Jakobusbrief genannten geistlichen Prüfung und Vorbereitung sollten mehrere Älteste den Kopf oder das kranke Körperteil mit Öl bestreichen und sich in der intensiven Bitte um Heilung für den betroffenen Bruder vereinen. Gleichgültig scheint dabei die Rezeptur oder Menge des Öls, da nicht die benutzte Substanz, sondern der im Vertrauen gerufene Gott die Linderung oder Heilung bewirkt.

5.6 Krankheit ertragen

Wenn trotz aller geistlichen und medizinischen Bemühungen kaum positive Veränderungen sichtbar werden, sollte der Christ seine Gebete und Planungen stärker dem Leben mit der Krankheit, statt dem Kampf gegen die Krankheit widmen. Sicher kann Gott auch noch nach jahrelanger Leidenszeit plötzlich Heilung schenken, doch ist es auch möglich, dass er dem Christen helfen will mit dem vom Sündenfall herrührenden Verfallsprozess, der destruktiven Versuchung des Teufels, den logischen Folgen eigener Sünden oder dem geistlichen Zuchtmittel zur Erreichung von Geduld, Demut, Langmut usw. leben und freudig ihm nachfolgen zu können. Christen sollten dagegen kämpfen, dass die Krankheit das Verhältnis zu Gott nachhaltig zu trüben beginnt, statt dessen sollten sie sich darum bemühen, dass die Krankheit zu einem Bereich des Lebens wird, in dem Gott in besonderer Weise erfahren werden kann. Gott lässt es gelegentlich zu, dass der Gläubige durch Krankheit geprüft wird (Hiob 2,5f.). Während der Krankheit sagt Gott dem Gläubigen allerdings seine Stärkung, Trost (Ps 41,4) und Bewahrung (Ps 91,3-7) zu und der Mensch kann das Eingreifen Gottes intensiver erfahren als zu anderen Zeiten des Lebens (Hiob 33,19-24; Ps 107,17-21).

Der souveräne Gott lässt sich nicht zwingen, unserem Wunsch nach sofortiger Heilung zu entsprechenDer souveräne Gott lässt sich nicht zwingen, unserem Wunsch nach sofortiger Heilung zu entsprechen. Diese Erwartung resultiert aus einer falschen Perspektive, die den Menschen und nicht Gott in den Mittelpunkt rückt. Heilung ist aber nicht nur Selbstzweck, genauso wenig wie Gott lediglich Dienstleister des Menschen ist. Immer wieder wird in der Bibel hervorgehoben, dass Gott heilt, um den Menschen seine Größe und Macht zu demonstrieren. Natürlich steht es ihm frei, seine Herrlichkeit statt dessen dadurch unter Beweis zu stellen, dass er Christen befähigt in Krankheit fröhlich und zuversichtlich zu bleiben. Sicher sollte der Christ auch die Versuchung zurückweisen, Gott durch wohlklingende geistliche Versprechungen bestechen zu wollen. Wer so denkt fällt leicht dem Irrtum des Simon Magus zum Opfer, der die Kraft Gottes für käuflich hielt (Apg 8,5-13).

5.7 Hoffnung erhalten

Sollte der Christ bis zu seinem irdischen Lebensende in und mit Krankheit leben müssen, darf er aber nie vergessen, dass Gott in der Zukunft alle Krankheiten und jedes Leid endgültig beseitigen wird (Offb 7,17; 20,14; 21,4). Auch wenn es jetzt noch Gründe gibt, warum Gott Krankheit zulässt oder gar benutzt, steht schon heute dahinter die unumschränkte Liebe Gottes, die jeden Menschen zu seinem eigenen Wohl warnen, umgestalten und zu seinem ursprünglich von Gott gedachten Idealbild transformieren will. Obwohl es gelegentlich schwierig erscheint, ist es wichtig, diese Perspektive angesichts des eigenen, begrenzten Leidens nicht aus den Augen zu verlieren, und Gott auch schon in der unangenehmen gegenwärtigen Situation willentlich für seine Liebe, seine Kraft Krankheit zu ertragen und seine letztliche Beseitigung jeden Leides zu danken (Röm 8,17f.26-39; 1Petr 1,6-9).

5.8 Leidenden helfen

Da Gott den Christen nicht nur als isoliertes Individuum, sondern als Gemeinschaftswesen gedacht und geschaffen hat, gibt die Bibel nicht nur Auskunft über den Umgang mit eigener Krankheit, sondern fordert dazu auf, das Leiden anderer Menschen mit zu tragen. Er soll Mitgefühl mit den Leidenden zeigen (Ps 35,13), für sie beten (Apg 28,8; Jak 5,14f.) und sie besuchen (Mt 25,34.36.40.43).

6 Alternative Heilmethoden beurteilen

War die rein materialistische Schulmedizin noch bis vor einigen Jahren allgemein akzeptierter Standard und wurden esoterisch gesinnte Anhänger alternativer Heilverfahren in der Öffentlichkeit belächelt, hat sich der medizinische Mainstream zwischenzeitlich grundlegend gewandelt. Fast jeder Allgemeinmediziner bietet seinen Kunden heute neben den etablierten Verfahren Unmengen mehr oder weniger gesicherter Therapien der Komplementärmedizin an („Alternativen“ zur materialistisch- naturwissenschaftlichen Medizin). Zu den bekannteren alternativen Heilmethoden zählen beispielsweise: Akupunktur, Traditionell Chinesische Medizin, Homöopathie, Ayurveda, Yoga, Anthroposophische Medizin, Chiropraktik, Bach-Blütentherapie, Autogenes Training, Farbtherapie, Pendeln, Rebirthing, Edelsteintherapie, Reiki usw.

„Seit langem fühlt sich eine noch wachsende Zahl von Menschen der westlichen Industrieländer von der sogenannten Schulmedizin unbefriedigt und sucht Hilfe bei Vertretern der alternativen Medizin. Hierbei handelt es sich um eine bunte Palette so genannter sanfter Untersuchungs- und Behandlungsformen, die sich größenteils aus volksmedizinischen, vorwissenschaftlichen Traditionen ableiten. … Häufig werden stark suggestive Praktiken ins Spiel gebracht, die auf magische, nicht diskursive3 Weise wirken […].“4

Die Vielzahl alternativer Heilmethoden kann grob unterteilt werden in:Schon immer waren kranke Menschen bemüht durch jedes nur mögliche Mittel die verlorene Gesundheit wieder zu erlangen

  • Verfahren mit einem medizinischen Gesamtkonzept oder einer medizinischen Philosophie (manchmal historisch überliefert  oder aus anderen Kulturen und Religionen übernommen),
  • Verfahren, die direkt auf magische oder okkulte Kräfte Bezug nehmen,
  • Verfahren, die sich in ihrer Wirksamkeitserklärung auf naturwissenschaftlich nicht nachweisbare „Energien“ oder „Schwingungen“ berufen,
  • Ernährungstheorien und Diäten,
  • Verfahren, die eine allgemeine Steigerung der Funktion des Immunsystems bewirken sollen,
  • Verfahren, die den Zellstoffwechsel positiv beeinflussen sollen,
  • Bioenergetische Verfahren,
  • Einzelmittel (Pflanzliche Extrakte, mineralische oder tierische Substanzen).

6.1 Offen für Alternativen in der Medizin

Schon immer waren kranke Menschen bemüht durch jedes nur mögliche Mittel die verlorene Gesundheit wieder zu erlangen. Bis zur Entwicklung einer modernen naturwissenschaftlichen Medizin wurden religiös-okkulte und physisch-wissenschaftliche Methoden undifferenziert nebeneinander praktiziert.

Die Weltbilder einer überwiegenden Zahl von alternativen Heilmethoden gleichen sich frappierend und entstammen größtenteils asiatischen Welt- und Medizinvorstellungen. Unabhängig von ihrer Glaubwürdigkeit wurden die verschiedenen Heilmethoden in der vagen Hoffnung auf Linderung angewandt. Erst nachdem die naturwissenschaftliche Medizin ihre durchschlagenden Erfolge gegen die Infektionskrankheiten errang, verschwanden alternative Heilmethoden in der Vergessenheit. Erst die Skepsis gegenüber dem medizinischen Fortschrittsdenken in der Mitte des 20. Jahrhunderts, gepaart mit dem hemmungslosen Genussstreben einer säkularisierten, lediglich auf das Diesseits ausgerichteten Gesellschaft, schob die Bedenken gegenüber religiös magischen Medizinvorstellungen beiseite. In der Hoffnung die Grenzen der bisherigen Naturwissenschaft überschreiten und wie auch immer das eigene Leben möglicherweise verlängern zu können, traten alternative Heilmethoden gleich welcher Herkunft und Glaubwürdigkeit einen Siegeszug durch die westlichen Industriegesellschaften an. Darin mischen sich asiatische, magische, schamanistische, okkulte, alchemistische und Pseudopsychologische Medizinkonzepte zu einem unübersichtlichen, esoterischen Therapieangebot. Die Weltbilder einer überwiegenden Zahl von alternativen Heilmethoden gleichen sich frappierend und entstammen größtenteils asiatischen Welt- und Medizinvorstellungen.

Die frühsten Nachrichten über die asiatische Medizin erreichten Westeuropa durch franziskanische und vor allem jesuitische Missionare des 16. und 17. Jahrhunderts. Neben diesen ist uns insbesondere der niederländisch-ostindische Schiffsarzt Andreas Clyder namentlich bekannt, der sich schon früh um den Import heilkundlicher Kenntnisse aus China bemühte. Die fremdartigen und skurril anmutenden Techniken der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM) wurden neugierig registriert, nicht aber für die eigene medizinische Praxis übernommen. Im 18. und 19. Jahrhundert fanden vor allem die philosophischen und religiösen Überzeugungen der Chinesen Anklang bei europäischen Gelehrten. Dazu gehörten Wolff, Lessing, Goethe und Schopenhauer, vor allem aber französische Denker, die durch den Handel und das entstehende französische Kolonialreich in Asien eine intensivere Beziehung zu China entwickelten. In Frankreich gab es um 1840 eine regelrechte Akupunkturmode. Dort wurde 1937 auch die älteste bestehende Gesellschaft für Akupunktur gegründet.

Trotz zahlreicher weiterer nationaler Akupunkturgesellschaften kam es erst durch die Veröffentlichungen von James Reston, über seine Erfahrungen mit der Akupunktur in China, in der New York Times zu einer breiten öffentlichen Diskussion um die Akupunktur. 1979 hielt dann die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) in Peking einen Kongress über Akupunktur, Moxibustion und Akupunkturanalgesie ab, auf dem eine Liste von fast 100 Krankheiten vorgestellt wurde, gegen die sinnvoll auch Akupunktur eingesetzt werden könne.

Weitreichendere Bedeutung erhielten die alternativen Heilmethoden erst durch die Skepsis gegenüber der Wissenschaft, insbesondere gegenüber der modernen Medizin. Der seit dem 19. Jahrhundert angefachte Fortschrittsoptimismus erweckte den Eindruck alles sei durch die Macht von Forschung und Technik beherrsch- und erreichbar. So war es nur eine Frage der Zeit, wann diese Erwartungen enttäuscht werden mussten. Diese neue Skepsis gegenüber den Aussagen und Möglichkeiten moderner medizinischer Wissenschaft wird bis heute immer wieder von Vertretern alternativer Heilkonzepte benutzt, um die Notwendigkeit der eigenen Methode zu begründen.

Hier einige diesbezügliche Beispiele: Theodor Meyer Steinhagen schreibt:

„Die Medizin verhindert in vielen Fällen das Sterben, macht aber nicht gesund. Sie bewirkt den Zustand des chronischen Leidens.“5

Thure von Uexküll schließt sich dieser Beurteilung moderner Medizin an:

„Am Ende weiß der Patient worunter er gewiss nicht leidet; aber was ihm wirklich fehlt, erfährt er nicht. Die moderne Medizin ist für den Kranken längst zu einem Milchstraßensystem geworden, in dem er sich hoffnungslos verirrt – und in dem mit zunehmender Spezialisierung die kompetenten Berater und Helfer des Kranken unweigerlich aussterben“6

Auch Christen sollten diese Begrenzungen ehrlich sehen und keiner falschen
Absolutsetzung westlicher Medizin das Wort redenAuch Christen sollten diese Begrenzungen ehrlich sehen und keiner falschen Absolutsetzung westlicher Medizin das Wort reden. Eine darüber hinausgehende Skepsis gegen den methodischen Atheismus westlich-wissenschaftlicher Medizin und den weitgehenden Ausschluss seelischer und geistlicher Zusammenhänge bei Erkrankungen ist für den Christen ebenfalls geboten.

Auf der anderen Seite führt der Schweizer Arzt und Psychologe C.G. Jung Tragweite und mögliche Gefahr umfassender Aufnahme östlichen Gedankenguts vor Augen:

„Man bedenke, was es heißt, wenn der praktische Arzt, der ganz unmittelbar mit dem leidenden und darum empfänglichen Menschen zu tun hat, Fühlung mit östlichen Heilsystemen nimmt! So dringt der Geist des Ostens durch alle Poren ein und erreicht die wundesten Stellen Europas. Es könnte eine gefährliche Infektion sein, vielleicht ist es aber auch ein Heilmittel.“7

6.2 Alternative Heilmethoden – gestern und heute

Der Medizinhistoriker Robert Jütte verweist in seinen Arbeiten darauf, dass der Streit um die richtige medizinische Therapie nicht erst in jüngster Zeit entbrannt ist, sondern sich in jeder Epoche nachweisen lässt.8

Immer ist es die Auseinandersetzung der herrschenden medizinischen Schule mit neu aufkommenden, nicht etablierten Konkurrenten, die schnell als „Quacksalber,, oder „Kurpfuscher“ diffamiert werden.

Auch die zahllosen Irrtümer der etablierten Medizin warnen davor, sich dieser
bedenkenlos auszuliefern. Nun verbirgt sich dahinter nicht immer die Geschichte des gerechten, den reinen Fortschritt verteidigenden David gegen die Übermacht des selbstgefälligen, lediglich auf Tradition bauenden Goliath. Machmal erwies sich die etablierte Medizin tatsächlich als befangen, vorläufig und sachlich im Irrtum. Immer wieder bestätigten sich allerdings auch die Bedenken der Skeptiker gegenüber den alternativen Heilmethoden. Allzu viele Therapien stellten sich als weitgehend wirkungslos, als ideologisch festgefahren, als wissenschaftlich widerlegbar oder als reiner Betrug heraus. So kann der neutrale Beobachter auch im historischen Rückblick seine Sympathien nicht vorschnell dem Kritiker des Etablierten und dem Schöpfer einer neuen medizinischen Sicht schenken. Andererseits warnen die zahllosen Irrtümer der etablierten Medizin davor, sich dieser bedenkenlos auszuliefern. So unterzogen Universitätsmediziner des 19. Jahrhunderts einen Großteil der Kranken völlig nutzlosen Aderlässen oder verabreichten Quecksilberpräparate bei Syphilis. Trotz eindeutigen empirischen Ergebnissen weigerten sich Ärzte lange Zeit zwischen den Behandlungen die Hände zu desinfizieren und verantworteten damit unwissentlich zahlreiche Todesfälle. Willkürliche Therapien mit Elektroschocks, radioaktiver Bestrahlung, mit Hirnoperationen (Stereotaxie) und hochdosierten Psychopharmaka, ausgeführt von etablierten Medizinern des 20. Jahrhunderts, kosteten zahllosen Patienten Gesundheit und Leben. Selbstverständlich ließen sich auch viele Fortschritte und Erfolge moderner Medizin nennen. Nur ist die Auseinandersetzung zwischen anerkannter Medizin und alternativer Heilmethode eben nicht immer ganz so eindeutig, wie manche Stellungnahmen nahezulegen versuchen.

Wenn sich gegenwärtig alternative Heilmethoden einer wachsenden Beliebtheit erfreuen, so hat das nicht zuletzt damit zu tun, dass in den Industrienationen seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts kaum noch Menschen an Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Grippe, Cholera, Diphtherie usw.) sterben – Seuchen, die im 19. Jahrhundert noch als „Geißeln der Menschheit“ galten. An dieser Stelle nämlich erfuhren die Menschen des 19.Jahrhunderts den Erfolg moderner Medizin am einschneidensten. Nicht mehr die Infektionskrankheiten bestimmen nunmehr die Diskussion, sondern die chronischen Krankheiten alter Menschen zusammen mit den sogenannten „Zivilisationskrankheiten“ (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und der „neuen Morbidität“ (Psychosomatische Krankheit). Gerade für diese Erkrankungen hat die naturwissenschaftlich orientierte Hochschulmedizin, wie einige ihrer Vertreter durchaus zugeben, häufig keine erfolgreichen Therapien anzubieten; wobei Optimisten das entscheidende Wörtchen „vorläufig“ hinzufügen und für mehr Forschungsanstrengungen plädieren. Da die Schulmedizin in diesem Bereich wenig Hoffnung machen kann, suchen die Patienten Hilfe bei der Alternativmedizin.

Wer heute mit der sogenannten Apparatemedizin unzufrieden ist, hat die Qual der Wahl. Das Angebot ist fast unüberschaubar geworden. Aktuelle Übersichten über die in westlichen Industrieländern praktizierten unkonventionellen Verfahren zählen über vierhundert verschiedene Heilmethoden auf. Alphabetisch reicht das Spektrum von Ayurveda bis Zen. Populäre Komplementärmedizin der Vergangenheit präsentiert eine Illustration der damals weitbekannten Zeitschrift „Die Gartenlaube“ (1878):

„Der bunte Reigen der Heiler beginnt links unten mit dem Kräuterweib. Über ihr befindet sich der Vertreter der Naturheilkunde, der auf Luft- und Lichttherapie schwört, gefolgt von einem Allopathen, der hochmütig auf den ihm zugesellten Homöopathen blickt. Oben in der Mitte preist eine stämmige Frau die Wirkung der Heilquelle an. Auf der linken Seite setzt sich der Reigen mit dem Elektrotherapeuten und dem Kneipparzt fort. Es folgt der Rohköstler oder ‘Kohlrabi-Apostel’, wie man die Vegetarier gelegentlich nannte. Auch die Mutter Gottes von Lourdes als Vertreterin der religiösen Medizin darf in diesem Tableau nicht fehlen. Und in der Mitte schließlich preist ein Mann marktschreierisch seine Universal- oder Geheimmittel gegen alle möglichen Krankheiten an.“9

Der relative Erfolg alternativer Heilmethoden führte zu heftigen Verteilungskämpfen auf dem GesundheitsmarktIn den medizinischen Diskussionen unserer Tage darf der interessierte Patient nicht nur eine rein wissenschaftliche Auseinandersetzung sehen. Schließlich geht es gleichzeitig um persönliche, wissenschaftliche Karrieren der Betroffenen und um Milliarden, die jedes Jahr im Gesundheitswesen zu verdienen sind.10 So führt der relative Erfolg alternativer Heilmethoden folgerichtig zu heftigen Verteilungskämpfen auf dem Gesundheitsmarkt. Gelegentlich versucht man deshalb, ganz unwissenschaftlich, mit Hilfe des Staates den lästigen Konkurrenten auszuschließen. Ähnlich zogen auch schon die medizinischen Pauschalkritiker des 19. Jahrhunderts gegen allerlei alternative Heilmethoden zu Felde. Schon Friedrich der Große begegnete 1744 einem solchen Unterdrückungsversuch mit einer Bestätigung der grundsätzlichen Freiheit für alle medizinischen Angebote. In den meisten Fällen fanden unkonventionelle Heilweisen schon recht früh nachhaltige Unterstützung bei Juristen und Parlamentariern, die sich für den Erhalt der Therapievielfalt und für Patientenrechte einsetzten. Immer wieder wurde von der Rechtsprechung die Therapiefreiheit hochgehalten und die „Staatsmedicin“, wie man damals die Schulmedizin noch nannte, in die Schranken gewiesen. Als wegweisend kann hier ein Gutachten der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig aus dem Jahr 1830 angesehen werden:

„Es muss dem Arzte (also noch mehr dem Kranken) die Wahl des Systems der Medizin freibleiben, schon deshalb weil mit der Verwerfung derselben, jede Fortbildung der Wissenschaft für unzulässig erklärt werden würde.

Das sogenannte homöopathische Heilverfahren beruht auf Ansichten, die, gleichviel, ob sie materiell richtig oder unrichtig sind (welche Frage nicht zur Kompetenz des Richters gehört), dennoch in formell-wissenschaftlicher Hinsicht soweit ausgebildet sind, dass ihnen der Name eines Systems nicht abgesprochen werden kann.“11

Homöopathen verwiesen auf Statistiken, die eine erheblich geringere Sterberate in
homöopathischen Hospitälern konstatierenIn der Auseinandersetzung um den Einsatz alternativer Heilmethoden werden heute, wie vor 150 Jahren nicht nur wissenschaftliche sondern auch rein pragmatische Argumente benutzt. Neben dem verkürzten Streit, ob eine Therapie statistisch wirksam ist, steht die Frage der Kosten. Beide, sowohl die etablierte als auch die alternative Medizin nehmen für sich in Anspruch die kostengünstigere Behandlung anzubieten. Interessanterweise erschienen bereits in den 1840er Jahren Statistiken, in denen Homöopathen den Nachweis zu führen versuchten, dass ihre Therapie billiger sei. Während ihnen die Gegner vorwarfen, mit den „Nichtsen“, d.h. mit unglaublich hochverdünnten homöopathischen Arzneimitteln benetzten Streukügelchen viel Geld zu verdienen, verwiesen die Homöopathen auf Statistiken, die eine erheblich geringere Sterberate in homöopathischen Hospitälern konstatieren. Ebenso überzeugend wirkte schon damals der nicht unproblematische Nachweis, dass in den homöopathischen Krankenhäusern die Aufenthaltsdauer erheblich kürzer war (20-21 Tage zu 28-29 Tage bei den zum Vergleich herangezogenen Kliniken).

Unabhängig davon, ob diese Berechnungen tatsächlich stimmen, kann die Wirtschaftlichkeit alleine natürlich keine Auskunft über die medizinische bzw. ethische Legitimität einer Behandlung geben. Sarkastisch könnte man ansonsten, nach dem Vorbild der Eskimo, den freiwilligen Selbstmord als ernsthafte Alternative in der geriatrischen Medizin fordern, oder die magischen Beschwörungsrituale asiatischer Schamanen in der Zahnarztpraxis.

Unabhängig davon muss ferner beachtet werden, dass die meisten alternativen Heilkonzepte lediglich als Ergänzungen zu etablierten Therapien eingesetzt werden, weshalb nur wenig reale Kosteneinsparungen zur Diskussion stehen. Auch der bloße Hinweis darauf, dass alternative Heilmethoden, wie die Volksmedizin des 19.Jahrhunderts, vor allem von der einfachen, ungebildeten Bevölkerung in Anspruch genommen würde ist unsachlich und unwahr. In Deutschland und in den USA war es im 19. Jahrhundert das Besitzbürgertum, das in Scharen zu Homöopathen, Naturheilkundlern und Chiropraktikern lief. In Frankreich und im Zarenreich hatten alternative Heilweisen insbesondere im Adel und im Klerus eine große und vor allem einflussreiche Anhängerschaft. Ähnlich verhält es sich heute, wo Bessergestellte und Gebildete im Krankheitsfall weit schneller zu alternativen Heilmethoden greifen, ganz gleich wie sehr sie sich vorher darüber mokiert haben mögen.

6.3 Bewertung alternativer Heilmethoden – Vorüberlegung

Ein Christ kann nicht jede alternative Heilmethode problemlos akzeptieren, weil für ihn nicht nur der mutmaßliche Heilungseffekt, sondern auch der Ursprung der Heilung (Gott/okkult) und deren mögliche geistlichen Nebenwirkungen (materiell, ethisch, geistlich) von einschneidender Bedeutung sind.

Eine Liste der für Christen akzeptablen alternativen Heilmethoden endgültig zusammenzustellen ist nicht möglich, weil

  • ständig neue Methoden erfunden, entdeckt und verändert werden,
  • Therapien zum Teil nach einigen Jahren die Namen wechseln,
  • die anerkannte Wissenschaft ständig Fortschritte auf den Gebieten der Biochemie, Psychologie, Pharmazeutik, klinischen Forschung usw. macht, teilweise auch alte Ergebnisse revidiert und oft durch wissenschaftliche Schulen geprägt ist,
  • wenig neutrales Material über alternative Heilmethoden vorliegt, sodass zuverlässige, dauerhafte Beurteilungen in den meisten Fällen nicht getroffen werden können.

6.4 Alternative Heilmethoden – zwischen Akzeptanz und Ablehnung

In der Bibel findet sich keine prinzipielle Ablehnung alternativer TherapienEs ist grundsätzlich falsch, alle alternativen Heilmethoden in einen Topf zu werfen und generell abzulehnen. Vom christlichen Glauben her empfiehlt es sich nicht, alles scheinbar Fremde abzulehnen, denn zum einen ist in der Bibel keine prinzipielle Ablehnung dieser Therapien zu finden, zum anderen ist aber auch keine Rechtfertigung der klassisch materialistischen Medizin vorhanden. Da gebietet es der Glaube zu prüfen, sich über die Vielfalt der von Gott geschenkten Welt zu freuen, den Verstand zur Erforschung und Beurteilung zu gebrauchen und Gott um Weisheit bei der Bewertung zu bitten.

Nur weil sie sich gegen den Materialismus der klassischen Medizin stellt kann allerdings auch nicht jede alternative Heilmethode von Christen gutgeheißen werden. Es ist notwendig, deutlich zwischen der Bewertung des angestrebten Ziels (Gesundheit) und des gewählten Weges (Heilmethode) zu unterscheiden und zumindest die Möglichkeit offenzuhalten, dass ein gutes Ziel durch eine inakzeptable Methode korrumpiert werden kann. Christen vertrauen den Maßstäben, Wertungen und Welterklärungen der Bibel. Diese grundsätzliche Entscheidung schließt bestimmte andere Maßstäbe, Wertungen und Welterklärungsmodelle zwangsläufig aus.

Deshalb berücksichtigen Christen in ihrer Auseinandersetzung mit alternativen Heilmethoden was in der Bibel über Krankheit und Gesundheit, über Medizin und Ärzte und über Heil und Heilung zu lesen ist. Auch wenn keine Beurteilungen einzelner Heilmethoden unmittelbar aus der Bibel zu entnehmen sind, so kann doch das Welt- und Menschenbild der entsprechenden Therapie an den in diesem Zusammenhang relevanten Aussagen der Bibel gemessen werden. Dazu gehören biblische Aussagen darüber, wie Gott Leid und Krankheit zulässt und sogar einsetzt, Aussagen über den Tod, Geduld, und unheilbare Krankheiten, aber auch Berichte von übernatürlichen Heilungen. Im Blick auf Krankheit und Gesundheit gilt es zur Kenntnis zu nehmen, dass Gott Ziele gesteckt hat, die es zu erreichen gilt (gegen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung), dass Leid und Arbeit Kennzeichen des normalen Lebens sind (gegen Erlebnishunger und Genusssucht) und dass Krankheit von Gott als Strafe und Hilfe gebraucht werden kann (gegen medizinische Allmachtsansprüche und Gesundheitsfanatismus). In der Prüfung alternativer Heilmethoden müssen darüber hinaus folgende erkenntnistheoretische Denkvoraussetzungen beachtet werden:

  1. Die Welt beschränkt sich nicht nur auf das Sichtbare, rein Materielle, sondern umfasst eine nur bedingt zugängliche Dimension übernatürlicher Kräfte und Mächte, die mit Menschen in Kontakt treten und ihr irdisches Leben beeinflussen kann. Diese geistliche Dimension entspringt nicht menschlichem Willen oder menschlicher Vorstellung, sie lässt sich nicht von Menschen steuern oder kontrollieren.
  2. Eigene oder fremde individuelle Erfahrungen (Heilungen, Empfindungen, Ahnungen usw.) sind in der Bewertung alternativer Heilmethoden nur eingeschränkt verwertbar, solange sie nicht aus plausiblen Gründen verallgemeinert werden können und solange sie sich nicht im Einklang mit eindeutigen statistischen, naturwissenschaftlichen und geistlichen Beobachtungen befinden. Individuelle Erfahrungen sind immer interpretationsbedürftig.
  3. Es ist sinnvoll, mit dem Verstand logische und für den Rahmen dieser Welt der Realität entsprechende Aussagen zu machen. Das, was den Prinzipien der Logik grundsätzlich widerspricht ist im höchsten Grade unwahrscheinlich und muss verworfen werden.
  4. Plausibel begründete und den Aussagen der Bibel nicht widersprechende wissenschaftliche Ergebnisse werden in einem hohen Grad als wahrscheinlich akzeptiert und in die Beurteilung alternativer Heilmethoden miteinbezogen.

(Für die konkrete Entscheidungsfindung sei auf das Buch von Michael Kotsch verwiesen. d.Red.)

  1. Vgl. Josef Scharbert: Art. Krankheit 11. Altes Testament, IRE Bd. 19, S. 680-683/ Ulrich B.Müller: Art. Krankheit, TRE, Bd. 19, S. 684-686 / U.Eibach: Art. Gesundheit und Krankheit, ELThG, S. 759-762 / W.J.Bittner: Art. Heilung, EEThG, Bd.2, S. 885ff / W. Bittner- Schwob: Art. Krankenheilung, in: Das große Bibellexikon, H.Burkhardt u.a. Hrsg., Bd 2, Wuppertal 1988, S. 827-830 / D.H. Trapnell/ W. Bittner- Schwob: Art. Krankheit, in: Das große Bibellexikon, H.Burkhardt u.a. Hrsg., Bd 2, Wuppertal 1988, S. 830-834 / F.Rienecker/ G.Maier: Eexikon zur Bibel, R.Brockhaus, Wuppertal 1994, Sp. 934-942. 

  2. Vgl. G. Cornfeld; G.J. Botterweck Hrsg.: Die Bibel und ihre Welt, Lübbe, Bergisch Gladbach 1988, S. 957-966 / F.N. Hepper: Art. Krauter und Gewürze, in: Das große Bibellexikon, H.Burkhardt u.a. Hrsg., Bd 2, Wuppertal 1988, S. 834-837. 

  3. = nicht logisch nachvollziehbare, Anm. d. Autors. 

  4. Wolfgang Böker, Alternative Heilkunde. Deutsches Ärzteblatt Nr. 1-2 vom 06.01.2003. 

  5. Manfred Porkert; Die chinesische Medizin, 2. Aufl., Düsseldorf/Wien 1986, S. 18. 

  6. Manfred Porkert; Die chinesische Medizin, 2. Aufl., Düsseldorf/Wien 1986, S. 21f. 

  7. Manfred Porkert; Die chinesische Medizin, 2. Aufl., Düsseldorf/Wien 1986, S. 36. 

  8. Vgl. Robert Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute, C.H. Beck, München 1996. 

  9. Zitiert nach Robert Jütte: Die Faszination des Anderen: Die Alternativmedizin aus der Sicht des Medizinhistorikers. Vortrag an der Münsterer Tagung 2003 der Stiftung Dr. Edmund Müller, http://www.hauszumdolder.ch/tagung03_ l.php. 

  10. In Amerika werden jährlich 27 Milliarden US$ für komplementär- und alternativmedizinische Verfahren durch die Konsumenten selbst bezahlt und das 1992 gegründete Office of Alternative Medicine des National Institute of Health, heute National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) genannt, welches vom Kongress den Auftrag erhielt, die Wirksamkeit und Sicherheit der komplementär- und alternativmedizinischen Verfahren zu untersuchen, verfügt gegenwärtig über ein Budget von rund 100 Millionen US$. 

  11. Zitiert nach Robert Jütte: Die Faszination des Anderen: Die Alternativmedizin aus der Sicht des Medi/inhistorikers, Vortrag an der Münsterer Tagung 2003 der Stiftung Dr. Edmund Müller, http://www.hauszumdolder.ch/tagung03 l.php. 



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Der Christ zwischen Medizin und Paramedizin

Kann ein Christ getrost die Errungenschaften moderner Medizin in Anspruch nehmen oder sollte er lieber auf „natürliche“ Heilmethoden der Paramedizin vertrauen?

Unsere Zeit ist überreich an konträren Standpunkten. Während die meisten Menschen den Gang zum Arzt oder den Griff zur Tablette gewissermaßen im Nebenbei vollziehen, so als gälte es ein Fenster zu öffnen oder eine Fliege zu scheuchen, gibt es jene anderen Zeitgenossen, die selbst die größten Herrlichkeiten des pharmakologischen Fortschritts ungerührt ins Klo versenken, weil sie das „Gift“ nun mal nicht mögen. Sie halten sich lieber an das „Natürliche“, das schon bei Tante Emma so gut half. Und an den über die Landesgrenzen hinaus berühmten Alternativheiler, den sogar Nachbarin Polde wärmstens empfiehlt.

Bei Christen kann das Mißtrauen gegenüber dem Arzt und jeder Art von ärztlicher Weisheit gelegentlich Züge annehmen, die jeden Beurteiler irritieren.

Bei Christen kann das Mißtrauen gegenüber dem Arzt und jeder Art von ärztlicher Weisheit gelegentlich Züge annehmen, die jeden Beurteiler irritieren. Sollte man ihr Gottvertrauen bewundern – oder ihren Starrsinn schelten? Ich erinnere mich an einen Glaubensbruder, der sich – aus geistlichen Gründen, wie er meinte – konsequent weigerte, bei der schweren Niederkunft seiner Ehefrau einen Arzt zu holen. Die arme Frau wäre bald gestorben. Er aber blieb fest bei seiner Meinung. Was soll man dazu sagen? Der Gang zum Arzt – ein Akt des schnöden Unglaubens?

Medizinischer Fortschritt – Geschenk Gottes in einer gefallenen Welt

Alle Krankheiten und Seuchen, jede Form von Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit – das Altern und Sterben – sind Merkmale einer gefallenen Welt.

Eine Grundwahrheit muß sich der bibelorientierte Christ allerdings beständig vor Augen halten: Alle Krankheiten und Seuchen, jede Form von Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit – das Altern und Sterben – sind Merkmale einer gefallenen Welt. In Gottes ursprünglicher Schöpfung, wie sie im Anfang aus seiner Hand hervorging, gab es das noch nicht. Und in Gottes neuer Welt, die kommen soll und gewiß kommen wird, wird es das nicht mehr geben (Offb 21,4). So gesehen ist die ärztliche Kunst und die medizinische Wissenschaft ausschließlich eine Sache dieses Weltzeitalters. In dieser Welt allerdings hat sie ihre große Bedeutung, die nicht unterschätzt werden sollte. Wie die Sonne, die Gott täglich über Gerechte und Ungerechte aufgehen läßt, so ist auch sie ein Ausdruck der welterhaltenden Güte Gottes. Unterhalb dieser biblisch-heilsgeschichtlichen Einordnung darf nun doch einmal das Erfreuliche und Lobenswerte der medizinischen Wissenschaft herausgestellt werden, denn es gibt wirklich beeindruckende Segnungen und Großtaten der Medizin.

Pest, Pocken und Grippe

Erinnern wir uns beispielsweise an die Pest, jene furchtbare Geißel des Mittelalters. Von 1347 bis 1351 raffte der „schwarze Tod“ – wie man die Seuche nannte – etwa ein Drittel (!) der gesamten Bevölkerung Europas dahin. Bei ihrem Wiederaufflackern in Norwich, England, um 1579 fielen ihr abermals ein Drittel der Einwohner zum Opfer. Und als sie 1630 in Mailand erneut ausbrach, raffte sie gar die Hälfte der Bevölkerung weg. Nächst Gott ist es dem medizinischen Fortschritt zu danken, daß die Pest heute praktisch eine besiegte Krankheit ist.

Oder denken wir an die Pocken, eine üble Seuche schon der vorchristlichen Zeit. Durch die Europäer wurde sie nach Amerika eingeschleppt und grassierte hier in unvorstellbarem Ausmaß. Mit starken wissenschaftlichen Gründen treten einige Historiker dafür ein, daß nicht zuerst Pferde und Feuerwaffen, sondern die Pocken (und andere Viren) die wahre Ursache für die Dezimierung der indianischen Urbevölkerung darstellten. Heute existiert das Variola- oder Pockenvirus – soweit bekannt – nur noch in zwei Hochsicherheitslaboratorien in Atlanta und in Moskau. Sobald alle 175000 Basenpaare des Variola-Genoms sicher bestimmt sind, will man sämtliche Laborbestände vernichten. Dann wäre dieses Virus die erste Spezies, die der Mensch vorsätzlich und mit gutem Grund ausgerottet hat. Wenn einmal die letzten Variola-Kulturen vernichtet sind, wird, außer einer gewissen Zeichensequenz auf einer Computerdiskette, nichts mehr an diese furchtbare Geißel vergangener Jahrhunderte erinnern.

Die simple Grippe wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen. Wer macht sich schon klar, daß diese Krankheit, die heute für die meisten Menschen nach wenigen Tagen mit Unpäßlichkeit, Kopfschmerzen und Fieber ausgestanden ist, noch um 1918 mehr als 20 Millionen Todesopfer dahinraffte. Die damals sog. „spanische Grippe“ hatte Einfluß auf das Ende des 1. Weltkrieges. An ihr starben so viele deutsche Soldaten, daß allein dadurch ihre letzte große Offensive weitgehend zum Erliegen kam. Weniger tödliche, aber territorial weit ausgedehnte Grippeepidemien traten noch in den Jahren 1957, 1968 und 1977 auf. Weil das Grippevirus die Eigenschaft hat, sich auf genetischer Ebene fortwährend zu verändern, kann leider nicht davon gesprochen werden, daß es grundsätzlich besiegt sei. Jederzeit kann eine solche Epidemie erneut ausbrechen. Und es gibt keinerlei Gewähr dafür, daß sie nicht wieder solche Ausmaße wie 1918 annimmt. Wenn beispielsweise ein koreanischer Geschäftsmann auf dem überfüllten Flughafen von Honululu niest, kann ein Virus, das er sich eine Woche zuvor in China zuzog, innerhalb weniger Stunden auf New York, London, Brüssel, Paris oder Berlin übergreifen. Es wird aber viel getan, um genau diese Wahrscheinlichkeit so gering wie möglich zu halten. Beständig werden Viren aus allen Teilen der Welt an gewisse epidemiologische Laboratorien gesandt. Mit hektischer Betriebsamkeit, arbeitet man dort Jahr um Jahr im Vorhinein an serologischen Abwehrwaffen, die sofort bereit stehen müssen, wenn da oder dort eine Epidemie „zum Schlag ausholt“. Das Ergebnis dieser Bemühungen: die – zu Unrecht ignorierte – spätherbstliche Grippeschutzimpfung.

Auch bei den Erbkrankheiten gibt es inzwischen bemerkenswerte Fortschritte. So gelang es 1993 den molekularen Hintergrund der Chorea Huntington aufzuklären. Seither besteht die realistische Hoffnung, daß einmal eine Therapie möglich wird.Ähnliches deutet sich auch für die Multiple Sklerose, für die Alzheimersche Krankheit und für manche Formen von Krebs an.

„Ein vernünftiger Mensch verschmäht den Arzt nicht.“

Natürlich ist die medizinische Wissenschaft nicht allvermögend. Auch für sie gilt: „Stückwerk bleibt, was man treibt.“ Aber es ist nicht zu übersehen, daß ihr enorme Fortschritte gelungen sind. Wer je einmal ein Lehrbuch der historischen Medizin in der Hand hatte, wird erleichtert aufatmen, daß er in diesem Jahrhundert leben darf. Wer hier innehält und einen Schritt zurücktritt, wird mit voller Überzeugung sagen können: Es ist ein beständiger Grund zur Dankbarkeit gegen Gott, daß es dieses Geschenk der medizinischen Wissenschaft gibt. Was wäre der Diabetiker ohne sein Insulin, der Asthmatiker ohne seinen Spray, der Epileptiker ohne sein Medikament? Wie stünden wir da, ohne die Hilfe der modernen Apparatemedizin? Ein gläubiger Urologe meinte einmal, keiner wisse mit dem Begriff der Erlösung einen tieferen Inhalt zu verbinden, als der Prostata-Kranke, der nach einem akuten Harnverhalten eine erfolgreiche Katheterisierung erlebte. Im Blick auf das reichhaltige medizinische Angebot sollten wir es grundsätzlich mit der zwischentestamentlichen Weisheit aus Sir 38 halten:

„Ein vernünftiger Mensch verschmäht den Arzt nicht.“

Der Irrgarten der Paramedizin

Diese volle und klare Anerkennung muß leider dem versagt werden, das es jetzt zu besprechen gilt: Neben dem Gottesgeschenk der medizinischen Wissenschaft, gibt es auch die sog. „Paramedizin“. Darunter versteht man ein breites Spektrum von Verfahren, von denen behauptet wird, daß sie sich zur Erkennung und Behandlung von Krankheiten eignen, ohne daß dies bisher wissenschaftlich belegt wäre.

Paramedizin darf nicht mit den Naturheilverfahren verwechselt werden.

Zur Klarstellung: Paramedizin darf nicht – was leider immer wieder geschieht – mit den Naturheilverfahren z. B. Kneipp-Kuren, Massagen, Bäder, Gymnastik, Diäten, Kräuterkuren, usw. verwechselt werden. Diese gründen sich auf natürliche und nachprüfbare Wirkungen der Mittel und Methoden, und haben insbesondere für die Gesundheitspflege ihren Wert.

Dagegen baut die Paramedizin gewöhnlich auf spekulativen, unbelegten Vorstellungen auf und bedient sich esoterisch-magischer Theorien. Man werfe nur einen Blick auf die Angebote unter „Gesundheit/Lebenshilfe“ in unseren Buchhandlungen. Da zucken ungewöhnliche Begriffe aus den Regalen: Auraskopie, Ayurveda, Bach-Blüten, Bioresonanztherapie, biologisch-dynamischer Landbau, Bombastus-Heilkräuter, Channeling/Kinesiologie, Chakren, Demeter-Produkte, Dreck-Apotheke, Edelstein-Therapie, Fang-Schui, Fußzonenreflexmassage, Hildegard-Medizin, Homöopathie, Irisdiagnostik, Hand- und Fußdiagnostik, Quigong, Radiästhetik, Reiki, Tantra, Weleda – um nur einige zu nennen. Was ist davon zu halten? Alles gut und nützlich, wenn es mit Danksagung genossen wird?

Alles prüfen – aber nicht alles glauben!

Leider kann die kindliche Einfalt auf diesem Gebiet nicht empfohlen werden. Denn die Paramedizin ist ein ungemein erfolgreicher Tummelplatz verschiedenartigster Gestalten. Da sind einerseits die verkannten Genies, die von ihrer Sendung völlig überzeugten medizinischen Außenseiter, die unentwegten Enthusiasten mit Sondereinsichten (die, wie sie überzeugt sind, von der arroganten Schulmedizin zu Unrecht ignoriert werden), sodann die Eigenbrötler, Geistheiler und Spökenkieker; und nicht zuletzt die Scharlatane und Augenauswischer, deren Zahl Legion ist (denn ihrer sind viele). Die biblische Empfehlung lautet daher: „Prüfet!“ (1Thess 5,22). Prüfen aber heißt kritisch sein. Und Kritik bedarf der Kriterien!

Wie soll man prüfen? Eine äußerst schätzenswerte – und dabei viel zuwenig gehandhabte – Grundregel lautet: „Sapere aude!“ Bediene dich deines Verstandes!

Wenn ein Christ beispielsweise erfährt, daß Lebensmittel, um vollwertig zu sein, von den Sternen herstammende „Astralkräfte“ enthalten sollten, dann müssen sofort alle roten Raketen hochgehen.

Wenn ein Christ beispielsweise erfährt, daß Lebensmittel, um vollwertig zu sein, von den Sternen herstammende „Astralkräfte“ enthalten sollten, dann müssen sofort alle roten Raketen hochgehen. Kühe, so hört man, könnten mit ihren Hörnern „Astralstrahlen“ auffangen. Man fülle also Kuhhörner mit Kuhmist und vergrabe sie im Boden. Nach einem Jahr wird der Inhalt wieder herausgekratzt und in starker Verdünnung auf den Acker gesprüht (biologisch-dynamischer Landbau!). Das Ergebnis dieser ungewöhnlichen Wirtschaftsweise sind dann die sog. Demeter-Produkte. Noch Kommentare nötig? Sapere aude! Stets ist tiefstes Mißtrauen angesagt, wenn die Wirkungsweise gewisser Mittel und Methoden auf „astrale Kräfte“, „kosmische Energien“, „animalischen Magnetismus“, „Erdstrahlen“ und „geistig-seelische Schwingungen“ zurückgeführt wird. Häufig wird die Paramedizin auch als „sanfte Medizin“, als Erfahrungsheilkunde oder Alternativmedizin bezeichnet. Diese Begriffe suggerieren, daß ihre Verfahren über Eigenschaften verfügen, die die „verstaubte Schulmedizin“ eben nicht aufzuweisen vermag. Während man dort sofort die großkalibrigen pharmakologischen Geschütze auffährt, versucht man es hier noch mit den „sanften Streicheleinheiten“ der alternativen Methoden. Zugegeben, es ist mehr als ein Körnlein Wahrheit an diesem Vorwurf. Aber der eigentliche Unterschied liegt an anderer Stelle: Während sich die konventionelle Medizin wissenschaftlicher Methoden bedient, um ihre Verfahren und Behandlungsweisen immer wieder zu überprüfen und zu korrigieren, lehnen die Vertreter der paramedizinischen Verfahren die sorgfältige wissenschaftliche Überprüfung überwiegend als „für sie unangemessen“ ab. Wissenschaftliche Untersuchungen sind jedoch unabdingbar, wenn man wirksame Verfahren von unwirksamen trennen will.

Homöopathie: Heilkraft durch Verdünnen und Schütteln?

Bei den „mit Mist gefüllten Kuhhörnern“ dürfte die „Entscheidungsfindung“ relativ leicht fallen. Was aber ist bei Mitteln und Methoden, die sogar von der Ärzteschaft kontrovers diskutiert werden? Z. B. bei der Homöopathie? Ein Sechstel aller niedergelassenen Ärzte in Deutschland soll, so das Ergebnis einer Umfrage, zumindest gelegentlich homöopathische Mittel verschreiben.

Das homöopathische Behandlungskonzept, vor etwa 200 Jahren von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann aufgestellt, beruht auf mehreren Grundprinzipien, von denen zwei besonders erwähnt seien: das „Simile-Prinzip“ und das „Potenzieren“. Das Simile-Prinzip – gefunden nach Selbstversuchen mit Chinarinde – lautet nach des Meisters klassischer Formulierung:

„Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfall eine Arznei, die ein ähnliches Leiden (homoion pathos) für sich erregen kann, als sie heilen soll! Similia similibus curantur!“ (= Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt.)

Das zweite homöopathische Hauptprinzip ist das sog. „Potenzieren“: Man versteht darunter die Einstellung der „richtigen Stärke“ durch Verdünnungen, die sich an einer Zehnerreihe orientieren. Bei flüssigen Arzneimitteln geht man aus von einer Urtinktur, einem konzentrierten Extrakt des Arzneistoffs. Dieser wird im Verhältnis 1 zu 10 mit verdünntem Alkohol gemischt und zehnmal geschüttelt. Es entsteht die Tinktura decimalis 1 (D1). Durch abermaliges Verdünnen (und Schütteln!), stets im Verhältnis 1 zu 10, entsteht D2, D3, usw.

Was sagt die heutige Wissenschaft zu diesen Prinzipien? Dem Simile-Prinzip mögen etliche zutreffende Erfahrungen zugrunde liegen. Hahnemann hatte sicher seinen Grund, wenn er z. B. schrieb:

„Der Kaffee erregt in großer Gabe Kopfschmerzen, in mäßiger Gabe vermag er Kopfschmerzen zu stillen.“

Im Ergebnis führte es jedoch zur gleichartigen Behandlung unterschiedlichster Krankheiten und rief darum die Skeptiker auf den Plan: Pulsatilla D6 soll gegen Ischias helfen, hilft aber auch bei krankhafter Eifersucht der Mädchen. Ambra D3 ist empfehlenswert bei Keuchhusten, hilft aber auch bei Ehesorgen. Nux vomica wird bei heftiger Streitsucht empfohlen, soll aber auch bei Migräne, verklebten Augenliedern und Impotenz helfen, usw.

Mit besonderer Heftigkeit wandte sich die Kritik von naturwissenschaftlich Denkenden auch gegen das „Potenzierungsprinzip“. Hier sind es die geradezu extrem hohen Verdünnungsgrade, der höheren „D-Stufen“, die den Widerspruch herausfordern. Daß eine stark wirkende Substanz in 1000-facher (D3) oder 10000-facher Verdünnung noch wirken kann, ist ein nachvollziehbarer Gedanke. Doch wird sich die Mehrzahl der Patienten kaum klar machen, was etwa hinter der Angabe „D20“ oder gar „D200“ auf der kleinen braunen Flasche steht. „D20“ ist eine Verdünnung von 1 : 10 hoch 20. Sie entsteht, wenn eine Aspirintablette im Atlantik (!) aufgelöst und gleichmäßig verteilt wird.

Aber das ist noch längst nicht der Gipfel homöopathischer Verwegenheit: Es gibt Verschreibungen mit Verdünnungsgraden von 1:10 hoch 1500. Das geht weit über jegliches Vorstellungsmaß hinaus. Diese Verdünnung erreicht man, wenn man eine Substanzmenge von der Größe eines Reiskorns in einem Wasserball von der Größe des Sonnensystems auflöst, einen Tropfen davon nimmt, ihn nochmals in der gleichen Wassermenge verdünnt und dies 2 Milliarden mal wiederholt (nach J. Randi)! Hier vermag alles Reden von „feinstofflicher Wirksamkeit“ und „energetischer Betrachtungsweise“ nicht weiterzuhelfen: Derartige homöopathische Hochpotenzen sind absolut leer an jeglicher Wirksubstanz.

Es ist ein Irrtum zu meinen, eine Substanz sei beliebig verdünnbar. Denn jede Substanzmenge besteht aus einer zwar sehr großen, aber doch endlichen Anzahl von Molekülen. Rechnerisch kann sie mittels der Loschmidt’schen Konstante (N=6,026 x 10 hoch 23 Moleküle pro Mol) bestimmt werden. Das heißt, daß etwa ab D23 auch nicht ein einziges Molekül der Urtinktur vorhanden ist. Hinzu kommt dann noch die Rolle des Schüttelns beim Verdünnen:

Hierdurch soll etwas vom „geistigen Wesen“ der Ursubstanz auf das Lösungsmittel übertragen werden. Spätestens hier wird deutlich, daß das homöopathische Konzept die wohlbegründeten Grenzlinien des naturwissenschaftlich Nachvollziehbaren überschreitet – und zwar hin zum Spekulativen und zum Magischen.

Im Rahmen seiner Zeit beurteilt, war Hahnemann durchaus ein brillanter Kopf mit einer bemerkenswerten Beobachtungsgabe. Aber er wußte noch nichts von Bakterien und Viren, von Atomen, Molekülen und der Loschmidt’schen Konstante.

Im Rahmen seiner Zeit beurteilt, war Hahnemann durchaus ein brillanter Kopf mit einer bemerkenswerten Beobachtungsgabe. Aber er wußte noch nichts von Bakterien und Viren, von Atomen, Molekülen und der Loschmidt’schen Konstante. Die Mehrzahl heutiger Medizinwissenschaftler kommt darum nicht umhin festzustellen:

Für die „sanfte“ homöopathische Methode fehlen (noch immer) die harten Beweise. Die Medizinische Fakultät der Universität Marburg erklärte im Ärzteblatt vom 3. März 1993 die Homöopathie zur (medizinischen) Irrlehre.

Warum aber sind unwirksame Verfahren oft so populär? Weil die Patienten vielfach von der Anonymität und dem Massenbetrieb des modernen Gesundheits(un)wesens abgeschreckt sind. Sie fühlen sich bei einem „Alternativmediziner“ viel wohler. Dieser geht endlich einmal auf ihre Persönlichkeit ein. Schon das Vertrauen in einen Therapeuten, in die Wirksamkeit einer Therapie oder eines Medikaments kann Prozesse im Körper auslösen, die die Heilung fördern. Diese Wirkungen einer Behandlung, – wissenschaftlich noch weitgehend unverstanden – faßt man unter dem Sammelbegriff Placebo-Effekt zusammen. Es gibt auch das Gegenteil des Nocebo-Effekts: Allein die Angst vor schädlichen Folgen vermag bereits negative Auswirkungen im Körper hervorzurufen. Der Placebo-Effekt kann sehr stark sein. Experimente ergaben, daß insbesondere das Schmerzempfinden durch ihn stark beeinflußt werden kann. Will man dagegen herausfinden, ob eine bestimmte Therapie wirklich (!) wirksam ist, muß methodisch sichergestellt werden, daß der stets mögliche Placebo-Effekt die Test-Ergebnisse nicht verfälscht.

Um Medikamente oder Therapien zu testen, muß man daher zwei Patientengruppen bilden: Die eine Gruppe erhält das zu testende Medikament (Verum), die Kontrollgruppe dagegen ein völlig unwirksames Scheinmedikament (Falsum bzw. Placebo). Werden beide Gruppen ansonsten völlig gleich behandelt (um dies sicherzustellen, muß der Test doppelblind durchgeführt werden, d. h. weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte dürfen wissen, ob jeweils das echte Medikament oder das Placebo verabreicht wird), dann ist der Placebo-Effekt in beiden Gruppen gleich, und Unterschiede zwischen den Gruppen gehen tatsächlich auf das getestete Medikament oder die Therapie zurück.

Während dieses Vorgehen in der wissenschaftlichen Medizin und bei der Zulassung von Arzneimitteln Standard ist, lehnen Vertreter unkonventioneller Heilmethoden solche Prüfungen meist als unangemessen ab. Sie verweisen statt dessen auf beeindruckende Fallbeispiele von geheilten Patienten. Für „Otto Jedermann“ mögen diese sehr überzeugend sein – wissenschaftlich sind sie ohne jede Beweiskraft. Denn es bleibt völlig unklar, bei wieviel Patienten die Behandlung erfolglos war. Hinzu kommt, daß viele Krankheiten in Schüben verlaufen oder von selbst wieder heilen, und daß auch bei chronischen Erkrankungen Spontanheilungen vorkommen.

Fazit: An das Solide halten

Zunächst einmal ist es an sich schon eine betrübliche Sache, wenn der Christ den dubiosen Heilungsversprechen ungezählter Quacksalber, Geistheiler, Schwärmer und Scharlatane auf „friß Vogel oder stirb“ ausgeliefert ist. Zum anderen aber besteht die Gefahr, daß er über Bachblüten und Hahnemann’schen Hochpotenzen, und trotz sündhaft teurer (aber völlig unwirksamer) Abschirmungsgeräte gegen „Erdstrahlen“ die wirksamen Behandlungsmethoden versäumt. Er steht dann da, „ärmer am Beutel“ aber beileibe nicht „gesünder am Herzen“, und schleppt weiter an den Lasten seiner Tage. Darum nochmals: Sapere aude! Gebrauche deinen Verstand. Und was ist, wenn man da schon vieles falsch gemacht hat? Dann höre man einfach auf damit und halte sich an das Solide: nämlich an das Gebet des Glaubens und an die hinlänglich begründete vernünftige Einsicht, die den Arzt nicht verschmäht.

Und im Übrigen wollen wir uns gegenseitig helfen, nicht gegen Gottes Ratschluß zu murren, der uns die ganze Erlösung unseres Leibes erst für „jenen Tag“ in Aussicht stellt (Röm 8,23).

Literatur:

  • Oepen, I. (Hrsg.): Unkonventionelle medizinische Verfahren. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1993.
  • Oepen, I., Sarma, A. (Hrsg.): Parawissenschaften unter der Lupe. Lit-Verlag, Münster 1995.
  • Müller, Georg: Heilkraft durch Verdünnen? CLV, Bielefeld, 1992. (Besonders empfehlenswert!)
  • Prokop, O.: Homöopathie. Was leistet sie wirklich? Ullstein, Frankfurt, 1995.