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Lexikon zur Endzeit

Lexikon zur Endzeit

 

Ziel dieses Lexikons ist - wie der Untertitel deutlich macht - die Förderung des Verständnisses biblischer Prophetie und Heilsgeschichte. Es repräsentiert wie kaum ein anderes Werk im deutschen Sprachraum die Denkschulen des Prämillennialismus und Dispensationalismus, die hier seit dem 19. Jahrhundert vor allem innerhalb der Brüderbewegung entwickelt und gepflegt wurden und einen nicht geringen Einfluss auf den gesamten Evangelikalismus genommen haben. Es scheint jedoch, dass deren Traditionen in den Vereinigten Staaten insgesamt konsequenter und gründlicher fortgeführt wurden, als es bei uns in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Umso dankbarer ist die Christliche Verlagsgesellschaft, wenn mit diesem Lexikon nun die stark vorangetriebene Forschungsarbeit unserer Brüder und Schwestern in Übersee in ihren Ergebnissen dem deutschsprachigen Raum vorgestellt und verfügbar gemacht werden kann.

Der Leser wird feststellen, dass vorrangig Personen und Werke der theologischen Schulen Amerikas in diesem Lexikon berücksichtigt werden und der europäische Anteil an manchen Stellen recht knapp zur Sprache kommt. Jedoch wird insgesamt dadurch unsere Wahrnehmung erweitert und unsere theologische Erkenntnis bereichert. Wir sind unseren Geschwistern dankbar, dass sie solche Mühe auf sich genommen haben, um die Erkenntnisse der oben angesprochenen Denkschulen und ihre Spuren in der Vergangenheit so umfassend wie möglich darzustellen. Damit wird einem wichtigen Bereich der Theologie, der Heilsgeschichte und Eschatologie, wieder neu Geltung verschafft, was angesichts der baldigen Wiederkunft unseres Herrn von unschätzbarem Wert ist.

Nachfolgend möchte der deutsche Herausgeber auf einige Besonderheiten aufmerksam machen, die der Leser beim Studium dieses Werkes berücksichtigen sollte:

1. Bezeichnungen und Begriffe

Wir haben uns entschlossen, weitgehend die Ableitungen der englischen Begriffe (u. a. Dispensationalismus, Prämillennialismus, Amillennialismus, Postmillennialismus, Prätribulationalismus, Posttribulationalismus usw.) zu verwenden, da sich kaum angemessene kurze Entsprechungen im Deutschen dazu finden lassen. Diese Begriffe erweisen sich beim Lesen leider als »Zungenbrecher«, was wir jedoch trotz einiger Bedenken aus Gründen der Klarheit glaubten, dem Leser zumuten zu können. Die Lektoren haben sich bemüht, diese »Zungenbrecher« sooft wie möglich zu umschreiben. Wo uns die klare Zuordnung zu den theologischen Denkrichtungen wichtig erschien, wurden diese Ableitungen allerdings stehen gelassen.

Es sind nun in der einschlägigen Literatur zwar auch Verkürzungen der Fachwörter (z. B. Prämillennismus anstatt Prämillennialismus) in Gebrauch, jedoch haben wir die oben skizzierte Schreibweise in Anlehnung an weitere in unserem Verlag bereits erschienenen Werke beibehalten, wo diese schon so eingeführt und verwendet wurden (siehe z. B. C. C. Ryrie, Die Bibel verstehen , Dillenburg: CV, 1996; D. Pentecost, Bibel und Zukunft , Dillenburg: CV, 1993; Chafer/Walvoord, Grundlagen biblischer Lehren , Dillenburg, CV, 1994; LaHaye/Ice, Countdown zum Finale der Welt , Dillenburg: CV, 2003).

2. Theologisches Spektrum der Beiträge

Wie bereits oben bemerkt, werden vorrangig Werke aus dem englischen Sprachraum berücksichtigt und Entwicklungen in Europa kommen nur eingeschränkt zur Sprache. Man vermisst z. B. ein Eingehen auf die »heilsgeschichtliche Schule« der modernen Theologie (Cullmann, Pannenberg) oder eine ausführliche Würdigung des so bekannten Lehrers der Heilsgeschichte innerhalb des Offenen Brüdertums, Erich Sauer, und seiner in vielen Auflagen erschienen bedeutenden heilsgeschichtlichen Entwürfe Das Morgenrot der Welterlösung , Gott, Menschheit und Ewigkeit sowie Der Triumpf des Gekreuzigten . Ebenso vermisst man die Berücksichtigung wichtiger Arbeiten innerhalb des deutschen Evangelikalismus und die dort verfassten Beiträge zu einer heilsgeschichtlichen Theologie (vgl. z. B. Gerhard Maier [Hrsg.], Zukunftserwartung in biblischer Sicht , Wuppertal, Giessen, Basel, Brockhaus/Brunnen 1984; Helge Stadelmann [Hrsg.], Epochen der Heilsgeschichte, Beiträge zur Förderung heilsgeschichtlicher Theologie , Wuppertal, Brockhaus 1984). Eine kurze und prägnante Skizzierung heilsgeschichtlicher Grundzüge evangelikaler Theologie findet sich z.B. in: Helge Stadelmann, Grundlinien eines bibeltreuen Schrifverständnisses , Wuppertal, Brockhaus, 2 1990, Seite 122-133: »Heilsgeschichtliches Denken als Hilfe für die Schriftauslegung«. Es wäre zu wünschen, dass eine bisher parallel verlaufende Forschungsarbeit zusammengeführt werden und sich gegenseitig befruchten kann. Wir hoffen, dass dies nun vorliegende »Lexikon zur Endzeit« dazu beitragen kann.

3. Hermeneutische Vorentscheidungen

Mal Couch, der amerikanische Herausgeber des Lexikons, nennt in seinem Vorwort als erste Besonderheit des Dispensationalismus den Glauben an die Inspiration und Unfehlbarkeit der Bibel und als zweite die »wörtliche« Auslegungsmethode. Mit dieser hermeneutischen Voraussetzung nehmen die Denkschulen des Prämillennialismus und Dispensationalismus die Prophetie der Bibel so ernst und konkret wie nur möglich und vertreten damit zwangsläufig Sichtweisen, die innerhalb der Theologie z. T. unterbewertet oder abgewertet werden. Dies geschieht vereinzelt sogar innerhalb der evangelikalen Theologie (vgl. Franz Stuhlhofer, »Das Ende naht !«, Gießen, Brunnen-Verlag, Seite 52-54). Mag aufgrund geschichtlicher Entwicklungen eine Abneigung gegen den »Chiliasmus« oder Millennialismus verständlich sein, so dürfen jedoch theologische Fehlentwicklungen und Missverständnisse nicht zur Ausblendung von Lehren der Heiligen Schrift führen, die diese insgesamt klar stützt. Das vorliegende Lexikon versucht, solche Missverständnisse auszuräumen, und neu den Weg zu einer umfassenden heilsgeschichtlichen Schau biblischer Prophetie zu bahnen. Dadurch kann die Gemeinde Gottes sowohl vor extremen Auslegungen als auch vor ungesunder Verdrängung bewahrt werden.

Abschließend weisen wir noch einmal auf die oben genannte Literatur im deutschen Sprachraum (s. o. Abschnitt 1) hin, die wir dem Leser als tiefer gehende und ergänzende Lektüre empfehlen. Insgesamt wünschen wir uns mit diesem theologischen Beitrag ein vermehrtes Interesse an Endzeitfragen, das Entstehen einer größeren Klarheit in Bezug auf die letzten Dinge und das Aufkommen einer verstärkten Hoffnung auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus, der den Heilsplan Gottes zur Vollendung bringen wird.

Dillenburg, im September 2004

 

ÜBER DIE MITARBEITER

Robert G. Anderson, Th.M., ist Dekan des Houston College of Biblical Studies in Houston, Texas.

Roy E. Beacham, M.Div., Th.M., Th.D., ist Vorsitzender und Professor für das Alte Testament am Central Baptist Theological Seminary in Minneapolis, Minnesota..

Rick Bowman, D.Min., ist Forscher, Autor und Redakteur am Tyndale Theological Seminary and Biblical Institute in Ft. Worth, Texas.

Joseph R. Chambers, D.D., ist Gründer und Vorsitzender von Paw Creek Radio and Media Ministry in Charlotte, North Carolina.

Mal O. Couch, M.A., Th.M., Th.D., Ph.D., ist Gründer und Vorsitzender des Tyndale Theological Seminary and Biblical Institute in Ft. Worth, Texas. Larry V. Crutchfield, Phil.M., M.A., Ph.D., ist Berater am Faraston Theological Seminary . Er lebt in Colorado Springs, Colorado. Rodney Decker, M.Div., Th.D. (Doktorand), ist Bibelprofessor am Calvary Theological Seminary in Kansas City, Missouri.

Timothy J. Demy, M.A., M.A., Th.M., Th.D., ist Militärgeistlicher, Autor und Bibellehrer. Er lebt in Springfield, Virginia.

Thomas Edgar, Th.M., Th.D., ist Professor für Neutestamentliche Literatur am Capital Bible Seminary in Lanham, Maryland.

Floyd S. Elmore, Th.M., Th.D., ist Bibelprofessor am Cedarville College in Cedarville, Ohio.

Paul P. Enns, Th.M., Th.D., ist Autor, Gründungsdekan des Tampa Bay Theol ogical Seminary und Dekan des Institute of Biblical Training in Tampa, Florida.

Gary Fisher ist Autor und Gründer und Direktor von Lion of Judah Ministry in Franklin, Tennessee.

Harold D. Foos, Th.M., Th.D., ist Professor für Bibel und Theologie und Vorsitzender des Fachbereichs Theologie am Moody Bible Institute in Chicago, Illinois.

Amold G. Fruchtenbaum, Th.M., Ph.D., ist Autor, internationaler Bibellehrer und Gründer und Direktor von Ariel Ministries in Tustin, Kalifornien.

Alden Gannett, Th.M., Th.D., ist Autor und Konferenzredner. Er lebt in Birmingham, Alabama.

Michael P. Gendron, M.A.B.S., M.A.S., ist Gründer und Vorsitzender von Proclaiming the Gospel Ministry in Dallas, Texas.

Robert G. Gromacki, Th.M., Th.D., ist Pastor, Autor and angesehener Professor für Bibel und Griechisch am Cedarville College , Cedarville, Ohio.

George A. Gunn, M.Div., hat den Vorsitz für Bibel und Theologie am Shasta Bible College in Reading, Kalifornien.

John D. Hannah, Th.M., Ph.D., ist Autor und Vorsitzender und Professor für Historische Theologie am Dallas Theological Seminary in Dallas, Texas.

Bobby Hayes, M.A., Ph.D. (Doktorand), ist außerordentlicher Professor am Tyndale Theological Seminary and Biblical Institute in Ft. Worth, Texas.

Edward E. Hindson, M.A., Th.M., Th.D., D.Phil., ist Autor, stellvertretender Vorsitzender von There's Hope Ministry in Atlanta, Georgia, und angesehener, außerordentlicher Professor an der Liberty University in Lynchburg, Virginia.

H. Wayne House, M.A., Th.M., M.Div., J.D., Th.D., ist Gastprofessor für Theologie an mehreren Institutionen, freiberuflicher Autor und Dekan und Professor am Michigan Theological Seminary in Plymouth, Michigan.

Tommy D. Ice, Th.M., Ph.D., ist Autor, ehemaliger Pastor und Geschäftsführer des PreTrib Research Center in Washington, D.C.

Elliott Johnson, Th.M., Th.D., ist Autor und Professor für Bibelexegese am Dallas Theological Seminary in Dallas, Texas.

Gordon Johnston, Th.M., Th.D., ist außerordentlicher Professor für Biblische Unterscheidung am Lancaster Bible College in Lancaster, Pennsylvania.

Tim F. LaHaye, D.Min., D.D., ist Autor und Direktor von Family Life Seminars in Washington, D.C.

G. Harry Leafe, Th.M., D.Min., ist Professor und Vorsitzender für Bibel und Theologie am Houston Bible Institute in Houston, Texas.

Dale F. Leschert, M.Div., Th.M., Ph.D., ist unabhängiger Forscher und Schriftsteller. Er lebt in New Westminster, British Columbia, Canada.

Robert P. Lightner, Th.M., Th.D., ist Autor und Professor für Theologie am Dallas Theological Seminary in Dallas, Texas.

Eugene J. Mayhew, Th.M., Th.D., ist Professor für das Alte Testament am Michigan Theological Seminary in Plymouth, Michigan.

Steven L. McAvoy, Th.M., Th.D., ist Direktor des Institute for Biblical Studies in Lake Oswego, Oregon.

Thomas S. McCall, Th.M., Th.D., ist Autor, Konferenzredner und Forscher für Levitt Ministries . Er lebt in Bullard, Texas.

John A. McLean, Th.M., M.A., Ph.D., ist Vorsitzender des Michigan Theological Seminary in Plymouth, Michigan.

George E. Meisinger, Th.M., D.Min., ist Vorsitzender des Chafer Theological Seminary und Pastor der Grace Church in Huntington Beach, Kalifornien.

Charles W. Missler, M.S., ist Gründer von Koinonia House , Coeur d'Alene, Idaho.

John H. Mulholland, Th.M., Th.D., ist Professor für Systematische Theologie am Capital Bible Seminary in Lanham, Maryland.

David R. Nicholas, M.S., Th.M., Th.D., ist Vorsitzender und Professor für Theologie am Shasta Bible College in Reading, Kalifornien.

Jerry Neuman, M.Div., ist Professor für Bibel und Theologie am Berean Baptist Institute in Natal, Brasilien.

Russell L. Penney, M.A., D.Sc., Th.D. (Doktorand), ist außerordentlicher Professor für Biblische Studien am Tyndale Theological Seminary and Biblical Institute in Ft. Worth, Texas.

Donald Perkins ist Gründer und Vorsitzender von According to Prophecy Ministries in Lemon Grove, Kalifornien.

J. Randall Price, Th.M., Ph.D., ist Professor für Theologie und Bibel am Liberty Baptist Theological Seminary und Gründer und Vorsitzender von World of the Bible Ministries , In c. in San Marcos, Texas.

Clifford Rapp, Th.M., ist Professor für Theologie am Chafer Theological Seminary in Huntington Beach, Kalifornien.

Brian K. Richards, M.A., ist Th.M. (Doktorand) am Tyndale Theologieal Seminary and Biblical Institute in Ft. Worth, Texas.

Charles C. Ryrie, Th.M., Th.D., Ph.D., ist emeritierter Professor für Systematische Theologie am Dallas Theological Seminary . Er ist Autor, Dozent und Herausgeber der Ryrie Study Bible . Er lebt in Dallas, Texas.

Lonnie L. Shipman, M.A., ist Autor und Musikevangelist. Er lebt in Dallas, Texas.

Renald E. Showers, Th.M., Th.D., ist Autor und Mitarbeiter bei The Friends of Israel Gospel Ministry, Inc . Er lebt in Willow Street, Pennsylvania.

Michael D. Stallard, Th.M., Th.D., ist Professor für das Alte Testament am Baptist Bible Seminary in Clarks Summit, Pennsylvania.

Gerald B. Stanton, Th.M., Th.D., ist Vorsitzender von Ambassadors International und Professor an der Asia Graduate School of Theology . Er lebt in Palm Beach Gardens, Florida.

Irvin R. Starwalt, M.Div., S.T.M., Ph.D (Doktorand), ist Forscher für das Tyndale Theological Seminary and Biblical Institute in Ft. Worth, Texas.

Gary P. Stewart, M.Div., Th.M., D.Min. (Doktorand), ist Geistlicher in der US-Marine. Er lebt in Nammond, Oregon.

Kevin Stilley, M.Div., M.A., Ph.D. and D.Min. (Doktorand), ist Professor am Tyndale Theological Seminary and Biblical Institute in Ft. Worth, Texas.

Steve P. Sullivan, Th.M., D.Min. (Doktorand), ist Pastor und Lehrer für Biber und Theologie am Houston Bible Institute in Houston, Texas.

Paul L. Tan, Th.M., Th.D., ist Autor und Gründer und Vorsitzender von Bible Communications, Inc ., Dallas, Texas.

Robert L. Thomas, Th.M., Th.D., ist Autor und Professor für Neutestamentliche Sprachen und Literatur am The Master's Seminary in Stanton, Kalifornien.

Elmer Towns, Th.M., M.A., M.R.E., D.Min., ist Dekan für Religion an der Liberty University in Lynchburg, Virginia.

William Vamer, M.Div., S.T.M., M.A., ist Dekan des Institute of Biblical Studies, einem Zweig von The Friends of Israel Gospel Ministry, Inc ., Bellmawr, New Jersey.

 

DANKSAGUNG

Wegen der wachsenden Verwirrung über biblische Prophetie schien es mir wichtig, dass dieses Kompendium so bald wie möglich verfasst und veröffentlicht wurde. Das war ebenso das Anliegen der 54 Mitarbeiter, die ihre Beiträge in Rekordzeit fertigstellten. Für diesen Kraftakt, ihre Opfer und Hingabe spreche ich diesen gottesfürchtigen Lehrern meinen Dank und meine Anerkennung aus.

Ein spezieller Dank gilt auch Dennis Hillman, Verleger von Kregel Publications, und seiner Assistentin Rachel Warren. Besorgt um Genauigkeit und jedes Detail halfen sie dabei, innerhalb eines Jahres ein Projekt fertig zu stellen, dass bis zu seinem Abschluss auch gut und gerne drei Jahre hätte dauern können. Ein besonderer Dank geht auch an die Lektoren und Korrektoren von Kregel Publications. Ebenso spreche ich eine herzliche und dankbare Würdigung an die Mitarbeiter vom Tyndale Theological Seminary and Biblical Institute aus, sowie an John Baze und Dr. Russel Penney, die viele Stunden für die letzten Korrekturen an dem Projekt investierten.

 

ABFALL

Das griechische Wort apostasia wird im Neuen Testament zweimal gebraucht und wird wie folgt übersetzt: »im Stich lassen«, »abwenden«, »den Rücken zuwenden« ( Apg 21,21 ) beziehungsweise »Abfall«, »Abtrünnigkeit«, »Rebellion« oder »endgültige Auflehnung« ( 2Thes 2,3 ). Das Wort findet sich auch einige Male in der Septuaginta ( Jos 22,22; 2Chr 29,19 ; 1Esd 2,14.17; Esr 4,12.15 ; 1Makk 2,15). Im attischen Griechisch bedeutete das Wort »Auflehnung« oder »Lossagung« und fand auch Verwendung in den Papyri, um politische Aufständische zu bezeichnen, aber die meisten der biblischen und apokryphen Verweisstellen zielen auf den Glaubensabfall. Auf der Grundlage der Etymologie (griechisch apo [weg von] und stasis [stehend]) und der Bedeutung einiger verwandter Formen (aphistemi , apostasios ) haben einige Gelehrte auf die Wortbedeutung »körperliches Verlassens« geschlossen (besonders E. Schuyler English, K. Wuest und weitere, neuerlich auch H. Wayne House). Die theologisch bedeutsamste Schriftstelle ist 2Thes 2,3 , wo apostasia als eines von zwei Ereignissen erwähnt wird, die dem Tag des Herrn vorausgehen müssen. In diesem Text gibt es mindestens vier Sichtweisen über die Bedeutung von apostasia : 1. eine Bezeichnung für den Menschen der Sünde (Chrysostomus, Theophylaktus, Augustinus, Alford, Moffatt); 2. der Glaubensab fall, der dem zweiten Kommen Christi vorausgehen wird (Calvin, Chafer, Walvoord, Ryrie, Gundry); 3. die religionspolitische Rebellion gegen Christus, die in der Schlacht von Harmagedon ihren Höhepunkt findet (Hogg und Vine, Moore, Morris, Bruce) und 4. die Entrückung der Gemeinde im Sinne des körperlichen Fortgangs von der Erde (English, Wuest, House).

Ein entsprechender Begriff ist das griechische aphistemi (zurücktreten, fortgehen, abfallen oder verlassen). Es wird in 1Tim 4,1 verwendet, wo es mit »manche werden vom Glauben abfallen« übersetzt wird. Dieser Abfall soll sich in den späteren Zeiten ereignen. Er resultiert aus der Beachtung betrügerischer Geister und der Lehren von Dämonen. Dieser Wort wird auch übersetzt mit »fortgehen«, »abwenden«, »irreführen«, »das Ziel verfehlen«, »Schiffbruch erleiden«. In Hebräer 3,12 wird aphistemi für Menschen gebraucht, die den lebendigen Gott verlassen haben. Es meint hier eine vorsätzliche Abkehr von persönlichen Überzeugungen.

Zu den biblischen Beispielen Abgefallener gehören Judas Ischariot, Demas, Hymenäus und Alexander (vgl. 2Kor 4,10; 1Tim 1,20 ). Die Kirchengeschichte verzeichnet diesbezüglich neben anderen Julian den Apostaten (361-363 n.Chr.), den römischen Kaiser, der dem Christentum abschwor und die Rückkehr zum heidnischen Götzendienst im römischen Reich förderte. Ob solche Glaubensverleugnung offenbart, dass einer niemals wirklich wie dergeboren war oder dass einer sein Heil verloren habe, wird von der persönlichen Ansicht des Beurteilenden über Heilsgewissheit und Heilssicherheit der Heiligen abhängen.

J. Dwight Pentecost (S. 155) listet die folgenden Wesenszüge der künftigen abgefallenen Christenheit auf:

1. Leugnung Gottes ( 2Tim 3,4-5 )

2. Leugnung Christi ( 1Jo 2,18; 4,3 )

3. Leugnung der Rückkehr Christi ( 2Petr 3,3-4 )

4. Verleugnung des Glaubens ( 1Tim 4,1-2 )

5. Verleugnung der gesunden Lehre ( 2Tim 4,3-4 )

6. Leugnung der Moral ( 2Tim 3,1-8 )

7. Leugnung der göttlichen Autorität ( 2Tim 3,4 )

Siehe auch: Entrückung, biblisches Studium.

George Gunn und Edward Hindson

Bauer, Danker, Gingrich (Hrsg.), A GreekEnglish Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature (Chicago: University of Chicago Press, 1979); Colin Brown (Hrsg.), New International Dictionary of New Testament Theology , Bd. 1 (Grand Rapids: Zondervan, 1975); E. Schuyler English, ReThinking the Rapture (South Carolina: Southern Bible Book House, 1975); H. Wayne House, a paper presented to the Pre-Tribulation Study Group (1994); Liddell und Scott (Hrsg.), Greek-English Lexicon (Oxford: Clarendon, 1940); J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft (Dillenburg: CV, 1993); Arthur T. Robertson, Word Pictures in the New Testament , Bd. 4 (Grand Rapids: Baker, 1971); L. G. Whitlock, Apostasy in: Evangelical Dictionary of Theology , hrsg. von Walter Elwell (Grand Rapids: Baker, 1984).

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Gottes Bund mit Abraham wurde zum ersten Mal in Kraft gesetzt und begonnen in 1Mo 12,1-3 . Er wurde später erneuert in 1Mo 13,14-17 , ratifiziert in 1Mo 15 und unterzeichnet in 1Mo 17 . Er wurde noch einmal erneuert in 1Mo 22,15-18 . Bei jedem Mal wurde er erweitert. Bestätigt wurde er später dem Isaak ( 1Mo 26,3-5.24 ) und auch dem Jakob ( 1Mo 28,13-15; 35,9-12 ; vgl. 46,1-4 ); konsequenterweise wird er deshalb auch als Gottes »Bund mit Abraham, Isaak und Jakob« bezeichnet ( 2Kö 13,23 ).

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Der Begriff des Bundes in der Schrift

Bund bedeutet eine Vereinbarung oder einen Vertrag zwischen zwei Parteien, welcher die eine oder beide Parteien an bestimmte Verpflichtungen bindet. In der Schrift finden sich viele Arten von Bundesschlüssen, dazu gehören rechtmäßige Vereinbarungen zwischen Völkern, einzelnen Personen, Königen und ihren Untertanen, Einzelpersonen und kleinen Gruppen, Mann und Frau, und zwischen Menschen und Gott. Diese letzte Art von Bund kann von Menschen herbeigeführt werden ( 2Kö 11,17; Esr 10,2-3 ) oder von Gott. Der Abrahamitische Bund ist ein göttlicher Bund, da er von Gott eingeführt wurde.

Biblische Bundesschlüsse ähneln in ihrer Form meist sehr genau den Verträgen der Hethiter, besonders denen zwischen Lehnsherren und Vasallen. Biblische Bundestexte enthalten gewöhnlich ähnliche Bestandteile wie hethitische Vertragstexte, wie z.B. eine Präambel, einen geschichtlichen Prolog, Vereinbarungen, Vertragsbedingungen des Textes, die Anführung von Augenzeugen, Segen und Fluch, und die Ausführung eines Ritus zur Bestätigung.

Ein Bund war beides, feierlich und bindend. Die Ehre des Mannes, sogar sein Leben stand bei einem Bundesschluss auf dem Spiel. Deshalb war die Einrichtung des Bundes für Abraham und die Menschen seiner Zeit ganz selbstverständlich, eine formell eingebundene, wichtige und feierliche Angelegenheit, an die man unwiderruflich gebunden war. Ein beidseitiger Bund war für beide Parteien absolut verbindlich; beide waren den festgesetzten Bedingungen verpflichtet. Ein einseitiger Bund war nur für einen Teil bindend, nämlich für den, der die Bedingungen festsetzte. Der Abrahamitische Bund ist ein einseitiger, ein göttlicher Bund, bei dem Gott allein sich dazu verpflichtet, eine Reihe von Werken an Abraham und seiner Nachkommschaft zu vollbringen. Er kann nicht umgekehrt werden (sonst würde Gott sich als untreu erweisen) und auch nicht durch das Versagen Abrahams oder seiner Nachkommen annulliert werden, denn das Bestehen und Fortdauern des Bundes hängt nicht von der Treue Abrahams oder seiner Nachkommen ab, sondern von Gott allein.

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Die Wichtigkeit des Bundes

Vom Standpunkt des Auslegers gesehen ist der Abrahamitische Bund ein einzelnes, höchst wichtiges Ereignis im Alten Testament. Er regelt Gottes vollständigen Plan mit Israel und den Nationen und ist daher bestimmend für Gottes Plan für die Geschichte. Der Abrahamitische Bund ist grundlegend für die gesamte Schrift. Er ist der Schlüssel zu beiden Testamenten, dem Alten und dem Neuen, und er ist grundlegend für den gesamten Erlösungsplan. Alle nachfolgende Offenbarung ist das Ergebnis dieses Bundes. Dieser Bund und die anschließenden Rahmenbedingungen sind der Schlüssel zum Verständnis der Schrift.

Das Wesen von Gottes Bund mit Abraam besteht aus drei bestimmenden Aspekten: Lan d, Samen und Sege n. Jeder der noch folgenden Bundesschlüsse Gottes ist eine Auswirkung des Abrahamitischen Bundes. Der Bund des verheißenen Landes ( 5Mo 28-30 ) erweitert den Aspekt des Landes vom Abrahamitischen Bund. Der Davidsbund ( 2Sam 7,8-17 ) erweitert den Aspekt des Samens, und der Neue Bund ( Jer 31,27-37; Hes 36,22-32 ) erweitert den Aspekt des Segen s. Der Abrahamitische Bund ist daher die Quelle, aus dem die anderen herausfließen und somit bestimmend für die ganze Entfaltung von Gottes Plan, sowohl in Bezug auf Israel als auch auf die Nationen. Außerdem ist er der Schlüssel zur biblischen Eschatologie. Der Abrahamitische Bund ist in der Tat der Eckpfeiler des Prämillenialismus. Die Frage ist, ob der Bund wörtlich verstanden werden muss.

Eine wörtliche Deutung setzt das ewige Fortbestehen Israels als Volk voraus und dessen Wiederherstellung im verheißenen Land zu Segen und ewigem Besitztum.

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Der Hintergrund des Bundes

Zur Zeit Abrams hatte sich die Gottlosigkeit erneut über die Erde ausgebreitet. Tarah, Abrams Vater, war ein Götzenanbeter ( Jos 24,2 ), und Abraham selbst vermutlich auch. Göttliches Eingreifen war erneut erforderlich. Statt wie dereinst die Gottlosen zu vernichten, erwählt Gott Abram aus einem götzendienerischen Land heraus, um ein neues Volk zu gründen, durch das er der ganzen Welt Segen bringen würde. Um ausschließlich mit Abram zu handeln, musste Gott ihn von seiner Familie und seiner Umgebung absondern. Deshalb erteilte er Abram einen dreifachen Befehl. Abram sollte (1) sein Land, (2) sein Vaterhaus und (3) seine Verwandschaft verlassen ( 1Mo 12,1 ). Abram gehorchte dem ersten dieser drei Befehle und verließ sein Land, Ur in Chaldäa. Er ging so schnell wie möglich nach Haran und ließ sich dort nieder. Er blieb dort, bis sein Vater starb. Warum er seinen Vater dorthin brachte und warum er in Haran blieb, ist nicht sicher. Aber es ist bedeutsam, dass Gott Abram so lange nicht erschien, bis er den zweiten Teil von Gottes Anweisungen befolgt hatte, nämlich das Haus seines Vater zu verlassen (hier sollte erwähnt werden, dass 1Mo 12,1-3 eingebettet ist in den Bericht). Und als Abram sich auch von Lot, seinem Neffen, trennte und damit den dritten Teil der Anweisungen Gottes erfüllte, erschien ihm Gott ein drittes Mal ( 1Mo 13,14 ) und wiederholte die Verheißungen, die er ihm in Kapitel 12,1-3 gegeben hatte.

Diese neuen Verheißungen sollten durch ein völlig neues Volk erfüllt werden. Gott adoptierte weder eine Familie noch handelte er mit einem bereits existierenden Volksstamm. Gott veränderte das Leben eines einzigen Mannes, Abram, radikal, indem er ihm erschien ( Apg 7,2 ) und ihn zum »Vater« eines neuen Volkes berief, eines auserwählten Volkes, dem Volk Gottes. Gott offenbarte sich also selbst dem Abram, und der glaubte daran, dass Gott seine Verheißung auch erfüllen und treu zu seinem Wort stehen würde.

Abrams Weg der physischen Absonderung, weg vom Allgemeinen (dein Land) hin zum Besonderen (deines Vaters Haus) ist im geographischen Sinn historisch, außerdem mag er den theologischen Anhaltspunkt einer geistlichen Absonderung beinhalten, ausgehend von der Peripherie und endend im innersten Zentrum.

Gott berief Abram, um ihn (physisch) abzusondern von allem, was er kannte (Land, Verwandschaft, Vaterhaus) und um ihn (im geistlichen Sinne) abzusondern von allem früheren Götzendienst. Er beanspruchte ihn für sich allein.

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Die Einführung und die Verheißung des Bundes

In 1Mo 12,1-3 wird der Bund eingeführt und die Verheißungen werden in Kraft gesetzt. Diese Verse sind ein Einschub zwischen Kapitel 11,32 und 12,4 . Sie erklären, warum Abram die Reise von Ur ( 11,31 ) nach Kanaan macht. Gott war ihm in Ur erschienen ( Apg 7,2 , s.o.) und gab ihm die in 1Mo 12,1-3 festgehaltenen Verheißungen, Verheißungen, die den Ereignissen in Kapitel 11,31 vorausgingen. Drei wichtige Aspekte dieser Verheißung, die sorgfältig unterschieden werden sollten, sind der Inhalt, die Empfänger und die Segnungen der Verheißung. Der Inhalt der Verheißung ist dreifach: Es wurden Verhei ßungen gegeben, die das Land betrafen, den Samen und den Segen (an dieser Stelle nicht genauer bestimmt). Zu diesem Zeitpunkt war der Empfänger der Verheißung Abram allein (zu diesem Zeitpunkt), obwohl ihm gesagt wurde, dass die Nutznießer Abram selbst, sein Same (Nachkommen) und alle Familien der Erde waren ( 1Mo 12,1-3; 13,15; 15,18; 17,7-8 ). Später wurde die Verheißung auf Issak ( 17,19; 26,24-25 ), Jakob ( 28,13-15 ) und die Söhne Jakobs ( 28,14; 35,12 ; 5Mo 4,40; 29,1-9 ) als Empfänger des Bundessegens ausgeweitet, durch die sich die Verheißungen erfüllen würden.

So besteht die Verheißung des Bundes aus persönlichen Segnungen für Abram, nationalen Segnungen für Abrams Nachkommen und universellen Segnungen für alle Völker. Diese Verheißung ist sozusagen das Saatbeet von Gottes gesamten Plan für Israel und die Völker der Welt. In Hinsicht auf den persönlichen Segen wird Abram verheißen, dass er der Vater einen großen Nation werden soll ( 1Mo 12,2 ); weitere Völker werden von ihm abstammen, sogar Könige ( 1Mo 17,6 ); sein Name wird groß werden und er selbst wird ein Segen sein; er wird geistlichen und materiellen Segen empfangen; und er wird das Land zum ewigen Besitz erhalten ( 1Mo 12,1; 13,15; 17,8 ). Abrams Nachkommen ist Segen und der ewige Besitz des Landes verheißen ( 12,7; 13,15; 15,8; 17,8 ). Außerdem wird Abram das generelle Versprechen gemacht, dass die Nationen durch ihn gesegnet werden sollen. Obwohl dieser Segen hier nicht genauer beschrieben wird, sollte später im weiteren Verlauf der Offenbarung das Wesen dieser Segnungen klar werden.

Wenn wir die Spur des Auswirkens und der Erfüllung des Abrahamitischen Bundes verfolgen, ist es unbedingt notwendig, sorgfältig zwischen den verschiedenen Aspekten der Verheißung zu unterscheiden. Wenn die einem bestimmten Empfänger zugeschriebenen Segnungen auf andere angewandt werden, kann das Ergebnis nur Verwirrung sein. Der landbezogene Aspekt der Verheißung ist auf Abraham und seine natürlichen Nachkommen beschränkt, genauer gesagt auf Isaak und Jakob. Da Abraham unter dem Begriff Samen nur seine leiblichen Nachkommen verstehen konnte, und da die Verheißung des Landes später zunächst auf Isaak begrenzt wurde (Ismael wurde damit enterbt; 1Mo 17,15-21 ) und dann auf Jakob (womit Esau enterbt wurde; 1Mo 25,23; 27,29.33; 28,13-15 ), gilt sie nur dem Volk Israel, beginnend mit Abram. Diese Unterscheidung muss konsequent durchgeführt werden. Wenn man sagt, die Verheißung an Abram habe sich in der Gemeinde erfüllt, ignoriert man die Tatsache, dass das Land niemals der Gemeinde oder den Nationen verheißen wurde, sondern allein Israel. Man kann auch nicht sagen, dass die Gemeinde als Abrams geistliche Nachkommenschaft die Erfüllung der Verheißung an Abram ist. Seit wann war die Gemeinde im fortdauernden Besitz des Landes und seiner Umgebung? Wir können »Land« nicht vergeistlichen und mit dem Himmel oder irgendeiner anderen christlichen Erfahrung gleichsetzen. Als Abram auf kanaanitischem Boden stand ( 1Mo 13,14-18 ), befahl Gott ihm, seine Augen aufzuheben und in alle vier Himmelsrichtungen zu blicken, von dort aus, wo er gerade stand. Alles Land, das Abraham sah, versprach Gott ihm und seinen Nachkommen für immer. Die Grenzen dieses Landes sind in 1Mo 15,18-21 umrissen. Abram und seinen Nachkommen wurde buchstäblich ein geographisches, irdisch reales Land zum ewigen Besitztum versprochen. Nur durch Israel kann diese Verheißung erfüllt werden, und nur dann, wenn Israel im immerwährenden Besitz dieses Landes ist, dessen Grenzen in 1Mo 15,18-21 beschrieben werden.

Manche benutzen Gal 3 und sagen, dass die Gemeinde als das neue Israel die Verheißung erfüllt, die Abram gegeben wurde. Wenn Christus der Same Abrahams ist ( Gal 3,16 ), dann sind diejenigen, die in Christus sind, ebenso Abrahams Same ( Gal 3,29 ). Da die Gemeinde eindeutig der Same Abrahams ist, muss man die Verheißungen des Abrahamitischen Bundes irgendwie als in der Gemeinde erfüllt betrachten. Also müssen die landbezogenen Verheißungen vergeistlicht oder wegen Israels Ungehorsam als außer Kraft gesetzt betrachtet werden. Es trifft zu, dass Galater 3 lehrt, dass die Gläubigen in Christus (d.h. die Gemeinde) der Same Abrahams sind.

Es trifft ebenso zu, dass dieselben auch Erben des Abrahamitischen Bundes sind. Aber Paulus' zentraler Gedanke in Galater 3 ist, dass die Heiden, die in Christus sind, nur den universalen Segensaspekt des Abrahamitischen Bundes erbten und zwar als Heide n. Sie brauchten nicht erst Juden werden und sich dem Gesetz unterwerfen. Das bedeutet nicht, dass sie unter all die Verheißungen gekommen sind, die dem Abraham persönlich bzw. seinen Nachkommen in physischem oder nationalen Sinn gegeben wurden. Die Schrift unterscheidet drei Arten von Nachkommen Abrahams: (1) die leiblichen Nachkommen Abrahams, die aber seinen Glauben nicht hatten und auch nicht Erben der Verheißungen des Bundes wurden; (2) die leiblichen Nachkommen Abrahams, die auch Abrahams Glauben hatten und sämtliche Bundesverheißung erbten, das Land inbegriffen; und (3) die geistliche Nachkommenschaft Abrahams, in deren Adern zwar nicht Abrahams Blut fließt, die aber seinen Glauben haben und die den universellen Aspekt des Abrahamitischen Bundessegens erben. Es ist diese dritte Art, auf die sich Paulus im Galaterbrief bezieht. (Es gibt natürlich noch eine vierte Art: Christus, der endgültige Nachkomme Abrahams.)

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Der Charakter des Bundes

Die Gemeinde kann nur dann das neue Israel und Erbe der Verheißungen sein, die Israel im Abrahamitischen Bund gegeben wurden, wenn entweder (1) der Abrahamitische Bund an Bedingungen geknüpft ist oder (2) die Verheißungen des Bundes vergeistlicht werden. Keine andere Alternative wäre annehmbar. Eine konsequente wörtliche Auslegung des Abrahamitischen Bundes führt notwendigerweise zum heilszeitlich orientierten Prämillennialismus und zur unvermeidlichen Schlussfolgerung, dass Israel und die Gemeinde, obwohl beide Nutznießer des Abrahamitischen Bundes, unterschiedliche Einheiten sind, denen jeweils unterschiedliche Verheißungen gegeben wurden. Nur durch Vergeistlichung der landbezogenen Verheißungen im Abrahamitischen Bund kann man deren Erfüllung in der Gemeinde finden.

Andere, die eine nicht wörtliche Auslegung zu Recht verwerfen, argumentieren, dass der Abrahamitische Bund in seinem Wesen bedingt ist und dass Israels Ungehorsam die Verheißungen ungültig gemacht habe, so dass Gott nicht mehr daran gebunden sei, seine Verheißungen an Israel in Bezug auf das Land und die damit verbundenen materiellen Segnungen zu erfüllen. Aber der Abrahamitische Bund ist eindeutig kein an Bedingungen geknüpfter Bund. Er muss aus folgenden Gründen als bedingungslos angesehen werden:

1. Der Bund datiert die Verheißung nach. Das heißt, jegliche Bedingungen, die dem Bund hinzugefügt würden und ihn damit zu einem beiderseitigen Bund machten (und solche gab es nicht), wären ungültig, weil die Verheißung gegeben wurde, bevor der Bund bestätigt wurde.

2. Der Bund ist einseitig, indem Gott allein durch die Verpflichtungen des Bundes gebunden ist. Keine Art von Verpflichtung wurde Abram im Zusammenhang mit der Bestätigung des Bundes auferlegt ( 1Mo 15,9-21 ). Tatsächlich war Abram ausgeschlossen vom Durchschreiten der Opfertierstücke zur formalen Bestätigung des Bundes. Gott allein ging zwischen den zerteilten Tieren hindurch ( 1Mo 15,7 ) und band sich ewig und unwiderruflich an sein Versprechen an Abram. Gott bestätigte deshalb seinen Schwur an Abraham durch ein Blutbund. Das bedeutet, Gott allein konnte den Bund brechen, weil Gott allein an den Bund gebunden ist. So hängt der Bestand und die Fortdauer dieses Bundes nicht von Zusagen beider Seiten ab (Gott und Abram), sondern von Gott allein.

3. Es wird ausdrücklich gesagt, dass er ewig und deshalb bedingungslos ist ( 1Mo 13,15; 17,7.13.19; 48,4; 1Chr 16,17; Ps 105,10 ).

4. Er wird erneuert und bestätigt gegenüber Abraham, Isaak, Jakob und dem Volk Israel nach wiederholtem Ungehorsam auf Seiten eines jeden von ihnen.

5. Der Landbund und der Bund Davids gründen sich auf den Abrahamitischen Bund. Wenn der Abrahamitische Bund, der das Eigentumsrecht des Landes verbrieft, annulliert wird, dann wären diese beiden Bundesschlüsse überflüssig.

6. Die ganze Geschichte Israels in beiden Testamenten (und darüber hinaus) bestätigen den bedingungslosen Charakter des Bundes. Die wörtliche, geschichtliche Erfüllung der Auswirkung dieses Bundes erfordert teilweise die wörtliche Erfüllung von noch ausstehenden Ereignissen.

Trotzdem gibt es ein konditionales Element bei diesem Bund. Vom göttlichen Standpunkt aus ist dieser Bund bedingungslos in der Hinsicht, dass Gott seine Verheißungen erfüllen wird . Ungehorsam hebt den Bund nicht auf. Er bestimmt jedoch, ob ein Einzelner oder eine Personengruppe für die Segnungen des Bundes qualifiziert sind. Jedes Mitglied der Bundesgemeinschaft konnte seinen Anteil an den Segnungen des Bundes verwirken, jedoch nicht solche Segnungen, die seine Nachkommen oder Erben für die Ewigkeit betrafen. Die Bedingtheit hängt nicht am göttlichen Versprechen, sondern an den beteiligten Menschen, denen diese Versprechen zugute kommen sollten. Dies wird offensichtlich in der Erzählung über die frühen Erfahrungen der ersten beiden »Generationen« Israels.

Weil die erste Generation Israels (aus Ägypten befreit) Gott bei Kadesh-Barnea keinen Glauben schenkte, verweigerte ihr der Herr, das Land zu betreten. Er ließ sie vierzig Jahre lang in der Wüste umherwandern, bis diese Generation gestorben war ( 4Mo 14,20 ). Dann führte er ihre Söhne in das Land. Auch die Söhne wurden vor den Konsequenzen des Ungehorsams gewarnt. Sie standen ebenso in Gefahr, ihre Segnungen in dem Land zu verwirken, wenn sie nicht gehorchten. Fortgesetzter Ungehorsam sollte zum Ergebnis haben, aus dem Land selbst ins Exil und in Gefangenschaft in fremde Länder zu geraten ( 3Mo 26; 5Mo 28-30 ). Der Bund beinhaltete jedoch das Versprechen, dass sie in das Land zurückgebracht würden, falls sie Buße täten ( 5Mo 30,1-10 ). Mit anderen Worten, Gott wird Israel im verheißenen Land für immer einen Platz zuweisen. Er braucht nur ein gläubiges und gehorsames Volk, um dieses Versprechen zu erfüllen. Wie wird er es erreichen, dass eine Generation ihm für immer gehorsam und außerdem geeignet ist, das Land für ewig zu besitzen? Israel wird eines Tages Buße tun, dann wird ihm vergeben werden, es wird gereinigt und erneuert werden ( 5Mo 30,6; Sach 12,10-14; Jer 31,31-34; Hes 36,22-32 ).

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Die Bestätigung des Bundes ( 1Mo 15 )

Sofort nach der Befreiung seines Neffen Lot aus der Gewalt Kedorlaomers und der mit ihm verbündeten Könige lehnte Abram es ab, die Siegesbeute, die ihm durch den König von Sodom angeboten wurde, anzunehmen. Obwohl er dies aus der richtigen Motivation heraus tat ( 1Mo 14,22-23 ), begann Abram sich offenbar zu fragen, ob seine Entscheidung weise gewesen war ( 15,1-3 ). Gott reagierte auf Abrams wankenden Glauben und wiederholte seine dreifache Verheißung für Abram bezüglich des Landes, seiner Nachkommenschaft und des Segens. Gott kehrte nun die Reihenfolge um und versicherte Abram, dass in Bezug auf den Segen seine Belohnung sehr groß sein würde ( 15,1 ); im Blick auf die Nachkommenschaft würde er der Vater unzähliger Nachkommen sein, die aus seinem Leib hervorgehen sollen ( 15,4-5 ); und auch das Land würde Abram besitzen ( 15,7 ).

Als Abram um Bestätigung bat, ob das Land tatsächlich ihm gehöre ( 15,8 ), bekräftigte Gott sein Versprechen durch einen Blutbund ( 15,8-21 ). Da eigentlich nur ein einziges Tier für einen Blutbund benötigt wurde, betont die Vielzahl von Tieren hier die große Bedeutung dieses Bundes. Normalerweise war es üblich, dass bei einem Blutbund beide Partner zwischen den Opferstücken hindurch schritten und sich gegenseitig einem unveränderlich Bund verpflichteten. Hier jedoch wurde Abram in einen tiefen Schlaf versetzt ( 15,12 ) und Gott allein schritt durch die Opferstücke hindurch ( 15,17 ). So wurde Abram Empfänger und Nutznießer dieses göttlichen Bundes, aber nicht teilnehmender Partner. Daher hängt das Bestehen und Fortdauern dieses Bundes nicht von Abram ab. Da nicht Abram diesen Bund schloss, kann er den Bund auch nicht brechen. Gott allein nahm den Schwur und die Ratifizierung auf sich und band sich an eine unveränderliches Verheißung und die Unumkehrbarkeit des Laufs der Dinge. Dies ist also ein einseitiger Bund und daher in Bezug auf seine Erfüllung nicht an Bedingungen geknüpft. Abraham und sein Same (leibliche Nachkommen durch Isaak und Jakob), Israel, werden das Land für immer besitzen.

In Verbindung mit der Bestätigung dieses Bundes ist es wichtig zu wissen, dass (1) die geographischen Grenzen fest umrissen wurden ( 15,18-21 ) und (2) das Schicksal des Samens Abrahams im Blick auf ihre Versklavung in Ägyten und ihre Befreiung vierhundert Jahre später nicht nur vorausgesagt wurde, sondern sich wörtlich erfüllte. Die wörtliche Erfüllung der Versklavung und Befreiung Israels sowie ihr Eintritt in das verheißene Land ist ein Argument für die gleiche wörtliche Erfüllung der Verheißung ihres ewigen Besitztums dieses Landes.

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Das Zeichen des Bundes ( 1Mo 17,1-27 )

Unmittelbar nachdem Abram im Glauben versagt hatte ( 1Mo 16 ), wiederholte Gott die Bundesverheißungen an Abram ( 17,1-8 ). Er stellte sich selbst als »Gott, der Allmächtige« vor und betonte damit seine Fähigkeit, gegebene Versprechen zu erfüllen ( 17,1 ). Abrams Name (»mein Vater ist erhaben«) wurde geändert in Abraham (»Vater einer Menge«). Die Beschneidung wurde als Zeichen Abrahamitischen Bundes eingeführt ( 17,9-14 ). Sie bedeutete nicht die Einführung eines neuen gesonderten Bundes, sondern sie war ein Zeichen für den bereits bestehenden Abrahamitischen Bund. Gehorsam auf Seiten des Bundesvolkes zeigte die Realität ihres Glaubens und erwies es als geeignet für den Segen im Sinne der Zusagen des Bundes. Wenn ein Vater seinen Sohn beschnitt, so tat er dies im Glauben an die Bundesverheißungen und aus dem Wunsch heraus, dass sein Sohn für diesen Bund geeignet sein sollte.

Die Beschneidung weist also ein Volk als würdig zum Segen aus. Sie allein garantiert jedoch nicht den Segen. Glaube war notwendig. Doch das Fehlen der Beschneidung schloss von der Bundesgemeinschaft aus ( 17,14 ). Ismaels Beschneidung war notwendig, nicht um Erbe des Bundes zu sein und diesen fortzusetzen, sondern einfach, weil er Mitglied der Bundesgemeinschaft war. Auch die ausländischen Sklaven mussten beschnitten werden ( 17,13 ). Die Beschneidung gewährleistete jedoch nicht Ismaels fortdauernde Eignung für den Bund. Obwohl er beschnitten war, wurde er aufgrund seines Unglaubens und seiner Feindschaft gegen das Bundesvolk verbannt.

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Die historische Erfüllung des Bundes

Viele der Abraham gegebenen Verheißungen haben sich in der Geschichte erfüllt, und zwar wörtlich. Abraham wurde mit materiellem und weltlichen Dingen reichlich gesegnet. Er besaß Land, Sklaven, Viehherden, Silber und Gold. In geistlicher Hinsicht verbrachte er ein glückliches Leben sowohl in der Trennung von Gott, als auch in Gemeinschaft mit Gott (er wurde als Freund Gottes bezeichnet), er erlebte Gottes Hilfe und hatte Frieden und Sicherheit durch ein Leben im Gehorsam und in der Abhängigkeit von Gott. Abraham hatte auch (schon zu Lebzeiten) einen großen Namen, der sogar heute noch in den drei größten Religionen der Welt (Judentum, Islam und Christentum) sehr angesehen ist. Er besaß einen Erben durch Sara; er hatte unzählige Nachkommen, er war (und ist noch) ein Strom des Segens für andere (z. B. für seine eigene Familie und Sippengemeinschaft, für seine Nachkommen und für die ganze Welt). Mehr als das: Die Geschichte hat Segnungen und Flüche des Abrahamitischen Bundes hervorgebracht. Völker, die Israel verfolgt und verflucht haben, sind von Gott verflucht worden. Solche, die Israel gesegnet haben, hat Gott gesegnet.

 

ABRAHAMITISCHER BUND

Die eschatologische Dimension des Bundes

Der mit Israel geschlossene, wörtlich verstandene Abrahamitische Bund war nicht an Bedingungen geknüpft und enthält nicht notwendigerweise eine besondere eschatologische Dimension. Die Nation Israel als leiblicher Same Abrahams muss bestehen bleiben. Wenn Israel das Land für immer besitzen soll, dann muss es auch ewig existieren. Dies ist nicht nur im Abrahamitischen Bund enthalten, sondern wird auch sonst in der Schrift bekräftigt ( Ps 89,29-37; Jer 31,35-37; 33,19-26; 46,28; Am 9, 8-15 ). Trotz Israels Ungehorsam wird es als Volk bewahrt werden. Israel wird in dem verheißenen Land wiederhergestellt werden, aber für seinen Ungehorsam strenge Zucht erleiden. Durch diese wird es jedoch zur Buße gebracht. Israel wird eine nationale Umkehr und eine geistliche Erneuerung erleben, die es zum ewigen Besitztum des Landes und damit verbundenen materiellen und geistlichen Segen ausrüsten wird. Israel wird zum Segensstrom für alle Völker der Erde werden. Der Abrahamitische Bund garantiert Israel den immerwährenden Besitz des Landes und die Segnungen in diesem Land, wie es geographisch in 1Mo 15 umrissen ist. Abraham, Isaak, Jakob und seine Söhne, die am Glauben ihrer Väter und an ihrer Eignung für den Bund Anteil hatten, werden auferweckt werden und ihren Platz in dem verheißenen Land zugewiesen bekommen, um es für ewig zu besitzen ( Mt 22,23-32; Apg 26,6-8; Hebr 11,13 ).

Im Abrahamitischen Bund inbegriffen ist ebenso der universelle Segen, durch den alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen ( 1Mo 12,3 ). Dieser Segen reicht bis in das Zeitalter der Gemeinde und bis ins Tausendjährige Reich hinein. Durch sein Blutvergießen am Kreuz besiegelte Christus den Neuen Bund ( Mt 26,26-29; Mk 14,24; Lk 22,17-20 ), der besonders Israel verheißen war ( Jer 31,31 ). Der Neue Bund verstärkt den universellen Aspekt der Segnungen des Abrahamitischen Bundes. Und während Israel durch seinen Unglauben derzeit diese Segnungen verwirkt hat, ist die Gemeinde durch ihre Verbindung mit dem Mittler des Neuen Bundes Erbe der geistlichen Segnungen dieses Bundes (Vergebung der Sünde, geistliche Erneuerung, Innewohnung des Heiligen Geistes usw.; siehe Jer 31,33-34; Hes 36,25-27 ) geworden. Wenn Israel umkehrt und Christus annimmt, wird die Nation all diese geistlichen Segnungen und die Wiederherstellung in dem Land der Verheißung samt den damit verbundenen materiellen Segnungen erben ( Hes 36,22-38 ).

Siehe auch: Bundesschlüsse.

Steven L. McAvoy

Willis J. Beecher, The Prophets and the Promise (Grand Rapids: Baker, 1975); Paul N. Benware, Understanding End Times Prophecy: A Comprehensive Approach (Chicago: Moody Press, 1995); Clarence E. Mason Jr., Prophetic Problems With Alternate Solutions (Chicago: Moody Press, 1973); J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft (Dillenburg: CV, 1993) and Thy Kingdom Come (Wheaton: Victor Books, 1990); Charles C. Ryrie, The Basis of the Premillennial Faith (Neptune, N.J.: Loizeaux Brothers, 1953); Bruce K. Waltke, »The Phenomenon of Conditionality within Unconditional Covenants« in Israel's Apostasy and Restoration , hrsg. von Abraham Gileadi (Grand Rapids: Baker, 1988); John F. Walvoord, »The Abrahamic Covenant and Premillennialism« in Vital Prophetic Issues , hrsg. von Roy B. Zuck (Grand Rapids: Kregel, 1995), und The Millennial Kingdom (Grand Rapids: Zondervan, 1959).

 

ALBURY-KONFERENZEN

Die Albury-Konferenzen (1826-30) waren ein jährliches Zusammentreffen englischer Geistlicher und Anwälte zum Studium biblischer Prophetie auf dem Landgut von Henry Drummond (Albury House) in Albury, England. Die Albury Konferenz darf nicht - wie es manchmal geschieht - mit der späteren Powerscourt-Konferenz (1830-33) durcheinander gebracht werden.

Zu den Albury-Konferenzen versammelte man sich »zu dem Zweck, die Schrift zu untersuchen - und insbesondere die prophetischen Schriften - mit Blick auf die Interpretation der politischen und sozialen Ereignisse des Tages und auch auf die Bestimmung des Umfangs, in dem biblische Prophezeiungen sich bereits im Leben Christi und in der Geschichte des Christentums erfüllt hatten, um es so zu ermöglichen, die Prophetien auszumachen, deren Erfüllung noch in der Zukunft zu erwarten war.« Möglicherweise wurde dieses Inte resse geweckt durch die Betroffenheit über die Ideen der radikalen Demokratie, die von der Französichen Revolution verfochten wurden. Viele Evangelikale sahen diesen Zusammenbruch der europäischen Gesellschaft als den Auftakt zur prämillenialistischen Wiederkehr Christi an und nicht als Beitrag dazu, ein postmillenialistisches Königreich voranzutreiben, wie es von Daniel Whitby populär gemacht wurde. Der Postmillenialismus war während des 18. Jahrhunderts in Europa vorherrschend, aber nach 1800 im Niedergang begriffen.

Die vierzig Teilnehmer von Albury beinhalteten Anglikaner, Independenten, Presbyterianer, Methodisten und Moravianer. Die Mehrzahl von ihnen waren Anglikaner und zwei Drittel waren geistliche Amtsträger. Die Konferenz wurde dominiert von Drummond, der den Vorsitz führte, und von Edward Irving. Es ist nicht überraschend, dass Albury als ein Sprungbrett zur Konsolidierung der Catholic Apostolic Church (Irvingianer) diente.

Die Konferenz brachte folgende Erklärungen hervor, von denen man glaubt, dass sie die Zustimmung aller Teilnehmer fanden.

1. Die gegenwärtige christliche Heilszeit könne nicht durch einen graduellen Zuwachs der Verkündigung des Evangeliums nahtlos in den Zustand des Tausendjährigen Reiches übergehen, sondern müsse durch ein Gericht beendet werden, welches die Zerstörung der sichtbaren Kirche und Verfassung beinhaltet, so wie auch die jüdische Heilszeit beendet worden war.

2. Während der Zeit, in der diese Gerichte über das Christentum hereinbrechen wird, würden die Juden in ihrem eigenen Land wiederhergestellt werden.

3. Das Gericht werde vornehmlich, wenn nicht ausschließlich, über das Christentum hereinbrechen und bei dem Teil der Kirche Gottes beginnen, der am meisten bevorzugt wurde und deshalb die höchste Verantwortung trägt.

4. Der Beendigung dieses Gerichtes werde ein Zeitabschnitt universalen Segens für die ganze Menschheit und sogar für die Tierwelt folgen, der gewöhnlich als Tausendjähriges Reich (Millenium) bezeichnet wird.

5. Das zweite Kommen des Messias werde dem vorangehen oder zu Beginn des Tausendjährigen Reiches stattfinden.

6. Eine lange Periode von 1.260 Jahren habe mit der Herrschaft des Justinian begonnen und mit der Französischen Revolution geendet. Danach habe das Ausgießen der Zornesschalen der Offenbarung begonnen.

7. Unser gesegneter Herr werde in Kürze erscheinen und aus diesem Grunde sei es die Pflicht aller, die daran glauben, diese Erkenntnisse an die übrige Menschheit weiterzugeben.

Während Albury eine klare Segnung für die Ansicht des Prämillenialismus war, reflektierte es doch nich die ältere historische, nicht futuristische, prophetische Sichtweise, wie man an Punkt 6 der Erklärung erkennen kann. Albury hat mehr mit dem adventistischen Prämillenialismus gemeinsam als mit dem sich bald konsolidierenden heilszeitlich orientierten Prämillenialismus. Albury ist ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Prämillenialismus.

Thomas Ice

Henry Drummond, Dialogues on Prophecy , 3 Bd. (Lonon: Nisbet, 1828-29); Columba Graham Flegg, Gathered Under Apostles: A Study of the Catholic Apostolic Church (Oxford: Clarenden Press, 1992); Le Roy E. Froom, The Prophetic Faith of our Fathers , Bd. 3 und 4 (Washington, D.C.: Review an Herald, 1948-54).

 

AMILLENNIALISMUS

Aus amillenialistischer Sicht erfüllen sich die Reichsverheißungen aus dem Alten Testament durch die neutestamentliche Gemeinde viel mehr in geistlicher Weise als in wörtlicher. Solche, die diese Sicht teilen, glauben, dass Christus buchstäblich wiederkommt, aber sie glauben nicht an seine tausendjährige Regentschaft auf der Erde. Gemäß der amillennialistischen Sichtweise ist das Reich Gottes im Zeitalter der Gemeinde gegenwärtig, und das zweite Kommen Christi am Ende dieses Zeitalters führt den ewigen Zustand herbei. Das Buch der Offenbarung wird verstanden als eine Beschreibung von Ereignissen, die während des Zeitalters der Gemeinde stattfinden.

Diese Art der allegorischen Auslegung kann man in der Zeit Platons beobachten, als der offensichtliche Hedonismus der Götter symbolisch gedeutet wurde, um sie akzeptabel zu machen. Unfähig, ihre Sichtweisen mit der wörtlichen Auslegung der Schrift in Einklang zu bringen, begannen die frühen jüdischen Kommentatoren zu allegorisieren. Die Rabbis von Alexandria in Ägypten begannen allegorisch zu lehren, um der heidnischen Kritik des Alten Testament Rechnung zu tragen.

Philip Schaff hilft uns bei der Bestimmung, was kulturell und historisch geschah und was das verbreitete wörtliche Verständnis des Tausendjährigen Reiches in der Offenbarung zunichte machte und den Weg für eine amillenialistische Sichtweise in der frühen Kirche öffnete. Schaff schreibt: »In Alexandrien widerstand Origines dem Chiliasmus als einem jüdischen Traum und vergeistigte die symbolische Sprache der Propheten. ... Aber der überwältigende Einfluss kam durch den großen Wechsel in der sozialen Lage und die Aussichten während der nicäischen Zeitepoche. Nachdem das Christentum entgegen allen Erwartungen im Römischen Reich triumphierte und sogar von den Kai sern selbst angenommen wurde, begann man, das Tausendjährige Reich, anstatt es leidenschaftlich zu erwarten und dafür zu beten, entweder vom ersten Erscheinen Christi an oder von der Bekehrung Konstantins und dem Niedergang des Heidentums an zu datieren und betrachtete es als in der Herrlichkeit der herrschenden imperialen Staatskirche verwirklicht.«

Vor allem durch Origines wurde die Allegorisierung zur Schlüsselmethode für die Auslegung der Bibel. Ihm war klar, dass das Wort Gottes inspiriert war, aber teilweise schien es ihm für die Situation des Menschen irrelevant zu sein, eines Gottes unwürdig oder einfach zu banal. Wenn daher an der Oberfläche keine geistliche Bedeutung offensichtlich war, musste daraus geschlossen werden, dass diese oberflächliche Bedeutung symbolisch zu verstehen war. Origines legte die Eroberung Kanaans neu fest als die Eroberung der menschlichen Seele durch Christus und bezog die Anrufung des Namens Gottes und das Kommen des Reiches Gottes im Vaterunser auf die allmähliche Heiligung des Gläubigen.

Origines' Auslegungsmethode ebnete den Weg für ein solches Missverständnis des Tausendjährigen Reiches. Trigg gibt uns in seiner Untersuchung des Matthäuskommentars von Origines ein Beispiel dafür, wie diese Art der Auslegung die Person des Origines und nicht den Text der Schrift zur Autorität werden lässt. In seinem Kommentar zu Matthäus tendiert Origines dazu, die apokalyptischen eschatologischen Darstellungen des Evangeliums zu psychologisieren. Wenn also das Evangelium ankündigt, dass Christus »auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit« ( Mt 24,30 ) kommen wird, so beziehe sich das auf seine Erscheinung für die Vollkommenen (oder Reifen) im Bibelstudium. Und auch die beiden Kommen Christi - das erste in Niedrigkeit und das zweite in Herrlichkeit - symbolisieren angeblich das Kommen Christi in die Seelen der geistlich Armen, wenn sie die An fangsgründe der christlichen Lehre und sein Kommen in Vollkommenheit (die Reife) erfahren und sie ihn in der verborgenen Bedeutung der Bibel entdecken.

In seinen anderen Werken stellt Origines eine ähnliche Verwirrung zur Schau, indem er sagt, dass das Kommen Christi aus menschlicher Sicht ein Ausdruck sei, der nicht immer nur auf eine einzige Weise verstanden werden muss; er sei in dieser Hinsicht analog zum »Reich Gottes« zu verstehen. Es gebe viele Kommen Christi: in das Fleisch, zur Zerstörung Jerusalems, als im geistlichen Sinne gegenwärtig bei der Sendung des Heiligen Geistes, und er komme jetzt in jeder einzelnen Erweisung seiner erlösenden Kraft. Jede große Reform der Moral und Religion sei ein Kommen Christi. Eine mächtige Revolution, die gewaltsam das Böse beseitigt, um dem Guten Bahn zu brechen, sei ein Kommen Christi. Jerusalem sei ein Typus für die gute Sache und daher die Gemeinde Jesu. Das Buch der Offenbarung wird zur Entfaltung eines Traums, der von Gott kommt, und es ist aus Sicht des Origines ein Buch lebendiger Prinzipien und kein Handbuch ermüdender Einzelheiten.

In der Kirche in Alexandria, Nordafrika, entwickelte sich diese neue Schule der Auslegung entlang der Linien des Heidentums und des liberalen Judentums. Morris erläutert: »In der Alexandrinischen Kirche entwickelte sich ein vergeistigtes Verfahren, z.T. als Zugeständnis an das griechische Denken, an die Tatsache, dass Jahrhunderte vergangen waren, ohne dass sich das erwartete Reich Gottes eingestellt hätte, und in der Reaktion auf den exzessiven Chiliasmus der montanistischen Bewegung. Origines spielte eine bedeutende Rolle im Aufkommen einer allegorischen Methode der Auslegung. Die Geheimnisse der Offenbarung könnten nur jenseits des wortwörtlichen und historischen Schriftsinns in einer geistigen Bedeutung erschlossen werden. Die vergeistigende Methode wurde durch die Arbeit des Tyconius, der überhaupt nichts in Verbin dung mit dem historischen Hintergrund oder den Ereignissen des ersten Jahrhunderts auslegte, außerordentlich vorangetrieben. Augustinus folgte Tyconius in seiner Kapitulation vor einer durch und durch mystischen Auslegung. Für die nächsten 1000 Jahre war dann dieses allegorische Verfahren normativ für die Auslegung der Offenbarung.«

Eine allegorische Deutung bringt ein wahres Labyrinth an Auslegungen hervor, so dass es verständlicherweise auch große Verwirrung über den Zweck und Inhalt der Offenbarung gibt. S. Cox gibt uns eine Kostprobe des amillenialistischen Versuchs zu beweisen, dass die Offenbarung von Johannes niedergeschrieben wurde, da das Argument aus einer wörtlichen Interpretation innerhalb seines fehlerhaften Auslegungskonzeptes nicht akzeptiert werden kann.

Johannes war kein Prophet im antiken und gewöhnlichen Sinn; er sah nicht bloß kommende Ereignisse voraus und erforschte bzw. deutete nicht einfach die Schatten, die sie vorauswarfen. Infolgedessen sei die Apokalypse des Johannes keine Abfolge von Vorhersagen, die das politische Geschehen in der Welt über die Jahrhunderte hinweg prophezeien; sie sei vielmehr eine Reihe von Symbolen und Visionen, durch welche die universalen Grundsätze der göttlichen Regierung in Formen bekannt gemacht werden, die dem Herzen eines hebräischen Mystikers und Poeten lieb sind. Was für uns in diesem Buch am wertvollsten ist, sei daher nicht der Buchstabe, die Form; nicht die Schalen, die Siegel oder die Trompeten, über welche sich die Ausleger, die mehr den Seher als den Propheten spielten, über die Jahrhunderte hinweg gestritten und den Kopf zerbrochen haben. Viel interessanter seien für uns die großen, allgemeinen Prinzipien, die wir als westliche Betrachter oftmals nicht erkennen, weil sie sich hinter den mystischen Symbolen orientalischen Gedankenguts verbergen.

Solch eine Interpretation ist nicht ungewöhnlich; und als ein Ergebnis der Loslösung von einer wörtlichen Hermeneutik bei den prophetischen Abschnitten der Bibel wundert es nicht, dass die liberale und die amillenialistische Sichtweise daran festhält, dass der Apostel Johannes die Offenbarung schrieb, um das Martyrium erstrebenswert zu machen. Das ist die Art des allegorischen Denkens und allergorischer Theorie, die spekulative, aber erfolglose Versuche zum Ergebnis hatte, die Ereignisse der Offenbarung dem gegenwärtigen Zeitalter der Gemeinde anzupassen. Es repräsentiert die schwer wiegende Vernachlässigung eines folgerichtigen theologischen Systems und lässt die Tür offen für individuelle Spekulation in Bezug auf die Bedeutung und Anwendung jedweden Abschnittes der Heiligen Schrift. Der einzige Punkt, der den Amillennialismus vereint, ist die Leugnung einer irdischen tausendjährigen Herrschaft des Christus.

Der Amillenialismus zeigt deutlich, wie weit man gehen muss, stellt man den wörtlichen Schriftsinn in Abrede: zum Beispiel wird behauptet, dass eine der großen Lektionen der Apokalypse die herrliche Darstellung einer Welt sei, die nicht jenseits des Grabes liegt, sondern diese gegenwärtige Welt ist - wenn sie mit dem Auge des Glaubens betrachtet wird. Offensichtliche Visionen einer glückseligen Zukunft bekannt werden stattdessen als gegenwärtige Erfahrung der Gläubigen dargestellt.

Siehe auch: Hermeneutik, Antiochenische Schule ; Augustinus ; Origines .

Rick Bowman und Russell L. Penney

Lewis Sperry Chafer, Systematic Theology (Grand Rapids: Kregel, 1993); Mal Couch, Introductory Thoughts on Revelation (Ft. Worth, Tex.: Fyndale Seminary Press, 1995); Paul Enns, The Moody Handbook of Theology (Chicago: Moody Press, 1989); Robert H. Mounce, »The Book of Revelation« in: The New International Commentary on the New Testament (Grand Rapids: Eerdmans, 1977); J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft (Dillenburg: CV, 1993); The Preacher's Complete Homiletic Commentary , Bd. 30 (Grand Rapids: Baker, o.J.); Philip Schaff, History of the Christian Church (Grand Rapids: Eerdmans, 1910); Joseph Wilson Trigg, Origen (Atlanta: John Knox Press, 1983); John F. Walvoord, The Millennial Kingdom (Grand Rapids: Zondervan, 1959).

 

AMOS

Eschatologie

Die Bedeutung des Namens Amos ist nach Archer wahrscheinlich »Lastenträger« (abgeleitet von dem Verb amas , »eine Last aufheben«, »tragen«). Amos war ein Schafhirte und Maulbeerfeigenzüchter aus Tekoa ( 1,1; 7,14 ), das ungefähr 9 km südwestlich von Bethlehem in den judäischen Bergen lag. Amos besaß nicht den Vorzug einer formellen Ausbildung oder Erziehung in den Prophetenschulen, aber auf den Ruf Gottes hin verließ er sein Zuhause und machte sich auf den Weg nach Bethel ( 7,13 ), Sitz eines der beiden Staatsheiligtümer des nördlichen Königreiches, um einer feindlichen Zuhörerschaft zu verkünden: »So spricht der Herrn ...«. Nahezu sämtliche konservativen Gelehrten stimmen darin überein, dass der Dienst Amos' zwischen 760 und 757 v. Chr. während der Spätzeit der Regierung Jerobeam II (793-753 v. Chr.) datiert werden kann. Amos' Prophezeiungen waren in erster Linie an das Nordreich Israel gerichtet, sie enthielten jedoch auch Warnungen an das Südreich Juda.

Amos lebte in einer Zeit beispielhaften materiellen Wohlstands. Die Herrschaft Jerobeams im Nordreich und Usijas im Südreich (790-739 v.Chr.) hatte beiden Königreichen Gewinne in Bezug auf Stabilität, Wohlstand und Gebietserweiterung gebracht. Wie schon oft in Zeiten des Segens Gottes breitete sich daraufhin Sünde aus. Beide Reiche wurden schuldig des sozialen und moralischen Versagens, und obwohl weiterhin eine Form religiöser Anbetung stattfand, wurde durch ihr Han deln deutlich, wie wenig ernst es ihnen damit war. Die Reichen wurden immer reicher, bauten verschwenderische Häuser ( 3,13; 5,11; 6,4.11 ) und beuteten die Armen aus ( 2,6-7; 5,7.10-13; 6,12; 8,4-6 ), von denen einige sogar als Sklaven verkauft wurden, damit ihre Schulden gegenüber den Reichen beglichen wurden ( 2,6; 8,6 ). Inmitten all dieser Gottlosigkeit ging das Volk weiterhin zu den Heiligtümern wie Gilgal und Bethel, um dort Gaben darzubringen ( 4,4-5; 5,5.21-23; 8,3.10 ) und zu opfern. Das Ergebnis war, dass die Menschen glaubten, Gott sei mit ihnen ( 5,14.18-20; 6,1-3; 9,10 ). Amos nahm Stellung zu dieser religiösen Heuchelei und stellte fest, dass Gottes Gericht genauso über Israel und Juda kommen würde wie über jedes andere Volk, das sich gegen Gottes Autorität aufgelehnt hatte ( 1,3-2,3 ). Aber mitten in Israels Zerstörung würde Gott aus dem Volk einen bußfertigen Überrest bewahren, der eines Tages wiederhergestellt werden würde.

Das Buch wird von Walvoord folgendermaßen gegliedert: Kapitel 1,1-2,5 : Prophezeiung des Gerichts über Israels Nachbarvölker; Kapitel 2,6-16 : Gericht über das Königreich Israel; Kapitel 3,1-6,14 : Gründe für Gottes Gericht über Israel; Kapitel 7,1-8,14 : Die Unausweichlichkeit von Israels zukünftigem Gericht; Kapitel 9, 1-10 : Israel ist zur Zerstörung bestimmt; und Kapitel 9,11-15 : die Wiederherstellung Israels.

Das Buch Amos beginnt mit der Prophezeiung des Gerichts über Israels Nachbarvölker. In Kapitel 1,3-5 spricht Gott durch den Propheten die Verurteilung von Damaskus aus. Weil sie Gilead mit eisernen Dreschschlitten gedroschen haben ( 1,3 ), wird Gott sie hart bestrafen ( 1,4-5 ). Dieses Gerichtsurteil wurde 732 v. Chr. ausgeführt, als die Assyrer unter Tiglath-Pileser III Damakus eroberten und seine Bewohner ins Exil nach Kir deportierten ( 2Kö 16,7-9 ). In Kapitel 1,6-8 verurteilt Gott Gaza, Aschdod, Aschkelon, Ekron und den gesamten Rest der Philister und kündigt an, dass sie umkommen werden. Dies erfüllte sich in der Zeit der Makkabäer (168-134 v. Chr.). Als Nächstes wird in Kapitel 1,9-10 gegen Tyrus geweissagt. Diese Prophezeiung erfüllte sich 332 v. Chr., als Alexander der Große die Stadt einnahm. 6000 Menschen wurden erschlagen, 2000 gekreuzigt und 30.000 als Sklaven verkauft. Edom wird verurteilt, weil es seinen Bruder mit dem Schwert verfolgt hat ( 1,11 ). Im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde Edom von den Assyrern annektiert und hatte sich bis zum 5. Jahrhundert in ein wüstes Ödland verwandelt ( Mal 1,3 ). Die Nabatäer übernahmen zwischen 300-400 v. Chr. die Herrschaft dieses Landes. In Kapitel 1,13-15 werden die Ammoniter verurteilt, weil sie die Schwangeren von Gilead aufgeschlitzt hatten ( 1,3 ). Das Gericht würde über Rabba kommen, die Hauptstadt der Ammoniter. Dies erfüllte sich 734 v. Chr. während des assyrischen Feldzugs unter Tiglath-Pileser III. Moab wird angeklagt, weil es die Gebeine des Königs von Edom zu Kalk verbrannt hatte. Amos kündigt als Strafe an, dass die Paläste von Kerijot von Feuer gefressen werden. Moab fiel ebenso dem Feldzug der Assyrer unter Tiglath-Pileser III zum Opfer. Doch auch Juda wird Gericht angekündigt, weil sie »das Gesetz des Herrn verworfen und seine Ordnungen nicht gehalten haben« ( 2,4 ). Dies Gericht wurde im Jahr 586 v. Chr. ausgeführt, als die Babylonier unter Nebukadnezar Jerusalem mitsamt dem Tempel zerstörten und nahezu die gesamte Bevölkerung nach Babylon verschleppten ( 2Kö 25,1-12 ). Beachten wir, dass sich jedes dieser angekündigten Gerichte in der weiteren Geschichte wörtlich erfüllt hat.

Im Rest des 2. Kapitels beschäftigt sich Amos mit der Anklage gegen das Königreich Israel. Die Israeliten waren in Sünden der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung gegenüber den Armen verwickelt ( 2,6-8 ), genauso wie sie sich auch an der Tempelprostitution beteiligten ( 2,7 ). Obwohl der Herr in der Vergangenheit ihre Kraft und Stärke gewesen war ( 2,9-11 ), hatten sie ihm den Rücken zugekehrt und wollten nicht auf seine Propheten hören ( 2,12 ). Als Ergebnis würde er selbst ihre stärksten Männer erniedrigen ( 2,13-16 ).

Amos beschreibt dann die Gründe für Gottes Gericht über Israel ( 3,1-6,14 ). Kapitel 3 ist Amos' erste Botschaft an Israel. Weil Israel von Gott erwählt ist, wird er es für seine Missetaten bestrafen ( 3,1-2 ). Amos stellt eine Reihe von rhetorischen Fragen, um zu verdeutlichen, dass allein die Tatsache, dass die Propheten Gottes kommendes Gericht verkündet haben, beweist, das dies auch wirklich geschehen wird ( 3,3-8 ). Samaria hatte Gewalt und Zerstörung angehäuft, daher würde ein Feind ihre Stärke zunichte machen und ihre Paläste plündern. Die luxuriösen Villen der Reichen würden ebenfalls zugrunde gehen ( 3,15 ).

In Kapitel 4,1-13 richtet Amos seine zweite Botschaft an Israel. Er verurteilt die »Kühe von Basan«, ein Bild für die vornehmen Frauen Samarias. Sie hatten sich der Unterdrückung der Geringen und der Schinderei der Armen schuldig gemacht. Wegen dieser Vergehen schwört Gott, der Herr, bei seiner Heiligkeit, dass sie mit Fleischhaken und Fischerangeln in die Gefangenschaft verschleppt würden. Und außerdem würden die Söhne Israels für ihre religiöse Heuchelei gerichtet werden ( 4,4-5 ). Gott hatte in der Vergangenheit seine Züchtigung durch Hunger, Dürre, Fäulnis und Schimmel, Heuschrecken, Plagen, Niederlagen im Krieg und Verwüstung über sie gebracht (vgl. 5Mo 28-29 ), aber sie hatten keine Reue gezeigt. Jetzt wurden sie aufgerufen, sich für eine Begegnung mit ihrem Gott bereit zu machen ( 4,12 ).

Amos' dritte Botschaft erstreckt sich über das ganze 5. Kapitel. Das Haus Israel wird zu Fall kommen und seine Städte werden durch Deportation dezimiert werden ( 5,1-3 ). Obwohl die Nation als solche gerichtet wird, wird jedoch dem Einzelnen immer noch Gnade gewährt, sofern er zu denen gehört, die den Herrn suchen ( 5,4 ). Sie sollten ihn, den Herrn, suchen, und zwar jenseits der Heiligtümer in Bethel, Gilgal und Beerscheba, da diese sämtlich verdammt sind ( 5,5-7 ). In Kapitel 5,8-9 erinnert Amos Israel daran, dass Gott souverän ist. Er beherrscht das ganze Universum und kann gewisslich Zerstörung über die Starken und über die Festungen bringen. In Kapitel 5,10-13 zählt Gott erneut die zahlreichen Ungerechtigkeiten Israels auf, zu denen auch ihre Abneigung gegenüber Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit gehören sowie überhöhte Zölle für die Armen, Verfolgung der Gerechten und Annahme von Bestechungsgeldern. Dann, in Kapitel 5,14-15 , ruft Gott erneut zur persönlichen Buße auf und beendet seine Botschaft mit der Versicherung, dass sein Gericht kommen wird ( 5,17-18 ).

Die vierte Gerichtsankündigung ( 5,18-27 ) beginnt mit einer Beschreibung vom Tag des Herrn. Israel war der irrigen Meinung, der Tag des Herrn würde nur für seine Feinde eine Zeitspanne der Vernichtung, und so wünschte es diesen Tag herbei. Aber Amos macht klar, dass dieser Tag auch für sie Finsternis statt Licht bedeuten wird ( 5,18 ) und dass sein Gericht unausweichlich sein wird ( 5,19-20 ). Der Grund dafür besteht darin, dass Gott ihre Feste, ihre Brandopfer und ihren Götzendienst hasste ( 5,21-26 ). Das Gericht wird darin bestehen, dass sie über Damaskus hinaus ins Exil gehen werden müssen ( 5,27 ).

Die fünfte Botschaft wird in Kapitel 6 übermittelt. In Amos 6,1-7 beschreibt der Prophet den selbstzufriedenen und luxuriösen Lebensstil der Menschen. Sie räkelten sich auf Elfenbeinlagern und tranken Wein aus geweihten Gefäßen. Sie waren so selbstzufrieden, dass sie nicht einmal über den Niedergang Josephs trauerten. »Der Herr, Herr, hat bei sich selbst geschworen, ... ich liefere die Stadt aus und alles, was sie erfüllt« ( 6,8 ). Die Verwüstung wird vollständig sein und der Tod allgegenwärtig ( 6,10 ), die Häuser werden vollständig zerstört werden ( 6,9 ) und ungeheures Leid wird über das ganze Land kommen von Hamat (eine Stadt an der nördlichen Landesgrenze) bis Araba (dem Tal, welches vom See Kinneret bis zum Toten Meer reicht). Dann aber wird Israel erkennen, dass seine Kraft vom Herrn kommt und nicht von ihnen selbst ( 6,13 ). In Kapitel 7 und 8 spricht Amos von der Unausweichlichkeit des kommenden Gerichts über Israel. Amos' erste Vision beinhaltet einen Heuschreckenschwarm, der während der Erntezeit das Land kahl frisst. Amos verhandelt mit Gott zum Vorteil der Menschen und der Herr schenkt seiner Bitte Aufmerksamkeit und sendet den Heuschreckenschwarm nicht ( 7,1-3 ). Dann zeigt Gott Amos einen Feuerregen, den er senden will, um das Ackerland zu verbrennen. Doch Amos verhandelt erneut mit Gott zum Vorteil des Volkes und der Herr lässt es sich gereuen ( 7,4-6 ).

Die dritte Vision beschreibt, dass der Herr ein Senkblei in der Hand hält, wie es von Bauarbeitern benutzt wird, um zu prüfen, ob die Mauer im Lot ist. Falls nicht, würde sie wieder niedergerissen werden. Wenn die Leute in Israel nicht in einer Linie mit dem Gesetz Gottes sind, wird Gott sie nicht länger schonen ( 7,8 ). In Kapitel 7,10-17 berichtet Amos dann von einer Auseinandersetzung mit Amazja, dem Priester des Heiligtums in Bethel. Amazja teilt dem König Jerobeam von Israel mit, dass Amos gegen ihn weissagt und verkündet, dass Jerobeam getötet und Israel ins Exil gehen wird. Dann wendet sich Amazja gegen Amos und fordert ihn auf, das Heiligtum in Bethel zu verlassen. Amos antwortet Amazja, dass er nicht gehen kann, weil ihn der Herr zu dieser Aufgabe berufen hat und Amazja sich daher mit seinem Befehl gegen den Herrn richtet. Als Folge dessen würde Amazjas Frau zur Hure werden, seine Söhne und Töchter durchs Schwert fallen, sein Land verteilt werden und Amazja in einem unreinen Land sterben. Außerdem würde Israel ins Exil gehen, so wie es Amos vorhergesagt hat. Kapitel 8 beginnt mit einer vierten Vision, in der der Herr einen Korb mit Sommerobst als Gegenstandslektion benutzt, um Amos zu zeigen, dass die Zeit reif ist für das Gericht über Israel. Die Leichen werden übers ganze Land zerstreut herumliegen. Dies wird geschehen, weil Israel die Armen niedertritt und die Elenden vernichtet ( 8,4 ). Außerdem betrügen sie mit falschen Gewichten und zwingen die Bedürftigen sogar in die Sklaverei ( 8,5-6 ). Der Herr hat geschworen, ihren Stolz nicht zu vergessen ( 8,7 ). Das Gericht des Herrn wird über sie hereinbrechen und ihre Feste in Trauer verwandeln und ihre Lieder in Klagegesänge ( 8,10 ). Sogar ein noch schlimmeres Gericht wird folgen. Weil Israel alle Worte des Herrn verworfen hat, wird er ihnen Hunger senden, nicht einen gewöhnlichen Hunger, sondern einen Hunger, »die Worte des Herrn zu hören« ( 8,11 ). Der Herr aber wird dann schweigen.

In Kapitel 9,1-10 beschäftigt sich Amos mit der Zerstörung Israels. Wenn sich die Leute um den Altar von Bethel versammeln, wird der Herr anwesend sein, zu dieser Zeit jedoch wird seine Gegenwart ein Zeichen für Israels Vernichtung und nicht für seine Segnung sein ( 9,1 ). Wohin sie auch vor seinem Gericht zu fliehen versuchen, er wird sie finden und sie vernichten ( 9,2-4 ). Seine Augen werden auf sie gerichtet sein »zum Bösen, und nicht zum Guten«. Das Gericht wird garantiert kommen, denn des Herrn souveräne Allmacht bürgt dafür ( 9,5-6 ). Der Herr verheißt die Zerstörung des Hauses Jakob mit Ausnahme eines Überrests ( 9,8 ). Er wird sie schütteln unter den Nationen wie das Getreide auf einem Sieb ( 9,9 ). Die Zerstörung und Wegführung erfüllte sich wortwörtlich in der Assyrischen und Babylonischen Gefangenschaft.

In Kapitel 9,10-15 berichtet Amos von einer zukünftigen Zeit der Wiederherstellung Israels. Nach einer Zeit der Läuterung ( 9,10 ) wird ein Tag kommen, an dem Gott das nördliche und das südliche Königreich unter der Herrschaft des Königshauses David wiederherstellen wird. Die Städte werden wieder aufgebaut und das Königreich wieder zu seiner einstigen Größe erneuert werden (vgl. Jer 30,3-10; Hes 37,15-28; Hos 3,4-5 ). Das wird die Erfüllung des Davidsbundes sein ( 2Sam 7, 11-16.25-29 ). Das davidische Königreich wird eine Quelle des Segens für Edom und alle Völker und Nationen sein ( 9,12 ) und so die Verheißungen des Abrahamitischen Bundes an die Völker erfüllen ( 1Mo 18,18; 22,17-18; 26,3-4; 28,13-14 ). Amos 9, 11-12 wird von Jakobus auf dem Apostelkonzil in Jerusalem zitiert ( Apg 15,16-18 ). Da die Nationen als Nichtjuden am Tausendjährigen Reich teilnehmen werden und nicht als (beschnittene) Juden, folgerte Jakobus, dass es im Zeitalter der Gemeinde keine Veranlassung für sie gebe, durch Beschneidung zu Juden zu werden. Zu der Zeit wird der Herr auch die Segnungen des Bundes für das Land erneuern. Israel wird unglaublich reiche Ernten erfahren ( 9,13 ). Alle Städte werden wiederaufgebaut und wiederbevölkert werden ( 9,14 ). Das wird vom Herrn vollbracht werden, der sie in ihr Land einpflanzen wird, so dass sie dort nicht mehr herausgerissen werden ( 9,15 ). Israel wird das Land erhalten, das der Herr, ihr Gott, ihnen verheißen hat. Damit wird sich auch dieser Bund erfüllen (vgl. 1Mo 13,14-15; 17,7-8; 5Mo 30,1-5; 2Sam 7,10; Jer 30,10-11; Joe 3,17-18; Mi 4,4-7 ).

Walvoord beschreibt, wie der Prozess der Rückkehr Israels in verschiedenen Stufen erfolgt, wobei die erste Stufe schon im 20. Jh. erfüllt wurde. Eine zweite Stufe wird sich erfüllen, wenn der Bund mit dem Herrscher im Nahen Osten geschlossen ist. Die dritte Stufe wird sich erfüllen, wenn Israel durch eine Zeit großer Bedrängnis während der großen Trübsal geht. Die letzte Stufe ist erreicht, wenn Israel beim zweiten Kommen des Herrn gerettet wird. Dann werden die Verse 11-15 vollständig erfüllt sein.

So wie alle früheren Prophezeiungen wortwörtlich erfüllt wurden, so wird sich auch die zukünftige Wiederherstellung Israels im Land der Verheißung und auch die Segnungen des Bundes wörtlich erfüllen.

Siehe auch: Juden, Rückkehr der.

Russel Penney

Gleason L. Archer, A Survey of Old Testament Introduction (Chicago: Moody Press, 1994); Thomas E. McComiskey, »Amos« in: The Expositor's Bible Commentary , hrsg. von Frank E. Gaebelein, Band 7 (Grand Rapids: Zondervan, 1985); Donald R. Nunukjian, »Amos« in: The Walvoord Bibelkommentar , 5 Bde., hrsg. von John F. Walvoord und Roy B. Zuck (Holzgerlingen: Hänssler-Verlag, 1992); John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990).

 

ANDERSON

Sir Robert

Sir Robert Anderson (1841-1918) wurde in eine einflussreiche Familie Dublins hineingeboren. Sein Vater Matthew stand als Rechtsanwalt im Dienst der Stadt und war ein angesehener Ältester der Irish Presbyterian Church . Robert war noch keine 20 Jahre alt, als er sich zu Christus bekehrte, und zwar während der großen irischen Erweckung, die sich über das ganze Land ausbreitete. Schon bald wurde er Laienprediger und der Herr gebraucht ihn, um viele zu Christus zu führen.

Nach erfolgreichem Abschluss des Trinity College in Dublin im Jahr 1863 arbeitete Anderson als Anwalt. Schließlich kam er nach London, arbeitete bei der Stadtpolizei und wurde Chef des CID (Criminal Investigation Department ). Aufgrund seiner Begabung, logisch und prägnant zu denken, verfasste er einige außergewöhnliche Werke zur Heiligen Schrift. Charles Spurgeon urteilte über sein Buch Human Destiny (»Das menschliche Schicksal«), es wäre der »wertvollste Beitrag zu diesem Thema«, den er je gelesen hätte. Weitere seiner Bücher waren Forgotten Truths (»Vergessene Wahrheiten«), The Lord from Heaven (»Der Herr im Himmel«), Types of Hebrews (»Typologie der Hebräer«) und The Silence of God (»Die Stille Gottes«). Über biblische Prophetie schrieb er in Unfulfilled Prophecy and the Hope of the Church (»Unerfüllte Prophezeiungen und die Hoffnung der Gemeinde«) und The Coming Prince (»Der kommende Prinz«).

In The Coming Prince zerlegte Anderson übergenau die siebzig Jahrwochen Daniels. Er untersuchte außerdem sorgfältig den Zeitpunkt der Geburt Christi und beschäftigte sich mit den wichtigsten Gesichtspunkten der Auslegung biblischer Prophetie. Obwohl neuere Arbeiten zur Chronologie der Bibel neues Licht auf Andersons prophetische Berechnungen werfen, kann man seine Werke doch als Klassiker bezeichnen in Bezug auf den Versuch, Daniels Datierungen zu verstehen. Andersons Bücher unterstreichen die zuverlässige Autorität der Bibel, die Göttlichkeit Jesu, die Notwendigkeit der Wiedergeburt und die gesegnete Hoffnung auf die Wiederkunft Christi vor dem Tausendjährigen Reich.

Siehe auch: Daniels siebzig Jahrwochen, dispensationalistische Auslegung .

Mal Couch

Robert Anderson, The Coming Prince (Grand Rapids: Kregel Publications, 1983).

 

ANKUNFT CHRISTI

erste und zweite

Der Begriff Ankunft bedeutet »das Erreichen einer Bestimmung« oder »ein Kommen oder eine Ankunft«. In Bezug auf die Ankünfte oder Kommen Jesu Christi wissen wir, dass sie einen göttlichen Ursprung oder Zweck haben.

Die erste Ankunft wird klar in den Prophetien entfaltet, die vom Kommen Christi auf diese Erde sprechen, um die Menschheit zu erlösen und zu Gott zurückzubringen. Dr. David Reagan stellt in seinem Buch Christ in Prophecy (»Christus in den Prophetien«) mit Blick auf die Prophezeiungen vom ersten Kommen des Herrn fest, dass »die meisten Gelehrten darin übereinstimmen, dass es etwa 300 Prophezeiungen im Alten Testament gibt, die sich auf das erste Kommen des Messias beziehen, dass es aber nicht 300 verschiedene Prophezeiungen sind. Viele von ihnen wiederholen sich mehrfach, wie z.B. die Prophezeiung, dass der Messias aus dem Samen Abrahams geboren werden wird. Wenn man all die Wiederholungen der Prophezeiungen weglässt, dann bleiben kaum mehr als einhundert unterschiedliche Prophezeiungen übrig, besondere Prophezeiungen über das erste Kommen des Messias.«

Das erste Kommen Christi wurde in der Schrift so geordnet und ausgefeilt vorhergesehen, dass es jenseits aller Zweifel beweist: Es gibt einen allwissenden Gott, denn Gott allein konnte so viele einzelne Prophezeiungen vom Leben eines einzelnen Menschen enthüllen. Die Prophezeiungen über sein erstes Kommen sind kräftige Beweise, dass Jesus der Christus ist. Dr. A. T. Pierson nennt drei wichtige Maßstäbe, durch welche die Echtheit einer Prophezeiung geprüft werden kann. Alle drei zielen auf die Genauigkeit dieser Prophezeiungen ab. Sie beinhalten:

1. Es muss eine solche Enthüllung der Zukunft sein, wie sie keine menschliche Vorausschau oder Weisheit hätte erahnen können.

2. Die Vorhersage muss genügend Einzelheiten enthalten, um schlaue Spekulationen auszuschließen.

3. Es muss eine so große Zeitspanne zwischen der Prophezeiung und der Erfüllung liegen, dass der Prophet selbst nichts dazu beitragen kann, das Ergebnis herbeizuführen oder zu beeinflussen.

Alle drei Maßstäbe sind in den Prophezeiungen des ersten Kommens Christi repräsentiert. Die Erfüllung der Schrift in Bezug auf sein erstes Kommen sollte uns volles Vertrauen in die Prophezeiungen geben, die sich auf sein zweites Kommen bezie hen. Die erste Ankunft porträtiert das Leben Christi wie ein Gemälde auf einer Leinwand, und viele der heiligen Propheten Gottes wurden vom Heiligen Geist angetrieben, Teile seines Lebens in ihren Prophezeiungen zu schildern. Die Einzelheiten des Lebens Christi wurden mit Präzision vorhergesagt. Er würde von einer Jungfrau geboren werden ( Jes 7,14 ; s. Lk 1,33-35 ), ein Nachkomme Abrahams und Davids sein ( 1Mo 12,3; 18,18; 22,18; 2Sam 7,12; Ps 89,3 ; siehe Apg 3,25; Gal 3,8; Mt 21,9; 22,42 usw.), in Bethlehem zur Welt kommen ( Mi 5,2 ; siehe Mt 2,1; Lk 2,4 ), als kleines Kind nach Ägypten gebracht werden ( Hos 11,1 ; siehe Mt 2,13 ), ein Prophet werden ( 5Mo 18,15 ; siehe Mt 21,11; Lk 24,19 ) und der Messias und Retter sein ( Ps 2,2; Dan 9,24-25; Jes 59,20; 62,11 ; siehe Mk 8,27-29; Lk 2,11; Joh 4,42; Apg 2,36; 5,31 ).

Es gibt in der Schrift viele Prophezeiungen darüber, dass Christus einst als Retter und dann erneut als König kommen würde. Christus selbst zitierte in der Synagoge aus Jes 61,1-2 und hielt inne, bevor der Satz »und der Tag der Rache für unseren Gott« kam, denn dieser bezog sich auf das zweite Kommen, wenn er kommt, um die Nationen zu richten ( Offb 19, 11-21 ). In Lk 1,32-33 findet sich die Prophezeiung, dass Jesus »groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden (wird); und der Herr, Gott, wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und seines Königtums wird kein Ende sein.« Doch bei seinem ersten Kommen wurde er von den Führern Israels verworfen und erbte nicht den Thron seines Vaters David. Dies wird bei seinem zweiten Kommen erfüllt werden, wenn seine Herrschaft im Tausendjährigen Königreich aufgerichtet ist. Diese Prophezeiungen und andere ähnliche zeigen, das der Herr ein zweites Mal kommen wird, um die verbliebenen Einzelheiten dieser Prophezeiungen wortwörtlich zu erfüllen, genauso wie beim ersten Mal.

Dr.J. Dwight Pentecost gibt in seinem umfangreichen Werk »Bibel und Zukunft« folgenden Katalog von Beweisen für ein tatsächliches zweites Kommen. Er schreibt: »Der große Teil unerfüllter Prophetie macht die Wiederkunft absolut unerlässlich. Es wurde Folgendes verheißen: Er selbst wird kommen ( Apg 1,11 ); die Toten werden seine Stimme hören ( Joh 5,28 ); er wird seine wachenden Knechte bedienen ( Lk 12,37 ; er wird auf die Erde zurückkommen ( Apg 1,11 ), und zwar auf den Ölberg, von dem aus er auffuhr ( Sach 14,4 ), in flammendem Feuer ( 2Thes 1,8 ), auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit ( Mt 24,30; 1Pet 1,7; 4,13 ) und auf der Erde stehend ( Hi 19,25 ); seine Heiligen (die Gemeinde) werden mit ihm kommen ( 1Thes 3,13; Jud 1,14 ); jedes Auge wird ihn sehen ( Offb 1,7 ); er wird den Antichristen vernichten ( 2Thes 2,8 ); er wird auf seinem Thron sitzen ( Mt 25,31; Offb 5,13 ); alle Nationen werden vor ihm versammelt werden und er wird sie richten ( Mt 25,32 ); er wird den Thron Davids einnehmen ( Jes 9,6-7; Lk 1,32 ); das Kommen auf die Erde wird erfolgen ( Jer 23,5-6 ); er wird ein Reich haben ( Dan 7,13-14 ); er wird darüber mit seinen Heiligen herrschen ( Dan 7,18-27; Offb 5,10 ); alle Könige und Nationen werden ihm dienen ( Ps 72,11; Jes 49,6-7; Offb 15,4 ); die Reiche dieser Welt werden sein Herrschaftsgebiet bilden ( Sach 9,10; Offb 11,15 ); die Völker werden sich zu ihm hin versammeln ( 1Mo 49,10 ); jedes Knie wird sich vor ihm beugen ( Jes 45,23 ); sie werden kommen und den König anbeten ( Sach 14,16; Ps 86,9 ); er wird Zion aufbauen ( Ps 102,16 ); sein Thron wird in Jerusalem sein ( Jer 3,17; Jes 33,20-21 ); die Apostel werden auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten ( Mt 19,28; Lk 22,28-30 ); er wird über alle Nationen herrschen ( Ps 2,8-9; Offb 2,27 ); er wird richten und mit Gerechtigkeit regieren ( Ps 9,7-8 ); der Tempel in Jerusalem wird wieder aufgebaut werden ( Hes 40-48 ); und die Herrlichkeit des Herrn wird ihn erfüllen

( Hes 43,2-5; 44,4 ); die Herrlichkeit des Herrn wird offenbart werden ( Jes 40,5 ); die Wüste wird zum Fruchtgarten werden ( Jes 35,1-2 ); und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein ( Jes 11,10 ). Der gesamte Heilsplan des Bundes mit Israel, der noch nicht erfüllt worden ist, verlangt die Wiederkunft des Messias auf die Erde. Für das Prinzip wörtlicher Erfüllung ist es unbedingt erforderlich, dass Christus wiederkommt.« (S. 408-409).

So sicher, wie sich das erste Kommen Christi wörtlich erfüllte - und er erfüllte die Prophezeiungen wirklich wortwörtlich - so wird sich auch das zweite Kommen wörtlich erfüllen.

Donald Perkins und Russel L. Penney

Herbert Lockyer, All the Messianic Prophecies of The Bible (Grand Rapids: Zondervan, 1973); Donald Perkins, The First and Second Advent of Christ (Lemon Grove: According To Prophecy Ministries, 1996); J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft (Dillenburg: CV, 1993); David Reagan, Christ in Prophecy (Plano, Texas: Lamb and Lion Ministries, 1987).

 

ANTICHRIST

Gemäß der prämilliennialistischen Eschatologie unterdrückt der letzte Weltherrscher, der sich gegen Gott und seinen Christus stellt (besonders in Bezug auf seine Göttlichkeit), Gottes Auserwählte (insbesondere das Volk der Juden) und versucht, den Platz göttlicher Verehrung zu beanspruchen, indem er das Heiligtum schändet (insbesondere Jerusalem und den Tempel). Er ist bekannt als der Antichrist. Nach 1Jo 4,3 ist dieser antigöttliche und antisemitische Geist ein Wesensmerkmal des gegenwärtigen Zeitalters und zeigt an, dass dies die letzten Tage sind (wörtl. »die letzte Stunde«). Die Bezeichnung Antichrist erscheint nur in den Briefen des Johannes ( 1Jo 2,18.22; 4,3; 2Jo 1,7 ). Sie setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern anti (»gegen, anstelle von«) und christos (»Christus«). Damit bezeichnet sie jeden, der im Auftrag des einen Bösen (also des Satans) wider Gottes Gesalbten handelt, der zur Weltherrschaft bestimmt ist, oder als dessen Fälschung agiert ( Ps 2,2.6-8; 110,1-2; Jes 9,6-7 u. a.). Der Gebrauch dieses Begriffs in der Mehrzahl gewährleistet sowohl einen umfassenden wie konzentrierten Ausdruck des Antichristen, und nicht zuletzt des endzeitlichen Zweigespanns, bekannt als das erste Tier (der Antichrist) und das zweite Tier (der falsche Prophet), die zusammen mit dem Drachen (Satan) als Ursprung ihrer Macht (Autorität) eine Art Gegenstück zur göttlichen Dreieinigkeit bilden ( Offb 13,1.2.11 ). Während der spezielle Begriff Antichrist nur selten gebraucht wird, ist die Bibel voll von umschreibenden Begriffen seiner teuflischen und unheiligen Natur. Zu den Synonymen gehören etwa: »kleines Horn« ( Dan 7,8 ), »verschlagener König« ( Dan 8,23 ), »kommender Fürst« ( Dan 9,26 ), »Verwüster« ( Dan 9,27 ), »Verachteter« ( Dan 11,21 ), »eigenwilliger König« ( Dan 11,36 ), »nichtiger Hirte« ( Sach 11,16-17 ), »Mensch der Gesetzlosigkeit« und »Sohn des Verderbens« ( 2Thes 2,3 ); »der Gesetzlose« ( 2Thes 2,8 ), »das Tier« ( Offb 11,7; 13,1; 14,9; 15,2; 16,2; 17,3.13; 19,20; 20,10 ). Nur die futuristische Schule (die den Premillenialismus einschließt) war in der Lage, eine schlüssige Interpretation des Antichrist-Konzepts aus dem Zeugnis der beiden Testamente heraus zu entwickeln.

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Alten Testament

Der Begriff Antichrist findet erst im Neuen Testament Verwendung. Dennoch ermutigt uns die Stelle in 1Jo 2,18 , in der sich Johannes darauf bezieht, dass viele »Antichristen« bereits erschienen sind, die das Kommen des Antichristen während der Drangsal symbolisieren, zu einer Untersuchung der alttestamentlichen Texte, ob dort nicht bereits vorgreifende Bilder zu finden sind, welche auf diese endzeitliche Gestalt hinweisen. Im Alten Testament wird dieser letzte Antichrist stufenweise durch eine Reihe antichristlicher Vorläufer offenbart, die als Gegenspieler des jüdischen Volkes und insbesondere als Schänder Jerusalems und/oder des Tempels auftreten. Anspielungen auf den Antichristen geschehen gewöhnlich in Form eines menschlichen Wesens (normalerweise ein König oder militärischer Befehlshaber) in direktem Gegensatz zu Gott. In dieser Position nimmt die menschliche Persönlichkeit wegen der Auseinandersetzung zwischen Gott und Mensch oftmals übermenschliche Züge an und dient somit als eine Prophezeiung oder Typus auf den endzeitlichen Antichristen, der danach strebt, wie Gott angebetet zu werden.

In der biblischen Geschichte werden folgende Typen des Antichristen enthüllt: (1) die Schlange im Garten Eden, die den Menschen betrog und dazu brachte, entgegen dem göttlichen Befehl zu handeln ( 1Mo 3 ); (2) Nimrod, der lästerliche Herrscher, welcher nach göttlicher Anbetung strebte ( 1Mo 10,8; 11,1-9 ); (3) Amalek, der Sohn Esaus ( 1Mo 36,12.16 ), dessen Nachkommen gegen das Volk Israel in der Wüste kämpften ( 2Mo 17,8-16; 5Mo 25,19; 1Sam 15,2-3 ); (4) Bileam, der Prophet aus dem Ausland, der sich gegen Israel stellte ( 4Mo 22-24 ); (5) der Pharao des Exodus, der die Israeliten in Ägypten unterdrückte ( 2Mo 1,11.22; 5,2 ) und in der Schrift nicht namentlich genannt wird, vielleicht um seine Rolle als göttlicher Widersacher zu betonen; (6) der Assyrerkönig Sanherib, der das nördliche Königreich unterdrückte und in seiner Arroganz sogar Jerusalem erobern wollte ( 2Kö 18,13-19,37 ); und schließlich (7) der babylonische König Nebukadnezar, der den Tempel in Jerusalem zerstörte, Israel ins Exil brachte und göttliche Souveränität beanspruchte ( 2Kö 24,13-14; Dan 4,30 ).

Die am deutlichsten entwickelten Vorbilder erscheinen im Buch Daniel. Da ist zum einen der lästerliche Herrscher, der als das kleine Horn bezeichnet wird. Er führt Krieg mit den Heiligen und wird durch den »Alten an Tagen« vernichtet ( Dan 7,8.21- 22 ). Zum anderen ist da der gottlose und tyrannische König ( Dan 8,11-14; 11,31 ), von dem angenommen wird, dass es Antiochus IV. Epiphanes ist und der 186 v. Chr. den Tempel in Jerusalem entweihte. Und schließlich ist da der »kommende Fürst« ( Dan 9,26 ), möglicherweise der römische General Titus, der 70 n. Chr. Jerusalem und den Tempel zerstörte. Vergleicht man die offensichtlichsten Vorbilder (die Antichristen) mit dem Antitypus (dem Antichristen), so kann man erstens beobachten, dass der Typus in jedem Fall entweder ein Heide oder jemand außerhalb der designierten Erbfolge ist, und es zweitens eine schrittweise Entwicklung der Auflehnung gegen Gott gibt, die schließlich in der Entweihung des Tempels gipfelt.

Die Entwicklung dieser Gestalten vom Typus zum Antitypus enthüllt, dass die Bewegung der typologischen antichristlichen Handlungen mit Elementen der Auflehnung gegen den göttlichen Plan beginnt, sich schließlich als offener Widerstand gegen Gott und der Unterdrückung des Volkes Gottes manifestiert und dann mit jeder weiteren Person eskaliert bis hin zur Entweihung des Tempels als Ort, der die göttliche Gegenwart auf der Erde repräsentiert. Während Daniels Enthüllung ( Dan 8,9-25; 11,21-45 ) der Darstellung des Antichristen die letzte und am höchsten entwickelte von alle Vorbilden ist (und dabei sämtliche früher enthüllte Vorbilder verkörpert) und auf die abscheuliche Verwüstung der heiligen Stätte hinausläuft ( Dan 8,11-14; 11,31 ), formt es die Schablone für das neutestamentliche Porträt des zukünftigen Antichristen ( Dan 11,36-45 ; vgl. 2Thes 2,3; Offb 13,1-10; 17,11-17 ) und dessen endzeitliche Abscheulichkeit der Verwüstung des Tempels in der Drangsalszeit ( Dan 9,27; 12,11 ; vgl. Mt 24,15; Mk 13,14; 2Thes 2,4 ).

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Neuen Testament

Im Neuen Testament wird der Antichrist von Jesus und von den Aposteln Matthäus Johannes und Paulus erwähnt. Das war auch zu erwarten, da sie die umfangreichste Behandlung der Eschatologie vorlegen (Ölbergrede, Thessalonicherbriefe, Offenbarung).

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Neuen Testament

In den Evangelien

Jesus greift die Person aus Daniels Vision auf, die durch den Gräuel der Verwüstung den Tempel entehrt. Diese Gestalt wird von seiner jüdischen Zuhörerschaft als der Antichrist erkannt, der sich gegen das Volk und dessen Gott richten wird ( Mt 24,15; Mk 13,14 ). Die von Jesus in der Ölbergrede gewählte Beschreibung (hauptsächlich nach Dan 9,27 ; vgl. 11,36-37 ) beinhaltet die Unvereinbarkeit des Heiligen mit dem Antichristen. Ob eine heilige Stadt, ein heiliger Tempel oder ein heiliges (auserwähltes) Volk - der Antichrist muss aufgrund seines Wesens versuchen, all dies zu zerstören. Aus diesem Grund werden die Juden, die zur Zeit der Herrschaft des Antichristen in Jerusalem wohnen, zur Flucht aufgerufen ( Mt 24,16-21; Mk 13,14-19 ). Jesu Ankündigung des »Gräuels der Verwüstung« ist das Ereignis, das den Mittelpunkt der Trübsal kennzeichnet.

Eine Untersuchung der chiastischen Struktur [A.d.Ü.: Darstellung eines Themas durch thematisch sich überkreuzende Abschnitte] von Mt 24 und Mk 13 zeigt, dass die der ersten und der zweiten Hälfte der Trübsal entsprechenden Elemente mit Mt 24,15 und Mk 13,14 als Wendepunkt angeordnet sind. So wird die Prophetie über den Antichristen zu einer Zeitbestimmung für die Trübsal. Der Bund des Antichristen mit den Führern Israels markiert deren Beginn ( Dan 9,27 ), die Tempelentweihung deren Mitte ( Dan 9,27; Mt 24,15; Mk 13,14; 2Thes 2,4 ) und die Vernichtung des Antichristen das Ende ( Dan 9,27 ; vgl. 2Thes 2,8 ). Bei Paulus

Auch Paulus betont die Unvereinbarkeit von Heiligkeit und Unheiligkeit, indem er Christus und den Antichristen zueinander in Kontrast setzt ( 2Kor 6,15-16 ). Aber er verwendet den Beinamen Belial (»Gottloser« oder »Nichtsnutziger«), der nur aus der Literatur bekannt war, die zwischen den beiden Testamenten entstanden war (siehe: Antichrist, Jüdische Vorstellungen ). Einige meinen zwar, Paulus beziehe sich hier auf Satan, aber dann hätte er den griechischen Ausdruck satanas (Satan) verwenden können. Daher ist es mehr als wahrscheinlich, dass diesen (im Neuen Testament nur an dieser Stelle gebrauchten) Namen im Hinblick auf den menschlichen, endzeitlichen Widersacher des Messias gebrauchte. Darüber hinaus findet man im Tempelsymbolik (Vers 16 ), und Paulus��� Aufforderung zur Absonderung in Kapitel 6,17 und 7,1 lautet »Geht aus ihrer Mitte hinaus« - ein Anklang an Flucht entsprechend der Paralleltexte zum Antichristen, wie in Christi Mahnung »zu fliehen« ( Mt 24,15-16; Mk 13,14 ). Wenn bei Paulus diese Gedanken im Hintergrund standen, dürfte Belial eine Anspielung eher auf den Antichristen als auf Satan sein.

Eine ausführlichere Aussage des Paulus hinsichtlich des Wesens und des Handelns des Antichristen finden wir in 2Thes 2,3-4 . In diesem Text wird sein Charakter dargestellt durch die Bezeichnung als »der, der widerstrebt« (Vers 4 ); im Griechischen ein Wort, das in der Septuaginta in 1Kö 11,25 zur Übertragung des hebräischen Wortes satan (Widersacher) gebraucht wird. Das verweist auf die Verbindung des Antichristen mit Satan, was in Vers 9 durch das Attribut »gemäß der Wirksamkeit des Satans« deutlicher wird. Da Satans Gegner Gott ist und da es sein ursprüngliches Ziel war, zu werden wie Gott (vgl. Jes 14,14; Hes 28,17 ), sind die Handlungen des Antichristen an scheinend ein Versuch, dieses Ziel zu erreichen, indem er die Anbetung als Gott für sich in Anspruch nimmt (Vers 4; vgl. Offb 13,4-8 ).

Scheinbar ahmt er den Gott Israels nach, da er in Vers 4 als jemand dargestellt wird, der sich erhebt »über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist« (z.B. über alle heidnischen Götter) und der sich »in den Tempel Gottes setzt und sich ausweist, dass er Gott sei« - diese Sprache erinnert an die Schilderung alttestamentlicher Gotteserscheinungen (vgl. 1Kö 8,10; 2Chr 7,1-3; Hes 43,1-7 ). In dieser Beschreibung erscheint der Antichrist als Konkurrent Christi, und dies nicht durch einen Versuch, die messianische Rolle an sich zu reißen, sondern indem er sich über Christus stellt, als Gott (der Vater). Man beachte hier auch, dass sich der Antichrist den Platz Gottes in einem blasphemischen Akt der Selbstvergottung aneignet. Deshalb benutzt Paulus die kennzeichnenden Begriffe »Mensch der Gesetzlosigkeit« und »Sohn des Verderbens« (Vers 3 ). Das Wort »Gesetzlosigkeit« beschreibt sein Wesen, das von seinem Widerstand gegen den Tempel als Hort des Gesetzes gekennzeichnet ist (Vers 4 ). Das Wort »Verderben« bezieht sich auf seine Bestimmung, das heißt, er ist bestimmt zur Vernichtung oder zum Verderben (Vers 8 ).

Paulus scheint auf diese Weise die Offenbarung Christi (Verse 1-2 ) mit der des Antichristen (Verse 3-4 ) zu verknüpfen, um so unausweichlich deutlich zu machen, dass Christi Rückkehr zur Erde in Beziehung zur antichristlichen Rebellion steht. Diese grundlegende Beziehung wird in Offb 19,11-20 eindeutig gezeigt. Da der Antichrist offenbar werden muss, liegt es nahe, dass sein Offenbarwerden eine Fälschung der Offenbarung Christi sein wird ( 2Thes 2,9 ). Aus Paulus��� Beschreibung der Vernichtung des Antichristen beim Kommen Christi (Vers 8 ) ist zu entnehmen, dass er den Gesetzlosen mit Daniels kleinem Horn ( Dan 7,8.11 ) gleichsetzt.

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Neuen Testament

Im Buch der Offenbarung

Im Buch der Offenbarung kommt der Begriff Antichrist nicht vor (obwohl Johannes ihn schon vorher in seinen Briefen gebrauchte). Der Grund hierfür dürfte zum Teil in dem symbolischen Charakter seiner prophetischen Vision liegen. Sein Ausdruck für den Antichristen ist Tier oder Bestie , ein Begriff zur Beschreibung seiner unmenschlichen Natur, die Johannes oft in Tierform offenbart wurde. Das Buch der Offenbarung bietet die vollständigste Information über den Aufstieg des Antichristen und gibt sogar eine Identifikation seiner Person in dem Kryptogramm 666 wieder ( Offb 13,16-18 ). Da der Text keine Erklärung für diese Zahl bietet - außer, dass es sich um die Zahl eines Menschen (z.B.: Antichrist) handelt -, wird niemand bis zur entsprechend vorherbestimmten Stunde in der Trübsal fähig sein, ihre Bedeutung zu entdecken. Johannes (und Paulus) sieht den Antichristen von Satan getrieben oder, wie er schreibt, von »dem Drachen« ( Offb 13,2 ; vgl. 12,9 ). Johannes��� Darstellung des Antichristen ist die eines Weltherrschers ( Offb 13,1.4.7; 17, 12-13.17 ), dessen politische Stellung so dominant ist, dass sie auf den religiösen Bereich übergreift ( Offb 13,15 ). Dabei hilft dem Antichristen eine teuflische, religiöse Person, die von Johannes als ein zweites Tier vorgestellt wird, das ein geringerer Antichrist ist. Dieses Tier ist ein Duplikat des Antichristen (des ersten Tieres; Offb 13,12 ), diesem jedoch untergeordnet. Es hat nur zwei Hörner, verglichen mit dessen zehn ( Offb 13,11 ).

Im Gegensatz zu dem ersten Tier, das aus dem Meer heraufsteigt, kommt das zweite Tier aus der Erde ( Offb 13,11 ). Diese gegensätzlichen Begriffe sind kennzeichnend für den Ursprung der beiden Tiere. Das Meer könnte die Völkerwelt symbolisieren ( Offb 17,15 ; vgl. Dan 7,2-3 ). Wenn das hier der Fall ist, dann könnte die Erde als Gegensatz dazu die Juden symbolisieren. Aus den alttestamentlichen Anspielungen auf den Antichristen geht hervor, dass er seinen Ursprung in den Nationen hat, und die hier bemühte Gleichsetzung »der Erde« mit dem Volk der Juden lässt sich von der Formulierung von »dem Land« [Israel] ableiten, wie sie verschiedentlich in der Offenbarung gebraucht wird ( Offb 11,18 ; vgl. Dan 8,9 ). Die meisten prämillennialistischen Ausleger haben die Vorstellung akzeptiert, dass der geographische Ursprung des Antichristen in Europa als einem wieder erstandenen römischen Reich liegt. Diese Ansicht gründet sich auf Dan 9,26 und hat Rom im Sinn. Es gibt auch die Vorstellung von Ursprung im Mittleren-Osten, die sich auf Assyrien als »das Getötete« [Reich] von Offb 13,3 bezieht (vgl. Offb 17,9-11; Dan 11,40 ), das als Irak wieder ersteht (Goodman, Hodges).

Das zweite Tier agiert als Vertreter des Antichristen im religiösen Bereich. Es kopiert die wunderbaren Zeichen der biblischen Propheten ( Offb 13,13-14 ). Gerade so, wie viele Antichristen während der letzten Zeiten auftreten, um die Welt auf den wirklichen Antichristen vorzubereiten ( 1Jo 2,18.22 ), so werden auch viele falsche Propheten und falsche Christusse während der Trübsal auftreten (vgl. Mt 24,10.24 ), um auf den größeren Betrug des zweiten Tieres vorzubereiten ( Offb 13,13-14 ), der ein falscher Prophet ohnegleichen sein wird ( Offb 13,14 und Mt 24,24 ; vgl. Offb 19,20 ). Er besitzt die Macht zur Fälschung und eine dem ersten Tier untergeordnete Autorität ( Offb 13,4.12 ), weshalb er ein zweites Tier genannt wird. In dieser Stellung treibt er die Verehrung des Antichristen voran ( Offb 13,16 ), der anscheinend zu dieser Zeit den Status der Göttlichkeit für sich beanspruchen wird ( Offb 13,4-8.12- 13 ). Der falsche Prophet wird die Nationen täuschen ( Offb 13,12 ), aber es wird auch gezeigt, dass er besondere Zeichen speziell für Israel vollbringen wird ( Offb 13, 12-15 ). Weil zu diesen Zeichen gehört, zum Leben zu erwecken, (Vers 12 ), Feuer vom Himmel herabzurufen (Vers 13 ) und zu erschaffen (Verse 14-15 ), erinnern seine Handlungen besonders an die des Propheten Elia (vgl. 1Kö 17,14-16; 17,21-23; 18,36-38 ). Das könnte bedeuten, dass der falsche Prophet wie Elia (vgl. Mal 3,1-2; 4,5 ) als ein messianischer Vorläufer auftritt, um den Antichristen als Messias auszurufen. Allerdings wird der Antichrist Verehrung als ein Gott empfangen, der über alle anderen Götter erhoben ist ( Offb 13,4.8 ; vgl. 2Thes 2,4 ). So erscheint es wahrscheinlicher, dass der falsche Prophet für Israel auch ein falscher Messias ist, der die erwarteten messianischen Zeichen vollbringt ( Jes 35,5; 42,7; 61,1 ; vgl. Mt 11,3-5; Lk 4,18-19 ), um die Stellung des Antichristen zu bestätigen und zu vergrößern. Sie stehen zueinander in einem Verhältnis wie Gott und sein Prophet ( Joh 5,36; 8,54; 10,18; 17,4 ; vgl. Mt 24,24 mit Apg 2,22 ). Diese Fälschungen passen zu der Beschreibung, er habe Hörner wie ein Lamm (vielleicht eine Nachahmung des messianischen Wesens; Offb 5,6 ; vgl. Jes 53,7 ) und rede wie ein Drache (von Satan getrieben), Offb 13,11 ).

Die beiden vom oder für den Antichristen bewirkten Zeichen, Totenauferweckung und Selbstdarstellung im Tempel, sind miteinander und mit der messianischen Erwartung verbunden. Gemäß der Messiaserwartung als ein göttlicher Richter ( Mal 3,1-2 ) ging Jesus in den Tempelbezirk und warf - richterlich handelnd - die Tische der Geldwechsler um ( Joh 2,13-21 ). Daraufhin wurde er von der jüdischen Menge aufgefordert, ein Zeichen zu geben, das seinen messianischen Auftrag bestätigen sollte. Jesus antwortete mit dem Zeichen seiner Auferstehung. Die satanische Auferweckung des Antichristen dürfte ein Versuch sein, dieses Zeichen der Auferstehung nachzuahmen ( Offb 13,3.12-14 ), als Mittel zu seiner Vergöttlichung und Einsetzung als göttlicher Richter. Diese Zeichen sollten seinen Anspruch bestätigen ( Offb 13,8-10.15 ). Allerdings wird der Antichrist in der Absicht, Israel zu vernichten und das Land einzunehmen ( Dan 11,41 ; vgl. Offb 8,9-13 ), den klaren Beweis göttlichen Segens (die 144.000 und die beiden Zeugen; Offb 7,1-8; 14,1-5; 11,3-12 ) umkehren und das ganze Volk in das Exil der Zerstreuung zurückwerfen. Dan 9,27 beschreibt die »Verwüstung«, die dem »Gräuel« des Antichristen folgt. Derselbe Begriff wird gebraucht, um den Zustand Israels und des Landes als Folge der Schändung und des Exils darzustellen (vgl. 3Mo 26,34-35; Ps 73,19; 2Chr 30,7; 36,21; Jer 4,7 ). Das dürfte bei der weltweiten Judenverfolgung geschehen, die der Inthronisierung des Antichristen im Tempel folgt ( Offb 12,13-17 ; vgl. Mt 24,16-22; Mk 13,14-18 ).

Die Niederlage des Antichristen fällt mit dem zweiten Kommen Christi zusammen ( Offb 19,1.19-20 ) und ereignet sich anscheinend in Jerusalem während des letzten Feldzuges in Harmagedon (vgl. Sach 14,1-4 ; vgl. Dan 9,27 ). Die ewige Bestimmung des Antichristen ist im Feuersee ( Offb 19,20 ), der speziell für die Bestrafung Satans und der mit ihm in Unterordnung verbundenen aufständischen Engelscharen (der Dämonen) konzipiert wurde ( Mt 25,41 ). Das Tier und der falsche Prophet werden am Ende der Schlacht von Harmagedon dem Feuersee übergeben ( Offb 20,20 ), aber Satan wird bis zum Ende des Tausendjährigen Reiches gebunden werden ( Offb 20,1-3.7 ). Dann wird er freigelassen und besiegt; und in ewiger Verdammnis wird die satanische Trinität vereinigt sein ( Offb 20,9-10 ). Die ernüchternde Warnung an die Unerretteten und an jene, die das Zeichen des Antichristen während der Trübsal annehmen, lautet, dass sie die ewige Bestimmung des Antichristen im Feuersee teilen werden ( 20,13-15; 21,8 ).

Siehe auch: Daniels siebzig Jahrwochen, dispensationalistische Auslegung.

J. Randall Price

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Neuen Testament

Nichtevangelikale Sicht:

W. Bousset, The Antichrist Legend: A Chapter in Christian and Jewish Folklore , (London: Hutchinson & Co., 1896); Bernard McGinn, Antichrist: Two Thousand Years of the Human Fascination with Evil (San Francisco: Harper Collins, 1994); Ernst Renan, Antichris t, übers. v. W. G. Hutchinson (London: W. Scott Publishers, 1899); Béda Rigaux, L'Antéchrist: et l'Opposition au Royaume Messianique dans l'Ancien et le Nouveau Testament. Universitas Catholica Lovaniensis Dissertationes Seires II. Tomus 24 (Paris 1932, J. Gabalda et Fils); Samuel P. Tregelles, The Man of Sin (London: Aylesbury, Hunt, Benard & Co., 1930).

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Neuen Testament

Evangelikale Sicht:

Arthur W. Pink, The Antichrist (Grand Rapids: Kregel, 1988).

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Neuen Testament

An der Lehre von den Heilszeitaltern orientierte, prämillennialistische Sicht:

David Hocking, The Coming World Leader (Portland: Multnomah, 1988); Thomas D. Ice und Timothy Demy, The Truth about the Antichrist and His Kingdom (Eugene, Oreg.: Harvest House, 1995); J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft (Dillenburg: CV, 1993); Walter K. Price, The Coming Antichrist (Chicago: Moody Press, 1974) und In the Final Days (Chicago: Moody Press, 1977); Robert L.Thomas, Revelation 8-22: An exegetical Commentary (Chicago: Moody, 1995); John F. Walvoord, The Revelation of Jesus Christ (Chicago: Moody Press, 1966).

 

ANTICHRIST

Der Antichrist im Neuen Testament

Sicht vom Antichrist als Assyrer:

Phillip Goodman, The Assyrian Connection: The Roots of the Antichrist and the Emerging Signs of Armageddon (Lafayette, La. 1993, Prescott Press); Zane C. Hodges, Power to Make War: The Career of the Assyrian Who Will Rule the World (Dallas 1995, Redención Viva).

 

ANTICHRIST

alttestamentliche Hinweise

1Mo 3,15

Dieser Vers enthält nicht nur die erste Prophetie über das Kommen des Messias, er gibt gleichzeitig auch die erste Weissagung über den Antimessias oder Antichrist wieder. Der Vers redet von Feindschaft zwischen zwei Parteien. Zuerst ist von der Feindschaft zwischen Satan und der Frau die Rede, dann aber auch von der Feindschaft zwischen dem Samen der Frau und dem Samen Satans. Der Same der Frau ist Jesus, der Messias. Als Gott war er ewig existent, als Mensch wurde er durch den Heiligen Geist empfangen und von einer Jungfrau geboren. Er war wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch. Die Erwähnung des Samens einer Frau steht der biblischen Gepflogenheit entgegen, denn die Zugehörigkeit wurde immer nach dem Samen des Mannes beurteilt. Deshalb werden in allen Stammbäumen mit Ausnahme einiger weniger Ausnahmen nur die männlichen Namen wiedergegeben.

Der Grund, weshalb der Messias nach dem Samen der Frau beurteilt werden muss, wird in Jesaja 7,14 erläutert: Der Messias wird von einer Jungfrau geboren. Weil der Messias keinen menschlichen Vater haben würde, muss sein Ursprung nach der Frau beurteilt werden, da sein Menschsein nur von ihr her kommt. Der Ausdruck »ihr Same« setzt eine wunderbare Empfängnis voraus. Im Hinblick auf den »Samen« Satans legt dieser Begriff im gleichen Vers denselben Gedankengang nahe: die Vorstellung von einer übernatürlichen, geheimnisvollen Empfängnis. Die Feindseligkeit gegenüber dem Samen der Frau kommt vom Samen Satans. Wenn der Same der Frau der Messias ist, kann der Same Satans nur der Antichrist sein.

Aus dieser Textstelle kann man schließen, dass Satan die Jungfrauengeburt nachahmen und irgendwann eine Frau schwängern wird, die dann Satans Samen gebiert, der der einmal Antichrist sein wird. Diese Frau mag vielleicht keine Jungfrau sein, aber die Empfängnis des Antichristen wird durch die wunderbare Macht Satans bewirkt werden. Auf diese Weise wird der Antichrist einen übernatürlichen Ursprung haben.

 

ANTICHRIST

alttestamentliche Hinweise

Jes 14,3-11.16-21

In 2Thes 2,8 stellt Paulus fest, dass der Antichrist beim zweiten Kommen Christi getötet wird. Jes 14,3-11 beschreibt, was mit der Seele des Antichristen geschieht, wenn er in der Hölle ankommt. Zum Zeitpunkt der Erlösung Israels werden die Juden, die der König von Babylon vernichten wollte, ihn mit einem neuen Spottlied verhöhnen (Verse 3-4 ) und der höchsten Macht, der Kraft Gottes gedenken (Vers 5 ). Der Antichrist regierte die Nationen der Welt (Vers 6 ), aber dann freut sich die ganze Welt über seine Absetzung (Verse 7-8 ). Wenn der Geist des Antichristen die Tore der Hölle durchschreitet, werden die vormaligen Großen der Erde, die bereits dort sind, sich in äußerstem Schock von ihren Thronen erheben (Verse 4-9 ) - im Schock darüber, dass auch er in die Hölle gestoßen wird (Vers 10 ). Doch es wird so sein, und alle Pracht seiner Weltregierung wird dem Höllentod anheimfallen (Vers 11 ). Nachdem Jesaja den Geist des Antichristen in der Hölle beschrieben hat, fährt er mit der Beschreibung seines irdischen Todes fort (Verse 16-21 ). Vielen wird es möglich sein, den Körper des Antichristen zu sehen. Starren Blicks werden sie den unglaublichen Vorgang seines plötzlichen, schnellen Todes wahrnehmen - den Tod dessen, der die Reiche der Welt erschütterte und in dessen Anwesenheit die Erde erbebte (Verse 16-17 ). Während geringere Könige in prachtvollen Grabmälern bestattet sind, (Vers 18 ), wird der Leichnam des Antichristen unter den Füßen seiner eigenen fliehenden Heere zertreten (Vers 19 ). In Wahrheit wird sein Leichnam überhaupt niemals bestattet (Vers 20 ). Er wird wenig später auferweckt werden, denn es ist ihm bestimmt, lebendig in den Feuersee geworfen zu werden. Seine ganze Familie wird vernichtet werden. So können sie nicht in die Fußstapfen ihres Vaters treten und versuchen, die Welt zu beherrschen (Vers 21 ).

 

ANTICHRIST

alttestamentliche Hinweise

Hab 3,13

Das dritte Kapitel des Propheten Habakuk beschreibt das zweite Kommen und den Krieg des Messias mit den Nationen der Welt. Dieser Vers erwähnt den Führer der verschwörung und führt aus: »Du zerschmettertest das Haupt im Hause des Gottlosen, und entblößtest die Grundfeste bis an den Hals« (Luther���12). Auch das ist ein Hinweis auf seinen Tod beim zweiten Kommen Christi, und es ist die alttestamentliche Entsprechung zu 2Thes 2,8 .

 

ANTICHRIST

alttestamentliche Hinweise

Dan 7,7-8.11.19-26

Daniel beschreibt die Entwicklung der vier aufeinander folgenden Nationenreiche mit dem Untergang des vierten Heidenreiches in fünf aufeinander folgenden Stufen, deren fünfte die Stufe des Antichristen ist. In der ersten Hälfte der Trübsal ist der Antichrist ein Herrscher, der seine Macht mit zehn anderen teilen muss. In der Mitte der Trübsal wird er stark genug sein, drei der zehn zu entmachten, und die anderen sieben werden sich einfach seiner Autorität unterwerfen. Wenn dies geschieht, beginnt die letzte Stufe des vierten Nationenreiches, die Stufe des Antichristen wirksam zu werden, die Stufe der absoluten Weltdiktatur. Im Hinblick darauf wird er sich tatsächlich von allen anderen unterscheiden. Dann wird er die Welt für die zweiten drei Jahre der Trübsal beherrschen.

 

ANTICHRIST

alttestamentliche Hinweise

Dan 8,23-25

Vor dem Hintergrund des Antiochus Epiphanes, eines Typus des Antichristen, beschreibt diese Textpassage Wesen und Aufstieg des Antichristen zur Macht. Vers 23 nennt einen der vielen Namen des Antichristen: Der König mit hartem Gesicht. Er wird ein Verständnis für geheimnisvolle Aussprüche haben, das heißt, er hat die gleiche übernatürliche Fähigkeit, dunkle Rätsel zu lösen wie Daniel in Kapitel 5,12 . Daniels Quelle war Gott, aber die Quelle des Antichristen wird Satan sein. Der Antichrist wird die Macht der verborgenen Mächte haben, die hinter ihm stehen. Das wird in den folgenden Versen weiter ausgeführt, wo deutlich wird, dass seine Macht stetig zunimmt, dass es aber nicht seine eigene Kraft ist. Mit anderen Worten: Der Antichrist wird über ein gewaltiges Machtpotenzial verfügen, aber diese Macht ist nicht die seine. Sie hat ihren Ursprung in einer anderen Quelle, in der seines Vaters Satan. Er wird versuchen, das heilige Volk Israel mit übernatürlicher Macht zu vernichten. Er wird durch List und Täuschung charakterisiert und dadurch wird er Herrscher einlullen und in falscher Sicherheit wiegen und wird sie dadurch übervorteilen und schließlich ausmerzen. Eine Zeit lang wird er bei der Verfolgung seiner Ziele erfolgreich sein. Er wird sich in seinem Herzen überheben und das wird dazu führen, dass er sich selbst als Gott vorstellen wird. Er wird sich gegen den Fürst der Fürsten, den Messias, erheben und so tatsächlich der Antichrist sein.

 

ANTICHRIST

alttestamentliche Hinweise

Dan 9,26-27

Dieser Text offenbart eine Reihe von Einzelheiten über den Antichrist. Da ist zunächst seine menschliche Herkunft. In Vers 27 wird von ihm als von einem gesprochen, der einen Bund macht. Nach den Regeln der hebräischen Grammatik bezieht sich das Pronomen er in Vers 27 zurück auf das ihm am nächsten stehende Bezugswort. Dieses nächst liegende Bezugswort ist der Fürst, der nach Vers 26 kommen wird. So sind also jener, der in Vers 27 den Bund macht, und der Fürst, der nach Vers 26 kommen soll, ein und dieselbe Person, der Antichrist. Dieser Fürst, der kommen wird, ist jener, von dem bereits früher in Daniels Buch die Rede ist, in den Kapiteln 7; 8 . Vers 26 macht auch deutlich, dass der kommende Fürst denselben Ursprung hat wie das Volk, das die Stadt und den Tempel zerstören wird. Das Volk, das den Tempel zerstörte, ist jetzt Geschichte: die Römer im Jahr 70 n. Chr. Die offensichtliche Schlussfolgerung: Der Antichrist wird ein Heide römischen Ursprungs sein. Die Ableitung seines römischen Ursprungs kann in folgenden fünf Schritten nachvollzogen werden: (1) Derjenige, der das Bündnis schließt, und der kommende Fürst sind ein und dieselbe Person. (2) Beide haben Bezug zum Antichristen. (3) Der Antichrist hat denselben Ursprung wie das Volk, das Jerusalem und den Tempel zerstörte. (4) Die Römer zerstörten Jerusalem und den Tempel im Jahr 70 n. Chr. (5) Daher wird der Antichrist römischen Ursprungs sein. Daraus folgt, dass der Antichrist kein Jude sein wird, sondern ein Heide römischer Herkunft.

Die zweite Hauptsache, die in diesem Text gelehrt wird, ist die Rolle des Antichristen beim Beginn der Trübsal. Der Auslösepunkt der siebzigsten Jahrwoche Daniels ist zweifellos die Unterzeichnung eines Sieben-Jahres-Vertrags zwischen Israel und dem Antichristen. Folglich löst nicht die Entrückung der Gemeinde die Trübsal aus, sondern die Unterzeichnung dieses Sieben-Jahres-Vertrags.

Der dritte Punkt, den dieser Text deutlich macht, ist, dass dieser Vertrag zwar für eine Dauer von sieben Jahren angelegt war, dass er aber nicht so lange halten wird. In der Mitte der Sieben-Jahres-Periode wird der Antichrist den Vertrag brechen und eine Einstellung der Opfertätigkeit erzwingen. Darauf folgen zwei Ereignisse: (1) Der Gräuel der Verwüstung, das heißt der Zeitpunkt, zu dem der Antichrist sich selbst im Tempel als Gottheit deklariert, und (2) die Auslösung der weltweiten Verfolgung des jüdischen Volkes. Diese Verfolgung wird andauern »bis zum völligen Ende«, dem Ende der siebzigsten Jahrwoche Daniels.

 

ANTICHRIST

alttestamentliche Hinweise

Dan 11,36-45

Dieser Text befasst sich mit zwei Hauptcharakteristika des Antichristen. Zunächst handelt er vom Wesen und Aufstieg des Antichristen (Verse 36-39 ). In diesem Textabschnitt zeigt ihn Daniel als halsstarrigen König (Vers 36 ), denn er erhebt sich über alle Völker und selbst über Gott, indem er sich selbst zur Gottheit erklärt (Verse 36-37 ). In seiner Selbstverherrlichung wendet er sich gegen den Gott der Götter ( Dan 7,25 ) und erhebt sich selbst über die ganze Menschheit. Er sucht nicht, wie es für Männer natürlich ist, die Liebe der Frauen, und so wird seine Missachtung der Frauen unmenschlich sein. Die Feindschaft Satans gegen die Fraulichkeit wird durch den Samen Satans fortgesetzt. Darüber hinaus wird er unter der totalen Kontrolle Satans stehen (Verse 38-39 ). Der Text macht deutlich, dass er einen Gott verehrt, den seine Vorfahren mütterlicherseits niemals ehrten: Satan, den Gott der Festungen. Seine politische Richtlinie lautet, dass der Zweck die Mittel heiligt. Darüber hinaus wird der Antichrist dank der Hilfe Satans in der Lage sein, die stärksten Verteidigungsanlagen der Welt zu überwinden und es wird scheinen, als sei er völlig unbesiegbar. Jene, die sich seiner Autorität und Gottheit unterwerfen, wird er erhöhen und ihnen Status und Autorität in seinem Reich verleihen. Er wird die eroberten Gebiete unter seinen loyalen Gefolgsleuten aufteilen, die ihn als Gott bekennen. So wird der Antichrist ein von Satan gelenktes und gestärktes Wesen sein, das die ganze Welt erobert.

Der zweite Teil des Textes handelt vom Krieg des Antichristen gegen die zehn Könige in der Mitte der Trübsal (Verse 40-45 ). Man sieht, wie er in alle Richtungen auszieht, um zu erobern, und so wendet er sich gegen den Norden (Verse 40.44 ), den Süden (Verse 40.42-43 ) und den Osten (Vers 40 ). Die drei Könige, die er besiegen und töten wird ( Dan 7,8-20.24 ), sind der König des Nordens (Syrien), der König des Südens (Ägypten) und der König des Ostens (Mesopotamien). Die Eroberung Ägyptens öffnet ihm die Tore zur Eroberung Afrikas (Verse 42-43 ). Er wird auch Israel, das gelobte Land, überfallen (Vers 41 ), um alles für den Gräuel der Verwüstung vorzubereiten. Obwohl der Antichrist schließlich die politische Kontrolle über die ganze Welt ergreifen wird, können drei Länder seiner Herrschaft entgehen: Edom, Moab und Amman (Vers 41 ). Diese drei antiken Nationen umfassen heute nur eine einzige Nation: das Königreich Jordanien. Das wird dann wiederum einen Schutzraum für fliehende Juden sein.

Der Text endet mit der Angabe, wo der Antichrist sein Hauptquartier errichten wird: »Und er wird seine Königszelte aufschlagen zwischen den Meeren und dem Berg der heiligen Zierde« (Vers 45 ). Das hier verwendete Wort für »Zelt« verweist auf ein militärisches Generalszelt und das Wort für »Palast« auf ein militärisches Königszelt. Es ist das königliche Zelt eines Generals (des Antichristen), das hier aufgestellt wird. Es wird zwischen den Meeren aufgerichtet, das heißt zwischen dem Mittelmeer und dem Toten Meer. Darüber hinaus steht es auf dem Berg der heiligen Zierde, das heißt dem Tempelberg, dem Berg Moria, dem Berg Zion. Das schafft die Voraussetzungen für den Gräuel der Verwüstung.

Siehe auch: Antichrist ; Antichrist, jüdische Vorstellungen.

Arnold Fruchtenbaum

 

ANTICHRIST

jüdische Vorstellungen

Die Vorstellung von einem Antichristus ist in weiten Teilen des Alten Testaments unterschwellig vorhanden; im Buch Daniel wird sie sehr deutlich. Das Bild eines Widersachers des Volkes Gottes und seines Messias in den letzten Zeiten tritt besonders in einigen apokryphen und pseudoepigraphischen jüdischen Schriften aus der Zeit vor der Geburt Christi hervor. Dazu gehören auch die apokalyptischen Texte der Schriftrollen vom Toten Meer. Der im Hinblick auf diese Literatur führende israelische Experte Michael Stone machte die Entdeckung, dass »der Hintergrund dieser Vorstellung in der jüdischen Eschatologie liegt«. Eine noch engere Schlussfolgerung zog der Professor der Hebräischen Universität in Jerusalem, David Flusser. Als Fachmann für das Judentum des zweiten Tempels und für die Ursprünge des Christentums stellt er kategorisch fest: »Die Vorstellung vom Antichristen ist ausgesprochen jüdisch und vorchristlich.« Das versteht sich aus dem Begriff selbst, denn gerade so, wie das griechische Wort christos (Christus) die Übersetzung des hebräischen Wortes maschiach (Messias) ist, so ist der »Antichrist« in Wirklichkeit der »Antimessias«.

In der jüdischen apokalyptischen Literatur wird ein letzter Aufstand der Gottlosen gegen die Gerechten in Israel vorausgesagt, der sich in den letzten Zeiten ereignen soll (vgl. Jub 23,24-23; 4Esr 4, 26-42; 6,18-28). Die frühesten Hinweise auf die Person eines gottlosen Königs, der die Streitkräfte der Gottlosen befehligt, betreffen »Belial« (» der Unwürdige «), ein übermenschliches Wesen, die Verkörperung des Bösen. Er ist dazu bestimmt, in der Endzeit der Gegener Gottes und seines Messias zu sein. In den Testamenten der zwölf Patriarchen dient das Bild Belials als Vorzeichen des unmittelbar bevorstehenden Abschlusses des Zeitalters und seines vernichtenden Endes (vgl. TJo 20,2; TSim 5,3; TNaph 2,6; TIss 6,1; 7,7; TReub 2,1; TDan 5,10; TLevi 18,12; TJuda 25,3). Belial führt nicht nur in die Irre. Wer auch immer sündigt, von dem wird gesagt, er tue die Werke Belials (TNaph 2,8). Ihm assistiert eine Gruppe von sieben bösen Geistern, die seinen unheiligen Hofstaat bilden (vgl. TReub 2,1; TIss 7,7). Diese Geister werden in den letzten Zeiten mit einer großen Gruppe von Menschen verbunden sein (Vgl. TIss 6,1). Die eschatologische Befreiung (Erlösung) Israels kann nicht ohne die endgültige Überwindung und Vernichtung Belials vollbracht werden. Der Sieg über Belial wird vom Gott Levis und vom Messias vollbracht (TDan 5,10; vgl. 5, 3-7), der mit ihm kämpfen wird und ihn endlich in die ewige Verdammnis schleudert (TDan 5,10; TIss 6,1; TLevi 18,12; TJuda 25,3).

Die Literatur der Schriftrollen vom Toten Meer (Qumran; ca. 196 v.Chr. - 68 n.Chr.) entwickelt eine komplexe Eschatologie, die sich auf eine pesher (wörtliche) Auslegung der biblischen Propheten gründet. Man hatte aufgrund der Annahme Belial = Satan gedacht, dass Belial nur ein Synonym für den Teufel sei. Obwohl Belial als Verführer und Verderber Israels vorgestellt wird, ist er eine eigens für diesen Zweck bestimmte Schöpfung Gottes (1QM 13,9-11) und tritt als ein quasi menschlicher Gegner auf. Es gibt Überschneidungen mit Satan, aber einige Texte wie 2. Hesekiel (4Q 385-389) unterscheiden zwischen einem »Sohn Belials« und einem »gotteslästerlichen/überheblichen König«, der sich erheben und das jüdische Volk bedrücken wird. Diese Titel erscheinen in Texten, in denen auf eine nationale Rückführung und Wiederherstellung Israels (entsprechend der Vision vom Tal der vertrockneten Knochen in Hes 37,4-6 ) angespielt wird, unmittelbar gefolgt von einem Gebet hinsichtlich der Zeit dieser endzeitlichen Rückführung des Volkes.

In einem fragmentarischen Pseudo-Daniel-Text aus der Höhle 4 in Qumran ist die Beschreibung eines gottlosen Endzeitkönigs, der Israel bedrückt, zu lesen: »... er wird ein Großer sein auf der Erde ... [alle] werden ihn anbeten und [alle] werden ihm dienen ... groß ... er wird mit Namen genannt und durch seinen Namen bestimmt werden. Man wird ihn Sohn Gottes nennen und sie müssen ihn Sohn des Höchsten nennen« (4Q 246 1,8-10). Das könnte den Anschein erwecken, hier handle es sich eher um einen Hinweis auf den Messias als auf den Antimessias, wenn hier nicht ein Feind Israels beschrieben würde. Das scheint sich in den darauf folgenden Worten zu bestätigen, in denen klar zwischen dem arroganten Bedrücker Israels in den vorangegangen Zeilen und dem Verteidiger Israels unterschieden wird, der den Frieden bringt und das Reich Israels aufrichtet: »Wie ein Meteor, den du erblicktest, so wird ihr Reich sein. Sie werden [etliche] Jahre lang auf der Erde herrschen und werden auf alles ihren Fuß setzen. Eine Nation (oder ein Volk) wird die andere zertreten und eine Provinz die andere, [ vacat ] bis das Volk Gottes sich erheben und vom Schwert abstehen wird. Sein Reich wird ein ewiges Reich sein und es (bzw. er) wird in Gerechtigkeit wandeln: Er wird die Erde in Gerechtigkeit [richten] und alle werden Frieden haben (machen). Das Schwert wird von der Erde genommen werden und jede Nation wird sich ihm unterwerfen (ihn anbeten)« (9-12).

Von großer Wichtigkeit ist hier das vacat (ein ausdrücklich gesetzter Zwischenraum zur Unterscheidung von Gedankensträngen), der Israels Bedrücker von seinem Erlöser trennt. Wenn diese Auslegung richtig ist, dann liegt uns in diesem Text der früheste jüdische Kommentar über Daniels Vision vom Antimessias und eine spektakuläre Parallele zur Lehre des Paulus in 2Thes 2,4 vor. Es ähnelt dem, was über Daniels gotteslästerlichen Tyrannen gesagt wird, der in den Orakeln des Hystaspes die göttlichen Vorrechte für sich in Anspruch nimmt. Die beschreiben einen König, der »geboren aus einem bösen Geist, aus Syrien kommen wird - der Umstürzer und Zerstörer der menschlichen Rasse ... dieser König wird nicht nur selbst der schändlichste sondern auch ein Lügenprophet sein. Er wird sich selbst einsetzen und sich selbst Gott nennen, und er wird selbst befehlen, dass man ihn als Sohn Gottes anbete« (Lactantius divinae institutiones 7.17,2-4). In ähnlicher Weise informiert uns das Testament des Mose , in dem ein Endzeitkönig mit absoluter Macht das jüdische Volk verfolgt, Gott lästert, das Gesetz bricht und den Tempel schändet, indem er seinen Eintritt ins Allerheiligste erzwingt und auf dem Altar heidnische Opfer darbringt. Die Tempelschändung ist nach dem Damaskus-Dokument (CD 4) auch eines der drei »Kennzeichen des Belial«.

Diese Texte bergen große Ähnlichkeit mit Jesu Ölbergrede, in der ein umfassender Abfall vom wahren Glauben vorausgesagt wird, betrügerische falsche Propheten und der Gräuel der Verwüstung im Tempel ( Mt 24,10-15; Mk 13,14-22 ).

Auch die jüdischen Apokalypsen entwickeln gewisse Vorstellungen hinsichtlich des Antimessias (siehe: Eschatologie, jüdische ). Ein Beispiel ist der römische Ursprung des Antimessias in den sibyllinischen Weissagungen (4,119-139). Er gründet sich scheinbar auf die Annahme einer Verbindung zu Rom in der Auslegung von Daniels Prophetie ( Dan 9,26-27 ). Hier ist der eschatologische Antimessias aus demselben Holz geschnitzt wie Nero, der ärgste aller göttlich verehrten römischen Kaiser, dessen Wiedererscheinen in der Endzeit als Nero redivivus (der [aus den Toten] auferstandene Nero) erwartet wurde. In der Himmelfahrt Jesajas ist Nero der Inbegriff des Bösen, in den Belial eingefahren ist, um Wunder zu tun und viele Bosheiten zu begehen ( 4,3.13 ). Auch die Schriften der frühen Kirchenväter waren beeinflusst von der traditionellen jüdischen Vorstellung des Nero redivivus (z.B. Commodian, 250 n. Chr.). Andere wiederum wie Hippolyt (Kommentar über die Segnungen Isaaks und Jakobs [ 1Mo 49,14 ]) begründeten die christliche Tradition, dass der Antichrist aus dem israelischen Stamm Dan kommen werde. Anscheinend schöpften sie diese neue Verbindung aus den jüdischen Testamenten der zwölf Patriarchen (TDan 1,4-9; 5,6-7), in denen festgestellt wird, dass in diesem Stamm böse Geister aktiv sein würden ( 5,5 ), dass Satan sein Fürst war ( 5,6 ) und dass er in der Zukunft den Stämmen Levi und Juda feindlich gegenüberstehen werde ( 5,6-7 ).

Der Untergang des Antimessias wurde nach dem Muster vorausgesagt, das in Dan 9,11 vorgestellt wird. Die Psalmen Salomos beschreiben den Sohn Davids, der Israel errettet, indem er den Gesetzlosen mit dem Wort seines Mundes tötet, Jerusalem säubert und den Juden das verheißene Land wiederherstellt (17,13.23-27). Das ist ähnlich wie im Neuen Testament, wo die Rückkehr des Messias die Verfolgung der Juden beendet und die Heere des Antichristen vernichtet ( Mt 24,30-31; Mk 13,26-27; Lk 21,27-28; 2Thes 2,8; Offb 19,14-21 ).

Im Jerusalemer Talmut (A), im Targum pseudo-Jonathan und in den späteren apokalyptischen jüdischen Midraschim (kommentierende Schriften) lautet der legendäre Name, der dem Antimessias beigelegt wird, Armilus. Werke wie Sefer Serubbabel und die Schriften von Saadia Gaon offenbaren seine Eigenschaften in verblüffenden Einzelheiten. Nach diesen jüdischen Quellen wird Armilus die ganze Welt mit der Behauptung täuschen, dass er Gott sei und über die ganze Welt herrschen werde. Er werde mit zehn Königen kommen, und gemeinsam würden sie gegen Jerusalem kämpfen. Von Armilus wird erwartet, dass er Israel verfolgt und in die Wildnis treibt und dass es eine Zeit beispielloser Not für Israel sein wird: Zunehmende Hungersnot und die Vertreibung der Juden durch die Nationen aus ihrem Land; die Juden werden sich in Höhlen und Schluchten verbergen. Gott wird gegen die Streitkräfte des Armilus Krieg führen, es wird eine große Rettung für Israel geben und das Reich der Himmel wird sich über die ganze Erde ausbreiten.

Andere Zeugnisse beschreiben weiterhin Armilus als aus dem römischen Kaiserreich erwachsend. Er hat wunderbare Kräfte und ist von der steinernen Statue einer Jungfrau geboren, weshalb man ihn den »Sohn eines Steins« nennt. Interessant ist auch, dass er diese Statue zum Zentrum allen Götzendienstes macht, was zur Folge hat, dass »sich alle Nationen vor ihr niederwerfen, ihr Räucherwerk darbringen und ihr Trankopfer ausgießen.« Das ähnelt Daniels gottlosem König und kommendem Fürsten und seinem Gräuel der Verwüstung, besonders aber dem Bild des Tieres im Buch der Offenbarung, dem Leben gegeben wird und das als ein Gegenstand der Anbetung beschrieben wird ( Offb 13,4.15 ).

Die jüdischen Autoren des Neuen Testaments folgten der jüdischen Hermeneutik einer wörtlichen, futuristischen Auslegung. Jüdische Vorstellungen vom Antimessias beeinflussten sowohl die frühe, judenchristliche Auslegung als auch die Auslegung der Mehrheit der frühen (vornicäischen) Kirchenväter. So schrieb zum Beispiel Irenäus (um ca. 185 n. Chr.): »Wenn aber dieser Antichrist die ganze Welt verheert haben wird, dann wird er drei Jahre und sechs Monate lang im Tempel zu Jerusalem sitzen und herrschen. Dann wird der Herr in Wolken, in der Herrlichkeit des Vaters vom Himmel her kommen und diesen Mann und jene, die ihm anhängen in den Feuersee werfen; für die Gerechten aber wird er die Zeit des Reiches bringen.« Und Eusebius erwähnt (verächtlich) einen judenchristlichen Autor namens Judas (datiert um 202-203 n. Chr.), dessen Abhandlung über Daniels 70 Jahrwochen vom unmittelbar bevorstehenden Auftreten des Antichristen in seiner Generation ausgeht (Geschichte der Kirche 6,6 ).

Im Gegensatz dazu tritt die nicht wörtliche Auslegung, die wir auch im späteren rabbinischen Judentum finden, nicht vor dem dritten Jahrhundert n. Chr. sondern erst mit Origenes und Augustinus ausgeprägt auf. Beide waren von den allegorischen Auslegungen der hellenistischidealistischen Schule des jüdischen Philosophen Philo beeinflusst. In Wirklichkeit waren sowohl die amillennialistische als auch die prämillennialistische Auslegung von jüdischen Quellen beeinflusst. Dennoch warfen die Amillennialisten während der Auseinandersetzung um das Tausendjährige Reich den Verfechtern eines solchen vor, dass es sich um eine »jüdische Vorstellung« handle. Obwohl apokryphe Elemente in der jüdischen Eschatologie verworfen werden müssen, werden Prämillennialisten aus den jüdischen Wurzeln ihrer Auslegung gestützt, die ihren richtigen biblischen Zusammenhang bestätigen.

Siehe auch: Daniel, Eschatologie.

J. Randall Price

David Flusser, The Hubris of the Antichrist in a Fragment from Qumran in: Immanuel (Frühjahr 1980); Jacob Klatzkin, Armilus in: Encyclopedia Judaica Bd. 3, (Jerusalem: Keter Publishing House Ltd., 1972); J. Randall Price, Prophecy and the Dead Sea Scrolls in: Secrets of the Dead Sea Scrolls (Eugene, Oreg.: Harvest House, 1996); Michael E. Stone, Antichrist in: Encylopedia Judaica Bd.3, (Jerusalem: Keter Publishing House Ltd., 1972).

 

APOKALYPSE

Der griechische Begriff apokalupsis bedeutet »Aufdeckung«, »Enthüllung« oder »Offenbarung« - deshalb auch eine »Offenbarung« in der Bibel. Die Verbform apokalupto ist aus kalupto (verbergen) und apo (vom) gebildet. Im säkularen Griechisch bedeutet es etwas aufzudecken, was vorher verborgen war. In der Septuaginta wird das Wort nur einmal in 1Sam 19,24 gebraucht (»Nacktheit«). Die Verbform wird in der Septuaginta über 80-mal in der Bedeutung von ausziehen, entblößen oder enthüllen gebraucht. Im Neuen Testament erscheint das Verb 26-mal, das Substantiv 18-mal, davon 13-mal in den Paulusbriefen. Bemerkenswerte Stellen sind Lk 2,32 (»ein Licht zur Offenbarung für die Völker«); Mt 11,25 (»Unmündigen offenbart«); 11,27 (»Niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn und wem der Sohn ihn offenbaren will.«).

Der Begriff Offenbarung bezieht sich in der christlichen Theologie auf die Selbstdarstellung Gottes gegenüber den Menschen. So ist die ganze Heilige Schrift ein Teil dieser göttlichen Offenbarung der geistgehauchten Wahrheit. Der Titel des Buches der Offenbarung, apokalypsi s, bezieht sich auf die Entschleierung oder Offenbarung der Zukunft. Seine Verwendung in Offb 1,1 zusammen mit dem Genitiv von bedeutet, dass Jesus Christus hier entweder thematisch als Gegenstand des Buches, gesehen werden kann oder als Ursprung der Offenbarung (vgl. Rienecker, Bd. 2, S. 465).

Da der griechische Titel des Buches der Offenbarung Apokalypse heißt, verweist der Begriff apokalyptisch auf alle prophetische Literatur über göttliches Gericht in der Endzeit (z.B. Dan 7-12; Jes 24-27; 34-35; Am 7-9; Sach 1-6; Joe 1-3 und Teile der Apokryphen: Jub, 2Esd, 1Hen, 2Hen, Bar).

Viele Gelehrte haben versucht, gewisse Eigenheiten apokalyptischer Literatur zusammenfassend einzugrenzen: Vorhersbestimmung, Pessimismus, unmittelbare Erwartung des Endes, Visionen weltweiter Katastrophen, umfassender Symbolismus und Messianismus. Dies sind ganz gewiss Charakteristika von Daniel und der Offenbarung, aber sie sind keineswegs auf diese beiden Bücher begrenzt. Vom soziologischen Standpunkt aus beschreibt der Begriff apokalyptisch allgemein eine Literatur, die aus der intensiven menschlichen Auseinandersetzung mit Verfolgungsangst und mit den Ängsten vor tief greifendem gesellschaftlichem Wandel erwächst. Das gilt aber nicht für alle apokalyptische Literatur. In einem Artikel über die Entrückung in NIDNTT (Bd. 3, S. 602) wird festgestellt: »In 1Thes 4,17 befasst sich Paulus mit der Entrückung in die Gemeinschaft der Erlösten am jüngsten Tag. Es waren nicht die Leiden der Gemeinde, die Paulus zu dieser Feststellung veranlassten, sondern die Besorgnis ihrer Glieder über das Schicksal jeder Christen, die bereits verstorben waren.«

Siehe auch: Gerichte, verschiedene.

Edward Hindson

D. E. Aune, Apokalyptisch in: Baker Encyclopedia of the Bible , hrsg. von W. A. Elwell (Grand Rapids: Baker, 1988); Colin Brown, Revelation in: New International Dictionary of New Testament Theology , Bd. 3 (Grand Rapids: Zondervan, 1978); Fritz Rienecker, A Linguistic Key to the Greek New Testament (Grand Rapids: Zondervan, 1980); D. S. Russell, The Message and Method of Apocalyptic in: Between the Testaments (London: SCM, 1960); R. F. Youngblood, Apocalyptic Literature in: Nelson's New Illustrated Bible Dictionary (Nashville: Thomas Nelson, 1995).

 

APOKALYPTISCHE SCHRIFTEN

Eine Apokalypse, vom griechischen apokalupsis , ist wörtlich eine »Entschleierung«. Als literarischer Begriff bezeichnet sie eine Gattung, die in den jüdischen Schriften der Zeit zwischen den beiden Testamenten erblüht ist - vom dritten Jahrhundert v. Chr. bis zum Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. Die Hauptcharakteristika der apokalyptischen Literatur kennzeichnen die meisten dieser Schriften: Einer biblischen Person werden durch einen himmlischen Vermittler (Engel) in höchst symbolischer Sprache himmlische Geheimnisse enthüllt. Diese Visionen beschreiben üblicherweise ein unmittelbares göttliches Eingreifen in gottlose menschliche Angelegenheiten, wobei die Sünder gerichtet, die Gerechten jedoch belohnt werden.

In einigen kanonischen alttestamentlichen Büchern kommen in vorausschauender Weise einige dieser Eigenschaften zum Tragen: bei Hesekiel, Sach 1-6 und Dan 7-12 . Die tierische Symbolik besonders bei Daniel dürfte spätere apokalyptische Autoren stark inspiriert haben. Eine Gruppe von Schriften aus der Zeit zwischen den beiden biblischen Testamenten, die wir unter der Bezeichnung pseudepigrapha kennen, verwendet weithin die apokalyptische Sprache. Einige der bemerkenswertesten dieser Schriften sind 1. Henoch, 4. Esdras, 2. Baruch und die Apokalypse Abrahams.

Das neutestamentliche Buch des Offenbarung war das erste Werk, das den Begriff »Apokalypse« benutzte, um sich selbst zu bezeichnen. Der Text birgt auch nahezu alle Hauptcharakteristika der Gattung. Die ersten beiden Verse identifizieren das Buch als eine Offenbarung, die einem menschlichen Propheten von Gott durch einen außerweltlichen Vermittler gegeben wird, um künftige Ereignisse zu enthüllen. Die Himmelsreise des Johannes in Kapitel 4 sowie die das ganze Buch durchziehenden Visionen sind ebenso Merkmale früherer apokalyptischer Schriften.

Das Buch der Offenbarung ist jedoch abgesondert von der nichtkanonischen apokalyptischen Literatur zu betrachten. Das biblische Buch ist nicht unter einem Decknamen verfasst, sondern trägt den Namen seines Autors, der als Prophet schreibt und den wir im Text immer wieder finden. Außerdem teilt Johannes nicht den Pessimismus der Apokalyptiker, die an der ganzen menschlichen Geschichte verzweifeln. Das Buch macht deutlich, dass Gott jetzt wie auch in Zukunft durch das Lamm erlösend wirksam ist. Darüber hinaus ist die neutestamentliche Apokalyptik auf Christus als Mittelpunkt ausgerichtet. Jesus ist das Zentrum des Glaubens in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Für Johannes und die anderen neutestamentlichen Autoren ist die Apokalyptik ein Mittel, Christi Bedeutung für die ganze Welt deutlich zu machen. Und schließlich besitzt der Autor Johannes die moralische Eindringlichkeit der alttestamentlichen Propheten. Er tadelt eine ungläubige Kirche und fordert Bekehrung, um ein göttliches Gericht abzuwenden - ein Ton, der den früheren Apokalypsen oftmals mangelt.

Die Einzigartigkeit der Apokalypse des Johannes ist auf seine göttliche Inspiration zurückzuführen, wohingegen die früheren apokalyptischen Schriften das Resultat der Fieberphantasien ihrer Autoren waren. Das letzte Buch der Bibel ist das beste, was die jüdische apokalyptische Literatur zu bieten hat. Dabei folgt es mehr der prophetischen Tradition des Alten Testaments als den Fußstapfen der Apokalyptiker.

Siehe auch: Antichrist ; Antichrist, jüdische Vorstellungen .

William Varner

Paul Hanson, The Dawn of Apocalyptic (Philadelphia: Fortress Press, 1987); Leon Morris, Apocalyptic (Grand Rapids: Eerdmans, 1973); D. S. Russell, The Method and Message of Apocalyptic (Philadelphia: Fortress Press, 1964).

 

APOKRYPHE SCHRIFTEN

ihr Gebrauch in der Prophetie

Die apokryphe Literatur (200 v. Chr. - 100 n. Chr.) birgt viele Hinweise auf den Messias und auf das künftige Reich. Das Problem mit dieser Gattung ist jedoch, dass die prophetischen Textteile verbogen sind, sowohl die Behandlung historischer Darstellungen als auch die vielfache Verwendung ausschließlicher Fiktion. Obwohl diese Texte in der römischkatholischen Kirche hohes Ansehen genießen, sind sie nicht göttlich inspiriert und besitzen auch keine Autorität als Wort Gottes. Aber es gibt fünf nicht zu unterschätzende Charakteristika in dieser literarischen Sammlung.

1. Die Schriften füllen die Lücke zwischen Altem und Neuem Testament. Sie bieten ein Informationsglied, das etwa viereinhalb Jahrhunderte menschlicher Geschichte umfasst.

2. Die Schriften geben wertvolle Einblicke in das geistliche, philosophische und intellektuelle Leben des Judentums.

3. Besonders die Bücher der Makkabäer geben eine sorgfältige Darstellung des erbitterten Existenzkampfs, den die Juden politisch gegen das heidnische Griechentum führen mussten. Sie protokollieren die Ereignisse einer der heldenhaftesten Perioden der Geschichte des jüdischen Volkes.

4. Ungeachtet aller Ungenauigkeiten, Widersprüche und Absurditäten bieten die Apokryphen den Historikern eine Bibliothek unschätzbarer weltlicher Literatur (Unger).

5. Auch im Bereich der Prophetie ist diese Literatur von großer Wichtigkeit.

Obwohl sie manchmal mit Übertreibungen und Erfindungen ausgeschmückt sind, geben uns die Apokryphen doch einen Überblick über den Glauben der Juden hinsichtlich des Kommens des Messias. Und nachdem man gewisse fiktive Passagen weggenommen hat, erkennt man, wie sehr die jüdische Hoffnung an der wörtlichen Erfüllung biblischer Texte hängt. Weil der Kern der prophetischen Hoffnungen aus den Prophetien des Alten Testaments kommt wissen wir, wie die Juden ihre messianischen Erwartungen auslegten.

In den Büchern Henochs (1. Jahrhundert v.Chr.) hat der alttestamentliche Henoch ( 1Mo 5,24 ) messianische Visionen eines zukünftigen Gerichts. In seiner zweiten Vision betrachtet er die Welt von der Sintflut bis zur Aufrichtung des messianischen Reiches. In einem Gleichnis oder einer Allegorie ist Henochs Vorstellung vom Messias die eines übernatürlichen Sohnes des Menschen. Er ist der Auserwählte, der sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzt, der gleichzeitig der Thron des Hauptes der Tage, des Allmächtigen, ist. Der Messias wird die Gottlosigkeit überwältigen und zu Gericht sitzen über Engel und Menschen.

Im Buch der Jubiläen (135-105 v. Chr.), das auch die Apokalypse Moses genannt wird, ist das messianische Zeitalter eine Segenszeit, die Bosheit wird ausgerottet. Der Psalter Salomos (70-45 v. Chr.) enthält ausgeprägte messianische Erwartungen. Diese Psalmen sind durch einen starken pharisäischen Hintergrund geprägt. Sie zeigen den Messias als Sohn Davids und König Israels, der Jerusalem von heidnischen Einflüssen reinigt und aus der Zerstreuung zurückführt. Die Nationenwelt wird ihm unterworfen sein, und er wird sie als Untertanen regieren. Im Buch der Geheimnisse Henochs (2. Henoch) aus dem ersten Jahrhundert n.Chr. zeigt der Herr dem Henoch die tausendjährige Millenniumsruhe. Zweifellos lasen die Rabbiner Teile des Neuen Testaments, und ihre Sicht des Tausendjährigen Reiches könnte aus dem Buch der Offenbarung entnommen sein. Die vor dem Jahr 70 n. Chr. geschriebene Apokalypse Baruchs zeigt die Trübsal in zwölf Abschnitten. Das letzte dort erwähnte Kaiserreich (das römische) wird durch den Messias zertreten. Obwohl das Buch von beträchtlichem Symbolismus gekennzeichnet ist, wird deutlich, wie die hebräischen Propheten des Alten Testaments an die wörtliche Erfüllung der Prophetien glaubten.

Die Sibyllinischen Orakel, die aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. bis in die christliche Ära hinein datieren, ist eine breit angelegte Sammlung jüdischen und christlichen Materials, das die Vorstellungen von der Rückkehr des Messias miteinander zu verbinden scheint. Gegen Ende des Buches sagt die Sibylle das Kommen des MessiasKönigs voraus und malt ein vollständiges Bild der Wunder seines Reiches, das die Gerechten erwartet. Und das Buch kommt zu dem Schluss, dass die Söhne Gottes rund um einen wiedererrichteten Tempel wohnen werden.

Die Schreiber der Apokryphen schöpften ihre Prophetien eindeutig aus Daniel, Hesekiel, Sacharja und anderen alttestamentlichen Propheten. Möglicherweise entlehnten sie auch Gedankengänge aus Schriften des Neuen Testaments. Aber ihr Interesse konzentrierte sich auf den Tag des Herrn als Tag der Erlösung Israels (Fairweather).

Wird im Neuen Testament auf Apokryphen hingewiesen? Unger zitiert C. C. Torrey, der zu dem Schluss kommt: Im Allgemeinen blieben die apokryphen Schriften unbeachtet. Über das angebliche Zitat von Henoch 1,9 in Judas 1,14-16 gibt die Neue Scofield Studienbibel eine interessante Beobachtung wieder: »Es ist geschrieben von einem Unbekannten, der den Namen Henochs für den Titel seines Buches benutzte. Judas��� Zitat Henochs bedeutet nicht, dass er das Buch Henoch als zuverlässig ansah. Nebenbei ist es nicht ausgeschlossen, dass Judas die Quelle ist, aus der das Zitat möglicherweise seinen Weg in das Buch Henoch fand. Es gibt keinen Nachweis für den genauen Inhalt dieses apokryphen Buches bis viele Jahrhunderte nach der Zeit, zu der der Judasbrief geschrieben wurde.«

Mal Couch

James H. Charlesworth (Hrsg.), The Old Testament Pseudepigrapha , Bde. 1-2 (Garden City, N.Y.: Doubleday & Co, 1985); William Fairweather, The Background of the Gospels (Minneapolis: Klock & Klock, 1977); Bentley Layton (Übers.), The Gnostic Scriptures (Garden City, N.Y.: Doubleday & Co, 1987); Merrill F. Unger, Introductory Guide to the Old Testament (Grand Rapids: Zondervan, 1981).

 

APOSTELGESCHICHTE

Eschatologie

Die Apostelgeschichte berichtet über die Gründung der Gemeinde und die Ausbreitung des Christentums. Sie wird im Allgemeinen »Taten des Heiligen Geistes« genannt, gegründet auf die Tatsache, dass mehr als 50 Mal in diesem Buch auf ihn Bezug genommen wird. Die Apostelgeschichte beginnt mit der Himmelfahrt Christi hinauf an den Platz zur Rechten des Vaters und der darauf folgenden Ankunft des Heiligen Geistes. Mit seinem Kommen begann der Heilige Geist seinen Dienst der Innewohnung, Erfüllung und Führung der Gläubigen. Nur die Apostelgeschichte gibt den inspirierten Bericht von den Anfängen der Ausbreitung der Gemeinde wieder. Sie enthält eine Chronik der Ausbreitung der Gemeinde von Jerusalem bis Rom, ebenso wie die Verwerfung der Juden und die Annahme des göttlichen Heils durch die Heiden.

Der Autor dieses Buches ist Lukas. Seine Autorschaft wird vorrangig gestützt durch die drei Wir-Berichte in der ersten Person Plural ( 16,10-17; 20,5-21,18; 27,1-28,16 ) und durch die literarische Verwandschaft mit dem Lukas-Evangelium. Der Zeitpunkt der Verfassung wird zwischen 60 und 62 n. Chr. angesetzt.

Im Buch der Apostelgeschichte wird über zahlreiche Prophezeiungen berichtet. Dazu gehören solche, die sich im Rahmen der historischen Berichte des Buches erfüllen, und solche, die noch zukünftig sind. Das Kommen des Heiligen Geistes wurde verheißen ( 1,4-5 ) und hat sich erfüllt ( 2,1-4 ). Die Jünger fragten ihren Herrn nach dem zukünftigen Tausendjährigen Königreich ( 1,6 ), und ihnen wurde gesagt, dass dies so lange ein Geheimnis bleibe, bis Gott dessen Zeitpunkt offenbaren würde ( 1,7 ). Die Jünger waren sich durch die Belehrung des Alten Testaments ( Jes 32,15-20 ) dieser zukünftigen Zeit bewusst, für die ein zukünftiger Segen für das Land und das Volk verheißen ist. Als Nächstes wird das zweite Kommen von Jesus Christus prophezeit ( 1,11 ), und dieses ist von da an das häufigste Thema bis zum Ende der Schriften des Neues Testaments.

Die Ereignisse an Pfingsten ( 2,1 ) wurden im Alten Testament vorausgesagt ( 2Mo 23,16; 3Mo 23,15-22; 4Mo 28, 26-31; 5Mo 16,9-12 ). Pfingsten ereignete sich 50 Tage nach dem Fest der Erstlingsfrüchte, das ein Typus auf Christus als Erstling aus den Toten bei seiner Auferstehung ist. Weist das Pfingstfest auf die Weizenernte hin, so markiert der Pfingsttag den Beginn der Zeitalters der Gemeinde. Kapitel 2 (Verse 17-20 ) beinhaltet ein Zitat aus dem Alten Testament ( Joe 2,28-32 ). Es werden hauptsächlich zwei Prophezeiungen erwähnt: 2,17-18 spricht von den Geschehnissen, die an Pfingsten eintrafen und somit erfüllt sind; der Rest des Abschnitts ( 2,19-20 ) präsentiert die Zeichen, die dem zukünftigen Tag des Herrn vorausgehen werden, wenn moralischer Niedergang und Abfall die Oberhand gewinnen. Die Erfüllung der Prophetie von der Erhöhung Christi ( Ps 110,1 ) findet sich in Kapitel 2,34-36 ; die von seiner Kreuzigung ( Jes 52,13-53,12 ) in Kapitel 3,13-15 .

Apg 15,16-18 ist ein Zitat aus dem Alten Testament ( Am 9,11-12 ), das von dem Zeitpunkt der Wiederkunft Christi spricht. Zu dieser Zeit wird der Tempel Davids im Tausendjährigen Reich aufgebaut werden. Dies war eine den Juden gegebene Zusage, die beinhaltete, dass Gott, obwohl er auch den Heiden Anteil an seinem Heil gewährte, seinen Plan für Israel nicht aufgegeben hatte. In seiner Rede auf dem Areopag ( 17,22-34 ) prophezeite Paulus, dass Gott die ganze Welt richten würde durch Jesus Christus, den gerechten Richter, der von den Toten auferweckt worden war (V. 31 ). Dies wird buchstäblich vor dem Großen Weißen Thron erfüllt werden ( Offb 20,11 ). Die Apostelgeschichte berichtet außerdem von einer durch Jesus dem Paulus übermittelten Prophezeiung ( 23,11 ), dass er nach Rom gehen solle, um für ihn Zeugnis abzulegen. Von ihrer Erfüllung wird in Kapitel 28,11-16 berichtet.

Schließlich spricht Paulus von der Hoffnung Israels ( 28,20 ), die auf die Auferstehung blickt und auf den Tag, wenn Jesus wiederkommt und sich als König der Könige und Herr der Herren erweisen wird.

Siehe auch: Heiliger Geist, Taufe mit dem HG.

Rick Bowman

Charles F. Pfeiffer und Everett F. Harrison, Hrsg., The Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962); John F. Walvoord, Hrsg., The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); John L. Walvoord und Roy B. Zuck, Hrsg., The Bible Knowledge Commentary (Wheaton: Victor Books, 1985).

 

APOSTELGESCHICHTE 2

und Pfingsten

Die Ausgießung des Heiligen Geistes am Tag von Pfingsten in Apg 2 ist der Antitypus des alttestamentlichen Festes der Erstlingsfrüchte und die Erfüllung mehrerer Prophezeiungen unseres Herrn Jesus, ganz besonders von Apg 1,5.8 und ebenso von Joh 14,16-17.26; 15,26; 16,7-15 . Aber sie ist nicht die Erfüllung der Prophezeiung Joels.

Das Pfingsten in Apg 2 ist die Erfüllung vieler einzelner Aspekte des Festes der Erstlingsfrüchte im dritten Buch Mose. Das zeitliche Intervall von 50 Tagen des mosaischen Festes ( 3Mo 23,16 ) entsprach genau dem Zeitraum zwischen der Auferweckung Christi ( Joh 20,17 ) und der Ausgießung des Geistes in Apostelgeschichte 2. Die zwei Brote ( 3Mo 23,17 ) repräsentieren dementsprechend Juden und Heiden, die in Christus zu einem Leib zusammengefügt wurden ( 1Kor 12,13 ). Die Brotlaibe wurden aus Sauerteig gemacht ( 3Mo 23,17 ), welches Sünde oder Böses unter den Gläubigen auf der Erde darstellt. Die Erstlingsfrüchte wurden dargebracht ( 3Mo 23,17 ), und Christus ist die Erstlingsfrucht ( 1Kor 15,23 ).

Der Herr Jesus prophezeite den Dienst des Heiligen Geistes nach seiner Rückkehr zur Rechten des Vaters und machte deutlich, dass dieser Dienst etwas Neues war und sich von dem unterschied, was die Apostel bis dahin erfahren hatten ( Joh 14,17 ). Am Tag von Pfingsten kann man mehrere Werke des Heiligen Geistes ausmachen. Durch das Reden in Zungen ( Apg 2,4 ) kam der Dienst des Geistes in Bezug auf die Gnadengaben ( 1Kor 12,11 ) zum Ausdruck. Der Dienst der Erfüllung durch den Geist wird ebenso erwähnt ( Apg 2,4 ). Bevollmächtigung zum Zeugendienst ( Apg 1,8 ) ist erkennbar in der Kühnheit des Auftretens der Jünger. Der Dienst der Überführung ( Joh 16,7-11 ) wird offenbar durch die Reaktion der Zuhörer ( Apg 2,37 ). Das Werk der Taufe im Heiligen Geist als solches wird nicht ausdrücklich erwähnt, ist aber ebenso offensichtlich. Der Herr Jesus bezog sich in Apg 1,5 auf das Werk der Taufe als etwas noch in der Zukunft Liegendes. Petrus nahm Bezug auf Pfingsten als dem Zeitpunkt, an dem die Apostel die Erfüllung dieser Verheißung empfangen hatten ( Apg 11,15-17 ).

Die Taufe mit dem Heiligen Geist an Pfingsten leitete ebenso die Erfüllung der Worte Christi über den Bau seiner Gemeinde ein ( Mt 16,18 ). Die Gemeinde wurde an diesem Tag eingeweiht. Durch die Taufe des Heiligen Geistes wird ein Gläubiger dem Leib Christi hinzugefügt ( 1Kor 12,13 ), welcher die Gemeinde ist ( Eph 1,22-23 ). Diese Taufe des Heiligen Geistes gründete sich auf Christi Tod und Auferstehung ( Röm 6,3-4 ). Bevor Christus nicht erhöht war, um das Haupt der Gemeinde zu werden ( Kol 1,18 ), und bevor er nicht von der Rechten des Vater aus den Geist ausgoss ( Apg 2,33 ), um Menschen seinem Leib hinzuzufügen, gab es keine Gemeinde im Sinne dieses Wortes im Neuen Testament. Die Taufe der Gläubigen in den Leib Christi hinein scheint ein einzigartiges Merkmal dieser Heilszeit zu sein.

Im Blick auf Petrus' Zitat aus dem Buch des Propheten Joel über den Tag des Pfingsten haben die Ausleger in ihrem Verständnis keine Übereinstimmung gefunden. Was meinte Petrus, als er erklärte, dass die auftretenden Phänomene das waren, wovon der Prophet Joel redete? Manche sind der Meinung, Petrus habe die vollständige Erfüllung der Prophezeiung Joels angezeigt. Andere haben ihn so verstanden, dass die Tätigkeit des Geistes an Pfingsten der Beginn dessen war, was Joel sagte. Wieder andere verstehen Petrus so, als sei Pfingsten ein Angebot unter Bedingungen, von dem der Prophet Joel gesprochen hatte. Aber Petrus' Bezugnahme auf den Propheten Joel scheint am besten verstanden zu werden als eine einfache Illustration des Werkes des Heiligen Geistes. Petrus wollte sagen: Das ist die Art von Dingen, von denen der Prophet Joel gesprochen hat.

Petrus' einleitende Worte zu dem Zitat aus Joel in Apg 2,16 - »... dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist (touto estin to eiremenon )« - weist nicht notwendigerweise auf eine Erfüllung hin, was klar wird, wenn man einen sorgfältigen Blick auf seinen Stil wirft. In 1.Pet 1,23-25 gebraucht Petrus dieselbe Formulierung: »Dies aber ist das Wort (touto de estin to rhema ), das euch als Evangelium verkündigt worden ist.« Er bezieht sich dabei auf ein Zitat aus Jesaja, das eindeutig keine buchstäbliche Erfüllung ist. Petrus weist auf einen Vergleich hin: Das ist die Art von Wort (das ewige Wort), das zu euch gepredigt wurde. Auf der anderen Seite vergleichen seine klaren, einleitenden Worte erklärend die Erfüllung einer Prophetie in Apg 1,16 .

Es gibt handfeste Gründe, Petrus so zu verstehen, dass die Ereignisse an Pfingsten denen gleichen, von denen Joel schreibt, jedoch nicht ihre Erfüllung sind:

1. Joel spricht von einer Ausgießung des Geistes auf Juda (siehe Joel 3,1 mit dem wiederholten Gebrauch der Anrede in der 2. Person, um zu beschreiben, dass der Geist »über alles Fleisch« ausgegossen wird; Joel 3,5 spricht vom Berg Zion und von Jerusalem als die Empfänger der Befreiung; Juda und Jerusalem werden in Joel 4,1 erwähnt).

2. Die in Joel 2 erwähnten Ereignisse, die der Ausgießung vorausgehen, sind niemals erfüllt worden. Die Wunder des Himmels aus Joel 3,3-4 haben an Pfingsten nicht stattgefunden. Das Gericht über die Heiden und die Wiederherstellung des Reiches Israel, die der Ausgießung des Geistes folgen ( Joe 4 ), wurden nicht erfüllt. Die Erfahrungen von Pfingsten decken sich nicht mit allem, was Joel voraussagte.

3. Die Ausgießung des Geistes an Pfingsten geschah zur Entstehung der Gemeinde. Sie ähnelt der Ausgießung des Geistes über ein bußfertiges Juda. Die Ausgießung des Geistes an Pfingsten wird als die Erfüllung der Geistestaufe und als der Beginn der Gemeinde betrachtet ( Apg 1,5; 11,15-17 ).

Siehe auch: Heiliger Geist, Taufe mit dem HG ; Israel und die Gemeinde, Unterschiede .

Clifford Rapp Junior

Lewis Sperry Chafer, Hrsg., Systematic Theology , Bd. 4 (Grand Rapids: Kregel Publications, 1993); Charles C. Ryrie, »The Significance of Pentecost«, in: Vital Theological Issues , hrsg. von Roy B. Zuck (Grand Rapids: Kregel, 1994); Robert L. Saucy, The Church in God's Program (Chicago: Moody Press, 1972); Henry C. Thiessen, Lectures in Systematic Theology (Grand Rapids: Eerdmans, 1949).

 

AUFERSTEHUNGEN

Altes Testament

Die Lehre von der Auferstehung ist im Alten Testament eher spärlich entwickelt. Doch es gibt einige sehr wichtige Schlüsselverse, die diese Lehre stützen und für einen noch zukünftigen Tag einen neuen Leib verheißen. Abraham und anderen wurde gesagt, sie würden in Frieden zu ihren Vätern eingehen ( 1Mo 15,15 ). Das könnte eine zukünftige Auferweckung zu neuem körperlichem Leben beinhalten. Ps 73,24 macht deutlich, dass die Seelen der Gerechten dahingehen werden, um nach dem Tod beim Herrn zu sein: »Nach deinem Rat leitest du mich, und nachher nimmst du mich in Herrlichkeit auf.« Hiob geht im 19. Kapitel näher auf die Auferstehung ein. Dort äußert er Worte der Hoffnung: »... ich weiß: Mein Erlöser (goe l) lebt; und als der Letzte wird er über dem Staub stehen. Und [ich] ... werde doch aus meinem Fleisch Gott schauen« (Verse 25-26 ). Da Gott keinen Leib hat, muss sich diese Stelle auf die künftige Herrschaft Christi beziehen. Außerdem verkünden diese Verse unzweifelhaft die Verheißung eines neuen materiellen Leibes, der wieder »sehen« wird.

Auch andere alttestamentliche Verse zielen auf Auferstehung. Der König David wird auferweckt, um den Überrest Israels im Reich Gottes zu »ernähren«. Denn Gott sagt: »Ich, der Herr, werde ihnen Gott sein, und mein Knecht David wird Fürst in ihrer Mitte sein« ( Hes 34,24 ). Manche sehen hier typologisch einen Hinweis auf Christus, aber die meisten Prämillennialisten glauben, dass hier von dem auferstandenen Patriarchen selbst die Rede ist. In einer Textpassage, die das künftige Reich ankündigt, sagt Jesaja: »Deine Toten werden lebendig, meine Leichen [wieder] auferstehen. Wacht auf und jubelt, Bewohner des Staubes! Denn ... die Erde wird die Schatten gebären« ( Jes 26,19 ).

Der Prophet Daniel sagt die Auferstehung der Gerechten nach der schrecklichen, weltweiten Trübsal voraus. Er schreibt: »Es wird eine Zeit der Bedrängnis sein, wie sie [noch] nie gewesen ist, seitdem [irgend]eine Nation entstand bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, den man im Buch aufgeschrieben findet. Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen: die einen zu ewigem Leben und die anderen zur Schande, zu ewigem Abscheu« ( Dan 12,1-2 ).

 

AUFERSTEHUNGEN

Neues Testament

Im Neuen Testament findet der Begriff Auferstehung durch zwei griechische Wörter Ausdruck: egiro : »(sich) erheben«, »aufsteigen« und anisteem i: »aufstehen«. Beide Wörter finden sich in einer großen Zahl von Versen, was der Lehre Substanz verleiht. Verschiedene Darstellungen der Auferstehung geben einen Vorgeschmack auf die Erfüllung dieser Hoffnung. Lazarus wurde von Jesus aufgefordert vorzutreten, nachdem er bereits vier Tage tot war ( Joh 11 ). Jesus hatte gesagt: »Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist« (Vers 25 ). Der Herr starb am Kreuz, berichtet Matthäus, »und die Grüfte taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt« ( 27,52 ). Dies ist von manchen »Wiederbelebung« und nicht »Auferstehung« genannt worden, da die so Hervorgetretenen wieder würden sterben müssen. Auch wurden ihnen nicht neue Leiber gegeben, sondern sie traten in ihren alten Hüllen hervor. Das Wort wiederbeleben bedeutet, »jemanden aus der Bewusstlosigkeit wieder aufleben lassen« (Webster) und beschreibt daher nicht das wirkliche Wunder des Ereignisses. Es handelt sich mehr um Vorankündigungen, Typen und Bilder dessen, was geschehen wird. Die endgültige Auferstehung wird ohne jeden weiteren Verfall stattfinden. Darin setzte Christus den Standard für die Heiligen, »dass er [Gott] ihn aber aus den Toten auferweckt hat, so daß er nicht mehr zur Verwesung zurückkehrte« ( Apg 13,34 ).

Die Auferstehung ist natürlich erst durch den Tod, die Bestattung und die Auferstehung Christi möglich geworden. Er hat den Weg für jene bereitet, die durch den Glauben mit ihm verbunden sind. Er macht neues Leben für jene alttestamentlichen Heiligen möglich, die vor ihm von uns gegangen sind. An der Auferstehung Christi hat die Dreieinigkeit Gottes Anteil. Jesus sagte den Juden, wenn sie seinen Leib zerstörten, würde er ihn selbst wieder aufrichten ( Joh 2,19 ). Ebenso richtete Gott, der Vater, den Herrn auf ( Röm 4,24 ), und auch der Heilige Geist ( Röm 8,11 ). Im Sinne ihrer Stellung hat Gott die an Jesus Gläubigen bereits auferweckt. Paulus beschreibt, wie die Gläubigen in dieser Heilszeit auf geistliche Weise mit dem Herrn auferweckt sind ( Eph 2,6; Kol 2,12; 3,1 ). Die Vereinigung mit ihm gibt uns neues, ewiges Leben.

Aber tatsächliche, körperliche Auferstehung ist der Eckstein von Paulus��� Theologie: »Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden« ( 1Kor 15,17 ). Er fährt damit fort, die wirkliche Auferstehung zu beschreiben. Der Leib wird in den Erdboden gesät, verweslich, entehrt, in Schwachheit und natürlich ( 1Kor 15,42-44 ). Er wird auferweckt unverweslich, in Herrlichkeit, in Kraft und geistlich. Dieser Leib ist immer noch körperlich, mit Fleisch und Blut, jedoch unempfänglich für Sünde und Krankheit. Er ist wie der neue Leib Christi. »Wir wissen, daß wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist« ( 1Jo 3,2 ). Der neue Leib ist nicht nur ein wehender Geist oder eine Erscheinung. Es ist in der Tat ein neuer, auferstandener Leib.

Amillennialisten und Bündnistheologen erkennen im Allgemeinen nur eine Auferstehung in der Heiligen Schrift. Beispielsweise bezeichnet A. A. Hodge alle in der Bibel erwähnten Auferstehungen als eine einzige neben der Auferstehung Christi. Vertreter der Heilszeitenlehre jedoch, die die Zusammenhänge studieren, sehen den Unterschied zwischen der Auferstehung der in Jesus Entschlafenen und der allgemeinen Auferstehung in Offb 20,5 . Die Formulierung »Die in Jesus« bezieht sich auf jene, die in dieser Heilszeit verstorben sind und die beim Klang der Posaune auferstehen werden. Die erste Auferstehung von Offb 20,5 zielt auf die Auferstehung jener, die - wie in Vers 4 beschrieben - das Martyrium erlitten, und verknüpft sie mit den Verheißungen des Alten Testaments einer Auferstehung für das Reich Gottes. So schließt sie die Auferstehung der Gerechten ein ( Lk 14,14; Apg 24,15 ), die Auferstehung aus den Toten ( Lk 20,34-36 ), die Auferstehung des Lebens ( Joh 5,29 ) und die Auferstehung zum ewigen Leben ( Dan 12,2 ; Thomas).

Da gibt es noch die Auferstehung aller nicht rechtschaffenen Verstorbenen zum Gericht vor dem großen weißen Thron ( Offb 20,11-15 ). Die Verlorenen aller Heilszeiten werden auf der Grundlage ihrer Taten gerichtet ( 20,13 ). Jeder wird ohne Möglichkeit eines Einspruchs gerichtet. Sie stehen ohne die stellvertretende Gerechtigkeit Christi da und sind deswegen nur mit ihren eigenen, sündigen Werken bekleidet. Sie sind zum zweiten Tod verdammt, dem Feuersee ( 20,14 ), denn ihre Namen waren nicht im Buch des Lebens geschrieben ( 20,15 ).

Siehe auch: Gerichte .

Mal Couch

Lewis Sperry Chafer, Systematic Theology , Bände 2, 4 (Grand Rapids: Kregel, 1993); David B. Gurainik (Hrsg.), Webster's New World Dictionary (New York: Simon and Shuster, 1980); A. A. Hodge, Outline of Theology (Carlisle, Pa.: The Banner of Truth Trust, 1991); Robert L.Thomas, Revelation 8-22 (Chicago: Moody Press, 1995).

 

AUGUSTINUS

Augustinus (354-430 n. Chr.), Bischof von Hippo Regius in Numidien (Nordafrika), war der begabteste der römischen Kirchenväter und der größte Theologe der frühen Kirche. Er wurde berühmt durch seine Beiträge zu den Lehren der Kirche über Vorherbestimmung, Sünde und Gnade. Augustinus war auch ein grundlegender Weichensteller für den Aufstieg und die Annahme des Amillennialismus und verursachte so den Niedergang und die Verwerfung der prämillennialistischen Lehre, die bis zu dieser Zeit als feststehende orthodoxe Lehre in der Eschatologie der frühen Kirchenväter galt. Vor Augustinus wurde Amillennialismus von Theologen verfochten, die in der durch die alexandrinische Schule hemmungslos angewandten Praxis allegorischer Auslegung der Schrift wohl bewandert waren und die so die heiligen Texte oftmals bis zur Häresie verbogen (z.B. Origenes).

Zu Beginn hatte Augustinus selbst prämillennialistische Ansichten in Form der Jahr-Tag-Tradition verfochten, die üblicherweise von der frühen Kirche akzeptiert wurden. Diese Sicht gründete sich auf den Schöpfungsbericht mit sechs Tagen schöpferischer Tätigkeit, gefolgt von einem Ruhetag und der symbolischen Gleichsetzung eines Tages mit einem Zeitraum von tausend Jahren (begründet durch 2Petr 3,8; Ps 90,4 ). Das führte zu der Annahme, dass die Welt für einen Zeitraum von sechstausend Jahren existieren werde, die man üblicherweise in Tausend-Jahre-Zeitalter biblischer Geschichte aufteilte. Diesen würde ein Tausend-Jahre-Sabbat der Ruhe folgen, das Tausendjährige Reichszeitalter.

Augustinus verließ den prämillennialistischen Standpunkt mit der oberflächlichen Begründung, dass sich einige Millennialisten ein Reichszeitalter in unvergleichlicher Fruchtbarkeit vorstellten, exzessiv überladene Tafeln voller Essen und Trinken (De Civitate Dei 20,7). Er gab statt dessen dem Standpunkt seines Zeitgenossen Tykonius, eines Donatisten und Laientheologen den Vorzug, der eine allegorisierte Auslegung der Offenbarung anregte. Ausgehend von dieser Position formulierte Augustinus einen amillennialistischen Standpunkt, in dem kein künftiges irdisches Tausendjähriges Reich erwartet wurde. Sein angepasster millennialistischer Jahr-Tag-Glaube erklärte den siebenten Tag der Sabbatruhe kurzerhand zur symbolischen Entsprechung der Ewigkeit (eine übliche Ansicht unter den antiprämillennialistischen Kirchenvätern des vierten und fünften Jahrhunderts). Das Tausendjährige Reich aus Offb 20 wurde als Periode der gegenwärtigen Herrschaft Christi mit den Heiligen im Gemeindezeitalter gesehen - mit der geschätzten Dauer von Christi erstem bis zu seinem zweiten Kommen (De Civitate Dei 20,9).

Augustinus vertrat die Ansicht, dass während dieses geistlichen Millenniums Satan gebunden oder in seiner Macht eingeschränkt sei, aber noch die Freiheit habe, die Kirche zu täuschen und zu verführen (De Civitate Dei 20,8). Augustinus betrachtete das gegenwärtige Zeitalter als einen Kampf zwischen der Gemeinde und der Welt, zwischen der »Stadt Christi« und der gleichzeitig existierenden »Stadt des Teufels« (De Civitate Dei 20,11). Er glaubte, dass Gott durch das Mittel des Kreuzes bereits den grundsätzlichen Sieg über Satan errungen habe und dass die Kirche deshalb in diesem Zeitalter Triumphe erfahren könne. Er meinte aber, dass ungeachtet dessen kein endgültiger Sieg errungen sei, ehe Satan nicht seine ihm noch verbliebene Macht genommen und seine letzte Rebellion beim zweiten Kommen Christi niedergeschlagen worden sei. Darin unterscheidet sich Augustinus grundlegend vom postmillennialistischen Glauben an den Sieg der Gerechtigkeit im gegenwärtigen Gemeindezeitalter.

Augustinus umriss in der De Civitate Dei den Plan Gottes mit der menschlichen Geschichte folgendermaßen:

1. Von der Schöpfung bis zur Fleischwerdung Gottes sind fünftausend Jahre vergangen ( 20,7 )

2. Das Gemeindezeitalter - zwischen den beiden Kommen Christi - dauert tausend Jahre, während derer: a) Satan gebunden bzw. in seiner Macht begrenzt ist ( 20,8 ) b) die Heiligen mit Christus regieren bzw. »das Reich Christi« währt ( 20,9 )

3. Die letzte Verfolgung der Gemeinde beginnt am Ende des Tausendjährigen Reiches. Sie dauert dreieinhalb Jahre und beinhaltet: a) Satans Freilassung am Ende der tausend Jahre ( 20,11 ) b) Satans Aufhetzung Gogs und Magogs (der Nationen der ganzen Erde) zur grausamen Verfolgung der Gemeinde ( 20,11 ) c) den Antichristen als Mittelpunkt dieser letzten Verfolgung ( 20,13 )

4. Christus kommt wieder: a) um die Verfolger der Gemeinde heimzusuchen (Gog und Magog?) ( 20,12 ) b) um den Antichristen zu tötet ( 20,12 )

5. Das jüngste Gericht (über die Gottlosen) folgt mit: a) der zweiten Auferstehung des Fleisches ( 20,14 ). Die erste Auferstehung wurde als geistliche Wiederbelebung »vom Tod der Sünde« erklärt ( 20,9 ) b) Die Gottlosen, der Antichrist und der Teufel werden in den Feuersee geworfen ( 20,15 )

6. Für die Gerechten werden ein neuer Himmel und eine neue Erde geschaffen ( 21,1 )

Obwohl Augustinus��� Vorstellung vom Tausendjährigen Reich Christi allegorisiert war, glaubte er dennoch, dass die tausend Jahre in Offb 20 den buchstäblichen Zeitraum bezeichnen, der zwischen Christi erstem und zweitem Kommen liegt, dem Zeitraum des Gemeindezeitalters. Als aber das Jahr 1000 kam und ohne die Rückkehr Christi verging, war Augustinus��� Chronologie widerlegt. Es wurde für die Amillennialisten notwendig, die Dauer des Tausendjährigen Reiches und seine Bedeutung zu allegorisieren. Die tausend Jahre sollten nun einen unbestimmten Zeitraum zwischen den beiden Kommen Christi darstellen.

Mit dieser und einigen weiteren Anpassungen dominierte Augustinus��� allegorische Auslegung der biblischen Prophetie das eschatologische Verständnis während des Mittelalters. Sie fand auch die Akzeptanz der römischen Kirche ebenso wie die der Führer der Reformation. Bis heute findet die augustinische Eschatologie Annahme in weiten Kreisen der christlichen Kirche.

Siehe auch: Amillennialismus .

Larry Crutchfield

P. Brown, Augustine of Hippo (Los Angeles: University of California Press, 1967); W. A. Jurgens, The Faith of the Early Fathers , 3 Bde. (Collegeville, Minn.: The Liturgical Press, 1979); P.Schaff und H.Wace (Hrsg.), Nicene and Post-Nicene Fathers , 2. Reihe, 14 Bde (Grand Rapids o.J., Eerdmans).

 

BABYLON

Die Stadt und die Region Babylon spielen in der Bibel in vierfacher Hinsicht eine wichtige Schlüsselrolle - geographisch, politisch, geistlich und prophetisch. Der Name »Babylon« leitet sich vom hebräischen babel ab: »Tor Gottes«. Ein entfernt verwandtes Wort ist das Verb bala l: »verwirren«, »verwechseln«, »durcheinander bringen«. In der hebräischen Wortfamilie finden sich weiterhin folgende verwandte Begriffe: bal (nicht), bele (abgenutzt), balay (in Schwierigkeiten sein).

Die geographische Region Babylonien umfasste etwa 13.000 Quadratkilometer zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris; in der Überlieferung ist dies die Lage des Gartens Eden, wo die ersten Menschen lebten ( 1Mo 2,14 ). Nach der Sintflut befand sich hier das babylonische Reich ( 1Mo 10,10 ), das auch als das Land Sinear (oder Schinar) bezeichnet wurde. Dieses Wort könnte mit dem Hebräischen schanah verwandt sein, was »strahlen, glänzen, leuchten«, »Jahr« oder »wiederholen« (im jährlichen Zyklus der Monate) bedeuten kann. Das könnte eine entfernte Anspielung auf die Tatsache sein, dass Astronomie und Astrologie in dieser Region erstmals voll entwickelt waren und dass hier die Götter erdacht wurden - Wesen, die die Himmel und die Erde beherrschten. Aus dieser Region stammte Nimrod, der erste König von Babylon. Seine Name bedeutet: »sich empören«, »sich erheben« ( 1Mo 10,8-10 ). Im ersten Buch Moses wird uns außerdem berichtet, dass hier die mit Erech, Akkad und Kalne verwandten Völker wohnten. Weiter im Norden hat das antike Assyrien mit der Stadt Ninive seine Wurzeln ( 1Mo 20,22 ). Diese Völker und ihre Gebiete spielen eine bedeutsame Rolle in dem langen Konflikt mit Gottes auserwähltem Volk, den Israeliten.

Abraham wanderte aus diesem Gebiet aus, das zu seiner Zeit »Ur der Chaldäer« genannt wurde ( 1Mo 11,28 ). Um 1792-1750 v. Chr. Wurde Babylon von Hammurabi beherrscht. Die Königsfolge von Assyrien begann mit Assurnarsipal II. um 883 v. Chr. Das Neubabylonische Reich entstand um 626 v. Chr. mit Nebukadnezar, der im Jahr 605 v. Chr. an die Macht kam. Derselbe Nebukadnezar zerstörte später, im Jahr 586 v.Chr., Jerusalem und den Tempel. Trotz seiner langen Geschichte fiel Babylon 539 v. Chr. an die Meder. In all diesen Ereignissen spielte Babylon eine Hauptrolle als Nation und als Instrument Gottes zur Züchtigung Israels.

Jesaja beispielsweise prophezeite, dass Babylon wegen der Sünden Israels ins Land einfallen, das Volk in die Gefangenschaft führen und nichts im Land lassen werde ( 2Kö 20,17 ). Jeremia sagte voraus, dass die Gefangenschaft siebzig Jahre andauern werde ( Jer 25,11 ). Babylon werde jedoch für seinen Götzendienst bestraft ( Jer 51,52 ), und auch all das Unglück, dass es über Zion gebracht hatte ( Jer 51,24 ), werde ihm vergolten werden. Die Völker würden nicht mehr in seine Tore strömen, und seine Mauern würden fallen ( Jer 51,44 ). Die Ära eines vorherrschenden Weltreichs werde zu Ende gehen und die große, alles überschattende Macht, die einst den ganzen Mittleren Osten beherrschte, werde es nicht mehr geben. Zahlreiche babylonische Städte spielten jedoch noch für hunderte von Jahren nach dem Niedergang eine wichtige Rolle auf der Weltbühne.

Geistlich repräsentiert Babylon die Rebellion des Menschen gegen Gott, den Sitz des Bösen, des Satanischen und die Geburtsstätte der Vielgötterei. In einem Spottgedicht auf den Herrscher (und auf das System) Babylons ( Jes 14,1-23 ) wird der König als Verkörperung und Bild Satans selbst dargestellt. In seinem Gedicht geht Jesaja über den lebenden Beherrscher der babylonischen Nation hinaus; er porträtiert eine Personifizierung Luzifers. Er hat den Absturz Satans im Blick, der vor langer Zeit in der Ewigkeit ausrief: »Ich will hinaufsteigen auf Wolkenhöhen, dem Höchsten mich gleich machen« und »[Ich will] hoch über den Sternen (den Engeln) Gottes meinen Thron aufrichten« ( Jes 14,13-14 ).

Die Vielgötterei Babylons ist nirgendwo anschaulicher als in dem babylonischen Flutbericht, den das Gilgamesch-Epos enthält. Darin handeln die Gottheiten wie selbstsüchtige, lasterhafte Menschen. Sie fließen über vor Selbstmitleid, streiten mit- und hadern gegeneinander, klagen sich gegenseitig an, ducken sich »wie Hunde« und scharen sich gierig umeinander »wie die Fliegen«. Diese Götter sind launisch und zügellos in ihrer Sündhaftigkeit. Kindisch leugnen sie die Verantwortung für die schrecklichen Zerstörungen durch die Flut und versuchen, einander die Schuld dafür zuzuschieben (Unger). Von Babylon aus verbreitete sich die Verehrung solcher Gottheiten über die heidnischen Kulturen der antiken Welt. Die Verehrung dieser Götter war bezeichnenderweise mit sexuellen Perversionen verbunden, die die Gesittung verdarben. So ist Babylon schuldig, die heidnische Verzerrung des Bildes vom wahren Schöpfergott verursacht zu haben.

Nichtsdestoweniger machten die Babylonier die heidnischen Religionen salonfähig. Sie entwickelten die Idee des Pantheismus (die Vorstellung, dass die Götter in jedem Vorgang oder Ausdruck der Natur und ihrer Kräfte gegenwärtig sind) und erhoben sie zu einer Kunstform. Sie integrierten Kunst, Schauspiel und Musik in die Religion, bis die heidnischen Vorstellungen als höchster Ausdruck ihrer Kultur attraktiv wurden. Babylon griff auch die antike Form des Stadtstaates auf und weitete sie zu einem bürokratischen System aus, das die Kontrolle über die Bevölkerung des ganzen Reiches möglich machte.

Die letzten prophetischen Kapitel über Babylon finden wir in Offb 17-18 . Unter Prämillennialisten und Vertretern der Heilszeitenlehre bestehen verschiedene Meinungen darüber, ob Babylon nur ideell als Illustration des Diabolischen zu verstehen ist, oder ob diese Kapitel ein wieder erstandenes nationales Babylon in der Trübsalszeit zeigen. Frühere amillennialistische Gelehrte haben diese Kapitel fast immer als eine Darstellung der römisch- katholischen Kirche und ihrer heidnischen, geistlichen Hurerei verstanden. Manche Vertreter der Heilszeitenlehre erkennen in diesem neu erstandenen Babylon das wiederhergestellte Weltsystem, wie es am Ende von Rom aus regiert wird. Andere lesen aus diesen Kapiteln eine tatsächlich wiederaufgebaute Stadt und wiedererstandene Nation Babylon im Mittleren Osten heraus (Dyer). Saddam Hussein ging beispielsweise wirklich davon aus, dass Babylon einmal eine Weltstadt, wenn nicht die Welthauptstadt wird. Und manche Vertreter der Heilszeitenlehre glauben, dass das endzeitliche Reich des Antichristen ohne die antike Stadt Babylon nicht offenbar werden kann.

Andere kehren zu der Ansicht zurück, dass das »Geheimnis« Babylon ein System repräsentiert, das sich seit der Antike bis heute erhalten hat. Es ist als betrügerisches Übel in das religiöse System der römischkatholischen Kirche eingebettet. Deshalb kann der Hinweis in Offb 17,5 auf »Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde« nicht nur mit einer Örtlichkeit, sondern mit einem System gleichgesetzt werden. Diese Hure »reitet« oder lenkt eine Zeit lang das wieder errichtete römische Weltreich. Aber die Mächte, die dieses wieder erstandene Reich begründen, werden sich gegen sie wenden und »sie verwüsten und nackt machen und werden ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen« ( Offb 17,16 ). Aus Kapitel 18 kann keineswegs geschlossen werden, dass sie auch eine Stadt mit wirtschaftlichem Einfluss ist. Hunt argumentiert energisch, dass es sich nach wie vor um das papistische Rom handeln könnte, das gewaltigen ökonomischen Einfluss auf die Welt hat und auch noch in der Trübsalszeit haben wird.

In einer Art Kompromiss wird auch gesagt, dass das Babylon der Offenbarung einerseits die geistliche Hurerei der Katholischen Kirche und ihrer weltweit beherrschenden Stellung repräsentiere, aber auch der geographische Ort im Irak, der einen Diktator wie Saddam Hussein haben könnte. Was hier auch immer zutreffen mag, die Vertreter der Heilszeitenlehre beschränken die Ereignisse dieser Kapitel im Buch der Offenbarung auf die Zeit der Trübsal, obwohl die finsteren, bösen Einflüsse des antiken Babylon durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch wirksam sind. Einige weisen auch nachdrücklich darauf hin, dass es nur so scheint, als habe Gott die Sünden Babylons vergessen, wenn auch seit seiner frühen Gottlosigkeit eine lange Zeit vergangen ist. Aber der Herr wird sie sich wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Das endzeitliche Babylon ist nur der letzte Auswuchs derselben Prinzipien, die auch das antike Babylon antrieben. Alte Ärgernisse werden helfen, die endgültige Rache zu entflammen (Seiss).

Siehe auch: Trübsal, die Große .

Mal Couch und Joseph Chambers

Charles H. Dyer, The Rise of Babylon (Wheaton: Tyndale, 1991); Dave Hunt, Die Frau und das Tier (Bielefeld: CLV, 1995); Merrill F. Unger, Archaeology and the Old Testament (Grand Rapids: Zondervan, 1956); John F. Walvoord, The Bible Prophecy Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990).

 

BALE

John

John Bale (1495-1563) studierte am Jesus College in Cambridge (England). Er widerrief sein Gelübde im Karmeliterorden und wurde ein führender protestantischer Autor, sowohl als Theologe wie auch als Dramatiker. Unter der Förderung Thomas Cromwells schrieb er zahlreiche Bühnenstücke. Er war der erste englische Dramatiker, der die Charakteristika des Geschichtsdramas mit denen der so genannten Morality Plays , ethischen Schauspiele, verknüpfte, um das Scheitern der Papstkirche und die Notwendigkeit einer Kirchenreform zu illustrieren. In seinem Stück A Comedy Concerning Three Laws (»Eine Komödie, drei Gesetze betreffend«) legte er die Ansicht dar, dass die drei Sittengesetze (Natur, Knechtschaft, Gnade) sieben Zeitalter der Weltgeschichte betrafen, von denen jedes jedoch in göttlichem Gericht endete. Bales sieben Zeitalter entsprechen unmittelbar der Vorstellung von sieben Heilszeiten. Von 1541-1547 lebte Bale im Exil in Deutschland, wo er seinen Kommentar zur Offenbarung schrieb. Er gab ihm den Titel The Images of Both Churches (»Das Bild der beiden Kirchen«). Darin stellt er die sieben Zeitalter der Kirchengeschichte den sieben Siegeln der Apokalypse gegenüber. Bales Kommentar war unter den englischen Exilanten weit verbreitet, die später die Genfer Bibel hervorbrachten, in deren Anmerkungen sie manchen Gedanken Bales aufgriffen.

Edward Hindson

J. S. Farmer, The Dramatic Writings of John Bale, Bishop of (London: Early English Drama Society, 1907); K. R. Firth, The Apocalyptical Tradition in Reformation Britain, 1530-1645 (Oxford: Oxford University Press, 1979); J. Harris, John Bale: A Study in the Minor Literature of the Reformation (Urbana: University of Illinois, 1940).

 

BARON

David

David Baron (1855-1926) wurde in eine streng orthodoxe jüdische Familie in Russland hineingeboren. Er studierte Hebräisch unter strengster rabbinischer Anleitung. Nach intensiver persönlicher Erforschung der Heiligen Schrift bekehrte er sich zum Christentum und begann sofort damit, den Juden das Christentum zu erklären und den Christen dabei behilflich zu sein, die Prophetie und die künftige Wiederherstellung Israels zu verstehen. Dafür gründete er eine Organisation, die sich »Hebräisch-Christliches Zeugnis für Israel« nannte. Durch seine Veröffentlichungen schuf er eines der großartigsten Zeugnisse für Gottes Wirken im Leben des jüdischen Volkes.

Baron veröffentlichte prämillennialistische Bücher wie The Servant of Jehova (»Der Diener Jahwes«) und Types, Christ and Israel (»Typen, Christus und Israel«). Sein klassischer Kommentar zu Sacharja wird als ein herausragendes Werk unter den Auslegungen dieses alttestamentlichen Buches betrachtet. Darin schreckt Baron die Leser auf, während viele in der Heidenkirche die Heilige Schrift allegorisiert haben, wenn es um Jerusalem oder Israel geht. In seinem Vorwort schreibt Baron: »Nahezu alle vorhandenen Werke über dieses prophetische Buch weisen auf die eine oder andere Weise Mängel auf, und manche von ihnen führen in die Irre. Die älteren Kommentare sind erwähnenswert wegen ihres ehrerbietigen, geistlichen Tons ... aber sie sind mehr oder weniger beeinträchtigt durch das allegorisierende Auslegungsprinzip, durch das alle Hinweise auf ein konkretes Reich Gottes auf Erden, auf eine buchstäbliche nationale Wiederherstellung Israels und auf das sichtbare Erscheinen und die sichtbare Herrschaft des Messias wegerklärt werden.«

Baron führte weiter aus, er werde ausschließlich mit dem hebräischen Text arbeiten und so viel wie möglich von den großen messianischen Prophetien erläutern. Er versuchte auch, »prophetische Ereignisse darzulegen, die Land und Volk Israel betreffen - Ereignisse, deren baldige Erfüllung die Menschen möglicherweise jetzt mit ihren eigenen Augen zu sehen beginnen.«

Mal Couch

David Baron, Commentary on Zechariah (Grand Rapids: Kregel, 1988).

 

BROOKES

James Hall

Leben und Dienst

James Brookes (1837-1897) war ein früher, landesweit anerkannter Vertreter des an der Lehre von den Heilszeiten orientierten Prämillennialismus in den Vereinigten Staaten. Verantwortlich dafür waren sein Predigtdienst in einer presbyterianischen Kirche in St. Louis, seine Beteiligung an der jährlichen Niagara-Bibelkonferenz und seine überaus produktive schriftstellerische Tätigkeit (seine Bücher waren Bestseller). Der Sohn eines presbyterianischen Pfarrers wurde in Pulaski in Tennessee geboren. Sein Vater starb an der Cholera, als Brookes noch ein Kind war, und er wurde von seiner Mutter allein aufgezogen. Nach Absolvierung der Stephenson-Akademie in Ashewood (Tennessee) war Brookes eine Zeit lang als Landlehrer tätig, ehe er sich 1851 an der Miami-Universität in Oxford (Ohio) einschrieb. Nachdem er im Jahr 1853 die Abschlussprüfung abgelegt hatte, ging er zum theologischen Seminar in Princeton. Sein Studium dauerte weniger als ein Jahr, da er unverhofft zum Pastor der First Presbyterian Church nach Dayton (Ohio) berufen wurde. Die Kirchenleitung ordinierte ihn am 20. April 1854 in Oxford. Zwölf Tage später heiratete er Susan Oliver, in die er sich während seiner College-Jahre verliebt hatte.

Im Februar 1858 erhielt der außerordenlich beliebte Pastor und Prediger einen Ruf an die Second Presbyterian Church in St. Louis, und sechs Jahre später berief man ihn an die Sixteenth and Walnut Street Church (die spätere Washington and Compton Avenue Prebyterian Church ). Er blieb Pastor dieser Kirche bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1894. Brookes diente als Leiter der Generalversammlung in den Jahren 1857, 1880 und 1893 und war bestellter Schriftführer der Missouri-Synode im Jahr 1874.

Landesweite Anerkennung errang Brookes weitestgehend durch seine Schriften und Konferenzdienste. In den frühen 70er Jahren des 19. Jahrhunderts veröffentlichte er Maranath a, einen umfangreichen Band eschatologischer Texte, der eines seiner am weitesten verbreiteten Werke wurde. Im Jahr 1875 begann er damit, eine Monatszeitschrift mit dem Namen Die Wahrheit oder Zeugnis für Christus herauszugeben, die zu einer weit verbreiteten, einflussreichen prämillennialistischen Publikation wurde. Er war regelmäßiger Redner bei Bibelkonferenzen, CVJM-Treffen und Konferenzen über Prophetie, und im Jahr 1875 war er einer der Mitbegründer und der Präsident einer jährlichen Konferenz, die unter der Bezeichnung Niagara-Bibelkonferenz bekannt geworden ist.

Sein ganzes Leben lang war Brookes ein einflussreicher Leiter, Pastor und Bibellehrer. Dank seiner Bemühungen wurden Prämillennialismus und Dispensationalismus (die Lehre von den Heilszeitaltern) weit über die Gemeindegrenzen hinweg im konservativen Protestantismus verbreitet. Sein bekanntester Schüler war C. I. Scofield, der spätere Herausgeber der Scofield-Studienbibe l, den Brookes in die Lehre von den Heilszeitaltern einführte und durch den er später seinen größten Einfluss ausübte. Brookes starb am Ostermorgen des 18. April 1897. Er hinterließ ein literarisches und pastorales Vermächtnis der Barmherzigkeit, der Hingabe und der Verkündigung.

 

BROOKES

James Hall

Eschatologie

Brookes war einer der ersten prominenten Pastoren in den Vereinigten Staaten, die die Entrückung vor der großen Trübsal lehrten. Als einer der bemerkenswertesten und eifrigsten Erforscher der Prophetie seiner Zeit kann er getrost als Vater der amerikanischen Vorentrückungslehre bezeichnet werden. In einem 1896 in The Thruth (»Die Wahrheit«) erschienenen Artikel mit dem Titel Wie ich ein Prämillennialist wurde erklärte Brookes, er habe durch das Lesen der Bibel und Studieren der Offenbarung und des Buches Daniel nach der Aufnahme seines pastoralen Dienstes zur prämillennialistischen Eschatologie gefunden, nachdem er die Prophetie viele Jahre lang vernachlässigt habe. Diese unabhängigen Studien und der Einfluss der Plymouth- Brüder in den Jahren nach dem Bürgerkrieg bildeten den historischen Hintergrund seiner Überzeugungen. Brookes stritt ab, unmittelbar die Eschatologie der Plymouth-Brüder zu vertreten, obgleich er ihre eschatologische Begeisterung anerkannte. Bereits 1871 lehrte und veröffentlichte Brookes Ansichten, die denen der Heilszeitenlehre entsprachen. Um 1874 war sein Denkgebäude vollständig entwickelt.

Wohl vertraut mit den eschatologischen Ansichten im Prämillennialismus, wandte sich Brookes sowohl gegen eine Teilentrückungstheorie als auch gegen die Nachentrückungslehre. Er weigerte sich, Zeitpunkte für die Entrückung zu nennen und vertrat unerschütterlich die Lehre von der baldigen Wiederkunft des Herrn. Er wusste um die Beschuldigungen schlecht informierter Kritiker, Vertreter der Heilszeitenlehre würden angeblich mehr als einen Heilsweg lehren, und wies diese Behauptungen in seinen Publikationen entschieden zurück. »Es ist unnötig, jemanden, der regelmäßig in der Heiligen Schrift liest, daran zu erinnern, dass von den Eingangsversen des ersten Buches Moses bis hin zu Maleachi in Schöpfung, Vorsehung und Erlösung der Geist ins Blickfeld gerückt wird, und dass alle, die errettet sind, durch seine göttliche Kraft und Gnade ins Leben zurückgerufen werden, so wie sie jetzt sind« (Israel and the Church , S. 38).

Timothy Demy

James Hall Brookes, Israel and the Church (New York o.J., Revell) und: Maranatha , (New York: Revell, 1889); Larry Dean Pettegrew, The Historical and Theological Contributions of the Niagara Bible Conference to American Fundamentalism (Dallas: Doktorarbeit am Dallas Theological Seminary, 1976); Harry S. Stout, Dictionary of Christianity in America (Downers Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1990); David Riddle Williams, James H. Brookes: A Memoir (St. Louis: Presbyterian Board of Publication, 1897).

 

BULLINGER E. W.

Ethelbert William Bullinger (1837-1913) wurde am 15. Dezember 1837 im englischen Canterbury geboren. Er war ein direkter Nachfahre von Johann Heinrich Bullinger, einem Bündnistheologen, der im Dezember 1531 in Zürich Ulrich Zwingli nachfolgte.

Am King's College in London ausgebildet, galt er als anerkannter Gelehrter auf dem Gebiet der biblischen Sprachen. Der Erzbischof von Canterbury verlieh ihm 1881 die Ehrendoktorwürde der Theologie in Anerkennung seiner biblischen Gelehrsamkeit.

Dr. Bullinger glaubte an die prämillennialistische Entrückung vor der großen Trübsal und lehrte sie auch. Man hielt ihn sogar für einen Ultradispensationalisten weil »er lehrte, dass die Evangelien und die Apostelgeschichte noch zum Zeitalter des Gesetzes gehörten und dass die Gemeinde ihren tatsächlichen Anfang mit dem Dienst des Paulus nach Apostelgeschichte 28,28 genommen habe« (Enns). Er vertrat die irrige Ansicht, die Seele werde zwischen dem Tod und der Auferstehung verlöschen. Viele seiner Verehrer waren Befürworter der Lehre von der Seelenvernichtung.

Einige seiner bekanntesten Werke sind Commentary on Revelation , Word Studies on the Holy Spirit , The Witness of the Stars , The Book of Job , Figures of Speech Used in the Bible , Great Cloud of Witnesses , The Critical Lexicon and Concordance to the English and Greek New Testaments und The Companion Bible .

Dr. Bullinger starb am 6. Juni 1913 in London.

Brian K. Richards

Ethelbert William Bullinger, Commentary on Revelation (Grand Rapids: Kregel, 1984) und Great Cloud of Witnesses (Grand Rapids: Kregel, 1979); Paul Enns, The Moody Handbook of Theology (Chicago: Moody Press, 1989).

 

BULTEMA

Harry

Harry Bultema (1884-1952) wurde in Holland geboren. Seine Eltern wanderten mit ihm und seinen fünf Geschwistern in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts nach Amerika aus. Er wuchs in einem gläubigen Elternhaus auf. Bultema studierte am Calvin College und Calvin Seminary in Grand Rapids in Michigan. Nach dem Abschluss leitete er die reformierten Kirchengemeinden in Illinois, Iowa und Michigan. Durch sein intensives persönliches Bibelstudium kam er zu dem Schluss, dass zwischen Christus als dem künftigen König Israels und Jesus als gegenwärtigem Haupt der Gemeinde ein grundlegender Unterschied bestehe. Diese wiederentdeckten Wahrheiten machten aus ihm einen prämillennialistischen Vertreter der Heilszeitenlehre. Er verließ die reformierte Kirche. Zu seinen in englischer Sprache verfassten Schriften gehören Kommentare zu Jesaja und Daniel.

All seine Werke sind geprägt vom Prämillennialismus und von seinem Standpunkt, dass sich die Entrückung der Gemeinde vor der Trübsal ereignen wird. In seinem Kommentar zu Jesaja schreibt Bultema: »Christus wird als wahrer theokratischer König über das wiederhergestellte Israel und über die ganze Erde herrschen. Er wird in Jerusalem, vom Berg Zion aus, mit den Seinen in Herrlichkeit regieren.« An anderer Stelle schreibt er: »In der ganzen Heiligen Schrift gibt es auch nicht den Anschein oder die Spur einer Rechtfertigung dafür, Israels als Nation mit der Gemeinde als dem Leib Christi gleichzusetzen. Das Wort Israel erscheint siebzigmal im Neuen Testament, aber es muss bei jedem Vorkommen in seiner wörtlichen, historischen Bedeutung verstanden werden.«

Mal Couch

Harry Bultema: Commentary on Isaiah (Grand Rapids: Kregel, 1981).

 

BUND

der Landverheißung

Der Name des Bundes

Der traditionelle Name für diesen Vertrag lautet »Palästinischer Bund« und war zur Zeit seiner Entstehung gut gewählt, da dieser Vertrag zum größten Teil Landstriche betraf, die Jahrhunderte lang unter dem Namen Palästina bekannt waren. Jetzt jedenfalls ist diese Bezeichnung aus zwei Gründen unglücklich: Zum Ersten wurde dem Land dieser Name von dem römischen Kaiser Hadrian gegeben, und zwar nach dem zweiten jüdischen Aufstand unter Bar-Kochba (132-135 n. Chr.), damit jeder Hinweis auf das Land der Juden aus dem Gebiet ausradiert würde. Zum Zweiten wird dieser Name wegen der Ereignisse im Mittleren Osten während des 20. Jahrhunderts mehr mit Arabern als mit Juden in Verbindung gebracht. Vielleicht wäre »Bund der Landverheißung« ein besserer Name dafür.

 

BUND

der Landverheißung

Die Heilige Schrift

Die Haupttextstelle über den Bund der Landverheißung ist 5Mo 29,1-30,20 .

 

BUND

der Landverheißung

Die Bestimmungen des Bundes der Landverheißung

Es gibt acht besondere Bestimmungen in diesem Bund der Landverheißung: (1) Mose sprach prophetisch über Israels künftigen Ungehorsam gegenüber dem mosaischen Gesetz und die darauf folgende Zerstreuung in alle Welt ( 29,2-30,1 ); (2) wird Israel bereuen ( 30,2 ); (3) der Messias wird zurückkehren ( 30,3 ); (4) Israel wird heimversammelt ( 30,3-4 ); (5) Israel wird das verheißene Land besitzen ( 30,5 ); (6) Israel wird wiederhergestellt ( 30,6 ); (7) die Feinde Israels werden gerichtet ( 30,7 ) und (8) Israel wird den vollen Segen empfangen, besonders die Segnungen des messianischen Reiches ( 30,8-10 ).

 

BUND

der Landverheißung

Die Wichtigkeit des Bundes der Landverheißung

Die besondere Wichtigkeit dieses Bundes besteht darin, dass er Israels Besitzanspruch auf das Land beurkundet. Obwohl sich Israel ungläubig und ungehorsam erweisen würde, sollte das Recht auf das Land nie von ihm genommen werden. Während das Genießen des Landbesitzes an Gehorsam gebunden ist, bleibt das Besitzrecht des Landes bedingungslos. Darüber hinaus zeigt der Bund der Landverheißung, dass der bedingte mosaische Bund den unbedingten abrahamitischen nicht beiseite setzt. Jemand könnte zwar behaupten, dass der bedingte mosaische Bund den unbedingten abrahamitischen ersetzt habe, aber der Bund der Landverheißung zeigt, dass das nicht stimmt. Er ist eine Erweiterung des ursprünglichen abrahamitischen Bundes. Er erweitert den Land-Aspekt und betont die Verheißung des Landes für Gottes Volk trotz seines Ungehorsams.

 

BUND

der Landverheißung

Die Besiegelung des Bundes der Landverheißung

Der Bund der Landverheißung erhielt seine Besiegelung Jahrhunderte später in Hes 16,1-63 . Diese Textpassage beschreibt Gottes Beziehung zu Israel als die eines Ehemanns zur Ehefrau, und Gott beschreibt eingehend seine Liebe zu Israel im Kindesalter (Verse 1-7 ). Israel wurde von Gott erwählt und wurde Jahwe durch Heirat verbunden, daher wurde es als Ehefrau Jahwes bekannt (Verse 8-14 ). Israel allerdings spielte die Hure (Verse 15-34 ). Daher wurde es notwendig, Israel durch das Mittel der Zerstreuung zu bestrafen (Verse 35-52 ). Doch diese Zerstreuung ist nicht endgültig, denn es wird eine künftige Wiederherstellung auf der Grundlage des Bundes der Landverheißung geben (Verse 53-63 ).

 

BUND

der Landverheißung

Die Auswirkungen des Bundes der Landverheißung im gegenwärtigen Zeitalter

Der Bund der Landverheißung verheißt eine letzte weltweite Rücksammlung des Volkes nach einer weltweiten Zerstreuung. Während diese letzte Rücksammlung erst zukünftig stattfindet, ist die weltweite Zerstreuung gegenwärtige Realität und war es seit dem Jahr 70 n. Chr. Außerdem verheißt der Vertrag, dass das jüdische Volk in der Zerstreuung Verfolgung leiden wird; das Land werde über die Jahrhunderte wüst werden. Die Tatsache, dass all diese Verheißungen erfüllt wurden und werden, zeigt, dass sich dieser Vertrag immer noch auswirkt. Ein Schlüsselthema des Vertrages besteht darin zu zeigen, dass zwar Israels Genuss des Landes an den Gehorsam gebunden ist, nicht aber sein Besitzrecht. Das Versagen aller anderen dortigen Landbesitzer in dem Bestreben, eine unabhängige Verwaltung einzusetzen, zeigt, dass dieser Bund nach wie vor in Kraft ist. Viele Ablösungstheologen bestehen auf der Grundlage von Textpassagen wie Jos 11,23 darauf, dass Gottes Verheißungen an Israel betreffs des Landes bereits erfüllt seien. Allerdings muss auch dieser Vers wie alle anderen Verse der Bibel in seinem Textzusammenhang und vor dem Hintergrund des Buches Josua als Ganzes betrachtet werden. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass das Buch Josua ursprünglich keine Kapiteleinteilung besaß, dann stellt der Vers einfach eine Tatsache fest, denen dann die Ausnahmen von dieser Tatsache folgen. Unmittelbar auf Jos 11,23 folgt eine Liste der von Israel getöteten kanaanitischen Könige. Jos 13,1-6 zeigt, dass ein großer Teil des Territoriums nicht in Israels Hände fiel, und das ist eine erhebliche Ausnahme von der Feststellung in Kapitel 11,23 . Viel von diesem Gebiet kam auch in der unmittelbaren Zukunft nach Josua nicht in jüdische Hände. Jerusalem blieb unter Kontrolle der Jebusiter ( Jos 15,63 ) bis zur Zeit Davids ( 2Sam 5,6-9 ). Die Stadt Geser blieb den Kanaanitern ( Jos 16,10 ) bis zur Zeit Salomos ( 1Kö 9,16 ). Der Stamm Dan musste umsiedeln, weil er den Philistern das ihnen zugesprochene Territorium nicht abnehmen konnte. Sogar zur Zeit des davidischen und des salomonischen Imperiums war ein großer Teil des Landes unter militärisch gesicherter Kontrolle, aber nicht wirklich von jüdischer Bevölkerung besiedelt ( 1Kö 4,21 ). Im ersten Kapitel des Buches der Richter werden Geschehnisse berichtet, die sich nach dem Tod Josuas ereigneten, und es gibt auch Berichte darüber, wie zahlreiche Stämme bei Versuchen scheiterten, das Land einzunehmen, das ihnen zuerkannt worden war. Niemals in der Geschichte des Alten Testamentes hat Israel die ganze Fläche des Verheißenen Landes besessen, befestigt oder besiedelt. Dies geschah auch nicht zu irgendeinem Zeitpunkt der bisherigen jüdischen Geschichte. Der Vertrag garantiert allerdings, dass es eines Tages so sein wird.

 

BUND

der Landverheißung

Die Auswirkungen des Bundes der Landverheißung in der Zukunft

Ein Hauptaspekt von Israels endgültiger Wiederherstellung ist die Rücksammlung des Volkes, und die gründet sich auf den Bund der Landverheißung. Was dieser Bund verhieß, wurde durch die Propheten bestätigt, was wir in den folgenden Textpassagen sehen: Jes 11,11-12,6; 43,5-7; Jer 16,14-15; 23,3-4.7-8; 31,7-10; Hes 11,14-18; 36,24; Am 9,14-15; Zeph 3,18-20; Sach 10,8-12; Mt 24,31; Mk 13,27 .

Siehe auch: Bundesschlüsse .

Arnold Fruchtenbaum

 

BUNDESSCHLÜSSE

Ein Bundesschluss ist eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien und repräsentiert Beziehungen zwischen Gott und Mensch, zwei Menschen oder Nationen. In der Heiligen Schrift gibt es zwei Arten von Bundesschlüssen: bedingte und bedingungslose. Ein bedingter Bund ist zu seiner Erfüllung für beide Parteien verbindlich, das heißt, die Erfüllung des Vertrages auf Seiten des Bündnisgebers ist abhängig von der Erfüllung auf Seiten des Bündnisnehmers, mit dem der Vertrag geschlossen wird. Im Gegensatz dazu ist ein unbedingtes Bündnis nur verbindlich für den Bündnisgeber. Gewisse Segnungen, die mit dem unbedingten Bündnis zusammenhängen, können allerdings erfordern, dass der Bündnisnehmer auf den Bündnisgeber eingeht, damit er den Segen empfangen kann. Es gibt vier charakteristische Merkmale von Bundesschlüssen, die beachtet werden müssen: (1) sind sie buchstabengetreu, (2) sind sie ewig gültig, (3) sind sie ganz und gar abhängig von der Integrität Gottes und (4) wurden sie mit dem Bundesvolk Israel geschlossen.

Ehe man sich mit den biblischen Bundesschlüssen befasst, müssen drei theologische Bündnisse betrachtet werden. Die Vertreter der Bündnistheologie gehen davon aus, dass man in den Zeitaltern der Geschichte die fortschreitende Erfüllung des Bündnisses erkennen kann, das Gott mit den Sündern geschlossen hat und durch das alle, die im Glauben zu ihm kommen, errettet werden. Diese drei theologischen Bündnisse sind:

1. Der Erlösungsbund ( Tit 1,2; Hebr 13, 20 ), den die Personen der Gottheit vor Beginn der Zeit eingegangen sind und in dem jede dieser Personen ihren Anteil am Erlösungsplan hat, wie es im Wort Gottes dargelegt ist. Dieser Bund wird in erster Linie durch die Tatsache belegt, dass er vernünftig und notwendig zu sein scheint.

2. Der Werkebund sieht gewisse Segnungen Gottes in Abhängigkeit von menschlichen Verdiensten vor. Er hat seinen Ursprung in der amillennialistischen Theologie.

3. Der Gnadenbund ist zu verstehen als Hinweis auf alle Aspekte der göttlichen Gnade gegenüber der Menschheit durch alle Zeitalter hindurch.

Biblische Belege für den ersten dieser Bunde, den Erlösungsbund, sind nur schwach vorhanden; die beiden übrigen sind biblisch unbelegt. Sie alle gründen sich hauptsächlich auf menschliche Vernunft und werden kaum oder gar nicht durch die Bibel bestätigt.

Es gibt sechs biblische Bündnisse, von denen nur eines, das mosaische, bedingt ist. Die übrigen fünf sind bedingungslos, was bedeutet, dass Gott sie unabhängig von Gegenleistungen zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft erfüllen wird.

1. Der Noah-Bund ( 1Mo 9,1-18 ). Hierbei handelt es sich um eine mit Noah geschlossene immerwährende Vereinbarung, in der Gott zusagt, die Erde nie wieder durch eine Flut zu verwüsten. Diese Vereinbarung ist bedingungslos.

2. Der Mose-Bund ( 2Mo 20,1-31,18 ). Die Erfüllung dieses bedingten Vertrages gründet sich auf menschlichen Gehorsam und menschliche Treue gegenüber Gott. Dieses Bündnis wurde nahezu unmittelbar nach seiner Vereinbarung gebrochen ( 2Mo 32,15-29 ).

3. Der Abraham-Bund ( 1Mo 12,1-15, 17 ). Dieser unbedingte Vertrag wird fortschreitend erfüllt und besteht aus drei Teilen oder Subverträgen: dem Landverheißungs-, dem Davids- und dem Neuen Bund. Diese drei Subverträge enthalten die Prophetien über das Land, über die Nachkommenschaft und über die künftigen Segnungen für Abraham und seine Nachkommen.

4. Der Landverheißungs-Bund ( 5Mo 28- 30 ). Dieser Vertrag garantiert Israel den Besitz des verheißenen Landes. Er ist bedingungslos.

5. Der David-Bund ( 2Sam 7,4-16; 1Chr 17,3-15 ). Dieser bedingungslose Vertrag verheißt, dass Davids Thron, sein Geschlecht und sein Reich ewig sein werden. Er garantiert das Tausendjährige Reich, in dem Christus auf der Erde herrschen wird.

6. Der Neue Bund ( Jer 31,31-33 ). Viele der älteren Vertreter der Lehre von den Heilszeiten lehrten, dass es zwei Neue Bündnisse gebe: eines für Israel im Reich und eines für die Gemeinde. Dieser bedingungslose Vertrag findet seine Erfüllung im Tausendjährigen Reich. Er wurde zuerst mit dem Volk Israel geschlossen ( Jer 31,31 ) und wird den Mose-Bund ersetzen, der vom Volk Israel gebrochen wurde und nicht erfüllt werden konnte ( Jer 31,32 ). Beim Passahmahl mit seinen Jüngern gab Jesus die Begründung, die in seinem bevorstehenden Opfer lag: »Dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird« ( Mk 14,24 ). Am Pfingsttag wurde der Neue Bund eingeführt und durch das Kommen des Heiligen Geistes seine Rechtskraft bestätigt. Jetzt kommt das Opfer Christi den Gläubigen in der gegenwärtigen Heilszeit der Gemeinde zugute. In 2Kor 3,5-9 stellt der Apostel Paulus den Neuen Bund dem Gesetzesbund gegenüber und schreibt: »Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig. Wenn aber [schon] der Dienst des Todes, mit Buchstaben in Steine eingegraben [der Moses-Bund], in Herrlichkeit geschah ... wie wird nicht vielmehr der Dienst des Geistes [der Neue Bund] in Herrlichkeit bestehen? Denn wenn der Dienst der Verdammnis [das Mosaische Gesetz] Herrlichkeit ist, so ist der Dienst der Gerechtigkeit [der Neue Bund] noch viel reicher an Herrlichkeit.«

Nur weil sowohl Israel im Reich als auch gegenwärtig die Gemeinde Nutzen aus dem Neuen Bund zieht, bedeutet dies noch keine Verquickung von Reich und Gemeinde. Sie begründen zwei gänzlich unterschiedliche Heilslinien. Und in beiden Heilslinien werden die Menschen durch den Glauben errettet, wie dies auch in allen anderen Perioden der Geschichte Gültigkeit hatte.

Siehe auch: Abrahamitischer Bund; Davidischer Bund.

Rick Bowman

Lewis Sperry Chafer, Major Bible Themes (Grand Rapids: Zondervan, 1974) und Systematic Theology (Grand Rapids: Kregel, 1993); Paul Enns, The Moody Handbook of Theology (Chicago: Moody Press, 1989).

 

CHAFER

Lewis Sperry

Lewis Sperry Chafer (1871-1952) war ein bekannter amerikanischer Prämillennialist, Vertreter der Heilszeitenlehre, Begründer des Dallas Theological Seminary , Autor und Konferenzredner. Chafer wurde in Rock Creek in Ohio geboren. Er war das zweite von drei Kindern, Sohn eines Absolventen des Auburn Theological Seminary , einer presbyterianischen, kongregationalistischen Institution in New York. Sein Vater Thomas, Franklin Chafer, war Pastor einer kongregationalistischen Gemeinde, und er und seine Frau Lomira Sperry Chafer waren gläubige, liebevolle Eltern.

Thomas Chafers Kampf mit der Tuberkulose sorgte allerdings für ständige Spannungen in der Familie, da die Pastorate in der Hoffnung ausgewählt wurden, ein günstigeres Klima könne die Krankheit lindern. Im Jahr 1882 war der Kampf verloren. Neben den Qualen und dem Verlust des Vaters, die tiefe Trauer und Unsicherheit in ein ansonsten von Musik erfülltes, frohes Heim brachten, prägten zwei wichtige Ereignisse das Leben des jungen Mannes. Zum einen bekehrte er sich, was selten erwähnt wird, unter der Vormundschaft seiner Eltern im Alter von sechs Jahren zu Christus, während sein Vater seine erste Pastorenstelle in Rock Creek versah. Zum anderen hörte er im Zusammenhang mit dem Tod des Vaters einen Evangelisten namens Scott, der ebenfalls an Tuberkulose litt. Scott forderte ihn zu einer Karriere im christlichen Dienst heraus.

Angesichts der materiellen Ungewissheit entschloss sich Lomira, Lehrerin in der Schule von Rock Creek, die Familie zu versorgen. Deswegen zog die Familie nach South New Lyme in Ohio, als der älteste Sohn, Rollin Thomas Chafer, die Grundschule beendet hatte. Dort besuchten die Kinder das New Lyme Institute , eine auf das Hochschulstudium vorbereitende Schule unter dem Leiter Jacob Tuckerman. Tuckerman war maßgeblich an der Bekehrung von Vater Chafer am Farmer's College in Cincinnati beteiligt gewesen. Dann zog die Familie nach Oberlin (Ohio), wo Lomira eine Pension unterhielt, so dass die Kinder das College besuchen konnten. Anfänglich (1889) besuchte Lewis die dem College angegliederte Vorbereitungsschule und anschließend das Konservatorium für Musik am Oberlin College . An dem Konservatorium studierte er drei Semester lang von Herbst 1889 bis Frühjahr 1891 Musik. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Chafer am Oberlin College oder woanders religiöse Studien betrieb. Finanzielle Zwänge verhinderten weitere Studien. Im Herbst 1889 schloss er sich A. T. Reed an, einem Evangelisten in Diensten der kongregationalistischen Kirche in Ohio, und begleitete ihn als Solobariton und als Chorleiter in den Versammlungen. Während dieser Jahre gewann er einen umfassenden Einblick in die Arbeit des reisenden Evangelisten. Im Jahr 1896 heiratete er Ella Lorraine Case, die er am Oberlin College kennen gelernt hatte. Die beiden bildeten fortan ein evangelistisches Team; Lewis predigte und sang, während Lorraine die Orgel spielte. Sie siedelten sich kurze Zeit in Painesville (Ohio) an, wo sie als Leiter des musikalischen Programms der kongregationalistischen Kirche dienten. Dennoch reisten sie auch weiterhin, manchmal mit anderen Evangelisten wie Wilbur Chapman und A. T. Reed.

Im Jahr 1889 wurde Lewis Übergangspastor der First Presbyterian Church in Lewiston (New York), und im Herbst dieses Jahres begann er einen zweijährigen Dienst als Hilfspastor in der First Congregational Church in Buffalo. Das erste Jahr scheint eine Art Lehrzeit gewesen zu sein - im Blick auf Chafers formelle Ordination zum Pastor in der kongregationalistischen Gemeinde, die im April 1900 erfolgte.

Die Umstände, die im Jahr 1901 zu Chafers Umzug nach Northfield (Massachusetts) führten, sind völlig unklar. Es ist anzunehmen, dass er dank seiner evangelistischen Gaben in den evangelikalen Kreisen und durch seine Ordination und seine pastoralen Verbindungen in den Reihen der Kongregationalisten zunehmend bekannter wurde. In Northfield bewirtschaftete er eine Farm, seine Frau diente als Organistin bei den Jahreskonferenzen. Chafer ging weiter seiner evangelistischen Reisetätigkeit nach, besonders in den Wintermonaten. 1904 wurde in Florida die Southland -Bibelkonferenz gegründet, ein Gegenstück zu den Northfield -Konferen-zen. Nach 1909 war Chafer Präsident der Konferenz. Durch die Northfield -Konferenz kamen die Chafers mit einer ganzen Reihe prominenter Evangelikaler von beiden Seiten des Atlantik zusammen, unter ihnen G. Campbell Morgan, F. B. Meyer, A. C. Gaebelein, James M. Gray und W. H. Griffith Thomas.

Die bei weitem wichtigste Kontaktperson war aber Cyrus Ingerson Scofield, damals Pastor der Trinitarian Congregational Church - Moodys Gemeinde in Northfield. Chafer fand in Scofield einen klaren, biblisch orientierten Lehrer, und die beiden waren anschließend zwei Jahrzehnte lang im Dienst miteinander verbunden. Scofield führte den jüngeren Chafer in sein persönliches Verständnis der Heiligen Schrift ein - und bewegte ihn zu einem Karrierewechsel. Er war jetzt kein umherziehender Evangelist mehr, sondern unterstützte seinen Mentor immer öfter als reisender Bibellehrer. Darüber hinaus wurde er zunehmend zu einem Hauptmitarbeiter der Bibelkonferenz-Bewegung. Durch vermehrte Auftritte bei den wichtigsten Bibel- und Prophetiekonferenzen, die Veröffentlichung von Büchern und Artikeln und die Lehrtätigkeit in Kurzbibelseminaren trat Chafer in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts als frommer, tatkräftiger Leiter eines Teils der an Bedeutung zunehmenden evangelikalen Bewegung hervor.

Von 1906 bis 1910 unterichtete er an der Mount Hermon School for Boys Bibelkunde und Musik (sein erstes veröffentlichtes Buch war 1907 Elementary Outline Studies in the Science of Music [»Einfach skizzierte Studien aus der Musikwissenschaft«]). 1906 verließ er die Congregational Community Church und verband sich mit der New Yorker Synode der Troy Presbyterian Church . Der Wechsel war eine Folge seines Unbehagens über Liberalisierungstendenzen in der Gemeinde und Scofields kirchlicher Sympathien. In diesen Jahren veröffentlichte er zwei weitere Bücher: Satan (1909, Scofield schrieb das Vorwort) und True Evangelism (»Wahre Evangelisation«) (1911).

Chafers enger Anschluss an Scofield verstärkte sich noch in den 20er Jahren, als er nach East Orange (New Jersey) zog, um den Lehrkörper der New York School of the Bible zu verstärken. Das war eine Institution, die Scofields 1892 geschriebenen, zunehmend an Beliebtheit gewinnenden Bibel-Korrespondenzkurse vertrieb und ein Büro für die Koordinierung der Konferenz- Aktivitäten unterhielt. Als Mitglied der »Abteilung für mündliche Verbreitung« der »Schule« nahm Chafer einen recht umfangreichen Reisedienst zu Konferenzen im ganzen Süden der USA auf.

1913 half er Scofield bei der Gründung der Philadelphia-Bibelschule; anscheinend verfasste er den Lehrplan. Infolge seines wachsenden Dienstes im Süden trat Chafer 1912 dem Orange-Presbyterium der Presbyterian Church bei. 1915 veröffentlichte er The Kingdom in History and Prophecy (»Das Reich in Geschichte und Prophetie«), ein von Scofield angeregtes Werk, das Chafer seinem Vater widmete. Es war eine Verteidigung des prätribulationalistischen, dispensationalistischen Prämillennialismus. Es folgten weitere Werke: Salvation (»Erlösun g«) (1917), He That Is Spiritual (»Der Geistliche«) (1918), Seven Major Biblical Signs of the Times (»Sieben grundlegende biblische Zeitzeichen«) (1919) und Must We Dismiss The Millennium? (»Müssen wir das Tausendjährige Reich aufgeben ?«) (1921).

Scofields schlechter werdende Gesundheit war der Grund, weshalb er in seinem Dienst immer weniger umherreisen konnte, so dass sich Umfeld und Art von Chafers Wirken nachhaltig veränderte. 1922 zog er nach Dallas (Texas) und wurde dort Pastor der First Congregational Church , die 1882 von Scofield gegründet worden war (sie wurde während Chafers Pastorat im Jahr 1923 zu Scodields Ehren in Scofield Memorial Church umbenannt). Chafer leitete die Kirchengemeinde von 1922 bis 1926 und trat außerdem immer häfiger als Konferenzredner auf. Darüber hinaus wurde er Generalsekretär der Zentralamerika- Mission, die Scofield 1890 gegründet hatte. 1923 übertrug er seine Dienstbeglaubigungen auf das Presbyterium der Presbyterian Church in Dallas.

Während dieser Zeit gründete Chafer 1924 das Dallas Theological Seminary (ursprünglich: Evangelical Theological College ) und diente ihm bis zu seinem Tod im Jahr 1952 als Direktor und als Professor für systematische Theologie. Er trat vom Dienst in Kirche und Mission zurück, setzte aber seinen umfangreichen Konferenzdienst eisern fort und veröffentlichte in dieser Zeit immer mehr Schriften. Zusätzlich zu regelmäßigen Beiträgen für evangelikale Zeitschriften schrieb er Grace (»Gnad e«) (1922) und Major Bible Themes (»Biblische Hauptthemen«) (1926). Nachdem das Seminar 1933 die Bibliotheca Sacra erworben hatte - eine Zeitschrift, die im frühen 19. Jahrhundert wurzelte - schrieb Chafer zahllose Artikel, die zusammen mit Auszügen aus seinen Büchern als sein umfangreichstes Werk veröffentlicht wurden: Systematic Theology (1948). Sein fortgeschrittenes Alter, das Betreiben einer Lehranstalt ohne sichere Finanzierung, der zunehmende Wirbel über Scofields Prämillennialismus in seiner eigenen presbyterianischen Kirche und der Tod seiner Frau im Jahr 1944 schränkten seinen öffentlichen Dienst immer mehr ein. Nach 1945 übertrug er die Aufgaben in der Schule seinem Assistenten John F. Walvoord. Chafer starb während einer Konferenzreise in Seattle (Washington) im August 1952 an Herzversagen.

Chafers Beitrag und sein bleibendes Vermächtnis für den amerikanischen Evangelikalismus im zwanzigsten Jahrhundert war gewaltig. Er war ein wichtiger Impulsgeber der Bibelkonferenz-Bewegung, die ihre Wurzeln im späten 19. Jahrhundert hatte, und die sich zu einem wesentlichen und einflussreichen Teil des Evangelikalismus im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte. Als gewichtiger Vertreter des prämillennialistisch und heilszeitlich orientierten Lagers war er - wie auch seine Nachfolger John F. Walvoord und Charles C. Ryrie - aufs Engste mit seinem Förderer C. I. Scofield verbunden. Im Wesentlichen kann Chafers Beitrag zur fortschreitenden Belebung der Kirche in der Ausweitung und Vertiefung der Bibelkonferenz-Bewegung gesehen werden. Das lässt sich anhand seiner institutionellen und theologischen Verdienste illustrieren.

Chafers institutionelles Vermächtnis ist die Errichtung des Dallas Theological Seminary im Jahr 1924. Dies stellt eine Erweiterung des Schwerpunktes der Bibelkonferenz- Bewegung dar: nämlich die Weiterbildung nach einer bereits abgeschlossenen theologischen Ausbildung; quasi eine Bibelakademie für schon ausgebildete Pastoren. Chafers Vision einer Schule für die Ausbildung zum geistlichen Dienst wurzelte in seinen Kontakten mit Studenten der Mount Hermon School for Boys . Seine Reisen unter Scofields Anleitung führten zu Kontakten mit zahllosen Pastoren (die er über die Schwächen ihrer normalen Ausbildung zum Dienst befragte), mit konfessionellen Ausbildungsstätten der Gemeinden und mit Bibelschulen, besonders im Süden der USA. Er kam zu der Überzeugung, dass die einzigartigen Schwerpunkte der BibelkonferenzBewegung die der allgemeinen Ausbildung fehlenden Bestandteile seien. Dem Lehrplan der üblichen Standardausbildung an den theologischen Seminaren müsste die intensive Unterweisung in der englischen Bibel, die Unterrichtung des an den Heilszeiten orientierten Prämillennialismus und die Lehre eines siegreichen christlichen Lebens hinzugefügt werden. Dieser erweiterte Lehrplan sollte in der Lage sein, christliche Missionare und Pastoren angemessen auf ihren Dienst vorzubereiten. Die so kreierte Kombination von Lehrthemen nannte Chafer »einen neuen Aufbruch« in der Vorbereitung zum geistlichen Dienst. Der Schwerpunkt auf der englischen Bibel stellte die Grundlage für die Predigt des Pastors dar; der an der Heilszeitenlehre orientierte Prämillennialismus bot das intellektuelle Raster für die Auslegung der Bibel. Außerdem wurde viel Wert auf Heiligung und Gnadenwerke im Leben der Gläubigen gelegt (sowie auf die geistliche Unterscheidung zwischen gehorsamen und fleischlichen Christen). Das bereitete die Grundlage für die richtige Beziehung zum Heiligen Geist - die Quelle der Kraft im Dienst.

Das Ziel der Institution, in einer unabhängigen Schule ausgebildete Menschen an die großen Kirchen zu vermitteln, schlug allerdings fehl. Diese Schule war zutiefst vom Presbyterianismus beeinflusst - sowohl Chafer als auch Scofield waren, wie die meisten Lehrer der ersten Jahre, in der presbyterianischen Kirche der USA ordiniert. Doch die charakteristischen Vorstellungen der Bibelkonferenz-Bewegung wurden von vielen führenden Persönlichkeiten dieser und anderer großer Gemeinden nicht als nützliche Vorbereitung auf den Dienst akzeptiert. Sie betrachteten diese Vorstellungen zunehmend als Widerspruch zum historischen Presbyterianismus. In den 30er und 40er Jahren traten Presbyterianer im Norden und Süden der USA der Lehre von den Heilszeiten mit unverhüllter Feindseligkeit gegenüber. Das hatte zur Folge, dass Absolventen des Seminars kaum noch ihren Platz in den großen Kirchen finden konnten.

Zur gleichen Zeit entstanden im ganzen Land zahlreiche konfessionelle Splittergruppen, unabhängige Gemeinden und kirchenähnliche Organisationen; viele von ihnen wurden von Chafer unterstützt. Das Seminar wurde zur hauptsächlichen Ausbildungsstätte für deren Leiter und zum Maßstab für deren Abschlüsse. So wurden die Schwerpunkte der Bibelkonferenz-Bewegung in diesen neu erstehenden Zweig des amerikanischen Christentums hineingetragen.

Zusätzlich zur Konsolidierung der Bibelkonferenz-Bewegung systematisierte Chafer seine einzigartige theologische Ausrichtung durch die Veröffentlichung seiner achtbändigen Systematic Theology (»Systematische Theologie«) im Jahr 1948. Es war der erste grundlegende Versuch, die Lehre des an der Heilszeitenlehre orientierten Prämillennialismus in der Art traditioneller Systematik darzulegen. Was Scofields in einer heilszeitlichen (dispensationalistischen) Annäherung an die Bibel skizziert hatte, wurde von Chafers theologischem Buch einfach erweitert. Das Werk spiegelt Chafers Verbundenheit mit Scofield und mit den Anmerkungen der Scofield Reference Bible (1909, 1917) wider. Das Werk wurde zur maßgeblichen Darlegung der dispensationalistischen Theologie.

Chafers Theologie - und in der Folge die Theologie des Seminars - reflektiert seine Bindung an drei ziemlich verschiedene Traditionen der historischen Orthodoxie: Augustianismus, die Keswick-Theologie und das Brüdertum (der Plymouth Brethren ). Dank der ersten Quelle (Augustinus) ist Chafers Systematik der Anthropologie und der Soteriologie entweder reformiert oder calvinistisch (z.B. Erwählungslehre, Vorherbestimmungslehre, Eideslehre und Ursprung und Gegenstand der erlösenden Gnade Christi). Das erklärt sein Festhalten am presbyterianistischen Konfessionalismus, von dessen Tradition er sich gleichwohl abwandte, da er eine uneingeschränkte Betrachtungsweise des göttlichen Plans des Opfers Christi vertrat. Chafer orientierte sich in seiner Darstellung der Lehren der Heiligen Schrift stark an der Princetoner Schule (z.B. Warfields Unfehlbarkeit).

In der zweiten Tradition (der Keswick-Theologie), von der Chafer stark beeinflusst war, liegt dann notwendigerweise ein Widerspruch. Chafers Verständnis von einem geistlichen Leben, wie er es in He That Is Spiritual (»Der Geistliche«) zum Ausdruck bringt, widerspricht der Ansicht Warfields. Es war im Wesentlichen ein entgegengesetztes Verständnis der Beziehung zwischen dem Gläubigen und dem Heiligen Geist hinsichtlich einer Verpflichtung zum geistlichen Wachstum (z.B. wird die Pflicht des Gläubigen betont, in einer richtigen Beziehung zum Heiligen Geist als der Ursache allen Wachstums zu stehen). Dieses Verständnis stand der traditionelleren reformierten Betonung auf Unterdrückung der Sünde durch den Heiligen Geist entgegen (das Handeln Gottes als Ursache der Heiligung des Gläubigen wird stärker betont).

Und schließlich war Chafer stark von der Brüderbewegung beeinflusst. Deren Denken drang im späten 19. Jahrhundert in bemerkenswerter Weise in den amerikanischen Evangelikalismus ein, vor allem durch die Bibelkonferenz-Bewegung. Chafer nahm bereitwillig die Lehren von den Heilszeiten, des modernen Prämillennialismus und der Eschatologie der Vorentrückungslehre an.

Chafers drittes und vermutlich wichtigstes Vermächtnis war die Nachdrücklichkeit, mit der er Christus in den Mittelpunkt stellte und die Gnade Gottes betonte. Die Hervorhebung von Christus und Golgatha war das Zentrum seiner religiösen Leidenschaft. Darin stand Chafer zweifellos in der orthodoxen Tradition der Kirche. Chafer war von Herzen Verkünder des Evangeliums, und das Motto des von ihm gegründeten Seminars spiegelt dieses Herzensanliegen wider: »Verkündige das Wort« ( 2Tim 2,2 ). Er wusste: Um diesen Auftrag erfolgreich ausführen zu können, musste man die Bibel mit Intensität und Liebe erfahren haben. Das setzt voraus, dass ihre allumfassenden Ziele richtig verstanden werden (z.B. der an der Heilszeitenlehre orientierte Prämillennialismus), und man muss eine störungsfreie (d.h. geheiligte) Beziehung zum Heiligen Geist haben. Das wird in Chafers Karriere deutlich. Er war mehr als zehn Jahre lang Reiseevangelist, und aus der in dieser Tätigkeit gewonnenen Erfahrung heraus veröffentlichte er eine kritische Untersuchung der Irrtümer, auf die er aufmerksam geworden war (True Evangelism [»Wahre Evangelisation«]). Damit hätte er beinah einen Aufruhr unter seinen Zeitgenossen auf dem Missionsfeld verursacht. Zwei Werke zum Thema Evangelium folgten: Salvation (»Erlösung«) und Grace (»Gnade«), sowie kürzere Beiträge in anderen Werken, Major Bible Themes (» Biblische Hauptthemen«) und Systematic Theology .

Manche vertreten die Auffassung, Chafers Verständnis von Christus als Mittelpunkt des biblischen Erlösungsplans sei der Grund, weshalb er die Offenbarung Gottes im Alten Testament zu verunglimpfen suchte. Für ihn war die Offenbarung Gottes in Jesus so überwältigend, dass er die weniger deutliche Offenbarung Christi im Alten Testament für geringfügiger erachtete, was schließlich sein Verständnis der Bibel charakterisierte.

Siehe auch: Scofield, C.I.; Walvoord, John ; Ryrie, Charles .

John D. Hannah

John D. Hannah, The Intellectual and Social Origins of the Evangelical Theological College (Dallas: Doktorarbeit der University of Texas, 1988).

 

CHRONIK 1 & 2

Eschatologie

Das erste und das zweite Buch der Chronik waren ursprünglich ein Buch. Der hebräische Titel bedeutet »Die Worte (Ereignisse, Angelegenheiten) der Tage.« Die Bücher wurden vermutlich zwischen 450 und 425 v. Chr. verfasst. Es wird in der Bibel zwar kein Autor dieser Bücher namentlich genannt, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden sie von Esra geschrieben.

»Die Bücher der Chronik wurden geschrieben, um eine geistliche Perspektive der historischen Ereignisse von der Zeit Davids bis zur Inthronisation Cyrus��� im Jahr 538 v.Chr. Sie verfolgen Israels Stammbaum zurück bis zur Erschaffung der Menschen und vorwärts bis zum Ende der babylonischen Gefangenschaft. So offenbaren sie Gottes Treue und seine anhaltenden Ziele mit seinem Volk« (Wilkinson).

Die ersten neun Kapitel des ersten Buches der Chronik handeln von der Königslinie Davids, während die Kapitel 10-29 Davids Herrschaft beleuchten.

»Im Zentrum des ersten Buches der Chronik steht - wie auch bei der übrigen Heiligen Schrift - der in 2Sam 7 und 1Chr 17 vorgestellte Davidische Bund. Gott verhieß David, dass er ihm (dem Nachkommen Davids, also Jesus Christus) Bestand geben werde��� in meinem Haus und in meiner Königsherrschaft auf ewig; und sein Thron soll fest stehen für ewig��� ( 1Chr 17,14 )« (Wilkinson).

Diese Prophetie wird ihre Erfüllung im künftigen Tausendjährigen Reich finden, das nach dem zweiten Kommen Christi aufgerichtet werden wird.

Das zweite Buch der Chronik fährt fort mit den Berichten über die Herrschaft König Salomos ( Kap. 1-9 ) und die Herrschaft der Könige Judas von Rehabeam bis Zedekia ( Kap. 10-36 ). So beleuchtet das zweite Buch der Chronik dieselbe Zeitperiode wie das erste und zweite Buch der Könige.

Siehe auch: Davidischer Bund.

Brian K. Richards

Charles C. Ryrie, Ryrie Study Bible , erweiterte Ausgabe (Chicago: Moody Press, 1995); B. Wilkinson und K. Boa, Tal k Thr u The Bible (Nashville: Thomas Nelson, 1983).

 

CRAVEN E. R.

Elijah Richardson Craven (1824-1908) war einer der vielen presbyterianischen Pastoren im Norden der USA, die den Wechsel vom Post- zum Prämillennialismus unter den Evangelikalen in der Zeit zwischen dem amerikanischen Bürgerkrieg und dem Ersten Weltkrieg mit trugen.

Craven absolvierte sein Bachelor-Stu-dium 1842 am College von New Jersey (Princeto n) und schloss 1848 das Studium am Princeton Seminary ab, nachdem er von 1842 bis 1844 Jura studiert hatte. Von 1847 bis 1849 diente er als Mathematiklehrer am College von New Jersey. Anschließend (1850-1854) leitete er die Dutch Reformed Church in Sommerville und war dann während der nächsten 33 Jahre Pastor der Third Presbyterian Church in Newark (1854-1887). Schließlich wurde er Sekretär der presbyterianischen Kommission für Veröffentlichungen und für das Sonntagsschulwort (1887-1904), ehe er als emeritierter Sekretär in den Ruhestand trat.

Während seiner Dienstzeit nahm er in seiner Kirche eine Reihe wichtiger Funktionen wahr. Er war Vorsitzender der Kommission für die Revision der Kirchenordnung der Presbyterian Church (1879-1882) und 1885 Versammlungsleiter der Generalversammlung der Presbyterian Church des Nordens.

Craven kämpfte wie die meisten presbyterianischen Prämillennialisten seiner Zeit hart gegen die wachsende Flut des Liberalismus, der schließlich in seiner Kirche zunehmend an Einfluss gewann. In seiner Theologie war er eher altmodisch, was anscheinend seine Hinwendung zum Prämillennialismus förderte.

Er war Sprecher bei vielen der Prophetie-Konferenzen, die während des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts einberufen wurden. Bei der berühmten Prophetie-Konferenz im Jahr 1878 in New York hielt Craven eine feurige Ansprache mit dem Titel »Das Kommen des Herrn in Bezug auf die christliche Lehre«. Sein größtes Werk im Hinblick auf den Prämillennialismus war seine Beteiligung als amerikanischer Mitherausgeber von Langes Kommentar zum Buch der Offenbarung, den er wesentlich erweiterte. Zu diesem Werk steuerte Dr. Craven viele hilfreiche Kommentare und Exkurse bei, die einen starken, kompromisslosen Prämillennialismus widerspiegeln.

Der Excursus on the Basilea (»Exkurs über das Reich«) ist eine hilfreiche Darstellung über die Zukunft des Tausendjährigen Reiches. Craven vertritt die Ansicht, dass das messianische Reich zwar beim ersten Kommen Christi nahe herbeigekommen ist, dass es aber noch nicht wirklich begonnen hat. Denn Christus ist zum Himmel zurückgekehrt, ohne es auf der Erde aufzurichten. Folglich ist es noch zukünftig und wird beim zweiten Kommen Christi eingesetzt werden.

Cravens Exkurs ist auch durch die Verwendung des Begriffes normal bekannt geworden. Damit versuchte er, die buchstäbliche Auslegung der Bibel im Gegensatz zur allegorisierenden Methode zu beschreiben und zu verteidigen, die oftmals zur Auslegung prophetischer biblischer Literatur herangezogen wird.

Craven, James H. Brookes und Nathaniel West waren im späten 19. Jahrhundert prämillennialistische Leiter in der Presbyterianischen Kirche und in der ganzen evangelikalen Bewegung. Es ist größtenteils ihrem Werk zu verdanken, dass in weiten Kreisen Prämillennialismus mit Evangelikalismus gleichgesetzt wird.

Thomas Ice

E. R. Craven: The Coming of the Lord in Its Relations to Christian Doctrine in: Premillennial Essays , hrsg. von Nathaniel West (Chicago: Revell, 1879) und The Revelation of John in: Lange's Commentary on the Holy Scriptures , Bd. 12 (Grand Rapids: Zondervan, 1960); Samuel M. Jackson (Hrsg.): The New Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge , Bd. 3 (Grand Rapids: Baker, 1952).

 

DANIEL

Eschatologie

Das Buch Daniel gibt einen Überblick über die Zeit der Heiden. Es enthält einen chronologischen Abriss über den Aufstieg und Fall von Weltreichen. Die in diesem Buch beschriebenen Visionen umfassen die gesamte Zeit der nichtjüdischen Herrschaft bis zur Zeit der Trübsal und zur Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches. Ein Schwerpunkt liegt auf der Souveränität Gottes, seiner Treue beim Schutz und der Erhaltung seines Bundesvolkes und der zukünftigen Wiederherstellung Israels.

Der Autor ist Daniel, der als Jugendlicher gefangen genommen wurde und den Rest seines Lebens in babylonischer Gefangenschaft verbrachte. Das Buch wurde um 537 v. Chr. verfasst.

Die Prophezeiungen beginnen mit der Vision des Nebukadnezar. Darin werden die nichtjüdischen Weltreiche identifiziert (Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom), ihr Aufstieg zur Macht ( 2,37-40 ), ihre endgültige Zerstörung durch Christus ( 2,34 ) und die Aufrichtung seines zukünftigen Tausendjährigen Reiches auf Erden ( 2,35 ). Als Nächstes wird berichtet über die Errettung der drei Männer aus dem Feuerofen, in den sie geworfen wurden, weil sie sich weigerten, das Standbild des Nebukadnezar anzubeten. Dieser Bericht ist ein prophetischer Ausblick auf die Errettung des gläubigen Überrestes aus der Trübsal ( Kap. 3 ). Der Fall Babylons wird vorhergesagt ( Kap. 5 ). Daniel wird durch seinen Glauben an Gott vor den Löwen bewahrt ( 6,18-28 ). Dies kündigt die Errettung des gottesfürchtigen Überrestes von Israel bei der Wiederkunft Christi an. Auch die Wiederkunft Christi wird gesehen ( 7,13-14 ), das Auftreten des Antichristen wird vorhergesagt ( 7,24-25 ), und dessen Vernichtung bei der Wiederkunft Christi ( 7,26 ). Die Zerstörung des Heiligtums in Jerusalem wird vorausgesagt ( 8,13 ); erfüllt hat sich diese Prophezeiung durch Antiochus Ephiphanes (171-164 v. Chr.). Die Prophezeiung über die letzten Tage wird verkündet ( 10,13 ). Die Vision über die siebzig Wochen ( 9,20-27 ) ist eine Prophezeiung, welche die Nation Israel und die Stadt Jerusalem betrifft. Die siebzig Wochen beginnen mit dem Befehl, die Stadt Jerusalem und ihre Mauern wieder aufzubauen ( 9,25 ). Darauf folgt die Prophezeiung über den Tod Christi, den Antichristen (den kommenden Fürsten) und die Zerstörung des Tempels in Jerusalem ( 9,26 ). In der siebzigsten Woche, die wegen des Zeitalters der Gemeinde Jesu zurückgestellt worden ist, wird der Einfluss und die Macht des Antichristen zu einem falschen Bund mit den Juden führen. Diesen Bund wird der Antichrist nach dreieinhalb Jahren brechen, indem er dem jüdischen Gottesdienst ein Ende bereitet und fordert, selbst angebetet zu werden. Er wird von Christus bei dessen Wiederkunft vernichtet ( 9,27 ). Die Konflikte, welche die Juden durchleben müssen, bevor sie bei seiner Wiederkunft den Frieden Christi erfahren, werden vorausgesagt ( 10,14 ). Der letzte Weltherrscher, der Antichrist, und sein zukünftiges Wirken werden detailliert beschrieben ( 11,36-45 ), bis hinein in die Zeit der Trübsal. Die große Trübsal wird ebenfalls gesehen ( 12,1 ), auch die Auferstehung der gerechten Verstorbenen aus der Zeit des Alten Testaments sowie die der Märtyrer aus der Trübsalszeit ( 12,2 ). Der Abschluss der großen Trübsal wird vorhergesagt ( 12,7.11 ), auch der Beginn des Tausendjährigen Reiches ( 12,12 ), und die Auferstehung des Propheten Daniel wird verheißen.

Dieses Buch leistet einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der alttestamentlichen Prophetie, und es dient als Schlüssel zur Auslegung der Offenbarung.

Siehe auch: Daniels siebzig Jahrwochen, dispensationalistische Auslegung.

Erwin Starwalt

Merrill F. Unger, Unger's Bible Dictionary (Chicago: Moody Press, 1966); John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton, III.:Victor Books, 1990); John F. Walvoord & Roy B. Zuck, Hrsg.; Walvoord Bibelkommentar (Holzgerlingen: Hänssler, 1991); Everett F. Harrison & Charles Pfeifer, Hrsg.; Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962).

 

DANIELS SIEBZIG JAHRWOCHEN

amillennialistische Auslegung

Die historischen und theologischen Entwicklungen, aus denen diese Auslegung der Prophezeiung über die siebzig Wochen ( Dan 9,24-27 ) hervorging, sind zurückzuführen auf die direkte Opposition gegen den Prämillennialismus, denn dieser wurde als geistiges Produkt des Judentums angesehen. Bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. war auf der Basis des Neuen Testaments, früher jüdischchristlicher Schriften und der Kirchenväter der Prämillennialismus die vorherrschende Sichtweise der Eschatologie (Lehre von der Endzeit). In der Auseinandersetzung über den Chiliasmus vertrat die alexandrinische Schule (gefolgt von Augustinus, der römischkatholischen und der protestantischen Kirche sowie dem modernen Amillennialismus) ein nicht wörtliches, sondern ein allegorisches Bibelverständnis. Angewendet auf die Prophezeiung über die siebzig Wochen sollte diese Auslegung den Beweis erbringen, dass die politische und geistliche Rolle Israels mit dem ersten Kommen Christi ein Ende gefunden und die Gemeinde Jesu die Stelle des Bundesvolkes eingenommen hatte. Trotz eines heilsgeschichtlichen Ansatzes erlaubt die Hermeneutik (das Bibelverständnis) des Amillennialismus nur eine subjektive Anwendung von Prophezeiungen auf bestimmte Ereignisse und somit ein breites Spektrum an Deutungen. Besonders problematisch erweist sich diese Vorgehensweise bei der Auslegung der siebzigsten Woche, denn die darin geschilderten Geschehnisse haben keine Entsprechung in der Geschichte.

Die Anhänger des Amillennialismus deuten den Abschnitt über die siebzig Wochen hauptsächlich christologisch (s. dazu: Trübsal, verschiedene Sichtweisen ). Die sechs Aussagen in Dan 9,24 , welche Absicht und Ziel der Prophezeiung herausstellen, werden als von Christus vollendet angesehen. Für die traditionelle Schule des Amillennialismus hat diese Vollendung in der siebzigsten Woche stattgefunden, die von der zeitlichen Abfolge (und den geschichtlichen Ereignissen) her unmittelbar auf die neunundsechzig Wochen folgt. Die Erfüllung aus christologischer Sicht erfolgte im Dienst Christi oder spätestens der Zeit, in der das Evangelium zuerst den Nichtjuden verkündigt wurde (z.B. an Pfingsten). Die symbolische Schule erweitert jedoch die endgültige Erfüllung auf einen unbestimmten Zeitraum, der die Wiederkunft Christi und die Ewigkeit einschließt. In diesem Fall stellen die sechs Aussagen in Dan 9,24 die aufeinander folgenden Phasen in der Geschichte des Reiches Christi dar. Auf ähnliche Weise wird das letzte der sechs prophetischen Ziele, die Salbung des Allerheiligsten, entweder als die Salbung Christi durch den Heiligen Geist (traditionelle Schule) ausgelegt oder aber als die endzeitliche Salbung des neuen Allerheiligsten (Christus) im neuen (himmlischen) Jerusalem (symbolische Schule). Einige Vertreter des Amillennialismus folgen den Anhängern des Prämillenialismus in dem Versuch, den Beginn und das Ende der 490 Jahre (Vers 25 ) anhand historischer Geschehnisse zu datieren. Andere Amillennialisten dagegen kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Zahl 490 symbolisch zu verstehen sei (70 mal 7).

Vertreter des Amillennialismus und des Prämillennialismus sind sich einig über die messianische Deutung des Gesalbten (Vers 25 ) als Jesus, den Messias; allerdings wird die Anspielung auf dessen Ausrottung (Vers 26 ) unterschiedlich ausgelegt, und zwar einerseits als Hinweis auf den Tod Jesu (traditionelle Schule) und andererseits als Hinweis auf Einfluss und Prestige Jesu (symbolische Schule). Die meisten Vertreter der traditionellen Schule stimmen darin überein, dass der Messias in der Mitte der siebzigsten Woche ausgerottet wurde. Sie identifizieren den kommenden Fürsten (Vers 26 ) mit demjenigen (der in Vers 27 erwähnte »er«), der in der Mitte der siebzigsten Woche bestimmte Handlungen vollzieht, und deshalb mit Christus. Auf dieser Grundlage wird der starke Bund, den dieser Fürst mit den Vielen eingeht, als der Neue Bund ( Jer 31,31-37 ) gedeutet, den Christus mit der Gemeinde geschlossen hat. Bei dieser Sichtweise werden die Stadt und das Heiligtum wörtlich ausgelegt als Jerusalem und der Tempel, während die vom Fürsten angerichtete Zerstörung sinnbildlich angewendet wird auf die von Christus vorhergesagte Vernichtung. Während jedoch E.J. Young das in Vers 27 erwähnte Fürwort »er« ebenfalls auf Christus bezieht, setzt er den kommenden Fürsten mit Titus gleich, dem Befehlshaber der römischen Legionen, die von 68 bis 70 n. Chr. Jerusalem belagerten und zerstörten. Indem sie von der traditionellen Schule stark abweicht, nähert sich die symbolische Schule dem Prämillennialismus und identifiziert den kommenden Fürsten mit dem Antichristen. Der Bund ist demnach ein Phänomen, durch das Christus nachgeahmt und das den Massen aufgezwungen werden soll (H.C. Leupold), oder eine Täuschung, um die Menschen dazu zu bringen, den Antichristen als Gott zu verehren (C. F. Keil). Auf jeden Fall ist es ein Bund des Schreckens und der Gewalt.

Die Schwierigkeit, das Geschehen um die Ausrottung Christi in der Mitte der siebzigsten Woche auszulegen, wird erneut deutlich in der problematischen Aussage, die Abschaffung von Schlachtopfern und Speisopfern habe im selben Zeitraum stattgefunden. Da diese Opfer mit dem Tod Christi nicht sofort aufhörten, sondern noch vierzig Jahre lang weiter durchgeführt wurden, geben die Vertreter des Amillennialismus diesem Geschehen entweder eine geistliche Bedeutung, indem sie es auf das Zerreißen des Vorhangs im Tempel anwenden oder auf den Beginn der Evangeliumsverkündigung. Ihrer Ansicht nach haben beide Ereignisse dem Opferdienst die Legitimation entzogen. Young zufolge war Jerusalem seit dem Tod Christi nicht länger, »eine heilige Stadt«, und der Tempel »war nicht mehr das Haus Gottes, sondern ein Gräuel«. Dabei war die Zerstörung sowohl der Stadt als auch des Tempels »nur ein äußerer Ausdruck dessen, was durch den Tod unseres Herrn bereits wirksam wurde.« Das Neue Testament schildert jedoch in der Zeit der Apostel eine Fortdauer der Ehrfurcht vor Jerusalem als Zentrum der Muttergemeinde ( Apg 1,8; 15; Gal 1,18-2,2 ) und vor dem Tempel als Versammlungsort der Christen ( Apg 2,46; 3,1; 5,12-13 ), als Ort, an dem Rituale und Feste eingehalten wurden ( Apg 2,1; 20,6 ) und an dem sogar Anbetung stattfand ( Apg 18,18; 21,23-26; 22,17; 24,11.17-18 ). Die Vertreter des Amillennialismus sind sich einig, dass Christus der Abschluss der neunundsechzig Wochen ist, dass aber das Ende der siebzigsten Woche im Text nicht genannt wird. Die Vernichtung des Verwüsters am Ende von Vers 27 wird jedoch als Endpunkt der Verwüstungen in der zweiten Hälfte der siebzigsten Woche und somit als Abschluss der Woche selbst gesehen. Wieder ist es bei dieser Auslegung schwierig, dieses Geschehen mit historischen Ereignissen in Einklang zu bringen. Aus diesem Grund rät Young (traditionelle Schule) von einer Datierung ab, während Leupold (symbolische Schule) von jeder historischen Erfüllung der siebzigsten Woche abrückt. Siehe auch: Amillennialismus.

J. Randall Price

Oswalt T. Allis, Prophecy and the Church (Philadelphia: Presbyterian and Reformed Publishing Co., 1949); Charles L. Feinberg, Premillennialism or Amillennialism? (Wheaton: Van Kampen Press, 1954); Michael Kalafian, The Prophecy of the Seventy Weeks of the Book of Daniel: A Critical Review of the Prophecy as Viewed by Three Major Theological Interpretations and the Impact of the Book of Daniel on Christology (New York: University of America Press, 1991), 107-36; C. F. Keil, Biblical Commentary on the Book of Daniel , in: A. Commentary on the Old Testament , 10 Bde. (Grand Rapids: Eerdmanns, 1973), 9: 336-402; Abraham Kuyper, Chiliasm or the Doctrine of Premillenialism (Grand Rapids: Zondervan, 1934); H. C. Leupold, Exposition of Daniel (Grand Rapids: Baker, 1949), 403-40; Philip Mauro, The Seventy Weeks and the Great Tribulatio n, überarb. Aufl. (Swengel, Pa.: Reiner Publications, o. Datum); J. Barton Payne, Encyclopedia of Biblical Prophecy (New York : Harper & Row, 1973), 383-88; John F. Walvoord, The Millenial Kingdom (Findlay, Ohio: Dunham, 1959), Edward J. Young, The Prophecies of Daniel: A Commentary (Grand Rapids: Eerdmans, 1949), 191-222 und The Messianic Prophecies of Daniel (Grand Rapids: Eerdmans, 1954).

 

DANIELS SIEBZIG JAHRWOCHEN

dispensationalistische Auslegung

Die Prophezeiung Daniels über die siebzig Wochen ( Dan 9,24-27 ) gehört zu dem Teil seines Buches ( Kapitel 7-12 ), in dem Visionen über künftige irdische Reiche (sowohl menschlicher als auch göttlicher Natur) verzeichnet sind. In Kapitel 7 erklärt der Erzengel Gabriel dem Propheten, dass siebzig Wochen erforderlich sind, um Daniels Bitte über die Wiederherstellung Israels zu erfüllen (V. 3-19 ). Das Gebet Daniels (V. 2 ) stützt sich auf die Prophezeiung über die siebzig Jahre in Jer 25,11-12; 29,10 . Daraufhin werden Daniel sechs Ziele der Wiederherstellung Israels mitgeteilt. Diese Ziele sollen während der siebzig Wochen ( Dan 9,24 ) erreicht werden. In den übrigen Versen von Kapitel 9 werden die Ereignisse umrissen, die in der späteren Geschichte Israels eintreten sollen. Die Lehre von den Heilszeiten stimmt mit der Meinung der meisten christlichen Gelehrten überein, dass die siebzig Wochen als siebzig Jah rwochen ausgelegt werden sollen. Der sich daraus ergebende Zeitraum von 490 Jahren (70 x 7) teilt sich nach dem Text (Verse 25-27 ) in Perioden von sieben Wochen (49 Jahren), 62 Wochen (434 Jahren) und einer Woche (sieben Jahren) auf. Die Lehre von den Heilszeitaltern schließt sich ebenfalls der Mehrheitsmeinung evangelikaler Theologen an, nach welcher der Zusammenhang dieses Abschnittes messianisch ausgelegt wird. Das Kommen des Messias findet demzufolge nach den 69 Wochen statt (d. h. nach sieben Wochen + 62 Wochen = 483 Jahren). Im Unterschied zu anderen liegt für die (klassische) Lehre von den Heilszeiten die siebzigste Woche (V. 27 ) jedoch in der Zukunft. Nach der Verwerfung des Messias durch Israel und seinem Tod in der 69. Woche (V. 26 ) bleibt für die Erfüllung der sechs Wiederherstellungsziele für Israel (V. 24 ) nur noch die siebzigste Woche. Wenn die siebzigste Woche, historisch gesehen, sofort auf die 69. Woche folgt, muss die erwartete Wiederherstellung geistlich auf die Gemeinde Jesu als neues Israel bezogen werden (s. dazu: Daniel, siebzig Wochen, amillemmialistische Auslegung ). Weil die Lehre von den Heilszeitaltern am Grundsatz der wörtlichen Bibelauslegung festhält und die biblische Unterscheidung zwischen dem göttlichen Heilsplan für Israel und für die Gemeinde anerkennt, muss der historische Abschluss der Wiederherstellung Israels in einer zukünftigen Woche stattfinden. In diesem Zeitraum (wie in V. 27 beschrieben) wird der messianische Heilsplan für Israel mit der Überwindung des Antichristen (der apokalyptischen Voraussetzung für die Aufrichtung des messianischen Reiches) wieder aufgenommen. Diese Auslegung erfordert einen prophetischen Aufschub (frühere Autoren sprachen von einer »Lücke« oder einem »Einschub«) zwischen den Ereignissen der Verse 26 und 27 . Die Offenbarung eines prophetischen Aufschubs bei der Erfüllung des endzeitlichen Aspekts im messianischen Heilsplan steht im Einklang mit vielen Abschnitten des Alten Testaments, in denen von zwei Kommen Christi die Rede ist (z. B. 1Mo 49,10-12; 5Mo 18,16; 2Sam 7,13-16; Jes 9,1-7; 11,1-2.11; 52,13-59,21; 61,1-11 ; vgl. Lk 4,16-19; 7,22; Joel 2,28 ; vgl. Apg 2,17; Zeph 2,13-3,20; Sach 9,9-10; Mi 5,2-14; Ps 2; 3 ; vgl. Apg 13,33; Hebr 1,5; 5,5; Ps 22,1-32; 34,14.16; Mal 3,1-3 ). Daniel geht es vor allem um sein Volk (V. 20.24; vgl. 12,1 ) und die Wiederherstellung, die Jeremia für die Zeit nach den siebzig Jahren des Exils vorhersagte ( Jer 25,11-12 ; vgl. 2Chr 36,21 ). Die Prophezeiung von Jeremia ( Jer 30-33 ) enthielt, wie die Prophezeiungen von Jesaja ( Jes 40-66 ) und Hesekiel ( Hes 33-48 ), sowohl Vorhersagen über die sofortige (nachexilische) als auch über die zukünftige (endzeitliche) Wiederherstellung. Die nachexilischen Propheten verstanden diese Unterscheidung. Obwohl sie erkannten, dass sie unter Esra eine Wiederherstellung erlebten, war doch die vollständige, geistliche Wiederherstellung der ganzen Nation auf einen Zeitpunkt in der Zukunft verschoben worden. Dies zeigt sich beispielsweise auch an einem der Signale für die Wiederherstellung, nämlich dem Wiederaufbau des Tempels ( Hag 2,3-9 ).

Die sechs Wiederherstellungsziele aus Daniels Prophezeiung über die siebzig Wochen (V. 24 ) können eine Naherfüllung in der Erfahrung der Nation (dem Kommen des Messias zur Erlösung) haben, aber ihre vollständige Verwirklichung liegt in der Zukunft (dem Kommen des Messias zur Wiederherstellung). Der Aufschub zwischen den Versen 26 und 27 ist die Konsequenz einer teilweisen und vollständigen Erfüllung im messianischen Heilsplan. Die erste Phase des messianischen Heilsplanes führte beim ersten Kommen des Messias zu einer geistlichen Erlösung für das Volk Israel ( Mt 1,21 ; vgl. Lk 2,11 ). Als Israel als Nation den Messias ablehnte ( Mt 23,37 ; vgl. Apg 3,13-15.17; 4,25-27 ), erfüllte sich zwar die Verheißung über die Einbeziehung der Nichtjuden ( Apg 15,14-18; Röm 11,11.25.30 ) in das göttliche Heilshandeln, aber dadurch wurde eine zweite Phase des messianischen Heilsplanes erforderlich. Nur so kann die geistliche Erlösung auf Israel als Nation zutreffen ( Apg 3,18-21; Röm 11,26-29.31 ) und sich die Verheißung über die nationale Wiederherstellung Israels erfüllen ( Mt 23,39; Apg 1,6-7; 3,22-26; 15,16 ). Das wird bei der Wiederkunft Christi geschehen ( Sach 12,10-13,2; 14,3-11 ).

Die Sichtweise der Lehre von den Heilszeiten ist abhängig von der Gültigkeit ihrer endzeitlichen Auslegung über die siebzigste Woche. Gerechtfertigt wird diese Deutung durch zahlreiche endzeitliche Hinweise wie den Wörtern qetz (Ende), yashbitim (Aufhören) und kalah (Ende), ad (bis) und nechratzah tittak (ein beschlossenes Ende). Diese Begriffe lassen erkennen, dass dieser Abschnitt zur selben endzeitlichen Periode gehört wie der später im Buch Daniel als Endzeit bezeichnete Zeitraum (vgl. Dan 12,4.9.13 ). Diese Gleichsetzung wird unterstrichen durch die Parallelen in den Kapiteln 9; 12 (z.B. Gebet um Verständnis: 9,2 / 12,8 ; die Verwüstung des jüdischen Volkes: 9,27 / 12,7 ; eine Zeit von dreieinhalb Jahren: 9,27 / 12,7 ; die Abschaffung des Opferdienstes: 9,27 / 12,11 und der Gräuel der Verwüstung: 9,27 / 12,11 ). Deshalb wird sich das Gebet Daniels um ein Ende des Exils in jenem endzeitlichen Zeitalter erfüllen, wenn alle Elemente seiner Bitte verwirklicht werden.

Dieser Aufschub der siebzigsten Woche und die eingeschobene Zeitspanne mit nochmaligen Exil und weiterer Verfolgung des jüdischen Volkes wird erneut in der Verwendung der Prophezeiung über die siebzig Wochen im Neuen Testament bestätigt. John McLean hat nachgewiesen, dass die Abfolge der Ereignisse in der Ölbergrede und der Gerichtsabschnitt in der Offenbarung ( Kapitel 4-19 ) strukturell von der Prophezeiung über die siebzig Wochen abhängen.

Siehe auch: Daniel, Eschatologie.

J. Randall Price

Robert D. Culver, Daniel and the Latter Days , überarb. Aufl. (Chicago: Moody Press, 1977), 144-69; »Daniel« in: The Bible Knowledge Commentary , John F. Walvoord, Roy B. Zuck, Hrsg. (Wheaton: Victor Books, 1985), 1:1.323-75; Paul D. Feinberg, »An Exegetical and Theological Study of Dan 9:24-27« in: Tradition and Testament: Essays in Honor of Charles Lee Feinberg , John S. Feinberg and Paul D. Feinberg, Hrsg. (Chicago: Moody Press, 1981), 189-222; Frederick Holtzmann. »A Reexamination of the Seventy Weeks of Daniel« (Th.M. thesis, Dallas Theological Seminary, Dallas, 1974); H. A. Ironside, The Great Parenthesis (Grand Rapids: Zondervan, 1943): William Kelly, Daniel's Seventy Weeks (Colorado: Wilson Foundation, o. Datum); Alva J. McClain, »The Parenthesis of Time between the Sixty-Ninth and Seventieth Weeks« in: Daniel's Prophecy of the Seventieth Week (Grand Rapids: Zondervan, 1960); John A. Mc-Lean, »The Seventieth Week of Dan 9,27 as a Literary Key for Understanding the Structure of the Apocalypse of John« (Ph.D. diss., University of Michigan, 1990); J. Dwight Pentecost, Things to Come (Grand Rapids: Zondervan, 1958); J. Randall Price, »Prophetic Postponement in Dan 9 and Other Texts« in: Issues in Dispensationalism , W.R. Willis & John R. Master, Hrsg. (Chicago: Moody Press, 1994), 132-65; John F. Walvoord, Daniel: The Key to Prophetic Revelation (Chicago: Moody Press, 1971), 403-40.

 

DANIELS SIEBZIG JAHRWOCHEN

rabbinische Auslegung

Daniels Prophezeiung über die siebzig Wochen wurde von den Rabbinern ursprünglich als einer der wichtigsten Voraussagen in der Bibel angesehen. Die große Bedeutung dieses Textes bezeugte im ersten Jahrhundert n. Chr. der jüdische Historiker Flavius Josephus: »Er (Daniel) sagte nicht nur, wie die anderen Propheten, die Zukunft voraus, sondern er machte genaue Angaben, wann diese Ereignisse stattfinden sollten« (Jüdische Altertümer, 10.268). Die Auffassung, dass Daniels Prophezeiung Informationen über den genauen Zeitpunkt der vorhergesagten Geschehnisse enthielten, war zweifellos ein wichtiger Faktor für die zeitliche Einordnung des Krieges gegen Rom im Jahr 66 n. Chr. Die siebzig Jahre des Zorns aus Dan 9,3 , die in der Kriegsrolle von Qumran (IQM) eine wichtige Rolle spielten, könnten nämlich als der Zeitraum gedeutet worden sein zwischen dem ersten Ausbruch der Revolte im Jahr 4 v. Chr. (der Zeit, als Herodes starb und möglicherweise Jesus geboren wurde) und dem endgültigen Aufstand im Jahr 66 n. Chr.

In den frühesten Versionen der heutigen hebräischen Bibel wurde jedoch das Buch Daniel in die Gruppe der »Schriften« eingeordnet. Durch diese Zuordnung wurde Daniel aus der Reihe der Propheten entfernt. Aus seinen Prophezeiungen wurden Geschichten mit rein pädagogischem Nutzen. Unstrittige Beweise für die Einordnung des Buches Daniel im Kanon der hebräischen Bibel scheinen sich jedoch auf spätere hebräische Manuskripte zu beschränken und auf Aussagen, die nur bis in die frühe rabbinische Zeit zurückreichten. Zwei der ältesten verfügbaren Manuskripte der hebräischen Bibel, welche die heutige Reihenfolge des Kanons bestätigen, sind der Codex Leningradensis und der Aleppo-Codex. Beide stammen jedoch erst aus dem 9. und 10. Jahrhundert n. Chr. Zwei der deutlichsten rabbinischen Kommentare befinden sich in der Gemara des Babylonischen Talmuds, und zwar in Baba Bathra 14b (hier wird Daniel vor den Büchern Esther und Esra genannt) und in Megilla 3a (hier werden Haggai, Sacharja und Maleachi als Propheten bezeichnet, aber von Daniel unterschieden). Diese beiden Texte finden sich in Dokumenten, die zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert n. Chr. zusammengestellt wurden.

Der früheren jüdischen Überlieferung zufolge haben die Rabbiner dem Buch Daniel jedoch einen prophetischen Status eingeräumt. Das älteste Manuskript der hebräischen Bibel, der Codex Cairensis (895 n. Chr.), zählt Daniel zu den Propheten, und eine hebräischaramäische Auflistung des biblischen Kanons, die nach vorsichtiger Schätzung aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammen könnte, ordnet das Buch Daniel hinter den drei großen Propheten ein. Darüber hinaus wird Daniel in allen jüdischen Quellen des ersten Jahrhunderts n. Chr. - der Septuaginta, den Schriftrollen vom Toten Meer, Josephus, Jesus und den Autoren des Neuen Testaments - zu den Propheten gezählt. Warum haben dann die späteren Rabbiner das Buch Daniel aus dem Korpus der prophetischen Schriften ausgeschlossen?

Die Beweise über den Einfluss, den die Prophezeiungen Daniels auf das religiöse und politische Geschehen früherer Epochen ausübten, lassen vermuten, dass dem Buch eine gefährliche Wirkung zugeschrieben wurde. Die Zeloten sahen das Buch Daniel als wichtige prophetische Stimme an. Die darin geschauten Visionen enthielten den Schlüssel zur Deutung weltgeschichtlicher Ereignisse, besonders im Hinblick auf die Römer. In seinem Buch Der Jüdische Krieg (6) erwähnte Josephus eine dieser Voraussagen (wahrscheinlich die Prophezeiung über die siebzig Wochen), welche die Zeloten als Ausgangspunkt nahmen, die erste (und wohl auch die zweite) Revolte gegen Rom anzufachen und zu fördern. Diesem Trend folgten auch die Rabbiner aus dem ersten und zweiten Jahrhundert. Der Fall Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. und die darauf folgenden Ereignisse waren für diese Rabbiner (wie auch für die frühen jüdischen Christen und die Kirchenväter) eine Bestätigung, dass die Auslegung der vierten Monarchie in Dan 2; 7 als das Römische Reich richtig war. Deshalb war der prophetische Zeitplan des Buches Daniel präzise, denn allein sein Buch enthielt den Schlüssel für die Zerstörung des zweiten Tempels und die zukünftige Wiederherstellung Israels nach einem weiteren Exil (die Prophezeiung über die siebzig Wochen). Das Buch Daniel hatte einen so starken Einfluss, dass - dem Targum Jonathan über die Propheten (ca. 50-1 v. Chr.) zufolge - alle anderen Propheten nach den im Buch Daniel enthaltenen Vorgaben ausgelegt wurden, um Berechnungen über die Endzeit anzustellen.

Diese Verwendungsweise sowie der Einfluss des Buches Daniel als Prophezeiung für die Zukunft brachten die Rabbiner dazu, das Buch Daniel als gefährlich einzustufen, zumal die Anwendung eines apokalyptischen Zeitplans auf zeitgenössische Ereignisse dem Volk sowohl Enttäuschung als auch Niedergang beschert hatte. Indem man das Buch Daniel von der klassischen Prophetie trennte und es den anderen Erzählungen aus dem Exil zuordnete, wurde sein paradigmatischer Einfluss auf den Korpus der prophetischen Schriften verhindert. Als es seinen Platz unter den Helden des Exils erhielt, verschob sich der Akzent des Buches von der Prophetie zur Pädagogik. Vielleicht veranlasste die Furcht vor dem Einfluss des Buches Daniel auf die Eschatologie (die Lehre von der Endzeit) die Rabbiner, eine allegorische Auslegung der Propheten und der Schriften zuzulassen. Dieses Zugeständnis hätten sie bei der Thora niemals gemacht. Doch so konnten die Probleme einer wörtlichen Auslegung (und deren Anwendung) vermieden werden.

Bei der Prophezeiung über die siebzig Wochen legten die Rabbiner die Wochen als Jahrwochen aus und bezogen sie auf die Zerstörung Jerusalems durch die Römer. Die siebzigste Woche wird in dieses Geschehen nicht vollständig einbezogen. Weil sie die Vernichtung der Römer voraussagt, wird ihre endgültige Aussage als ein in der Zukunft liegendes Ereignis gedeutet. Die jüdische Chronologie von Rabbi Jose, die auch unter dem Namen Seder Olam Rabbah bekannt ist, beinhaltet die älteste rabbinische Überlieferung über die Auslegung der siebzig Wochen. In Kapitel 28 dieses Werkes werden die ersten sieben Wochen auf das Exil und die Rückkehr bezogen, die nächsten 62 Wochen finden im Land selbst statt, und die letzte Woche sagt eine Zeit voraus, die sich teilweise im Land und teilweise im Exil abspielt. In diesem Fall könnte die siebzigste Woche auch Geschehnisse nach dem Jahr 70 n. Chr. beinhalten.

Laut Abarbanel erforderte die Bestrafung der Israeliten im Exil die 490 Jahre dieser Prophetie, um das Maß der Sünden, die zusätzlich zur Übertretung des Sabbatgesetzes (vgl. 2Chr 36,21 ) begangen wurden, voll zu machen. Andere jüdische Kommentatoren, wie Raschi und Metzudos, behaupteten, dass sich dies auf eine Zeitspanne nach den 490 Jahren beziehe (die ihrer Meinung nach mit der Zerstörung des zweiten Tempels endete), »[das letzte Exil], dessen Ziel es sein wird, die Übertretungen der jüdischen Nation zu beenden (d.h. zu sühnen)«. Zusammenfassend stellt Rabbi Hersh Goldwurm fest: »So wurden siebzig Wochen über dein Volk und deine Stadt (für relatives Wohlergehen) beschlossen, nach denen die Juden ihre übrige Strafe empfangen werden in dem letzten Exil, dessen Ziel es sein wird, die Übertretungen zu beenden (d.h. zu sühnen).« Ein Grund für diese Deutung liegt darin, dass nach der Auffassung dieser Kommentatoren das Leiden der Juden ihre Übertretungen sühnen würde. Abarbanel erwähnte, dass die Rückkehr nach Jerusalem und sogar der Wiederaufbau des zweiten Tempels nicht die erwartete Erlösung brachten und auch nicht vergangene Sünden sühnten, da diese selbst ein Teil des Exils und der Sühne waren. Seiner Meinung nach lag die wirkliche und vollständige Erlösung noch weit in der Zukunft und wartete - gemäß der Prophezeiung Daniels - noch immer auf ihre Erfüllung.

Die siebzigste Woche (V. 27 ) gehörte laut Ibn Esra nicht zu den 62 Wochen aus Vers 26 . Er vertrat die Auffassung, dass sie nicht mitgezählt wurde, weil der Verwüstung, bei der ein Gesalbter getötet wurde, Aufruhr und Unruhe vorangehen mussten. Er kam auf siebzig Wochen, indem er die sieben Wochen aus Vers 25 zu den 62 Wochen aus Vers 26 addierte. Daraus könnte seine Schwierigkeit resultieren, Vers 27 mit Vers 26 in Einklang zu bringen. Raschi fällt es nicht schwer, das Volk des kommenden Fürsten mit den Römern gleichzusetzen (d.h. den Legionen von Vespasian und Titus). Sowohl Raschi als auch Rambam (d.h. Maimonides) gehören zu jenen, die den Bruch des Bundes (mit jüdischen Regierenden - »den Großen« anstatt »den Vielen«) einem gebrochenen Versprechen der Römer zuschreiben. Keiner der jüdischen Weisen, die diese Meinung vertreten, kann jedoch eine historische Quelle als Bestätigung anführen. Der Jerusalemer Talmud (Taanis 4:5) versucht offenbar, diesen Bundesbruch mit den Römern in Verbindung zu bringen, welche die für das tägliche Opfer vereinbarten Lämmer durch Schweine ersetzt hatten. Genau zu dieser Stunde soll der Opferdienst aufgehört haben, und der Tempel sei kurz darauf zerstört worden.

Manche Rabbiner waren der Meinung, dass der Gräuel der Verwüstung (V. 27 ) sich erfüllte, als Hadrian nach dem Bar-Kochba-Aufstand einen heidnischen Tempel an der Stelle errichten ließ, an der sich zuvor der jüdische Tempel befunden hatte (Raschi). Was den Tempel betrifft, bezogen manche rabbinische Ausleger (vgl. Malbim) die letzten Ziele der Wiederherstellung aus Dan 9,24 , nämlich die Salbung des Allerheiligsten, auf den dritten Tempel, da laut Tosefta Sotah 13:2 der zweite Tempel nicht gesalbt worden sei. Den jüdischen Weisen zufolge sollte diese Salbung des Allerheiligsten einen Bezug zur Wiederherstellung der Schechinah (der herrlichen Gegenwart Gottes; d. Übers.) und der Tempelgefäße haben. Nach dem Mischna-Traktat Yoma 21b befanden sich die Bundeslade mit den Gesetzestafeln, die Altäre und die heiligen Gefäße nicht im zweiten Tempel. Sie sollten durch den Messias-König wieder ans Licht gebracht werden, und zwar zu der Zeit, wenn dieser den dritten Tempel bauen und salben würde (vgl. Sach 6,12-13 ).

Frühere Rabbiner verstanden den Begriff mashiach in Vers 25 wortwörtlich als Bezeichnung für den Messias. Spätere Rabbiner (Raschi, Jossipon, Kap.47) deuteten den Begriff jedoch sinnbildlich als »einen, der (mit Öl) gesalbt ist« bzw. als »einen gesalbten Herrscher«. Man konnte sich nicht auf eine bestimmte historische Figur festlegen, und so gab es für die Rabbiner verschiedene Kandidaten, wie z.B. König Cyrus, Serubbabel, Nehemia, einen Hohepriester (z.B. Jehoshuah ben Jehotzadak) oder einen Nachfahren von Herodes (Agrippa II.). Trotzdem vertrat Raschi die Meinung, dass die Zerstörung des Verwüsters am Ende der siebzigsten Woche vom verheißenen König-Messias erwartet wurde, denn dieser würde die letzten Kriege und den Krieg von Gog und Magog führen. Diese Sicht steht im Einklang mit der zukunftsbezogenen Perspektive fast aller rabbinischen Kommentatoren, nach der die für die siebzig Wochen geschilderte Erlösung noch verwirklicht werden musste.

Siehe auch: Hermeneutik, rabbinisch- orthodoxe.

J. Randall Price

Philip Blackmann, Mishnayot , 6 Bde. (New York: The Judaica Press, Inc., 1964); George W. Buchmann, Revelation and Redemption: Jewish Documents of Deliverance from the Fall of Jerusalem to the Death of Nachmanides (Hillsborough, N. C.: Western North Carolina Press, 1978); K. J. Cathcart and R. P. Gordom, »The Targum of the Minor Prophets« in: The Aramaic Bible (Wilmington, Del.: Glazier, 1987); Pinkhos Churgin, »Targum Jonathan to the Prophets« in: The Library of Biblical Studies , Harry M. Orlinsky, Hrsg. (New York and Baltimore: KTAV Publishing House, Inc., 1983); Rabbi Hersh Goldwurm, Daniel: A New Translation with a Commentary Anthologized from Talmudic, Midrashic, and Rabbinic Sources (New York: Mesorah Publications, Ltd., 1989), Jerusalem Talmud , 4 Bde. (hebr.) (Jerusalem: Kol Hazuyot Semurot m e phali Yitzur v e hutzah l'or, o. Datum); Flavius Josephus, Jewish Antiquities , in: Loeb Classical Library (Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1930-65); R'Avraham ben Meir Ibn Ezra, Perush HaKatzer (Commentary on Daniel) (London: 1887); R'Solomon ben Yitzchak (Rashi), Commentary to the Bible (hebr.) (Jerusalem: 1956); R'Saadiah ben Nachmani, compiler, R'Saadiah (ben Yosef) Gaon's Commentary on the Bible (hebr.); R'Sh'muel Masnuth, Midrash Daniel (hebr.) (Jerusalem: I.S. Lange & S. Schwartz, 1968); R'Yitzchak Abarbanel, Mayenei HaYeshuah (Commentary on Daniel).

 

DARBY

John Nelson

Leben und Werke

Als eine der ersten Führungspersonen der Plymouth-Brüder und als Begründer des Prämillennialismus aus heilszeitlicher (dispensationalistischer) Sicht, widmete John Darby (1800-1882) sein Leben der Stärkung der Heiligen, die sich »im Namen Gottes« versammelten und die jeden Moment die Rückkehr ihres Herrn erwarteten. Darby wurde in London als Sohn wohlhabender, aus Irland stammender Eltern geboren. Seinen zweiten Vornamen erhielt er von Admiral Lord Nelson. Nachdem er 1815 nach Irland zurückgekehrt war, studierte er am Trinity College in Dublin. 1819 schloss er sein Jura-Studium mit der höchsten Auszeichnung ab. 1822 gab er seine juristische Laufbahn nach nur einem Jahr auf, um in den kirchlichen Dienst einzutreten. Nach einem längeren geistlichen Kampf, der zu seiner Bekehrung führte, wurde Darby 1825 als Hilfsprediger und 1826 als Priester der Anglikanischen Kirche ordiniert. In seiner Gemeinde in der irischen Grafschaft Wicklow war sein Verkündigungsdienst unter Katholiken außergewöhnlich fruchtbar.

Von 1827 bis 1833 bildeten sich seine Gemeindelehre und seine Eschatologie heraus. Wegen seiner Enttäuschung über die Staatskirche befasste sich Darby in seinen frühesten Werken mit dem himmlischen Wesen der Gemeinde und der Notwendigkeit, sie von irdischen Belangen unabhängig zu machen. Schon bald stieß er in Dublin auf eine Gruppe Gleichgesinnter, die sich zum gemeinsamen Bibelstudium, zur Anbetung und zum Brotbrechen traf - ohne kirchliches Ritual und die dazu gehörige Hierarchie. Schließlich verließ er 1831 die Anglikanische Kirche und schloss sich im englischen Plymouth einer Gruppe an, die sich gegen konfessionsgebundenen Unterricht, die Amtskirche und den kirchlichen Formalismus wandte. Von dieser Zeit an sollte das Leben Darbys untrennbar mit der einflussreichen Bewegung der Plymouth-Brüder verbunden sein. Die Powerscourt-Konferenzen von 1831 bis 1833 bereiteten den Boden für die konsequente Angleichung der von Darby entwickelten Eschatologie an seine Gemeindelehre. In der Zeit danach sollten seine neuen Erkenntnisse auf diesen beiden Gebieten einen prägenden Einfluss auf die Theologie der gesamten Brüderbewegung haben. Diese neue Perspektive der Bibelauslegung wurde unter der Bezeichnung »Lehre von den Heilszeiten« (Dispensationalismus) bekannt.

Die Jahre zwischen 1832 und 1845 verbrachte Darby vor allem mit ausgedehnten Reisen, Lehrtätigkeiten und schriftstellerischen Arbeiten. Von 1838 bis 1845 wirkte er in der Schweiz und in Frankreich. Kurz darauf verfasste er ein fünfbändiges Werk in französischer Sprache, dessen englischer Titel Synopsis of the Books of the Bible lautet (in deutscher Sprache erschienen als Betrachtungen über das Wort Gottes ). Erst 1865 war das Gesamtwerk fertiggestellt. Es sollte für den Leser vor allem eine Verständnishilfe sein in Bezug auf den Unterschied zwischen der himmlischen Berufung der Gemeinde Jesu und den Regierungen dieser Welt, bei denen nach dem Plan Gottes die Juden eine zentrale Rolle spielen. Darby erklärte geschickt das jedem Band zugrunde liegende »Argument«, indem er aufzeigte, wie sich die Abschnitte in den verschiedenen Bänden auf die Hauptaussage beziehen. Seine in diesem Werk dargelegte Sichtweise über die historischen und entwicklungsgeschichtlichen Dimensionen einer »biblischen Theologie« ist herausragend.

Im Jahr 1845 führte die »große Spaltung« über die abweichenden Ansichten von B.W. Newton in Bezug auf die »geheime Entrückung« und sein angeblicher Rückfall in den Klerikalismus zu beträchtlichen Differenzen unter den Gemeinden der Brüderbewegung. In Verbindung mit der Gemeinschaftsfrage in Bethesda (1848 waren sich Georg Müller und Darby uneinig über die gemeindeübergreifende Wirksamkeit der Gemeindezucht) führte die »große Spaltung« von diesem Zeitpunkt an zu einer Aufspaltung der Brüderbewegung in die »exklusiven« (geschlossenen) und die »offenen« Brüdergemeinden.

In den nächsten 30 Jahren übte Darby unter den »exklusiven« Gemeinden einen nachhaltigen Einfluss aus. In diesem Zeitraum waren beide Gruppierungen geprägt von einem starken missionarischen Engagement. Die »exklusiven« Gemeinden sahen ihren Schwerpunkt jedoch eher in der Verkündigung der Wahrheit unter Gläubigen, während die »offenen« Gemeinden das Evangelium den Verlorenen bringen wollten. Von 1853 bis zu seinem Tod reiste Darby mindestens drei Mal nach Deutschland. Auch verbrachte er viel Zeit in Frankreich, besuchte Italien, Neuseeland und die Westindischen Inseln. Er predigte fließend auf Französisch und Deutsch. Von 1859 bis 1874 reiste er sieben Mal nach Kanada und in die USA. Trotz dieser umfangreichen Reisetätigkeit nahm er sich die Zeit, das Neue Testament in die englische, die französische und die deutsche Sprache zu übersetzen. Er wirkte auch mit bei einer Übersetzung des Alten Testaments in das Französische und das Deutsche.

Seine Briefe über eine ganze Reihe von Themen sind in drei Bänden (Originaltitel: Letters of J.N. Darby ) zusammengefasst. Die meisten seiner Aufsätze und Artikel wurden in dem 34-bändigen Werk The Collected Works of J.N. Darby (»Die Gesammelten Werke von J.N. Darby«) veröffentlicht. Herausgeber war sein langjähriger Mitarbeiter und Freund William Kelly. Die einzelnen Bände sind chronologisch aufgebaut, mit unterschiedlicher Thematik von Band zu Band. Die einzelnen Themen lauten »Gemeinde« (Bde. 1, 4, 14, 20), »Prophetie« (Bde. 2, 5, 8, 11), »Lehre« (Bde. 3, 7, 10, 15, 18, 22, 23, 29, 31), »Apologetik« (Bde. 6, 9), »Evangelikale Themen« (Bde. 12, 21), »Kritische Themen« (Bd. 13), »Praktische Fragen« (Bde. 16, 17), »Erklärende Themen« (Bde. 19, 24-28, 30) und »Verschiedenes« (Bde. 32-34). Ein Index in einem gesonderten Band hilft bei der Recherche über Themen nicht nur in Darbys Briefen und seinen Gesammelten Werken , sondern auch in den beiden Bänden des Werkes Miscellaneous Writings of J. N. Darby (in Wirklichkeit handelt es sich um die Bde. 4 und 5 dieses Werkes, da die Bände 1-3 die letzten drei Bände von Collected Works sind), in den sieben Bänden Notes and Comments on Scripture (»Notizen und Kommentare über die Bibel«) und in den Notes and Jottings from Various Meetings with J.N. Darby (»Notizen und Mitschriften von Versammlungen mit J.N. Darby«). Der letzte Band scheint aus Mitschriften von Studenten und Zuhörern zu bestehen. Ein kleines Buch mit Gedichten, Meditationen und Liedern mit dem Titel Spiritual Songs (»Geistliche Lieder«), sowie das von Darby verfasste Buch Synopsis of the Books of the Bible (»Betrachtungen über das Wort Gottes«) sind im Index nicht enthalten.

 

DARBY

John Nelson

Eschatologie

Darby wird zwar als Vater des modernen Prämillennialismus aus heilszeitlicher (dispensationalistischer) Sicht anerkannt, aber heute erinnert man sich hauptsächlich an ihn, weil er der Gemeinde Jesu wieder ins Gedächtnis rief, worin ihre eigentliche Hoffnung bestand, nämlich in ihrer Entrückung bei der Rückkehr des Herrn vor der siebzigsten Woche aus dem Buch Daniel. In hohem Maße ist seine Eschatologie Produkt seiner Gemeindelehre, die in den Jahren von 1827 bis 1831 eine radikale Veränderung durchmachte. Um diese Entwicklung besser zu verstehen, muss man sich Darbys Studien am Trinity College in Dublin und die Zustände in der Anglikanischen Kirche seiner Zeit vor Augen halten.

Während seiner Jahre am Trinity College wurde Darby maßgeblich von Professor Richard Graves geprägt, einem Fürsprecher der Juden im britischen Empire. Als Anhänger des Postmillennialismus vertrat Graves die Meinung, dass das Tausendjährige Reich durch die Bekehrung und die Rückkehr der Juden in ihre alte Heimat eingeleitet werde. Seit Israel Jesus als Messias abgelehnt hat, habe ein nichtjüdischer »Einschub« stattgefunden. Die alttestamentlichen Landverheißungen an Abraham und seinen Samen seien jedoch nicht an Bedingungen geknüpft. Die dem jüdischen Volk prophezeiten Segnungen könnten sich durch einen engagierten Missionsdienst unter Juden bald erfüllen. Darby nahm diesen Respekt vor der alttestamentlichen Vision einer Zukunft für Israel als Nation mit in seinen Dienst.

Als junger Priester wurde Darby vom System der Staatskirche enttäuscht, denn dieses zog Vorteile aus der engen Verbindung zum Staat. Bis 1827 hatte sich seine Überzeugung gefestigt, dass die Gemeinde als der Leib Christi ein himmlisches Volk sein und sich deshalb nicht um irdische Begünstigungen bemühen sollte. Im selben Jahr musste er sich für längere Zeit von einem Reitunfall erholen. Er verbrachte viel Zeit allein mit Gott und seinem Wort. Jes 32 überzeugte ihn, dass es eine zukünftige Heilszeit geben würde, in der Israel irdische Segnungen genießen würde, die ganz anders seien als die gegenwärtigen himmlischen Segnungen, die er aus seiner Verbindung mit Christus kannte. In seinem Denken bildeten sich die ersten Ansätze der Lehre von den Heilszeiten.

Durch die Powerscourt-Konferenzen von 1831 bis 1833 bewegte sich Darby von seinem früheren geschichtsbezogenen Prämillennialismus weg und wandte sich einem zukunftsbezogenen Prämillennialismus zu. Der Übergang vom jetzigen Zeitalter der Gemeinde Jesu zum Tausendjährigen Reich, in dem Israel unter der Herrschaft Christi im Mittelpunkt stehen würde, war möglich geworden durch die Erkenntnis, dass die siebzigste Woche aus dem Buch Daniel noch in der Zukunft liegen musste. Vor dieser Zeit würde die Gemeinde in die himmlische Herrlichkeit entrückt, aber während dieser Zeitspanne würde Gott einen Überrest Israels schaffen, der bei der Rückkehr Christi auf die Erde die Errettung von seinen Feinden erleben würde. Nach Darbys eigener Aussage hatte sich seine Eschatologie des Prämillennialismus aus der Sicht der Heilszeitenlehre bis 1833 voll ausgebildet.

Für Darby ist jeder Abschnitt der Heilsgeschichte eine Heilszeit und somit eine Ordnung, die Gott auf Erden eingesetzt hat. Die primären Wesenszüge eines Abschnitts der Heilsgeschichte sind die Verwaltung durch eine Regierung, Verantwortung und eine Offenbarung, um beides zu erfüllen. Sekundäre Wesenszüge sind Prüfung, Versagen und Gericht. Wenn eine Gruppe die Prüfung nicht besteht und ihre gottgegebene Verantwortung nicht ausüben kann, kommt sie unter das Gericht, und damit endet der jeweilige Abschnitt der Heilsgeschichte. Im Hinblick auf diese festen Abläufe gab es für Darby drei »Welten« oder Zeitalter, und zwar von Adam bis zur Sintflut, von der Zeit nach der Sintflut bis zur Wiederherstellung von Himmel und Erde durch Feuer am Ende des Tausendjährigen Reiches und die Ewigkeit. Darby vertrat nicht die Auffassung, dass es in der ersten Welt Abschnitte der Heilsgeschichte gab. Vielmehr hatte Gott die Geschöpfe dieser Welt sich selbst überlassen. Auch die Ewigkeit ist seiner Meinung nach kein Abschnitt der Heilsgeschichte. Demnach können nur in der Zeit von Noah bis hin zum Tausendjährigen Reich Abschnitte der Heilsgeschichte unterschieden werden. Für Darby gab es acht dieser Abschnitte, und zwar (1) die Zeit Noahs, (2) die Zeit Abrahams, (3) die Zeit Israels unter dem Gesetz (Propheten), (4) die Zeit Israels unter der Priesterschaft,(5) die Zeit Israels unter den Königen, (6) die Zeit der Heiden (von Nebukadnezar bis zum Antichristen), (7) die Zeit der Gemeinde oder der Christen (obwohl Darby zögert, die Gemeinde mit ihrer himmlischen Perspektive als Abschnitt der Heilsgeschichte zu bezeichnen) und (8) das Tausendjährige Reich oder das Reich Christi.

Die von Darby festgestellte Reihenfolge der Endzeitereignisse kann folgendermaßen eingeteilt werden: (1) die Entrückung und die erste Auferstehung, (2) die Geschehnisse im Himmel nach der Entrückung, (3) die Geschehnisse auf Erden nach der Entrückung, (4) das Tausendjährige Reich, (5) die Ewigkeit.

1. Die Entrückung geschieht vor der letzten Zeit der Prüfung, die über die Erde kommen wird. Die Gemeinde muss bereits mit Christus im Himmel sein, um mit ihm bei seiner Wiederkunft in Herrlichkeit zu erscheinen. Darby zögerte, die Entrückung als geheim zu bezeichnen, obwohl er der Meinung war, dass ihr Zeitpunkt unbekannt war, sie aber jederzeit stattfinden konnte. Die erste Auferstehung der Gerechten geschieht für ihn zeitgleich mit der Entrückung. So werden alle, die sowohl in der Ära des Alten als auch des Neuen Testaments im Glauben gestorben sind, mit den lebenden Heiligen der Gemeinde Jesu entrückt werden. Obwohl alle, die einen Auferstehungsleib haben, in Verbindung zum neuen Jerusalem zu sehen sind, bezeichnete Darby nur die Gemeinde Jesu als Braut, um ihre führende Position unter den Verherrlichten hervorzuheben.

2. Auf die Entrückung folgen verschiedene Geschehnisse im Himmel. Zuerst wird Satan aus dem Himmel auf die Erde geworfen. Dann werden die Heiligen den Richterstuhl Christi erleben, sozusagen als Vorbereitung auf die Hochzeit des Lammes. Dieses letzte Ereignis wird nach dem Gericht über Babylon stattfinden.

3. Das Geschehen auf Erden nach der Entrückung hat einen Bezug zur siebzigsten Woche aus dem Buch Daniel. Manchmal sah Darby diese sieben Jahre als noch in der Zukunft liegend, aber manchmal beließ er für diese zukünftige Zeit nur noch dreieinhalb Jahre, wobei er die ersten dreieinhalb Jahre dem irdischen Dienst Christi zuordnete. Nach der Entrückung war seiner Meinung nach eine Zeit der Prüfung erforderlich, um einen Überrest des jüdischen Volkes vorzubereiten auf die Errettung durch die Rückkehr des Messias zur Erde. In dieser Zeit sollte das Tier als weltliches Oberhaupt einer Weltregierung auftreten. Der falsche Prophet sollte als Antichrist erscheinen, als das geistliche Oberhaupt einer antigöttlichen, religiösen Macht. Der Tag des Herrn findet beim Erscheinen Christi am Ende der Trübsalzeit statt. Die Schlacht von Harmagedon beendet die Macht des Tieres und des Antichristen. Kurz darauf wird Satan gebunden. Danach wird das Land Israel gereinigt, und dann findet das Gericht über die auf Erden Lebenden statt. Dabei entscheidet sich, wer von ihnen in das Tausendjährige Reich eingehen wird. Nach einer kurzen Zeit des Friedens und der Sicherheit im Land wird Israel von Gog (Russland) angegriffen werden. Gog wird durch die Hand des Herrn restlos vernichtet.

4. Im Tausendjährigen Reich werden sich die Landverheißungen, die Abraham gegeben wurden, an einem wiederhergestellten Israel erfüllen. Der Messias errettet den Überrest, der durch die Vernichtung aller seiner Feinde zur gesegneten Nation wird. Danach wird Israel im Reich des Messias den ersten Platz unter den Nationen einnehmen, so wie die Gemeinde als Braut Christi im neuen Jerusalem die erste Stelle unter den Auferstandenen innehaben wird.

5. Zu den Geschehnissen nach dem Tausendjährigen Reich gehören die letzte Revolte Satans, die zweite Auferstehung und das Gericht über die ungläubigen Toten vor dem großen, weißen Thron. Darby glaubte an die ewige, bewusst erlebte Bestrafung der Verlorenen im Feuersee.

6. Die Ewigkeit wird der besonderen Position Israels unter den Nationen des Tausendjährigen Reiches ein Ende setzen. Aber auch dann wird es in der Ewigkeit einen Unterschied zwischen der Gemeinde und den Erdbewohnern in ihrem ewigen Zustand geben. »Die Hütte Gottes« (Darby bezog Offb 21,2-3 auf die Gemeinde) wird »bei den Menschen« sein (den Erdbewohnern, ohne nationale Unterschiede). Deshalb wird die Gemeinde auch in der Ewigkeit eine besondere Stellung einnehmen, weil die Worte »dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit« ( Eph 3,21 ) auf eine Beziehung von ewiger Dauer hindeuten. Zwei Völker Gottes, ein irdisches und ein himmlisches, werden sich in Ewigkeit voneinander unterscheiden, weil auch dann erlöste Menschen mit ihren nicht verwandelten Leibern von den Erlösten mit Auferstehungsleibern unterschieden werden.

Siehe auch: Dispensationalismus (Lehre von den Heilszeiten)

Floyd Elmore

Larry Vance Crutchfield, »The Doctrine of Ages and Dispensations as Found in the Published Works of John Nelson Darby« (Ph.D.diss., Drew University, 1985); John Nelson Darby, The Collected Writings of J. N. Darby , Bde. 2, 8, 11 (Nachdruck, Sunbury, Pa.: Believers Bookshelf, 1971); Floyd S. Elmore, »A Critical Examination of the Doctrine of the Two Peoples of God in John Nelson Darby« (Th. D. diss., Dallas Theological Seminary, 1990); H. A. Ironside, A Historical Sketch of the Brethren Movement (Grand Rapids: Zondervan, 1942); William B. Neatby, A History of the Plymouth Brethren (London: Hodder and Stoughton, 1901); W.G. Turner, John Nelson Darby (London: C. A. Hammond, 1944).

 

DAVIDISCHER BUND

Zwei Hauptabschnitte enthalten die Einzelheiten über den Abschluss des Bundes mit David, und zwar 2Sam 7,11-17 und 1Chr 17,10-15 . In diesen Texten wird geschildert, wie der Bund zwischen Gott und David geschlossen wurde, wobei David als Oberhaupt seines Hauses oder seiner Dynastie fungierte.

 

DAVIDISCHER BUND

Die Bestimmungen des davidischen Bundes

Für diesen Bund gibt es insgesamt sieben Bestimmungen. Erstens wurde David der ewige Bestand seines Hauses oder seiner Dynastie verheißen ( 2Sam 7,11.16; 1Chr 17,10 ). Zweitens sollten Davids eigene Söhne, besonders Salomo, nach seinem Tod den Thron besteigen ( 2Sam 7,12 ). Drittens sollte Salomo den Tempel bauen ( 2Sam 7,13 ). Viertens sollten der Thron Davids und das Reich Salomos ewigen Bestand haben ( 2Sam 7,13 ). Nicht Salomo selbst war diese ewige Dauer verheißen, sondern dem Thron, auf dem er sitzen sollte. Fünftens sollte Salomo wegen seines Ungehorsams bestraft werden, aber Gott würde seine Barmherzigkeit nicht von ihm wegnehmen ( 2Sam 7,14-15 ). Gott hatte zwar Saul das Königtum weggenommen, aber Saul befand sich nicht wie Salomo unter einem bedingungslosen Bund. Sechstens wird der Messias aus dem Samen bzw. der Nachkommenschaft Davids kommen ( 1Chr 17, 11 ). Siebtens werden der Thron, das Haus und das Reich des Messias ewigen Bestand haben ( 1Chr 17,10-14 ).

Diese sieben Bestimmungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Bund enthielt vier Verheißungen ewiger Natur, und zwar über ein ewiges Haus bzw. eine ewige Dynastie, einen ewigen Thron, ein ewiges Reich und einen ewigen Nachkommen. Der ewige Bestand des Hauses, des Thrones und des Reiches ist gewährleistet, weil der Same bzw. die Nachkommenschaft von jemandem verkörpert wird, der selbst ewig ist, nämlich dem Messias, der wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich ist.

 

DAVIDISCHER BUND

Die Bedeutung des Bundes

Die Bedeutung des Bundes mit David liegt darin, dass er den Aspekt des Samens bzw. der Nachkommenschaft aus dem Bund mit Abraham verstärkt. Dem Bund mit Abraham zufolge sollte der Messias vom Samen Abrahams abstammen. Das bedeutete lediglich, dass er ein Jude aus einem der zwölf Stämme sein sollte. Später, zur Zeit Jakobs, wurde der messianische Aspekt der Nachkommenschaft auf ein Mitglied des Stammes Juda beschränkt ( 1Mo 49,10 ). Dann wurde dieser Aspekt noch weiter eingeengt auf eine bestimmte Familie aus dem Stamm Juda, nämlich die Familie Davids. In Jer 22,24-30 erfolgte eine weitere Einschränkung. Der Messias sollte zwar aus dem Samen Davids stammen, aber nicht aus der Nachkommenschaft von Jechonia (Konja).

 

DAVIDISCHER BUND

Die Bestätigung des Bundes

Der Bund mit David wird erneut bestätigt in 2Sam 23,15; Ps 89,1-52; Jes 9,6-7; 11,1; Jer 23,5-6; 30,8-9; 33,14-17.19-26; Hes 37,24-25; Hos 3,4-5; Am 9,11; Lk 1,30-35 und Apg 15,14-18 . Da er nicht an Bedingungen geknüpft ist, ist er noch immer wirksam.

 

DAVIDISCHER BUND

Auswirkungen in diesem Zeitalter

Dieser Bund enthielt vier Verheißungen ewiger Natur. Eine von ihnen bezog sich auf den ewigen Nachkommen. Aufgrund der Tatsache, dass der Messias, der ewige Nachkomme, jetzt zur Rechten des Vaters sitzt, wie es David selbst in Ps 110,1 prophezeite, ist der Bund noch immer wirksam. Als Erfüllung des Aspekts über den ewigen Samen aus dem Bund mit David wird Jesus der Sohn ( Mt 11; Lk 1,32 ) und die Wurzel Davids ( Offb 5,5 ) genannt. Jesus herrscht zwar heute nicht vom Thron Davids aus über ein Reich in Israel, aber das wird in der Zukunft geschehen.

Vertreter der »Ersatz-Theologie« behaupten nachdrücklich, der gesamte Bund habe sich bereits heute verwirklicht; so habe sich die Verheißung über den Thron erfüllt, als Jesus sich auf den Thron seines Vaters gesetzt habe ( Offb 3,21 ). Zweifellos sitzt Jesus heute auf dem Thron des Vaters. Die Verheißung in Lk 1,32 lautet jedoch, dass er eines Tages auf dem Thron seines Vaters David sitzen wird. Es ist töricht zu behaupten, der Thron Davids und der Thron Gottes seien identisch - es sei denn, die Vertreter der »Ersatz-Theologie« wollen damit sagen, dass David einst auf dem Thron Gottes, des Vaters, gesessen habe.

 

DAVIDISCHER BUND

Auswirkungen in der Zukunft

Eine bedeutende Facette in der endgültigen Wiederherstellung Israels ist die erneute Aufrichtung des Thrones Davids, deren eindeutige Grundlage der Bund mit David ist. Jesus hat drei Ämter: Er ist Prophet, Priester und König. Diese Ämter nimmt er jedoch nicht gleichzeitig wahr, sondern in chronologischer Reihenfolge. Bei seinem ersten Kommen und seinem Dienst in der Öffentlichkeit trat er in seiner ersten Funktion als Prophet auf. Seit seiner Himmelfahrt fungiert er in seinem zweiten Amt als Priester. Bei seiner Wiederkunft wird er sein drittes Amt als König antreten, und zwar als König Israels und der ganzen Welt.

Die erneute Aufrichtung des Thrones Davids wird in prophetischen Texten ebenfalls ausführlich dargestellt, so zum Beispiel in Ps 89; Jes 9,6-7; 16,5; Jer 23,5-6; 33,14-26; Am 9,11-12 und Lk 1,32-35 .

Siehe auch: Davids Rolle in der biblischen Prophetie

Arnold G. Fruchtenbaum

 

DAVIDS ROLLE IN DER

biblischen Prophetie

David, dem König Israels, wird normalerweise keine Rolle in der biblischen Prophetie zugestanden. Er war der bedeutendste König im alten Israel und der Vorfahre von Jesus Christus, dem Messias. Aber hat er eine historische Funktion für die Zukunft im Heilsplan Gottes?

Diese Frage ergibt sich aus mehreren Beispielen im Alten Testament, denen zufolge David im zukünftigen Reich Christi eine Regierungsaufgabe erhalten soll ( Jes 55,3-4; Jer 30,9; 33,15.17.20-21; Hes 34,23-24; 37,24-25; Hos 3,5; Am 9,11 ). Im Allgemeinen werden drei Erklärungen für die Bedeutung der in diesen Texten erwähnten künftigen Rolle Davids angeboten: (1) Der Messias erfüllt als Erbe Davids diese Texte. (2) Es wird ein realer Sohn Davids aus dessen Geschlecht auftreten. (3) Der auferstandene David wird während der tausendjährigen Herrschaft seines bedeutenderen Sohnes Jesus tatsächlich eine Regierungsfunktion übernehmen.

Manche Ausleger sind der Meinung, dass sich die Erwähnung Davids in den oben genannten Texten auf Christus bezieht und David nur eine Vorausdeutung ist. Da Jesus der Sohn Davids ist und Christus den Thron Davids aufrichtet, wird David in diesem Sinne ebenfalls herrschen. Alle Hinweise auf David beziehen sich demnach auf Jesus, der auf dem Thron Davids sitzt. So sprechen Jesaja und Jeremia von dem Thron Davids, der ewigen Bestand hat ( Jes 9,7; Jer 33,15 ). Die künftige Hauptstadt von Zion wird die Stadt Davids sein ( Jes 2,1-4 ). Außerdem ist der Name Christi in der Bibel eng verbunden mit dem Davids, denn Jesus wird auch der Sohn Davids genannt. Jesaja erwähnt den künftigen Herrscher als Nachkommen aus der Linie Isais, des Vaters von David ( Jes 11,1-10 ). Gleiches gilt auch für die Autoren des Neuen Testaments ( Mk 11,10; Joh 7,42; Offb 5,5; 22,16 ).

Gegen Christus als Erfüllung dieser biblischen Texte werden mehrere Einwände erhoben. Erstens wird Jesus Christus in der Bibel niemals David genannt, sondern der Spross Davids ( Jer 23,5 ), der Sohn Davids (fünfzehn Mal), der Same Davids ( Joh 7,42 ), die Wurzel Davids ( Offb 5,5 ) und die Wurzel und das Geschlecht Davids ( Offb 22,16 ). Zweitens wird der Ausdruck »mein Knecht David« in der Regel für die historische Figur des David verwendet ( 2Sam 3,18; 7,5.8; 1Kö 11,3.32.34; 2Kö 20,6 ). Drittens wird Jahwe (d. h. der Messias) eindeutig von David unterschieden ( Hos 3,5; Hes 34,24; 37,21-25; Jer 30,9; Jes 55,4 ). Zuletzt gibt es Aspekte in der Prophezeiung über David in Hes 45,22 , die sich nicht auf den Messias beziehen können. Der darin erwähnte Fürst bringt Opfer für seine eigenen Sünden dar; schon deshalb kann sich diese Aussage nicht auf Jesus beziehen.

Außerdem hat der Fürst aus Hes 46,16 mehrere Söhne und verteilt ein Erbe. Daraus lässt sich ableiten, dass ein Sohn aus der Linie Davids auf dem Thron sitzen wird. Obwohl Christus bestimmte Teile dieser Prophezeiung erfüllen könnte, trifft das auf andere Teile nicht zu. Deshalb müsste es einen weiteren Erben des Thrones Davids geben. Die Hinweise auf den Prinzen in Jer 33,15.17.20-21 scheinen dafür zu sprechen, dass ein Sohn Davids dieses Amt ausfüllen könnte. Gegen diese Ansicht sind drei grundlegende Einwände erhoben worden. Erstens ist seit der Zerstörung Jerusalems kein Jude mehr in der Lage, seinen Familienstammbaum zurückzuverfolgen. Zweitens: Wenn neben Christus ein weiterer Sohn Davids ins Spiel kommt, haben sich die Verheißungen an David in Christus nicht vollständig erfüllt. Drittens verlangt die wörtliche Auslegung nach einer »natürlichen« Deutung des Namens Davi d. Dieser letzten Sichtweise von David in der biblischen Prophetie zufolge beziehen sich die fraglichen Texte tatsächlich auf den historischen David, der im Tausendjährigen Reich unter dem König der Könige als Regent herrschen wird. Demnach wird er von den Toten auferweckt und in Jerusalem regieren. Es gibt drei Hauptargumente für diese Auffassung. Erstens lassen sich damit die Texte am besten wörtlich auslegen. Zweitens könnte David im Tausendjährigen Reich als Regent herrschen, ohne dass damit die biblischen Prophezeiungen über die Herrschaft Davids in Frage gestellt werden. Drittens werden auferstandene Heilige im Tausendjährigen Reich Führungspositionen einnehmen ( Mt 19,28; Lk 19,12-27 ). Demnach würde David im Tausendjährigen Reich als Fürst unter der Autorität Jesu, des Sohnes Davids, regieren. In dieser Funktion wäre David zuständig für die Leitung der Anbetung, die Darbringung von Gedenkopfern sowie die Einhaltung der Gesetze; seinen Kindern würde er ein Erbteil geben. Diese Art der Herrschaft im Tausendjährigen Reich entspricht anderen im Alten Testament dargestellten Regierungsformen ( Jes 32,1; Jer 30,21; Hes 45,8-9 ) sowie der neutestamentlichen Lehre über die Apostel, die über die zwölf Stämme Israels herrschen werden.

Die Einwände gegen diese Position beziehen sich auf die Tatsache, dass Jesus als König über die Erde und insbesondere über Israel herrschen wird und somit die Verheißungen an David voll und ganz erfüllt. Wenn Christus der bedeutendere Sohn Davids ist, besteht keine Notwendigkeit, dass sich die Prophezeiungen in der Person des historischen Königs erfüllen.

Siehe auch: Davidischer Bund ; Thron Davids.

H. Wayne House

Walter A. Elwell, Hrsg., Baker Encyclopedia of the Bible , Bd. 1: A-I (Grand Rapids: Baker, 1988), 585-86; J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft (Dillenburg: CV, 1993), 511-525.

 

DE HAAN M. R.

M. R. De Haan (1891-1965) gehörte mit seiner wöchentlichen Radiosendung Radio Bible Class zu den Pionieren auf dem Gebiet der christlichen Rundfunkarbeit. Viele seiner Hörer wussten nicht, dass De Haan ursprünglich Mediziner war und an der medizinischen Fakultät der Universität von Illinois promoviert hatte. Nachdem er einige Jahre lang als Arzt praktiziert hatte, entschloss er sich aus Liebe zur Verkündigung des Wortes Gottes zu einem Studium der Bibelwissenschaften und Theologie am Western Theological Seminary . Seinen Dienst führte er als beliebter Rundfunkredner und Autor weiter. Er verfasste rund 25 Bücher und veröffentlichte eine Vielzahl von täglichen Andachten unter dem Titel Daily Bread (»Unser tägliches Brot«).

In Büchern wie Chemistry of the Blood (»Chemische Zusammensetzung des Blutes«), Dear Doctor: I have a Problem (»Herr Doktor, ich habe ein Problem«) und Genesis and Evolution (»Genesis und Evolution«) lag sein Schwerpunkt auf medizinischen Themen. Mit Vorliebe lehrte er auch biblische Prophetie, wie folgende Werke belegen: Coming Events in Prophecy (»Künftige Ereignisse in der Prophetie«), Daniel the Prophet (»Daniel, der Prophet«), Revelation (»Die Offenbarung«), The Second Coming of Jesus (»Die Wiederkunft Jesu«) und Signs of the Times (»Zeichen der Zeit«).

Beim Studium der biblischen Prophetie war De Haan ein konsequenter Vertreter der vom Prämillenialismus geprägten Lehre von den Heilszeiten (Dispensationalismus). Immer wieder wies er seine Leser auf den Unterschied zwischen Israel und der Gemeinde Jesu hin. Weil die Geschehnisse nach dem Zweiten Weltkrieg die Lage explosiv machten und die Hörer seiner Radiosendungen ihn dazu drängten, schrieb er seinen bekannten Kommentar über das Buch Daniel. Für ihn bewegten sich die Nationen und besonders die Länder im Nahen Osten auf die prophezeite Endzeit zu. Er stellte fest, dass Daniel sich besonders der Zeit der Heiden widmete, während sich Johannes im ersten Teil der Offenbarung auf die Gemeinde Jesu in der jetzigen Heilszeit konzentrierte. Bei Johannes nehme zwar die Zeit der Trübsal den größten Raum ein, aber beide Autoren »präsentieren uns eine äußerst drastische Schilderung über den Hauptfaktor der Endzeit ... den Menschen der Sünde«.«

Auf eine für Laien leicht verständliche Art wies De Haan seine Zuhörer häufig auf grundlegende Prinzipien der Bibelauslegung hin. So betonte er, dass (1) für die gesamte Bibel eine vorrangige Auslegung gilt, (2) die ganze Bibel mehrere praktische Anwendungen enthält und (3) die meisten Bibelabschnitte auch eine prophetische Offenbarung enthalten.

»Wenn man das Vorrangige ignoriert ... und sich nur mit den praktischen Anwendungen (der Bibel) befasst, kann das zum Fanatismus führen. Dadurch verliert man die wahre Absicht der Offenbarung aus dem Auge.« Nur wenige Bibellehrer konnten auf einen so langjährigen Dienst zurückblicken und erfreuten sich so großer Beliebtheit wie De Haan.

Mal Couch

M.R. De Haan, Daniel the Prophet (Grand Rapids: Kregel, 1995)

 

DEUTERONOMIUM (5. MOSE)

Eschatologie

Das fünfte Buch Mose besteht aus einer Reihe von Predigten über das Gesetz, die Moses den Israeliten gibt, um ihnen den Ernst des Wortes Gottes einzuschärfen. Er beabsichtigte das Volk zu ermahnen, dass sie ihr Leben neu auf Gott ausrichten sollten. Moses war klar, dass diese Lebensübergabe das Volk ins verheißene Land bringen und es befähigen würde, die dortigen Bewohner des Landes zu überwältigen. Es war eine Erinnerung daran, dass ihnen das Land verheißen worden war und wirklich ihnen gehörte - so, wie Gott es ihnen versprochen hatte. Die Betonung liegt hier darauf, dass nur Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz Wohlergehen hervorbringt, dass die Folge von Ungehorsam aber Unheil ist. Das Buch enthält fünf Hauptteile mit Bezug auf das Bündnis, das Gott durch Moses mit dem Volk Israel geschlossen hat: (1) der Bündnismittler ( 1,1-5 ); (2) die Bündnisgeschichte ( 1,6-4,49 ); (3) das Bündnisleben ( 5,1-26,19 ); (4) der Bundesschluss ( 27,1-30,20 ) und (5) der Bündnisbestand ( 31,1-34,12 ).

Die Autorschaft des Buches wird im Buchtext selbst bestätigt, wo Mose mehr als fünfundvierzigmal genannt wird.

Die grundlegende Prophetie dieses Buches betrifft das Land, das Gott Abraham und seinen Nachkommen verheißen hat. Wir finden sie in den Kapiteln 28-30 . Gott versprach bedingungslos, dass das Abraham verheißene Land ( 1Mo 15,18 ) für alle Zeiten ihm gehören werde. Die Übereignung des Landes an Abraham gestattet es künftigen Generationen seiner Nachkommenschaft, das Land als ihren rechtmäßigen Besitz zu beanspruchen. Diese Landverheißung wird als Palästinisches Bündnis bezeichnet; der Palästinische, der Davidische und der Neue Bund bilden zusammen den vollständigen Abrahamitischen Bund.

Die verschiedenen Teile des Palästinischen Bundes werden in den drei Kapiteln 28-30 vorgestellt.

1. Am Anfang steht die Prophetie über Israels Inbesitznahme des Landes. Sie nimmt drei Phasen der Enteignung vorweg ( 1Mo 15,13-14.16; Jer 25,11-12; 5Mo 28,63-68 ) und drei Phasen der Wiederherstellung ( 1Mo 15,11 mit Jos 1,2-7; Dan 9,2 mit Jer 25,11-12; 5Mo 30,3; Jer 23,5-8; Hes 37,21-25; Apg 15,14-17 ). Alle diese Phasen haben bereits stattgefunden - ausgenommen die letzte Wiederherstellung, die für das Volk noch Zukunft ist.

2. Es folgt im Text die endgültige Wiederherstellung Israels ( 5Mo 30,1-3 ). Seine Zerstreuung kennzeichnet die Leiden des Volkes, die enden, wenn sie ihren wahren Messias bei seiner Rückkehr anerkennen. An ihrem Verstoßungsort werden sie weder bereuen noch ihren König annehmen.

3. Der endgültige Besitz des Landes ist abhängig von der Rückkehr des Messias ( 5Mo 30,3-6 ). Israel hat so viel und so oft gesündigt und Gott zurückgewiesen, dass nur ein Gnadenwerk Israel zur Gemeinschaft mit Gott zurückbringen kann. Die Lebensweise (beschrieben in 5Mo 30,4-8; Jer 31,31-34; Mt 5,1-7,29 ), die Israel im Reichszeitalter führen wird, zeigt eine Verwandlung der Herzen, die das ganze Volk betrifft.

4. Die Prophetie sagt Gerichte über Nationen voraus, die Israel von Beginn seiner Geschichte an unterdrückt haben ( 1Mo 12,3 ). Die vollkommene Verwirklichung dieser Gerichte wird stattfinden, wenn eines Tages die Nationen vor dem Thron Jesu Christi stehen. Dort wird Jesus erklären: »Geht von mir, Verfluchte« ( Mt 25,41 ).

5. Endlich wird das Volk im Land gesegnet sein ( 30,15-20 ). Dieser Segen gründet sich auf Israels Gehorsam gegenüber Gott und seinem Wort. Durch engen Anschluss an den Herrn und durch Gehorsam wird das Volk ein frommes Leben führen. Alle Segnungen, irdische und geistliche, werden nach dem Eintritt ins verheißene Land Israel gehören.

Siehe auch: Bund der Landverheißung .

Rick Bowman

Merrill F. Unger, Unger's Bible Dictionary (Chicago: Moody Press, 1966); John F. Walvoord, The Bible Prophecy Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); John F. Walvoord und Roy B. Zuck (Hrsg.), The Bible Knowledge Commentary (Wheaton: Victor Books, 1995).

 

DIDACHE

Die Didache, so der kurz gefasste Titel der »Lehre des Herrn für die Nationen durch die zwölf Apostel«, war ein Erziehungshandbuch für die Nationen, das sich mit Fragen der Moral, der Liturgie und des Gemeindelebens befasst. Die Entdeckung dieses ältesten Handbuchs zur Gemeindeordnung und zum Benehmen im Jahr 1873 verursachte eine Flut gelehrter Debatten und Auseinandersetzungen. Aber bis heute ist der Autor (oder Bearbeiter) unbekannt geblieben und auch über den Ort der Abfassung (Syrien, Palästina oder Ägypten) kann nur spekuliert werden. Die Zeit der Abfassung wird auf einen Zeitraum zwischen den Jahren 60 und 90 n.Chr. geschätzt. Das vielleicht älteste noch vorhandene nichtkanonische Dokument könnte verfasst worden sein, noch ehe der Apostel Johannes zu schreiben aufhörte. Es bietet uns daher Belege für Ansichten und Vorstellungen, die in der frühesten Zeit der Kirche geglaubt und gelehrt wurden.

Durch auslegende Vorgehensweise versuchte der Autor der Didache den mit der Materie nicht Vertrauten die Grundgebote und -praktiken des christlichen Glaubens ohne Übertreibungen oder Phantasiegebilde vorzustellen. Der krasse Allegorismus, den man in anderen Werken dieser Art findet, wie etwa dem Barnabasbrief und der Schrift Hirte des Hermas , fehlt in der Didache erstaunlicherweise völlig. Prophetische Passagen werden in direkter, unkomplizierter Art ausgelegt, frei von jeder vergeistigten Spekulation.

Die Didache ist eines der besten frühen Beispiele für außerbiblische Lehre über das zweite Kommen Christi und die damit in Verbindung stehenden Ereignisse. Eine der wichtigsten eschatologischen Annahmen in diesem Werk ist das des baldigen Bevorstehens. Der Schreiber der Didache rechnet jeden Augenblick mit dem möglichen Erscheinen des Herrn und drängt deswegen auf die Wachsamkeit der Gläubigen (Did 10,6; 16,1-2; vgl. 1Kor 16,22 und Offb 22,20 ), auf regelmäßige Gemeinschaft und auf gegenseitige Erbauung, um den Angriffen der »Verführer und falschen Propheten« in der letzten Zeit entgegenzutreten (Did 16,2-3).

Die Didache legt die vollständigste Darstellung der kommenden Ereignisse in den Schriften der frühen Kirchenväter dieser Zeit vor. Der Autor legt dar, nach dem Auftreten der vielen falschen Propheten und Verführer werde der »Weltbetrüger« kommen und feurige Prüfungen über die ganze Menschheit bringen. Dadurch würden viele straucheln und umkommen, »aber jene, die im Glauben durchhalten, würden unter dem Fluch hinweg gerettet werden« (Did 16,3-5).

Der Zeit des Antichristen wird nach den Worten des Autors der Didache die Offenbarung von drei Zeichen der Wahrheit folgen. Das letzte dieser Zeichen wird die »Auferstehung der Toten sein, aber nicht von allen, denn es ist gesagt: Der Herr wird kommen, und all seine Heiligen mit ihm [ Sach 14,5 ]« (Did 16,8). Obwohl es nicht ausdrücklich gesagt wird, scheint die Gesellschaft »all seiner Heiligen« die Gesamtheit der Gläubigen des Gemeinde-Zeitalters zu beinhalten; Auferstehung und Entrückung sind bereits vorüber. Schließlich wird die ganze Welt die Ankunft des Herrn »auf den Wolken des Himmels« miterleben (Did 16,6-8). Die Parallelstelle in den »Constitutiones der Heiligen Apostel« (entstanden zwischen dem frühen dritten und der Mitte des vierten Jahrhunderts) findet sich im Kapitel 32. Der Bearbeiter scheint die Didache als Quelle verwendet zu haben. Im Kapitel 32 fügt er Hinweise auf ein Jüngstes Gericht und auf die darauf folgende Ewigkeit hinzu.

Wie viele andere Autoren unter den frühen Kirchenvätern glaubte der Schreiber des Didache an einen bevorstehenden Zeitpunkt innerhalb der Trübsalszeit, in der er die zeitgenössische Verfolgung einordnete und so mit den Ereignissen der letzten Trübsal verwechselte. Christus, so glaubte man, werde plötzlich inmitten der römischen Verfolgung erscheinen, um die Heiligen aufzuerwecken und zu entrücken. So werde das Tausendjährige Reich eingeläutet.

Es gibt keine direkte Aussage hinsichtlich des Tausendjährigen Reichs in der Didache. Es ist sehr gut möglich, dass das Buch der Offenbarung zum Zeitpunkt der Abfassung des Didache noch nicht geschrieben war. Daher ist es höchst wahrscheinlich, dass die Didache eher auf Paulinischer Eschatologie aufbaut als auf der des Johannes. Eine ganze Reihe der frühen Kirchenväter spricht nur von der Tatsache einer Auferstehung aller Menschen aus den Toten. Der verblüffende Hinweis des Autors der Didache auf »die Auferstehung der Toten; aber nicht alle r« legt ein Verständnis der mehrstufigen Natur des göttlichen Auferstehungsprogramms nahe - konsequenterweise in Verbindung mit einem dazwischen eingeschobenen tausendjährigen Zeitalter.

Larry V. Crutchfield

L.Crutchfield, The Blessed Hope and the Tribulation in the Apostolic Fathers in: When the Trumpet Sounds , hrsg. von Thomas Ice und Timothy Demy, S. 85-103 (Eugene, Oregon: Harvest House, 1995); J. Quasten und J. C. Plumpe, Ancient Christian Writers: The Didache, The Epistle of Barnabas, The Epistles and The Martyrdom of St. Polycarp, The Fragments of Papias, The Epistle to Diognetu s; (New York: Newman Press, 1946), Bd. 6, S. 2- 25; A. Roberts und J. Donaldson (Hrsg.), The Ante-Nicene , Bd. 7, S. 369-387 (Grand Rapids: Eerdmans, o.J.).

 

DISPENSATIONALISMUS

Das Wort »Dispensation« ist eingedeutscht aus dem lateinischen dispensati o, das in der Vulgata verwendet wird, um das griechische Wort oikonomia zu übersetzen. Das lateinische Wort bedeutet »abwiegen« oder »verteilen, dosieren«. Mit der Bedeutung des Begriffs Dispensation sind drei grundsätzliche Vorstellungen verbunden: (1) der Vorgang des Verteilens oder Gliederns, (2) der Vorgang des Verwaltens, Ordnens oder Bewirtschaftens; ein System, mittels dessen die Dinge verwaltet werden und (3) der Vorgang des Verteilens (oder Dosierens) nach bestimmten Voraussetzungen. Untersuchen wir weiter, wie das Wort gebraucht wird, dann finden wir im englischen Oxford-Wörterbuch die Erklärung, eine Dispensation ist »eine Stufe in der fortschreitenden Offenbarung, ausdrücklich den Bedürfnissen eines einzelnen Volkes oder einem bestimmten Zeitraum angepasst ... Auch das Zeitalter oder der Zeitraum, während derer ein bestimmtes System überwogen hat.«

Das grichische Wort oikonomia kommt von einem Verb, das die Bedeutungen »managen«, »regeln«, »verwalten« und »planen« vermittelt. Das Wort selbst ist zusammengesetzt, seine einzelnen Teile bedeuten wörtlich »teilen«, »aufteilen/aufschlüsseln«, »die Angelegenheiten eines bewohnten Hauses managen oder verwalten«. In den Papyri wurde der Beamte (oikonomo s), der einen Haushalt verwaltete, als Haushofmeister oder Verwalter eines Besitzes beschrieben, oder als Schatzmeister. Daher ist die zentrale Vorstellung in dem Wort Dispensation die der Verwaltung oder Beaufsichtigung der Angelegenheiten eines Haushalts.

Im Neuen Testament wird das Wort Dispensation in verschiedenen Formen zwanzigmal gebraucht. Das Verb oikonomeo kommt einmal in Lk 16,2 vor, wo es mit »ein Verwalter sein« übersetzt wird. Das Substantiv oikonomos erscheint zehnmal ( Lk 12,42; 16,1.3.8; Röm 16,23; 1Kor 4,1.2; Gal 4,2; Tit 1,7; 1Petr 4,10 ) und wird dort üblicherweise mit »Verwalter« oder »Aufseher« übersetzt (aber als »Schatzmeister« in Röm 16,23 ). Das Substantiv oikonomia kommt neunmal vor ( Lk 16,2.3.4; 1Kor 9,17; Eph 1,10; 3,2.9; Kol 1,25; 1Tim 1,4 ). Es wird an diesen Stellen unterschiedlich übersetzt, mit »Verwaltung«, »Haushalt«, »Haushalterschaft«.

 

DISPENSATIONALISMUS

Theologisches System

Die Dispensationalistische Theologie ist ein System, das zwei grundlegende Vorstellungen verkörpert: (1) Die Gemeinde muss von Israel unterschieden werden und (2) Gottes allumfassendes Ziel ist es, sich selbst zu verherrlichen ( Eph 1,6.12.14 ).

Die Gemeinde ist aus zwei Gründen von Israel zu unterscheiden. Der erste liegt in ihrem unterschiedlichen Wesen. Im Alten Testament handelte Gott hauptsächlich mit dem Volk Israel, das aus den Nachkommen Abrahams durch Isaak und Jakob bestand. Die Gemeinde andererseits besteht aus gläubigen Juden und Nichtjuden, die in den Leib Christi hineingetauft wurden ( 1Kor 12,13 ) und denen der Heilige Geist innewohnt. Außerdem gibt es eine zeitliche Unterscheidung zwischen der Gemeinde und Israel. Das Gemeindezeitalter begann nach der Auferstehung Jesu Christi ( Eph 1,20-22 ) und seiner Himmelfahrt ( Eph 4,7-12 ). Da folglich alle Gläubigen dieses Zeitalters in den Leib Christi hineingetauft wurden ( 1Kor 12,13 ), begann das Gemeindezeitalter mit der Taufe des Heiligen Geistes am Tag der Pfingsten ( Apg 2; 11,15-16 ).

Die Gemeinde ist ein Geheimnis, das den vorangegangenen Generationen nicht offenbart wurde ( Eph 3,3-5.9; Kol 1,26-27 ). Dieses Geheimnis, jetzt offenbar, beinhaltet die Vereinigung jüdischer und nichtjüdischer Gläubiger, die alle Christus in sich tragen, und die künftige Entrückung dieses vereinigten Leibes ( 1Kor 15,50-58 ).

Diese Unterscheidung zwischen Israel und der Gemeinde ist die Folge der historisch- grammatikalischen Auslegung. Wörtliche Auslegung wird nicht ausschließlich von Dispensationalisten angewandt, wohl aber ihre konsequente Anwendung in allen Bereichen biblischer Auslegung.

Die zweite grundlegende Vorstellung ist die, dass es Gottes Ziel ist, sich selbst zu verherrlichen. In der Heiligen Schrift steht nicht der Mensch im Mittelpunkt, obwohl das Heil das wichtigste Thema darstellt. Die Bibel ist vielmehr auf Gott als zentrale Figur ausgerichtet, weil seine Verherrlichung im Mittelpunkt steht. Die Verherrlichung Gottes ist das wichtigste biblische Prinzip, das alle Heilszeiten auf ein Ziel hin ausrichtet. Der Heilsplan ist nur eines der Mittel, durch die sich Gott selbst verherrlicht. Jede fortlaufende Offenbarung im Plan Gottes für die Zeitalter und jedes Handeln Gottes mit den Auserwählten, den nicht Erwählten, den Engeln und den Nationen bekunden seine Herrlichkeit.

 

DISPENSATIONALISMUS

Hermeneutik

Die Grundlage der dispensationalistischen Hermeneutik ist die wörtliche Auslegung, die jedem biblischen Wort die Bedeutung zumisst, die es in seinem normalen sprachlichen Gebrauch transportiert. Das nennt man auch die grammatikalischhistorische Methode der Auslegung. Dieses Prinzip basiert auf der normalen Bedeutung der Worte als Mittel zu deren Verständnis. Sie ist auch bekannt unter dem Begriff einfache Auslegung , weil sie Symbole, Sprachbilder und Typen nicht von der Auslegung ausschließt. Diese werden ganz schlicht ausgelegt, um dem Leser ihre beabsichtigte Bedeutung zu vermitteln. Symbole, Sprachbilder und Typen sind normale literarische Werkzeuge, die verwendet werden, um Gedanken und Vorstellungen zu verdeutlichen oder zu betonen.

Dieser Standpunkt wird folgendermaßen untermauert:

1. Gott schuf die Sprache, um mit der Menschheit zu kommunizieren. Deshalb spricht Gott auch auf verständliche Weist zu uns - wörtlich und normal. Gott hat viele Anstrengungen unternommen, um sich den Menschen zu offenbaren, also ist es unwahrscheinlich, dass seine Offenbarung die Menschen nur verwirrt und in ihrem Verständnis darüber verunsichert, wer Gott ist und wie er wirkt.

2. Die alttestamentlichen Prophetien hinsichtlich Christi Geburt und Erziehung, seines Dienstes, seines Todes und seiner Auferstehung wurden samt und sonders wörtlich erfüllt.

3. Die wörtliche Auslegungsmethode muss angewandt werden, um sachlich bleiben zu können. Damit wird Unvoreingenommenheit sichergestellt und der Ausleger davor bewahrt, biblische Wahrheiten mit seinen eigenen Gedanken zu vermischen.

Normativer Dispensationalismus ist also das Ergebnis der konsequenten Anwendung des grundlegenden hermeneutischen Prinzips der wörtlichen Auslegung. Diesen Anspruch kann kein anderes theologisches System für sich selbst erheben.

Wörtliche Auslegung führt dazu, dass der biblische Text mit seinem Nominalwert akzeptiert wird. Das beinhaltet die Anerkennung von Unterscheidungen, die die Bibel trifft. Der bei seinem Nominalwert erfasste Text und die Anerkennung von Unterscheidungen im Fortgang der Offenbarung fördert die unterschiedlichen Haushaltungen Gottes zutage, die er zur Wirksamkeit seines Planes verwendet. Das konsequent angewandte hermeneutische Prinzip der einfachen oder wörtlichen Auslegung ist die Grundlage des Dispensationalismus.

Seine Gegner sagen, der Dispensationalismus unterteile die Bibel mit dem Effekt, ihre Einheit zu zerstören. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. C. I. Scofield fand sieben Beweise dafür, dass die Bibel ein einheitliches Buch ist: (1) von 1Mo an bezeugt sie einen Gott; (2) sie entwickelt eine fortlaufende Geschichte; (3) sie macht die unwahrscheinlichsten Zukunftsvoraussagen; (4) sie ist eine fortlaufende Entfaltung der Wahrheit; (5) vom Anfang bis zum Ende der Bibel bezeugt sie eine Erlösung; (6) ihr großes, durchgehendes Thema ist Person und Wirken Jesu Christi und (7) haben die vierundvierzig Autoren der Bibel über einen Zeitraum von sechzehn Jahrhunderten in fortschreitender Entfaltung eine vollkommene Harmonie der Lehre hervorgebracht (A Panoramic View of the Bible [»Ein Panoramablick auf die Bibel«] in der Einleitung zur Scofield Reference Bible ).

Der Dispensationalismus verschleiert die biblische Einheit nicht, sondern er hilft, sie zu verdeutlichen. Er rückt die fortschreitende Entfaltung von Gottes die Zeitalter überspannenden Plan in den Mittelpunkt des Blickfeldes. Er ist die Enthüllung der absoluten Wahrheit Gottes, die im direkten Widerspruch zum modernen, egozentrischen Relativismus steht. So betrachtet der Dispensationalismus die Einheit, die Vielfalt und den fortschreitenden Charakter der Ziele Gottes mit der Welt wie kein anderes theologisches System. Durch diese fortschreitenden Stufen wird Gott verherrlicht.

 

DISPENSATIONALISMUS

Die Heilszeiten

Die erste Heilszeit wird üblicherweise als Unschuld bezeichnet. Adam war die Schlüsselfigur. Er war verantwortlich für die Pflege des Gartens und sollte nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen. Durch sein Versagen bei dieser Prüfung kamen weit reichende Gerichte über ihn, seine Frau, die ganze Menschheit, die Schlange und die ganze Schöpfung. Die Heilige Schrift berichtet von dieser Haushaltung in 1Mo 1,28-3,6 .

Die zweite Heilszeit wird Gewissen genannt. Damit soll nicht angedeutet werden, dass die Menschen vor oder nach dieser Zeitepoche kein Gewissen hätten, sondern dass dies die von Gott erwählte Weise war, die Menschen zu zügeln. Sie waren selbst dafür verantwortlich, dem Diktat ihres Gewissens zu gehorchen. In dieser Zeit kam es zum Mord ( 1Mo 4,8 ), zu widernatürlichen sexuellen Handlungen ( 1Mo 6,2 ) und zu weit verbreiteten bösen Begierden und Herzenswünschen ( 1Mo 6,5 ). Gott beendete diese Zeitepoche mit der weltweiten Flut. Er verschonte Noah, seine Frau, seine Söhne und deren Frauen in Gnade ( 1Mo 6,8 ). Von dieser Epoche berichtet die Heilige Schrift in 1Mo 4,1-8,14 .

Darauf folgte die Heilszeit der menschlichen Verwaltung . Diese Epoche begann nach der Flut. Von nun an hatten die Tiere Angst vor dem Menschen und wurden zu dessen Nahrungsquelle, Gott gab das Versprechen, dass es nie wieder eine weltweite Flut geben werde und führte die Todesstrafe ein. Gott gab den Menschen das Recht, anderen Menschen das Leben zu nehmen und schuf damit die Grundlage für das Herrschaftsrecht von Menschen über andere Menschen. Bei dieser Prüfung versagte der Mensch von Anfang an, als Noah sich mit Wein betrank und so regierungsunfähig wurde. Diese Zeitepoche endete mit dem Turmbau zu Babel. Die Heilige Schrift berichtet über diese Zeit in 1Mo 8,15-11,9 .

Die vierte Heilszeit ist die der Verheißung oder der Patriarchen . Während dieser Zeit erwählte Gott eine Familie und ein Volk, die er als repräsentative Testpersonen für alle einsetzte. Bis zu dieser Heilszeit war die ganze Menschheit direkt mit Gottes Verwaltungsprinzipien verbunden gewesen. Die Pflicht der Patriarchen bestand darin, Gott zu glauben und ihm zu dienen, und Gott gewährte viele materielle und geistliche Belohnungen. Ein besonderes Land wurde verheißen und Segen, solange die Israeliten in diesem Land bleiben würden. Das Versagen der Nation endete in der ägyptischen Sklaverei. Die Bibel berichtet über diese Epoche von 1Mo 11,10 bis 2Mo 18,27 .

Die fünfte Heilszeit ist die des Mosaischen Gesetzes . Die Menschen waren verantwortlich, das ganze Gesetz zu erfüllen ( Jak 2,10 ), aber sie versagten ( Röm 10,1-3 ). Das zog Gottes Gericht nach sich: Die zehn Stämme des Nordreiches wurden in die assyrische Gefangenschaft verschleppt, die zwei des Südreiches in babylonische, und schließlich wurden sie alle über die ganze Welt zerstreut ( Mt 23,37-39 ), weil sie Jesus Christus zurückgewiesen hatten. Die Heilige Schrift berichtet über diese Heilszeit von 2Mo 19,1 bis Apg 1,26 .

Der sechste Zeitabschnitt ist die Heilszeit der Gnad e. Der Apostel Paulus war der wichtigste Vermittler der Offenbarung von der Gnade Gottes für diese Dispensation. Unter der Gnade hat der Mensch die Verantwortung, das von Gott großzügig allen Menschen angebotene Geschenk der Rechtfertigung anzunehmen ( Röm 5, 15-18 ). Folgende Eigenschaften hat die Gnade Gottes in dieser Heilszeit: (1) das Heil ist ganz und gar Gnade und (2) die Gnade ist für alle erhältlich. Gott befasst sich nicht mehr nur mit einem Volk, sondern mit der ganzen Menschheit. Diese Heilszeit wird mit dem zweiten Kommen Christi enden. Die Heilige Schrift berichtet darüber von Apg 2,1 bis Offb 19,21 .

Die siebte und letzte Heilszeit ist die des Millenniums (des Tausendjährigen Reichs ). Nach Christi zweitem Kommen wird das Tausendjährige Reich in Erfüllung aller Verheißungen aufgerichtet, die im Alten und im Neuen Testament gegeben wurden. Der Herr Jesus Christus selbst wird in der Verantwortung stehen und die Angelegenheiten der Welt während dieser Epoche verwalten. Diese Heilszeit wird tausend Jahre andauern, und die Verantwortung des Menschen wird der Gehorsam gegenüber dem König und seinen Gesetzen sein. Satan wird gebunden sein, Christus wird herrschen, Gerechtigkeit wird überwiegen und offensichtlicher Ungehorsam wird schnell bestraft werden. Diese Heilszeit endet mit einem erfolglosen Aufstand gegen die Regierung Christi. Das führt dazu, dass die Rebellen zur ewigen Strafe verbannt werden. Die Heilige Schrift berichtet über diese Heilszeit in Offb 20,1-15 .

Die Verantwortung der Verwaltung liegt auf allen, die in einer Heilszeit leben. Diese Verantwortung bedeutet die aktive Teilhabe aller, die die Prinzipien der Verwaltung akzeptieren, und Gericht für all jene, die die Vorschriften verwerfen.

Einzelne Aspekte einer Heilszeit enden nicht notwendigerweise, wenn eine neue Heilszeit beginnt. Es gibt Verheißungen, die in einer Heilszeit gegeben, aber nicht im Lauf dieser Dispensation erfüllt wurden. Beispielsweise wurden die im Alten Testament gegebenen Verheißungen über das erste Kommen Christi nicht erfüllt, bevor er kam. Auch gibt es Dinge, die in einer Heilszeit eingesetzt wurden und durch alle weiteren Zeitalter hindurch andauern, etwa die Erschaffung des Menschen im Bilde Gottes. Und es gibt Dinge, die in einer Heilszeit ausgesetzt werden und dann in einer anderen wieder Gültigkeit erlangen. So wurden neun der zehn Gebote des Gesetzes als Teil der Heilszeit der Gnade neu formuliert, obwohl Einschränkungen bezüglich gewiesser Nahrungsmittel abgetan wurden.

Die Bedingung des Heils bleibt in allen Heilszeiten die gleiche. Das Heil kommt durch den Glauben, aber der Inhalt des Glaubens unterscheidet sich in verschiedenen Heilszeiten.

 

DISPENSATIONALISMUS

Progressiver Dispensationalismus

Der progressive Dispensationalismus nahm am 20. November 1986 in der dispensationalistischen Studiengruppe beim Jahrestreffen der Evangelical Theological Seminary in Atlanta (Georgia) seinen Anfang. Das Label »Progressiver Dispensationalismus« wurde jedoch erst beim Jahrestreffen dieser Gruppe im Jahr 1991 eingeführt. Es wurde gebraucht, um die kennzeichnenden Änderungen zu beschreiben, die zu dieser Zeit im Dispenasationalismus stattgefunden hatten. Zu den »Frontkämpfern« dieser Bewegung gehören Darrell L. Bock (Professor für Neues Testament am Dallas Theological Seminary ), Craigh A. Blaising (Professor für Systematische Theologie am Southern Baptist Theological Seminary ) und Robert L. Saucy (Professor für Systematische Theologie am Talbot Theological Seminary ).

Die grundlegenden Überzeugungen des progressiven Dispensationalismus beinhalten Folgendes:

1. Das Reich Gottes ist das vereinigende Thema der biblischen Geschichte. Dieses Reich ist aber nicht eindeutig definiert. Jene, die daran glauben, beschreiben es vage als Herrschaft Gottes über die ganze Erde. Diese alles einschließende Definition verwischt wesentliche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Reichen.

2. In der biblischen Geschichte gibt es vier heilszeitliche Epochen, nämlich die patriarchalische, die mosaische, die kirchliche und die zionische. Das patriarchalische Zeitalter tilgt die Vereinbarungen, die Gott mit Adam und Eva vor und nach dem Sündenfall eingegangen ist, soweit sie von der Haushalterschaft abweichen, die Gott mit Abraham vereinbart hat.

Das verbindet jedoch die Zeit vor und die nach dem Sündenfall mit dem Abrahamitischen Bund unter einer verbundenen Haushalterschaft. Die progressiven Dispensationalisten sehen die mosaische Heilszeit eher mit der Himmelfahrt Christi beendet als mit seinem Tod ( Kol 2,14 ). Die kirchliche Heilszeit ist das gegenwärtige Gemeindezeitalter und das angetretene davidische Königreich. Die zionische Heilszeit ist aufgeteilt in das Tausendjährige und das Ewige Reich. Das Tausendjährige Reich wird als eine Übergangszeit zwischen der angetretenen davidischen Herrschaft (jetzt im Himmel) und der Fülle des Reiches Gottes auf der neuen Erde betrachtet.

3. Christus hat bereits die davidische Herrschaft im Himmel zur Rechten des Vaters angetreten, was dem Thron Davids entspricht, obwohl er jetzt noch nicht als davidischer König das Tausendjährige Reich auf der Erde regiert.

Dieser Standpunkt lässt aber die Tatsache außer Acht, dass Christi erste Handlung nach seiner Himmelfahrt die Herabsendung des Heiligen Geistes war ( Apg 2,33 ), was an keiner Stelle des davidischen Bundes erwähnt wird. Die Heilige Schrift stellt in Hebr 12,2 eindeutig fest, dass sich Christus an der rechten Seite des Thrones Gottes niedergesetzt hat, nicht auf dem Thron Davids. Auch handelt Christus gegenwärtig nur als Priester. Er wird nicht vor seinem zweiten Kommen als davidischer König tätig werden ( Offb 1,5; 11,15; 12,10; 17,14; 19,16 ). Dann wird er der absolute Herrscher des Reichs der Erde sein.

4. Desgleichen ist der Neue Bund bereits in Kraft getreten, obwohl die Segnungen vor dem Tausendjährigen Reich noch nicht völlig in Kraft treten.

Der Neue Bund ist jedoch in Jer 31,31-34 dem Haus Israel und dem Haus Juda verheißen. Er gründet sich auf den Tod Christi, der die Bezahlung für die Sünden aller Zeitalter ist. Für Israel noch Zukunft, verheißt dieses Bündnis Vergebung für das Volk Israel, Widerherstellung Israels zum Gefallen Gottes, Frieden und den Wiederaufbau des Heiligtums Gottes.

5. Die Vorstellung, die Gemeinde sei völlig von Israel zu unterscheiden und als ein Geheimnis zu betrachten, das im Alten Testament verborgen blieb, muss verworfen werden, ebenso der Gedanke, dass es zwei Völker Gottes und daher zwei Ziele gibt.

Israel wird allerdings als ein Volk angesprochen, im Gensatz zu den Heiden nach der Aufrichtung der Gemeinde am Pfingsttag ( Apg 3,12; 4,8.10; 5,21.31.35; 21,28 ). Paulus betete für Israel ( Röm 10,1 ), wobei er es eindeutig als ein Volk betrachtete, das von der Gemeinde zu unterscheiden und abzusondern ist. Die Gemeinde steht in eindeutiger Beziehung zu ihrem lebendigen Herrn Jesus Christus ( Eph 1, 22-23; Kol 1,18; 1Kor 12,27 ). Die Vereinigung gläubiger Juden und Heiden im Leib Christi ist ein Geheimnis, das vorangegangenen Generationen nicht offenbart wurde ( Eph 3,5-6 ). Die Gemeinde wird von Christus selbst bewohnt ( Kol 1,27 ). Sie hat, wie Paulus feststellt ( Eph 2,15 ), eine bestimmte Epoche, was nur durch den Tod Christi möglich wurde. Und schließlich war es die Taufe des Heiligen Geistes, die die Gemeinde ins Leben rief ( Apg 11, 15-16 ). An Pfingsten wurden Menschen zum ersten Mal in den Leib Christi berufen, und da die Gemeinde der Leib Christi ist ( Kol 1,18 ) wird deutlich, dass die Gemeinde nicht vor diesem Ereignis existiert hat.

6. Ergänzende Hermeneutik bedeutet, dass das Neue Testament alttestamentlichen Verheißungen verändernde Ergänzungen hinzufügt, ohne die ursprünglichen Verheißungen zu verwerfen.

Diese Anschauung lässt vergeistigende Auffassungen neutestamentlicher Vorstellungen zu, so als füge das Neue Testament Ergänzungen zu den Verheißungen hinzu. Der Hinweis auf einen Tempel in Offb 11,1-2 ist beispielsweise nach der wörtlichen Hermeneutik ein buchstäbliches, wirkliches Gebäude. Diese ergänzende Hermeneutik lässt den Schluss zu, dass es sich um einen Hinweis auf die Körperschaft der Gläubigen handelt, und zwar anhand der Tatsache, dass die Worte an einer anderen Stelle des Neuen Testaments in dieser Weise gebraucht werden. Dieser Standpunkt birgt eine Gefahr: Wo sind die Grenzen, und wer bestimmt sie?

7. Der eine göttliche Plan der holistischen (ganzheitlichen) Erlösung schließt alle Menschen und alle Bereiche menschlichen Lebens ein - persönlich, sozial, kulturell und politisch.

Aber der Umfang holistischer Erlösung kann leicht zu irrigen Prioritäten führen. Die Heilige Schrift lehrt soziale Verantwortung wie den Gebrauch des Geldes, Berufungen und öffentliche Pflichten. Sie ruft die Gläubigen auch auf, der gemeindlichen, nicht der staatlichen, Ethik zu gehorchen und Gutes zu tun - besonders den Gläubigen ( Gal 6,10 ).

Progressive Dispensationalisten scheinen weniger eine Entwicklung innerhalb des normativen Dispensationalismus darzustellen als vielmehr eine völlige Abwendung von diesem. Wohin das führen oder welche Bedeutung es haben wird, kann nicht vorausgesagt werden.

 

DISPENSATIONALISMUS

Ultradispensationalismus

Die Vorsilbe ultra bezeichnet schlicht jemanden, dessen Standpunkt noch extremer ist als der desjenigen, der den Begriff gebraucht. Der Hauptunterschied zwischen Ultradispensationalismus und normativem Dispensationalismus liegt in der Frage, wann die Gemeinde, der Leib Christi, historisch ihren Anfang genommen hat. Die Ultradispensationalisten glauben, dass sie mit Paulus einige Zeit nach Pfingsten begann, während die normalen Dispensationalisten daran festhalten, dass die Gemeinde ihren Anfang an Pfingsten hatte ( Apg 2 ). Dieser Unterschied beeinflusst, welche Verordnungen praktiziert werden und welche Bibeltexte unmittelbar die Gemeinde betreffen.

Es gibt zwei Ausformungen des Ultradispensationalismus, die extreme und die gemäßigte. Es besteht Übereinstimmung zwischen beiden über sechs Punkte: (1) Der Missionsbefehl in den Evangelien betrifft die Juden, und nicht die Gemeinde. (2) Der Dienst der Zwölf war eine Fortsetzung des irdischen Dienstes Christi. (3) Die Gemeinde nahm nicht zu Pfingsten ihren Anfang. (4) Die Wassertaufe gilt nicht für dieses Gemeindezeitalter. (5) Es gibt einen Unterschied zwischen dem früheren und dem späteren Dienst des Paulus. (6) Israel, und nicht die Gemeinde, ist die Braut Christi.

Keine Übereinstimmung herrscht zwischen beiden Ausformungen über die folgenden vier Punkte:

1. Wann begann die Gemeinde? Extreme: Apg 28 Gemäßigte: vor Apg 28

2. Wie lange währt die Übergangszeit in der Apostelgeschichte? Extreme: bis Apg 28 Gemäßigte: bis Apg 9 oder Apg 13

3. Wo ist der richtige Platz für die Abendmahlsfeier? Extreme: nirgendwo Gemäßigte: in der Gemeinde

4. Welche der Heiligen Schriften sind wirklich in erster Linie für die Gemeinde geschrieben? Extreme: Nur die Gefängnisbriefe Gemäßigte: auch alle anderen Paulinischen Briefe

Die Schwäche des Ultradispensationalismus besteht darin, dass etwas Wesentliches übersehen wird. Man erkennt nicht, dass sich das Wesen einer Heilszeit auf das gründet, was Gott tut, und nicht auf das menschliche Verstehen seiner Ziele. Der Irrtum des Ultradispensationalismus liegt in der fehlerhaften Vorstellung von einer Heilszeit, in einer fehlerhaften Auslegung von Schlüsselstellen, in einem fehlerhaften Verständnis darüber, wann das Geheimnis offenbart wurde, und in einer falschen Ansicht über die Taufe des Heiligen Geistes. Von den biblischen Texten wird der Ultradispensationalismus nicht gestützt.

Charles C. Ryrie

Charles C. Ryrie, Dispensationalism (Chicago: Moody Press, 1995); Wesley R. Willis und John R. Master (Hrsg.), Issues In Dispensationalism , beratender Mit-Hrsg. Charles C. Ryrie (Chicago: Moody Press, 1994).

 

DISPENSATIONALISMUS

progressiver

Progressive Dispensationalisten sehen sich selbst in der Tradition der dispensationalistischen Theologie. Aber sie erkennen die Heilszeiten nicht als voneinander zu unterscheidende Vereinbarungen zwischen Gott und der menschlichen Rasse, wie der traditionelle Dispensationalismus. Sie sehen darin vielmehr aufeinander folgende Vereinbarungen in der fortschreitenden Offenbarung und Erfüllung der Erlösung. Gleichzeitig streben sie danach, einen mittleren Standpunkt zwischen dem Dispensationalismus und seinem eindeutigen Gegenteil einzunehmen. Durch die Einverleibung neuer Elemente in ihr theologisches System sind sie nahezu am gleichen Punkt angekommen wie die historischen Prämillennialisten, die im Allgemeinen ausgesprochene Gegner des Dispensationalismus sind.

Das Emporkommen des progressiven Dispensationalismus ist einem Wechsel der Auslegungsmethode zuzuschreiben. Anstatt einem traditionellen grammatikalisch- historischen System zu folgen, das Dispensationalismus zur Folge hat, verfechten sie eine historisch-grammatikalisch- wörtlich-theologische Hermeneutik bei der Auslegung der Heiligen Schrift. Das neue System unterscheidet sich von der traditionellen wörtlichen Auslegung in folgenden Punkten:

1. Es ersetzt das Streben nach Objektivität durch die Konzentration auf das Vorverständnis des Auslegers als Ausgangspunkt der Auslegung.

2. Anstatt die Textbedeutung auf die Vorgabe des Textzusammenhanges zu begrenzen, lässt es »ergänzende« Bedeutungen zu, die einem Text Jahre und sogar Jahrzehnte später hinzugefügt wurden, nachdem der biblische Autor den Text niederschrieb.

3. Traditionell suchen die Ausleger stets nach der Bedeutung, die der Autor des jeweiligen Textes im Sinn hatte. Der progressive Dispensationalismus nimmt jedoch den Standpunkt ein, dass später hinzugefügte Bedeutungen zuzulassen sind, die den ursprünglich vom Autor gewünschten Sinn des Textes verändern.

4. In der Geschichte haben die protestantischen Ausleger stets geleugnet, dass ein Text eine erweiterte Bedeutung haben könnte, die über den ursprünglichen Sinn hinausgeht. Die neuerdings befürwortete Methodologie lässt jedoch zu, dass eine erweiterte Bedeutung über den ursprünglichen Sinn des Textes gestellt wird.

5. Grammatikalischhistorische Ausleger haben darauf bestanden, jedem Text auf der Basis einer gründlichen Untersuchung seine eigene Bedeutung zuzuordnen. Progressive Dispensationalisten geben jedoch nur schwerpunktmäßige Kommentare über einen Bibeltext, anstatt ihn durch und durch zu behandeln und vertreten einen vorgefassten, aber exegetisch unhaltbaren Standpunkt.

Im Licht dieser fünf Tendenzen wird offenbar, dass der Hauptunterschied zwischen Dispensationalismus und progressivem Dispensationalismus ein hermeneutischer ist. Die progressiven Dispensationalisten wenden sich von der grammatikalisch-his-torischen Methode ab, die vom Dispensationalismus vertreten wird.

Siehe auch: Hermeneutik, moderne biblische .

R. L. Thomas

Craig A. Blaising und D. Bock, Progressive Dispensationalism (Wheaton: Victor Books, 1993); Charles C. Ryrie: Dispensationalism (Chicago: Moody Press, 1995); R.L.Saucy, The Case for Progressive Dispensationalism (Grand Rapids: Zondervan, 1993); R. L. Thomas, A Critique of Progressive Dispensational Hermeneutics in: When the Trumpet Sounds hrsg. von Thomas Ice und Timothy Demy, S. 413-425 (Eugene, Oreg.: Harvest House, 1995).

 

EDWARDS

Jonathan

Jonathan Edwards (1703-1758) wird im Allgemeinen als bedeutendster amerikani-scher Theologe und Philosoph anerkannt. Zur Zeit seines Dienstes wurde vom größten Teil der protestantischen Theologie die biblische Lehre vom Tausendjährigen Reich vergeistigt - ein Erbe des auf Augustin und Calvin zurückgehenden Amillennialismus. Edwards dagegen beschritt neue Wege, indem er eine postmillennialistische Sicht der Eschatologie entwickelte. Er sah das Tausendjährige Reich im wörtlichen Sinn als historische Realität, die das telos (Ziel) ist, auf das die Geschichte seit dem Sündenfall Adams zusteuert. Edwards hielt es für wahrscheinlich, dass diese Herrlichkeit der letzten Tage in Amerika ihren Anfang nehmen würde. Seine Erwartung des Tausendjährigen Reiches wird oft als wichtigster Faktor in jener gesellschaftlichen Bewegung angesehen, die zur amerikanischen Revolution (Unabhängigkeitskrieg zwischen 1763 und 1787) führte.

Edwards legte biblische Texte zur Trübsal als Voraussagen des Abfalls der Römisch-Katholischen Kirche und der Unterdrückung des wahren christlichen Glaubens aus. Er glaubte, dass die Verkürzung der Tage ( Mt 24,22 ) durch die Reformation angezeigt wurde - ein Ereignis, das mit der Begrenzung des römischkatholischen Einflusses und der Macht des von vielen als Antichrist angesehenen Papstes einherging. Indem Edwards die »1 Tag = 1 Jahr«- Auslegungstheorie auf Offb 12 anwandte, ging er davon aus, dass das Tausendjährige Reich ungefähr 1260 Jahre nach 606 n. Chr. beginnen würde, dem Jahr, in dem der Bischof von Rom als Inhaber universaler Machtbefugnisse anerkannt wurde. Demnach würde das Tausendjährige Reich nun unmittelbar bevorstehen, wobei die um sich greifenden Feuer der Großen Erweckung (geistliche Erneuerungsbewegung in Nordamerika im 18. Jahrhundert unter Führung von J. Edwards, George Whitefield u. w.) durchaus die Vorboten des kommenden Zeitalters sein könnten. Die Erwartung bestand darin, dass große technische Fortschritte die Menschheit von materiellen Sorgen befreien und sie befähigen würden, sich umfassender den edlen geistigen Übungen und dem lebendigen Glauben zuzuwenden. Zu diesem Zeitpunkt würde das Reich des Antichristen völlig vernichtet werden, und die Juden würden sich als Volk bekehren. Im Anschluss an das Tausendjährige Reich würde eine Zeit großen Abfalls und großer Trübsal folgen, bevor Jesus Christus in unvorstellbarer Majestät persönlich wiederkommen würde. Dann würden die Heiligen zu ihrem Haupt hin gesammelt werden, um in Ewigkeit in seiner Gegenwart zu sein. Die Gottlosen dagegen würden vor dem Richterstuhl Christi erscheinen müssen.

Kevin Stilley

Jonathan Edwards, The Works of Jonathan Edwards , Hg. Perry Miller und John E. Smith, 10 Bde. (New Haven: Yale University Press, 1957-1993), sowie The Works of Jonathan Edwards , Nachdruck 1992, 2 Bde. (Edinburgh: Banner of Truth Press, 1834).

 

EDWARDS

Morgan

Morgan Edwards (1722-1792) wurde am 9. Mai 1722 in der Gemeinde Trevethin (Wales) geboren. Nach seiner Ausbildung am Bristol College begann er 1738 mit dem Predigtdienst. Sieben Jahre lang diente er mehreren kleinen baptistischen Gemeinden in England, bevor er nach Cork (Irland) übersiedelte, wo er neun Jahre Pastor war. Später wanderte Edwards nach Amerika aus und wurde im Mai 1761 Pastor der Baptistengemeinde in Philadelphia, wohin er von John Gill, einem überzeugten Baptisten, empfohlen worden war. Nach dem Unabhängigkeitskrieg (er galt als der einzige baptistische Geistliche, der dem konservativen politischen Lager angehörte) wurde Edwards Lehrer und galt zugleich als führender baptistischer Historiker seiner Zeit. Sein Hauptwerk, Materials Toward a History of the Baptists , ist ein wichtiges bahnbrechendes Werk, das die Geschichte des amerikanischen Baptismus bis zu diesem Zeitpunkt darstellt. Edwards gründete das erste baptistische College in den damaligen Kolonien, das Rhode Island College, welches heute als »Brown University« bekannt ist und zu den Elite-Universitäten der USA gehört.

Ein Historiker charakterisierte Edwards wie folgt: »Der gelehrte, fleißige, warmherzige, exzentrische und cholerische Morgan Edwards gehört zu den interessantesten Persönlichkeiten aus der Frühzeit des amerikanischen Baptismus und ist einer derjenigen, die am meisten geehrt werden sollten. Selbst seine Schwächen hatten eine Neigung zum Tugendhaften, und in guten Werken wurde er von keinem Zeitgenossen übertroffen - wenn es überhaupt je einen gab, der ihm hierin überlegen war ... Er war ein begabter Prediger und ein redlicher Mann, doch nicht immer kam man gut mit ihm aus.«

Während seiner Studienzeit am Bristol Baptist Seminary in England (1742-44) schrieb Edwards für die Vorlesungen in Eschatologie eine Abhandlung über seine Ansichten zur biblischen Prophetie. Diese Abhandlung wurde später (1788) in Philadelphia unter folgendem Titel veröffentlicht: Two Academical Exercises on Subjects Bearing the Following Titles: Millennium, Last-Noveltiess . Beim Lesen des 56-seitigen Werkes wird deutlich, dass Edwards es nach der Niederschrift in seiner Studentenzeit nur geringfügig änderte, bevor er es veröffentlichte. Diese Sichtweise hatte er also bereits in den frühen 40er Jahren des 18. Jahrhunderts entwickelt.

Edwards vertrat eine Form der Vorentrückung, wie man dem folgenden Auszug aus seinem Buch entnehmen kann:

»Der Abstand zwischen der ersten und der zweiten Auferstehung wird etwas größer als eintausend Jahre sein.

Ich sage »etwas größer «, weil die toten Heiligen auferweckt werden, während die lebenden bei der Erscheinung Christi in der Luft (vgl. 1Thes 4,17 ) verwandelt werden. Dies wird etwa dreieinhalb Jahre vor Beginn des Tausendjährigen Reiches geschehen , wie wir anschließend sehen werden. Dennoch erhebt sich die Frage: Werden Christus und die Seinen die ganze Zeit in der Luft bleiben? Nein, sie werden ins Paradies bzw. in eine der vielen Wohnungen im Haus des Vaters auffahren (vgl. Joh 14,2 ) und während des vorausgesagten Zeitraums verschwinde n. Die auferstandenen und verwandelten Heiligen werden den Blicken anderer entzogen und verschwunden sein, um gerichtet zu werden; denn »die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange«, und zwar »beim Haus Gottes« ( 1Petr 4,17 )« (S. 7).

Was bringt Edwards hier zum Ausdruck? Beachten wir Folgendes: Er glaubt, dass zwischen den Auferstehungen mindestens 1003 1/2 Jahre vergehen werden.

Er bringt die erste Auferstehung mit der Entrückung in 1Thes 4,17 in Verbindung. Diese wird mindestens 3 1/2 Jahre vor Beginn des Tausendjährigen Reiches (d.h. mindestens 3 1/2 Jahre vor der Wiederkunft Christi zur Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches) erfolgen.

Er verbindet wie heutige Vertreter der Vorentrückung die Begegnung der Gläubigen mit Christus in der Luft und die Rückkehr ins Vaterhaus mit Joh 14,2 .

Er stellt fest, dass Gläubige während der Trübsalszeit verschwinden - ein Tatbestand, den er in den verbleibenden Zeilen des Abschnitts näher beschreibt.

Er verbindet wie heutige Vertreter der Vorentrückungslehre die im Himmel während der Trübsal verbrachte Zeit mit dem Gericht der Gläubigen an der Bema (Richterstuhl des Christus).

Der einzige Unterschied - zumindest was die oben stehenden Aussagen angeht - zwischen heutigen Vertretern der Vorentrückung und Edwards betrifft die Tatsache, dass er eine 3 1/2-jährige und keine 7-jährige Zwischenzeit annahm. Dies bedeutet nicht, dass er ein Vertreter der Entrückung während der Trübsal war, da er offenbar davon ausging, dass die gesamte Trübsal 3 1/2 und nicht 7 Jahre dauert.

Wenn man seine ganze Abhandlung in Betracht zieht, wird deutlich, dass Edwards Prämillennialist und Futurist war, an den Grundsätzen der wörtlichen Auslegung und an einer prophetischen Chronologie festhielt, die in den meisten Punkten der gegenwärtigen Vorentrückungslehre ähnelt. Er vertrat jedoch nicht eine jederzeit mögliche Entrückung, scheint in seinem Denken nicht von der Siebzigsten Jahrwoche Daniels beeinflusst gewesen zu sein und hat offensichtlich nicht den Unterschied zwischen der Gemeinde und Israel gesehen.

Edwards bemerkt in seiner Einleitung, dass seine Ansichten nicht jenen entsprächen, die man zu seiner Zeit weithin vertrat. Außerdem habe er für die Eschatologie den Ansatz der wörtlichen Auslegung gewählt. Ein solcher Ansatz ist nach Meinung der modernen Vertreter der Vorentrückung der allerwichtigste Aspekt, aufgrund dessen man zur Vorentrückungslehre kommt. Edwards sagte zu seinem Dozenten: »Ich werde mein Möglichstes tun und will bei diesem Versuch nach einer Regel arbeiten, die Sie uns oft empfohlen haben, nämlich »die Schrift in einem wörtlichen Sinn zu verstehen - es sei denn, dass dies zu Widersprüchen und absurden Aussagen führt ...«. Sehr begabte Menschen haben dieses Thema bereits auf mystische oder allegorische Weise behandelt bzw. vergeistlicht« (S. 5-6).

Später spricht Edwards in seiner Abhandlung erneut von der Entrückung: »Ein anderes Ereignis vor dem Tausendjährigen Reich wird die Erscheinung des Sohnes des Menschen in den Wolken sein. Er wird kommen, um die toten Heiligen aufzuerwecken und die lebenden zu verwandeln, diese zu sich zu entrücken und mit ihnen in den Himmel einzugehen, wie ich zuvor [d. h. auf S. 7] festgestellt habe. Dieses Ereignis wird stattfinden, wenn der Antichrist im Rahmen seiner Welteroberungspläne Jerusalem erreicht hat. Dies wird dreieinhalb Jahre vor der Zeit stattfinden, wenn er die beiden Zeugen tötet und beansprucht, Gott zu sein« (S. 21).

Im weiteren Verlauf trennt Edwards erneut die Entrückung von der Wiederkunft, indem er sagt: »Das letzte Ereignis - und dasjenige, welches das Tausendjährige Reich einleiten wird - ist das Kommen Christi vom Paradies auf die Erde. Ihn werden all die Heiligen begleiten, die er (etwa dreieinhalb Jahre vorher) dorthin entrückt hat ... Millionen und Abermillionen von Heiligen werden von der Zeit des ersten Adams bis zum Kommen des zweiten Adams auf Erden gelebt haben. All diese wird Christus mit sich bringen. Der Ort, auf den sie herabkommen, ist der »Ölberg ... der vor Jerusalem im Osten liegt«��� ( Sach 14,4 )« (S. 24-25).

Interessant ist die Tatsache, dass Edwards 42 Predigtbände - mit jeweils ca. 12 Predigten - schrieb, die nie veröffentlicht wurden. Neben seinen kirchengeschichtlichen Schriften und gemeindlichen Handreichungen ist seine Abhandlung über biblische Prophetie sein einziges veröffentlichtes Werk. Es ist bedeutsam, dass die aus seinen jungen Jahren stammende Abhandlung und nicht irgendetwas anderes herausgegeben wurde. Dies beweist, dass es ein gewisses Interesse an seinen diesbezüglichen Ansichten gab. Ein solches Interesse hat sich gewiss aus der Tatsache ergeben, dass er als Verkündiger die ihm anvertrauten Menschen auf entsprechende Themen aufmerksam machte. Dennoch erlebte das Buch nur eine einzige Auflage - ein Sachverhalt, der zeigt, dass das Interesse begrenzt gewesen sein muss. Er könnte auch die Tatsache widerspiegeln, dass die Baptisten zu dieser Zeit in Amerika noch keine große Kirche bildeten. Trotzdem hat Edwards' Werk über biblische Prophetie eine gewisse Verbreitung gefunden, so dass Amerikaner schon damals viele der Gedanken kennen lernten, welche die evangelikale Bewegung ein Jahrhundert später beherrschen sollten.

Kritiker der Vorentrückung wollen oft darauf verweisen oder andeuten, dass unsere Ansicht auf den Seiten der Bibel nicht vorkommt und daher aus einer außerbiblischen Quelle stammen muss. Natürlich lehnen wir eine solche Vorstellung energisch ab, und wir haben im Laufe der Jahre große Anstrengungen unternommen, zu zeigen, dass das Neue Testament nicht nur die Vorentrückung vertritt, sondern diese auch als unsere glückselige Hoffnung (vgl. Tit 2,13 ) vorstellt - als zentrale Wahrheit des Glaubens. Wenn wir Morgan Edwards' Entrückungsansichten herausarbeiten und bekannt machen, wollen wir (erneut) zeigen, dass ein Ansatz der konsequent wörtlichen Bibelauslegung viele dazu veranlasst, zwischen Christi Kommen in die Luft für seine Braut und seiner Wiederkunft auf die Erde mit seinen Heiligen zu unterscheiden. Edwards verdeutlicht neben anderen, dass Darby der Vorentrückungslehre zwar möglicherweise ihre Stellung zurückgab, aber nicht ihr Urheber war. Die Vorentrückungslehre findet sich zuerst im Neuen Testament und zeitweilig auch im Verlauf der Kirchengeschichte.

Siehe auch: Entrückung, biblisches Studium.

Thomas Ice

Morgan Edwards, Two Academical Exercises on Subjects Bearing the Following Titles: Millennium, Last-Novelties (Dobson and Lang: Philadelphia, 1788); Frank Marotta, Morgan Edwards: An Eighteenth Century Pretribulationist (Morganville, N. J.: Present Truth Publishers, 1995); Thomas R. McKibbens jun. und Kenneth L. Smith, The Life and Works of Morgan Edwards (New York: Arno Press, 1980); John S. Moore, »Morgan Edwards. Baptist Statesman« in Baptist History and Heritage (VI:1; Januar 1971).

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Gläubige aller Generationen haben stets voller Sehnsucht die Wiederkunft Christi erwartet. Es war von jeher Allgemeingut christlicher Erkenntnis, dass Christus auf die Erde zurückkommen und alle menschliche Sorge beenden werde. Nach einer allgemeinen Auferstehung und einem allgemeinen Gericht würde er einen neuen Himmel und eine neue Erde für die Ewigkeit schaffen. Obwohl in den Einzelheiten der Art und Weise der Wiederkunft des Herrn keine generelle Übereinstimmung gegeben sein mag, wurde und wird doch von nahezu allen gläubigen Christen der Glaube an sein zweites Kommen vertreten.

Mit dem Wiederaufleben des Studiums biblischer Prophetie zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden sich manche beim Studium des prophetischen Wortes darüber klar, dass der Apostel Paulus in 1Thes 4,13-18 zuerst von einer Auferstehung jener spricht, die in Christus gestorben sind und dann von weiteren, die zusammen mit ihnen aufgenommen werden, um dem Herrn in der Luft zu begegnen. Die prominentesten Vertreter des Amillennialismus ignorierten den Gedanken, dass 1Thes 4 sich in irgendeiner Weise von anderen Textpassagen unterscheiden könnte, die von »dem Kommen« (parousi a) Christi sprechen. Das Wort parousia selbst war für sie eine Art Sammelbegriff für die Lehre von nur einer Wiederkunft Jesu.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbrachte eine sorgfältigere Auslegung den Gelehrten ein besseres Verständnis der Prophetie. Sie begriffen, (1) dass Gott in den verschiedenen Zeitaltern der biblischen Geschichte unterschiedlich wirkte, (2) dass das Ende aller Geschichte einen größeren prophetischen Rahmen umfasst, als ursprünglich gedacht, und (3) wie wichtig es ist, biblische Texte im Zusammenhang auszulegen, um die volle Reichweite der prophetischen Wahrheit zu erassen.

Mit der Zeit wurde einigen Gelehrten durch das Textstudium im Zusammenhang zunehmend klar: Christi Kommen zur »Entrückung« der Gläubigen war ein völlig anderes Ereignis als sein Kommen zum Gericht der Sünder und zur Herrschaft im Tausendjährigen Reich. Viele große Bibellehrer dieser Zeit erkannten, dass beide Ereignisse als voneinander getrennte, buchstäbliche Kommen betrachtet werden müssen und nicht einfach vergeistlicht werden dürfen.

Durch Untersuchung verschiedener Textstellen wird deutlich, dass es in Verbindung mit der Rückkehr des Herrn zwei unterschiedliche Auferstehungen gibt. Zunächst die Auferstehung jener in Christus, die in die Herrlichkeit aufgenommen werden, ehe die Trübsal beginnt. Dann die Auferweckung der alttestamentlichen Gläubigen und der Glaubensmärtyrer der großen Trübsal, die sich der Segnungen der buchstäblichen tausendjährigen Herrschaft des Herrn in seinem Reich erfreuen werden. In diesen Textpassagen gibt es insgesamt elf Kategorien.

AUFERSTEHUNG. Obwohl die Auferstehung in Textpassagen über das zweite Kommen Christi erwähnt wird, enthüllen diese Verse und Kapitelabschnitte gewisse Besonderheiten, wenn sie in prophetischer Weise von denjenigen reden, die aus den Gräbern hervorkommen werden ( 1Kor 15,23-24.51-52; 1Thes 4,13-18; 5,1-11 ). HOFFNUNG UND TROST. Diese Passagen vermitteln Hoffnung und Trost, denn die Gläubigen in Christus werden weggenommen, um bei ihrem Herrn im Himmel zu sein ( Joh 14,1-3; 1Kor 15,51-52; Phil 3,20-21; 1Thes 1,9-10; 2,17-19; 4,13-18; 5,1-11; 2Thes 2,1-2; Jak 5,7-9; 1Jo 3,2-3 ). DIE VERWANDLUNG. Ein neuer Leib wird sowohl den Auferstandenen als auch denen gegeben, die leben und plötzlich verwandelt werden, damit sie heimgehen können, um bei dem Herrn im Himmel zu sein ( 1Kor 15,51-52; Phil 3,20-21; 1Thes 4,13-18; 5,1-11; 1Jo 3,2-3 ). EINE RÜCKKEHR IN DEN HIMMEL ( Joh 14,1-3; Phil 3,20; 1Thes 1,9-10; 3,13; 4,13-18; 5,1-11; 2Thes 2,1 ). ERSCHEINEN VOR DEM HERRN ODER PERSÖNLICHES GEGENÜBERTRETEN VOR CHRISTUS BEI SEINER ANKUNFT ( Joh 14,1-3; 1Thes 1,9-10; 2,17-19; 4,13-18; 5,1-11; 2Thes 2,1-2; Phil 3,20- 21; Jak 5,7-9; Tit 2,13; 1Jo 2,28; 3,2-3 ). EIN GOTTESFÜRCHTIGES LEBEN, WEIL ER WIEDERKOMMT ( 1Thes 5,1-11; 5,23; 1Tim 6,14; Tit 2,12-14; Jak 5,7-9; 1Jo 2,28; 3,2-3 ). DAS NAHE BEVORSTEHEN DER WIEDERKUNFT JESU. Die Pronomen wir , du und uns belegen, dass sich die Entrückung während der Generation des Paulus hätte ereignen können ( Joh 14,1-3; 1Kor 15,51-52; Phil 3,20-21; 1Thes 1,9-10; 2,17-19; 3,13; 4,13-18; 5,1-11; 5,23; 2Thes 2,1-2; 1Tim 6,14; Tit 2,13; Jak 5,7-9; 1Jo 2,28; 3,2-3 ). DIE VERWENDUNG DES SPREZIALBEGRIFFS parousia FÜR DIE ENTRÜCKUNG ( 1Thes 2,17-19; 3,13; 4,13-18; 2Thes 2,1-2; 1Kor 15,23-24; Jak 5,7-8; 1Jo 2,8; 3,2-3 ). ANDERE BEGRIFFE FÜR DAS KOMMEN DES HERRN ( Joh 14,1-3; 1Thes 4,16; 5,23-24; 2Thes 2,1-2; Tit 2,13; Jak 5, 7-9; 1Jo 2,8; 3,2-3 ). ZUM VATER GEBRACHT WERDEN ( Joh 14,1-3; 1Thes 3,13; Tit 2,13 ). »DIE IN CHRISTUS SIND« ODER ANSPIELUNGEN AUF DIE GEMEINDE ( 1Thes 2,17-19; 4,13-18; 5,1-11; 2Thes 2,1-2; 1Kor 15,23-24; 15,51-52; Tit 2,13 ).

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Erlösung und Entrückung

Die Auferstehung, die sich bei der Entrückung ereignet, hat mit den »Toten in Christus« zu tun. Dabei geht es um verstorbene Gläubige, die im gegenwärtigen Heilszeitalter Glieder am geistlichen Leib Christi geworden sind.

Vier Textpassagen verknüpfen unübersehbar die Auferstehung der Gläubigen des Gemeindezeitalters mit der Entrückung. In 1Thes 4,13-18 , der umfassendsten Textpassage über die Entrückung, spricht der Apostel Paulus von jenen, die in Christus entschlafen sind (Vers 14 ). Er bringt dieses »Wegreißen« (harpaz o) oder die Entrückung der lebenden Gläubigen mit der Auferstehung der Gläubigen des Gemeindezeitalters, die »in Christus« sind, in Zusammenhang: »Wir wollen euch aber, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Entschlafenen ... wird Gott ebenso die Entschlafenen durch Jesus mit ihm bringen ... denn der Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei der Stimme eines Erzengels und bei [dem Schall] der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft« (Verse 13-14.16-17 ).

Die Gemeinde in Thessalonich scheint über den Tod jener besorgt gewesen zu sein, die Christus als ihren Retter angenommen hatten. Würden sie wieder zum Leben erweckt werden? Diese Frage blieb unbeantwortet, und sie trauerten wie die Heiden, die keine Garantie eines Lebens nach dem Tode haben (Vers 13 ). Die Antwort lautet, dass die Gläubigen, die gestorben sind, auf keinen Fall vom Segen der Wiederkunft des Herrn ausgeschlossen bleiben werden.

Paulus stellt fest: »Keineswegs, auf keine Weise werden wir denen vorangehen, die entschlafen sind« (meine eigene Übersetzung des Verses 15). Das Wort »vorangehen« (phthasomen ) beinhaltet eine doppelte Verneinung, die eine besondere Betonung beinhaltet: »In keinster Weise werden wir denen vorausgehen, die entschlafen sind!« Das ist eine Redewendung in der griechischen Sprache, die vollständig jede Befürchtung aufhebt, die in Christus Gestorbenen könnten zurückbleiben. Diese Redewendung trägt den Sinn einer bereits entschiedenen Zukunft: »Wenn die Zeit gekommen ist, ist dies die Abfolge der Ereignisse.« Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen.

Diese Wachenden und Entschlafenen werden zusammen mit dem Christus leben.

In 1Thes 5,1-11 schreibt der Apostel Paulus vom kommenden Tag des Herrn (Vers 2 ) bzw. vom Zorn (Vers 9 ), der über die Verlorenen kommen wird, die »Friede« und »Sicherheit« rufen (Vers 3 ). In den Versen 2-7 stellt der Apostel die Geburtswehen der Plagen und Qualen dar, die plötzlich über die Verlorenen kommen. Sie sind in geistlicher Finsternis und werden dem Schrecken nicht entkommen, der über sie kommen wird wie ein Dieb (Verse 3-4 ).

In 1Thes 5,9-10 kommt Paulus zurück auf das Thema Entrückung, über das er in Kapitel 4,13-17 zu schreiben begonnen hat. Er greift erneut die Tatsache auf, dass die Entschlafenen (die Toten in Christus) und die Lebenden gemeinsam bei Jesus sein werden. Ihre Befürchtungen, die in ihrer Bedrängnis aufkamen, sollten zerstreut werden und der Irrtum, der sich offenbar bei ihnen eingeschlichen hatte, sollte korrigiert werden: dass nämlich jene, die bei seiner Ankunft lebendig vorgefunden würden, einen Vorteil hätten vor jenen, die zu diesem Zeitpunkt bereits entschlafen waren.

Vers 10 sagt aus: »[Christus] starb für uns, damit - ob wir in jenem Augenblick völlig wach sind oder ob wir in jenem Augenblick schlafend oder entschlafen sind - wir in der Zukunft, und zwar mit einem Mal und zur gleichen Zeit, mit ihm zusammen lebendig sind« (eigene Übersetzung). Der Ausdruck »in der Zukunft ... lebendig sind« sieht prophetisch die auferstandenen Gläubigen in Christus und jene entrückten Gläubigen eines Tages gemeinsam mit ihm leben. Die Betonung des Verbs kann auch bedeuten, dass wir »jetzt und für immer« mit ihm leben werden. Der Ausdruck »mit einem Mal und zur gleichen Zeit« wirft ein neues Licht auf diese Auferstehung und die Entrückung. Tatsächlich sind hier zwei Ausdrücke miteinander verbunden: »Zusammen mit« (hama ) und »mit ihm« (sun auto ). Barnes interpretiert dies so, dass »jene, die leben und jene, die entschlafen sind, zusammen sein werden oder gleichzeitig bei dem Herrn sein werden.« Hendricksen fügt hinzu: »Jene, die wachen, sind jene, die leben - die Überwinder. Es handelt sich um jene, die nach 1Thes 4,15 »bis zur Ankunft des Herrn übriggeblieben sind«.«

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Erlösung und Entrückung

Zwei oder mehr Auferstehungen?

Sogar einige der früheren Bibelgelehrten, die nicht an eine Entrückung glaubten, erkannten in 1Kor 15,23-24 zwei Auferstehungen. Vom Kontext her kündigt Paulus hier eine Auferstehung an, in der in Christus alle lebendig gemacht werden (Vers 22 ). »Zur Verdeutlichung: Jeder [wird auferweckt werden] in seiner eigenen Ordnung: Christus als Erstlingsfrucht; dann als nächste jene [Gläubige], die bei der Ankunft Christi an ihn glaubend gefunden werden; danach [wird] die Vollendung [kommen], wann immer [Christus] [in der Zukunft] das Reich seinem Gott und Vater übergeben wird, [was bedeutet,] dass er zuvor alle Herrschaft und Autorität und Macht weggetan hat« (eigene Übersetzung).

Der ganze Zusammenhang ruht auf der Formulierung: »... in Christus lebendig gemacht werden.« Heilsgeschichtlich hat der Vers 23 eindeutig die Gläubigen des Gemeindezeitalters im Sinn. Er beschreibt nicht das Kommen Jesu, um als Sohn des Menschen die Herrschaft über Israel anzutreten, und auch nicht sein Kommen zum Weltgericht. Christus kommt wieder, um die Gemeinde zu sich zu holen. Da das Reich in Vers 24 ohne Frage vom Vers 23 abgetrennt ist, ist die Auferstehung zur Entrückung die einzige Erklärung für diese Textstelle.

»Es wird eine Abfolge bei der Auferstehung der Toten geben, und Paulus erläutert dies anhand von drei Gruppen: (1) Christus selbst, die Erstlingsfrucht; (2) die bei seiner Ankunft an Christus Gläubigen und (3) die ganze übrige Menschheit am Ende, wenn das Endgericht stattfindet. Über den Abstand dieser beiden Auferstehungen voneinander - über ihre Dauer oder darüber, wo oder wie sie stattfinden werden - wird hier nicht gesprochen. Es ist die einzige Aussage, die der Apostel über die Ordnung der Auferstehung trifft« (Ellicott).

Alford schreibt: »Die Auferstehung der übrigen Toten, hier überkleidet durch den allgemeinen Begriff to telos [das Ende], wird in dieser Erörterung nicht besonders behandelt, sondern nur die der Christen ... Es sollte überflüssig sein, den Lernenden auf die Unterscheidung zwischen der parousia [die Ankunft] für die in Christus und dem Endgericht hinzuweisen. Es ist hier von außerordentlicher Wichtigkeit, das im Sinn zu behalten.«

Auch Robertson und Plummer meinen, dass diese Textpassage auf ein Kommen Christi ausschließlich für sein Eigentum, die Gläubigen des Gemeindezeitalters, hinweist, das von einer weiteren Ankunft getrennt betrachtet werden muss. Bei diesem weiteren Kommen wird er die anderen Toten auferwecken: »Von diesen tagamata [jeder in seiner eigenen Ordnung] gibt es in der vorliegenden Textpassage zwei, die eindeutig gekennzeichnet sind - Christus, der bereits das Ziel der Auferstehung erreicht hat, und Christi Eigentum [die Gemeinde], die das Ziel erreichen wird, wenn er wiederkommt. Vielleicht denkt Paulus an eine dritte tagamata [Ordnung], irgendwann vor dem Ende. Aber hier an dieser Textstelle stehen die Ungläubigen und Gottlosen ganz im Hintergrund, falls überhaupt an sie gedacht wird.«

Christi Eigentum, die entschlafenen Gläubigen des Gemeindezeitalters, warten jetzt noch auf die Auferstehung. Diese Textpassage zeigt eine Abfolge dieser Auferstehung bei der Entfaltung der Ereignisse der Endzeit. Da Paulus hier ganz gezielt die Gemeinde anspricht, befasst er sich nicht mit den Einzelheiten aller weiteren Auferstehungen. Er konzentriert sich vielmehr auf die entschlafenen Gläubigen des Gemeindezeitalters und auf ihren Platz im Rahmen der ablaufenden Ereignisse.

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Hoffnung und Trost

Nahezu alle Textstellen zur Entrückung sprechen vom Segen der Ankunft des Herrn für die Seinen oder, spezieller, der Wiederkunft Jesu Christi, um die Seinen zu sich in den Himmel heimzuholen. Das bedeutet Hoffnung und Trost für seine Gemeinde, und es ist gewiss ein anderes Szenario als jenes, wenn Christus wiederkommt, um auf der Erde zu richten, zu herrschen und als Messias zu regieren. Ein wirklicher Schlüssel zu den Textabschnitten, die von der Entrückung sprechen, ist diese Freude und Erwartung, nach Hause zu kommen.

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Hoffnung und Trost

Die Heimkehr

In Joh 14,1-3 versprach Jesus seinen Jüngern, ihnen eine Stätte zu bereiten. Nach dem griechischen Wortlaut könnte dieser Abschnitt folgendermaßen wiedergegeben werden: »Lasst euer Herz nicht beunruhigt werden. Ihr alle glaubt an Gott; in derselben Weise setzt euer Vertrauen weiter auf mich. In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Falls es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt; denn ich gehe hin, einen Raum für euch vorzubereiten [dass ihr darin leben könnt] . Ich werde wiederkommen und euch [zu mir nach Hause] mitnehmen, damit, wo ich bin, ich und ihr zusammen seid« (eigene Übersetzung des Autors).

In diesem Abschnitt werden Hoffnung und Trost in Form einer Verneinung ausgedrückt: »Lasst eure Herzen nicht beunruhigt werden.« Warum nicht? Weil Christus eine Stätte für sie vorbereitet, und er wiederkommen wird, um sie zu sich zu nehmen. Diese Aussage bezieht sich auf die Entrückung, weil hier davon ausgegangen wird, dass sein Kommen noch zu Lebzeiten der Jünger hätte geschehen können. Obwohl sie den Tod erlebten, sollten ihre neuen Leiber zum Zeitpunkt der Entrückung mit nach Hause genommen werden.

Das »Haus« (oikos ) des Vaters ist nicht gleichzusetzen mit dem irdischen Reich, in dem Jesus herrschen wird. Nach seinem Sterben sollte Jesus bald in seines Vaters Haus zurückkehren, dann aber für die Seinen kommen und sie zu einem Ort hin mitnehmen, den er für sie vorbereitet hat. Jesus sagt nicht, dass seine Jünger einfach sterben und zum Haus des Vaters gehen werden (obgleich das natürlich mit ihren Seelen geschehen würde, wenn sie vor seinem Kommen sterben würden). Daher muss sich dieser Hinweis auf sein Kommen für sie entweder auf die Entrückung zu ihren Lebzeiten beziehen oder auf die leibliche Auferstehung, die parallel dazu stattfindet. »Die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein« ( 1Thes 4, 16-17 ).

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Hoffnung und Trost

Standhaftes Warten

Abgesehen von den Worten des Herrn in Joh 14,1-3 dürfte Jak 5,7-9 einen der frühesten Hinweise auf die Entrückung enthalten. Über die Hoffnung und Erwartung könnte man die Verse 7-9 vom Wortlaut des griechischen Textes her folgendermaßen lesen: »So wartet denn standhaft, bis die Zeit der Heimsuchung [parousia ] gekommen ist. Siehe, der Bauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde, er wartet geduldig auf sie ... auch ihr, wartet standhaft, macht eure Herzen entschlossen und standfest, denn die Ankunft des Herrn kommt fortschreitend näher.«

Die Redewendung »wartet standhaft« mahnt zu Geduld und Langmut. Zur Verdeutlichung wird das Bild vom Bauern, der »wartet«, herangezogen. Das griechische Ver b ekdechetai beinhaltet eine »freudige Erwartung«. Jakobus spornt seine Leser nicht nur zu einer freudigen Erwartung in Bezug auf das Kommen des Herrn an, sondern auch zu einer festen Entschlossenheit ihrer Herzen (kardia) .

Dieser Text über die Entrückung vermittelt Zuversicht und Hoffnung ungeachtet aller Verfolgungen, die die Gemeinde bedrängen. Der Bauer wartet voller Hoffnung auf erfrischende Regenfälle, die eine gute Ernte verheißen. In gleicher Weise können Gläubige das Kommen des Herrn erwarten. Barnes schreibt dazu: »So wie der Bauer zur rechten Zeit die Rückkehr des Regens erwartet, können wir der Befreiung von unseren Prüfungen entgegensehen.«

 

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Hoffnung und Trost

Errettet vor dem kommenden Zorn

1Thes 1,9-10 ist ein ausdrucksvoller Text über die Entrückung, der ebenfalls von einer Hoffnung in »freudiger Erwartung« spricht. Er vermittelt Hoffnung und Trost, weil er davon spricht, dass die Gläubigen vor dem Schrecken des kommenden Zorns weggerissen werden. Im Hinblick auf diese Hoffnung könnte der Text nach dem griechischen Wortlaut folgendermaßen übersetzt werden: »Ihr seid umgekehrt ... um nun einem lebendigen, treuen Gott zu dienen und jetzt gespannt seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten, den [Gott] aus den Toten auferweckt hat, Jesus, der uns wegreißen (retten) wird [hin zu sich selbst] vor dem Zorn, der da kommt« (Übersetzung des Autors).

Dem Verb »seid in gespannter Erwartung« (anameno ) wird durch die Präposition ana eine stärkere Intensität verliehen. Darunter ist eine fortdauernde oder geradlinige Entwicklung zu verstehen: ein anhaltendes Warten. Hendricksen äußert sich folgendermaßen zu dieser hoffnungsvollen Erwartung: »Die Ausdruckskraft des Verbs warten darf nicht außer Acht gelassen werden. Es bedeutet, einer Sache mit Geduld und Vertrauen entgegenzusehen ... Es beinhaltet ein Bereitsein für seine Wiederkunft ... Der Gedanke an sein Kommen hat ja für den Gläubigen nichts Erschreckendes ... Denn es ist ja Jesus, der uns errettet (dabei ist, uns zu erretten) vor dem Zorn, der kommen wird (dem kommenden Zorn).«

Barnes sagt: »Die Hoffnung auf seine Rückkehr zu unserer Welt, um die Toten aufzuerwecken und seine Erlösten in den Himmel mitzunehmen, ist die herrlichste und freudigste Aussicht für die Menschheit, und wir sollten zu jeder Zeit bereit sein, ihm als unserem zurückkehrenden Herrn zuzujubeln, und uns ihm als unserem herrlichen Erlöser in die Arme zu werfen.«

 

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biblisches Studium

Hoffnung und Trost

Unsere Hoffnung bei seinem Kommen

Paulus schreibt in 1Thes 2,19 : »Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Ruhmeskranz - nicht auch ihr? - vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft?« Das ist eine ungewöhnliche Art, über Hoffnung und Trost zu sprechen. Aber Paulus will damit den Gläubigen in Thessalonich klar machen, wie sehr er sich über ihren engagierten Einsatz für das Evangelium freut. Leid und Verfolgung, die sie um des Namens Christi willen erleiden mussten, hatten ein beinahe unerträgliches Ausmaß erreicht. Deshalb erwähnt Paulus, dass diese Gläubigen in dem Augenblick, in dem sich die Entrückung ereignet, wenn er dem Herrn von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen wird, seine große Freude sein wird. Dieses Ereignis ist nicht das Kommen Christi zum Weltgericht, sondern die Entrückung, bei der der Herr die Seinen zu sich nimmt.

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Hoffnung und Trost

Einander Trösten

In dem wichtigsten Text über die Entrückung ( 1Thes 4,13-18 ) schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Thessalonich über dieses große, wunderbare Ereignis, damit sie sich nicht betrübt sind wie die »anderen, die keine Hoffnung haben« (Vers 13 ). Die Thessalonicher trauerten um ihre verstorbenen (entschlafenen) Glaubensgeschwister, weil sie meinten, dass nur sie als Lebende eine Hoffnung bei der Wiederkunft Christi hatten. Damit unterschieden sie sich praktisch nicht von der Unerlösten, die den Tod als endgültige Vernichtung betrachteten. Paulus wollte ihren Irrtum korrigieren und stellte die heidnische Welt als hoffnungslos dar, aber in Bezug auf die Gläubigen, ob lebend oder entschlafen, spricht er von der glückseligen christlichen Gewissheit der Auferstehung zur Herrlichkeit mit dem Herrn Jesus Christus.

In Vers 18 ermahnt Paulus die Gläubigen, in diesem Wort des Herrn über die Entrückung und die damit verbundene Auferstehung Trost zu suchen und zu finden. Die Wurzel des Wortes »Trost« (parakaleo ) kann bedeuten: »an die Seite rufen« oder »beraten«. »In gleicher Weise beratet einander mit diesen Worten.« Gegenwartsform und aktiver Modus werden im Griechischen gebraucht, um zu betonen, dass sie es jetzt nötig haben, sich gegenseitig zu trösten, aber auch weiterhin, bis der Herr wiederkommt. Durch diese Bewährung im Glauben wird die Gewissheit des endgültigen Sieges verdeutlicht.

Nachdem er über den Tag des Herrn ( 5,2 ) und den kommenden Zorn ( 5,9 ) geschrieben hat, schließt der Apostel mit der erneuten Aufforderung, einander zu trösten, weil Gott die Seinen nicht durch diese Tage des Schreckens gehen lassen wird, die über die Welt kommen werden. Nach dem Wortlaut des griechischen Textes schreibt Paulus in Kapitel 5,11 : »Deshalb ermahnt einander unablässig und erbaut einer den anderen, gerade so [und wie ich auch weiß], wie ihr es jetzt schon tut.«

Manche Gläubige waren in Jesus entschlafen ( 4,14-15 ). Andere werden am Leben sein, wenn sich die Entrückung ereignet ( 4,17 ), und sie alle werden ganz sicher nicht den schrecklichen Tag des Herrn miterleben, der über die Erde kommen wird ( 5,9 ). Deshalb besteht die große Hoffnung darin, dass die Gläubigen bei ihrem Erlöser sein werden - entweder durch Entrückung oder durch Auferstehung. Diese Worte enthalten einen wirklichen Trost.

 

ENTRÜCKUNG

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Hoffnung und Trost

Der Tag des Herrn ist noch nicht gekommen

Die meisten Ausleger sind der Auffassung, dass 2Thes 2,1 sich ausschließlich auf die Entrückung bezieht. Nach dem Wortlaut des griechischen Textes könnte der Vers lauten: »Nun bitte ich euch, Brüder, wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus, sogar [wegen] unserer Versammlung zu ihm« (Übersetzung des Autors).

A. T. Robertson betrachtet den ganzen Vers als »Hinweis auf die in 1Thes 4,15-17 erwähnte Entrückung.« Paulus schreibt weiter: »... dass ihr euch nicht schnell in eurem Sinn erschüttern, auch nicht erschrecken lasst« ( 2Thes 2,2 ). Obwohl hier nicht die Wörter Hoffnung oder Trost verwendet werden, spricht der Apostel den Thessalonichern mit dem Hinweis Trost zu, dass der Tag des Herrn noch nicht gekommen sei. Zuerst müsse der große Abfall kommen, und der Antichrist (der Mensch der Gesetzlosigkeit) müsse offenbar werden ( 2,3-4 ).

In seinen tröstenden Worten verwendet Paulus zwei Verneinungen: »Werdet nicht erschüttert« (saleuo ) in eurem Geist, »seid« auch nicht »entsetzt« (throe o), als ob der Tag des Herrn bereits gekommen sei (Vers 2 ). Paulus verweist auf die Entrückung in 1Thes 4,15-17 und bekräftigt die Zusicherung, dass die Gläubigen dem kommenden Zorn entgehen werden.

 

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Hoffnung und Trost

Die Auferstehung Christi gibt Hoffnung

In 1Kor 15 argumentiert Paulus, dass wir keine Hoffnung hätten, wenn Jesus nicht aus den Toten auferstanden wäre. »Also sind auch die, welche in Christus entschlafen sind, verloren gegangen. Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus gehofft haben, so sind wir die elendesten von allen Menschen« ( 15,18-19 ). Er gibt den Gläubigen die wunderbare Zusicherung: »In Christus werden alle lebendig gemacht werden« (Vers 22 ). Und auf Christi Auferstehung folgt die Auferstehung der Gläubigen bei der Entrückung: »... sodann [nach der Auferstehung Jesu] die, welche Christus gehören bei seiner Ankunft« (Vers 23 ). Wie Jesus verheißen hat ( Joh 14,2-3 ) wird Christus für seine Gemeinde wiederkommen, und die Toten in Christus werden auferweckt werden ( 1Thes 4,16 ).

In 1Kor 15,49 setzt Paulus seine Hymne auf die Hoffnung in Bezug auf die Auferstehung fort: »Wie wir das Bild des Irdischen getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen.« Dem lässt er die hoffnungsvolle und frohe Beteuerung folgen: »Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden« ( 15,51-52 ).

Diese Verse drücken wirklich Hoffnung und Trost aus. Mit dem Wort »Siehe« gebraucht der Apostel einen kraftvollen Ausruf, um die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine »bedeutungsvolle Offenbarung« zu richten, die er »besonders stark betont«. Paulus erwähnt zweimal, dass wir irgendwann in der Zukunft verwandelt werden. Das hier verwendete griechische Wort bedeutet »verändern«, oder in anderem Zusammenhang: »seine Gewohnheiten ändern«; aber auch: »eine neue Position einnehmen«, »ein Ding gegen ein anderes austauschen«, »auswechseln«.

Aufgrund der einzigartigen Stellung der Gemeinde und der Tatsache, dass die noch lebenden Gläubigen vor dem kommenden Zorn verwandelt und entrückt werden, verkündet Pulus mit großer Freude diese segensreiche »neue« Offenbarung. »Dass [Paulus] nicht die damaligen Empfänger seines Briefes meinte, geht aus der gesamten Argumentationsweise hervor, denn diese bezieht sich auf Christen allgemein, d. h. auf die Gemeinde als Ganzes.

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Hoffnung und Trost

Ein neues Bürgerrecht

Eine von Paulus��� hoffnungsvollsten Verkündigungen finden wir in Phil 3,20-21 : »Denn unser Bürgerrecht ist wirklich im Himmel, aus dem heraus wir einen Erlöser, den Herrn Jesus Christus, erwarten (um ihn willkommen zu heißen), der die Gestalt unseres Leibes, (der da hat) eine Begrenzung, verwandeln wird« (Übersetzung des Autors).

Wir »erwarten einen Erlöser« (apekdechoma i). Dieses Wort kann »empfangen« oder »willkommen heißen« bedeuten. Paulus schließt sich selbst in die Vorfreude ein. Alford formuliert es folgendermaßen: »Wir warten ... und rechnen damit, bis das Ereignis eintritt ...«. Diese Formulierung ist eine lebhafte Bezeichnung für die Vorfreude des Paulus auf das Kommen Christi als die normale Haltung eines Christen, der auf der Erde zu Gast und dessen Heimat im Himmel ist« (Alford).

 

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Hoffnung und Trost

Große Erwartungen

In Tit 2,13 schreit Paulus seine freudige Erregung über die Entrückung förmlich heraus. Nach dem Wortlaut des griechischen Textes könnte man diese Passage auch so lesen: »Wir erwarten fortwährend in Aufregung die glückselige Hoffnung und herrliche Erscheinung unseres großen Gottes, ja unseres Erlösers Christus Jesus« (Übersetzung des Autors).

»Fortwährend in Aufregung erwarten« wird oftmals einfach mit »erwarten« (prosdechoma i) übersetzt. Doch in Wirklichkeit macht die verwendete Gegenwartsform dieses »Erwarten« zu einer ununterbrochenen Hoffnung. »Dieser Ausruf beschreibt einen beständigen Zustand, eine fortwährende Haltung.« Die »glückselige Hoffnung« könnte auch mit »freudige Erwartung« übersetzt werden. Diese Erwartung ist nicht in Frage gestellt, sondern sie wird sich erfüllen, und sie bewirkt bei einem Menschen eine große innere Freude, die auf die endgültige Erlösung ausgerichtet ist. »Hier wird die große Erwartungshoffnung beschrieben, die im Leben von Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der alles beherrschende Gedanke ist.«

 

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Zuversichtlich sein, wenn er kommt

Christus könnte sich selbst zu jeder Zeit mit der Entrückung offenbaren. Der Apostel Johannes äußert in seinem Brief über die Liebe (1.Johannes) ähnliche Gedanken wie Paulus. In zwei unterschiedlichen Zusammenhängen spricht er von Zuversicht und Hoffnung im Blick auf das Kommen Jesu. Nach dem Wortlaut des griechischen Textes schreibt er: »Und nun bleibt in ihm, damit wir, wenn er geoffenbart werden wird, Zuversicht haben und uns nicht aus Scham vor ihm verbergen müssen bei seiner Ankunft« ( 2,28 ). »Wir werden ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist« ( 3,2 ).

Manchmal kann »Zuversicht« (parousia ) als »Freude«, als »Beherztheit« oder als »Kühnheit« übersetzt werden. Durch die Verwendung des Pronomens »wir«, schließt Johannes die Möglichkeit ein, dass auch er selbst noch am Leben sein könnte, wenn Jesus wiederkommt, und dass seine Generation vielleicht nicht mehr sterben muss. Er ermutigt die Gläubigen, in enger Gemeinschaft mit Jesus zu leben, damit sie sich bei seinem Erscheinen nicht schämen müssen. Johannes meint hier nicht eine Erfahrung nach der Auferstehung, sondern ein Ereignis, das noch zu seinen Lebzeiten stattfinden könnte.

In Kapitel 3,2 erklärt Johannes Folgendes: Wenn ein Gläubiger die Rückkehr seines Herrn erwartet, wird dies eine reinigende Wirkung auf den inneren Menschen haben. »Einer, der seine Hoffnung im Glauben auf den Sohn Gottes setzt, erfährt eine inwendige Reinigung, die so vollständig ist wie die Reinheit Christi.«

 

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Die Verwandlung

Wenn sich die Entrückung ereignet, werden die Gläubigen unmittelbar neue, verherrlichte Leiber empfangen, die dem Auferstehungsleib des Christus gleichen, und die Auferstehung der in Christus Entschlafenen findet statt. Diese Verwandlung betrifft sowohl die Lebenden als auch die Toten und geschieht, damit sie in die Gegenwart des lebendigen Gottes und seines Sohnes versetzt werden können. Dies deutet Paulus erstmals in 1Thes 4,13-18 an.

 

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Die Verwandlung

Dem Herrn in der Luft begegnen

Natürlich können die Toten in Christus und wir, die wir leben, nicht »zugleich mit ihnen entrückt werden, in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft« ( 4,17 ), ohne dass nicht beide zuvor mit Herrlichkeitsleibern ausgestattet werden. Der Apostel klärt dies abschließend mit der Folgerung: »So werden wir allezeit beim Herrn sein« ( 4,17 b).

 

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Die Verwandlung

Mit ihm zusammen leben

Da Gläubige in Christus nicht zum Zorn bestimmt sind ( 1Thes 5,9 ), sondern durch sein Opfer die Errettung erlangt haben, werden sie entrückt, um mit ihm zusammen mit ihm zu leben ( 5,10 ). Mit diesem Gedanken wird nochmals die Tatsache betont, dass Christen verwandelt werden müssen, damit sie beim Herrn leben können.

 

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Die Verwandlung

Jene, die Christus gehören

Nach einer solch tiefgehenden Erläuterung der Notwendigkeit einer Auferstehung ( 1Kor 15,12-21 ), fasst Paulus diese Gedanken mit folgenden Worten zusammen: »... in Christus werden alle lebendig gemacht« (Vers 22 ). Dann fügt er (nach dem Wortlaut des griechischen Textes) hinzu: »Zur Erklärung: Jeder aber [wird auferweckt werden] in seiner eigenen Ordnung: Christus, der Erstling; dann als nächste die, welche Christus gehören bei seiner Ankunft« (Vers 23 ). Wieder wird die Verwandlung an die Auferstehung geknüpft. Aber in 1.Korinther 15,51-54 bezieht Paulus auch die körperliche Umwandlung der lebenden Gläubigen in Christus mit ein: »Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden ... die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen« (Verse 51-53 ).

Das griechische Wort für Verwandlung (allasso ) kann auch bedeuten »einen neuen Standpunkt einnehmen«, »ein Ding durch ein anderes austauschen«.

 

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Die Verwandlung

Die Gleichgestaltung unseres Leibes bei seiner Ankunft

Phil 3,21 enthält eine kraftvolle Erklärung für die notwendige, einschneidende Verwandlung unseres Leibes: »Christus wird unseren Leib, der begrenzt ist, umgestalten zur Gleichgestalt mit dem Leib seiner Herrlichkeit«. Dies vollbringt er durch die »wirksame Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.«

Das Wort verändern oder modifizieren , oftmals mit »umgestalten« (metaschamatizo ) übersetzt, kann von der Wortbedeutung her auch heißen: »die Grundlagen verändern oder modifizieren«. Jesus wird den jetzigen Leib umwandeln in etwas Neues. Das Wort kann auch die vollständige Veränderung einer Person oder einer Sache ausdrücken, eine Verwandlung der Form, eine Veränderung der Konfiguration, einen Wechsel des Standpunkts oder Zustands.

Begrenzung oder Einschränkung wird oftmals als »niedriger Zustand« (tapeinoseos ) übersetzt. Das Wort kann Niedrigkeit bezeichnen, Verringerung, Erniedrigung, Degradierung oder Demütigung sowie Herabsetzung oder Schmälerung. Paulus spricht über einen Leib, der jetzt niedriger ist als »der Leib der Herrlichkeit«. Er ist irdisch, natürlich, fleischlich, vergänglich ( 1Kor 15 ). Die Sünde beherrscht alles, klagt an und bewirkt ein Seufzen nach Befreiung: »Auch wir selbst seufzen in uns selbst und erwarten die Sohnschaft: die Erlösung unseres Leibes« ( Röm 8,23 ).

Das Wort Gleichformung , oft mit »Gleichgestaltung« (summorphon) wiedergegeben, kann wörtlich mit »zusammengeformt« übersetzt werden. Homer Kent schreibt: »Der gegenwärtige Leib wird wörtlich als ���Leib der Niedrigkeit��� bezeichnet ... damit liegt die Betonung auf seiner Schwäche und Anfälligkeit für Verfolgung, Krankheit, sündhafte Neigungen und Tod. Beim Kommen Christi wird allerdings die irdische, vergängliche Erscheinung verwandelt werden, sowohl bei der Auferstehung der Toten als auch bei der Entrückung der Lebenden. Die Gläubigen werden verwandelt werden und empfangen Herrlichkeitsleiber, die angemessener ihr eigentliches Wesen als Kinder Gottes und Teilhaber des göttlichen Lebens in Christus zur Geltung bringen.«

 

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Die Verwandlung

Wie Jesus sein

Obwohl es schwer ist, dies völlig zu erfassen, sagt Johannes: »Wir wissen mit Gewissheit, dass wir, wann auch immer er offenbart werden wird, wir eins mit ihm sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist« ( 1Jo 3,2 ; Übersetzung des Autors). »���Wann auch immer« klingt ziemlich unsicher, aber die grammatikalische Konstruktion beinhaltet dennoch Gewissheit.« Dementsprechend wörtlich übersetzt, lautet der Text: »Gleichartige mit ihm werden wir sein.« Wir werden einen Leib und eine Konstitution besitzen, wie er sie hat! »Daraus geht deutlich hervor, dass der Anblick des Erlösers, wie er wirklich ist, unsere Umwandlung in sein Ebenbild bewirken wird.«

 

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Eine Rückkehr in den Himmel

In vielen Texten über die Entrückung ist direkt oder indirekt von einer Rückkehr in den Himmel die Rede. In sieben unterschiedlichen Textzusammenhängen wird deutlich, dass unsere Bestimmung im Himmel ist. Diese Texte über ein »Wegnehmen« beziehen sich auf die Entrückung.

 

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Eine Rückkehr in den Himmel

In das Haus meines Vaters

Jesus sagte zu seinen Jüngern: »Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, einen Raum für euch vorzubereiten [um darin zu leben]. Ich werde wiederkommen ... damit auch ihr seid, wo ich bin, ihr und ich [zusammen]« ( Joh 14,2-3 , eigene Übersetzung). Christus sagte wörtlich: »Wieder ich komme.« Vom Textzusammenhang her handelt es sich um eine noch unvollendete Gegenwart. »Ich werde wiederkommend sein.« Dieses Ereignis »wird als so gewiss betrachtet, dass es gedanklich als bereits im Geschehen begriffen angesehen wird.«

 

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Eine Rückkehr in den Himmel

Errettet vor dem Zorn

In 1Thes 1,9-10 heißt es, dass wir den Sohn Gottes aus dem Himmel erwarten, »der uns errettet vor dem kommenden Zorn.« Daraus kann man schließen, dass wir von der Erde weggenommen werden, damit wir »allezeit bei dem Herrn sein werden« ( 4,17 ). Somit werden wir in den Himmel aufgenommen. Es geht hier wieder nicht um den Sohn des Menschen, der kommt, um auf der Erde zu herrschen, sondern darum, uns fort zu nehmen, wenn Gott die Bewohner der Erde mit noch nie dagewesenen Plagen heimsuchen wird.

 

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Eine Rückkehr in den Himmel

Vor den Vater gebracht

In 1Thes 3,13 kündigt der Apostel an, dass wir beim Kommen unseres Herrn Jesus zusammen mit all seinen Gläubigen heilig und untadelig vor unserem Gott und Vater gestellt werden sollen. So wird in Kapitel 2,19 (die Gegenwart unseres Herrn Jesus bei seinem Kommen) das Wort »vor« für eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht gebraucht. Man beachte die Parallele: »Vor (der Gegenwart von) unserem Herrn Jesus« ( 2,19 ) und »vor (der Gegenwart von) unserem Gott und Vater« ( 3,13 ). Diese Begegnung muss im Himmel stattfinden.

 

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Allezeit bei dem Herrn

Kaum jemand kann bestreiten, dass Paulus sich auf den Himmel bezieht, wenn er sagt, dass wir allezeit bei dem Herrn sein werden ( 1Thes 4,17 ). Theologen aus allen Lagern der prophetischen Auslegung haben stets diese Auffassung von der Heimkehr der Gläubigen in den Himmel vertreten. Der griechische Grundtext verdeutlicht diesen Sachverhalt sogar noch stärker: Wir werden »entrückt werden in die Wolken zur Begegnung mit dem Herrn in der Luft. So werden wir selbst allezeit mit dem Herrn zusammen sein.« Viele Theologen stimmen auch weitestgehend überein, dass Paulus auf den Himmel anspielt, wenn er sagt, dass wir »ob wir wachen oder schlafen, zusammen mit ihm leben« werden ( 1Thes 5,10 ).

 

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Zu ihm hin versammelt

Viele vertreten auch die Auffassung, dass der Apostel, wenn er von »der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus« und »unserer Vereinigung mit ihm« schreibt, ebenfalls noch von unserer Heimkehr in den Himmel spricht ( 2Thes 2,1 ). Manchmal wird dieses Ereignis auch als »Musterung der Gläubigen für den Himmel« bezeichnet! In der Tat kann der Ausdruck »mit ihm« auch mit »zu ihm hinauf« übersetzt werden.

 

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Eine Rückkehr in den Himmel

Bürgerschaft im Himmel

Es ist unstrittig, worüber Paulus in Phil 3,20 spricht. Auch wenn sie noch auf der Erde leben, haben Christen ihr Bürgerrecht woanders, und zwar im Himmel. Das steht im Gegensatz zu jenen, die ihre Gesinnung auf das Irdische richten ( 3,19 ): »Ihre [der Welt] Gedanken sind auf die Erde ausgerichtet; unsere Heimat ist im Himmel, und auch während unserer irdischen Pilgerreise sind wir mit unseren Empfindungen dort.«

 

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Zum Herrn gebracht werden oder Christus von Angesicht zu Angesicht sehen

Dieses Ereignis bezieht sich nicht auf Jesus als den König Israels, den Messias, beim Antritt seiner Herrschaft auf der Erde. Aus dem Zusammenhang aller Verse über die Entrückung geht direkt oder indirekt hervor, dass es sich dabei um eine Heimkehr handelt, »um bei dem Herrn im Himmel zu sein«. Sie weisen aber auch darauf hin, dass die Gläubigen bei der plötzlichen Entrückung und Verwandlung der Lebenden oder durch die Auferstehung der entschlafenen Gläubigen Jesus unvermittelt sehen werden. Der Sinn dieses »Wegreißens« der Lebenden besteht darin, den Weg frei zu machen für den Zorn, der über die Erde kommen soll. Wenn Christus bei seinem zweiten Kommen erscheint, um zu herrschen, werden die Gläubigen der Gemeinde ihn begleiten.

 

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Zum Herrn gebracht werden oder Christus von Angesicht zu Angesicht sehen

Wir werden sein, wo Jesus ist

In Joh 14,3 stellt Christus unzweifelhaft fest: »Ich werde wiederkommen und euch mit mir nehmen [zu meinem eigenen Heim], das, wo ich bin, ich und ihr [zusammen seid]« (Übersetzung des Autors). Die Jünger des Herrn hätten zu Lebzeiten ent rückt werden können, doch sie starben und ihre Seelen wurden in den Himmel aufgenommen. Deshalb wird die Rückkehr Christi für ihre Seelen die leibliche Auferstehung bringen, und ihre Seelen werden wieder mit ihren Leibern vereint werden. Dann werden die Jünger ihre neuen Leiber empfangen. Aber zu ihren Lebzeiten hätten sie weggerissen werden und ihrem Herrn plötzlich in der Luft begegnen können.

 

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Zum Herrn gebracht werden oder Christus von Angesicht zu Angesicht sehen

Warten auf den Sohn Gottes

Gläubige sollen die Rückkehr des auferstandenen Jesus, des Sohnes Gottes, aus dem Himmel freudig erwarten ( 1Thes 1,10 ). Sie werden ihn von Angesicht zu Angesicht sehen! Das Wort »erwarten« (anameno) könnte auch übersetzt werden mit »anhaltend ausharren im Erwarten seines Sohnes«. »Die Ausdruckskraft des Verbs��� warten��� darf nicht außer acht gelassen werden. Es bedeutet, »mit Geduld und Zuversicht auf etwas harren ... bereit sein für seine Rückkehr« ... Der Gedanke an seine bevorstehende Ankunft hat für den Gläubigen jeden Schrecken verloren« (Hendrickson).

 

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Zum Herrn gebracht werden oder Christus von Angesicht zu Angesicht sehen

Der Richter ist im Anmarsch

Wenn der Apostel Jakobus Christus als den kommenden Richter bezeichnet ( Jak 5,9 ), dann meint er damit nicht ein Gericht über unser ewiges Schicksal, sondern das Preisgericht (bema) über unsere Werke. »Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl [bemato s] Christi offenbar werden, damit jeder empfange, was er durch den Leib [vollbracht], dementsprechend, was er getan hat« ( 2Kor 5,10 ). Nach dem Wortlaut des griechischen Grundtextes sagt Jakobus: »Die Ankunft des Herrn nähert sich fortlaufend, sie kommt ständig näher« ( 5,8 ). Deshalb nähert sich Christus, unser Richter; er ist kurz davor, zu erscheinen.

 

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Jesus nimmt uns fort

Paulus schreibt von »Jesus, der uns errettet vor dem kommenden Zorn« ( 1Thes 1,10 ). Das griechische Deponens [A.d.Ü.: Ein Verb (Zeitwort) mit passiven Formen, aber aktiver Bedeutung] ruomai beinhaltet die Vorstellung von »befreien«, »erretten«. In einigen Textzusammenhängen wird es mit »errettet vor den Zähnen des Löwen« übersetzt ( 2Tim 4,17 ) beziehungsweise mit »errettet vor der Macht der Finsternis« ( Kol 1,13 ). Manche betrachten dies als eine Erklärung für das Amt Christi als unser Befreier. Es könnte auch als zeitloser Begriff für eine besondere Eigenschaft Jesu angesehen werden: Jesus, der als unser Erretter zurückkehren wird. Aus dem klassischen Griechisch kann das Wort erruo mit »aufnehmen« oder »fortnehmen« wiedergegeben werden. Vincent übersetzt ruomai mit dem kraftvollen Ausdruk: »zu sich selbst hin ziehen« mit dem besonderen Akzent der Rettung vor dem Bösen oder aus der Gefahr. Das Wort kann aber auch eine Bedeutung für die Zukunft haben: »Der, der uns [zu sich selbst hin] aufnimmt«, heraus aus dem kommenden Zorn.

 

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Weggerissen werden

In 1Thes 4,17 heißt es sinngemäß: »Wir werden in die Wolken hinein entrückt, hin zum Treffpunkt mit dem Herrn in die Luft.« Das Wort Entrückung kommt von dem griechischen Wort harpazo . Es hat die Grundbedeutung »geraubt«, »geschnappt« oder »entrissen« werden, und zwar durch eine Kraft, der man nicht widerstehen kann. Die Gläubigen werden der Welt entrissen, um den Herrn an einem verabredeten Platz in der Luft zu treffen. Der Begriff »Treffpunkt« (apantesin) hat in der Hellenistischen Welt eine Spezialbedeutung und bezieht sich auf Besuche von besonderen Würdenträgern. Solche Besucher wurden formell von den Bürgern oder von einer Abordnung der Bürger empfangen, die zu diesem Zweck aus der Stadt hinausgingen, dem Besucher entgegen. Der Empfangene wurde dann mit feierlichen Zeremonien in die Stadt hinein eskortiert. Bei der Entrückung wird uns Christus retten ( 1,10 ) und uns zu dem Treffpunkt in den Wolken hinwegreißen, ehe der Zorn Gottes über die Erde kommt ( 5,1-9 ). Verschiedene Textstellen sprechen über die Begegnung von Angesicht zu Angesicht mit dem Herrn ( 1Thes 2,19 ). Und »wir werden allezeit bei dem Herrn sein« ( 4,17 ). Andere, ähnliche Stellen machen deutlich: Wenn die Entrückung kommt, werden wir wirklich bei ihm sein: »Ob wir wachen oder schlafen, [wir werden] zusammen mit ihm leben« ( 5,10 ). »Unsere Vereinigung mit ihm« ( 2Thes 2,1 ); Wir erwarten gespannt »die glückselige Hoffnung und Erscheinung unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus« ( Tit 2,13 ). »Bleibt in ihm, damit wir, wenn er geoffenbart werden wird, Freimütigkeit haben und nicht vor ihm beschämt werden bei seiner Ankunft« ( 1Jo 2,28 ). »Wir werden ihn sehen, wie er ist« ( 1Jo 3,2 ).

 

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Sein Volk lebt anders

In einigen Textstellen wird mit der Entrückungshoffnung ein gottseliges Leben verbunden. Oft behaupten Kritiker der Entrückung, diese Lehre sei nur eine Ausflucht. Aber die Apostel Jakobus und Paulus spornen zu einem gottseligen Leben an, weil der Herr jeden Augenblick erscheinen kann, um uns zu sich zu nehmen.

 

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Beschwert euch nicht übereinander

Jakobus bittet: »Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür« ( Jak 5,9 ). Jakobus warnt auch vor dem Schwören und vor respektlosem oder entwürdigendem Verhalten. Der Herr könnte jeden Moment kommen: »Vor allem aber ... schwört nicht ... es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht unter ein Gericht fallt« ( 5,12 ).

 

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Schlaft nicht, seid nüchtern

Im Zusammenhang mit seiner Lehre über die Entrückung und die damit einhergehende Auferstehung der entschlafenen Gläubigen erinnert Paulus die an Christus Gläubigen daran, dass sie nicht zum Zorn bestimmt sind ( 1Thes 5,9 ). Die Gläubigen werden dem Tag des Herrn entkommen ( 5,2 ), der mit plötzlichem Verderben über »sie« kommen wird, d. h. über jene, die nicht an Christus geglaubt haben und in Finsternis sind ( 5,3-7 ). Aber Paulus fordert die Gläubigen auch auf, ein gottseliges Leben zu führen. Er schreibt: »Wir aber, die dem Tag gehören, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Brustpanzer des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung des Heils« ( 5,8 ). Der Apostel sagt den Kindern des Lichts: »Schlaft nicht!« Wir sollen nüchtern sein ( 5,5-6 ). Paulus spricht eindeutig darüber, wie wir im Licht der jeden Augenblick möglichen Wiederkehr des Herrn für die, die in Christus sind, leben sollen.

Außerdem betet Paulus für die Thessalonicher, dass Gott sie im Blick auf die Wiederkunft Christi moralisch intakt und vollständig bewahren möge: »Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus« ( 5,23 ). Das Wort »völlig« kann auch »vollständig« oder »durch und durch« bedeuten. »Sich zu konzentrieren, sich von den weltlichen Dingen abzusondern ... Nur hier im Neuen Testament bedeutet es »die Ganzheit eines jeden von euch«, »jeden Teil von euch«��� »durch und durch« (Luther), eher qualitativ als quantitativ.«

 

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Unbefleckt leben

Paulus schreibt an den jungen Timotheus: »Dass du das Gebot unbefleckt, untadelig bewahrst bis zur Erscheinung (epiphaneias) unseres Herrn Jesus Christus« ( 1Tim 6,14 ). Der Wortstamm »Fleck-« kann sich auf eine verborgene Verschmutzung oder auf einen verunreinigenden Makel beziehen. »Ohne Vorwurf«, »untadelig« birgt in sich den Gedanken an ein einwandfreies Verhalten. Vom Textzusammenhang her scheint der Apostel hier auf den Umgang mit Geld und die Gefahren des Reichtums zu verweisen. Ohne Frage hat er ein tadelloses, moralisches Leben und den richtigen Gebrauch der materiellen Dinge im Blick, damit der Gläubige im geistlichen Sinn aufrecht stehen kann, wenn Jesus wiederkommt.

 

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Die glückselige Hoffnung und das christliche Leben

Die Gnade Gottes und das mit ihr verbundene Heil sollte uns veranlassen, in Bezug auf einen gottseligen Lebenswandel genauestens unterwiesen zu sein und die glückselige Hoffnung zu erwarten ( Tit 2,12-13 ). Die Gnade Gottes hilft uns, die Gottlosigkeit und weltliche Begierden zu verleugnen und in dem gegenwärtigen Zeitalter vernünftig, rechtschaffen und gottselig zu leben. Und dies sollte die sehnsüchtige Erwartung der baldigen Rückkehr des Herrn hervorrufen. Wir lesen von den beiden Partizipien »unterrichten« (Vers 12 ) und »erwarten« (Vers 13 ): »Die Gnade Gottes ist erschienen ... uns unterrichtend [dass wir vernünftig leben sollen] ... [während wir] die glückselige Hoffnung erwarte n.«

 

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Nicht zurückschrecken

Wie Paulus schärft auch der Apostel Johannes den Gläubigen ein, zuversichtlich zu sein und sich bei der Ankunft des Herrn nicht vor ihm zu schämen und zurückzuschrecken ( 1Jo 2,28 ). Wie für uns mag es auch für die frühen Christen leicht möglich gewesen sein, ihren Retter zu vergessen. Vielen von ihnen mag ihr Leben unvollkommen erschienen sein. Johannes (und Paulus) verknüpfen deshalb das Leben der Gläubigen mit der Hoffnung auf die Entrückung und spornen sie an, damit sie nicht als schuldig Gewordene vor seinem Angesicht zurückschrecken, wenn der Herr wiederkommt.

Johannes fügt hinzu, dass gerade die feste Hoffnung auf die Wiederkunft Jesu eine reinigende Wirkung auf das Kind Gottes ausübt ( 1Jo 3,3 ): »Jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich selbst« ... Einer, der seine Hoffnung im Glauben auf den Sohn Gottes setzt, erfährt eine inwendige Reinigung, die so vollkommen ist wie Christi eigene Reinheit.

 

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Nahes Bevorstehen

Ganz ohne Zweifel, die frühe Gemeinde und die Apostel hofften auf die baldige Rückkehr des Christus. Der Gebrauch der Begriffe »wir«, »du« und »uns« sind ein Indiz dafür, dass Paulus die Entrückung in seiner eigenen Generation noch zu seinen Lebzeiten erwartete (Naherwartung). Wie bei manchen Verlöbnissen ist der Hochzeitstag noch nicht festgesetzt, doch Braut und Bräutigam erwarten trotzdem sehnsuchtsvoll ihre kommende Vereinigung. Die Jünger hatten auch diese Sehnsucht, aber sie erhielten keinen Hinweis auf den genauen Zeitpunkt der Entrückung. Sie geschah nicht zu ihren Lebzeiten, aber wir stellen weder ihre Hoffnung, noch die Offenbarung des Herrn oder die damit verbundene Lehre in Frage. Es bedeutet einfach, dass die Entrückung noch bevorsteht.

 

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Der Gebrauch des Fachbegriffes Parousia zur Beschreibung der Entrückung

Dieser Abschnitt verfolgt nicht den Zweck, eine vollständige Untersuchung des Wortes parousia zu liefern. Es soll einfach festgestellt werden, dass dieses Wort ebenso auf die Entrückung der Gemeinde angewandt werden kann wie auf das Kommen Christi zur Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches. Der Textzusammenhang liefert den Schlüssel dafür, welches Kommen jeweils im Blickfeld ist. Auch ist es wichtig festzustellen, dass das Wort parousia nicht einfach »ein Kommen«, »eine Ankunft« im allgemeinen Sinn bedeutet. Es kann im jeweiligen Textzusammenhang Anwesenheit bedeuten, eine Ankunft, eine Situation oder einfach das Erscheinen eines Würdenträgers zu einem offiziellen Besuch.

Wenn nun das Wort parousia in Entrückungstexten benutzt wird, darf es auf keinen Fall als ein Kommen verstanden werden, dem ein Bleiben folgt. Aber das Wort bezieht sich auch nicht automatisch auf das zweite Kommen Christi, das heißt auf seine Rückkehr auf die Erde zum Antritt seiner Herrschaft auf dem Thron Davids. Vom Kontext her könnte es also einfach mit »Ereignis«, »Erscheinen« oder »Besuch« übersetzt werden. Vor diesem Hintergrund werden nun die folgenden Textstellen zitiert.

Jak 5,7-9 : »Wartet nun unerschütterlich bis zu der Zeit, da der Besuch ankommt! ... Wartet nun unerschütterlich ... denn der Besuch des Herrn ist nahe herbeigekommen.«

1Thes 2,17-19 : »Seid nicht in Wirklichkeit ihr [unsere Freude], wenn wir unserem Herrn Jesus gegenüberstehen zur Zeit seines Erscheinens?«

1Thes 3,13 : »Dass er eure Herzen tadellos festigen wird ... in der Gegenwart unseres Gottes und Vaters bei der Ankunft unseres Herrn Jesus.«

 

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Andere Ausdrücke für sein Kommen

Neben parousia beschreiben auch noch andere Wörter und Begriffe den Gedanken an eine Wiederkunft Christi zur Entrückung, um die Seinen von der Erde fortzunehmen. Sie bekräftigen die Lehre von der Entrückung.

 

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Andere Ausdrücke für sein Kommen

»Ich werde zurückkehren«

Jesus sagte: »Ich werde wiederkommen und werde euch zu mir nehmen« ( Joh 14,3 ). Wörtlich heißt es: »Wieder bin ich kommend« (palin erchomai ). Aufgrund des Textzusammenhangs und wegen des Wortes »wieder« (palin) sollte dies als eine unvollendete Gegenwart betrachtet werden: »Ich werde wieder kommend sein.« Diese Aussage sollte man daher als ein klares Versprechen auffassen. »Dieser Gebrauch der Gegenwartsform kennzeichnet ein Ereignis, das noch nicht geschehen ist, das aber als so sehr gewiss betrachtet wird, dass es in Gedanken als bereits geschehen angesehen werden darf.« Da Jesus hier die Apostel persönlich ansprach, hätte sich diese Rückkehr durchaus ereignen können, während sie noch am Leben waren.

 

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Andere Ausdrücke für sein Kommen

Das Kommen des Herrn steht nahe bevor

Dem Wort parousia fügt Jakobus die Feststellung hinzu, dass dieses Kommen Jesu nahe ist ( Jak 5,8 ). Vom Griechischen her könnte dieser Ausdruck »ist nahe« (engiz o) so gedeutet werden: »Das Kommen des Herrn ist nahe herbeigekommen, und es kommt näher und näher.« Das Wort trägt den Gedanken des »unmittelbaren Bevorstehens« in sich und könnte auch gedeutet werden als »an einem bestimmten Punkt angekommen sein«. Das Wort engizo ist verwandt mit einem Hauptwort, das die Bedeutung »in unmittelbarer Umgebung« oder »dicht daneben« wiedergibt.

Jakobus sieht außerdem den Richter vor der Tür stehen ( Jak 5,9 ). Christus ist bis vor die Tür gekommen. Indem er die Form der vollendeten Gegenwart benutzt, sagt der Apostel: »Er ist sozusagen gerade eben vor der Türe angekommen.«

 

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Andere Ausdrücke für sein Kommen

Der Herr steigt vom Himmel herab

In 1Thes 4,16 bedeutet das Wort »herabsteigen« soviel wie »hernieder kommen« (katabaino) . »Er wird (Zukunftsform) herabkommen vom Himmel.« Die Folge ist, dass die Toten in Christus zuerst auferstehen werden, dann werden wir, die Lebendigen, die übrig geblieben sind, aufgenommen werden. Man beachte allerdings, dass Christus nicht hier auf der Erde bleiben wird. In der Tat werden wir zusammen mit den Auferstandenen mit ihm vereinigt werden.

 

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Andere Ausdrücke für sein Kommen

Gemeinsam zu ihm hin versammelt

In 2Thes 2,1 verwendet der Apostel Paulus das Wort parousi a, um die kommende Entrückung durch Christus zu beschreiben. Er fügt dann aber hinzu: »... und unserer Vereinigung mit ihm.« Für manche Gelehrte und Kenner der griechischen Sprache steht das »Kommen« und die »Vereinigung« für das gleiche Ereignis. Diese Textstelle könnte demnach lauten: »... wegen der Ankunft (o. Kommen) unseres Herrn ..., eben unserer Vereinigung mit ihm ...«. Ellicott sieht in dieser Vereinigung dasselbe wie in der Aufnahme der Gläubigen dem Herrn entgegen in die Luft in 1Thes 4,14-17 . A. T. Robertson fügt hinzu: »Paulus bezieht sich auf die Entrückung, die in 1Thes 4, 15-17 erwähnt wird, und auf die darauf folgende ewige Gemeinschaft mit dem Herrn.«

 

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Andere Ausdrücke für sein Kommen

Die glückselige Hoffnung seines Erscheinens

Obwohl der Begriff »Erscheinen« (epiphaneia) sich auf das zweite Kommen Jesu beziehen kann ( 2Thes 2,8 ), verweist er zweimal ebenso auf das Kommen des Herrn zur Entrückung ( 1Tim 6,14; Tit 2,13 ). Als Verb wird »erscheinen« zweimal für die Entrückung gebraucht - in 1Jo 2,28; 3,2 : »wenn er erscheint.«

In Tit 2,13 sagt Paulus, dass wir die glückselige Hoffnung und die Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus erwarten. »... der Herrlichkeit« ist ein beschreibender Genitiv, der oft als Adjektiv übersetzt wird: »die herrliche Erscheinung«. Das »und« zwischen den beiden Ausdrücken »hat eine erklärende Funktion; es definiert die Eigenart der Sache, auf die wir hoffen. Wir erwarten den Gegenstand dieser Hoffnung, eben das Erscheinen der Herrlichkeit. Das Griechische verbindet��� »die gesegnete Hoffnung und herrliche Erscheinung« durch einen gemeinsamen Artikel und legt dadurch den Gedanken nahe, dass es sich um ein Ereignis handelt, das aus zwei Blickwinkeln betrachtet wird. Der Hinweis auf den Herrn sollte so gelesen werden: »Der große Gott, eben der Heiland Christus Jesus.«

 

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Zum Vater gebracht

Drei Texte verweisen direkt darauf, dass wir zum Vater hin entrückt werden. Die erste ist Joh 14,1-3 . »Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen ... Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten« (Vers 2 ). Dieses Haus kann keinen Ort im irdischen Reich Christi bezeichnen, von dem aus Christus herrschen wird. Jesus kehrt jetzt , im historischen Kontext und mit Hinweis auf das nahe Ereignis seines Todes in seines Vaters Haus zurück. Er wird für die Seinen wiederkommen und sie zu einem Ort im Himmel bringen, den er vorbereitet hat.

Es handelt sich hier also um eine besondere persönliche Verheißung für die Gemeinde Jesu in einem neuen Heilszeitalter. Christi Kommen für sie bedeutet entweder die leibliche Auferstehung oder die leibliche Verwandlung bei der Entrückung. Nun wissen wir natürlich, dass die Jünger starben und jetzt die Auferstehung ihrer neuen Leiber und die Verbindung ihrer Seelen mit diesen Leibern erwarten.

1Thes 3,13 stellt uns Gläubige in Christus vor Augen, die »in Heiligkeit [in der Gegenwart] unseres Gottes und Vaters bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus mit allen seinen Gläubigen« sind. Paulus weist die Thessalonicher auf ihre Verpflichtung zu geistlichem und moralischem Wachstum hin, damit sie aufgrund ihrer Lebensweise freimütig vor Gott stehen können.

Im Titusbrief schreibt Paulus über das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus ( Tit 2,13 ). Obwohl der Vater und der Sohn eigenständige Personen der Gottheit sind, teilen sie miteinander das gleiche Wesen und die gleichen Eigenschaften. Wir werden von Gott, dem Sohn, entrückt und in die Gegenwart Gottes, des Vaters, gebracht. Im gleichen Brief sagt Paulus: »Gott [ist] unser Heiland« ( 3,4 ) und »Christus [ist] unser Heiland« ( 3,6 ).

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

»Die in Christus sind« oder Anspielungen auf die Gemeinde

Die Entrückung hat mit dem Heilszeitalter der Gemeinde zu tun, mit denen, die »in Christus« sind. Das Gemeindezeitalter ist eine einzigartige Epoche mit besonderen Verheißungen. Die durch den Glauben in ihm sind, werden dem kommenden Zorn nicht ins Auge sehen müssen ( 1Thes 5,9 ). Es gab nichts der Entrückung Vergleichba res für die Gläubigen des Alten Testaments, und es wird nichts Vergleichbares für die Gläubigen der Trübsalszeit geben.

Die meisten Entrückungstexte erwähnen die Beziehung, die der Gläubige zu Jesus hat. Paulus spricht von unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft ( 1Thes 2,19 ) und von den Toten als von jenen, die in Jesus entschlafen sind ( 4,14 ) und die nun »die Toten in Christus« genannt werden. Sie werden zuerst auferstehen ( 4,17 ). Der Zweck der Entrückung liegt, wie Paulus sagt, darin, dass wir dem künftigen Zorn entgehen und durch unseren Herrn Jesus Christus das Heil erlangen ( 5,9 ). Wachend oder schlafend werden wir gemeinsam mit ihm leben ( 5,10 ). Der Apostel betont erneut die Beziehung zu unserem Erlöser, wenn er die verwirrten Thessalonicher an dieses Kommen unseres Herrn Jesus Christus und an unsere Vereinigung mit ihm erinnert ( 2Thes 2,1 ).

In dem großen Auferstehungs- und Entrückungstext des Paulus ( 1Kor 15,12-28 ) werden beide Ereignisse eng mit der geistlichen Stellung des Gläubigen in Christus verbunden. Er sagt, in Christus werden alle lebendig gemacht werden ( 15,21 ). Jesus ist die Erstlingsfrucht der Auferstehung, dann die, welche Christus gehören bei seiner Ankunft ( 15,23 ). Und nach der herrlichen Beschreibung der Verwandlung der Gläubigen bei der Entrückung und der Auferstehung der Toten schließt der Apostel mit der triumphalen Feststellung: »Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus« ( 15,57 ; Hervorhebung durch den Autor).

Im Titusbrief nennt Paulus den Herrn »unseren großen Gott und Heiland Jesus Christus« ( 2,13 ). Er gab sich selbst für uns, und hat sich so selbst ein Eigentumsvolk gereinigt ( 2,14 ).

Diese Feststellungen sind wichtig, denn sie offenbaren die einzigartige Stellung, die die Gemeinde jetzt bei ihrem Herrn und Retter einnimmt und die sie vor dem kommenden Zorn bewahrt. »Wenn Gott seinem Zorn über die Erdenbewohner freien Lauf lässt ( Offb 6,16-17 ), wird der Leib Christi im Himmel sein - als Folge einer Reihe von Ereignissen, die in 1Thes 4,14-17 umrissen werden. Das ist Gottes Ziel« (Thomas).

»Bei der Ankunft Christi ... wird die irdische, vergängliche Erscheinung verwandelt, sowohl bei der Auferstehung der Entschlafenen als auch bei der Entrückung der Lebenden. Die Gläubigen werden umgestaltet und empfangen Herrlichkeitsleiber, die angemessener ihre grundlegende Eigenart widerspiegeln ... als Kinder Gottes und Teilhaber des göttlichen Lebens in Christus« (Kent).

 

ENTRÜCKUNG

biblisches Studium

Zusammenfassung

Aus diesen Entrückungstexten ergibt sich ein ganzes Netzwerk verwandter Themen, die erkannt und zusammengestellt werden können. Schlüsselverse bilden Schnittstellen zueinander und ergeben ein harmonisches Gesamtbild, das kaum noch in Frage gestellt werden kann. All die zusammengetragenen Informationen stärken die Lehre von der Entrückung und geben den Gläubigen Sicherheit. Diese Verse legen dar, dass die an Christus Gläubigen und zum Zeitpunkt der Entrückung Lebenden vom Herrn verwandelt und heimgeholt werden, ehe die schreckliche Epoche des Zorns beginnt. Sie offenbaren weiter, dass die Toten in Christus auferstehen werden, um einen neuen, ewigen Leib zu erhalten. Gemeinsam kehren wir mit dem Herrn heim und werden vor Gott, unseren Vater, gestellt.

Siehe auch: Entrückung, die Geschichte ihrer Lehre.

Mal Couch

Thomas D. Ice und Timothy Demy (Hrsg.), Wenn die Posaune erschallt (Pfäffikon: Verlag Mitternachtsruf, 2000), S. 31-62.

 

ENTRÜCKUNG

die Geschichte ihrer Lehre

Eine Geschichte der Lehre von der Entrückung ist außerordentlich wichtig für eine Geschichte der Lehre von der Vorentrückung, da die meisten anderen Sichtweisen nicht zwischen den beiden Phasen der Wiederkunft Christi unterscheiden - der Entrückung und dem zweiten Kommen Christi. Der Gedanke an eine Teilentrückung und Zwischenentrückung kam erst während der letzten hundert Jahre auf.

Es herrscht allgemein Übereinstimmung darüber, dass die frühesten Dokumente der Kirche der Antike außerhalb des neutestamentlichen Kanons unzweifelhaft die Sicht des Prämillennialismus widerspiegeln. Große Auseinandersetzungen ranken sich jedoch um das frühe Verständnis von der Entrückung im Zusammenhang mit der Trübsal. Vertreter der Vorentrückung verweisen auf den klar formulierten Glauben der frühen Kirche an das unmittelbare Bevorstehen der Wiederkunft Christi. Einige wenige Passagen in ein paar Dokumenten werden als Beweis angeführt, dass zumindest einige Gläubige in der Frühzeit der Gemeinde am Prätribulationismus festhielten.

Es ist typisch für jeden Bereich der Theologie innerhalb der jungen Kirche, dass gewisse prophetische Sichtweisen noch nicht entdeckt waren und sich manchmal auch widersprachen - eine Saat, aus der gegensätzliche und sich widersprechende theologische Positionen erwuchsen. Es ist sehr schwer, bei den Kirchenvätern klare, eindeutige Stellungnahmen für die Vorentrückung zu finden. Man findet allerdings eindeutig Elemente, die im Zusammenhang mit den sonstigen prophetischen Sichtweisen der Kirchenväter die Lehre von der Vorentrückung stützen und der Nachentrückung eine Absage erteilen.

Da das unmittelbare Bevorstehen der Ereignisse von Gelehrten wie John F. Walvoord als grundlegender Bestandteil der Ansicht von der Vorentrückung erachtet wird, ist es bemerkenswert, dass die Kirchenväter zwar im Sinn der Nachentrückung dachten, dabei jedoch gleichzeitig eben dieses nahe Bevorstehen lehrten. In der frühen Kirche war es üblich - ohne sich der Inkonsequenz bewusst zu sein -, theologische Positionen einzunehmen, die sich widersprachen. So kann es nicht überraschen, wenn man bemerkt, dass zur Zeit der Kirchenväter beide Sichtweisen gelehrt wurden. Larry Crutchfield bemerkt dazu: »Dieser Glaube an das unmittelbare Bevorstehen der Wiederkunft Christi vor dem Hintergrund zunehmender Verfolgung hat uns veranlasst, die Sichtweisen der frühesten Kirchenväter allgemein als »Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden Entrückung mitten in der Trübsal« zu beschreiben.«

Bei den Kirchenvätern finden sich Äußerungen über das nahe Bevorstehen der Wiederkunft Christi im Überfluss. Klemens von Rom, Ignatius von Antiochia, die Didache, der Brief des Barnabas und der Hirte des Hermas - sie alle sprechen davon. Der Hirte des Hermas spricht darüber hinaus von der Vorstellung, der Trübsal zu entfliehen: »Dank eures Glaubens seid ihr der großen Trübsal entkommen, und weil ihr nicht an der Existenz eines solchen Tieres gezweifelt habt. Geht also hin und berichtet den Erwählten des Herrn seine großen Taten und sagt ihnen, dass dieses Tier ein Vorbild auf die kommende große Trübsal ist. Bereitet euch nun vor und bereut von ganzem Herzen und wendet euch zu dem Herrn hin. Dann wird es euch möglich sein zu entkommen, wenn eure Herzen rein und fleckenlos sind, und wenn ihr den Rest eures Lebens damit verbringt, dem Herrn tadellos zu dienen.«

Der Nachweis für Denken gemäß der Lehre der Vorentrückung im frühen Mittelalter findet sich in einer Predigt, die manche Ephraem dem Syrer zuschreiben und die den Titel trägt: »Predigt über die letzten Tage, über den Antichristen und das Ende der Welt.« Diese Predigt wurde irgend wann zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert verfasst. Die dortige Aussage über die Entrückung lautet folgendermaßen: »Warum also weisen wir nicht jede Sorge um irdische Dinge von uns und bereiten uns auf das Zusammentreffen mit dem Herrn Christus vor, damit er uns der Verwirrung entreißt, die alle Welt überwältigt? ... Denn alle Heiligen und Erwählten Gottes werden vor der Trübsal, die kommen wird, versammelt zum Herrn hin genommen, damit sie nicht in die Verwirrung geraten, die die Welt wegen ihrer Sünden überwältigen wird.«

Diese Aussage beweist unzweifelhaft den Glauben, dass alle Christen durch das Eingreifen des Herrn der Trübsal entkommen werden. Wie könnte man das anders deuten, denn als gemäß der Lehre der Vorentrückung? Das spätere zweite Kommen Christi auf die Erde mit seinen Heiligen wird am Ende der Predigt erwähnt.

Um das 5. Jahrhundert gewann in der etablierten Kirche der Amillennialismus des Origenes und des Augustinus die Oberhand - im Osten wie im Westen. Möglicherweise gab es das ganze Mittelalter hindurch immer eine Form des Prämillennialismus, aber er hielt sich hauptsächlich unter der Oberfläche im Untergrund. Dorothy de F. Abrahamse schreibt: »Der Glaube an die nahe bevorstehende Apokalypse wurde im Mittelalter offiziell in die Rolle einer symbolistischen Theorie der Kirche zurückgedrängt. Bereits im 4. Jahrhundert hatte Augustinus erklärt, dass die Offenbarung des Johannes nicht wörtlich, sondern symbolisch auszulegen sei. Für die meisten mittelalterlichen Theologen und für die Konzile der mittelalterlichen Kirche galt so nur abstrakte Eschatologie als annehmbare Auslegung. Seit dem 19. Jahrhundert erkannten die Historiker allerdings, dass auch im Mittelalter buchstäbliche Apokalypsen weiter kursierten und dass sie bei der Enstehung wichtiger Strömungen des Denkens und Erklärens eine grundlegende Rolle spielten« (Hervorhebung durch den Autor).

Man glaubt, dass Sekten wie die Albigenser, die Lombardenser und die Waldenser sich vom prämillialen Vorstellungen angezogen fühlten, aber es ist wenig über die Einzelheiten ihres Glaubens bekannt, da die Katholiken ihre Werke zerstörten, wo sie sie antrafen.

An diesem Punkt muss festgehalten werden, dass die Verteidigung einer Vorentrückung für das Mittelalter außerordentlich unüblich ist, da der grundlegendere Glaube im Sinn des Prämillennialismus nahezu verschwunden war. Daher war natürlich die theologische Entrückungsfrage ähnlich gering geachtet. Das blieb so bis zur Zeit der Reformation, in der dann vieles in der Christenheit sich zu ändern begann.

Die Sichtweise des Prämillennialismus wurde als Folge von zumindest drei Faktoren wiederbelebt.

Die Reformatoren kehrten zu den Quellen zurück, zur Bibel und zu den Kirchenvätern. Das enthüllte ihnen eine regelrechte Lehre von der prämillennialistisch Sichtweise. Besonders bemerkenswert war in diesem Zusammenhang das Wiederauftauchen des gesamten Textes der Schrift Gegen die Irrlehren von Irenäus einschließlich der letzten fünf Kapitel, die einen konsequenten Futurismus (Erwartung eines noch zukünftigen Milleniums) vertraten und die siebte Jahrwoche Daniels in die Zukunft legten. Sie lehnten vieles, aber nicht alles von der die mittelalterliche Hermeutik beherrschende Methode der Allegorie ab. Sie gaben einer eher buchstäblichen Lösung der prophetischen Fragen den Vorzug, besonders im Bereich der historischen Auslegung. Viele Protestanten kamen mit Juden in Kontakt und lernten Hebräisch. Das rief weitgehende Übereinstimmung darüber hervor, ob vom Volk Israel handelnde Textpassagen historisch zu nehmen seien oder ob man fortfahren müsse, sie in der Tradition mittelalterlicher Theologie zu allegorisieren. Je mehr sie als historisch betrachtet wurden, desto stärker neigten die Reformatoren zu Auslegungen mit prämillennialistischem Charakter - ungeachtet der Tatsache, dass man sie deshalb oftmals als »Judaisierer« verspottete. Im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert kehrte der Prämillennialismus als ein erkennbarer Faktor innerhalb der Hauptströmungen der Kirchengeschichte zurück, nachdem dort mehr als ein Jahrtausend der Amillennialismus geherrscht hatte. Mit dem Erblühen biblischer Auslegung während der späten Reformationsepoche begannen prämillennialistische Ausleger in Fülle den Protestantismus und ebenso die Entwicklung verwandter Themen wie die Entrückung zu beleben.

Man hat behauptet, dass manche die Entrückung vom zweiten Kommen Christi abgetrennt hätten, als erster Joseph Mede, der als der Vater des englischen Prämillennialismus betrachtet wird, und zwar in seinem weit verbreiteten Werk Clavis Apocalyptica (Schlüssel zur Apokalypse) (1627). Paul Boyer schreibt, es sei in dieser Zeit zunehmend die Lehre festzustellen, »dass die Heiligen zuvor »in die Luft erhoben werden« und so der umfassenden Feuersbrunst des Endes entkommen - eine frühe Formulierung der Entrückungslehre, die im 19. Jahrhundert umfassender ausgearbeitet wurde.« Was auch immer diese Männer zum Ausdruck zu bringen versuchten, es wird klar, dass die Anwendung wörtlicher Auslegung zu einer Unterscheidung zwischen der Entrückung und dem zweiten Kommen Christi als voneinander getrennt zu betrachtende Ereignisse führte.

Andere begannen, von der Entrückung zu sprechen. »Peter Jurieu lehrte in seinem Buch Approaching Deliverance of the Church (Die herannahende Befreiung der Gemeinde) (1687), dass Christus vor der Schlacht von Harmagedon in den Luftraum kommen werde, um die Heiligen zu entrücken und dann in den Himmel zurückzukehren. Er sprach von einer geheimen Entrückung vor seinem Kommen nach Harmagedon in Herrlichkeit und Gericht. Philip Doddridges Kommentar des Neuen Testaments (1738) und John Gills Kommentar des Neuen Testaments (1748) gebrauchen beide den Begriff Entrückung und bezeichnen sie als nahe bevorstehend. Es ist unzweifelhaft - diese Männer glaubten, dass dieses Kommen dem Erscheinen Christi auf der Erde und der Zeit des Gerichts vorausgehen wird. Der Zweck dieses Kommens sei, die Gläubigen vor der Gerichtsperiode zu bewahren. James Macknight (1763) und Thomas Scott (1792) lehrten, dass die Gerechten in den Himmel gebracht werden, wo sie sicher sein werden, bis das Gericht vorüber ist« (Benware).

Frank Marotta glaubt, dass Thomas Collier 1674 auf eine Entrückung vor der Trübsal hingewiesen hat. Er weist aber die Ansicht zurück, dies belege sein Wissen, dass eine derartige Sichtweise gelehrt worden sei.

Der vielleicht deutlichste Hinweis auf eine Entrückung vor der Trübsal, bevor Darby sie lehrte, kommt von dem Baptisten Morgan Edwards (dem Gründer der Brown-Universität), der in den Jahren 1742-1744 eine abgesonderte Entrückung dreieinhalb Jahre vor dem Beginn des Tausendjährigen Reiches lehrte.

Als der Futurismus begann, in den Kreisen der Prämillennialisten um 1820 den Historizismus zu verdrängen, betrat der moderne Befürworter eines heilsgeschichtlichen Denkens im Sinn der Vorentrückung die Szene. J. N. Darby behauptete, er sei zu seiner Sicht der Entrückung im Rahmen eines ausgedehnten Bibelstudiums gelangt, und zwar während eines Genesungsprozesses von Dezember 1826 bis Januar 1827. Er ist der Vordenker der modernen Version der Entrückungslehre.

Diese Lehre verbreitete sich weltweit durch die Brüderbewegung, mit der Darby und andere ähnlich gesinnte Christen verbunden waren. Es scheint so, als ob sich ihre Überzeugung von der Vorentrückung entweder durch ihre Schriften oder durch persönliche Besuche in Nordamerika unter den amerikanischen Evangelikalen ausgebreitet habe. Zu den frühesten Vertretern dieser Lehre gehören der Presbyterianer James H. Brookes und der Baptist J. R. Graves.

Die Entrückungslehre verbreitete sich weiter durch jährliche Bibelkonferenzen wie die Niagara Bible Conference (1878-1909), durch Publikationen zum Jahrhundertwechsel wie The Truth (Die Wahrheit) und Our Hope (Unsere Hoffnung), durch populäre Bücher wie Brookes Maranatha , William Blackstones Jesus Is Coming (Jesus ist nahe) und die Scofield-Bibel (1909). Viele der größten Bibellehrer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trugen dazu bei, die Lehre zu verbreiten - Männer wie Arno Gaebelein, C. I. Scofield, A. J. Gordon, James M. Gray, R. A. Torrey, Harry Ironside und Lewis S. Chafer.

In praktisch jedem Ballungsgebiet in Nordamerika wurden Bibelinstitute, Bibelschulen oder Bibelseminare gegründet, an denen eine heilsgeschichtliche Schau im Sinne der Lehre von der Vorentrückung gelehrt wurde. Schulen wie das Moody-Bible-institut, das Philadelphia Bibel-College, das Bibelinstitut von Los Angeles (BIO-LA) und das Theologische Seminar in Dallas lehrten und verteidigten diese Sichtweise. Diese Lehren fanden sich hauptsächlich in unabhängigen Gemeinden, Bibelgemeinden, Baptistengemeinden und in einer bemerkenswerten Zahl presbyterianischer Gemeinden. Um 1925 wurde die Lehre von der Vorentrückung von vielen Pfingstkirchen wie den Assemblies of God (Versammlungen Gottes) und dem Foursquare Gospel (Das vierfache Evangelium) angenommen. Die Überzeugung von der Vorentrückung war auch dominant unter den Charismatikern der 60er und 70er Jahre. Hal Lindseys Buch Late Great Planet Earth (Alter Planet Erde wohin?) förderte die Ausbreitung der Lehre von der Entrückung vor der Trübsal, da es nicht nur großen Einfluss auf die öffentliche amerikanische Kultur ausübte, sondern weltweit große Verbreitung fand. Auch viele Radio- und Fernsehprogramme lehrten die Vorentrückung.

Obgleich die Lehre von der Vorentrückung unter den Evangelikalen und den christlichen Fundamentalisten nach wie vor weithin populär ist, begann ihre Vorherrschaft zu schwinden, zuerst in einigen akademischen Kreisen der 50er- und 60er-Jahre. Der Niedergang unter Pfingstlern, Charismatikern und Evangelikalen begann in den 80ern als Folge der Verlagerung der Interessen hin zu größerer sozialer Verantwortung. Die Lehre von der Vorentrückung ist auch heute immer noch die am weitesten verbreitete Lehre, aber sie kann in vielen evangelikalen, charismatischen und fundamentalistischen Kreisen nicht mehr für selbstverständlich genommen werden, was eine Generation früher noch der Fall war.

Die Lehre von der Entrückung ist in der Kirchengeschichte nicht die vorherrschende Lehre gewesen. Allerdings hatte sie in den vergangenen zweitausend Jahren bemerkenswerte Verfechter. Wo auch immer im Sinn des Prämillennialismus gelehrt wurde, trat sie hervor, besonders bei Anwendung der wörtlichen Auslegung, des Futurismus, des heilsgeschichtlichen Denkens und der Unterscheidung zwischen Israel und der Gemeinde. Ungeachtet seiner Geschichte ist der Glaube an die Entrückung hauptsächlich von jenen verteidigt worden, die einer wortgetreuen Auslegung des biblischen Textes den Vorzug gaben.

Siehe auch: Entrückung, biblisches Studium.

Thomas D. Ice Roy A. Huebner, The Truth of the Pre-Tribulation Rapture Recovered (Millington, New Jersey 1976, Present Truth Publishers); Thomas D. Ice, Why the Doctrine of the Pretribulational Rapture Did Not Begin with Margaret Macdonal d, in: Bibliotheca Sacra, April-Juni 1990, S. 155-168; Thomas D. Ice und Timothy Demy, Wenn die Posaune erschallt (Verlag Mitternachtsruf, Pfäffikon 2000); Frank Marotta, Morgan Edwards: An Eighteenth Century Pretribulationist (Morganville, N.J. 1995, Present Truth Publishers); Frank Marotta, Precious Truths Revived and Defended Through J. N. Darby , Bd. 1 (Morganville, N. J. 1991, Present Truth Publishers); Richard R. Reiter, A History of the Development of The Rapture Positions in: The Rapture: Pre-, Mid-, or Post-Tribulational ?, Hrsg. Richard R. Reiter (Grand Rapids 1984, Zondervan); Charles C. Ryrie, Come Quickly, Lord Jesus: What You Need to Know about the Rapture (Eugene, Oreg. 1996, Harvest House); John F. Walvoord, The Blessed Hope and the Tribulation (Grand Rapids 1976, Zondervan); John F. Walvoord, The Rapture Question , revidierte Ausgabe (Grand Rapids 1955, Zondervan).

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Gewissenhafte Menschen haben die prophetischen Schriften studiert und sind zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen darüber gekommen, wann sich die Entrückung in Beziehung zur großen Trübsal ereignen wird. Einige behaupten, dass die Gemeinde erst entrückt werde, wenn die große Trübsal vorüber sei, denn der Gemeinde ist Trübsal auf Erden verheißen ( Joh 16,1-2; Offb 12,12 ). Diese Ansicht kennen wir unter der Bezeichnung Posttribulationismu s. Andere behaupten, dass die Christen die erste Hälfte der Trübsal durchleben müssen, aber vor den letzten dreieinhalb Jahren entrückt werden. Diese Ansicht kennen wir als Intratribulationismus . Eine dritte Sichtweise glaubt an eine Entrückung vor der Trübsal und nimmt als Begründung dafür in Anspruch, dass verschiedene biblische Aussagen die Entrückung zu Beginn der großen Trübsal nahelegen (Prätribulationismu s).

In den heutigen prämillennialistischen Kreisen findet der größte Teil der Auseinandersetzung über die Entrückung zwischen dem posttribulationistischen und dem prätribulationistischen Standpunkt statt. (Unglücklicherweise ist diese Auseinandersetzung oftmals zu ungerechten und manchmal beleidigenden Anschuldigungen zwischen den Streitparteien entartet). Ryrie hat die grundlegenden Aussagen des Prätribulationismus und des Posttribulationismus gegenübergestellt und so folgende Tabelle erhalten.

 

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Entrückung nach der Trübsal

Der Posttribulationismus vertritt die Sichtweise, dass die Gemeinde durch die Große Trübsal gehen und bei deren Ende entrückt werden wird. Entrückung und zweites Kommen Christi werden als ein und dasselbe Ereignis betrachtet. »Die Gemeinde Christi wird nicht vor der Ankunft Christi am Ende des gegenwärtigen Zeitalters von der Erde weggenommen werden: Die Entrückung und sein Erscheinen ereignen sich zum selben Zeitpunkt; daher werden die Christen dieser Generation der letzten Trübsal unter dem Antichristen ausgesetzt sein« (Reese).

Autoren, die den Posttribulationismus vertreten, bieten mehrere Beweise für ihre Theorie an. Dabei ist festzuhalten, dass nicht jeder dieser Autoren unbedingt mit all diesen aufgelisteten Argumenten übereinstimmt, doch die folgende Auflistung kennzeichnet die Hauptargumente der führenden Köpfe in diesem theologischen Lager.

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Das historische Argument

Ein Argument wird von den Vertretern der Vorentrückungslehre in den Vordergrund gestellt: Die frühe Kirche habe ihre Sichtweise vertreten. Aus diesem Grund bezeichnen sie sich manchmal selbst als »historische Prämillennialisten«. Dieses Argument hat sowohl einen positiven als auch einen negativen Akzent. Den positiven stellt Gundry fest: »Bis hin zu Augustinus im 4. Jahrhundert hielt die frühe Kirche allgemein am prämillennialistischen Verständnis der Bibelauslegung fest. Der Chiliasmus erforderte eine futuristische Auslegung von Daniels siebzigster Jahrwoche, des Gräuels der Verwüstung und der Person des Antichristen. Und er vertrat die Sicht der Nachentrückung. Die Möglichkeit einer Vorentrückung scheint in der frühen Kirche niemandem jemals in den Sinn gekommen zu sein; sie wird weder diskutiert noch erwähnt.«

Im Hinblick auf diese Kritik an der Position der Vorentrückung müssen zwei Punkte genauer untersucht werden.

Es ist fraglich, und es wird kaum jemand nachweisen können, ob es überhaupt eine ausgearbeitete, eschatologische Position gab, die in der frühen Kirche gelehrt wurde. Das bedeutet aber, dass die frühe Gemeinde nicht eindeutig an die Vor- oder Nachentrückung glaubte. »Die frühe Gemeinde glaubte an die Trübsal, an das nahe Bevorstehen der Ankunft Christi und an ein darauf folgendes Tausendjähriges Reich. Die frühe Gemeinde war eindeutig prämillennialistisch, vertrat aber weder eindeutig die Vorentrückung noch eindeutig die Nachentrückung, wenn man das Maß heutiger Lehren dafür anlegt« (Ryrie). Der Zeitpunkt der Entrückung war für die frühen Kirchenväter kein Thema. Sie wussten, dass die Ankunft Christi nahe bevorstand. Die Entrückung wurde erst vor rund hundert Jahren ein Thema. Irgendjemand hat einmal gesagt, dass jede Generation ihre eigenen theologischen Schlachten schlägt. Damit ist gemeint, dass sich die Gemeinde nicht umfassend mit einem Thema beschäftigt, solange nicht ein Umstand erwächst, der Aufmerksamkeit erfordert. Dann wird das Thema diskutiert, bis es systematisch formuliert ist. Es scheint, dass in unterschiedlichen Epochen der Kirchengeschichte unterschiedliche Lehren diskutiert wurden. In den zwei Jahrhunderten nach Christus war die Christologie das Thema. Im frühen 16. Jahrhundert wurde die Auseinandersetzung über die Lehre der Rechtfertigung von Martin Luther wieder aufgenommen. Im 18. Jahrhundert betonte John Wesley die Heiligung. Im 20. Jahrhundert war die Lehre von der Eschatologie der Dreh- und Angelpunkt der theologischen Diskussion. Daher ist es nur natürlich, dass die Abfolge von künftigen Ereignissen so tiefgreifend untersucht worden ist wie nie zuvor in der Geschichte des Christentums. Pentecost unterstützt diese Schlussfolgerung: »Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass jede Epoche der Kirchengeschichte mit einer besonderen Lehrfrage beschäftigt gewesen ist, die zum Objekt der Diskussion, der Korrektur und der Neuformulierung wurde, bis es zu einer allgemeinen Akzeptanz darüber kam, was die Heilige Schrift darüber lehrt. So wurden alle Bereiche der Theologie durch die Epochen hindurch formuliert. Der Bereich der Eschatologie war vor dem vergangenen Jahrundert niemals ein Thema, dem sich die Aufmerksamkeit der Gemeinde zugewandt hätte.«

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Das Argument gegen das nahe Bevorstehen der Ankunft Christi

Man kann nicht das Neue Testament lesen und dann zu dem Schluss kommen, die Schreiber der neutestamentlichen Texte hätten nicht an eine unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi geglaubt. Die Christen werden ermahnt, in dieser Erwartung zu wachen ( 1Thes 5,1-8; 2Petr 3, 8-10 ) und darauf zu warten ( 1Kor 1,7; 1Thes 1,9-10; Tit 2,13 ). Diese Aufforderungen waren im ersten Jahrhundert so bedeutungsvoll und so anwendbar wie heute. Auch wenn es Voraussetzungen und deren Erfüllung anzeigende Zeichen hinsichtlich der Endzeit gibt, hinderte das nicht den Glauben an die unmittelbar bevorstehende Rückkehr Christi. Zeichen sind kein absoluter Maßstab im Bezug auf seine Rückkehr, aber sie kennzeichnen die allgemeinen Bedingungen auf der Erde, wenn er wiederkommt. Unmittelbarkeit bedeutet: Er kann jederzeit kommen.

Das Argument gegen die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi gründet sich normalerweise auf eine Reihe von Zeichen, die erfüllt sein müssten, ehe er wiederkommen kann. Es wird auch argumentiert, dass gewisse Ereignisse wie der Fall Jerusalems oder der Tod des Petrus geschehen müssten, ehe Jesus wiederkommen kann. Daher konnte er nicht wiedergekommen sein, ehe diese Dinge geschehen sind, und wurde deshalb vor diesen Ereignissen auch nicht von der Gemeinde erwartet. MacPherson listet die folgenden zwölf Argumente gegen das unmittelbare Bevorstehen auf.

Die Erfüllung des großen Missionsauftrages setzt eine lange Zeitepoche voraus. Das Wachstum der Frucht in Mt 13 ist ein zeitaufwendiger Prozess. Paulus erwartete in 2Tim 4,6-8 seinen Tod, nicht seine Entrückung. Jesus sagte in Joh 21,18-19 das Martyrium von Petrus voraus. Die Zeichen von Mt 24 müssen sich zuerst ereignen. Ein großer Zeitraum zwischen Christi Himmelfahrt und seiner Rückkehr beinhaltet die Zerstreuung der Juden unter alle Völker ( Lk 21 ); ein Mann reist in ein fernes Land, und erst nach langer Zeit kommt der Herr dieser Diener ( Mt 25 ). Der große Abfall der letzten Tage braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Der Bräutigam im Gleichnis von den zehn Jungfrauen verzieht sein Kommen. Die Pastoralbriefe lehren den anhaltenden Dienst der Gemeinde, was Zeit erfordert. Paulus sagt, Christi Rückkehr steht nicht nahe bevor ( 2Thes 2,1-3 ), denn zuvor müssen Abfall und Antichrist kommen. Die Erwartung von sieben Phasen der Kirchengeschichte (die sieben Gemeinden in Offb 2; 3 ) erfordert einen langen Zeitlauf und bringt Vertreter der Vorentrückung in Schwierigkeiten: Könnte Christus vor der letzten Phase wiederkommen? Ermahnungen, zu wachen und bereit zu sein, sind an eine so genannte »zweite Bühne«, an einen Hintergrund in Mt 24 und 25; 1Kor 1,7; Kol 3,4; 1Thes 3,13; 2Thes 1,7-10; 1Petr 1,13; 1Petr 4,13 und 1Jo 2,28 geknüpft. Auf den ersten Blick mögen diese Argumente schlüssig erscheinen, aber im Licht der biblischen Lehre über das nahe Bevorstehen bedürfen sie einer genaueren Bewertung. Hat man diese vorgenommen, dann offenbart die Liste mindestens sieben grundlegende Irrtümer in der Interpretation.

MacPherson unterlässt es, die Heilige Schrift vor dem Hintergrund der Offenbarung auszulegen. Konservative Gelehrte sind sich allgemein darüber einig, dass Johannes die Prophetie über den Märtyrertod des Petrus vielleicht mehr als dreißig Jahre nach dem Tod des Petrus berichtete. Es ist nur schwer nachzuvollziehen, wie dies die frühen Christen, die dieses Evangelium zuerst lasen, in ihrem Glauben an die nahe bevorstehende Rückkehr Christi hätte entmutigen können. Der Textzusammenhang, in dem diese Prophetie steht, deutet an, dass manche Leser geglaubt haben könnten, Christus werde sogar noch vor dem Tod des alternden Apostels Johannes wiederkommen ( Joh 21,23 ). Ein zweites hermeneutisches Problem der Liste besteht in dem Fehler, Bibeltexte nicht in ihrem biblischen Zusammenhang auszulegen. Das zeigt sich besonders deutlich in der Behauptung, dass Paulus seinen Tod und nicht seine Entrückung erwartet habe. Es war Paulus, der die Lehre von einer nahe bevorstehenden Entrückung der Gemeinde am weitesten entwickelt hat ( 1Kor 15; 1Thes 4 ). Seinem Lebensende nahe, sprach er vom Tod als von einer realistischen Möglichkeit. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass er die Lehre vom nahem Bevorstehen der Wiederkunft Christi geleugnet hätte. MacPherson unterstellt gewisse Schlussfolgerungen, die der frühen Gemeinde nicht in den Sinn gekommen wären. Die Erfüllung des großen Missionsauftrages erfordert nicht notwendigerweise einen langen Zeitraum. Die frühen Christen wurden bereits in ihrer Generation beschuldigt, die Welt auf den Kopf gestellt zu haben ( Apg 17,8 ). Paulus selbst behauptete, das Evangelium sei während seiner Lebenszeit »in der ganzen Welt« gepredigt worden ( Kol 1,5-6 ). Mac-Pherson mag annehmen, der Abfall benötige Zeit, um sich zu entwickeln, aber das war keineswegs die Erfahrung oder Gesinnung der frühen Kirche. Noch ehe das Evangelium außerhalb der Stadtgrenzen von Jerusalem gepredigt wurde, hatte die Gemeinde mit dem Problem der Entartung zu kämpfen ( Apg 5,1-11 ). Die ganze Betonung bei der biblischen Lehre vom Abfall liegt auf der Tatsache, dass sein Wachstum rasend schnell ist (vgl. 2Jo 1,8; Jud 1,1; 1Kor 15,33 f; Gal 3,1-5 ). Ein viertes Problem mit dieser Liste besteht in ihrer Anlehnung an Gleichnisse. MacPherson lässt Gleichnisse mehr sagen, als Jesus mit ihnen zu sagen beabsichtigte. Jesus lehrte das Gleichnis von den zehn Jungfrauen nicht, um seine Zuhörer zu überzeugen, der Bräutigam habe im Sinn, spät zu kommen. Vielmehr lehrte er sie zu wachen, weil er jeden Augenblick kommen könnte. Jesus lehrte auch nicht das Gleichnis vom Sämann, um den Zeitraum darzustellen, den der Same zum Keimen benötigt, sondern um zu zeigen, dass die Ernte (das Gericht) unausweichlich kommen wird. Vertreter der Nachentrückungslehre neigen dazu, den Unterschied zwischen der Entrückung und dem zweiten Kommen auszublenden. Das wird deutlich in den Argumenten 5, 10 und 12 der vorliegenden Liste. Die biblische Unterscheidung zwischen der Entrückung und dem zweiten Kommen Christi ist ein grundlegendes Argument für die Entrückung vor der Trübsal. Ein weiterer Irrtum in MacPhersons Liste besteht darin, dass er die Lehre vom unmittelbaren Bevorstehen der Wiederkunft Christi und ihre Anwendung auf das christliche Leben missversteht. Zweifellos lehrt die Heilige Schrift dieses nahe Bevorstehen und die frühe Gemeinde glaubte daran. Jene Gläubige, die verstanden, dass Christus jeden Moment zurückkommen kann, gingen nicht in weißen Kleidern in die Berge, um dort auf die Entrückung zu warten. Die Christen gehorchten vielmehr der Ermahnung, fleißig und gewissenhaft ihre Arbeiten zu verrichten, damit sie bei seiner Rückkehr nicht untätig würden. »Die Lehre des nahen Bevorstehens seiner Ankunft wird in der Heiligen Schrift an vielen Stellen gelehrt, etwa in Joh 14,2-3; 1Kor 1-7; Phil 3,20-21; 1Thes 1,9-10; 4,16-17; 5,5-9; Tit 2,13; Jak 5,8-9; Offb 3,10 ... Die frühe Gemeinde glaubte an die Lehre vom nahen Bevorstehen« (Pentecost). Wenn man sie genau untersucht, ist keine der von MacPherson aufgelisteten Einwendungen gegen das nahe Bevorstehen der Rückkehr Christi überzeugend - vielleicht mit Ausnahme seines elften Arguments, das die historische Interpretation der sieben Gemeinden in Offb 2-3 beinhaltet. Diese Interpretation ist allerdings nicht der einzige Standpunkt von Prämillennialisten in dieser Frage (die Ryrie-Studienbibel kennzeichnet sie als »Gemeindetypen in allen Generationen«). Es ist eine sehr schwache Basis, um darauf die Leugnung einer klar ausgeführten, biblischen Lehre aufzubauen. Diese typische Auslegung wurde nur im 20. Jahrhundert populär, und nur wenigen Theologen käme es in den Sinn, auf dieser einen Auslegung ein theologisches Gebäude errichten zu wollen.

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Die Gemeinde in der Trübsal

Eine weitere Behauptung der Verfechter der Nachentrückung besteht darin, dass die Gemeinde durch die Große Trübsal gehen wird. Dazu werden Bibelverse zitiert wie Hi 15,17-19; Joh 16,1-2.33; Apg 8,1-4 oder Röm 12,12 , die zeigen, dass den Christen Trübsal verheißen ist, nicht Bewahrung vor der Trübsal. Die Anhänger dieses Standpunktes argumentieren, diese Trübsal seien einfach die im Lauf der Jahre von Christen erfahrenen Prüfungen, die sie mit den Leidenden der Großen Trübsal gleichstellen. Andere meinen, es gebe eine künftige Trübsal, während der Christen leiden werden, ohne dabei jedoch Gegenstand des Zornes Gottes zu sein. Dies scheint die grundlegende Annahme der zeitgenössischen Lehrer der Nachentrückung zu sein. »Es ist keine Streitfrage, ob die Gemeinde jemals Gottes vergeltenden Zorn erleiden wird. Sie wird es nicht ( Joh 3,36; 5,24; Röm 5,9; 8,1; Eph 2,3; 5,6; 1Thes 1,10; 5,9 ). Und es gibt eindeutige Hinweise im Buch der Offenbarung, dass die Schalen des göttlichen Zorns die Heiligen nicht antasten werden - Hinweise zusätzlich zu der theologischen Notwendigkeit, dass Gottes Zorn keinen erretteten Menschen betrifft ... Wie jetzt auch wird die Gemeinde während der Trübsal Verfolgung leiden, aber kein Heiliger kann unter dem göttlichen Zorn leiden« (Gundry).

In ähnlicher Weise argumentiert Harold Ockenga, dass die Gemeinde durch die Trübsal gehen wird. Darüber hinaus erkennt er an, dass dieses Argument die Identifizierung der Trübsal mit dem Zorn Gottes im Grunde unmöglich macht. »Die Gemeinde wird dem Zorn der Menschen unterworfen sein, aber nicht unter dem Zorn Gottes leiden. Diese Unterscheidung, die sehr hilfreich für mich war, wird von den Verfechtern der Vorentrückung allgemein übersehen. ... Sie setzen die Trübsal mit dem Zorn Gottes gleich. Falls das nicht widerlegt werden kann, bleibt uns nur der Glaube, dass die Gemeinde vor der Trübsal aus der Welt herausgenommen wird, da es keine Verdammnis für jene gibt, die in Christus Jesus sind.«

Diese Argumentationsweise ist insofern irrig, weil sie mindestens drei Unterschiede in Gebrauch und Interpretation des Wor t es Trübsal und dem Begriff der »Großen Trübsal«, wie sie in der Heiligen Schrift beschrieben wird, nicht erkennt.

Da ist zunächst das Argument von Absicht und Erfüllung . Wenn die Große Trübsal und das Leiden der Heiligen miteinander verquickt werden, dann erfordert dies logischerweise, dass jede Generation ihre eigene Große Trübsal erfährt. Joh 16,33 kommentierend, merkt Mauro an: »Wenn der Herr im Sinn hatte, dass die Große Trübsal den Seinen bestimmt sei, dann würden etwa drei »Große Trübsale« in jedem Jahrhundert benötigt - wenigstens bis zur Gegenwart - um diese Absicht zu erfüllen.«

Das nächste Argument berücksichtigt die Beobachtung, dass die Große Trübsal überall in der Heiligen Schrift als eine Sache von weitgehend jüdischem Charakter beschrieben wird, und vom Zorn Gottes und nicht so sehr vom menschlichen Zorn gekennzeichnet ist. »Es wird uns ein ganzes Stück weiterhelfen, wenn wir zunächst einmal sehen, dass die Große Trübsal die Epoche der Trübsal Jakobs ist und nicht die der Trübsal der Gemeinde. Sie kann nicht beginnen, ehe nicht die Zwischenzeit beendet ist, die zwischen Daniels neunundsechzigster und siebzigster Jahrwoche liegt, denn während dieser ganzen Zeit macht Gott keinen Unterschied zwischen den Juden und den Nationen. Erst nachdem die Gemeinde die Szene verlassen hat, wird er Israel wieder als ein Volk in besonderer Bundesbeziehung mit ihm selbst anerkennen. Dann wird Israels letzte Prüfungszeit beginnen« (Pentecost).

Die Wesensmerkmale der Großen Trübsal weiter zusammenfassend, bemerkt Thiessen: »Wir wissen natürlich, dass die Gläubigen durch »viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen« müssen ( Apg 14,22 ), aber neben dieser Alltagserfahrung der Christen gibt es eine künftige Trübsalsperiode . In Dan 12,1 wird von ihr als von der »Großen Trübsal« gesprochen; Lk 21,34-36 nennt sie »diesen Tag«, der im vorangehenden Teil des Kapitels geschildert wird. In Offb 3,10 wird sie die »Stunde der Versuchung« genannt, »die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen«. Und in Offb 7,14 lesen wir von einer großen Volksmenge, die »aus der Großen Trübsal gekommen« ist. Im Alten Testament wird unter der Bezeichnung »Tag der Drangsal Jakobs« auf die Große Trübsal Bezug genommen ( Jer 30,4-7 ) und dort ist sie die Zeit der Empörung Gottes über die Bewohner der Erde ( Jes 24, 17-21; 26,20-21; 31,1-3; Sach 14,1-3 ). Dass sich die Trübsalszeit zwischen den beiden Kommen Christi ereignet, ergibt sich aus einer Untersuchung des ganzen vorausgesagten Ablaufs der Zukunft. Man beachte besonders, dass Mt 24,29 aussagt, dass die Trübsal mit Christi Kommen in Herrlichkeit endet, das heißt mit seiner Offenbarung.«

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Dan 9,24-27

Manche Verfechter der Nachentrückung glauben an eine historische Erfüllung von Dan 9,24-27 einschließlich der siebzigsten Woche dieser Prophetie. Sie glauben, die siebzig Wochen seien eine andauernde, fortlaufende, ununterbrochene Periode von Jahren, die mit dem Tod des Stephanus oder mit der Zerstörung von Jerusalem endete. Ganz typisch für diese Interpretation schreibt Rose: »Wenn es darin »Sprünge« oder »Unterbrechungen« gäbe, dann wäre die Prophetie undeutlich, irreführend und trügerisch ... Die »62 Wochen« sind unmittelbar mit den »sieben Wochen« verbunden, und diese »69 Wochen« dauern, »bis der Messias kommt«. Über seine Geburt hinaus, aber nicht bis zu seinem »triumphalen Einzug«; nur »bis zu seiner öffentlichen Salbung«. Da gibt es keinen Sprung zwischen der neunundsechzigsten und der siebzigsten Jahrwoche ... Die »eine Woche« der prophetischen »siebzig Wochen« begann mit Johannes dem Täufer. Mit seiner ersten öffentlichen Verkündigung des Reiches Gottes begann die Heilszeit des Evangeliums. Wenn man diese sieben Jahre zu den 483 Jahren hinzu addiert, vervollständigt das die 490 Jahre ... so dass sich die ganze Prophetie von den Zeiten und den damit verbundenen Ereignissen her bis auf den letzten Buchstaben erfüllt hat ... Alle Belege des Neuen Testaments und der christlichen Erfahrung stimmen mit den größten Lehrern der christlichen Gemeinde darin überein, dass sich die siebzigste Woche von Daniels Prophetie vor mehr als 1900 Jahren erfüllt hat. Das lässt keine künftige siebzigste Woche übrig, die sich noch in »der Großen Trübsal« nach der Entrückung erfüllen könnte.«

Es sollte hier beachtet werden, dass nicht alle Vertreter der Nachentrückung an eine historisch vollzogene Erfüllung von Daniels siebzigster Jahrwoche glauben. In einer Widerlegung der Nachentrückungslehre von Barton Payne betont Gundry den Zukunftscharakter der siebzigsten Jahrwoche und vermerkt dabei im Einzelnen: »Wir können den Ausdruck »dein Volk« (Vers 24 ) nicht in ein geistliches Israel einschließlich der Nationen abstrahieren, ohne dem klar zutage liegenden Sinn dieser Textpassage Gewalt anzutun. Die Zerstörung Jerusalems zum Beispiel, von der in der Prophetie hauptsächlich die Rede ist, betrifft Israel als Nation . Und doch, da in der siebzigsten Woche die in Vers 24 angesprochenen Ziele erfüllt werden müssen, können die siebzig Wochen noch nicht gänzlich vergangen sein, denn das Ende der Übertretungen Israels, die Reinigung von seiner Sünde und der Empfang seiner ewigen Rechtfertigung sind noch nicht abgeschlossen. Paulus schreibt darüber als noch zukünftig für Israel ( Röm 11,25-27 ).«

Es gibt fünf grundlegende Schulen der Auslegung des Themas von Daniels siebzigster Jahrwoche. Die Verfechter der Vorentrückung legen diese Textpassage als noch zukünftig aus. Walvoord fasst die anderen Sichtweisen zusammen: »Im Gegensatz zu der futuristischen Auslegung haben mindestens vier andere Positionen Raum gewonnen: (1) die liberale Position, dass sich die siebzigste Jahrwoche mit den Ereignissen unmittelbar nach der Makkabäischen Verfolgung verwirklicht habe geradeso wie auch die neunundsechzig vorausgegangenen; (2) die Ansicht der jüdischen Gelehrten, dass sich die siebzigste Jahrwoche bei der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. erfüllt hat; (3) der Standpunkt, dass es sich bei der siebzigsten Jahrwoche Daniels um eine unbestimmte Periode handelt, die mit Christus beginnt und sich bis zum Ende hin erstreckt; und (4) die Vorstellung, dass es sich bei der siebzigsten Jahrwoche um sieben buchstäbliche Jahre handelt, die mit dem öffentlichen Dienst Christi beginnen und etwa dreieinhalb Jahre nach seinem Tod enden.«

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Die Lehre von der Auferstehung

Das vielleicht stärkste Argument, das Verfechter der Nachentrückung vorbringen, ist die Lehre von der Auferstehung. Im Hinblick auf dieses Argument müsste die Entrückung nach der Trübsal stattfinden, weil sich auch die Auferstehung nach der Trübsal ereignet. Die Wichtigkeit dieses Arguments zeigt sich in zahlreichen Aussagen einschlägiger Publikationen, z. B. Mac-Pherson: »Die Auferstehung der verstorbenen Heiligen findet eindeutig bei der Entrückung der Gemeinde statt ( 1Thes 4,16 ). Daher: »Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Auferstehung stattfindet, ereignet sich auch die Entrückung.« Eine Untersuchung der Texte, die von der Auferstehung der entschlafenen Heiligen sprechen, von der ersten Auferstehung ( Offb 20,5-6 ), zeigt uns, dass diese erste Auferstehung mit dem Kommen des Herrn in Verbindung steht ( Jes 26,19 ), mit der Bekehrung Israels ( Röm 11,15 ), mit der Aufrichtung des Reiches ( Lk 14,14-15; Offb 20,4-6 ) und mit dem Empfang von Belohnungen ( Offb 11,15-16 ). Die Große Trübsal geht dem voraus ( Dan 12,1-3 )« (MacPherson).

Ladd betrachtet dieses Argument als das einzige, dass sich auf eine ausdrückliche Aussage der Heiligen Schrift gründet, und erklärt: »Der Autor wird zugeben, dass mit Ausnahme einer Textstelle der Heiligen Schrift nirgendwo ausdrücklich festgestellt wird, dass die Gemeinde durch die Große Trübsal geht. Ja, Gottes Volk wird in der Trübsal gesehen, aber es wird dort nicht Gemeinde genannt, sondern »die Erwählten« oder »die Heiligen«. Auch platziert das Wort Gottes die Entrückung nicht ausdrücklich ans Ende der Trübsal. Bei den meisten Hinweisen auf diese Endzeitereignisse fehlen chronologische Angaben ... An einer Stelle allerdings, in Offb 20 , wird die Auferstehung mit der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit in Zusammenhang gebracht. Das ist mehr als eine bloße Schlussfolgerung.«

Das Argument der Auferstehung gründet sich auf die Vorstellung, dass es sich bei dem in Offb 20,5-6 als »die erste Auferstehung« bezeichneten Ereignis, um den gleichen Vorgang handelt, auf den in 1Thes 4,16 hingewiesen wird. Die möglicherweise systematisch ausgefeilteste Darstellung dieses Arguments ist die von Reese. Seine Position zusammenfassend, schreibt Stanton: »Reeses Argumentation nimmt die Form eines Syllogismus (Schlussfolgerung vom Allgemeinen auf das Besondere) an. Die Hauptthese lautet (1): Die alttestamentlichen Schriften belegen, dass die Auferstehung der Gläubigen des AT bei der Offenbarung Christi stattfindet, unmittelbar vor dem Tausendjährigen Reich. Der Untersatz lautet (2): Alle Darbyisten stimmen darin überein, dass die Gläubigen der Gemeinde gleichzeitig mit den alttestamentlichen Gläubigen auferstehen. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung (3): Die Auferstehung der Gemeinde legt das Ereignis der Entrückung auf einen Zeitpunkt nach der Trübsal fest.«

Die grundlegende Schwäche dieser Argumentation liegt darin, dass die erste Auferstehung ( Offb 20,5-6 ) oder die der alttestamentlichen Gläubigen mit der Auferstehung gleichgesetzt wird, die sich bei der Entrückung ereignet. Die Heilige Schrift spricht von mindestens vier zu unterscheidenden Auferstehungen, wobei die erste chronologisch gesehen die Auferstehung Christi ist ( Mt 28,1-7 ). Der Ausdruck »erste Auferstehung« kann daher nur im unmittelbaren Kontext der Schriftstelle verstanden werden, da die Auferstehung Christi ja zuerst stattgefunden hat. Die in Offb 20 erwähnte Auferstehung wird als erstes bezeichnet, weil sie sich tausend Jahre vor der vierten und letzten Auferstehung ereignet. Sie ist also die dritte Auferstehung, denn sie folgt der Auferstehung Christi und der Auferstehung der Gläubigen, die mit der Entrückung einhergeht.

Walvoord fragt sich, ob es weise von Darby war, eine solche Aussage über die Auferstehung der alttestamentlichen Gläubigen zu machen und sie mit den entschlafenen Gläubigen der Gemeinde bei der Entrückung gleichzusetzen. Er sagt dazu weiter: »Die alttestamentlichen Heiligen werden nirgendwo mit der Bezeichnung »in Christus« gekennzeichnet. Die Tatsache, dass die »Stimme des Erzengels« - des Beschützers Israels - bei der Entrückung gehört wird, ist kein schlüssiger Beweis dafür, dass Israel zu diesem Zeitpunkt auferweckt wird. Die Neigung der Schüler Darbys, die Auferstehung in Dan 12,1-2 als bloße Wiederherstellung Israels zu vergeistlichen, um ihren posttribulationalen Charakter zu widerlegen, bedeutet, das Prinzip der wörtlichen Auslegung zu verlassen, um »einen Punkt« zu machen - ein ziemlich kostspieliges Zugeständnis für Prämillennialisten, die sich auf die buchstäbliche Auslegung der Prophetie stützen. Die beste Antwort auf Reese und Ladd besteht darin einzuräumen, dass sich die Auferstehung der alttestamentlichen Heiligen nach der Trübsal ereignet, sie aber völlig von der Umgestaltung und Auferstehung der Gemeinde zu trennen. Reeses sorgfältig aufgebautes Argument beweist dann nur noch, dass Darby übereilt die Auferstehung der alttestamentlichen Heiligen auf den Zeitpunkt der Umgestaltung der Gemeinde gelegt hat. Wenn diese Umgestaltung ein gänzlich anderes Ereignis ist, beweist Reese mit seinem Argument gar nichts.«

Schließlich bedeutet das Wort »erste« vielleicht nicht zuerst im zeitlichen Sinn, sondern zuerst in der Art. Das hieße dann, diese Auferstehung würde das Volk Gottes betreffen (ob vor oder nach der Trübsal). Die zweite Auferstehung (von anderer Art) beträfe dann die Unerlösten.

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Das Gleichnis vom Weizen und Unkraut

Ein weiteres Argument gründet sich auf das Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut. Es wird manchmal dazu herangezogen, um die Lehre von der Nachentrückung zu verteidigen. Dabei wird nahegelegt, Christus habe Weizen und Unkraut bis zur Ernte zusammen aufwachsen lassen wollen ( Mt 13,30 ) und ein allgemeines Gericht für das Ende des Zeitalters angekündigt.

»Bis zur Epoche des zweiten Kommens Christi und der gerichtlichen Scheidung der Gerechten und der Gottlosen darf kein Versuch gemacht werden, eine solche Scheidung herbeizuführen. Diesen Grundsatz darf man allerdings nicht bis hin zu einer Rechtfertigung dafür dehnen, dass man Personen, die öffentlich Ärgernis erregen, gestattet, in der Gemeinschaft der Gemeinde zu bleiben. Das würde bedeuten, die Lehre dieses Gleichnisses zum Gegenteil seiner eigentlichen Absicht zu verdrehen und den apostolischen Verfügungen in den Arm zu fallen ( 1Kor 5 )« (Brown).

Man muss sich jedoch in Erinnerung rufen, dass der Zweck der Königreichsgleichnisse in Mt 13 nicht eine Chronik der Kirchengeschichte ist, sondern vielmehr der Geschichte des Reiches als ein Geheimnis, das ist das Christentum.

»In dieser Reihe von Gleichnissen erläutert Jesus den Weg des Evangeliums in die Welt. Wenn Israel ihn als König angenommen hätte, wären die Segnungen von Jerusalem aus bis zu den Enden der Erde geflossen. Aber das Volk verwarf ihn, und Gott musste ein neues Programm für die Erde einrichten. Während dieses gegenwärtigen Zeitalters ist »das Reich Gottes« eine Mischung von wahr und falsch, von gut und böse, wie es in diesen Gleichnissen dargestellt wird. Es ist »Christentum«, das sich zu einer Gefolgschaft des Königs bekennt, in der doch noch vieles enthalten ist, was den Prinzipien des Königs entgegensteht« (Wiersbe).

 

ENTRÜCKUNG

nach der Trübsal

Schlussfolgerung

Das wichtigste Ereignis des Zeitalters der Gnade wird sich erst noch ereignen müssen. Obwohl es Argumente dafür gibt, dass dieses Ereignis am Ende dieses Zeitalters stattfindet, genauer gesagt am Ende der siebenjährigen Trübsal, zeigt eine nähere Untersuchung jedoch, dass die Auswertung des vorhandenen Materials Probleme bereitet und diese Position nicht stützt. Auch wenn sich Menschen guten Willens in der Auslegung unterscheiden, so stim men doch alle darin überein, dass die Erwartung dieses Ereignisses eine glückselige Hoffnung ist, und sie alle beten daher miteinander: »Komm, Herr Jesus.«

Siehe auch: Entrückung, biblisches Studium.

Elmer L. Towns David Brown, The Four Gospels (London 1969, Banner of Truth Trust); Robert Gundry, The Church and the Tribulation (Grand Rapids 1973, Zondervan); Henry A. Ironside, Why the Church Will Not Go Through the Great Tribulation in: The Sure Word of Prophecy , hrsg. von John W. Bradbury (New York 1943, Revell); George Eldon Ladd, The Blessed Hope (Grand Rapids 1956, Eerdmans); Norman S. Mac-Pherson, Triumph through Tribulation (Otego, N.Y. 1944, Selbstverlag); Philip Mauro, Looking for the Saviour (London o.J., Samuel E. Roberts, Publishers); Harold J. Ockenga, Will the Church Go Through the Tribulation? Yes in: Christian Life (Februar 1955); J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft (CV Dillenburg 1993); Bernard Ramm: Protestant Biblical Interpretation (Grand Rapids 1974, Baker); Alexander Reese, The Approaching Advent of Christ (London o.J., Marshall, Morgan & Scott); George L. Rose, Tribulation Till Translation (Glendale, Calif. 1943, Rose Publishing); Charles C. Ryrie, What You Need to Know about the (Chicago 1981, Moody Press); Gerald B. Stanton, Kept from the Hour (Grand Rapids 1956, Zondervan); John R. W. Stott, Guard the Gospel: The Message of 2 Timothy (London 1973, InterVarsity Press); Henry Clarence Thiessen, Lectures in Systematic Theology (Grand Rapids 1951, Eerdmans); John F. Walvoord, The Rapture Question , revidierte Ausgabe (Grand Rapids 1972, Zondervan); Warren W. Wiersbe, Meet Your King (Wheaton 1980, Victor Books).

 

ENTRÜCKUNG

Teil-

Die Teilentrückungslehre, die nur von einem geringen Teil der Vertreter der Vorentrückung gelehrt wird, geht davon aus, dass die Entrückung und die Auferstehung der Gläubigen nur für jene stattfindet, die wachend die Rückkehr Christi erwarten. Nicht alle Gläubigen werden also entrückt, sondern nur jene, die einen gewissen Grad geistlichen Lebens erreicht haben, der sie der Entrückung würdig macht. So ist bei dieser Lehre der betroffene Personenkreis und nicht der Zeitpunkt im Blickfeld. Echte und nicht bloß bekennende Christen bilden diesen Personenkreis. Die Entrückung wird als Belohnung betrachtet und nicht als Vorrecht.

Nach der einleitenden Entrückung aller richtig vorbereiteten Gläubigen bei Christi Rückkehr in die Luft werden verschiedene Gruppen während der Trübsal entrückt - je nachdem, welchen geistlichen Stand sie erreicht haben. Die Trübsal soll die zurückgebliebenen Gläubigen von ihrer Sünde und Fleischlichkeit reinigen (beruhend auf Offb 7,9-14; 12,5; 16,15 ). Wenn sich solche Gläubige allerdings während der Trübsal überhaupt nicht ändern, werden sie sogar das zweite Kommen und das Tausendjährige Reich verpassen und erst am Ende dieses Millenniums auferweckt werden ( Offb 20,5 ).

Ein Hauptzweck der Trübsal ist die Prüfung der lauen, oberflächlichen, laodicäischen Christen. Wie die törichten Jungfrauen werden sie zurückgelassen, denn sie waren nicht wachsam.

Diese einschränkende Sicht der Entrückung wurde zuerst um die Mitte des 19. Jahrhunderts von einer kleinen Gruppe englischer Vertreter der Vorentrückungslehre formuliert. Ihre Hauptpublikation war eine Schrift mit dem Titel Dawn [Die Dämmerung]. Der erste Befürworter der modernen Theorie der Teilentrückung war Robert Govett (1853), aber ihr fähigster Verteidiger war G. H. Lang. Führungspersönlichkeiten wie D. M. Panton (Herausgeber der Schrift Dawn), Govett, G. H. Pember, J. A. Seiss, Austin Sparks und einige andere dachten wirklich so und lehrten die Theorie von Herzen. Sie wurden aber von anderen Vertreteren der Vorentrückung weitgehend als Irrlehrer erachtet.

Als biblische Referenzen führen die Vertreter der Teilentrückungslehre unter anderem folgende Stellen an: 1. Mt 24,41-42 : »zwei Frauen werden an dem Mühlstein mahlen, eine wird genommen«; 2. Lk 21,36 : »wacht nun ... dass ihr würdig geachtet werdet, diesem allem, was geschehen soll, zu entfliehen«; 3. 1.Korinther 15,23 : »jeder aber in seiner eigenen Ordnung«, was Unterschiede im Rang der Gläubigen anzuzeigen scheint; 4. Philipper 3,11 , wo sogar Paulus selbst Zweifel über seine eigene Auferstehung zum Ausdruck bringt; 5. 2.Timotheus 4,8 : »allen, die seine Erscheinung lieben«; 6. Hebräer 9,28 : »so wird auch der Christus ... zum zweiten Male ... denen zum Heil erscheinen, die ihn erwarten«; 7. Offb 3,10 : »weil du das Wort vom Harren auf mich bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung«.

Die meisten Evangelikalen weisen die Teilentrückungslehre aus den im Folgenden aufgeführten Gründen zurück.

Die meisten der Referenztexte werden fälschlicherweise mit der Entrückung in Zusammenhang gebracht, obwohl sie sich mit dem zweiten Kommen Christi befassen. Andere beschreiben einfach den Grad der persönlichen Heiligung jedes Gläubigen. Die Textpassage aus dem Philipperbrief beschreibt den Wunsch des Paulus, bei der Entrückung nicht einfach anwesend zu sein, sondern sich auszuzeichnen.

Die Teilentrückungslehre gründet sich auf das Prinzip der Werkgerechtigkeit. Sie steht im Widerspruch zur Soteriologie (Heilslehre). Normalerweise übertragen Evangelikale den uneingeschränkten Glauben an das Heil allein aus Gnade auf die Entrückungserfahrung.

Die Heilige Schrift beschreibt den Leib Christi als eine Einheit. Wenn eine Unterscheidung angezeigt ist, dann üblicherweise zwischen wahren und bloß bekennenden (falschen) Gläubigen. Aber die Verfechter der Teilentrückungslehre unterscheiden darüber hinaus zwischen würdigen und unwürdigen Gläubigen. Das spaltet den Leib Christi.

Die Entrückungstexte weisen einen Geltungsbereich aus, der alle Gläubigen einschließt: 1Kor 15,51 - »wir ... alle«; 1Thes 4,14 - »wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist«: ein grundsätzlicher Glaube; Vers 16 - »die Toten in Christus«; 1Thes 1,9-10; 2,19; 5,4-11 .

1Thes 5,9-10 : »ob wir wachen oder schlafen« kann vom Textzusammenhang her auch so übersetzt werden: ob wir wachen oder nicht wachsam sind.

Wenn unvorbereitet lebende Gläubige durch die Trübsal gehen müssten, dann müssten sich unvorbereitet gestorbene Gläubige logischerweise in einer Art Fegefeuer befinden. Und die Bibel lehrt nirgendwo ein Fegefeuer.

Siehe auch: Entrückung, biblisches Studium.

Paul Lee Tan

R. Govett, Entrance into the Kingdom (London: Charles J. Thynne, 1923); G.H. Lang, Firstborn Sons Their Rights and Risks (London: Oliphants Ltd.,1943); D. M. Panton, The Letters to the Seven Churches (London: R. F. Hunger Printer, 1912); G. H. Pember, The Great Prophecies (London: Revell, 1912); George L. Rose, Tribulation Till Translation (Glendale, Calif.: Rose Publishing, 1943); Charles H. Welch, The Testimony of the Lord's Prisoner (London: Fred P. Brininger, o.J.).

 

ENTRÜCKUNG

vor dem kommenden Zorn Gottes

Eine Beschreibung des Standpunktes

Die Anschauung von der Entrückung vor dem kommenden Zorn lehrt, dass die siebzigste Jahrwoche in Dan 9 drei Teile hat.

Die erste Abteilung wird im Beginn der Geburtswehen bestehen ( Mt 24, 4-8 ) bzw. die ersten vier Siegel ( Offb 6,1-8 ) beinhalten und sich über die erste Hälfte der siebzigsten Jahrwoche erstrecken. Die zweite Abteilung besteht aus der Großen Trübsal ( Mt 24,21 ) bzw. wird das fünfte Siegel ( Offb 6,9-11 ) bilden. Sie wird in der Mitte der siebzigsten Jahrwoche beginnen und irgenwann zwischen ihrer Mitte und ihrem Ende abbrechen. Das sechste Siegel mit seinen großen kosmischen Störungen und Erdbeben wird eine Vorwarnung für die Unerlösten sein, dass nun bald die dritte Abteilung, der Tag des Herrn, beginnen wird ( Offb 6,12-17 ). Die Gemeinde (die große Volksmenge aus Offb 7,9-17 ) wird zwischen dem sechsten und siebten Siegel von der Erde entrückt werden (nach der Großen Trübsal und vor dem Tag des Herrn), wenn Christus bei seinem zweiten Kommen in Herrlichkeit vom Himmel herabkommt. So wird die Entrückung kein vom zweiten Kommen getrenntes Ereignis sein. Die dritte Abteilung der siebzigsten Jahrwoche wird im Tag des Herrn bestehen. Sie wird mit dem Brechen des siebten Siegels beginnen ( Offb 8,1 ) und bis zum Ende der Jahrwoche dauern. Doch der Tag des Herrn wird nicht vor dem Brechen des siebten Siegels irgendwann zwischen der Mitte und dem Ende der siebzigsten Jahrwoche beginnen. Der Beginn der Geburtswehen (Siegel 1-4) und die Große Trübsal (fünftes Siegel) sind keine Äußerungen des Zornes Gottes. Sie sind vollständig durch den menschlichen Zorn gekennzeichnet. So wird es während der ersten Hälfte und während eines erheblichen Teils der zweiten Hälfte der siebzigsten Jahrwoche keinen göttlichen Zorn geben. Der Zorn Gottes wird nicht beginnen, ehe zwischen der Mitte und dem Ende der Jahrwoche mit dem Brechen des siebten Siegels der Tag des Herrn beginnt. Die Gemeinde wird auf der Erde durch die ganze erste Hälfte der siebzigsten Jahrwoche und durch die Große Trübsal hindurchgehen müssen. Das bedeutet, dass sie dem menschlichen Zorn ausgesetzt sein wird, einschließlich dem des Antichristen, der sich im Beginn der Geburtswehen (den ersten vier Siegeln) und in der Großen Trübsal austoben wird. Die Gemeinde wird jedoch nicht dem Zorn Gottes ausgesetzt werden. Sie wird von der Erde entrückt, bevor der Tag des Herrn mit dem Ausgießen des Zornes Gottes beginnt. So wird die Gemeinde eine Entrückung vor dem Zorn erfahren.

ENTRÜCKUNG

vor dem kommenden Zorn Gottes

Die Probleme des Standpunktes

Die Anschauung von der Entrückung vor dem Zorn bringt eine Reihe von Problemen mit sich.

 

ENTRÜCKUNG

vor dem kommenden Zorn Gottes

Die Probleme des Standpunktes

Die Trübsal und der Tag des Herrn

Diese Sichtweise erfordert eine grundlegende Unterscheidung zwischen der Großen Trübsal und dem Tag des Herrn. Sie muss darauf bestehen, dass sich beide an keiner Stelle überlappen, dass die Große Trübsal ausschließlich menschlichem Zorn vorbehalten ist, dass erst der Tag des Herrn den Zorn Gottes zutage bringt und dass die Heilige Schrift an keiner Stelle die Trübsal mit dem Tag des göttlichen Zorns in einen Zusammenhang bringt. Es gibt wenigstens drei Schwierigkeiten mit dieser Unterscheidung. (1) Die Bibel kennzeichnet sowohl den Tag des Herrn ( Joe 2,1-2 ) als auch die Große Trübsal ( Dan 12,1; Mt 24,21 ) als eine beispiellose Zeit der Bedrängnis. Dass es natürlich nur eine solch beispiellose Zeit geben kann, veranlasst zu der Schlussfolgerung, dass die Große Trübsal nicht völlig vom Tag des Herrn getrennt werden kann. (2) Ganz sicher ist der Zorn Gottes weitaus schlimmer als der menschliche Zorn. Wie kann die Große Trübsal im Hinblick darauf die beispiellose Zeit der Beschwernis sein, wenn sie ausschließlich dem menschlichen Zorn vorbehalten ist? (3) Die Heilige Schrift verbindet die Trübsal mit dem Tag des göttlichen Zorns. Das gleiche hebräische Wort, das die Vorstellung der Trübsal oder Bedrängnis zum Ausdruck bringt, wurde sowohl für die Große Trübsal ( Dan 12,1 ) verwendet als auch für den Tag des Herrn ( Zeph 1,15 ). Paulus assoziierte die Trübsal mit »dem Tag des Zorns und der Offenbarung der gerechten Gerichte Gottes« ( Röm 2, 5-9 ).

 

ENTRÜCKUNG

vor dem kommenden Zorn Gottes

Die Probleme des Standpunktes

Das sechste Siegel

Diese Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem Zorn Gottes, nimmt für sich in Anspruch, das sechste Siegel sei eine Vorwarnung für die Unerlösten, dass der Tag des Herrn nun bald beginnen werde. Im Gegensatz dazu erklärt Paulus, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht ( 1Thes 5,2 ). Geradeso, wie ein Dieb seinem Opfer keine Vorwarnung gibt, so wird auch den Unerlösten keine Vorwarnung gegeben, wenn der Tag des Herrn beginnt.

 

ENTRÜCKUNG

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Die Probleme des Standpunktes

Die große Volksmenge

Die Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem göttlichen Zorn, besagt, dass die große Volksmenge aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen die Gemeinde ist, die soeben in Verbindung mit dem zweiten Kommen Christi in der Zeit zwischen dem sechsten und dem siebten Siegel entrückt worden sei. Diese Identifikation wirft zwei Probleme auf.

Einer der vierundzwanzig Ältesten zeigt an, dass die Menschen, die die große Volksmenge bilden, aus der Großen Trübsal kommen ( Offb 7,13-14 ). Das heißt, dass alle die Menschen, die die große Volksmenge bilden, während der Großen Trübsal auf der Erde sein werden - das würde eine Teilentrückung der Gemeinde voraussetzen. Diese Teilentrückung würde nur jene Gläubigen aus der Gemeinde einschließen, die während der Großen Trübsal auf der Erde leben. Sie würde all jene Gläubigen nicht einschließen, die vor der Großen Trübsal leben und sterben und die deshalb niemals hineinkommen. Im Gegensatz dazu zeigt die Bibel an, dass alle Gläubigen der Gemeinde gemeinsam als ein Leib zur gleichen Zeit entrückt werden ( 1Thes 4,13-18 ). Die griechische Gegenwartsform des Hauptverbs in der Feststellung des Ältesten zeigt an, dass die Menschen, die die große Volksmenge bilden, nicht alle gleichzeitig zu einem bestimmten Zeitpunkt als eine Gruppe aus der Großen Trübsal kommen, sondern jeder für sich im Laufe der Dauer der Großen Trübsal, offenbar durch ihren Tod. Das steht wiederum im Gegensatz zu der Art und Weise, wie die Gemeinde von der Erde entrückt werden wird.

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Die Probleme des Standpunktes

Die Entrückung und das zweite Kommen Christi

Der Standpunkt, die Entrückung ereigne sich vor dem göttlichen Zorn, lehrt, dass die Gemeinde in Verbindung mit dem zweiten Kommen Christi entrückt werden wird. Deshalb werde die Entrückung kein vom zweiten Kommen abzutrennendes Ereignis sein. Im Gegensatz dazu zeigt die Lehre Jesu an, dass die Abläufe bei seinem zweiten Kommen genau umgekehrt sein werden wie die Abläufe bei der Entrückung. Bei der Entrückung werden alle Gläubigen von der Erde weggenommen und zum Himmel gebracht, und alle lebenden Ungläubigen werden auf der Erde gelassen, um in die nächste Geschichtsepoche einzutreten. Beim zweiten Kommen Christi werden alle lebenden Ungläubigen im Gericht von der Erde weggerafft, und alle Gläubigen werden auf der Erde gelassen, um in die nächste Geschichtsepoche (das Tausendjährige Reich) einzutreten. Jesus lehrte mehr als einmal diesen Ablauf der Ereignisse bei seinem zweiten Kommen. In seinen Gleichnissen vom Unkraut ( Mt 13,24-30.36-43 ) und vom Fischernetz ( Mt 13,47-50 ) zeigte er beispielsweise an, dass er am Ende dieses Zeitalters seine Engel in die Welt senden werde, um alles Unkraut bzw. die schlechten Fische (die Unerlösten) von der Erde wegzunehmen und sie zu einem schrecklichen Ort des Gerichts zu bringen. Aber der Weizen bzw. die guten Fische (die Erlösten) werden gelassen, um des Reiches teilhaftig zu werden. In der Bergpredigt lehrte Jesus, dass die Abläufe bei seinem zweiten Kommen unmittelbar nach der Großen Trübsal die gleichen sein werden wie in den Tagen Noahs ( Mt 24,21.29-30.37-39 ). Geradeso, wie in den Tagen Noahs die Flut im göttlichen Gericht alle Unerlösten hinwegraffte und die Erlösten (Noah und seine Familie) auf der Erde ließ, damit sie in eine neue Geschichtsepoche eintreten, so wird es auch beim zweiten Kommen Christi sein. Jesus illustrierte dies mit zwei Bildern. Von zwei Menschen auf dem Feld wird der Ungläubige im Gericht von der Erde genommen, aber der Gläubige wird auf dem Feld gelassen. Von zweien, die an der Mühle mahlen, wird die Ungläubige im Gericht fortgenommen, aber die Gläubige wird an der Mühle gelassen ( Mt 24,40-41 ). Die Weggenommenen werden dorthin gebracht, wo sich Aas fressende Vögel versammeln, um die Leichen zu verzehren ( Lk 17,37 ).

 

ENTRÜCKUNG

vor dem kommenden Zorn Gottes

Die Probleme des Standpunktes

Das nahe Bevorstehen der Rückkehr Christi

Die Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem göttlichen Zorn, leugnet das nahe Bevorstehen der Wiederkehr Christi. Im Gegensatz dazu erklären zahlreiche Gelehrte - sogar manche, die nicht die Sichtweise der Vorentrückung vertreten - das Neue Testament lehre, dass Christus jeden Augenblick zurückkommen kann. Sie behaupten auch, dass Gott uns dies gelehrt hat, um uns zu einer gottseligen Lebensweise und zu einem kämpferischen Einsatz im Dienst anzuspornen. Im Neuen Testament finden wir nicht weniger als sechzehn Textpassagen, die sich mit dem unmittelbaren Bevorstehen der Wiederkunft Christi befassen. Eine davon zeigt an, dass die Gläubigen in Thessalonich fortwährend in der Erwartungshaltung lebten, dass Christus vom Himmel herab wiederkommt, und sie waren zuversichtlich, dass er jeden Augenblick kommen könne ( 1Thes 1,10 ). Durch den Gebrauch des griechischen Perfekts bei den Verben ( Jak 5,8-9 ) bringt Jakobus zweierlei zum Ausdruck.

Das Kommen des Herrn kam näher, ehe Jakobus seinen Brief schrieb, und sein Kommen näherte sich auch weiterhin ( Jak 5,8 ). Christus als Richter hatte begonnen, vor der Tür des Himmels zu stehen, ehe Jakobus schrieb, und er stand auch weiter dort (Vers 9 ). Daraus folgt, dass Christus jeden Moment durch die Tür des Himmels schreiten und die Gläubigen der Gemeinde zu sich vor ihm am Richterstuhl holen könnte. Somit steht Christi Kommen vom Himmel herab nahe bevor.

ENTRÜCKUNG

vor dem kommenden Zorn Gottes

Die Probleme des Standpunktes

Die Siegel und die Heiligen

Die Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem göttlichen Zorn, behauptet, die Siegel in Offb 6 hätten die Funktion, den Gläubigen der Gemeinde auf der Erde in dieser Zeit Sicherheit zu geben. Es ist richtig, dass Siegel die Funktion haben, etwas zu versiegeln, aber hier sollten zwei Dinge bachtet werden. (1) Siegel bringen nur die Dinge unter Verschluss und verwehren den Zugriff nur dort, wo sie angebracht werden. Die Siegel waren an der Schriftrolle angebracht, die Gott in seiner Hand hielt ( Offb 5,1-9 ), und nicht an Menschen. So versiegelten die Siegel in Offenbarung 6 diese Schriftrolle und nicht die Gläubigen der Gemeinde. (2) Siegel versiegeln nur so lange, wie sie intakt bleiben. Christus ( Offb 6 ) aber bricht die Siegel und beendet damit ihre versiegelnde Funktion.

 

ENTRÜCKUNG

vor dem kommenden Zorn Gottes

Die Probleme des Standpunktes

Die Siegel und der Zorn Gottes

Die Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem Zorn, besteht darauf, dass der Tag des göttlichen Zorns nicht vor dem Brechen des siebten Siegels ( Offb 8,1 ) beginnt. Daher gebe es keinen Zusammenhang zwischen dem Zorn Gottes und den ersten sechs Siegeln, die die erste Hälfte der siebzigsten Jahrwoche und die Große Trübsal beträfen. Mit diesen Siegeln werden nur Auswirkungen menschlichen Zorns beschrieben.

Ein Hauptproblem dieser Lehre besteht darin, dass es Christus ist, der die Siegel bricht und damit die Dinge entfesselt, die dahinter verborgen sind. Die Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem göttlichen Zorn, begegnet diesem Einwand auf zweierlei Weise. Zunächst wird behauptet, das Brechen des ersten Siegels ( Offb 6,1-2 ) gebe den Weg für den Antichristen in der Welt frei. Dann wird aber gesagt, dass der Antichrist gewiss nicht von Christus, sondern von Gottes großem Feind, Satan, angetrieben und gelenkt wird. Eine solche Handlungsweise wäre Gott gegenüber kontraproduktiv. Allerdings wäre ein solches Handeln Christi dann nicht kontraproduktiv gegenüber Gott, wenn es seinen souveränen Zielen dienen würde. Handelte Gott nicht beispielsweise mit dem Pharao seiner Souverenität entsprechend, als er ihn ���erweckte» und dieser dann sein Volk Israel so sehr in Bedrängnis brachte ( 2Mo 9,16; Röm 9,17 )? Und ebenso als er das Herz verstockte, so dass er Gottes Befehl, das Volk Israel ziehen zu lassen, den Gehorsam verweigerte ( 2Mo 9,1.12; 10,1 )? Ebenso kündigte Gott an ( Sach 11,15-17 ), er werde den törichten, götzendienerischen Hirten (den Antichris ten) über die Welt bringen, der das Volk Israel wegen seiner eigenen egoistischen Ziele verwüsten werde (vgl. Dan 9,27; Mt 24,15-23 ). Außerdem beinhaltet das fünfte Siegel ( Offb 6,9-11 ) das Martyrium der Gläubigen. Die Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem göttlichen Zorn argumentiert nun, dass Christus sicher nicht die Tötung seiner eigenen Nachfolger verursachen werde. Als Christus allerdings das fünfte Siegel brach, sah Johannes nicht dem Märtyrertod unterworfene Gläubige, sondern die entkörperlichten Seelen der Gläubigen, die getötet worden waren, ehe das fünfte Siegel gebrochen wurde. Die griechische Perfektform des Verbs, das mit »waren geschlachtet worden« übersetzt wird, zeigt an, dass diese Gruppe von Gläubigen bereits ermordet worden war, ehe Johannes ihre Seelen unter dem Altar sah. Als Christus das fünfte Siegel brach, setzte er also nicht das Martyrium seiner Nachfolger in Gang.

Es gibt noch ein weiteres Problem mit der Auffassung, die Entrückung ereigne sich vor dem göttlichen Zorn. Sie behauptet ja, der Zorn Gottes würde während der ersten sechs Siegel keine Auswirkung zeigen. Mehrere biblische Faktoren zeigen jedoch an, dass diese Siegel sehr wohl eine Ausgießung des göttlichen Zorns beinhalten, und zwar schon beginnend beim ersten. Paulus lehrte, dass der Tag des Herrn plötzlich kommen werde - gerade zu dem Zeitpunkt, da die Unerlösten sagen werden: Friede und Sicherheit ( 1Thes 5,2-3 ). Der Tag des Herrn wird also eindeutig zu einer Zeit beginnen, in der die Welt davon überzeugt ist, dass es keinen Krieg mehr geben wird. Die Zuversicht der Welt, dass die Zeit der Kriege vorüber ist, wird mit dem Brechen der ersten Siegels erschüttert. Dieses gibt nämlich einem mächtigen Krieger den Weg frei, der ausziehen wird - »siegend und um zu siegen« ( Offb 6,1-2 ). Das Brechen des zweiten Siegels wird den Frieden von der Erde nehmen, und die Menschen werden einander umbringen ( Offb 6,3-4 ). Aus der Heiligen Schrift geht hervor, dass die Kriege der Völker oftmals Instrument des Zornes Gottes sind ( Jes 10,5-6; Jer 50,9-13.25 ), und dass die Siegel einmal gebrochen werden ( Offb 6-20 ). Es wird für die Welt keinen Frieden und keine Sicherheit geben, ehe Christus nach seinem zweiten Kommen auf die Erde das Tausendjährige Reich aufgerichtet haben wird. Im Licht dieser Dinge betrachtet, wird also der Tag des Herrn mit der Ausgießung des Zornes Gottes beim Brechen des ersten Siegels beginnen.

Zweitens wird das Brechen des dritten Siegels eine Hungersnot über die Erde kommen lassen ( Offb 6,5-6 ). Hier ist es wichtig zu bedenken, dass entweder Gott oder Christus (einer, der von dem Thron inmitten der vier lebendigen Wesen her spricht; vgl. Offb 4,6-5,6 ) diese Hungersnot verordnet und der Preis für die Nahrung und das Ausmaß der Hungersnot bestimmt. Die Bibel lehrt, dass Hungersnöte Ausdruck des Zornes Gottes sein können ( Jer 42,17-18; 44,8.11-13; Hes 5,11-17; 7,14-15 ).

Drittens wird ein Viertel der Weltbevölkerung durch Schwert, Hunger, Pest und wilde Tiere sterben, wenn Christus das vierte Siegel bricht ( Offb 6,7-8 ). Durch den Propheten Hesekiel sagt Gott, dass er Hunger, wilde Tiere, Pestilenz und Schwert als Ausdruck seines Grimms und seiner Wut senden wird ( Hes 5,15-17 ), und er nennt diese Instrumente des Todes »meine vier bösen Gerichte« ( Hes 14,21 ).

Viertens lässt das Brechen des fünften Siegels die entkörperlichten Seelen der im Märtyrertod gestorbenen Gläubigen unter dem Altar erscheinen ( Offb 6,9-11 ). So offenbart der Siegelbruch einen weiteren Grund, warum die Werkzeuge Satans es verdient haben, dass mit den verbleibenden Siegeln, Trompeten und Schalen noch mehr göttlicher Zorn über sie ausgegossen wird.

Fünftens werden durch das Brechen des sechsten Siegels Erschütterungen des Weltalls und Erdbeben hervorgerufen ( Offb 6,12-17 ). Deren Stärke lässt den Schluss zu, dass es sich hierbei um einen schrecklichen Ausdruck des Zornes Gottes und nicht um Menschenwerk handelt. Die Reaktion der Unerlösten auf diese Phänomene zeigt an, dass sie sie als Ausdruck des Zornes Gottes erkennen. Außerdem hat Jesaja das sechste Siegel vorhergesagt ( Jes 2,10-22 ) und mit dem Tag des Herrn in Verbindung gebracht (Vers 12 ). Damit bringt er das sechste Siegel mit dem Tag des göttlichen Zorns in Zusammenhang.

Jesus hat die Umstände beschrieben ( Mt 24 ), die in der Welt vor dem Gräuel der Verwüstung in der Mitte der siebzigsten Jahrwoche herrschen werden, und er nannte diese Umstände den »Anfang der Wehen« ( Mt 24,4-8 ). Die Tatsache, dass Jesus auf diese Geburtswehen vor dem Gräuel der Verwüstung zur Mitte der Jahrwoche hinwies, belegt, dass der Anfang der Wehen in der ersten Hälfte der siebzigsten Jahrwoche eintreten wird. Ein Vergleich des Anfangs der Wehen mit den ersten vier Siegeln in Offb 6 zeigt, dass es sich um dieselbe Sache handelt. Wenn sich also der Anfang der Wehen in der ersten Hälfte der siebzigsten Jahrwoche ereignet, muss dies auch bei den ersten vier Siegel so sein.

Siehe auch: Entrückung, biblisches Studium.

Renald E. Showers

Tim LaHaye, No Fear of the Storm (Sisters, Oreg. 1992, Multnomah Press); Marvin J. Rosenthal, The Pre-Wrath Rapture of the Church (Nashville 1990, Thomas Nelson); Renald E. Showers, Maranatha, Our Lord, Come (Bellmayr, N.J. 1995, The Friends of Israel Gospel Ministry); Gerald B. Stanton, Kept from the Hour (Miami Springs 1992, Schoettle Publishing Co.); Robert VanKampen, The Sign (Wheaton 1992, Crossway Books).

 

EPHESERBRIEF

Eschatologie

Dieser Brief wurde geschrieben, um die Stellung des Gläubigen in Christus eindeutig darzulegen. Man sieht ihn als Brief an, der in mehreren Ortsgemeinden in Kleinasien im Umlauf war. Diese Ansicht wird durch zwei Tatsachen untermauert: (1) Die Worte »in Ephesus« ( 1,1 ) kommen in drei der frühen Handschriften nicht vor; und (2) Paulus erwähnt niemanden namentlich, was angesichts der Tatsache, dass er dort drei Jahre lang lebte und wirkte ( Apg 20,31 ), ungewöhnlich ist. Der Brief betont die in Christus bestehende Einheit von Juden- und Heidenchristen und zeigt, wie wichtig es ist, diese Einheit durch gegenseitige christliche Liebe zum Ausdruck zu bringen.

Der Apostel Paulus verfasste diesen Brief in seiner Gefängniszelle in Rom. Es ist der erste der so genannten »Gefangenschaftsbriefe«. Der Zeitpunkt der Niederschrift ist auf ca. 60 n. Chr. zu datieren.

Die in diesem Brief vorkommende Prophetie beschäftigt sich mit der Gemeinde, die sich aus Gläubigen zusammensetzt. Den Gläubigen wird die Heilsgewissheit verheißen, weil ihnen der Heilige Geist als Siegel auf das von Christus vollbrachte Erlösungsgeschehen gegeben worden ist ( 1,13-14 ). Das Geheimnis der Gemeinde, die Einheit von Juden und Heiden in einem Leib, wird erklärt ( 2,14-18; 3,6.9 ). Der Dienst der Versiegelung, den der Heilige Geist versieht, weist auf die Entrückung und Auferstehung der Gläubigen hin ( 4,30 ). Es wird eine zukünftige Zeit im Himmel vorausgesagt, in der sich Christus seine Gemeinde als heilig und tadellos darstellt ( 5,27 ). Die Verheißung der Belohnungen im Himmel wird jenen Gläubigen gegeben, die in ihrem Dienst für Christus Gutes tun ( 6,8 ).

Siehe auch: Israel und die Gemeinde, Unterschiede.

Ervin R. Starwalt

John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); John F. Walvoord und Roy B. Zuck, Hg., Walvoord Bibelkommentar , 5 Bde., (Holzgerlingen: Hänssler-Verlag, 1990); Charles F. Pfeiffer und Everett F. Harrison, Hg., Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962).

 

ERRETTUNG

aus der Sicht des Dispensationalismus

Die Errettung, die Erlösung oder das Heil ist das Werk Gottes. Dabei geht es darum, Gläubige vor dem Gericht und der Herrschaft der Sünde zu retten. Man versteht die heilsgeschichtliche Sichtweise der Errettung falsch, wenn man meint, dass die Zeit des Gesetzes und die Zeit der Gnade zwei Heilswege vertreten. Charles Ryrie hat diesen Vorwurf eindeutig beantwortet und die dispensationalistische Sicht der Errettung klargestellt: »Die Grundlage der Errettung in jedem Zeitalter ist der Tod Christi. Die Voraussetzung für die Errettung in jedem Zeitalter ist der Glauben, wobei dieser in jedem Zeitalter auf Gott bezogen ist. Der Inhalt des Glaubens ändert sich dagegen in den verschiedenen Heilszeiten« (Dispensationalis m, S. 115). Der Inhalt ist jeweils anders, weil das, was über Christus und seinen Tod bekannt ist, mit der fortschreitenden Offenbarung in jeder Heilszeit zunimmt.

Christen haben 1Mo 3,15 als Urevangelium angesehen. Diese Stelle spricht von Gottes umfassender Zusage (Verheißungsobjekt), dass der Same der Frau unter der Schlange leiden würde (Verheißungsgrundlage), der Same aber schließlich die Schlange bezwingen sollte (Verheißungsinhalt). Eine solche Verheißung erforderte lediglich eine Antwort des Glaubens. Diese ist in Adams Handeln erkennbar ( 1Mo 3,20 ). Im Rahmen der Entfaltung dieser Verheißung wurde sie näher erläutert: Nun steht der Segen auch allen Nationen in Abrahams Nachkommenschaft zur Verfügung ( 1Mo 12,1-3.7 ). Somit wird das Grundmodell der Heilszueignung in Abrahams Reaktion auf die ihm gegebene Verheißung Gottes sichtbar ( 1Mo 15,6 ). Abraham glaubte (Voraussetzung) Gott (Glaubensobjekt). Dabei ging es um das, was Gott eben verheißen hatte (Glaubensinhalt; 1Mo 15,1-5 : Er würde ihm einen Sohn schenken, obwohl sein Leib erstorben war und Sara keine Kinder mehr gebären konnte). Gott rechnete dann Abraham den Glauben (Voraussetzung) als Gerechtigkeit an (Errettung vor dem Urteil über Sünde).

Im Zeitalter des Gesetzes wurde die Grundlage der Errettung dadurch näher erläutert, dass die Erlösung aus Ägypten geschenkt und die Opferordnung des Bundes offenbart wurde. Der Glaube blieb immer auf Gott bezogen. Der Inhalt der Errettung durch Gott kam weiterhin in der Verheißung zum Ausdruck. Er wurde beim Ritual der Beschneidung wiederholt und war Gegenstand bei der Passahfeier ( 2Mo 12,3-13 ). Die Grundlage der Errettung bildete insbesondere ein Lamm mit den von Gott bestimmten Voraussetzungen. Es wurde als Stellvertreter geopfert, so dass sein Blut das betreffende Haus deckte und der Todesengel an ihm vorüberging. Die Voraussetzung bestand darin, dass man durch Glauben Blut an die Türpfosten strich. Angehörige dieses erlösten Volkes wurden dann Teilhaber eines Bundes, der eine Grundlage auch für fortgesetzte Vergebung bot, indem er das stellvertretende Tieropfer für Sünde einführte. Im Zeitalter der Gnade fand der Verheißungsinhalt im Evangelium seine endgültige geschichtliche Darstellung. Jesus von Nazareth verkörperte den Samen der Frau und die Nachkommenschaft Abrahams. Als Jesus am Kreuz starb, zermalmte ihm die Schlange die Ferse (Verheißungsgrundlage). Mit der Auferstehung Jesu aus den Toten wurde Satan endgültig bezwungen. Der verheißene Segen, der jetzt allen Nationen zugute kommt, beinhaltet ewiges Leben mit all den dazugehörigen Segnungen, die im Neuen Testament genannt werden. Obwohl die Errettung im Rahmen des Tausendjährigen Reiches unverändert bleibt, werden die Betreffenden die Segnungen des Heils wie nie zuvor in der Geschichte erfahren. Siehe auch: Dispensationalismus.

Elliott Johnson

Charles C. Ryrie, Die Bibel verstehen , (Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 1996); derselbe, Dispensationalism (Chicago: Moody Press, 1995).

 

ESCHATOLOGIE

Abgrenzung

Die Abgrenzung, Mischformen und Möglichkeiten für viele unterschiedliche eschatologische Systeme leiten sich aus der Tatsache ab, dass zahlreiche verschiedene prophetische Aspekte miteinander vermischt werden. Für viele stellt schon der Versuch, die Unterschiede zwischen Prämillennialismus, Postmillennialismus und Amillennialismus zu verstehen, eine bedeutsame Herausforderung dar. Das Bild wird jedoch noch komplexer, wenn man die vier Methoden zur eschatologischen Zeiteinteilung (Präterismus, Historizismus, Futurismus und Idealismus) dem prophetischen Spektrum hinzufügt. Wenn diese mit verschiedenen hermeneutischen Methoden verbunden werden und Themen wie »Israel und die Gemeinde«, »Bundestheologie kontra Dispensationalismus«, sowie Auslegungsunterschiede innerhalb der Systeme hineinspielen, lässt sich die Eschatologie von allen Gebieten der systematischen Theologie am schwersten verstehen, geschweige denn beherrschen.

Wie bei vielen Sachverhalten, die komplex zu sein scheinen, ist es jedoch nicht so schwierig, wie man auf den ersten Blick denken mag, wenn man versucht, sich die grundlegenden Merkmale jedes Aspekts einzuprägen. Wenn man die Merkmale jedes möglichen Elements erlernt, wird man auch imstande sein, das Wesen der verschiedenen Mischformen zu erfassen. Welche Kombinationsmöglichkeiten können nun unter anderem entstehen, wenn man von der Logik der verschiedenen Aspekte ausgeht? Die folgende Tabelle gibt darüber Aufschluss:

Prophetische Zeiteinteilung und Ansichten zum Tausendjährigen Reich

Zeiteinteilung

Amillennialismus

Postmillennialismus

Prämillennialismus

Präterismus

Ja

Ja

Nein

Historizismus

Ja

Ja

Ja

Futurismus

Nein

Ja

Ja

Idealismus

Ja

Ja

Nein

 

Innerhalb des Prämillennialismus gibt es, wie in der folgenden Tabelle dargestellt, noch andere Möglichkeiten:

Ansichten im Rahmen der prämillennialistischen Zeiteinteilung

Zeiteinteilung

Vorentrückung

Entrückung während der Trübsal

Nachentrückung

Präterismus

Nein

Nein

Nein

Historizismus

Nein

Ja

Ja

Futurismus

Ja

Ja

Ja

Idealismus

Nein

Nein

Nein

 

Die Unterschiede können beseitigt werden, indem man sich an eine konsequent wörtliche Auslegung hält. Eine solche Methode führt zur dispensationalistischen, prämillennialistischen und futuristischen Eschatologie im Sinn der Vorentrückung, die für Israel als Volk eine Zukunft erwartet.

Siehe auch: Eschatologie, Theologie und Sichtweisen.

Thomas Ice

 

ESCHATOLOGIE

jüdische

Wie im Christentum sind im Judentum viele verschiedene Traditionen vertreten, von denen jede die prophetischen Schriftstellen anders auslegt. Im Folgenden wird nur die Eschatologie des orthodoxen Judentums erörtert, die trotz vieler Unterschiede im Detail einen allgemeinen Grundriss bietet, der in etwa der prämillennialistischen Auslegung endzeitlicher Ereignisse entspricht. Da die jüdische Eschatologie so umfassend ist, sollte man eigentlich nicht nur die zwei wichtigsten eschatologischen Zeiträume erörtern. Für den Vergleich mit dem Prämillennialismus reicht dies jedoch aus.

 

ESCHATOLOGIE

jüdische

Eschatologische Trennlinien

Die Rabbiner unterschieden grob zwischen diesem Zeitalter (ha-´olam hazeh ) und dem kommenden Zeitalter (ha-´olam hab-ba ), wobei sie eine speziellere Unterscheidung zwischen den Tagen des Messias (Yemot ha-Maschiach ), der Erlösung (Ge´ulah ) und der Auferstehung der Toten (techiyyat ha-metim ) vornahmen. Vom prämillennialistischen Standpunkt aus gesehen entsprechen diese Unterscheidungen ungefähr der größeren Trennlinie zwischen dem gegenwärtigen Zeitalter (einschließlich der Trübsal) und dem Tausendjährigen Reich sowie der kleineren Trennlinie zwischen der Trübsal und dem Tausendjährigen Reich. In der rabbinischen Eschatologie stellten die Tage des Messias ein Übergangsstadium dar, das eine unbestimmte Anzahl von Jobeljahren bzw. Generationen umfassen würde. Für die Länge dieses Stadiums wurde eine Reihe von Vorschlägen gemacht: 2000, 5000 und 7000 Jahre bzw. 40, 50, 70 oder 85 Jobeljahre und 50 sowie 60 Generationen bzw. 365.400 Jahre. Chronologischen Berechnungen dieser Tage traten die Rabbiner nicht entgegen, wohl aber dem Versuch, die genaue Zeit der messianischen Ankunft zu berechnen. Man fertigte zu diesem Zweck mehrere Aufzeichnungen an, in denen die entsprechenden Ereignisse chronologisch festgehalten sind. Die älteste davon wird »Seder Olam« (die Ordnung der Welt) genannt - ein von Jose ben Halafta (ca. 140 n. Chr.) herausgegebenes Werk. Es listet die biblischen und nachbiblischen Ereignisse bis zum Bar-Kochba-Aufstand auf. Die »Seder Olam Zutta« (im 8. Jahrhundert n. Chr. zusammengestellt) vervollständigt die »Seder Olam Rabba« (d. h. große »Seder Olam«) dadurch, dass sie ihrem historischen Überblick eine Reihe von Jahren hinzufügt und ihn bis Rabbi Hazub (ca. 800 n. Chr.) fortführt. Berechnungen der letzten Tage beruhen auf biblischen Texten (z.B. Jer 30-33; 50-51; Dan 9-11; Hes 34-48 ) und werden sowohl wörtlich als auch mystisch (gemäß der kabbalistischen Methode) ausgelegt.

Ein anderer chronologischer Entwurf für eschatologische Berechnungen ist im Babylonischen Talmud erhalten geblieben. Der rabbinische Weise R. Aha suchte tiefere Einsicht bezüglich der Frage, warum es im siebten Segensspruch des Achtzehnbittengebets um »die Erlösung Israels« ging. R. Rava antwortete, damit solle gelehrt werden, dass Israel im siebten Jahr - von der Ankunft des Messias an gerechnet - erlöst werden wird (T.B. Megilla 17b; vgl. Tosefta Sanhedrin 13.1; Rosch Haschana 16b). Eine eschatologische Baraita erklärt dies folgendermaßen: »Im Septennium (sieben Zeiten zu je 1000 Jahren), an dessen Ende der Sohn Davids kommen wird, sieht die Reihenfolge so aus: Im ersten Jahr wird der Vers »Ich werde auf die eine Stadt regnen lassen, während ich auf die andere Stadt nicht regnen lasse« (vgl. Amos 4,7 ) in Erfüllung gehen. Im zweiten werden die Pfeile der Hungersnot abgeschossen werden. Im dritten wird es eine große Hungersnot geben, durch die Männer, Frauen und Kinder, fromme Menschen und Wundertäter sterben werden, und diejenigen, die sich der Thora gewidmet haben, werden diese vergessen. Im vierten wird es Überfluss geben. Im fünften wird es großen Überfluss geben, und man wird essen, trinken und sich freuen, und die Thora wird bei ihren Schülern wieder ihren rechtmäßigen Platz erhalten. Im sechsten wird es (himmlische) Klänge geben, im siebten Kriege, und am Ende des Septenniums wird der Sohn Davids (der Messias) kommen« (Sanh. 97a; ´Avoda Zara 9a). Die Gemara stellt dazu fest: »Krieg ist auch der Anfang der Erlösung.« Sie lässt damit erkennen, dass das messianische Zeitalter auch während des gesamten siebten Jahrtausends bestehen würde.

Eine andere Darstellung stammt von einem tannaitischen Weisen aus der Schule des Elia. In dieser Baraita erfahren wir: »Die Welt wird 6000 Jahre lang bestehen, denn 2000 Jahre wird es Verwüstung geben, 2000 Jahre die Thora und 2000 Jahre die Tage des Messias« (Sanh. 97 a-b; Avoda Zara 9a; vgl. Rosch Haschana 31a). Danach wird das 7000. Jahr ein Jahr der Erneuerung sein (Sanh. 97b). Die 7000 Jahre umfassende Woche des Großen Sabbats hat die sechs Tage der Schöpfung (6 Tage = 6000 Jahre) und die Ruhe am siebten Tag (der letzte Tag = die letzten 1000 Jahre) zum Vorbild. Gott soll sich während der ´olam hazeh (dieser gegenwärtigen, 6000 Jahre existierenden Welt) verborgen halten, denn die drei hebräischen Stammbuchstaben, die das Wort »Welt« bilden - ayin, lamed und mem - lassen erkennen, dass Gott gewichen ist, zwar nicht als Person, aber in seiner Beziehung zur Welt. In den letzten 1000 Jahren, der ´olam ha-ba (der kommenden Welt), wird er nicht im Hintergrund wirken, sondern für alle sichtbar sein und die natürliche Ordnung in eine geistliche umgestalten. In Zusammenhang damit wird die Prophetie Jesajas über die wiederhergestellte natürliche Ordnung in Erfüllung gehen ( 11,6-9; 65,20-25 ). Im jüdischen Sprachgebrauch wird diese Zeit als messianisches Reich bezeichnet - eine Zeit des Friedens auf der Erde, die dem letzten Tag des Herrn vorausgeht.

 

ESCHATOLOGIE

jüdische

Trübsal

Die apokalyptische Literatur des Judentums bietet einen eschatologischen Rahmen für die Trübsalszeit. Das 1. Buch Henoch beschreibt einen endzeitlichen Ansturm heidnischer Streitmächte gegen Gottes Auserwählte, in dessen Verlauf dämonische Geister oder gefallene Engel die Nationen zum Krieg gegen Israel aufstacheln (56,5-8). Obwohl Gott Israel die Kraft gibt, sich gegen seine Feinde zu verteidigen (90,13-15), muss es eine Zunahme an Gewalttat und Gottlosigkeit erleiden (91,5-7), bevor die Herrschaft der Gerechtigkeit in der achten Woche beginnen kann (91,12-13). Ebenso wird vor dem letzten Gericht große Verwirrung über die Nationen kommen, so dass sie einander niedermetzeln (100,4). Der letzte eschatologische Konflikt wird zwischen Gott, Michael und den Engeln sowie Beliar (o. Belial) und seinen Dämonen stattfinden. Er wird sich im Krieg zwischen den Gerechten (Israel) und den Ungerechten (Nationen) auf den irdischen Bereich ausweiten. Die Testamente der zwölf Patriarchen stellen ebenfalls den allgemeinen Zustand während dieser Zeiten dar, indem sie diese als Zeiten des Unglaubens und der Gottlosigkeit charakterisieren (Testament Levi 4,1), in denen insbesondere das Priestertum verunreinigt wird (Testament Levi 17,7-11). Die syrische Apokalypse des Baruch beginnt damit, dass sie die Frage stellt: »Wird jene Trübsal, die kommen wird, eine lange Zeit dauern, und wird jene Not viele Jahre umfassen?« Nach einer langen Abhandlung, welche die zwölf Abschnitte dieser Trübsalszeit ausführlich auflistet, fügt sie hinzu: »Wenn alles vollbracht ist, was geschehen sollte ..., wird der Messias anfangen, sich zu offenbaren« (26-29; vgl. 1.Henochbuch 101,12-17).

Obwohl die Rabbiner außerbiblische Literatur als nicht inspiriert ablehnten, hatten sie aus den ihnen zur Verfügung stehenden biblischen Schriften (dem Alten Testament) ihre eigenen Ansichten entwickelt. Raschi, der führende jüdische Bibelexeget, spricht in seinem Kommentar zu 5Mo 4,28-30 offensichtlich von einer endzeitlichen Erfüllung der Trübsal: Gemäß der Erklärung des Targum ordnet er die Trübsal nach dem Ende der Zeit heidnischer Vorherrschaft ein. Obwohl die Lesart des masoretischen Textes die Verbannung Israels als Strafe für Götzendienst nahelegt, heißt es im Targum Onkelos: »Du wirst Völkern dienen, die Götzen dienen.« Daher versteht Raschi in Anlehnung an den Targum die Stelle so, dass die Errettung aus dieser Trübsal (V. 30 ) das Ende heidnischer Vorherrschaft und die Wiederherstellung der Segnungen des Bundes (V. 31 ) als Folge der Buße Israels (V. 29 ) beinhalten wird.

In gleicher Weise legten rabbinische Exegeten die Zeit der Bedrängnis ( Dan 12,1 ) als zukünftige eschatologische Zeit aus, die einem als ch a valim (Geburtswehen) oder chevlo schel maschiach (Geburtswehen des Messias) bekannten Zeitraum entspricht. Dieser Begriff drückt die Vorstellung aus, dass Israel einer Mutter gleicht: Aus den Reihen dieses Volkes sollte der Messias hervorgehen, als würde unter Schmerzen ein Kind geboren werden. Diese Wehen würden zu einem bestimmten Zeitpunkt einsetzen und bis zur Zeit der Entbindung an Intensität zunehmen. In Jes 66,7-9 wird das Bild der Geburtswehen auf Israel zu der Zeit angewandt, wenn die Angehörigen dieses Volkes die Wiedergeburt erleben (V. 8 ). Dies hat den Rabbinern vielleicht als wichtigster alttestamentlicher Hinweis für ihre Vorstellung von den messianischen Geburtswehen gedient. Der Begriff als Fachausdruck erscheint in der rabbinischen Literatur zuerst in der Mischna (Sanh. 98b und Mek. über 2Mo 16,25 ). Dort wird er Elieser zugeschrieben, der möglicherweise der Sohn des Hyrkanus war (ca. 90 n. Chr.). Jedenfalls existierte im ersten nachchristlichen Jahrhundert bereits der Begriff der messianischen Wehen, wie man anhand des griechischen Begriffs odinon (Wehen) erkennen kann, der in den Evangelien ( Mt 24,8; Mk 13,8 ) gebraucht wird. Ähnlich wie in der Ölbergrede finden sich in der Mischna zehn Zeichen, welche die messianischen Geburtswehen begleiten sollen. Sie werden in Sanh. 97b wie folgt aufgezählt: (1) Die Welt befindet sich entweder im Zustand völliger Gerechtigkeit oder völliger Verkommenheit; (2) es wird an der Wahrheit mangeln; (3) die Inflation wird außerordentlich zunehmen; (4) Israel wird nach Hesekiel 36,8-12 allmählich wieder bevölkert werden; (5) Weise werden selten zu finden sein; (6) die Juden werden alle Hoffnung auf Erlösung aufgegeben haben; (7) die Jungen werden die Alten verachten; (8) die Gelehrsamkeit wird verworfen werden; (9) die Frömmigkeit wird verachtet werden; und (10) immer mehr Juden werden sich gegen Angehörige ihres eigenen Volkes wenden. Ähnliche Aussagen finden sich im Sotah 9,15 (einem »Traktat« der Mischna) hinsichtlich der Tage der messianischen Ankunft, die hier als »Fußspuren des Messias« bezeichnet werden.

Einen entscheidenden Einfluss auf diejenigen, die diese Auslegung der Geburtswehen vertraten, übten die mittelalterlichen Weisen Raschi und R´Sch´muel Masnuth aus. In seinem Kommentar zu Daniel (ca. 1230 n. Chr.) stellt R´Sch´muel Masnuth fest, dass »diese Generation die Wehen des Messias erleben wird - die Drangsale der Generation, die im Traktat Sanh. 97b beschrieben werden.« Raschi erweiterte in seinem Danielkommentar (ca. 1100 n. Chr.) die unter den Juden während der »Generation des Messias« (aus Kethubot 112b) zu findenden Zeichen der religiösen Feindschaft und innerjüdischen Gesetzlosigkeit auf »die Söhne deines Volkes«, die in diesem Vers (d.h. in Dan 12,1 ) genannt werden. Die Aussicht, dieser Zeit der Trübsal vor der messianischen Ankunft entgegenzugehen, war so furchterregend, dass einige der Weisen hofften, dies möge nicht zu ihren Lebzeiten geschehen. Unter diesen Weisen befand sich Rabbi Yochanan, der ausrief: »Er [der Messias] möge kommen, doch möge ich seine Ankunft nicht sehen!« (Sanh. 98b; siehe: Daniels siebzig Jahrwochen, rabbinische Auslegung ).

 

ESCHATOLOGIE

jüdische

Tausendjähriges Reich

In einem apokalyptischen Werk mit der Bezeichnung »Viertes Buch Esra« ist eine ausführliche Beschreibung der Ereignisse im Zeitalter des Tausendjährigen Reiches erhalten geblieben. Ihr zufolge soll nach einem einleitenden Gericht das jüdische Reich für 1000 Jahre (nach anderen Quellen für 400 Jahre) aufgerichtet werden. Dem folgt ein letztes, allgemeines Gericht, bei dem die Erde vernichtet wird, der Messias stirbt und die Schöpfung wieder dem Chaos verfällt. Danach kommt die Auferstehung, die Erschaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde sowie ein Zustand ewiger Glückseligkeit. In der rabbinischen Eschatologie scheint der Begriff »Reich der Himmel« (malkut ha-scha-mayim ) häufig die Herrschaft und Ordnung des Himmels zu beschreiben, die auf der Erde durchgesetzt werden soll. Dieses Reich wird offenbar als nationale und politische Einrichtung verstanden, da man es erst bei der endgültigen Erlösung als vollendet ansieht. Zu dieser Erlösung gehören: die Rückführung Israels in sein Land, die Wiederherstellung seiner nationalen Souveränität und eine neue geistliche Wirklichkeit, die es nie zuvor gegeben hat und die sich in der Bekehrung von Angehörigen der Heidenvölker sowie deren Unterworfenheit unter Gott, den Messias und das Volk Israel zeigt. Nach dem Midrasch Rabba wird während dieses Erlösungszeitalters das Wesen der Menschen verändert werden (vgl. Hes 36,26-27 ): Sie werden die Thora befolgen, nachdem Gott ihre böse Neigung (´etzer ha-ra ´) beseitigt oder restlos entfernt und sie durch ein neues bzw. fleischernes Herz ersetzt hat (Num. R. 15,16; 17,6; Lev. R. 35,5; vgl. Ex. R. 41,7; Cant. R. 1,4).

 

ESCHATOLOGIE

jüdische

Die Ewigkeit

Dem Tausendjährigen Reich folgt die Ewigkeit, im Allgemeinen als »die kommende Welt« bezeichnet und manchmal mit dem Garten Eden verglichen, aber nicht ausführlich beschrieben. Sie wird jedoch vom Tausendjährigen Reich eindeutig unterschieden, denn in ihr gibt es »kein Essen und Trinken, werden keine Kinder gezeugt, gibt es keinen Handel, keine Eifersucht, keinen Hass und keine Zwietracht. Vielmehr werden die Gerechten mit ihren Kronen auf ihren Häuptern dasitzen und sich über den Glanz der Schechina (»der Gegenwart Gottes«) freuen« (Bab. Berakot 17a).

Siehe auch: Hermeneutik, rabbinisch- orthodoxe.

J. Randall Price George

W. Buchanan, Revelation and Redemption: Jewish Documents of Deliverance from the Fall of Jerusalem to the Death of Nachmanides (Dillsboro, N.C.: Western North Carolina Press, 1978); H. J. de Jonge, Hg., Jewish Eschatology, Early Christian Christology and the Twelve Patriarchs: Collected Essays of Marinus de Jonge. Supplements to Novum Testamentu m, 63 (Leiden: E. J. Brill, 1991), 3-62, 147-313; Pasquale De Santo, »A Study of Jewish Eschatology with Special Reference to the Final Conflict« (Dissertation, Duke University, 1957); Encyclopedia Judaica unter dem Stichwort »Eschatologie« (Jerusalem: Keter Publishing House Jerusalem, 1972) 6,872-883; Aaron Judah Klingerman, Messianic Prophecy in the Old Testament (Grand Rapids: Zondervan, 1957); Sigmund Mowinckel, He That Cometh , Übersetz. G. W. Anderson (New York: Abingdon Press, 1954), 261-279; Elihu A. Schatz, Proof of the Accuracy of the Bible (New York: Jonathan David Publishers, 1973), 353-538; Solomon Schechter, Aspects of Rabbinic Theology (New York: Schocken Books, 1969), 97-115; Ephraim E. Urbach, The Sages: Their Concepts and Beliefs , Übersetz. Israel Abrahams, 2 Bd. (Jerusalem: The Magnes Press, 1975), 649-690.

 

ESCHATOLOGIE

puritanische

Die Puritaner Englands und Amerikas waren ihrer Herkunft nach Teil der protestantischen Reformation Europas, und ihre eschatologischen Vorstellungen entstanden vor dem Hintergrund dieser Tradition. Den früheren Schriften von John Wycliffe (1329-1384) folgend, begannen Martin Luther (1483-1546) und Philipp Melanchthon (1497-1560), erste Grundlagen einer protestantischen Eschatologie zu for mulieren. Sie sah allgemein den katholischen Papst als den Antichristen, Gog und Magog als die muslimischen Türken und die Endzeit als angebrochen an. Dies gab Anlass zu einem postmillennialistischen Bild einer Kirche, die das Reich Christi auf Erden hervorbringt. Während Johannes Calvin (1509-1564) diese Vorstellungen mäßigte, wurden sie von John Knox (1514- 1572) und den englischen Puritanern extrem gesteigert.

Knox��� Einfluss zeigte sich besonders stark unter den englischen Puritanern im Genfer Exil, die 1560 die Genfer Bibel mit ihren umfangreichen eschatologischen Anmerkungen hervorbrachten. Die Popularität dieser neuen puritanischen Studienbibel führte zusammen mit John Foxes Actes and Monuments (bekannter unter der Bezeichnung Foxes Buch der Märtyrer ) zu einer eschatologischen Erregung über das Kommen Christi und das Ende des Zeitalters.

Die Puritaner waren bekannt für ihre Gott verherrlichende und Christus ehrende Gelehrsamkeit, die eine Reihe großer Theologen, darunter eine Menge Endzeitlehrer, hervorbrachte. Zu den frühen puritanischen Autoren gehörten John Bale (1495-1563), der eine Vorstellung von sieben Zeitaltern der menschlichen Geschichte entwickelte - ähnlich den sieben Haushaltungen späterer Dispensationalisten - und John Napier (1550-1617), der schottische Gelehrte, der die Logarithmen entwickelte und 1593 einen Kommentar zur Offenbarung schrieb. Dieser Kommentar wurde später gekürzt und 1643 als The Bloody Almanac (Der grausame Almanach) wieder aufgelegt. Dieses Buch wurde zum bekanntesten Traktat in England während des englischen Bürgerkriegs (1640-1660).

Hugh Broughton (1549-1612), Professor für Hebräisch in Cambridge, schrieb Kommentare zum Buch Daniel (1596) und zur Offenbarung (1610). Darin betonte er den Unterschied zwischen Israel und der Gemeinde. Thomas Brightman (1557- 1607) schrieb einen gewaltigen Kommentar zur Offenbarung, in dem er ein von der Gemeinde getrenntes jüdisches Reich voraussah, das aus der Bekehrung der Juden zu einem buchstäblichen irdischen Reich erwachsen werde. Er stellte auch die Vermutung auf, die sieben Gemeinden der Offenbarung seien eine Prophetie auf die sieben Zeitalter der Kirchengeschichte. Joseph Mede (1586-1638), Professor für Griechisch in Cambridge, wurde der Vater der englischen prämillennialistischen Eschatologie. Sein 1627 veröffentlichter Kommentar Key to the Revelation (Schlüssel zur Offenbarung) nahm das englische Publikum begeistert auf. Mede übte auch erheblichen Einfluss auf die Westminster Assembly of Divines (die Westminster-Versammlung der Geistlichen) aus, darunter auch Thomas Goodwin, Jeremiah Burroughs, William Bridge, Stephan Marshall und William Twisse. Sie alle wurden glühende Prämillennialisten. Mede lehrte persönlich John Milton, Isaac Newton und Nathaniel Holmes und führte einen umfangreichen Briefwechsel mit dem anglikanischen Bischof James Ussher.

Der Wendepunkt der puritanischen Eschatologie kam kurz nach der Revolution Oliver Cromwells im englischen Bürgerkrieg. John Owen (1616-1683) wurde 1651 von Cromwell als Vizekanzler der Universität Oxford eingesetzt. Owens frühere eschatologische Sicht, der Fall Babylons sei im Sturz der britischen Monarchie erfüllt, wurde von der radikalen »Bewegung fünfte Monarchie« ins Extrem getrieben, die Owen öffentlich verurteilte. Um 1652 begann Owen, die geistliche Natur des Reiches Christi zu betonen und trat von seiner früheren prämillennialistischen Ansicht zurück. Richard Baxter (1615-1691) ging mit seinem Buch The Saint's Everlasting Rest (Die ewige Ruhe des Gläubigen) (1650) sogar noch weiter in der Betonung der himmlischen Natur des Reiches Christi. Baxter suchte nach einer ewigen Ruhe jenseits der Konflikte und Streitigkeiten seiner Zeit.

Nach Cromwells Tod im Jahr 1658 wurde die Monarchie 1660 wiederhergestellt. Charles II. wurde als König zurückgerufen, und 1662 verbannte der »Act of Uniformity« (bekannt unter der Bezeichnung »der große Hinauswurf«) zweitausend puritanische Pastoren von ihren Kanzeln. Danach verlor sich der kämpferische Prämillennialismus unter den Puritanern, aber die prämillennialistische Tradition blieb in der allgemeinen Öffentlichkeit populär und wurde von so prominenten Persönlichkeiten wie Charles Haddon Spurgeon (1834-1892) vertreten.

Unter den amerikanischen Puritanern im kolonialistischen Neuengland war die postmillennialistische Sicht von Jonathan Edwards (1703-1758) der vorherrschende Gesichtspunkt. Die amerikanischen Puritaner des 18. und 19. Jahrhunderts waren allgemein optimistisch über den Fortschritt der Weltevangelisation und über das kommende goldene Zeitalter der Gemeinde. Cotton Mather (1663-1728) aus Harvard war Prämillennialist. Aber Edwards Enkel Timothy Dwight (1752-1817) aus Yale war ein führender amerikanischer Postmillennialist. Er glaubte, die Gemeinde werde erfolgreich das Reich Christi auf der Erde etablieren, was sich um das Jahr 2000 n. Chr. erfüllen werde. Der amerikanische Postmillennialismus wurde später durch Theologen wie Charles Hodge (1797-1878) in Princeton populär gemacht.

Siehe auch: Bale, John; Edwards, Jonathan; Mather, Richard, Increase und Cotton; Mede, Joseph.

Edward Hindson

Paul Christianson, Reformers and Babylon (Toronto: University of Toronto Press, 1978); K. R. Frith, The Apocalyptic Tradition in Reformation Britain 1530-1645 (Oxford: Oxford University Press, 1979); Christopher Hill, Antichrist in SeventeenthCentury England (Oxford: Oxford University Press, 1971); Edward Hindson, Puritan's Use of Scripture in the Development of an Apocalyptical Hermeneutic (Pretoria: University of South Africa, 1984).

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologie ist der theologische Begriff, der das Studium der Endzeit bezeichnet. Er kommt von dem griechischen Wort eschatos , das »letzte« oder »letzte Dinge« bedeutet. Daher wird der Ausdruck als allgemeine Bezeichnung für biblische Prophetie gebraucht.

Eines der einzigartigen Merkmale der biblischen Prophetie besteht darin, dass sie mit Hilfe verschiedener hermeneutischer Methoden ausgelegt worden ist. Millard Erickson unterscheidet in Contemporary Options in Eschatology (»Zeitgenössische Varianten in der Eschatologie«), S. 1154, vier allgemeine eschatologische Sichtweisen, die man innerhalb der christlichen Theologie ins Gespräch gebracht hat:

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Futuristische Sichtweise

Die futuristische Sichtweise nimmt an, dass prophetische Ereignisse zukünftig - und zwar am Ende der Zeiten - in Erfüllung gehen werden. Christus wird als derjenige gesehen, der in der Zukunft kommt, um sein Reich aufzurichten.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Präteristische Sichtweise

Die präteristische Sichtweise vertritt den Standpunkt, dass prophetische Ereignisse bereits zu der Zeit, als sie niedergeschrieben wurden, in Erfüllung gegangen sind und jetzt der Vergangenheit angehören. Christus wird als derjenige gesehen, der schon gekommen ist, um Jerusalem zu zerstören (70 n. Chr.) und sein Reich aufzurichten.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Historizistische Sichtweise

Nach der historizistischen Sichtweise sind prophetische Ereignisse im Laufe der gesamten Kirchengeschichte fortwährend in Erfüllung gegangen, wobei einige davon eventuell zukünftig noch Wirklichkeit werden. Christus wird als der fortwährend Kommende angesehen.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Idealistische Sichtweise

Die idealistische Sichtweise besteht darin, dass prophetische Ereignisse keine spezielle Erfüllung in der Vergangenheit oder der Zukunft finden, sondern vielmehr im gegenwärtigen Erfahrungsbereich des Einzelnen Wirklichkeit werden. Christus wird als derjenige gesehen, der so kommt, dass es der Einzelne erlebt.

Innerhalb der christlichen Kirche gibt es eine Vielzahl von Methoden, wenn es um das Studium der Eschatologie geht. Einige lehnen es ab, sich überhaupt mit ihr zu beschäftigen und ziehen es vor, Prophetie als hoffnungslos verwirrend oder allgemein bedeutungslos abzutun. Zu den liberalen Auslegungsrichtungen gehören verschiedene Formen der modernisierten (Ritschl), realisierten (Dodd), existenzialen (Bultmann) oder politisierten (Moltmann) Eschatologie. Jede dieser Sichtweisen lehnt die wörtliche Auslegung der Prophetie ab. In den Reihen der Evangelikalen ist die Prophetie jedoch stets ernst genommen worden. Jesus Christus selbst sagte seine Wiederkunft auf die Erde sowie mehrere bedeutsame endzeitliche Ereignisse voraus ( Mt 24-25 ).

In evangelikalen Kreisen haben sich im Umfeld des Themas des Tausendjährigen Reiches bzw. der tausendjährigen Herrschaft Christi mehrere Auslegungsrichtungen herausgebildet. Die Frage, um die es unter Evangelikalen im Allgemeinen geht, hat damit zu tun, wie man Prophetie auslegt. Aus entsprechenden Auslegungsvorschlägen haben sich drei Hauptrichtungen entwickelt. Obwohl die meisten Evangelikalen in ihrer eschatologischen Sichtweise Prämillennialisten sind, gibt es auch solche, die für den Amillennialismus oder für den Postmillennialismus eintreten.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Postmillennialismus

Diese Auslegungsrichtung besagt, dass das Tausendjährige Reich (die in Offb 20,1-10 erwähnten tausend Jahre) sinnbildlich als gleichbedeutend mit dem Gemeindezeitalter ausgelegt werden müssen. Nach dieser Sicht ist Satans Macht derzeit durch die Macht des Evangeliums gebunden. Postmillennialisten glauben, dass die Gemeinde während dieses »Tausendjährigen Reiches« (des Gemeindezeitalters) aufgerufen ist, den Unglauben zu besiegen, die Massen zu bekehren und die Gesellschaft durch Gesetze im Sinn der Bibel zu regieren. Erst nachdem sich der christliche Glaube überall auf der Erde durchgesetzt hat, wird Christus wiederkommen und verkündigen, dass sein Reich Wirklichkeit geworden ist. Zu den Befürwortern des Postmillennialismus gehören Katholiken, Puritaner, Charismatiker und Vertreter des Christlichen Rekonstruktionismus, die Gläubige auffordern, über die Erde zu herrschen und in ihren politischen Strukturen maßgeblich vertreten zu sein, um das Reich Gottes auf der Erde zu verwirklichen.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Amillennialismus

Nach dieser Auslegungsmethode gibt es keinerlei Tausendjähriges Reich auf der Erde. Amillennialisten neigen vielmehr dazu, die Erfüllung so genannter »Prophetien des Tausendjährigen Reiches« in der Ewigkeit anzunehmen. Hinweise auf die tausend Jahre werden symbolisch ausgelegt. In diesem System endet das Gemeindezeitalter mit der Wiederkunft Christi als desjenigen, der die Welt richtet und die Ewigkeit einleitet. Gottes Verheißungen für Israel werden als in der Gemeinde (das Neue Israel des neuen Bundes) erfüllt angesehen. Daher erwarten Amillennialisten keine spezielle Zukunft für Israel als Volk. Sie betrachten das Gemeindezeitalter als Zeitalter des Konflikts zwischen den Kräften des Guten und des Bösen, das in der Wiederkunft Christi seinen Höhepunkt findet.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Prämillennialismus

Diese Sichtweise geht davon aus, dass Christus am Ende des Gemeindezeitalters wiederkommen wird, um im wörtlichen Sinn sein Reich auf der Erde für 1000 Jahre aufzurichten. Die meisten Prämillennialisten glauben auch, dass es vor der Wiederkunft Christi eine Zeit der Großen Trübsal auf der Erde geben wird. Unter den Prämillennialisten gibt es solche, die glauben, dass die Gemeinde die Trübsal durchleben wird (Vertreter der Nachentrückung), und andere, die der Meinung sind, dass die Gemeinde vor der Trübsal entrückt werden wird (Vertreter der Vorentrückung). Einige glauben sogar, dass die Gemeinde in der Mitte der Trübsal entrückt werden wird (Vertreter der Entrückung während der Trübsal). Trotz dieser Unterschiede im Blick auf die Entrückung der Gemeinde glauben Prämillennialisten im Allgemeinen an die künftige Wiederherstellung des Staates Israel und die letztliche Hinwendung der Juden zum christlichen Glauben.

Die prämillennialistische Sicht der Eschatologie erwartet die Entrückung (Versetzung der Gläubigen in den Himmel) als das nächste wichtige prophetische Ereignis. Damit wird dieser Meinung nach das Gemeindezeitalter zu Ende gehen und der Weg für die Trübsalszeit sowie für die Wiederkunft Christi bereitet. Auf die Entrückung wird in mehreren Bibelstellen hingedeutet, so z. B. durch die Worte des Paulus an die Thessalonicher: »Denn der Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei der Stimme eines Erzengels und bei dem Schall der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein« ( 1Thes 4, 16-17 ).

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Die biblische Geschichte nimmt ihren Anfang bei der Schöpfung ( 1Mo 1,1 ) und steuert auf eine letzte Vollendung aller Dinge zu. Die Bibel selbst beschreibt diese wie folgt: »Dann das Ende, wenn er [Christus] das Reich dem Gott und Vater übergibt; wenn er alle Herrschaft und alle Gewalt und Macht weggetan hat« ( 1Kor 15,24 ).

Es gibt mehrere biblische Begriffe, die eschatologische Ereignisse beschreiben.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Letzte Tage

Der Ausdruck letzte ist ein Adjektiv, das die Zeiten unmittelbar vor dem Ende des Zeitalters beschreibt. Paulus sagte: »In den letzten Tagen (werden) schwere Zeiten eintreten« ( 2Tim 3,1 ); und: »In späteren Zeiten (werden) manche vom Glauben abfallen« ( 1Tim 4,1 ). Petrus schrieb: »In den letzten Tagen (werden) Spötter mit Spötterei kommen«, die leugnen, dass Christus wiederkommen wird ( 2Petr 3,3 ).

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Ende des Zeitalters

Das Ende (griech. telos ) weist auf den Ausgang hin, den alle Dinge letztlich nehmen werden. Daran dachte Jesus, als er sagte: »Aber es ist noch nicht das Ende« ( Mt 24,6 ); und: »Dann wird das Ende kommen« ( Mt 24,14 ). »Zeitalter« (griech. aion ) wird in der Lutherbibel im Allgemeinen mit »Welt« übersetzt, so z. B. in Mt 24,3 (»das Ende der Welt«). Leider denken dabei die meisten an das Ende dieser Erde, wohingegen die griechische Wendung lediglich die »Vollendung des Zeitalters« (Revidierte Elberfelder) meint. Dies weist auf eine Zeit hin, wenn das gegenwärtige Zeitalter enden wird, was aber nicht mit dem Ende des Planeten Erde gleichbedeutend ist.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Vollendung des Zeitalters

Die Wendung »Vollendung des Zeitalters« (griech. synteleia ) gleicht dem Begriff »Ende des Zeitalters« und bringt die letztliche Enthüllung aller Dinge zum Ausdruck. Jesus verheißt, »bis zur Vollendung des Zeitalters« bei uns zu sein ( Mt 28,20 ).

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Wiederkunft

Der Begriff selbst erscheint erst in den Schriften der Kirchenväter, doch der ihm zugrunde liegende Gedanke kommt im Neuen Testament eindeutig zum Ausdruck. Er ist gleichbedeutend mit dem Wort »wiederkommen« in Joh 14,3 und mit »zum zweiten Mal ... erscheinen« ( Hebr 9,28 ). Im Griechischen beschreibt der Begriff parousia (Kommen) die Ankunft und Gegenwart eines Herrschers. Dieser Ausdruck wird häufig gebraucht, um das Kommen Christi zu bezeichnen, z. B. in Mt 24,3.27.37.39 .

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Offenbarung

Apokalypsis (»Enthüllung« oder »Aufdeckung«) ist der griechische Titel des Buches der Offenbarung. Er vermittelt den Gedanken einer herrlichen Offenbarung oder Erscheinung, so z. B. in 1Kor 1,7 (»... während ihr das Offenbarwerden unseres Herrn Jesus Christus erwartet«) oder in 1Pet 1,7 (»in der Offenbarung Jesu Christi«).

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Erscheinung

Der Begriff »erscheinen« (griech. epiphaino ) bedeutet »ans Licht bringen« bzw. »herrlich machen«, wie z. B. in »durch den Glanz seiner Ankunft« ( 2Thes 2,8 ; wörtliche Übersetzung). Von diesem Ausdruck leitet sich im Kirchenjahr das Wort »Epiphanias« ab, das sich auf das Kommen Christi bezieht.

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Tag des Herrn

Der Tag des Herrn und der sich daraus ergebende Tag Christi beziehen sich auf die Zeit des letzten Gerichts, das in der Schlacht von Harmagedon gipfelt. Der Begriff erscheint im Alten Testament als »der Tag des HERRN ... der große und furchtbare« ( Mal 3,23 ) und wird allgemein als mit der »Zeit der Bedrängnis für Jakob« ( Jer 30,7 ; vgl. Dan 12,1 ) gleichbedeutend angesehen. Im Neuen Testament ist dies »der große Tag (des) Zorns [Christi]« ( Offb 6,17 ).

Die Eschatologie ist das Studium der Endzeit und wird im Allgemeinen mit dem Studium der biblischen Prophezeiungen über künftige Ereignisse verbunden. Jesus sprach von der »Vollendung des Zeitalters«, als er Fragen seiner Jünger beantwortete. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass er die menschliche Geschichte als einen Prozess sah, der auf einen letzten Höhepunkt zusteuert, und nicht als endlosen Kreislauf sich wiederholender Ereignisse. Die Juden der zwischentestamentlichen Zeit unterschieden zwischen diesem Zeitalter (hebr. ha-´olam hazeh ) und dem kommenden Zeitalter (hebr. ha-´olam hab-ba ). Der Ausdruck »das Ende der Welt« hat jüdisch-christliche Wurzeln und wird sowohl von Juden als auch von Christen als Begriff verstanden, der sich darauf bezieht, dass diese Welt (bzw. dieses Zeitalter) zu Ende geht und vom kommenden Zeitalter abgelöst werden wird.

Ein ähnlicher Gedanke findet sich in dem alttestamentlichen Begriff »Ende der Tage« (hebr. beaharit hayyamim ). Mose sagte den zukünftigen Abfall Israels, seine Zerstreuung und seine Rückkehr zum Herrn am Ende der Tage voraus ( 5Mo 4,30 ; vgl. 31,29 ). Der Prophet Hosea sprach von der künftigen Buße Israels am Ende der Tage ( Hos 3,5 ). Der Prophet Jeremia sagte zahlreiche Ereignisse voraus, die am Ende der Tage stattfinden würden ( Jer 23,20; 30,24; 48,47; 49,39 ). Hesekiel sagte voraus, dass eine Koalition von Völkern, nämlich von Gog und Magog, am Ende der Tage in Israel einfallen würde ( Hes 38,16 ). Er gebrauchte dabei auch den alternativen Ausdruck »am Ende der Jahre« ( Hes 38,8 ).

 

ESCHATOLOGIE

Theologie und Sichtweisen

Eschatologische Begriffe

Wie wird alles enden?

Im Blick auf die Frage, wie dies alles zustande kommen wird, gehen die Meinungen der Evangelikalen entsprechend ihren eschatologischen Sichtweisen auseinander. Die Vertreter der Vorentrückung glauben, dass Christus die Gemeinde vor der Großen Trübsal in den Himmel entrücken und dann am Ende der Trübsal mit seiner Braut zurückkehren wird, um sein Reich auf der Erde aufzurichten. Diejenigen, welche die Entrückung während der Trübsal oder danach vertreten, sind der Meinung, dass die Gemeinde während der Trübsalszeit bis zu einem gewissen Grad leiden und erst in der Mitte oder ganz am Ende der Großen Trübsal entrückt wird.

Amillennialisten glauben, dass sich am Ende des Gemeindezeitalters alles verschlimmern wird. Obwohl die meisten das gesamte Zeitalter der Gemeinde als Trübsalszeit für Gläubige ansehen, sind viele der Meinung, dass die Verfolgung der Heiligen (Christen) in den letzten Tagen zunehmen wird. Ganz am Ende wird die Schlacht von Harmagedon stattfinden, bevor Christus wiederkommen wird, um die Welt zu richten und die Ewigkeit einzuleiten.

Postmillennialisten glauben, dass die Gemeinde das Reich Gottes auf der Erde verkörpert. Unsere Verpflichtung bestehe darin, dem Reich dadurch den Weg zu ebnen, dass wir das Evangelium verkündigen und christlichen Gesetzen, Werten und Grundsätzen in der Gesellschaft Geltung verschaffen, bis die ganze Welt für Christus gewonnen ist.

Obwohl es offensichtlich große Unterschiede zwischen diesen Sichtweisen gibt, enthält jede davon ein Element der Wahrheit, das sich alle Christen ins Gedächtnis rufen müssen. Vom Standpunkt der Vorentrückungslehre aus werden wir daran erinnert, in jedem Augenblick für das Kommen Christi bereit zu sein. Vom Blickwinkel derjenigen, die an der Entrückung während oder nach der Trübsal festhalten, werden wir daran erinnert, dass Christen oft berufen sind, für ihren Herrn zu leiden. Gewiss könnten uns Gläubige in der Dritten Welt viel darüber erzählen, was es bedeutet, für Christus zu leiden.

Die amillennialistische Sichtweise erinnert uns alle daran, dass wir bereit sein müssen, dem Gericht Gottes entgegenzugehen. Obwohl es spannend ist, über das Kommen unseres Herrn nachzudenken, müssen wir ebenso erkennen, dass damit sein Gericht einhergeht. Obwohl wir als Prämillennialisten uns auf das irdische Reich Christi freuen, müssen wir auch daran denken, dass selbst dieses Reich ein Ende finden und in der Ewigkeit im ewigen Reich Gottes aufgehen wird. Der Apostel Paulus erinnert uns daran, dass eine Zeit kommt, wenn Christus »das Reich dem Gott und Vater übergibt« ( 1Kor 15,24 ).

Von der postmillennialistischen Perspektive werden wir an unsere Verpflichtungen gegenüber der Welt, in der wir leben, erinnert. Da wir die genaue Zeit der Wiederkunft Christi nicht kennen, sollten wir uns davor hüten, uns zurückzulehnen und nichts zu tun, als auf die Entrückung zu warten. Christus hat uns ganz spezielle Anweisungen über unsere Verpflichtungen untereinander und gegenüber der Welt im Allgemeinen gegeben. Wir sind berufen, das Licht der Welt und das Salz der Erde zu sein, bis unser Herr wiederkommt ( Mt 5,13-16 ).

Siehe auch: Amillennialismus; Post-millennialismus ; Prämillennialismus .

Edward Hindson

Paul Benware, Understanding End Times Prophecy (Chicago, Moody Press, 1995); John J. Davis, Christ´s Victorious Kingdom (Grand Rapids: Baker, 1986); Millard Erickson, Contemporary Options in Eschatology (Grand Rapids: Baker, 1977); Edward Hindson, Final Signs: Amazing Prophecies of the End Times (Eugene, Oreg.: Harvest House, 1996); Anthony Hoekema, The Bible and the Future (Grand Rapids: Eerdmans, 1979); Herman Hoyt, The End Times (Chicago, Moody Press, 1969); J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft , (Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 1993).

 

ESRA, NEHEMIA, ESTER

Eschatologie

Obwohl die Bücher Esra, Nehemia und Ester genau genommen keine prophetischen Themen enthalten, sind sie dennoch bedeutsam, wenn es um die Verwirklichung des prophetischen Heilsplans Gottes geht.

 

ESRA, NEHEMIA, ESTER

Esra

Das Buch Esra führt die Geschichte der Israeliten von dem Punkt an weiter, wo die Chronikbücher aufhören. Es wurde für die ehemaligen Verbannten geschrieben, die während der Zeit Serubbabels und Esras aus der siebzigjährigen Gefangenschaft zurückgekehrt waren. Das Buch wurde verfasst, um diejenigen zu ermutigen, deren Beziehung zu Gott ins Wanken geraten war und die ihn kaum beachteten. Sein Anliegen geht weit über die Absicht hinaus, nur historische Fakten wiedergeben zu wollen.

Der Autor ist Esra. Diese Tatsache beruht auf der hebräischen Überlieferung und auf dem inneren Beweis anhand der Stellen, wo er in der Ich-Form redet ( 7,27-9,15 ). Im Buch werden zwei verschiedene Zeiträume behandelt, und zwar folgendermaßen: (1) Die ersten sechs Kapitel beschreiben die Periode vom Erlass des Kyrus bis zum Wiederaufbau des Tempels. (2) Der Rest des Buches erfasst die Ereignisse, die nach der Rückkehr Esras aus Babylon stattfanden. Der Zeitpunkt der Niederschrift des Buches ist zwischen 450 und 444 v. Chr. einzuordnen.

 

ESRA, NEHEMIA, ESTER

Nehemia

Dieses Buch ist eng mit dem Buch Esra verbunden. Es ist ebenfalls eine nachexilische Schrift, die Gottes Treue gegenüber den Zurückgeführten zeigt, die als verbannte Angehörige seines Volkes wieder in ihr Land kamen. In diesem Buch wird berichtet, wie die Wiederherstellung abgeschlossen wurde. Der Beginn der siebzig Wochen Daniels ( Dan 9,25 ) fiel auf den Zeitpunkt, als Artahsasta (Artaxerxes) Nehemia beauftragte, aufzubrechen und Jerusalem wiederaufzubauen ( Neh 2,1-10 ).

Nehemia wird aufgrund seiner eigenen Angaben ( 1,1 ) und aufgrund der Tatsache, dass der Bericht über die stattgefundenen Ereignisse in der Ich-Form geschrieben ist, als Autor akzeptiert. Das Buch wurde um 445-425 v. Chr. verfasst.

 

ESRA, NEHEMIA, ESTER

Ester

Der Name Ester leitet sich von der Hauptperson dieses Buches ab. Das Buch ist dahingehend einzigartig, dass es keinen Hinweis auf Gott enthält. Dennoch besteht die Absicht des Buches darin, Gottes Fürsorge für die Angehörigen seines Volkes insbesondere in Prüfungen zu zeigen. Es kündet davon, dass Gott unaufhörlich damit beschäftigt ist, sein Volk zu bewahren. Das Buch bildet die Grundlage für das Purimfest und erklärt den Ursprung dieses Festes.

Der Autor ist unbekannt, und es gibt diesbezüglich im Buch selbst keine Anhaltspunkte. Es liegt auf der Hand, dass der Verfasser - wer auch immer es war - die persische Kultur gut kannte und wahrscheinlich Augenzeuge der berichteten Ereignisse war. Das Buch wurde etwa 470- 465 v. Chr. geschrieben.

Rick Bowman

Charles F. Pfeiffer und Everett F. Harrison, Hg., Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962); John F. Walvoord und Roy B. Zuck, Hg., Wal voord Bibelkommentar , 5 Bd., Hänssler-Verlag, Holzgerlingen 1992).

 

EVANGELIEN

Eschatologie

Matthäus

Im Matthäusevangelium geht es thematisch vorrangig darum, dass Christus König ist. Aufgrund dessen steht er sowohl mit dem davidischen Bund ( 2Sam 7,8-16 ) als auch mit dem abrahamitischen Bund ( 1Mo 15,18 ) in Verbindung. Das Leben Jesu wird hier hinsichtlich seiner Wirkung auf die jüdischen Gläubigen gesehen. Das Werk des Matthäus sollte verfolgte Gläubige in ihrem Glauben bestärken und sie von dem Denken abbringen, dass das Evangelium Jesu Christi eine Verwerfung der alttestamentlichen Prophetie darstelle.

Der Autor ist Matthäus, der jüdische Zolleinnehmer. Der Zeitpunkt der Niederschrift ist auf 50-55 n. Chr. zu datieren.

Es gibt in diesem Buch viele Prophezeiungen. Zunächst findet sich die Prophezeiung von der Empfängnis und Geburt Jesu sowie deren Erfüllung ( 1,18-24 ). Auch die folgenden Ereignisse werden prophetisch vorausgesagt und gehen in Erfüllung: der Besuch der Weisen ( 2,1-12 ), die Rückkehr von Joseph und Maria nach Nazareth ( 2,19-23 ) und das Kommen von Johannes dem Täufer ( 3,1-12 ). Das trifft ebenso zu auf die Verheißung, dass Gläubige in das Reich der Himmel eingehen werden ( 8,5-13 ). Es gibt eine Ankündigung des Gerichts über diejenigen Städte, die nicht Buße tun und den Herrn anrufen wollen ( 11,20-24 ), sowie eine Warnung, dass demjenigen nicht vergeben werden wird, der gegen den Heiligen Geist redet ( 12,32-37 ). Der Verrat an Christus wird ebenfalls vorausgesagt ( 26,21 ). Außerdem gibt es einen Hinweis auf das künftige Tausendjährige Reich ( 26,29 ) und darauf, dass Jesu Jünger ihn verlassen werden, wenn er verhaftet wird ( 26,31-32 ). Es wird auf das letzte Gericht Bezug genommen. Dann werden die Gerechten in das Reich Gottes eingehen, während die Ungerechten in die ewige Verdammnis gehen müssen ( 13,24-30 ). Israel wird als verborgener Schatz Gottes gesehen ( 13,44 ), wohingegen die Gemeinde im Gleichnis von der kostbaren Perle erscheint ( 13,45-46 ). Das Gericht, das bei der Wiederkunft stattfinden wird, ist wiederum im Gleichnis vom Fischnetz zu sehen ( 13,47-50 ). Der Tod und die Auferstehung Christi werden vorausgesagt ( 16,21-28; 20,17-19; 26,2-5 ). Beide Ereignisse gehen in Erfüllung ( 27,51-66; 28,1-15 ). Jesu Wiederkunft als König wird in der Ölbergrede vorausgesagt ( Mt 24-25 ). Die Plötzlichkeit seines Kommens wird im Gleichnis von den zehn Jungfrauen ( 25,1-13 ) und dem Gleichnis von den Talenten vorausgesagt ( 25,14-30 ). Es wird das Gericht über die Nationen vorausgesagt ( 25,31-46 ), wo die Schafe (Errettete aus den Nationen) von den Böcken (unerlöste Heiden) geschieden werden. Dieses besondere Gericht findet nach der Trübsal bei der Wiederkunft Christi statt und betrifft solche aus den Nationen, die Überlebende der Trübsal sind. Schließlich wird auf das Tausendjährige Reich Bezug genommen: In Kapitel 26,29 spricht Christus davon, dass er dort mit seinen Jüngern wieder vereint sein wird. Die Erfüllung der Prophezeiung seines Todes und seiner Auferstehung wird in Kapitel 27,45-56 bzw. 28,1-10 wiedergegeben.

 

EVANGELIEN

Eschatologie

Markus

Markus stellt Christus als Knecht vor - als denjenigen, der kam, um zu dienen, und nicht, um bedient zu werden. Daher hält das Buch die Taten eines Dieners fest. Der Zweck des Buches ist seelsorgerlicher Art: Der Autor schrieb, um seinen Lesern zu helfen, das Wesen der Jüngerschaft zu verstehen. Außerdem beschäftigte er sich damit, was es bedeutet, Jesus nachzufolgen.

Der Verfasser ist Markus, ein Judenchrist und Vetter des Barnabas. Der Zeitpunkt der Niederschrift des Buches ist zwischen 50-60 n. Chr. anzusetzen.

Markus zeichnet Prophezeiungen auf, die beim letzten Passahfest gegeben wurden. Es werden der Verrat an Jesus, das Vereintsein mit den Jüngern im Tausendjährigen Reich und ihre Zerstreuung sowie Flucht bei seiner Gefangennahme vorausgesagt ( 14,12-72 ). Außerdem findet sich hier die Voraussage seines Todes ( 8,31-9,1; 10,32-34; 14,1-9 ) und seiner Wiederkunft ( 13,1-27 ). Die Zeichen seiner Wiederkunft sind in dem Gleichnis vom Feigenbaum zu erkennen ( 13,28 ). Der Verrat an Christus wird ebenso vorausgesagt ( 14,18 ) wie sein Abscheiden ( 14,21 ) und die Verleugnung durch Petrus ( 14,30 ). Auf das Tausendjährige Reich bezieht Jesus sich ( 14,25 ), als er von seiner Wiedervereinigung mit seinen Jüngern in diesem Reich spricht. Die Erfüllung der Prophezeiung über den Tod Christi und seine Auferstehung wird in Kapitel 15,33-41 bzw. 16,1-8 wiedergegeben.

 

EVANGELIEN

Eschatologie

Lukas

Im Bericht des Lukas wird Christus als Sohn des Menschen vorgestellt. Er wurde für nichtjüdische Leser geschrieben. Das Buch entstand als Ergebnis sorgfältiger Recherchen durch den Autor: Er sammelte und sichtete Informationen - ein Werk, bei dem ihm der Heilige Geist göttliche Anleitung gab. Dass der Autor selbst kein Augenzeuge der Ereignisse war, wird in den einleitenden Versen bestätigt. Das Mitgefühl des Herrn für die Verzweifelten, die Kranken und die schlecht Behandelten wird hervorgehoben, um sein Menschsein zu zeigen.

Der Autor ist »Lukas, der geliebte Arzt« ( Kol 4,14 ). Er war Gefährte und Mitarbeiter des Paulus. Die Entstehung des Buches wird auf ca. 60 n. Chr. datiert.

Zu den Prophezeiungen im Lukasevangelium gehören die Voraussage der Geburt von Johannes dem Täufer ( 1,5-25 ), die sich erfüllte ( 1,57-66 ). Ferner wird die Geburt des Sohnes des Menschen vorausgesagt ( 1,30-56 ) und ihre Erfüllung geschildert ( 2,1-7 ). Simeon weissagte über Jesus, dass er der Erlöser vieler Menschen ( 2,34 ) sein werde, und über die Kreuzigung Jesu ( 2,35 ). Das Reich wird vorausgesehen, als Christus feststellt, dass man nur durch ihn hineinkommen kann ( 13,24 ). Später wird die zukünftige Zerstörung des Tempels vorausgesagt ( 13,35 ), während das kommende Reich erneut angekündigt wird ( 17,21-24 ). Die Belohnungen des Reiches werden jenen verheißen, die Christus treu nachfolgen ( 18,29-30 ). Es wird die Zerstörung Jerusalems vorausgesagt ( 21,20-24 ) und von der Trübsal gesprochen ( 21,8-19.25-28 ). Die Zeichen der Wiederkunft Christi werden im Gleichnis vom Feigenbaum vorausgesagt ( 21,29-33 ). Es wird verheißen, dass Christus mit seinen Jüngern im Reich Gottes wieder vereint werden wird ( 22,16 ). Außerdem wird die Zusicherung gegeben, dass der an Christus Glaubende mit ihm ins Paradies eingehen wird ( 23,43 ).

 

EVANGELIEN

Eschatologie

Johannes

Das Johannesevangelium zielt darauf ab, Menschen zum rettenden Glauben an Christus zu führen. Der Verfasser geht dabei so vor, dass er die Wesensart und Person Christi sichtbar werden lässt und zeigt, was Glauben an ihn bedeutet. Das Hauptthema des Buches ist die Göttlichkeit Jesu Christi. Zwar enthält das Buch keine Gleichnisse, es finden sich jedoch sieben Wunder und mehrere persönliche Gespräche darin. Die Tatsache, dass Jesus wirklich körperliche Schwachheit erfahren hat, wird als Widerlegung gnostischer Behauptungen angeführt, die seine menschliche Natur leugneten. Die sieben Wunder sind der Erweis und die Bestätigung dafür, dass er der wahre Messias ist.

Der Autor ist Johannes - der Jünger, den Jesus liebte ( 21,20 ). Er war ein aus Israel stammender Jude, der die Ereignisse aus dem Leben Christi miterlebt hatte. Das Buch wurde um 85-90 n. Chr. geschrieben.

Das Buch enthält Prophezeiungen über den kommenden Messias ( 1,26-27 ) und seine Absicht als Lamm Gottes, die Menschen von ihrer Sünde zu erlösen ( 1,29-34 ). Christus sagte seinen Tod, seine Auferstehung ( 2,19 ) und seine Kreuzigung ( 3,14 ) voraus. Jesus nimmt auf seine Himmelfahrt Bezug ( 7,33-34 ) und sagt den Angehörigen der jüdischen Obrigkeit, dass sie aufgrund ihrer Unbußfertigkeit nicht dorthin kommen können, um bei ihm zu sein. Jesus spricht vom Heiligen Geist, der kommen wird ( 7,38-39 ), nachdem er - Jesus - verherrlicht ist. Später redete Christus erneut von seinem bevorstehenden Tod ( 10,11 ). Kapitel 11,1-44 berichtet ausführlich über die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod und der Auferweckung des Lazarus. Dieses Geschehen beinhaltet ein Sinnbild des Todes und der Auferstehung Christi, so dass Gläubige die Gewissheit haben können, dass sie zum ewigen Leben in der Gemeinschaft mit Christus auferweckt werden. Jesus sagte seinen Verrat durch Judas ( 13,21-26 ), die Verleugnung durch Petrus ( 13,38 ) und sein Abscheiden ( 13,36 ) voraus. Eine Stätte im Himmel wird denen verheißen, die in Christus sind ( 14,2 ). Außerdem wird die Entrückung vorausgesagt: Er wird wiederkommen, um sie zu sammeln und zu sich zu nehmen ( 14,3 ). Jesus sagt das Kommen des Heiligen Geistes voraus ( 14,16-17 bzw. 16,7-8 ). Er sagt außerdem die Verfolgungen voraus, die denen widerfahren werden, die ihm nachfolgen ( 16,1-4 ). Diese Voraussage ist während der gesamten Kirchengeschichte in Erfüllung gegangen und wird sich bis zum Ende der Menschheitsgeschichte weiterhin erfüllen. Jesus redet mit den Jüngern über seinen bevorstehenden Tod ( 16,16-33 ). Die vorausgesagte Kreuzigung Christi ging in Kapitel 19,17-37 in Erfüllung. Kurz darauf erfüllte sich auch seine von ihm verheißene Auferstehung ( 20,1-9 ).

Siehe auch: Ölbergrede.

Ervin R. Starwalt

Paul Enns, The Moody Handbook of Theology (Chicago: Moody Press, 1989); John F. Walvoord und Roy B. Zuck, Hg., Walvoord Bibelkommentar , 5 Bd., Hänssler- Verlag, Holzgerlingen 1992); John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); Everett F. Harrison und Charles F. Pfeiffer, Hg., Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962).

 

EXODUS (2. MOSE)

Eschatologie

Das zweite Buch Mose befasst sich mit der Erlösung der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft. Obwohl Erlösung das vorherrschende Thema ist, beschäftigt sich das Buch auch damit, wie Gott die Angehörigen dieses Volkes dafür zurüstet, sein Eigentum zu sein. Somit ist es eine Dokumentation über die Entstehung des Volkes Israel. Das Buch redet sinnbildlich von Erlösung und zeichnet den geschichtlichen Weg der Nachkommen Jakobs nach, die am Berg Sinai zu einem theokratischen Volk gemacht werden. Sie bilden das Volk, aus dem der verheißene Erlöser kommen wird. Dabei werden sie auf den mosaischen Bund verpflichtet, der ein Zeichen dafür ist, dass sie zu diesem Zweck abgesondert worden sind. Das Buch legt ausführlich dar, wie das Gesetz gegeben wurde und die gottesdienstliche Anbetung begann.

Das Buch selbst bestätigt, dass Mose der Verfasser ist ( 17,14; 24,4.7; 34,27 ). Es gibt andere biblische Hinweise, die ebenfalls auf die Verfasserschaft Moses hindeuten ( 5Mo 31,9; 31,24; 1Kö 2,3; Neh 8,1; 13,1; Mk 7,10; 12,26 ). Evangelikale gehen in der Regel davon aus, dass die Niederschrift des Buches zwischen 1450 und 1410 v. Chr. erfolgt sein muss.

Die in diesem Buch enthaltenen Prophezeiungen befassen sich vorwiegend mit Ereignissen, die im Buch selbst aufgezeichnet sind. Die Berufung Moses als Befreier seines Volkes wird in Kapitel 3,5-12 beschrieben, und die Erfüllung des angekündigten Zeichens ( 3,12 ) wird in Kapitel 17,6 berichtet. Die zehn über Ägypten verhängten Plagen gingen jeweils in Erfüllung, als der Pharao es ablehnte, Israel ziehen zu lassen. 2Mo 19,1-6 lässt die einleitende Ankündigung des mosaischen Bundes erkennen, während Kapitel 23, 20-31 die prophetische Zusage für Israel enthält, dass es als Volk in das Gelobte Land geführt werden würde. Das Zelt der Begegnung schattet das künftige Werk des Messias vor. Der bronzene Altar ( 27,1-8 ) ist ein Typus dafür, dass sich Christus am Kreuz geopfert hat. Das Waschbecken ( 30,18-20 ) versinnbildlicht die durch ihn erfolgte Reinigung des Gläubigen von der Sünde, während der goldene Leuchter ( 25,31-40 ) das dem Gläubigen gebrachte göttliche Licht darstellt. Der Schaubrottisch ( 25,23-30 ) steht für Christus als unser Brot des Lebens, wohingegen der Räucheralter ( 30,1-2 ) Christi Werk als Fürsprecher veranschaulicht. Der Vorhang ( 26,31-35 ) stellt den menschlichen Leib unseres Herrn dar, der bei seinem Tod sinnbildlich entzweigerissen wurde. Das Akazienholz der Bundeslade ( 25,10-22 ) symbolisiert sein Menschsein und steht mit Jesaja 53,2 in Verbindung, wo das Menschsein Christi angesprochen wird. Der goldene Überzug der Bundeslade stellt dagegen seine Göttlichkeit dar.

Rick Bowman

John F. Walvoord, Hg., The Bible Prophecy Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); John F. Walvoord und Roy B. Zuck, Hg., Walvoord Bibelkommentar , 5 Bde., Hänssler-Verlag, Holzgerlingen 1992); Everett F. Harrison und Charles F. Pfeiffer, Hg., Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962).

 

FEIGENBAUMGLEICHNIS

Jesus gebrauchte ein Gleichnis , das die physiologischen Abläufe in einem Feigenbaum während des Frühjahrs beschreibt, um zu veranschaulichen, was vor seiner Wiederkunft geschieht. In Mt 24,32 sagt Christus seinen Zuhörern, sie würden erkennen, dass der Sommer nahe sei, wenn der Zweig des Baumes weich werde und Blätter hervortreibe.

Einige behaupten, dass das Ausschlagen des Feigenbaums von der Neugründung des Staates Israel (im Jahre 1948) spreche, und sehen diese als Ereignis im Vorfeld der Wiederkunft Christi an. Einige Sachverhalte liefern jedoch überzeugende Argumente gegen diese Auslegung.

Nirgendwo spricht Mt 24-25 von der Rückkehr Israels nach Palästina. Ja, wir finden Israels Heimkehr an keiner Stelle im Matthäusevangelium erwähnt! Jesu Ölbergrede schildert in ihrer fortlaufenden Aufzählung zukünftiger Ereignisse eine Zeit nach Israels Rückkehr und beschreibt die Angehörigen des Volkes als schon im Land befindlich.

Außerdem sagt Lukas in seinem Evangelium, dass wir den Feigenbaum und all die anderen Bäume ansehen sollen ( Lk 21,29 ). Es ist also nicht nur an einen, sondern an viele Bäume gedacht. Somit spricht Christus allgemein von Bäumen und dem, was im Frühjahr in ihnen vor sich geht, und nicht von einem besonderen Feigenbaum, der Israel darstellt.

In Mt 24 beschreibt der ausschlagende Feigenbaum nicht Israel, sondern vielmehr elf Zeichen, die Jesus in Kapitel 24,4-24 offenbart. Neun davon werden bereits in der ersten Hälfte der Trübsal zu erleben sein, während zwei weitere in der zweiten Hälfte auftreten.

Dieses Gleichnis verdeutlicht uns also Folgendes: So wie neue Blätter in jedem Frühjahr das Herannahen des Sommers ankündigen, zeigen die von Christus geoffenbarten Zeichen seine Wiederkunft an.

In Mt 24,33 wendet Jesus das Gleichnis vom Feigenbaum auf seine Jünger an, indem er sagt, dass auch sie, wenn sie dies alles sehen, erkennen sollen: Seine Wiederkunft ist nahe bzw. steht unmittelbar bevor. Seine damaligen Zuhörer erlebten die Erfüllung all dessen, was er geoffenbart hatte, nicht mehr. Dies bleibt denen vorbehalten, die während der Trübsal leben.

Was wird diese künftig lebende Gruppe jüdischer Gläubiger sehen? Worauf bezieht sich »dies alles«? Damit sind alle Zeichen der ersten und zweiten Hälfte der Trübsal gemeint, einschließlich des Gräuels der Verwüstung ( 24,15-22 ) und des Auftretens wunderwirkender, falscher Propheten und Christusse ( 24,23-26 ).

Somit veranschaulicht das Ausschlagen des Feigenbaums Zeichen in der Trübsal, und wir können nicht sagen, dass er ausschlägt, bevor nicht alle diese Zeichen wirklich zu sehen sind. Dies schließt nicht nur 1948 als Zeichen der Trübsal und der Wiederkunft Jesu, sondern auch alles andere Geschehen vor der Trübsal als Ausschlagen des Feigenbaumes aus. Der Feigenbaum hat noch nicht begonnen auszuschlagen, weil der Anfang von all diesem noch nicht da ist.

Dennoch gilt: Wenn das Ausschlagen des Baums dann tatsächlich anfängt - d. h. wenn alle Zeichen sichtbar werden - sollen wir wissen, dass Jesu zweites Kommen nahe ist bzw. unmittelbar bevorsteht. Das dritte Evangelium drückt es so aus: »So erkennt auch ihr ... dass das Reich Gottes nahe ist« ( Lk 21,31 ).

Was lehrt uns daher der Feigenbaum im Blick auf das Ende des Zeitalters? Wenn all das, was Christus in Mt 24,1-23 offenbarte, zu geschehen beginnt, ist es, als würden die Triebe eines Feigenbaums im Frühjahr neue Blätter bekommen. So wie die neuen Blätter anzeigen, dass der Sommer unmittelbar bevorsteht, besteht die Bedeutung der Zeichen darin, dass die Wiederkunft wirklich nahe ist. In Mt 24 wird weder gesagt noch angedeutet, dass die Neugründung des Staates Israel im Jahre 1948 oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt das Ende des Zeitalters erkennen lässt. Was Matthäus wirklich sagt, ist folgendes: Die elf Zeichen werden auf die Wiederkunft Christi hindeuten.

Christus bezeichnet in Mt 24,34 die Generation näher, welche diese Zeichen erleben wird. Eine der wichtigen Wendungen, die in diesem Vers ausgelegt werden müssen, ist der Ausdruck »dieses Geschlecht«. Was ist mit einem Geschlecht bzw. einer Generation gemeint? Der Begriff kann Folgendes bezeichnen: (1) eine Sippe bzw. Verwandtschaft - einen Personenkreis also, der von einem gemeinsamen Vorfahren abstammt, d. h. eine Menschenrasse. Dennoch finden wir im Neuen Testament kein eindeutiges Beispiel dafür, dass er so verwendet wird. (2) Eine Generation im Sinne von Zeitgenossen - von Menschen, die etwa zur gleichen Zeit geboren werden und leben ( Mt 11,16; Apg 2,40 ). (3) Da wir den Gedanken an ein Zeitalter normalerweise mit einer Generation von Menschen verbinden, finden wir den Gebrauch des Begriffs manchmal in Zusammenhang mit einem Zeitrau m. Dabei tritt dann in den Hintergrund, dass es um Menschen geht ( Eph 3,21; Kol 1,26 ).

Weil Jesus von den Juden spricht, die all die Zeichen der Endzeit sehen werden, ist es am besten, »Geschlecht« als Synonym für solche zu verstehen, die zur Zeit der Trübsal leben. »Dieses« Geschlecht umfasst demnach all jene Juden, die während der Siebzigsten Woche Daniels leben. Sie sehen alle elf Zeichen von Mt 24,4-24 . Mit anderen Worten: Nur diejenigen, die alle Knospen des Feigenbaum treiben bzw. die Zeichen sehen, sind »diese Generation«.

Die Generation der Trübsal wird keineswegs in ihrer Gesamtheit sterben. Vielmehr wird hervorgehoben, dass sie während des gesamten siebenjährigen Zeitraums trotz der furchtbaren Ereignisse weiterleben wird. Jesus meinte damit nicht, dass jeder einzelne Angehörige des Volkes Israel überlebt. Für über die Hälfte von ihnen wird dies nicht der Fall sein. Dennoch wird diese Generation in ihrer Gesamtheit die ganzen sieben Jahre durchleben, bis dies alles in Erfüllung geht.

Christus bekräftigt als Nächstes seine Lehre mit einer Garantieerklärung, indem er sagt: »Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber sollen nicht vergehen« ( 24,35 ). Und schließlich lässt er zuletzt zum Wohle seiner Jünger eine Aussage bezüglich dieses Tages und dieser Stunde folgen ( 24,36 ). Worauf es dem Herrn ankommt, ist der Gedanke, dass niemand weiß, wann der Feigenbaum ausschlagen wird, und dass daher niemand (vor dem Ausschlagen) weiß, wann Christi Kommen unmittelbar bevorsteht.

Im Kontext von Mt 24 kommt das Wort »Tage« viermal vor ( 24,19; 24,22 [zweimal] und 24,29 ), und zwar jedesmal im Plural, um die Tage der Trübsal zu bezeichnen. Nun steht »Tag« zum ersten Mal in der Einzahl und bezeichnet den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi ( 24,36 ). Es ist ein Tag, an dem Gott die Himmelslichter über dem Planeten Erde erlöschen lässt ( 24,29 ), die Herrlichkeit der Schechina strahlend sichtbar wird und wie ein zuckender Blitz Christi Wiederkunft ankündigt ( 24,30 ; vgl. V. 27 ) und die Engel die Erde abernten ( 24,31 ).

Wann wird dieser Tag anbrechen? Niemand weiß es, keiner, nicht einmal die Engel, so lehrte Christus. Wir müssen uns jedoch an Folgendes erinnern: Sobald sich die Trübsalsgeneration in der Siebzigsten Woche Daniels befindet, können wir nicht mehr sagen, dass niemand es weiß. Denn jene dann lebenden Menschen kennen die genaue Anzahl der Jahre ( Dan 12,7; Offb 11,9.11; 12,14 ), Monate ( Offb 11,2; 13,5 ) und sogar der Tage ( Offb 11,3; 12,6 ).

Sie werden dies aufgrund göttlicher Offenbarung wissen. Dan 12,5-13 lässt erkennen, dass es zwar die Engel jetzt nicht wissen, wohl aber dann die göttlich Belehrten; sie brauchen nur zu zählen. Der Countdown beginnt, wenn der Antichrist mit Israel einen Bund schließt ( Dan 9,27 ).

Wenn Jesus sagt, dass es niemand weiß, bezieht er sich daher auf Menschen, die in der Zeit leben, bevor der Countdown beginnt. Diejenigen, die vor der Trübsal leben, können es nicht wissen. Dementsprechend ist es vor der Trübsal unmöglich, Zeitpunkte für diese Drangsalszeit oder für die Wiederkunft festzulegen. Solche Versuche stellen nur Mutmaßungen dar.

Wir fassen zusammen: So wie das Ausschlagen der Feigenbäume im Frühjahr den Sommer ankündigt, sind nach der Lehre Jesu die elf Zeichen, die eine zukünftige, jetzt noch nicht lebende Generation von Juden sehen wird, für diese Generation Hinweise auf Christi nahe bevorstehende (in sieben Jahren erfolgende) Wiederkunft. Alle Zeichen treten in der Trübsal ein, nicht davor.

Siehe auch: Ölbergrede.

George E. Meisinger

Walter Bauer, F. W. Gingrich und Frederick Danker, A Greek-English Lexicon of the New Testament (Chicago: University of Chicago Press, 1979); Arnold Fruchtenbaum, Footsteps of the Messiah (Tustin, Kalif.: Ariel Press, 1984); John F. Walvoord, Matthew - Thy Kingdom Come (Chicago: Moody Press, 1974).

 

GAEBELEIN Arno

A. Gaebelein (1861-1945) wurde in Thüringen, Deutschland, geboren und kam im Alter von 18 Jahren in die USA. Nachdem er in der Methodist Episcopal Church (»Methodistische Episkopalkirche«) ordiniert worden war, hatte er Pastorenstellen in Baltimore and New York City inne. In New York begann er mit einem bedeutsamen evangelistischen Dienst unter den jüdischen Mitbürgern. Er rief ein Magazin für jüdische Leser ins Leben, das den Titel Our Hope (»Unsere Hoffnung«) trug. Er verfasste viele für Juden bestimmte Publikationen, insbesondere solche, die sich mit biblischen und prophetischen Themen beschäftigten.

Gaebelein war ein bemerkenswerter Gelehrter. Er kannte das biblische Hebräisch und Griechisch sowie mehrere Sprachen des Nahen Ostens. Er verfasste ca. fünfzig Bücher und viele Broschüren zur Prophetie. Er hielt vielerorts Vorträge und war in der Bibelkonferenzbewegung aktiv. Gaebelein war bei den Zuhörern aufgrund seiner enormen Kenntnisse im Blick auf das jüdische Volk und seine Bräuche sehr beliebt. Er durchlief keine seminaristische Ausbildung, sondern eignete sich selbstständig Kenntnisse in Bezug auf Sprachen, Geschichte, systematische Theologie, Apologetik und prophetische Studien an.

In New York City wurde Gaebelein während seiner Arbeit unter den dort lebenden Juden Prämillennialist (ca. 1887). Er schrieb: »Dieser Versuch, das Evangelium den Juden zu bringen, führte mich tiefer in die alttestamentlichen Schriften ein. Ich begann, Prophetie zu studieren. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich in der Auslegung der alttestamentlichen Prophetie der so genannten »Methode der Vergeistigung« (der Allegorese) gefolgt.« Ihm wurde klar, dass wir nur im Falle einer wörtlichen Auslegung verstehen können, dass Israels Bestimmung neben der der Gemeinde bis in die Endzeit gilt. Davon ausgehend erkannte er, dass eine mit der Rückführung ins Land Israel verbundene Erlösungsverheißung noch immer für die Juden galt.

Gaebelein erkannte auch, dass die Unterschiede in der Bibelauslegung durch einen hermeneutischen Konflikt verursacht wurden. Er hielt sich an zwei Grundregeln zur Auslegung der Schrift: Erstens war er der Meinung, dass man aufgrund einer wörtlichgrammatischen Auslegung im Blick auf Israels Zukunft zur Sicht einer nationalen Wiederherstellung kommt. Zweitens konnte er infolge dieses Ansatzes die Gemeinde als neues Gebilde sehen, das im Alten Testament noch nicht geoffenbart worden war, aber in den Apostelbriefen, besonders im Epheserbrief, eindeutig dargestellt wurde.

Gaebelein vertrat auch eine an den Heilszeitaltern orientierte Hermeneutik. Er erkannte drei grundlegende Haushaltungen: Gesetz, Gnade und Reich. Ebenso vertrat er entschieden die Lehre von der Entrückung der Gemeinde. Demnach seien keine Zeichen notwendig, um Christi Kommen anzukündigen. Die Gemeinde werde die Große Trübsal eindeutig nicht durchleben. Wenn Christus erscheint, um die Gemeinde zu sich zu nehmen, ist dies ein Ereignis, das von seinem Kommen zur Aufrichtung seines Reiches sieben Jahre später unterschieden werden muss. Grundsätzlich lagen Gaebeleins Lehre von den Heilszeiten drei entscheidende Prinzipien zugrunde: (1) die Irrtumslosigkeit der Schrift; (2) das vor dem Tausendjährigen Reich erfolgende Kommen Christi auf die Erde als der, der auf Davids Thron herrscht; und (3) die Vorentrückung.

Gaebelein sah den abrahamitischen Bund als Verheißung an, die eine Erfüllung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hat. Er schrieb: »Die Völker der Erde ... warten unbewusst darauf, von Abrahams Samen gesegnet zu werden. Das Heil kommt immer noch aus den Juden« (Arno C. Gaebelein, Kommentar zum Alten Testament , Bd. 1, Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 1997, S. 43). Und er rechnete damit, dass die Bestimmungen des Bundes unter den Nachkommen Abrahams, den Angehörigen des jüdischen Volkes, im wörtlichen und tatsächlichen Sinne noch in Erfüllung gehen werden.

Eine Bibelstelle, die Gaebeleins Aufmerksamkeit erregte, war 5Mo 28 . Darin sah er »die ganze schlimme Geschichte (Israels) ... vorgezeichnet« (a.a.O., S. 308). Mose, der Zerstreuung, Leiden, Trübsal und schließlich auch die Wiederherstellung des Volkes Israel voraussagte, behandelte dort »das Rätsel der Geschichte«. Darüber schrieb Gaebelein: »Das Alte Testament ist praktisch jedem, der nicht an eine wörtliche Rückführung Israels in sein Land glaubt, ein Buch mit sieben Siegeln« (vgl. die Arbeit von M. Stallard).

Siehe auch: Prophetie, wörtliche Auslegung ; Abrahamitischer Bund .

Mal Couch

J. D. Douglas, Hg., The New International (A.d.Ü.: irrtümlicherweise Kleinschreibung im Original) Dictionary of the Christian Church (Grand Rapids: Zondervan, 1978); Michael D. Stallard, »The Theological Method of Arno C. Gaebelein« (Dissertation, Dallas Theological Seminary, 1992).

 

GALATERBRIEF

Eschatologie

Der Galaterbrief lehrt die Rechtfertigung durch Glauben. Er stellt die Gesetzlichkeit der wahren christlichen Freiheit gegenüber und zeigt, dass das Opfer Jesu Christi ausreicht, die Sündenmacht und -schuld zu überwinden. Er ist an eine Gruppe von Gemeinden in Galatien gerichtet. Die Galater waren für ihre ungestüme Art und dafür bekannt, dass sie sich sehr gern neue sowie andersartige Aktivitäten suchten, um sich diesen widmen zu können.

Der Autor ist der Apostel Paulus. Die Verfasserschaft wird in Kapitel 1,1 und 5,2 bestätigt. Außerdem tragen Kapitel 1; 2 weit gehend biographische Züge und stimmen mit den Angaben zum Leben des Paulus in der Apostelgeschichte überein. Der Zeitpunkt der Niederschrift ist auf 49 oder 52 n. Chr. zu datieren.

Der zweite Teil des Briefes beschäftigt sich damit, wie man als Christus lebt. Im Blick auf die Zukunft geht es darum, dass diejenigen, die der sündigen Natur vertrauen, Verderben empfangen werden, während diejenigen, die im Heiligen Geist bleiben, ewiges Leben erlangen werden ( 6,8 ), was die Entrückung für den Gläubigen und das Gericht am Großen Weißen Thron für den Ungläubigen bedeutet.

Siehe auch: Gerichte, verschiedene.

Ervin R. Starwalt

John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); John F. Walvoord und Roy B. Zuck, Hg., Walvoord Bibelkommentar , 5 Bd., (Holzgerlingen: Hänssler-Verlag, 1992); Charles F. Pfeiffer und Everett F. Harrison, Hg., Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962).

 

GEBET DES HERRN

Das Gebet des Herrn ist, dem Bericht des Matthäus zufolge ( Mt 6,9-13 ) in Wahrheit ein Modellgebet, das Jesus seine Jünger lehrte. Es ist kein Gebet zum wörtlichen Nachsprechen (obgleich Lukas die Rezitation zuzulassen scheint; Lk 11,2 ). Christus lehrte hier nicht was , sondern wie zu beten ist. Das Gebet vereinigt zwei Hauptteile, und zwar Bitten zur Verherrlichung Gottes und Bitten für die leiblichen und geistlichen Bedürfnisse der Gläubigen. Der erste Teil des Gebets macht die Haltung gegenüber Gott deutlich, die erforderlich ist, wenn wir beten und ihn »unser Vater« nennen. Gott verkehrt vertraulich und freundlich mit seinen Kindern. Sein Wesen wird in der ersten Bitte verherrlicht: »geheiligt werde dein Name.« Den Namen Gottes heilig zu halten bedeutet nicht nur, das Wort Gott nicht blasphemisch zu missbrauchen. Wir sollen seine Person und die Werke ehren, die er um uns herum vollbracht hat. Die zweite Bitte der Verherrlichung Gottes - »dein Reich komme« - erkennt das Kommen seines künftigen Reiches an, in dem er durch Jesus Christus über die ganze Erde herrschen wird. Aufgrund der Rebellion der Menschheit wird die Oberherrschaft Gottes im gegenwärtigen Zeitalter nicht allgemein anerkannt. Aber die Bitte nimmt die Zeit vorweg, wenn sie am Ende dieser Epoche durch die Herrschaft Christi über die Erde wahrhaftig aufgerichtet wird.

Der zweite Teil des Gebets beginnt: »Unser tägliches Brot gib uns heute.« Er verweist auf die Erwartung des Gläubigen, dass Gott für seine leiblichen Bedürfnisse sorgen wird. Brot steht hier symbolisch für die Nahrung und gleichermaßen für alle anderen leiblichen Lebens- und Gesundheitsbedürfnisse. Die zweite Bitte - »vergib uns unsere Schulden« (Sünden heißt es bei Lukas) - spricht die geistliche Seite des Lebens an. So, wie wir der leiblichen Hilfe unseres himmlischen Vaters bedürfen, so benötigen wir auch geistliche Heilung. Und nicht nur wir selbst brauchen persönliche Vergebung für unser geistliches Versagen, wir müssen auch anderen ihr Versagen vergeben. Die letzte Bitte mag verwirrend sein - »führe uns nicht in Versuchung« -, da Gott niemanden versucht ( Jak 1,13 ). Weil Gott jedoch unsere Lebensumstände kontrolliert, ist mit diesem Gebet gemeint, dass er uns helfen möge, nicht in Situationen zu geraten, in denen wir in Sünde fallen könnten. Es deutet einen Ruf nach seinem Schutz vor dem Bösen und vor dem Widersacher an. Die Schlussworte, die Doxologie - »denn dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen« - finden wir nicht in den frühesten und zuverlässigsten Handschriften, aber die Kirche verwendet sie seit der frühesten Zeit (vgl. die Didache und den Westlichen Text).

H. Wayne House

 

GEBURTSWEHEN ISRAELS

Auf der Grundlage wörtlicher Auslegung erwarteten die antiken Rabbiner eine Leidenszeit für Israel, die sie »Die Zeit der Trübsal Jakobs« oder »Die Geburtswehen« nannten. Große, schreckliche kosmische Katastrophen würden sich ereignen - Pest, Hungersnöte, Großbrände. »Diese werden von Übeln begleitet sein, die die Menschen selbst über sich gebracht haben« (Patai). Durch wörtliche Auslegung des Textes in Dan 9,24-27 , wie es auch die Prämillennialisten tun, kommen die Rabbiner zu einer sieben Jahre dauernden Zeit der Trübsal auf der Erde, nach der der Messias kommen wird. Einige jüdische Schulen teilen die sieben Jahre ein: Zuerst wird einigen Städten der nötige Regen vorenthalten. Dann werden sich erste Hungersnöte ausbreiten. Weiter kommt es drittens zu noch größeren Hungersnöten, bei denen viele Menschen sterben. Als Viertes wird es Reichtum geben, aber nicht genug zum Leben. Als Fünftes wird großer Mangel herrschen, und manche werden das Thorastudium wieder aufnehmen. Als Sechstes wird man die Posaunen hören. Und als Siebtes wird der Sohn des Menschen kommen (Apokalypse Abrahams). »Der Ankunft des Messias gehen Jahre großer Bedrückung voraus« (Babylonischer Talmud).

Der Begriff Geburtswehen bezieht sich natürlich auf die Schmerzen der Frau bei der Geburt eines Kindes. An manchen Stellen der Heiligen Schrift werden sie mit Plage, Bedrängnis oder Kummer übersetzt. Das bezieht sich immer auf den Tag des Herrn oder auf die kommende Trübsal und wird an vielen Stellen der Bibel erwähnt. Jeremia spricht von der »Zeit der Bedrängnis Jakobs« ( 30,4-7 ). Die Gesichter erbleichen, es erklingt ein Laut des Schreckens - wie bei einer Frau, die bei den ersten Wehen gebiert. Das ereignet sich unmittelbar, bevor der Herr Israel und Juda zurückbringt »in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe, damit sie es in Besitz nehmen« (Vers 3 ). Jesaja schreibt von den Wehen. Er stellt Zion als eine Frau dar, die zum ersten Mal gebiert. Der Prophet stellt dies mit dem Beginn der Wiederherstellung des Volkes Israel gleich, wenn der Messias kommt. »Wird ein Land an einem einzigen Tag zur Welt gebracht oder eine Nation mit einem Mal geboren? Denn Zion bekam Wehen und gebar auch schon seine Söhne« ( Jes 66,8 ). Einige Vertreter des Prämillenialismus sehen darin die Geburt des Staates Israel im Jahr 1948. Wenn Gott mit dem Aufbau der neuen Nation heute schon begonnen hat, wird er dieses begonnene Werk in der Zukunft dann nicht vervollständigen? Mit anderen Worten: Was sich jetzt in Palästina ereignet, wird in der Zukunft zur Wiederherstellung des jüdischen Volkes führen (Vers 9 ).

Jesus spricht vom »Anfang der Wehen« ( Mt 24,8 ). »Dann redet er vom Gräuel der Verwüstung und der großen Trübsal ( Mt 24,15-21 ), und es scheint so, als schildere er hier die Ereignisse in chronologischer Abfolge. Das setzt voraus, dass die Geburtswehen dem Greuel der Verwüstung ... und der Großen Trübsal (der zweiten Hälfte der siebzigsten Jahrwoche [Daniels]) vorausgehen und sich daher in der ersten Hälfte dieser siebenjährigen Epoche ereignen werden« (Showers). Auch Paulus verweist auf den Tag des Herrn, der plötzlich über jene kommt, die bei der Entrückung zurückgelassen wurden, denn »dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, wie die Geburtswehen über die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen« ( 1Thes 5,2-5 ). Dieser Tag wird kommen wie ein Dieb (Vers 2 ). Der Tag des Zorns gilt nicht für die Menschen, die Christus als ihren Heiland kennen (Vers 9 ) und in der jetzigen Zeit der Gemeinde leben. Der Apostel ermahnt die Gläubigen, sich mit diesen Worten zu trösten ( 4,18 ).

Showers kommt zu der Schlussfolgerung: »Diese folgerichtigen Gedanken zeigen, dass der große Tag des Herrn nicht völlig von der Zeit der Trübsal Jakobs oder der Großen Trübsal getrennt oder zu unterscheiden sein wird. In der Tat zeigen sie an, dass der Tag des Herrn die gleiche Zeitperiode umfasst oder zumindest einschließen wird wie die Trübsal Jakobs und die Große Trübsal.«

Siehe auch: Tag des Herrn ; Trübsal, die Große .

Mal Couch

Raphael Patai: The Messiah Texts (Detroit 1979, Wayne State University Press); Renald E. Showers: Maranatha, Our Lord, Come! (Bellmayr, N.J. 1995, The Friends of Israel Gospel Ministry).

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Mose verfasste das erste nach ihm benannte Buch als Teil des Pentateuchs höchstwahrscheinlich während der Wüstenwanderung ca.1445-1405 v. Chr. Das Wort genesis deutet darauf hin, dass dies ein Buch der Anfänge ist. Das erste Buch Mose ist ein überaus bemerkenswertes Dokument, weil es weit in die Ewigkeit vor aller Zeit zurückgeht und von der Schöpfung berichtet. Im weiteren Verlauf konzentriert sich dieses Buch dann auf den abrahamitischen Bund ( Kap. 12-17 ) und endet schließlich mit den drei Generationen nach Abraham, die Ägypten als vorübergehenden Wohnsitz wählten. Dass das Buch authentisch und inspiriert ist, wird im Neuen Testament von Christus und den Aposteln vielfach bestätigt. Während Jesus die Historizität der Erschaffung des Menschen bestätigt ( Mt 19,4 ), zeigt der Apostel Paulus die theologische Bedeutung Abrahams, indem er häufig den abrahamitischen Bund anführt. Die Bundesschlüsse und Haushaltungen des ersten Buches Mose geben den heilsgeschichtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Weltgeschichte abspielte. Die in diesem Buch gegebenen Prophezeiungen sind Ehrfurcht gebietend, wobei wir deren Auswirkungen sogar noch heute sehen können.

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Die Bundesschlüsse

Es gibt eine tiefe Kluft zwischen Bundestheologen und Dispensationalisten, was das Verständnis des ersten Buches Mose betrifft. Vertreter der Bundestheologie sehen in diesem Buch einen Bund der Werke und einen Bund der Gnade. Hinsichtlich des Bundes der Werke »bietet der Bericht darüber, wie Gott mit Adam umging, eindeutig alle wesentlichen Elemente eines Bundes« (A. A. Hodge). Die »Parteien« waren Gott und Adam, wobei dieser auch für seine gesamte natürliche Nachkommenschaft stand. »Obwohl dies eine souveräne, von Gott geschaffene Grundordnung war, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass Adam unfreiwillig deren Teilhaber wurde« (A. A. Hodge). Dispensationalisten können Gott problemlos als denjenigen sehen, der Adam befahl, nicht von der verbotenen Frucht zu essen ( 1Mo 2,16-17 ). Auch stellt für sie die Tatsache, dass Adams Ungehorsam die Trennung der Menschheit von Gott verursachte, kein Problem dar, doch formal wird dieses Ereignis in der Schrift nicht »Bund« genannt.

Viele Bundestheologen bezeichnen den mit Abraham geschlossenen Bund als »Bund der Gnade«. Doch Theologen wie Hodge erweitern die Formulierung und Absicht eines solchen Bundes (berith) . Er gibt zwei calvinistische Ansichten über den Bund der Gnade wieder: »Die erste Ansicht betrifft den Bund der Gnade, den Gott mit erwählten Sündern geschlossen hat ... Die zweite Ansicht geht von zwei Bünden aus, wobei der erste - »Bund der Erlösung« genannt - vor aller Zeit zwischen dem Vater und dem Sohn als den beiden Bundespartnern geschlossen wurde. Der Sohn versprach, gehorsam zu sein und zu leiden, während der Vater ihm die Verheißung eines Volkes gab. Demzufolge sollten in ihm die Angehörigen des Volkes alle geistlichen Segnungen und ewiges Leben empfangen.« Nach Meinung der meisten Bundestheologen wird ein großer Plan sichtbar, und zwar ohne bedeutsame Unterscheidungen hinsichtlich der Zeit sowie der Zielsetzungen und insbesondere ohne Unterschied zwischen Israel und der Gemeinde. Verheißungen und Prophetien bezüglich der Kinder Abrahams treten in den Hintergrund und verschwinden. Zur alles entscheidenden Frage wird die geistliche Erlösung durch Christus. Unterschiedliche Heilspläne und zeitalter der Schrift verschmelzen miteinander und verlieren ihre Bedeutung. »Der Bund der Gnade und der Bund der Erlösung umfassen zwei Formen bzw. Phasen des einen, auf das Evangelium hin ausgerichteten Gnadenbundes« (L. Berkhof).

Es gibt einige Punkte, in denen Dispensationalisten und Bundestheologen übereinstimmen. Für beide ist im Protevangelium die Erlösung prophezeit - in jener geheimnisvollen messianischen Verheißung, die besagt, dass der Same der Frau den Kopf der Schlange, also Satans, zermalmt ( 1Mo 3,15 ). Beide betrachten die Verheißung an Noah als ewigen Bund. Der Herr gibt im Bund mit Noah die souveräne Zusage, dass weder Menschen noch Tiere in ihrer Gesamtheit mehr durch Wasser vernichtet werden ( 1Mo 9,9-13.16 ).

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Der abrahamitische Bund

Der abrahamitische Bund wird von Dispensationalisten als Triebfeder der biblischen Geschichte angesehen. Ausgehend von 1Mo 12 entfaltet sich ein überaus großer Teil des Wortes Gottes bis hin zum Buch der Offenbarung. Der abrahamitische Bund wird in V. 1-3 dieses Kapitels eingeführt. Abraham wird aufgefordert, sein Land, seine Verwandschaft sowie das Haus seines Vaters zu verlassen und in das Land zu ziehen, das Gott ihm zeigen wird. Der Herr gibt ihm dafür die Verheißung, ihn zu einer großen Nation zu machen und ihn zu segnen. Schließlich heißt es: »In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.« Der Bund spricht eindeutig (1) von einer Nation (dem Volk Israel); (2) von einem Land (Kanaan und die angrenzenden Gebiete); und (3) von einem Segen, der schließlich allen Geschlechtern der Erde zuteil werden soll. Diese Vereinbarung wird eindeutig als »Bund« bezeichnet ( 1Mo 17,4 ). (1) Sie ist eine Vereinbarung im wörtlichen Sinne, weil Gott Abraham anweist, das Land zu durchziehen, das er und seine Nachkommen erhalten werden ( 1Mo 13,15-17 ). Außerdem spricht der Herr von Kindern im wörtlichen Sinne. Es werden so viele sein, dass man sie nicht zählen kann ( 1Mo 16,10 ). (2) Die Bundesverheißungen sind außerdem ewiger Art. »Dir will ich es [das Land] geben und deinen Nachkommen für ewig« ( 1Mo 13,15 ). (3) Die abrahamitischen Verheißungen sind von Seiten Gottes nicht an Bedingungen geknüpft, was darin deutlich wird, dass Gott Abraham einschlafen ließ und ihm dann die Zusicherung gab, dass er die Vereinbarung erfüllen würde: »Da fiel ein tiefer Schlaf auf Abram« ( 1Mo 15,12 ). Obwohl ein Bund zwischen zwei Personen geschlossen wird, legte sich Gott selbst in souveräner Weise mit seinen Verheißungen fest.

Der Herr bestätigte die Verheißung gegenüber Abrahams Sohn Isaak: »Ich werde mit dir sein und dich segnen; denn dir und deinen Nachkommen werde ich all diese Länder geben, und ich werde den Schwur aufrechterhalten, den ich deinem Vater Abraham geschworen habe« ( 1Mo 26,3 ). Jakob gegenüber wurde der Bund als zukunftsbezogene Verheißung wiederholt, die seinen Nachkommen gilt ( 1Mo 35, 10-12 ). Der abrahamitische Bund wird als ewige Vereinbarung im wörtlichen Sinne bestätigt. Das erste Buch Mose schließt mit einer entsprechenden Bezugnahme Josephs: »Ich sterbe nun; Gott aber wird euch [die zur Sippe gehörenden Familien] heimsuchen und euch aus diesem Land [Ägypten] hinaufführen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen hat« ( 1Mo 50,24 ).

Zwei der auffälligsten Sachverhalte des abrahamitischen Bundes bestehen darin, dass er als ewig geltende Verheißung gesehen wird und auch wörtlicher Art ist. Er kann nicht vergeistigt oder allegorisiert werden. Die Patriarchen verstanden die Verheißungen in einem wörtlichen Zusammenhang: ein Land und Nachkommen, also Kinder im wörtlichen Sinne, die jene Verheißungen empfangen sollten. Einige behaupten, dass das Volk Israel aufgrund seiner Sünde von den Verheißungen abgeschnitten sei. Dem muss man entgegnen, dass zwar bestimmte Generationen aus dem Land zerstreut ( 5Mo 28,64 ), eine künftige Generation aber vom Herrn in das verheißene Land zurückgebracht werden wird. »Der HERR, dein Gott, (wird) dein Geschick wenden ... Und er wird dich wieder sammeln aus all den Völkern, wohin der HERR, dein Gott, dich zerstreut hat ... Der HERR, dein Gott, wird dich in das Land bringen, das deine Väter in Besitz genommen haben« ( 5Mo 30,3.5 ). Diese Aussage kann nicht zugunsten einer geistlichen Generation aus den Nationen oder für das Gemeindezeitalter allegorisiert werden. Sie meint eindeutig Abrahams Nachkommen aus dem Volk Israel - Kinder im wörtlichen Sinne, die in ein irdisches Land zurückkehren!

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Die Haushaltungen

Die Haushaltungen bilden einen wichtigen Bestandteil des ersten Buches Mose. Man erkennt hier vier der sieben Haushaltungen. In den ersten Kapiteln dieses Buches werden zeitliche und geschichtliche Abläufe komprimiert dargestellt, wobei man die Haushaltungen in diesem Rahmen der ersten Anfänge menschlicher Geschichte leicht erkennen kann.

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Die Haushaltungen

Haushaltung der Unschuld, 1Mo 1,28-3,6

Gott handelte mit Adam auf der Grundlage der Sündlosigkeit. Ihm wurde geboten, nicht von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen ( 2,16-17 ). Adam versagte in dieser Prüfung und aß zusammen mit Eva von der Frucht ( 3,6 ).

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Die Haushaltungen

Haushaltung des Gewissens, 1Mo 3,7-8,14

Wie konnten Adam und Angehörige künftiger Generationen leben, ohne dass ihnen das Gesetz geoffenbart worden war? Kann ein Mensch, der jetzt Sünder ist, Eden als Stätte der Vollkommenheit verlassen und gerecht leben? Die Antwort ist schnell gegeben: Schon Abel wurde von seinem Bruder Kain umgebracht. Das Gewissen konnte die Sünde nicht aufhalten!

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Die Haushaltungen

Haushaltung der Herrschaft durch Menschen, 1Mo 8,15-11,32

Konnten die Menschen der Frühzeit in Gemeinschaften, Sippen, Völkern und Stämmen in Gerechtigkeit und Frieden leben? Die Antwort ist wiederum: Nein! Die Stämme der Frühzeit missbrauchten den Herrschaftsauftrag Gottes und kamen in Babel zusammen, um eine Stadt und einen Turm zu bauen und sich selbst einen Namen zu machen. Der Herr sagte: »Jetzt wird ihnen nichts unmöglich sein, was sie zu tun ersinnen« ( 11,6 ).

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

Die Haushaltungen

Haushaltung der Verheißung, 1Mo 12,1 bis 2.Mose 18,27

Der Herr konzentriert sich jetzt auf einen Mann und seine Nachkommen. Er gibt Verheißungen, wonach er für Abraham und seine Kinder sorgen will. Bis zum Ende des ersten Buches Mose führen jedoch die familiären Verirrungen, die Sünden der Eifersucht sowie des Hasses und sogar gegen Joseph gerichtete Mordpläne der Brüder dazu, dass die ganze Sippe das verheißene Land verlässt und sich einstweilen in Ägypten aufhält.

Für den Dispensationalismus gibt es keineswegs in jedem Zeitalter einen anderen Weg zum Heil. Errettung erfolgt immer auf die gleiche Weise: durch Glauben. Auch müssen nicht einige der Grundsätze innerhalb jeder Haushaltung abrupt ihre Geltung verlieren. So bestehen beispielsweise die Abraham gegebenen Verheißungen während des gesamten restlichen Verlaufs biblischer Geschichte fort. Allerdings zeigen die Haushaltungen, dass Gott mit Einzelpersonen oder Nationen jeweils anders handelt, wenn er verschiedene Ziele verfolgt.

 

GENESIS

(1. MOSE) Eschatologie

1Mo 49

1Mo 49 beinhaltet den letzten bedeutenden prophetischen Teil dieses Buches. Jakob gibt hier auf nahe und ferne Zukunft deutende Prophezeiungen bezüglich seiner Kinder weiter. Dem Erstgeborenen, Ruben, wird zunächst Positives gesagt, da er an Hoheit und Macht alle übertrifft (V. 3 ). Doch sein Lob wird vorzeitig beendet, als die Tatsache erwähnt wird, dass er das Bett seines Vaters befleckt hatte. »Du sollst keinen Vorrang haben, denn du hast das Lager deines Vaters bestiegen« (V. 4 ). Simeon und Levi werden in Jakobs Prophezeiungen zusammen gesehen (V. 5-7 ). Sie werden als gewalttätig und als solche charakterisiert, die in ihrem Zorn Männer erschlugen (V. 6 ). Juda steht für ein Hauptthema in der Prophetie (V. 8-12 ). Juda sollte ein starker Löwe sein (V. 8-9 ). Der Messias (das Zepter) sollte aus seinen Reihen kommen (V. 10 ). Dies ging mit Christus wörtlich in Erfüllung ( Offb 2,27 ). Im Blick auf Sebulon sagte Jakob voraus, dass er an der Küste der Meere wohnen und zu einem Hafen für Schiffe werden würde (V. 13 ). Betreffs Issaschar heißt es: Er wird ein knochiger Esel sein, der zwischen den beiden Sattelkörben liegt (V. 14; vgl. Anmerkung Revidierte Elberfelder). Dan entsprach später nicht den Erwartungen, die man mit dem Richteramt verknüpfte (V. 16-17 ). Einige Ausleger glauben, dass der Götzendienst unter den Nachkommen Jakobs zuerst im Stamm Dan auftrat ( Ri 18,30 ), und dass der Stammesname daher in der Beschreibung der 144000 Versiegelten Israels in Offb 7,4-8 weggelassen wird. Gad wird angreifen und ebenso als Angreifer angesehen werden. Einige sind der Meinung, dass sich 1Chr 5,18-19 darauf bezieht. Von Asser sagte Jakob, dass Fettes sein Brot sein wird ( 49,20 ). Weil der Stamm in einem Gebiet mit fruchtbaren Böden lebte, sorgte er für Nahrung im Überfluss. Naftali ist eine losgelassene (vgl. hier und im Folgenden Anmerkung Revidierte Elberfelder) Hirschkuh, die schöne Kälber wirft (V. 21 ). Dies könnte sich auf die Tatsache beziehen, dass sich der Stamm nordwestlich des Galiläischen Meeres in einer bergigen Gegend ansiedelte und demzufolge hier als frei umherstreifende Hirschkuh dargestellt wird. Eine umfangreiche Voraussage findet sich im Blick auf Joseph, der ein Fruchtbaum mit Zweigen sein würde, die über die Mauer ranken ( 49,22 ). Er wird als stark beschrieben - imstande, sich gegen alle Angriffe zu verteidigen, weil er ein Gesegneter Gottes ist. Jakob schließt mit einer Prophezeiung im Blick auf Benjamin, der einem reißenden Wolf gleicht (V. 27 ). Die Benjaminiter waren Kriegsmänner und werden daher hier als Wölfe beschrieben (Walvoord).

Man sieht also, dass die wichtigsten prophetischen Heilspläne der Schrift im Keim schon im ersten Buch Mose angelegt sind.

Siehe auch: Abrahamitischer Bund ; Dispensationalismus .

Mal Couch

L. Berkhof, Systematic Theology (Grand Rapids: Eerdmans, 1962); Mal Couch, God´s Plan in the Ages (Ft. Worth, Tex.: Tyndale Seminary Publications, 1994); A. A. Hodge, Outlines of Theology (Carlisle, Pa.: The Banner of Truth Trust, 1991); John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990).

 

GERICHTE

verschiedene

Nach der weit verbreiteten Ansicht christlicher Theologen, deren biblische Auslegung von den Grundannahmen des Amillenialismus beeinflusst wird, gibt es ein allgemeines Gericht (in dem mehrere andere Gerichte zusammengefasst werden). Ein sorgfältiges, ausschließlich vom Text ausgehendes Schriftstudium lässt jedoch erkennen, dass es mindestens sieben größere göttliche Gerichte und immerhin zwölf klar definierte Gerichtszeiten gibt - wenn man die gesamte Schrift berücksichtigt.

Der Postmillennialismus hält beispielsweise an einem allgemeinen Gericht für alle Menschen fest, während der historische Prämillennialismus das allgemeine Gericht gewöhnlich in zwei Phasen aufteilt, in das Gericht bei der Wiederkunft Jesu und das Gericht am Ende der Trübsal. Man hat zwei Schriftstellen zur Erhärtung dieser Position angeführt ( Mt 25,31-46; Offb 20,11-15 ), wobei man meistens geschlussfolgert hat, dass das Gericht der lebenden Völker (vgl. Mt 25 ) mit dem Gericht am Großen Weißen Thron gleichbedeutend ist.

Dem Prämillenialismus und Dispensationalismus ist die Aufgabe zugefallen, die Bedeutung dieser klar definierten Gerichte zu bestimmen und hermeneutisch zu untermauern. Walvoord listet beispielsweise sieben größere göttliche Gerichte auf. Hoyt führt zwölf Kategorien endzeitlicher Gerichte an. Chafer vertritt den Standpunkt, dass es »acht klar definierte Gerichte (gibt), die in der Bibel vorgestellt werden«. Ryrie wiederum listet sieben künftige Gerichte auf. Ganz gleich jedoch, wie man die verschiedenen Gerichte beschreiben oder aufzählen will - eines steht fest: Nach Gottes Offenbarung in seinem Wort lehrt eine verantwortungsbewusste, wörtliche Schriftauslegung unmissverständlich, dass es mehrere Gerichtsereignisse gibt, die zu unterschiedlichen Zeiten in Gottes eschatologischem Zeitplan stattfinden. Im Folgenden findet sich eine Aufschlüsselung der verschiedenen Gerichte, wie sie von Dispensationalisten und Prämillenialisten im Allgemeinen anerkannt werden.

 

GERICHTE

verschiedene

Das Gericht am Kreuz

Nach Joh 12,31-33 ist das Gericht am Kreuz als endzeitliches Gericht einzustufen. Es regelte die Frage der Sünde ( Joh 19,30 ), fand am Ende der Zeitalter statt ( Hebr 9,26-28 ) und besiegelte das Geschick Satans wie auch dasjenige der Welt. Chafer drückt es folgendermaßen aus: »In der Person seines Stellvertreters, des Herrn Jesus Christus, ist für den Gläubigen alles vollzogen worden: die Gerichtsverhandlung, der Schuldspruch, das Urteil und dessen Vollstreckung« ( Joh 5,24; Röm 5,9; 8,1; 2Kor 5,21; Gal 3,13; Hebr 10,10. 14-17; 1Petr 2,24 ). Das Kreuz steht daher als unübertroffener erster Gerichtsabschnitt aller endzeitlichen Gerichte, denn es offenbart das gerechte Gericht Gottes ( Röm 3,25 ) und teilt die Menschheit in zwei Kategorien ein ( Joh 3,14-18 ).

 

GERICHTE

verschiedene

Das Gericht bei der Entrückung

Unmittelbar nach der Entrückung (der Wegnahme der Gläubigen von der Erde) wird sich die (aus allen wahren Gläubigen bestehende) Gemeinde im Himmel vor dem »Richterstuhl Gottes« oder »Richterstuhl Christi« einfinden, wie er in Röm 14,10 bzw. 2Kor 5,10 genannt wird. In Offb 19,8 wird Christi Braut, die Gemeinde, als bereits Belohnte dargestellt, wenn Christus bei seiner Wiederkunft auf die Erde zurückkehrt. Diese Tatsache deutet darauf hin, dass dieses Ereignis nach der Entrückung, aber noch vor der Wiederkunft stattfinden wird. Der griechische Begriff bema wird gebraucht, um dieses Gericht zu bezeichnen. Er meint einen Sitz oder eine erhöhte Plattform, wo ein Richter Platz genommen hat, um einen Fall zu entscheiden (z.B. Mt 27,19; Joh 19,13; Apg 18,12 ). Die Griechen verwandten den gleichen Ausdruck, um die Plattform zu bezeichnen, worauf ein Richter oder Preisrichter während der Isthmischen Spiele (Korinth) oder Olympischen Spiele (Olympia) saß. Hier empfingen die Sieger der verschiedenen athletischen Wettkämpfe ihre Auszeichnungen. Zweifellos dachte der Apostel Paulus an eine solche Szene, als er die Wendung »Richterstuhl Christi« gebrauchte. Somit lassen der Kontext und der historische Hintergrund des Ausdrucks darauf schließen, dass das Bema für Gläubige ein Ort und ein Anlass ist, wo man belohnt und nicht bestraft wird. Sowohl Röm 14,10 als auch 1Kor 3,10-4,5 erhärten diese Ansicht. Vor dem Richterstuhl Christi werden diejenigen erscheinen, die auf das Fundament Jesu Christi gebaut haben (die Gläubigen des Gemeindezeitalters). Dort werden keine gottlosen Menschen, aber auch keine alttestamentlichen Gläubigen anwesend sein.

 

GERICHTE

verschiedene

Die Gerichte bei der Wiederkunft Jesu

Das Gericht Israels (des jüdischen Volkes)

Dieses Gericht am Ende der Trübsal wird in Hes 20,34-28 beschrieben und in Mt 25,1-30 veranschaulicht. Es betrifft jüdische Überlebende, die nach Christi Sieg über seine Feinde in Harmagedon aus allen Teilen der Welt in das Land Israel zurückgeführt worden sind. Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen und den Talenten ( Mt 25,1-13.14-30 ) veranschaulicht dieses Ereignis. Dieses Gericht wird darüber entscheiden, wer berechtigt ist, in das messianische Reich einzugehen. Die Gerechten Israels (diejenigen, deren Glauben an Christus erkennbar ist) werden in das Reich eingehen, um die Verwirklichung der Bundeszusagen Gottes für sein Volk zu erleben. Diejenigen, die sich Christus gegenüber als untreu erweisen (die Widerspenstigen), werden beseitigt und in die äußere Finsternis geworfen werden ( Mt 25,30 ). Weil Israel seiner ihm übertragenen Funktion als Gottes Licht für die Heidenwelt nicht gerecht wurde, gab Gott die Verheißung, dass ein anderes Licht die Nationen erleuchten würde ( Jes 60,1-3 ). Obwohl Christus als das wahre Licht kam ( Joh 1,9; 8,12 ) und damit Jesajas Prophetie erfüllte, wird Gott Israel während der Trübsal erneut als sein Licht für die Welt aussondern ( Offb 7,1-8 ). Somit wird bei Christi Wiederkunft die individuelle Treue gegenüber dieser Berufung beurteilt werden. Diese jüdischen Gläubigen werden mit ihren irdischen Leibern in das Reich eingehen und unter den Ersten sein, welche die Erde während der tausendjährigen Herrschaft Christi wieder bevölkern.

 

GERICHTE

verschiedene

Die Gerichte bei der Wiederkunft Jesu

Das Gericht der Nationen

Dieses Gericht wird ebenfalls am Ende der Trübsal stattfinden ( Joe 4, 1-2; Mt 25,31-46 ), und zwar an einer Stätte nahe Jerusalem, dem Tal Joschafat. Daran sind die heidnischen Überlebenden der Trübsal beteiligt, die im Blick darauf gerichtet werden, wie sie die Angehörigen des Volkes Israel (wahrscheinlich die 144000 Versiegelten aus Offb 7 ) während jener furchtbaren Zeit behandelt haben. Damit sind vielleicht die »Brüder« gemeint, auf die in Mt 25,40 Bezug genommen wird. Die Gerechten der Nationen werden offenbar werden: Jeder, der einen Juden freundlich behandelt (insbesondere während der letzten dreieinhalb Jahre der Trübsal), wird dies nur aus der Herzenshaltung eines Erlösten heraus tun. Da der Messias in seinem Reich sowohl über Israel als auch über die heidnischen Nationen herrschen wird und kein Gottloser in das Reich kommt, wird es eine Scheidung zwischen den erretteten (Schafen) und den nicht erretteten Heiden (Böcken) geben, wobei die Letztgenannten der ewigen Pein verfallen. Dieses Gericht wird nach dem Gericht an Israel stattfinden und individueller Art sein: Nicht ganze Völker, sondern Einzelne aus den Nationen ( Mt 25,32 ) werden gerichtet werden.

 

GERICHTE

verschiedene

Die Gerichte bei der Wiederkunft Jesu

Das Gericht der alttestamentlichen Gläubigen und der Gläubigen der Trübsal

Dieses Gericht ( Dan 12,2-3; Mt 16,27; Offb 20,4-6 ) wird ebenfalls am Ende der Trübsalszeit stattfinden. Sowohl Gläubige des Alten Testaments als auch der Trübsal werden aus den Toten auferweckt und belohnt werden. Offb 20,4-6 bezeichnet dies als erste Auferstehung. Für einige ist dies verwirrend, weil viele Gläubige zum Zeitpunkt der Entrückung sieben Jahre zuvor auferweckt werden. Der Begriff »erste Auferstehung« umfasst jedoch einen Hinweis im Sinne einer Qualitätsbezeichnung auf eine Gruppe auferweckter Gläubiger; er gibt jedoch keine chronologische Reihenfolge an. Wood merkt an, dass »aufgrund dieser Vorstellung die Auferstehung der Gottlosen, die erst nach dem tausendjährigen Reich stattfindet, zur zweiten Auferstehung wird. Dies entspricht begriffsmäßig dem »zweiten Tod«, der in Offb 20,6.14 erwähnt wird.« Hier beinhaltet das Zahlwort erneut einen qualitativen und keinen chronologischen Hinweis. Zur ersten Auferstehung gehören diejenigen, die zum ewigen Leben auferweckt werden (vgl. Joh 5,29 ). Benware bemerkt dazu: »Es gibt mehrere Zeitpunkte, zu denen Gläubige zum ewigen Leben auferweckt werden, doch bei allen ist die »erste Auferstehung« gemeint.«

 

GERICHTE

verschiedene

Die Gerichte nach dem Tausendjährigen Reich

Das Gericht an Satan

Satans Gericht wurde am Kreuz auf ewig besiegelt. Er wird jedoch erst dann in den Feuersee geworfen, wenn er am Ende der tausendjährigen Herrschaft Christi eine Zeit lang freigelassen worden ist. Dann wird er letztmalig versuchen, als Verführer und Rebell aufzutreten. Anschließend wird er im Feuersee, wo sich bereits das Tier und der Falsche Prophet befinden, ewige Pein leiden ( Offb 20,7-10 ). Obwohl dies Satans letztes Gericht ist, gehen andere Phasen des Gerichts seiner endgültigen Bestimmung voraus. In der Mitte der Trübsal wird er aus dem Himmel geworfen werden und fortan nur noch auf der Erde wirken können ( Offb 12,7-12 ). Zu Beginn der tausendjährigen Herrschaft Christi wird er dann gebunden und in den Abgrund geworfen werden ( Offb 20,1-3 ).

 

GERICHTE

verschiedene

Die Gerichte nach dem Tausendjährigen Reich

Das Gericht an gefallenen Engeln

Das Gericht an gefallenen Engeln wird sein Ende finden, wenn sie zusammen mit Satan sowohl von Gläubigen ( 1Kor 6,3 ) als auch von Christus ( Mt 25,41; Offb 20,10 ) gerichtet und in den Feuersee geworfen werden.

Jud 1,6-7 und 2.Pet 2,4 lassen erkennen, dass vor diesem Zeitpunkt viele der Engel, die sich anfangs Satan in seiner Auflehnung anschlossen hatten ( Offb 12,3.4 ), in den Abgrund (Tartaros) geworfen wurden, wo sie bis zu ihrem endgültigen Gericht verwahrt werden. Andere sind weit gehend von Satan gesteuert worden, indem sie ihm als seine Boten des Bösen bzw. Dämonen dienten, die gegen Christus und seine Diener Krieg führten ( Mt 12, 24-27; Eph 2,2-3; 6,11-12 ).

 

GERICHTE

verschiedene

Die Gerichte nach dem Tausendjährigen Reich

Das Gericht der verstorbenen Ungläubigen

Dieses Gericht wird am Ende der tausendjährigen Herrschaft Christi, aber noch vor Beginn der Ewigkeit stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt werden die Ungläubigen jedes Zeitalters auferweckt werden und sich dem Gericht am Großen Weißen Thron stellen müssen, wie es in Offb 20,11-15 genannt wird. Dann werden sie vor dem Herrn Jesus Christus stehen ( Joh 5,22.26-29 ). Im Gegensatz zu Gläubigen, die als die »Toten in Christus« bezeichnet werden, nennt man diese Menschen nur »die Toten«. Man wird Gläubige nicht von Ungläubigen scheiden müssen, weil sich alle hier vor Gericht Stehenden während ihres Lebens dafür entschieden haben, Gott und seinen Christus zu verwerfen. Obwohl das Buch des Lebens beim Gericht am Großen Weißen Thron geöffnet werden wird, enthält es nicht die Namen derjenigen, die gerichtet werden. Die an diesem Gericht Beteiligten werden aufgrund der Bücher um ihrer Werke willen gerichtet werden. Ihnen werden unwiderlegbare Beweise dafür vorgelegt, dass sie zu Recht die ewige Verdammnis verdienen, weil sie außerstande sind, Gottes heiligen Maßstäben zu entsprechen. Diese Bücher werden vielleicht auch dafür verwendet, unterschiedliche Strafmaße festzulegen. Das endgültige Geschick der nicht Erretteten besteht darin, dass sie in den Feuersee geworfen werden. Dies wird als der »zweite Tod« bezeichnet.

 

GERICHTE

verschiedene

Die Gerichte nach dem Tausendjährigen Reich

Das Gericht, das die jetzigen Himmel und die jetzige Erde vernichtet

Obwohl dieses Gericht in mehreren Schriftstellen vorweggenommen ist (z.B. Mt 24,35; Offb 20,11 ), wird es speziell in 2Pet 3,10 beschrieben. Diese Vernichtung ist aus zwei Gründen notwendig: Weil es im Universum Sünde gibt und weil sich der Fluch, der auf der Schöpfung liegt, noch immer auswirkt. Einige Theologen halten daran fest, dass die Schäden im Himmel und auf Erden beseitigt werden, während andere Gelehrte an eine Neuschöpfung glauben. In jedem Falle wird aber deutlich, dass die neuen Himmel und die neue Erde im herrlichen Gegensatz zum vergänglichen ersten Himmel und zur vergänglichen ersten Erde stehen werden ( Offb 21,1-4 ).

Siehe auch: Entrückung, biblisches Studium .

David R. Nicholas

Paul Benware, Understanding End Times Prophecy (Chicago, Moody Press, 1995); Lewis Sperry Chafer, Systematic Theology , Bd. VII (Grand Rapids: Kregel, 1993); Paul Enns, The Moody Handbook of Theology (Chicago: Moody Press, 1989); Herman A. Hoyt, The End Times (Chicago, Moody Press, 1969); J. Dwight Pentecost, Thy Kingdom Come (Wheaton: Victor Books, 1990); Charles C. Ryrie, Die Bibel verstehen (Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 1996); John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990); Leon Wood, The Bible and Future Events (Grand Rapids: Zondervan, 1973).

 

GESETZ UND GNADE

Offenkundig waren Gesetz und Gnade Prinzipien der Herrschaft Gottes sowohl in der alt wie auch in der neutestamentlichen Epoche. Eine Hauptfrage, die nach einer Antwort verlangt, lautet: Welche Verpflichtung hat der Christ gegenüber dem Alten Bund und/oder dem mosaischen Gesetz? Die in dieser Abhandlung erörterte Position ist die, dass ein Christ keinerlei Verpflichtungen gegenüber dem Alten Bund oder gegenüber dem mosaischen Gesetz hat. Der Christ ist von der Knechtschaft des Alten Bundes befreit und steht unter den Verpflichtungen des Neuen Bundes und der Lehren Jesu Christi, wie sie im Neuen Testament niedergeschrieben sind.

Der Christ steht nicht im Widerspruch zum Gesetz (oder in Opposition zum Gesetz): »Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben« ( Röm 15,4 ). Das Gesetz spiegelt Gottes geistlichen Maßstab, zeigt der Menschheit die Sündigkeit der Sünde und verurteilt die Menschheit in der persönlichen Sünde des Einzelnen ( Röm 4,15; 5,19-21; 7,7-14; Gal 3,19 ). »Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister auf Christus hin geworden, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden« ( Gal 3,24 ). Das heißt nicht, dass wir ihm verpflichtet wären, aber es bestätigt die wichtige Funktion des Gesetzes für die Errettung und für die Heiligung. Die Menschen sind grundsätzlich verpflichtet, dem ganzen Gesetz zu gehorchen, was unmöglich ist. Daher sind sie gezwungen, sich der Gnade Gottes zu unterwerfen und darauf zu vertrauen, dass Gott sie von ihrer Sünde erretten wird ( 2Kor 3,4-18 ).

Ich persönlich glaube nicht, dass die Bibel lehrt, dass wir den Alten Bund und das Gesetz in verschiedene Segmente aufteilen könnten (etwa in ein moralisches, ein bürgerliches, ein zeremonielles, ein kultisches, ein kulturelles Segment usw.), denen wir heute auf der Grundlage von Bewertungen gehorchen müssten oder auch nicht. Das Neue Testament präsentiert das Gesetz als eine einzige und unteilbare Einheit. Es gibt kaum exegetische Rechtfertigung dafür, den Alten Bund und das Gesetz in einzelne Kategorien aufzuspalten, um dadurch zu suggerieren, dass man gewissen ethischen Richtlinien gehorchen müsse, wohingegen andere, zeremonielle oder kultische Vorschriften, außer Kraft gesetzt seien. Wir sind entweder dem ganzen Gesetz verpflichtet, oder absolut und vollständig von seiner Vertragsbindung freigesetzt ( Gal 3,10; 5,13; Jak 2,10 ).

Christen unterstehen nicht dem Alten Bund und dem Gesetz, sondern dem Neuen Bund und den Lehren Jesu Christi. Obgleich einige alttestamentliche Gebote und Prinzipien im Neuen Testament wiederholt werden, bedeuten diese Wiederholungen nicht, dass ein Christ unter dem Alten Bund stehe. Tatsächlich wird einigen alttestamentlichen Prinzipien im Neuen Testament sogar ein höherer Maßstab verliehen, an dem sich der Christ ausrichten soll. Ein Beispiel dafür finden wir in Mt 5,27-28 : »Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch, dass jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, schon Ehebruch mit ihr begangen hat in seinem Herzen.«

Das Neue Testament bekundet, dass ein Christ nicht unter der Verpflichtung oder in der Knechtschaft des Alten Bundes steht: »Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. Was nun, sollen wir sündigen, weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind? Das sei ferne!« ( Röm 6,14-15 ). Der Christ ist durch das Wirken des Heiligen Geistes in seinem Leben imstande, das Gesetz zu erfüllen ( Röm 8,1-4 ). Paulus erörtert diese heilsgeschichtliche Veränderung in Gal 3,23-25 : »Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter Gesetz verwahrt, eingeschlossen auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte. Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister auf Christus hin geworden, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter einem Zuchtmeister«, unter der Oberaufsicht des Gesetzes (siehe auch Gal 3,19-22; 4, 1-11; 5,16-18; Eph 2,15-16; Hebr 7, 11-22 ).

Der Neue Bund und die Lehren Jesu Christi haben den Alten Bund und das mosaische Gesetz abgelöst ( Hebr 8,8-13 ). Es besteht eine enge Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen Bund, aber dieser rote Faden ist nicht die Grundlage für einen verpflichtenden Gehorsam des heutigen Christen. Der Alte Bund und das Gesetz sind im Leben Christi erfüllt worden. Ein Christ kann das Gesetz erfüllen - durch die innewohnende Gegenwart des Heiligen Geistes und durch die Auswirkung des Lebens Christi in seinem Leben ( Mt 5,17-20; Röm 8,1-4 ).

Siehe auch: Neuer Bund, Theologie .

John A. McLean

George Knight, Law and Grace: Must a Christian Keep the Law of Moses? (Philadelphia 1962, Westminster); Daniel Fuller, Gospel and Law: Contrast or Continuum? (Grand Rapids 1980, Eerdmans).

 

GLAUBEN

Rettung durch

(unter heilsgeschichtlichen Gesichtspunkten)

Man hat den Vertretern der Lehre von dem Heilszeitalzern lange vorgeworfen, an verschiedene Heilswege zu glauben. Dieser Kritik liegen oft unzutreffende Auffassungen, falsche Wiedergaben von Aussagen bzw. ein unzureichendes Verständnis der Lehre von den Heilszeiten durch Vertreter anderer Ansichten zugrunde. Zuweilen jedoch haben Heilsgeschichtler auf diese Frage bezogene Aussagen gemacht, die schlecht durchdacht waren, leicht missverstanden werden konnten oder sogar falsch waren. Dennoch gilt: Solange diese Kritik an der Lehre von den Heilszeitaltern weiterhin nur an der Oberfläche schürfen, müssen die Vertreter der Lehre von den Heilszeitaltern daran festhalten und bekräftigen, dass es nur eine Heilsgrundlage und ein Heilsmittel gibt. Stets wird man aus Gnade und durch Glauben errettet.

 

GLAUBEN

Rettung durch

Verschiedene Haushaltungen

Bei einem heilsgeschichtlichen Verständnis wird deutlich, dass sich Gott im Laufe der Weltgeschichte verschiedener Haushaltungen bedient hat. Mit dieser Aussage wird nicht angedeutet oder gar bekräftigt, dass Gott verschiedene Heilswege vorgesehen hat. Eine Haushaltung hat nichts damit zu tun, wie man errettet wird, sondern ist vielmehr eine dem Menschen von Gott zugewiesene Ordnung, die das Leben der Menschen regelt. Eine solche Verwalterschaft soll nicht Heil vermitteln, sondern eine göttliche Ordnung schaffen und menschliche Sünde in Schranken halten (weil Sünder ein Leben führen, das Gottes Wesen zuwiderläuft). Das von Gott vorgesehene Ordnungssystem und das, was Sünde in jeder Haushaltung einschränken soll, ist nicht dazu gedacht, menschliche Gerechtigkeit zu schaffen. Letzendlich stellen diese Mittel die menschliche Ungerechtigkeit bloß - die menschliche Unfähigkeit, nach Gottes Maßstäben zu leben. Im Idealfall ist es diese Aufdeckung menschlicher Sündhaftigkeit, die einen Menschen in einer beliebigen Haushaltung dazu drängt, das eine und einzige Heilsmittel anzunehmen. Man muss sein Vertrauen auf einen gnädigen Gott setzen, der unabhängig von menschlichen Verdiensten die Menschen von ihrer Sünde freisprechen kann.

Beispielsweise zog es Gott nach dem Sündenfall der ersten Menschen im Garten Eden offensichtlich vor, die Sünde der Menschheit einzuschränken und eine göttliche Ordnung auf Erden dadurch zu schaffen, dass der Mensch seinem ihm innewohnenden Gewissen folgen sollte. Dies wurde durch spezielle göttliche Offenbarung unterstützt. Bis zur Zeit ihrer Vertreibung aus dem Paradies war den Menschen bereits einiges geoffenbart worden, darunter die Wahrheit über die Person und Wesensart des Schöpfergottes ( 1Mo 1-2 ) sowie bezüglich des Risses, der zwischen Mensch und Gott aufgrund des veränderten Zustands durch die Sünde entstanden war ( 1Mo 3,1-10 ). Dazu gehörten auch die Wahrheit von den Konsequenzen der Sünde, die Wahrheit von der Feindschaft zwischen Gott und Satan sowie zwischen der Nachkommenschaft Satans und der Nachkommenschaft der Frau und die Wahrheit vom endgültigen Sieg der Nachkommenschaft der Frau über die Nachkommen Satans ( 1Mo 3,14-15 ). Wahrscheinlich waren sie auch im Blick auf die Darbringung blutiger Opfer belehrt worden ( 1Mo 3,21 ; vgl. 4,4 ) - eine Handlungsweise, die auf einer gewissen Ebene Gemeinschaft mit Gott aufrechterhalten sollte (siehe 1Mo 4,7 ). Wenn es um eine göttliche Ordnung und um Begrenzung der Sünde gehen sollte, dann musste jeder Mensch - ob Mann oder Frau - der inneren Stimme seines Gewissens auf der Grundlage der göttlichen Offenbarung gehorchen, während er gleichzeitig dasjenige abzulehnen hatte, was seine gefallene, fleischliche Natur gebot. Errettung durch vollständige Erfüllung der Verpflichtungen in diesem Heilszeitalter war nicht möglich, weil niemand einem von Gott gegebenen Gewissen je völlig gehorchen und die sündige Natur ganz in Schach halten konnte. Ja, diese göttliche Verwalterschaft bestätigte letztlich die angeborene Unfähigkeit des Menschen, ein gottgemäßes und gegen Sünde immunes Leben zu führen. Dennoch konnten die Menschen selbst in dieser Haushaltung Gottes unverdiente Gnade empfangen ( 1Mo 6,8 ) und gerecht gesprochen werden ( 1Mo 6,9 ), wenn sie in Anerkennung der eigenen Sündhaftigkeit Gott fürchteten und wahren Glauben unter Beweis stellten, indem sie auf Gottes persönliche Ansprache im Glaubensgehorsam reagierten ( Hebr 11,7 ).

Das gleiche Muster kann man in jeder Haushaltung finden. Gott gab weiterhin verschiedene Verwalterschaften, die ein Vorbild für eine göttliche Ordnung sein und die angeborene menschliche Sündhaftigkeit begrenzen würden: menschliche Obrigkeit, volksbezogene Verheißung, nationales Gesetz usw. Jede dieser haushaltungsgemäßen Ordnungen gründete sich auf weitere objektive Offenbarung, wobei all diese Haushaltungen letztlich nicht Menschen retten, sondern die menschliche Sündhaftigkeit unter Beweis stellen sollten. Jede Haushaltung lässt die menschliche Unfähigkeit erkennen, Gottes Forderungen zu entsprechen. Selbst bei der letzten Haushaltung, der des tausendjährigen Reiches, ist das so: Sie beginnt zwar mit einer geistlich völlig erneuerten menschlichen Bevölkerung und wird direkt von Christus und seinen verherrlichten Heiligen regiert, endet aber in menschlicher Rebellion gegen Gott ( Offb 20,7-9 ). Es war von Seiten Gottes nie beabsichtigt, dass in den engen Grenzen, die den verschiedenen Haushaltungen verwaltungsgemäß gesetzt sind, Menschen gerettet werden sollten, wenn sich diese abmühten, Gottes Maßstäben zu entsprechen. Vielmehr sollten diese engen Grenzen den Ungehorsam des Menschen zeigen. In jeder Haushaltung - einschließlich der mosaischen mit ihrer auf das Gesetz hin ausgerichteten Verwalterschaft oder in der Gemeindehaushaltung, in der es vorrangig um Gnade geht - wird man nicht dadurch errettet, dass man sich nach den Gesetzen der Verwalterschaft richtet. Man wird vielmehr nur dadurch gerettet, dass man sich im Glauben der Gnade des Gottes entgegenwirft, der sich der gefallenen Menschheit geoffenbart hat.

 

GLAUBEN

Rettung durch

Schrittweise Offenbarung

Es ist richtig, dass sich der Inhalt der Offenbarung, worauf der Mensch seinen Glauben gründet, in jeder Haushaltung unterschiedlich sein kann, da es Gott gefallen hat, schrittweise immer mehr zu offenbaren. Diese Aussage darf in gleicher Weise nicht so verstanden werden, als deute man darauf hin, dass es verschiedene Heilswege gäbe. Bei jedem, der je aus Sünden errettet worden ist oder errettet werden wird, geschah bzw. geschieht dies aufgrund der Gnade Gottes in Jesus Christus mittels des Glaubens. Allerdings können die Ausdrucksmöglichkeiten wahren Glaubens in jeder Haushaltung unterschiedlich sein. Wahrer Glauben kommt dadurch zum Ausdruck, dass man gehorsam auf die Offenbarung reagiert, die Gott bis zu der Zeit einer bestimmten Verwalterschaft und in deren Verlauf den Menschen gewährt hat.

Bevor das mosaische Gesetz galt, glaubte Abraham uneingeschränkt an Gott. Sein Glaube war nur auf Jahwe, den Gott biblischer Offenbarung, ausgerichtet. Er brachte seinen Glauben dadurch zum Ausdruck, dass er auf Gottes Befehl hin Urverließ und Gottes Verheißungen absolut glaubte ( Hebr 11,8-19 ). Um dieses Glaubens willen rechnete Gott in seiner Gnade Abraham Gerechtigkeit zu ( 1Mo 15,1-6; Röm 4,1-22 ). David erfuhr im Rahmen des mosaischen Gesetzes unabhängig von Tieropfern Vergebung aufgrund seines Glaubens an Gottes Barmherzigkeit und Gnade ( Ps 51,3-4 ). David glaubte dem, was Gott im Blick auf göttliche Heiligkeit und menschliche Sündhaftigkeit objektiv geoffenbart hatte ( Ps 51,5-7 ). Ja, als David seine Sündhaftigkeit anerkannte und wusste, dass er sich bezüglich der Vergebung ganz auf Gottes Gnade werfen musste, hatte er an einem bestimmten Punkt in seinem Leben die Gewissheit völliger Vergebung, die den Riten des Gesetzes überlegen ist und über diese hinausgeht ( Ps 32,1-2; 103,8-12; Röm 4,5-8 ). Nachdem die Verwalterschaft des Gesetzes David davon überzeugt hatte, dass gültige Vergebung von Gott kommen muss und nicht der Einhaltung des Gesetzes entspringen kann, fand David großes Gefallen daran, das Gesetz als Ausdruck der göttlichen Ordnung und als Mittel zur Begrenzung von Sünde in diesem Zeitalter zu halten ( Ps 19,8-12; 51,20-21; 119,97-104 ). Hebräer 11 liefert zahlreiche Beispiele dafür, dass der Ausdruck wahren Glaubens im Rahmen jeder Haushaltung auf der objektiven Offenbarung beruht, die Gott bis zu diesem Zeitpunkt gewährt hat. Auch wenn den alttestamentlichen Gläubigen noch nichts oder wenig über die umfassende Bedeutung des Sühnetodes des menschgewordenen Gottessohnes offenbart war, so konnte auch ihnen nur aufgrund des Opfers Jesu Christi vergeben werden.

 

GLAUBEN

Rettung durch

Einmal geschehene Errettung

Es ist eine Grundwahrheit, dass die Bibel nur eine Heilsgrundlage und ein Heilsmittel lehrt. Gott hat im gesamten Verlauf der Geschichte verschiedene Wege eingeschlagen und unterschiedliche Verwalterschaften eingerichtet, wodurch Menschen als vor ihm Wohlannehmliche leben können und wodurch die Sünde effektiv begrenzt werden kann. Ebenso hat Gott schrittweise Offenbarungen im Blick auf ihn und die menschlichen Nöte gegeben, indem er den Menschen immer neue Erkenntnisse über sich, seinen Plan für die Menschheit, die menschliche Sündhaftigkeit und seinen Weg der völligen Befreiung von Sünde vermittelte. In jedem heilsgeschichtlichen Zeitalter sollten die Menschen Gottes Offenbarung bezüglich seiner Wesensart und die vollständige Unfähigkeit der Menschheit erkennen, den festgelegten Maßstäben göttlicher Verwalterschaft gerecht zu werden. Die Menschen handelten aufgrund derjenigen Offenbarung, für die sie in ihrem besonderen heilsgeschichtlichen Zeitalter verantwortlich waren. Sie sollten dabei ihre Unzulänglichkeit anerkennen und sich durch Glauben ganz auf die Gnade Gottes werfen. Gott seinerseits würde die Sünden eines jeden Menschen völlig vergeben und allen aus Gnade göttliche Gerechtigkeit zurechnen. Nur dann war für den Menschen vollständige Vergebung, ewige Annahme und eine ungestörte Beziehung zu Gott möglich. Solche Menschen konnten demnach ihren Glauben durch ein Leben in Einklang mit Gottes Erwartungen zum Ausdruck bringen - und zwar im Rahmen der Verwalterschaft, in die sie Gott hineingestellt hatte.

Dieser großartige Vorgang - Errettung aus Gnade durch Glauben - hat sich nie verändert, was die Heilsgrundlage oder das Heilsmittel angeht. In jedem Zeitalter ist diesem Vorgang von Gott aufgrund des Sühnetodes des menschgewordenen Sohnes Gottes, Jesus Christus, des vor Grundlegung der Welt erkannten Lammes Gottes (vgl. Offb 13,8; 1Petr 1,18-20 ), Geltung verschafft worden. Viele jedoch, die vollständige Vergebung erfuhren, hatten ein äußerst mangelhaftes Verständnis für deren entscheidende Grundlage. Sie wurden durch Glauben an Gott errettet, dem es gefallen hatte, sich bis zu ihren Lebzeiten in bestimmter Weise zu offenbaren. Wenn wir auf die Geschichte dieser ein für alle Mal geschehenen Errettung zurückschauen, müssen wir unterscheiden zwischen Gottes ewigem Vorwissen über den Tod des menschgewordenen Gottessohnes, und der Art und Weise, wie Gott den Menschen innerhalb des jeweiligen zeitlichen Rahmens diese Wahrheit hinsichtlich eines sündlosen, sterbenden Heilandes zunehmend offenbarte.

Roy E. Beacham

Lewis Sperry Chafer, »Inventing Heretics Through Misunderstanding« in Bibliotheca Sacra 102 (1945): 1-5; J. S. Feinberg, »Salvation in the Old Testament« in Tradition and Testament (Chicago: Moody Press, 1981); A. P. Ross, »The Biblical Method of Salvation in Continuity and Discontinuity (Westchester, Ill.: Crossway Books, 1988); Charles C. Ryrie, Dispensationalism (Chicago: Moody Press, 1995).

 

GOG UND MAGOG

In Hes 38-39 wird ein gewaltiger künftiger Einfall in Israel vorausgesagt, an dem die Streitkräfte von sechs Völkern beteiligt sein werden. Fünf dieser Nationen werden in Kapitel 38,5-6 namentlich genannt, und zwar so, wie sie zu Hesekiels Zeit hießen.

Persien (im Original »Paras«), das der heutige Staat Iran ist, wird von einem islamisch- fundamentalistischen Regime beherrscht, das ein bedeutsames Militärpotenzial aufbaut und dabei auch Kernwaffen entwickelt. Es hat offen erklärt, dass es verpflichtet sei, den Staat Israel zu vernichten.

Kusch ist heute als Sudan bekannt, ein Staat, der von einem islamisch-fundamentalistischen Regime beherrscht wird, welches brutale Mittel - einschließlich der Kreuzigung von Christen - einsetzt, um sein Ziel zu erreichen, einen rein islamischen Staat zu schaffen.

Put (Libyen), der westliche Nachbar Ägyptens, ist heute ebenfalls ein islamischer Staat. Er ist stark antiwestlich und israelfeindlich ausgerichtet, wobei westliche Geheimdienste herausgefunden haben, dass Libyen ehemalige sowjetische und osteuropäische Wissenschaftler auf militärischem Gebiet angeworben hat, um die Entwicklung seines Militärpotenzials voranzutreiben.

Gomer befand sich ursprünglich nördlich des Kaukasus, also im südlichen Teil des heutigen Russlands. Bis zur Zeit Hesekiels hatte Gomer in Gebieten der heutigen Zentraltürkei neue Siedlungsgebiete gefunden.

Togar ma wurde von Josephus als Land der Phryger identifiziert (Jüdische Altertümer , I, 6,1 [126]), die ursprünglich in Kappadozien, der heutigen Osttürkei, siedelten.

Man sollte anmerken, dass die gegenwärtige türkische Regierung von islamischen Fundamentalisten bedroht wird. Infolgedessen befürchten einige führende Politiker, dass die Türkei ein zweites Iran werden könnte. Wenn das geschieht, werden alle in Hes 38,5-6 genannten Nationen von einem Hass auf Israel charakterisiert sein, weil sie von militanten Islamisten beherrscht werden.

Die fünf Völker ( Hes 38,5-6 ) werden beim künftigen Angriff gegen Israel vom Oberhaupt eines sechsten angeführt werden. Gott gab drei Erkennungszeichen dieses Führers. Der Führer wird Gog aus dem Land Magog sein ( Hes 38,2 ). Hieronymus, einer der Kirchenväter (345-420 n. Chr.) erklärte, dass Magog nördlich des Kaukasus, unweit des Kaspischen Meeres gelegen sei. Josephus (Jüdische Altertümer , I, 6,1 [123]) und griechische Schreiber brachten den Namen Magog mit den Skythen in Verbindung. Die wichtigste Gruppe der Skythen lebte in Schwarzmeernähe - in einem Siedlungsbogen, der sich vom Kaukasus bis hin zur Donau erstreckte. Es hat demnach den Anschein, als habe sich das Land Magog in der Nähe des Schwarzen bzw. Kaspischen Meeres befunden. Es lag nördlich des Kaukasus und bildete damit einen Teil des heutigen Südrusslands. Außerdem wird der Führer als der Hauptfürst oder Herrscher von Meschech und Tubal näher bezeichnet ( Hes 38,2; 39,1 ). Klassische griechische Autoren bezeichneten die Bewohner von Meschech als Moscho i, während in assyrischen Dokumenten von ihnen als den Muski die Rede ist. Diese Gruppe siedelte sich im Gebiet von Armenien an, wo die Grenzen der ehemaligen Sowjetunion, des Iran und der Türkei zusammenlaufen. Die Bewohner von Tubal besiedelten den zentralen Teil der Türkei unmittelbar westlich von Togarma. Schließlich wird Gogs Siedlungsgebiet als »äußerster Norden« ( 38,15; 39,2 ) bezeichnet. Das mit »äußerster« übersetzte hebräische Wort bedeutet »am weitesten entfernter« bzw. »fernster«. Da Hesekiel ein jüdischer Prophet war, sah er Schauplätze im geographischen Sinne von seinem Heimatland aus. Somit lässt seine Aussage in Kapitel 38,15 erkennen, dass Gog als Führer des Angriffs der sechs Nationen gegen Israel aus einer Region im äußersten Norden bzw. fernsten Norden - von Israel aus gesehen - kommen wird. Russland ist dasjenige Volk, das sich direkt nördlich von Israel befindet, sozusagen im äußersten Norden.

Es hat demnach den Anschein, als werde Russland die in Hes 38-39 vorausgesagte künftige israelfeindliche Invasion anführen. Warum sollte Russland dies tun? Ein Grund dafür ist der Antisemitismus. Vor der kommunistischen Herrschaft war Russland wegen seiner schlimmen Judenverfolgungen berüchtigt. Während das kommunistische Regime dieses Volk mit eiserner Hand zusammenhielt, unterdrückte der Kommunismus die äußeren Formen des Judenhasses. Nun, da der Kommunismus seinen Einfluss zumindest vorübergehend verloren hat, ist es dem Antisemitismus möglich, erneut seine hässliche Fratze zu zeigen. Hierbei aktiv ist u.a. Pamjat, eine entschieden antisemitische Organisation, die Russland von allen Juden säubern will. Einige ihrer Angehörigen geben Juden an allen Problemen dieses Volkes die Schuld. Einige haben Juden sogar beschuldigt, für AIDS verantwortlich zu sein. Infolge dieser bedrohlichen Tendenzen findet seit Anfang der 90er Jahre ein Massen-Exodus von Juden aus der früheren Sowjetunion statt, wobei die Mehrheit davon nach Israel auswandert.

Ein anderer Grund dafür, dass Russland die künftige Invasion anführen könnte, besteht darin, dass es seinen Status verbessern will. Nach Angaben eines unabhängigen Geheimdienstes glauben Offiziere der Streitkräfte der früheren Sowjetunion, dass Russland seinen Status als Supermacht selbst ohne Kommunismus beibehalten kann, wenn es sich mit islamischen Nationen in einem israelfeindlichen Bündnis zusammenschließt. In Einklang damit sagte ein offizieller Vertreter der russischen Regierung Anfang der 90er Jahre, dass die jungen Menschen in den Schulen des Landes Arabisch als Zweitsprache lernen müssten, weil seine Regierung zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass die Zukunft ihres Landes an der Seite der islamischen Völker der Welt sei.

Gott erklärte ( Hes 38,8.16 ), dass diese künftige Invasion in Israel am Ende der Jahre bzw. am Ende der Tage stattfinden wird. Sie erfolgt, nachdem Israel aus seiner Zerstreuung unter den Nationen in seiner Heimatland zurückgebracht worden ist und sich so ungefährdet und sicher fühlt, dass es weit gehend auf eigene Verteidigungsmaßnahmen verzichtet (V. 8.11-12.14 ). Obwohl es eine erstaunliche Rückführung Israels in seine Heimat seit der Neugründung dieses Staates im Jahre 1948 gegeben hat, fühlt sich aber Israel heute dort zweifellos nicht so ungefährdet und sicher, dass es keine Maßnahmen zur eigenen Verteidigung trifft.

Da die Schrift erkennen lässt, dass während der künftigen Herrschaft des Messias kein Krieg geführt werden wird ( Jes 9,5-6; Ps 72,7; Mi 4,3-4 ), kann diese Invasion nicht während des Tausendjährigen Reiches stattfinden. Gibt es irgendeine Zeit zwischen der Gegenwart und der Wiederkunft Christi zur Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches, in der sich Israel so ungefährdet und sicher fühlen wird, dass es seine eigenen Verteidigungsmaßnahmen vernachlässigen wird? Wie es scheint, ja.

Nach der Schrift ( Dan 9,27 ) wird der Antichrist unmittelbar zu Beginn der künftigen siebenjährigen Trübsal einen aussichtsreichen Vertrag mit Israel durchsetzen. Dieser wird Israel so stark an den Antichristen binden, dass er dieses Volk als seinen verlängerten Arm und als Vorposten seines Reiches im Nahen Osten betrachten wird. Infolgedessen wird der Antichrist im Rahmen dieses Vertrags Israels nationale Sicherheit garantieren. Aufgrund dieser Garantie wird sich Israel ungefährdet und sicher fühlen, sodass es sich von der durch die Aufrechterhaltung seiner Verteidigungsbereitschaft bedingten finanziellen Belastung befreien wird. Dieses Gefühl der Sicherheit wird jedoch nicht lange anhalten. In der Mitte der Trübsal wird der Antichrist anfangen, Israel zu verwüsten ( Dan 9,27; Mt 24,15-21 ). Somit wird sich dieses Volk nur während der ersten Hälfte der siebenjährigen Trübsal ungefährdet und sicher fühlen. Es hat demnach den Anschein, dass die von Russland und seinen islamischen Verbündeten geführte Invasion in Israel während der ersten Hälfte der Trübsal stattfinden wird, vielleicht kurz vor der Mitte dieses Zeitraums.

Die Eindringlinge werden der Meinung sein, dies sei angesichts der Tatsache, dass Israel in militärischer Hinsicht nachlässig geworden ist, eine gelegene Zeit, um zuzuschlagen und seine Schätze zu plündern ( Hes 38,10-13 ). Infolgedessen werden sie eine solch große Invasionsstreitmacht in Marsch setzen, dass es aussieht, als bedecke eine gewaltige Wolke das Land ( 38,9.15-16 ). Gottes anfängliches Handeln wird darin bestehen, dass er diese Invasoren nach Israel lenkt, damit sie seine souveräne Absicht verwirklichen ( 38,4.16; 39,2 ). Wenn sie angreifen, wird seine Haltung ihnen gegenüber von Grimm, Eifer und Zornglut geprägt sein ( 38,18-19 ). Er wird dann aktiv eingreifen, um die gewaltige Invasionsstreitmacht durch ein heftiges Erdbeben, Erdrutsche, eine zur Selbstvernichtung führende Panik, eine Pest, sintflutartigen Regen, große Hagelsteine, Feuer und Schwefel aufzureiben ( 38,19-22 ). Die Vernichtung des einfallenden Heeres wird solche Ausmaße annehmen, dass sich auf den Bergen Israels, auf freiem Feld und in einem Tal unweit des Toten Meeres die Leichen stapeln werden. Gott wird Vögel und wilde Tiere herbeirufen, die viele der Gefallenen fressen werden. Alle Angehörigen des Volkes Israel werden sieben Monate brauchen, um die übrigen Toten zu bestatten, und sieben Jahre, um ihre Waffen zu vernichten ( 39,3-5.9-20 ). Wenn diese Invasion kurz vor der Mitte der Trübsal stattfindet, dann wird die Vernichtung bis in die erste Zeit des Tausendjährigen Reiches hin andauern (A.d.Ü.: Genau dieser Punkt hat Tim LaHaye und Thomas Ice, die Verfasser von Countdown zum Finale der Welt [Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 2003, Seite 113-114] veranlasst, die Invasion anders als hier dargestellt in eine Zwischenzeit zwischen der Entrückung der Gemeinde und dem Beginn der Trübsal zu verlegen.).

Gott wird mit alldem beabsichtigen, sich vor Israel und all den Nationen zu verherrlichen. Er wird ihnen damit beeindruckende Beispiele seiner Existenz und Macht geben, die verdeutlichen, dass er ihr Leben verändern wird ( 38,16.23; 39,7.13.21-22 ). Viele Angehörige des Volkes Israel und der Nationen werden während der Trübsal zum Glauben kommen ( Offb 7 ). Zweifellos wird die Erfüllung der in Hes 38-39 zu findenden Prophezeiungen eines der Mittel sein, wodurch Gott Menschen jener Zeit zu sich führen wird.

Siehe auch: Daniel, Eschatologie ; Hesekiel, Eschatologie .

Renald E. Showers

»Brain Drain« in U.S. News & World Report , 11. Nov. 1991; »Call for Elimination of Israel« in Unti l, Bd. 1, Ausg. 1, 1992; »Gog and Magog« in The Jewish Encyclopedia (New York: Funk & Wagnalls, 1910); John E. Hartley, Theological Wordbook of the Old Testament , Bd. 1 (Chicago: Moody Press, 1980); Carl Friedrich Keil und Franz Delitzsch, Biblischer Commentar über das Alte Testament (Leipzig: Dörffling & Franke, 1862); W. S. LaSor, »Cush« in International Standard Bible Encyclopedia Fully Revised (Grand Rapids: Eerdmans, 1979); Elwood McQuaid »A Window In Sudan« in Israel My Glory (April - Mai 1994); Unterlagen des Special Office, Ausgabe Nr. 384, 31. Januar 1992; »Will Turkey Be the Next Iran?« in U.S. News & World Report , 1994.

 

GRAVES

James Robinson

J. R. Graves (1820-1893), in Chester (Vermont) geboren, war ursprünglich Kongregationalist, wurde aber später Baptist. Er absolvierte in vier Jahren eine autodidaktische Ausbildung, die einem Abschluss auf College-Ebene entsprach und erlernte dabei vier Sprachen. Dann begann er, von sich aus über längere Zeit hinweg die Schrift zu studieren. Vor dem Bürgerkrieg (d.h. vor 1861) plante und realisierte Graves die Gründung des Southwestern Publishing House (d.h. eines christlichen Verlages) und der Southern Baptist Sunday School Union . Er entwickelte sich zu einem hervorragenden Autor sowie Herausgeber und war auch als populärer Verkünder sowie gewandter Diskussionsredner anerkannt.

Graves engagierte sich intensiv in der Landmar k-Bewegung und wurde ein führender Sprecher dieser Gruppe in Kreisen der Südlichen Baptisten. Die Landmark -Bewegung argumentierte, dass es seit der apostolischen Zeit in ununterbrochener Folge baptistische Gemeinden gegeben habe. Er brachte dieses Argument in fast allen seinen Schriften vor.

Graves hielt an einer unerschütterlichen Position im Sinne des Prämillenialismus fest, die nach seiner Meinung in der Gemeinde der Frühzeit zumindest schon im zweiten Jahrhundert feststellbar war. Viele glauben, dass er auch zu den Vertretern der Lehre von den Heilszeiten gerechnet werden sollte, der eine Schriftauslegung wie Darby vertrat. Das Hauptwerk von Graves war The Work of Christ Consummated in Seven Dispensations (Das in sieben Haushaltungen vollendete Werk Christi). Graves war mit den Werken einer großen Anzahl von allgemein bekannten und weniger bekannten Gelehrten vertraut und konnte daraus zitieren.

Im Jahre 1859 lehnte Graves einen Artikel im Family Baptist Magazine ab, der die Sichtweise des Postmillenialismus vertrat. Er verwies darauf, dass die Vertreter dieser Ansicht nicht eine einzige Prophezeiung angeben könnten, um ihre Überzeugung zu untermauern. Er ging so weit zu sagen, dass er froh darüber wäre, wenn man ihn dem Lager der Vertreter der Lehre vom Tausendjährigen Reich zuordnen würde, weil der Herr und all die Propheten diese Lehre vertreten hätten!

Graves veranstaltete 1878 (New York) und 1886 (Chicago) zwei sehr erfolgreiche Konferenzen zum Thema Prophetie. Die New York Tribune bezeichnete die entsprechenden Vorträge auf der ersten Konferenz sogar als »anregend« und »inspirierend«. Die Zeitung stellte fest, dass das Interesse am Thema Prophetie weiter zunehmen würde und dass Pastoren nach entsprechenden Studien ihre Erkenntnisse an die Gemeinden weitergeben sollten. Auf diesen Konferenzen stellte Graves die vollständige Aufeinanderfolge der Ereignisse im Sinne der Lehre von den Haushalten oder Heilszeitaltern vor. Seine wörtliche Auslegung der Prophetie wurde von seinen zahlreichen Kritikern angegriffen. Er sprach sich auf diesen Konferenzen auch stark für die Rückführung der Juden nach Palästina aus. Das Magazin The Baptist sprach von einem »starken Eindruck, den Graves' Prämillennialismus in Kalifornien und anderswo hinterlassen habe«. Im Jahre 1891 brachte The Baptist eine Artikelreihe, die nachdrücklich für die Rückkehr der Juden nach Palästina eintrat. Graves schrieb, dass »die Zerstreuung der Juden im wörtlichen Sinne erfolgt sei und es daher auch eine wörtliche Rückführung geben müsse«.

Graves hat mit seinem Gedankengut prämillenialistischer Prägung über Jahrzehnte hinweg einen nachhaltigen Einfluss auf die Baptisten ausgeübt. Er war fortwährend publizistisch tätig und hielt immer wieder Vorträge auf Konferenzen und in Gemeinden. Er beeinflusste zahlreiche Bibelausleger der Südlichen Baptisten und pflegte Gemeinschaft mit vielen gleichgesinnten Predigern. Er trat zu einer Zeit in Erscheinung, als der Prämillennialismus an Einfluss gewann und man weithin die Frage der Rückkehr der Juden in ihr Land diskutierte.

Siehe auch: Darby, John Nelson .

Mal Couch

Danny Eugene Howe, Analysis of Dispensationalism and Its Implications for the Theologies of James Robinson Graves, John Franklin Norris, and Wallis Amos Criswell (Dissertation, Southwestern Baptist Theological Seminary, 1988).

 

GRAY

James Martin

Der reformiertepiskopale Pastor, Autor, Herausgeber, Lehrer, Bibelausleger, erste Dekan und erste Präsident des Moody Bible Institute, J. M. Gray (1851-1935) spielte in der fundamentalistischen Bewegung der 20er Jahre und in der Förderung sowie Etablierung der Theologie des Prämillenialismus und der Lehre von den Heilszeitaltern eine Schlüsselrolle.

Die Namen von Grays Eltern sind unbekannt. Allerdings ist bekannt, dass James´ Vater kurz nach seiner Geburt starb und dass sein ältester Bruder die Rolle des Familienoberhauptes und Ernährers übernahm. Die Familie war (zumindest nominell) christlich und gehörte zur Protestant Episcopal Church . J. Gray wurde 1865 im Alter von 14 Jahren von einem Bischof dieser Denomination konfirmiert, doch erst als er 22 Jahre alt war und sich an einem Seminar für den Gemeindedienst in der Protestant Episcopal Church ausbilden ließ, fand er zum Glauben an Christus. Nachdem er seine denominationelle Zugehörigkeit gewechselt hatte, schloss Gray seine Ausbildung offensichtlich in der Reformed Episcopal Church ab, die ihn im Jahre 1877 ordinierte.

Jeweils ein Jahr hatte Gray zwei Pastorenstellen inne, wo er im Segen wirkte: zunächst an der Church of the Redemption in Greenpoint (New York) und dann an der Church of the Cornerstone , außerhalb des Stadtbereichs von New York in Newburghon- the-Hudson gelegen. Danach diente er viele Jahre hindurch bis 1894 als Pfarrer der First Reformed Episcopal Church in Boston, wo er auch an der von A. J. Gordon gegründeten Boston Missionary Training School , aus der später das Gordon College entstand, Heilsgeschichte unterrichtete.

1892 zog er nach Philadelphia. Dort lehrte er Bibelkunde an dem neu gegründeten reformiertepiskopalen Seminar, wobei er seine dritte Pastorenstelle 1894 aufgab. 1892 oder 1893 kam Gray durch Gordon mit D. L. Moody in Verbindung, der Gray Aufritte bei den Bibelkonferenzen in Northfield, Massachusetts, vermittelte. Gray wurde ebenfalls eingeladen, am Moody Bible Institute for Home and Foreign Missions of the Chicago Evangelistic Society (später: Moody Bible Institute ) Vorträge zu halten. Die Einladungen nahmen zu, bis Gray 1904 zum ersten Dekan des Moody Bible Institute gewählt wurde. 1925 wurde sein Titel in »Präsident« umbenannt - eine Position, die er bis zu seinem Tod im Jahre 1935 innehatte. Von 1916 bis 1935 wurde er in Who´s Who in America aufgeführt, einer Publikation, die jährlich bedeutende Persönlichkeiten des US-amerikanischen Lebens in Kurzform vorstellt.

Während der 20er Jahre spielte er in der fundamentalistischmodernistischen Kontroverse eine Schlüsselrolle. Als einer, der eifrig die Bibel studierte und unerschütterlich die verbale Inspiration der Bibel verteidigte, gehörte er zu den Verfassern der Fundamentals (1910-1915; Serie von zwölf Büchern, die als Proklamation der US-amerikanischen Fundamentalisten gelten). Als Dozent und Leiter war Gray vor allem für die gesunde lehrmäßige und bibeltreue Grundlage der Stiftung verantwortlich, die den künftigen Kurs des Moody Bible Institute festlegte. Gray war in jeden Bereich des Instituts einbezogen und der Hauptinitiator bei der Verbesserung des musikalischen Programms (er verfasste eine Reihe von geistlichen Liedern) und bei der Gründung der ersten Rundfunkstation des Instituts. Er gab von 1907 bis 1935 auch die erste Zeitschrift des Instituts (heute Moody Monthly ) heraus. Ferner wirkte er beim Aufbau der Evangelical Teacher Training Association im Jahre 1931 mit. Als einer der sieben Herausgeber der Scofield- Bibel mit Erklärungen war Gray ein beliebter und viel gefragter Bibelausleger. Er führte das »synthetische Bibelstudium« - das Studium der Bibel unter Berücksichtigung ihrer organischen Einheit - und die Lehre von den Heilszeitaltern ein und verhalf dieser Art Auslegung zum Durchbruch.

Grays Wirken am Moody Bible Institute und seinen Einfluss auf die Bibelschulbewegung im Allgemeinen, auf das Wachstum der fundamentalistischen Bewegung sowie auf die Verbreitung und Propagierung der Theologie des Prämillenialismus und der Lehre von den Heilszeitaltern kann man nicht hoch genug bewerten. Seine theologischen Schwerpunkte waren Bibliologie, Christologie, Soteriologie, Pneumatologie und Eschatologie - Fachgebiete, die teilweise auf die Anforderungen der damaligen Zeit und teilweise auf seine persönlichen Interessen zurückzuführen waren. Grays Schriften entstanden im Wesentlichen im Zuge seines evangelistischen Dienstes und seines Lehrdienstes sowie seiner Verteidigung des Fundamentalismus gegenüber der Bedrohung durch den Modernismus. Im Vordergrund der Kontroverse stand die Lehre von der Bibel (Offenbarung, Inspiration, Irrtumslosigkeit usw.). Doch daraus ergaben sich natürlich Folgerungen zu Fragen bezüglich der Person und des Werkes Christi, der menschlichen Sündhaftigkeit (die der Lehre vom innewohnenden Guten des Menschen widerspricht), der Wesensart des Heils sowie der Person und des Werkes des Heiligen Geistes. Grays Beschäftigung mit dem letztgenannten Thema war jedoch mehr seelsorgerlicher Art und entsprang eher dem persönlichen Interesse als einem apologetischen Anliegen.

Grays Interesse an der Eschatologie lässt sich bis zur ersten Amerikanischen Konferenz für biblische Prophetie zurückverfolgen, die 1878 in der Protestant Episcopal Church of the Holy Trinity in New York City stattfand. Die allgemeine Mehrheit vertrat entschieden die Position des Prämillenialismus. Gray selbst war von deren Wahrheit überzeugt. Aufgrund seines eigenen Bibelstudiums sowie infolge seiner Kontakte zu Moody, Gordon, F. L. Chapell und vielen anderen Prämillennialisten auf den Northfield-Konferenzen (darunter C. I. Scofield) vertrat Gray eine prämillennialistische, an den Heilszeiten orientierte und die Vorentrückung vertretende Schriftauslegung.

Gray war der Meinung, dass die Abraham und David gegebenen Bundeszusagen des ewigen Landbesitzes dem künftigen Ablauf der Weltpolitik ihr Gepräge geben und eines Tages in Erfüllung gehen werden. Aufgrund von Ungehorsam wurde das Volk Israel aus seiner Segensstellung entfernt und heidnischen Herrschern unterworfen. Als Zeiten der Nationen gelten demnach das babylonische, medopersische, griechische und römische Reich als die letzte Erscheinungsform einer heidnischen Weltmacht. Nach Grays Verständnis begann Daniels Siebzigste Woche mit dem persischen Erlass, die Mauern Jerusalems zu bauen, und endet mit dem Anbruch des Tausendjährigen Reiches, wenn Gottes Verheißungen an Abraham und David wörtlich in Erfüllung gehen werden. Er erkannte eine Lücke zwischen dem Ende der 69. Woche (dem als »Ausrottung« bezeichneten Tod Christi im Jahre 32 n. Chr.) und dem Beginn der Siebzigsten Woche. Während der Zwischenzeit würde Christus seine Gemeinde bauen. Für Gray gab es einen scharfen Gegensatz zwischen Israel und der Gemeinde. Christi zweites Kommen würde in zwei Phasen erfolgen. Am Ende des Gemeindezeitalters würde Christus wiederkommen, die Gemeinde in die Luft entrücken (Vorentrückung) und sie in den Himmel bringen, wo die Hochzeit der Braut und des Bräutigams gefeiert wird. Daniels Siebzigste Woche würde der Entrückung der Gemeinde folgen und durch Christi Rückkehr auf die Erde zum Abschluss gebracht werden. Mit seiner Gemeinde würde er wiederkommen, um das Tausendjährige Reich aufzurichten.

Gray vertrat im Blick auf Offb 4-18 die futuristische Ansicht, wonach dort die Trübsalszeit beschrieben wird, die er mit Daniels Siebzigster Woche gleichsetzte. Für Gray beginnt der Tag des Herrn mit der Entrückung, obwohl er Wert darauf legte, die Entrückung der Gemeinde nicht (unbedingt) mit jenem Ereignis gleichzusetzen, das den Beginn der Siebzigsten Woche Daniels kennzeichnet. Am Ende der siebenjährigen Trübsal nehmen die Angehörigen des Volkes Israel bei der Wiederkunft Christi den Messias an, bevor sie Bürger des Tausendjährigen Reiches werden. Vor dem Tausendjährigen Reich wird Satan gebunden. Außerdem findet das Gericht über die Nationen statt. Am Ende des Tausendjährigen Reiches wird es - nachdem Satan freigelassen worden ist - zu einem letzten Aufstand kommen, den Christus niederschlagen wird. Darauf folgt das letzte, nur die Ungläubigen betreffende Gericht (Großer Weißer Thron). Grays Eschatologie, die ganz auf einer wörtlichen Auslegung beruhte, unterschied sich teilweise von der Position anderer herausragender Dispensationalisten seiner Zeit und steht für die Lehrmeinung der theologischen Einrichtung, an der er lehrte.

Siehe auch: Moody, Dwight Lyman .

Steven L. McAvoy

Henry Warner Bowden, Hrsg., Dictionary of the American Religious Biography (Westport: Greenword Press, 1977); James Martin Gray, Christian Workers´ Commentary on the Old and New Testaments (Chicago: The Bible Institute Colportage Association, 1915); derselbe, Prophecy and the Lord´s Return (New York: Revell, 1917); derselbe, Synthetic Bible Studies (New York: Revell, 1906); derselbe, A Text-Book on Prophecy (New York: Revell, 1918); John David Hannah, James Martin Gray, 1851-1935: His Life und Work (Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades, Dallas Theological Seminary, 1974); Daniel G. Reid, Robert D. Linder, Bruce L. Shelley und Harry S. Stout, Hg., Dictionary of Christianity in America (Downers Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1990); William M. Runyan, Dr. Gray at Moody Bible Institute (New York: Oxford University Press, 1935).

 

GUNDRY

Robert H.

R. Gundry (geb. 1932) war Professor für Neues Testament und Griechisch sowie Vorsitzender der Fachbereichs für Religiöse Studien am Westmont College , Santa Barbara (Kalifornien). Er erhielt seinen B.A. (»Bachelor of Arts«) und B.D. (»Bachelor of Divinity«) am Los Angeles Baptist Seminary, während er seinen Doktortitel (Ph.D.) an der University of Manchester (England) erwarb. Als kompetenter und gebildeter Gelehrter ist Gundry Autor einer Anzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Dazu gehören The Use of The Old Testament in St. Matthew´s Gospel , NovTSup 18 (1967); A Survey of the New Testament (1970, 1981, 1994); »Soma« (griech. »Leib«) in Biblical Theology , Monograph Series - Society for New Testament Studies, 29 (1976); Matthew: A Commentary on His Literary and Theological Art (1982; revidiert und unter neuem Titel erschienen: Matthew: A Commentary on His Handbook for a Mixed Church under Persecution , 1995); Mark: A Commentary on His Apology for the Cross (1993). Er schreibt auch häufig Beiträge für Journale, Zeitschriften und Festschrifte n. Sein bisheriges Hauptwerk zum Thema Eschatologie ist The Church and the Tribulation (1973, Die Gemeinde in der Drangsal). Dieses Buch ist der erste ernsthafte Versuch seitens eines Vertreters der Heilszeitenlehre, die Position von der Nachentrückung exegetisch darzulegen. Als herausforderndes und bahnbrechendes Buch hat es dazu beigetragen, dass einige Vertreter der Lehre von der Vorentrückung ins Lager der Nachentrückung wechselten.

Obwohl dieser Entwurf der Lehre von den Heilszeitaltern und die Position des Prämillennialismus voraussetzt, vertritt Gundry eine Reihe von Ansichten, die nicht mit diesem theologischen System übereinstimmen - Ansichten, die sich sowohl von der Heilszeitenlehre als auch vom Prämillennialismus in ihrer allgemein vertretenen Form unterscheiden. Als Prämillennialist vertritt Gundry im Blick auf Offb 4-22 eine futuristische Ansicht. Kapitel 4-18 beschreiben die Trübsalszeit und müssen mit Daniels Siebzigster Woche gleichgesetzt werden. Christi Rückkehr auf die Erde bei seiner Wiederkunft ( Offb 19 ) erfolgt nach der Trübsal und vor dem Tausendjährigen Reich. Als Vertreter der Heilszeitenlehre trifft Gundry einen Unterschied zwischen Israel und der Gemeinde und bekräftigt sein Festhalten an einer wörtlichen Auslegung. Gundrys weitere Ansichten sind jedoch weder typisch für die Heilszeitenlehre noch für den Prämillennialismus.

Gundry ist der Meinung, dass die Gemeinde durch die Trübsal gehen und danach entrückt werden wird. Für Gundry lehrt das Neue Testament nicht die unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi für die Gemeinde. Der Tag des Herrn beginnt für ihn erst nach der Trübsal; der Zorn Gottes ist auf die allerletzte Phase der Trübsal oder die Zeit danach beschränkt (er legt sich hier nicht genau fest). Einerseits wird die Gemeinde geschützt, während sie sich auf Erden befindet und der Zorn Gottes ausgegossen wird. Andererseits wird die Gemeinde entrückt, bevor dieser Zorn ausgegossen wird. Die Schlacht von Harmagedon findet nach der Trübsal (aber vor der Wiederkunft) statt. Das Gericht über die Nationen (Schafe und Böcke) soll gemäß seiner Ansicht nach dem Tausendjährigen Reich zugeordnet und mit dem einen allgemeinen Gericht (dem Großen Weißen Thron) gleichgesetzt werden. Die Ölbergrede ist an die Gemeindeglieder jüdischer Herkunft gerichtet. Das Tausendjährige Reich wird von den 144000 Juden bevölkert ( Offb 7 ), die sich erst nach der Wegnahme der Gemeinde im Sinne der Nachentrückung bekehren, und von einigen gottlosen Angehörigen der Nationen, die bei Christi Wiederkunft noch am Leben sind. Die erste Auferstehung geschehe in zwei Phasen: Christus in der ersten Phase, während alle Heiligen am Ende der Trübsal folgen. Gundry änderte später seine Meinung hinsichtlich der 144000 Versiegelten. Nun verkörpern sie seiner Meinung nach den jüdischen, in Israel lebenden Teil der Gemeinde während der Trübsalszeit. Israel als Volk, das die jüdische Bevölkerung während des Tausendjährigen Reiches bildet, wird erst nach der Entrückung der Gemeinde, aber vor oder bei der Wiederkunft Christi gerettet. Somit gibt es für die Rettung der Angehörigen dieses Volkes seiner Ansicht nach eine sehr kurze Zeitspanne zwischen der Entrückung der Gemeinde und der Rückkehr Christi auf die Erde.

Obwohl Gundry versucht, diese Ansichten mit der Position des Prämillenialismus und Dispensationalismus sowie dem konsequenten Festhalten an einer wörtlichen Auslegung in Einklang zu bringen, widersprechen seine Methoden und Schlussfolgerungen im Grunde allen beiden Ansätzen. Dies kommt vielleicht in seinem »toleranten Schritt« zum Ausdruck, sich von biblischer Inspiration und Irrtumslosigkeit im Sinne der ChicagoErklärungen des Internationalen Rates für Biblische Irrtumslosigkeit und der Lehrmäßigen Erklärung der Evangelical Theological Society zu entfernen und statt dessen solche kritischen Methoden zu verwenden, wie er sie bei der Abfassung seines Matthäus- und Markus-Kommentars benutzt hat. Als seine Ansichten zur Irrtumslosigkeit von anderen Mitgliedern in der Evangelical Theological Society in Frage gestellt und angefochten wurden, beendete Gundry seine Mitgliedschaft in der ETS (1984), obwohl er weiterhin bekennt, evangelikale Ansichten zur Inspiration und Irrtumslosigkeit zu vertreten.

Siehe auch: Entrückung, nach der Trübsal .

Steven L. McAvoy

D. A. Carson, »Gundry on Matthew: A Critical Review« in Trinity Journal , 3 (Frühjahr 1982): 71-91; Robert H. Gundry, The Church and the Tribulation (Grand Rapids: Zondervan, 1973); JETS (A.d.Ü.: Abkürzung für »Journal of Evangelical Theological Society«), 26 (März 1983); Steven L. McAvoy, »A Critique of Robert Gundry´s Posttribulationism« (Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades [Dr. theol.], Dallas Theological Seminary, 1986); derselbe, An Open Letter to Dr. John F. Walvoord Concerning His Book »The Blessed Hope and the Tribulation« (Westmont College, September 1977); John F. Walvoord, The Blessed Hope and the Tribulation (Grand Rapids: Zondervan, 1976).

 

HABAKUK

Eschatologie

Das Buch Habakuk ist insofern einzigartig, als es ein Zwiegespräch zwischen dem Propheten und Gott über bestimmte Menschen enthält. In diesem Zwiegespräch bat Habakuk Gott, dass er doch Gericht senden möge. Im Gegensatz dazu verkündeten andere alttestamentliche Propheten Gottes, dass Gericht bevorstand. Der Prophet fragt, warum Gott sein Gericht nicht über die Unterdrückung, die Ungerechtigkeit und den Wohlstand der Übeltäter kommen ließ. Gott beantwortet die Fragen des Propheten mit Belehrungen über die Zuversicht und den Glauben. Die Botschaft dieses Buches wird in Kapitel 2,4 zusammengefasst: »Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.« Das Buch vermittelt die Gewissheit, dass Gott die Gottlosen bezwingen und die Gerechten retten wird.

Über Habakuk ist wenig bekannt. Nur sein Name und Beruf sind schriftlich festgehalten. Er war zum Prophet berufen worden, wobei uns sein poetischer Stil zeigt, dass er ebenso sehr Dichter wie Prophet war. Das Buch wurde um 606-604 v. Chr. verfasst. Der Prophet schrieb in einer Zeit internationaler Spannungen und nationalen Verfalls. Habakuks Schrift lässt seine Reaktion auf Gewalt, Habsucht und Ungerechtigkeit in seiner Umgebung erkennen.

Das Buch enthält Prophezeiungen für die nahe und auch für die ferne Zukunft. Eine Prophezeiung für die nahe Zukunft findet sich in Kapitel 1,5-11 . Dort teilt Gott seine Gerichtswerkzeuge einsetzen wird, nachdem ihn der Prophet gefragt hat, warum das Gericht über die Gottlosen ausbleibt ( 1,2-3 ). Habakuk fragt, warum Gott ein solch boshaftes Volk gebrauchen wird ( 1,12-17 ). Darauf antwortet Gott dem Propheten ( 2,2-3 ), indem er ihm die Zusicherung gibt, dass er zu seiner bestimmten Zeit mit dieser gottlosen Nation abrechnen wird. Dies ging im Jahr 539 v. Chr. in Erfüllung, als die Meder und Perser Babylon eroberten. Eine messianische Prophezeiung wird in Kapitel 2,14 gegeben. Die dortige Aussage, dass die ganze Erde davon erfüllt sein wird, die Herrlichkeit des HERRN zu erkennen, wird im Tausendjährigen Reich in Erfüllung gehen.

Siehe auch: Theokratisches Reich .

Rick Bowman

Everett F. Harrison und Charles F. Pfeiffer, Hg., Wycliffe Bible Commentary (Chicago: Moody Press, 1962); John F. Walvoord und Roy B. Zuck, Hrsg., Walvoord Bibelkommentar , 5 Bd., Hänssler-Verlag) .

 

HAGGAI

Eschatologie

Haggai war der Name des Schreibers dieses Buches. Ansonsten ist wenig über diesen Propheten ( 1,1 ) bekannt. Archer stellt fest: »Unter all den Büchern des Alten Testaments genießt dieses Buch den ungewöhnlichen Status, von jeder Kritik - aus welcher Richtung auch immer - verschont geblieben zu sein.« Haggai ist der Erste der nachexilischen Propheten, die zum Haus Israel redeten. Er war Zeitgenosse Sacharjas. Zu der Zeit, als Haggai seine Botschaften weitergab, waren die bis dahin Verbannten nach Jerusalem zurückgekehrt und hatten angefangen, den Tempel wieder aufzubauen. Es gab Widerstand gegen dieses Werk, wobei es später den Feinden gelang, König Artahsasta (465-424 v. Chr.) zu veranlassen, den Stopp des Wiederaufbaus zu befehlen. Achtzehn Jahre waren bereits seit der Rückkehr der Verbannten vergangen. Haggai weist die Angehörigen des Volkes zurecht, weil sie den Wiederaufbau des Tempels nicht fortsetzen, und ermutigt sie zum Anpacken ( Esr 5,1-2 ).

Das Buch besteht aus vier Botschaften. Lindsey teilt sie wie folgt ein:

1. Ein mitreißender Aufruf zum Wiederaufbau des Tempels ( 1,1-15 )

2. Eine prophetische Verheißung der künftigen Herrlichkeit des Tempels ( 2,1-9 )

3. Ein Urteilsspruch der Priesterschaft über die Segnungen des Gehorsams ( 2,10-19 )

4. Eine messianische Prophezeiung über Serubbabel ( 2,20-23 )

 

HAGGAI

Eschatologie

Ein mitreißender Aufruf zum Wiederaufbau des Tempels ( 1,1-15 )

Haggais erste Botschaft stammt aus dem zweiten Jahr des Darius (520 v. Chr.), vom ersten Tag des sechsten Monats (August/ September). Sie ist an Serubbabel, den Statthalter von Juda, und an Jeschua, den Hohenpriester, gerichtet ( 1,1 ). Gottes Zorn war entbrannt, weil die Angehörigen des Volkes in »getäfelten Häusern« wohnten, aber der Tempel nicht fertig gestellt war ( 1,2-4 ). Ihre geistliche Nachlässigkeit hatte wirtschaftliche Konsequenzen ( 1,6 ). Das Gebot Gottes war, den Tempel wiederaufzubauen ( 1,8 ). Dass ihnen Nahrungsmittel fehlten und sie unter der Dürre litten, war eine direkte Folge davon, dass sie sich um ihre eigenen Häuser, aber nicht um Gottes Haus kümmerten ( 1,9-11 ). Darauf reagierte das Volk: Sie begannen neu den Herrn zu fürchten. Der Herr erweckte dann den Geist Serubbabels, den Geist Jeschuas und den Geist des Überrests des Volkes, sodass sie die Arbeit am Haus des Herrn wieder aufnahmen ( 1,12-15 ).

 

HAGGAI

Eschatologie

Eine prophetische Verheißung der künftigen Herrlichkeit des Tempels ( 2,1-9 )

Diese zweite Botschaft fiel auf den 21. Tag des siebten Monats (September/Oktober) des gleichen Jahres ( 2,1 ). Wiederum ist die Botschaft vorrangig an Serubbabel und Jeschua gerichtet ( 2,2 .). Der Tempel, den sie bauten, konnte nicht mit dem Tempel Salomos verglichen werden, den einige von ihnen vor dem Exil noch gesehen hatten. Dennoch ermutigte der Herr sie, ihre Arbeit fortzuführen. Er gab ihnen die Verheißung, dass sein Geist mit ihnen sein würde ( 2,3-5 ). Haggai weissagt dann über eine künftige Zeit, in der die Himmel, die Erde, das Meer und das Trockene sowie alle Nationen erschüttert werden ( 2,6 ). Dies wird geschehen, wenn Christus auf die Erde zurückkehrt ( Joel 4,16; Mt 24, 29-30 ). Lindsey sagt: »Das »Erschüttern« der Heiden bezieht sich eventuell auf das Sammeln der Völker zur Schlacht von Harmagedon« (siehe Sach 14,1-4 ). Mit den großen Kostbarkeiten, mit denen die Nationen kommen werden, wird der künftige herrliche Tempel ausgestattet werden ( 2,7 ). Dies ist nicht mehr als Recht, da Gott sowieso dies alles besitzt ( 2,8 ). Größer als die Herrlichkeit des Tempels Salomos wird die des künftigen Tempels sein, der ein Ort des Friedens sein wird ( 2,9 ). Dies wird endgültig bei Christi Wiederkunft in Erfüllung gehen, wenn er die Nationen richten und hier auf Erden herrschen und regieren wird. Dann wird ein Tempel des Tausendjährigen Reiches gebaut werden, der im Hesekielbuch ( Kapitel 40-43 ) beschrieben ist.

 

HAGGAI

Eschatologie

Ein Urteilsspruch der Priesterschaft über die Segnungen des Gehorsams ( 2,10-19 )

Die dritte Botschaft ist datiert vom 24. Tag des neunten Monats (Dezember/Januar) des gleichen Jahres. Der Herr gebraucht ein einfaches Bild, um den Angehörigen des Volkes zu zeigen, warum sie in der Vergangenheit nicht gesegnet waren. Heiliges Fleisch kann nicht Brot, Gekochtes, Wein, Öl oder irgendeine Speise berühren und sie dadurch heilig machen. Ein Mensch dagegen, der eine Leiche berührte und rituell unrein wurde, machte diese Dinge, wenn er sie berührte, unrein. Der Herr wollte damit verdeutlichen, dass alles, was die Angehörigen dieses Volkes und dieser Nation taten und ihm als Opfer darbrachten, unrein war, weil sie selbst unrein waren ( 2,10-15 ). Infolgedessen brachten sie nur eine spärliche Ernte ein. Sie mussten erleben, wie Gott Getreidebrand, Vergilben und Hagel kommen ließ ( 2,16-17 ). Selbst diese Züchtigung hatte sie nicht zu ihm zurückgebracht. Doch jetzt, da sie sich ihm erneut zugewandt hatten und den Tempel wiederaufbauten, sagte der Herr, dass er sie segnen würde ( 2,18-19 ).

 

HAGGAI

Eschatologie

Eine messianische Prophezeiung über Serubbabel ( 2,20-23 )

Diese vierte Botschaft fiel auf den gleichen Tag wie die dritte. Aber sie ist speziell an Serubbabel, den Statthalter von Juda, gerichtet ( 2,20-21 ). Die Botschaft lautet, dass der Herr die Himmel und die Erde erschüttern, die Throne umstürzen und die Macht der Königreiche der Nationen brechen wird. Außerdem wird er die Heere der Nationen vernichten, indem sich diese gegenseitig bekämpfen werden ( 2,21-22 ; vgl. Sach 12,2-9; 14,1-5 ). Damit ist das in Dan 2 beschriebene Ereignis gemeint, wo der »Stein« die Nationen erschüttert und das ewige Reich aufgerichtet wird ( Dan 2,44-45 ). Das wird die in Offb 16,16-18 dargestellte Schlacht von Harmagedon bei der Wiederkunft des Herrn ( Offb 19,11-21 ) sein. Haggai beendet diese Botschaft mit den folgenden Worten: »���An jenem Tag«, spricht der HERR der Heerscharen, »werde ich dich nehmen, Serubbabel, Sohn des Schealtiel, mein Knecht«, spricht der HERR, »und ich werde dich einem Siegelring gleich machen; denn ich habe dich erwählt«, spricht der HERR der Heerscharen.« Walvoord sagt dazu: »Der Schlussvers des Haggaibuches war eine weitere Bestätigung für die Wiederherstellung Israels, die auf dem Hintergrund des Gerichts über die Macht der Nationen in dieser Welt geschieht. Gott versprach, Serubbabel zu ehren und ihn zu einem Siegelring - einem Zeichen der Autorität - zu machen. Dies sollte nicht zu Serubbabels Lebzeiten in Erfüllung gehen, sondern ein Sinnbild für das Kommen des Messias darstellen. Zu jener Zeit wird Serubbabel aus den Toten auferweckt werden und im Tausendjährigen Reich mit David an der ihnen übertragenen Macht teilhaben. In dieser Offenbarung gibt Gott seinem Volk die erneute Zusicherung, dass er es letztendlich segnen und die David gegebenen Verheißungen über sein Reich und sein Volk schließlich erfüllen wird.«

Siehe auch: Theokratisches Reich ; Hesekiel, Eschatologie.

Russell L. Penney

Robert L. Alden, »Haggai« in The Expositor´s Bible Commentary , Bd. 7, Hg. Frank E. Gaebelein (Grand Rapids: Zondervan, 1985); Gleason Archer, A Survey of Old Testament Introduction , rev. Ausg. (Chicago: Moody Press, 1994); F. Duane Lindsey, »Haggai« in: Walvoord Bibelkommentar , 5 Bde., (Hänssler-Verlag, Holzgerlingen 1992); John F. Walvoord, The Prophecy Knowledge Handbook (Wheaton: Victor Books, 1990).

 

HARMAGEDON

Schlacht von

Der Begriff Harmagedon (griech.: harmegedo n) kommt nur ein einziges Mal in der ganzen Bibel vor, in Offb 16,16 . Die Örtlichkeit, der Hügel Megiddo, überragt die Jesreel-Ebene in Nordisrael. Es war eine Stätte zahlreicher biblischer Konflikte (vgl. Jos 12,12; Ri 5,19; 2Kö 23,29 ). Megiddo selbst diente mehreren Generationen als militärische Festung (vgl. Ri 1,27; 2Kö 8,27 ). In dieses große Tal in Israels »Brotkorb« legt das Neue Testament die letzte Auseinandersetzung zwischen Christus und dem Antichristen. Auch die Prophetie des Alten Testaments verweist auf einen letzten Konflikt zwischen Israel und den Völkern der Welt in den letzten Tagen (vgl. Joe 3,2-15; Sach 14,1-5; Zeph 3,8 ).

Theologisch steht Harmagedon symbolisch für die letzte apokalyptische Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften Christi und denen des Antichristen. Sie ist nicht auf die Jesreelebene beschränkt, aber ihr Höhepunkt wird sich dort konzentrieren. Die ganze vom Antichristen angestiftete Reihe von Schlachten wird in Harmagedon ihren Höhepunkt finden, wenn die Könige der Erde und die ganze Welt sich dort zur Schlacht vereinigen - zum Krieg an diesem großen Tag Gottes, des Allmächtigen ( Offb 16,14 ). Pentecost weist darauf hin, dass es sich hierbei nicht um eine einzelne Schlacht handelt, sondern um eine ganze militärische Kampagne mit mehreren Schlachten, die sich durch die ganze Trübsalsperiode hinzieht (Pentecost S. 340).

Biblische Aussagen zum letzten Endzeitkonflikt beziehen sich auch auf Ereignisse im Tal Josaphat ( Joe 3,2.13 ), auf das Kommen des Herrn von Edom ( Jes 34 ) und darauf, dass Jerusalem selbst das Zentrum der Auseinandersetzungen ist (vgl. Sach 12,2-11; 14,2 ). Die Heere werden zwar in Harmagedon aufmarschieren, aber es scheint, dass sie ausschwärmen, um das ganze Land zu bedecken. Die Schlacht erstreckt sich vom Esdrelontal im Norden bis nach Jerusalem, hinaus ins Tal Josaphat und südwärts bis hin nach Edom.

Die Bibel beschreibt die Völker der Welt, wie sie in den letzten Tagen unter der Führung des Antichristen vereint gegen Israel und das Volk Gottes kämpfen. Es ist eine ungeklärte Frage, inwieweit die Schlacht von Harmagedon mit den biblischen Voraussagen der Invasion des Königs aus dem Norden und des Königs aus dem Süden zu tun haben (vgl. Dan 11,4-45 ). Offb 16,12 verweist auf die Austrocknung des Euphrat im Vorfeld dieser großen Schlacht. Durch dieses Wunder wird den Königen des Ostens der Weg geebnet, sich an dem Endkampf zu beteiligen.

Walvoord schreibt, dass »die Schlacht von Harmagedon während der letzten Tage der Großen Trübsal stattfinden wird« (Walvoord S. 420), nach der Ausgießung der Schalen des Zorngerichts (vgl. Offb 16 ). Es ist die Zuspitzung des wachsenden Konflikts zwischen dem Antichristen und dem Volk Gottes. Walvoord sagt außerdem: »An dem Tag des zweiten Kommens Christi werden in Jerusalem Armeen kämpfen« ( Sach 14,1-3 ). Bei Christi Ankunft wird die Schlacht von Harmagedon von Christus und seiner triumphierenden Gemeinde (der Braut Christi), die mit ihm wiederkommt, gewonnen werden ( Offb 19,1-16 ).

Die Schlacht von Harmagedon gipfelt im endgültigen Zusammenbruch des politischen und religiösen Babylon. Das Reich des Antichristen und sein falsches religiöses System werden gleichzeitig völlig zerstört werden (vgl. Offb 17-18 ). Hier wiederum ist es eine Frage, ob sich »Babylon« auf das buchstäbliche Babylon im Irak bezieht, oder ob es sich hier um eine symbolische Bezeichnung für Rom handelt. Die Heilige Schrift macht auf jeden Fall deutlich, dass Babylon das weltweite, globale, politische und religiöse Weltsystem der Endzeit repräsentiert.

In der Schlacht von Harmagedon bleibt Christus siegreich wegen der Macht seines gesprochenen Wortes. Der Antichrist und der Falsche Prophet werden bezwungen und in den Feuersee geworfen. Satan wird tausend Jahre lang während des Tausendjährigen Reiches Christi auf der Erde im Abgrund eingekerkert sein (vgl. Offb 19,17-20,3 ). Daher steht Harmagedon am Ende der Großen Trübsal als Gipfelpunkt der weltweiten Verwüstungen. Bald nach Harmagedon wird die tausendjährige Herrschaft Christi auf der Erde im tausendjährigen Friedensreich aufgerichtet.

Siehe auch: Trübsal, die Große .

Edward Hindson

Edward Hindson: Final Signs (Eugene, Oreg. 1996, Harvest House); W. S. LaSor: The Truth About Armageddon (Grand Rapids 1982, Baker); Thomas Nelson: Nelson's New Illustrated Bible Dictionary (Nashville 1995, Thomas Nelson); J. Barton Payne: Encyclopedia of Biblical Prophecy (New York 1973, Harper and Row); J. Dwight Pentecost: Bibel und Zukunft (CV Dillenburg, 1993); John F. Walvoord: Major Bible Prophecies (Grand Rapids 1991, Zondervan).

 

HEBRÄERBRIEF

Eschatologie

Der Verfasser des Briefes

Die Verfasserschaft des anonymen Briefes an die Hebräer bleibt eine offene, der Spekulation vorbehaltene Frage. Insbesondere die Zweifel der westlichen Kirchenväter und die Unterschiede im literarischen Stil sind für die meisten heutigen Gelehrten zwingende Beweise dafür, dass Paulus nicht der Autor war. Von den möglichen, uns bekannten neutestamentlichen Personen hat wahrscheinlich Martin Luthers Vorschlag, nämlich Apollos, die größte Anhängerschaft gefunden. Von Apollos wissen wir, dass er ein wortgewandter Jude aus Alexandria war, der die Juden überzeugend widerlegte, indem er anhand der Schriften nachwies, dass Jesus der Christus ist ( Apg 18,24.28 ). Dies stimmt gut mit der alexandrinischen Färbung des Briefes und den brillanten rhetorischen Fähigkeiten des Autors überein. Dennoch ist uns eine eindeutige Bestimmung nicht möglich, wobei die Gelehrten nicht weit über die Schlussfolgerung des Origenes hinausgekommen sind. Er sagte: »Wer den Brief verfasst hat, weiß Gott allein.«

 

HEBRÄERBRIEF

Eschatologie

Die Briefempfänger

Verbindungen zu Qumran?

Aufgrund von Ähnlichkeiten zwischen dem Hebräerbrief und dem Qumranfragment 11Q Melchisedek haben einige Gelehrte geschlossen, dass der Hebräerbrief an eine Essener-Gemeinschaft in Palästina geschrieben worden sei oder zumindest an eine Gruppe, die von den Qumran-Vorstellungen über Melchisedek beeinflusst wurde. Melchisedeks genaue Zuordnung in Qumran ist allerdings nicht völlig eindeutig. 11Q Melchisedek stellt ihn als eine Art himmlisches Wesen - vielleicht sogar als Erzengel - dar, der eine eschatologische Aufgabe dahin gehend erfüllt, dass er Sünde sühnt, die Feinde Gottes bezwingt und die Welt richtet. Er wird sogar als Elohim bezeichnet.

Es gibt einige offensichtliche Ähnlichkeiten zwischen dem Hebräerbrief und den Qumran-Dokumenten. Bei genauerer Prüfung erkennt man jedoch, dass diese Ähnlichkeiten nicht die jeweiligen Vorstellungen über Melchisedek betreffen. Sie ergeben sich vielmehr, wenn man die Melchisedek betreffende Qumran-Ansicht mit dem vergleicht, wie der Hebräerbrief Jesus sieht ( 6,20; 7,3.15 ). Die beiden Quellen stellen ganz unterschiedliche Bilder von Melchisedek vor. Die eschatologischen und dem Militär- und Gerichtswesen entnommenen Bilder aus 11Q Melchisedek fehlen in der Darstellung Melchisedeks im Hebräerbrief. Hier sieht ihn der Schreiber vielmehr als geschichtliches Vorbild auf Christus, nicht als eschatologischen Welterlöser.

Wenn der Autor des Hebräerbriefes Qumrans Ansicht über Melchisedek vertreten hätte, würden sich bedeutsame eschatologische und theologische Auswirkungen im Brief finden. Wenn der Hebräerbrief Melchisedek den gleichen Status eingeräumt hätte wie die Qumranleute, wäre mit ihm ein Gegenspieler Christi vorgestellt worden. Doch der Schreiber des Hebräerbriefes erwähnt in seiner Erörterung der Überlegenheit Jesu gegenüber den Engeln ( 1,4-2,9 ) Melchisedek an keiner Stelle. Umgekehrt hält es der Verfasser für notwendig, den Nachweis zu erbringen, dass Melchisedek Abraham überlegen ist. Dies hätte er nicht getan, wenn Melchisedek für die Leser ein Engelwesen gewesen wäre. Aus diesen Gründen ist kaum anzunehmen, dass die Briefempfänger mit Qumran in Verbindung standen.

 

HEBRÄERBRIEF

Eschatologie

Die Briefempfänger

Rom als Wohnort?

Es heißt, dass der Hebräerbrief höchstwahrscheinlich an eine Gruppe von Judenchristen geschrieben wurde, die sich in einer Hausgemeinde in Rom versammelte ( 13,24 ). In der ersten Zeit nach ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben hatten sie Verfolgung durchlebt. Sie waren öffentlich verspottet worden. Einige von ihnen wurden verhaftet, während man anderen ihren Besitz geraubt hatte. Trotzdem hatten sie dies freudig ertragen ( 10,32-34; 13,3 ).

Diese Verfolgung bezieht sich wahrscheinlich auf die Vertreibung der Juden aus Rom (49 n. Chr.). Der römische Historiker Sueton teilt uns mit, dass sie vom Kaiser Klaudius vertrieben wurden, weil sie »auf Anstiften eines gewissen Chrestus dauernde Unruhen erregten«. Diese Aussage wird am häufigsten so gedeutet, dass »Chrestus« den Namen Christus im Lateinischen falsch wiedergibt und dass sich die erwähnten Unruhen auf den Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen orthodoxen, dem traditionellen Judaismus treu bleibenden Juden, und anderen Juden beziehen, die sich dem christlichen Glauben zugewandt hatten. Aus Apostelgeschichte 18,2 erfahren wir, dass der Erlass des Klaudius Aquila und Priscilla gezwungen hatte, zusammen mit vielen anderen Juden Rom zu verlassen. Zu dem Zeitpunkt jedoch, als Paulus seinen Brief an die Römer schrieb (etwa 57 n. Chr.), war dieses Ehepaar bereits zurückgekehrt und stellte sein Haus für Gemeindezusammenkünfte zur Verfügung ( Röm 16,3-5 ).

Zu der Zeit, als der Hebräerbrief geschrieben wurde, bahnte sich eine neue Verfolgung an. Angesichts dessen wurden viele dieser Judenchristen müde und matt ( 12,3 ). Sie waren versucht, Verfolgung dadurch abzuwenden, dass sie zu ihrem früheren Judaismus zurückkehrten ( 10,23-29.35-39 ), der als religio licita , als zugelassene Religion, staatliche Anerkennung genoss. In der ersten Zeit erfreute sich das Christentum als gesetzlich zugelassene Religion des gleichen Schutzes wie das Judentum, weil man es für eine seiner Sekten hielt. Nun aber, da seine Eigenständigkeit erkannt gworden war, galt es als separate und verachtete Glaubensrichtung, welcher der Staat immer feindseliger gegenüberstand. Obwohl bisher keiner der Empfänger des Hebräerbriefes um seines Glaubens willen getötet worden war ( 12,4 ), würden einige von ihnen im Zuge der von Nero veranlassten Verfolgung nach dem Brand von Rom (64 n. Chr.) bald grausam zu Tode gefoltert werden. Vermutlich vor diesem Hintergrund der Verfolgung ermahnt der Schreiber des Hebräerbriefes sie, auf das künftige Ziel hinzuschauen, um in der Gegenwart unerschütterlich bleiben zu können.

 

HEBRÄERBRIEF

Eschatologie

Der geistige Hintergrund des Verfassers

In der Vergangenheit hat man häufig versucht, die Schriftauslegung des Hebräerbriefes mit der Vorgehensweise des alexandrinischen Juden Philo in Verbindung zu bringen. Dieser wollte das Judentum an die griechische Philosophie anpassen, indem er die fünf Bücher Mose als Bilder interpretierte. Infolgedessen hat man vermutet, dass der Schreiber des Hebräerbriefes ebenso Philos platonischen Idealismus übernommen habe, der die gegenwärtige Erscheinungswelt als schattenhafte und niedere Widerspiegelung der übersinnlichen Welt ewiger Gedanken ansah.

Die platonische Denkweise des Verfassers des Hebräerbriefes zeigt sich angeblich darin, dass dieser Brief lehrt, das irdische Heiligtum und der darin verrichtete Dienst seien eine unvollkommene Nachbildung des wahren Heiligtums, das im Himmel von Gott errichtet worden ist ( 8,2.5 ). Platonisches Denken sei angeblich auch in der Lehre von der Ruhe erkennbar. Der Hebräerbrief ist als eine Darstellung des wandernden Gottesvolkes charakterisiert worden. Er hatte die Wüstenwanderung allegorisch als lange Reise eines tugendhaften Geistes ausgelegt, der versucht, den Begrenzungen des irdischen Leibes zu entrinnen, um seine himmlische Heimat erreichen zu können.

Der geistige Hintergrund des Hebräerbriefes unterscheidet sich jedoch in mehrerer Hinsicht deutlich von demjenigen Philos. Weil Philo die geistige Welt aus platonischem Blickwinkel sah und meinte, sie sei jenseits der mit den Sinnen wahrnehmbaren Welt und gehe ihr voraus, legte er die ganze Wirklichkeit in zeitlosen, metaphysischen Kategorien aus und zeigte wenig Interesse an der Zukunft. Der Autor des Hebräerbriefes war jedoch sehr an Eschatologie interessiert. Im Hebräerbrief ist Eschatologie der entscheidende Gesichtspunkt, der den Schreiber in seiner Auslegung und seinem Denken bestimmt. Anders als Philo gebraucht der Brief keine Allegorie, um über zeitlose, metaphysische Kategorien zu spekulieren. Stattdessen verwendet er die Typologie, um historische Übereinstimmungen zwischen den in der Vergangenheit liegenden alttestamentlichen Erwartungen und ihren Erfüllungen in Christus herzustellen und diese bis zu den Erfüllungen in der Zukunft fortzuführen. Anschließend dehnt er diese auf eine noch zukünftige Wirklichkeit aus. Im gesamten Brief findet sich das Bewusstsein einer Messiaserwartung, das in Philos Schriften offensichtlich fehlt. Außerdem wird im Hebräerbrief die Materie nicht herabgesetzt. Sein Schreiber lässt die Lehre von der Menschwerdung vielmehr zu einem wichtigen Bestandteil seiner Theologie werden ( 2,4; 10,5 ). In dem platonischen Dualismus des Philo ist die Menschwerdung Christi nicht vorstellbar.

Nach sorgfältiger Überprüfung stellt man fest, dass der Hebräerbrief in seiner Lehre vom himmlischen Heiligtum keineswegs platonisch ist. Er gründet den Beginn des Priesterdienstes Christi im Himmel auf ein tatsächliches Opfer, das innerhalb der Geschichte auf Erden geschehen ist ( 7,27; 9,11-12.23-28 ). Philo hätte es nie zugelassen, dass ein ewiges, himmlisches Ideal von einem irdischen, zeitgebundenen Ereignis abhängt.

Der Ruhebegriff des Hebräerbriefes unterscheidet sich ebenso wesentlich von dem Philos. Im Hebräerbrief ist die Wüstenwanderung der Israeliten, die bis auf zwei Mann dort starben, nicht ein Bild für das Leben des Christen. Vielmehr veranschaulicht sie die Verurteilung wegen ihres Unglaubens und ihrer hartnäckigen Weigerung, in die Ruhe einzugehen ( 3,10-11.16-19; 4,2.6 ). Im Gegensatz zu Philo, der seiner Allegorie ein platonisches und individualistisches Gepräge gibt, ist der Hebräerbrief eschatologisch ausgerichtet und in sich geschlossen. Er kennt keine lange Reise der tugendhaften Seele. Vielmehr führen seine wiederholten Anspielungen auf 4Mo 14 die Angehörigen des entstehenden Volkes Israel nach Kadesch-Barnea zurück - an jenen entscheidenden Punkt ihrer Geschichte, wo sie sich geradewegs an der Grenze des Gelobten Landes befanden und im Begriff standen hineinzuziehen. Weil jene Generation nicht in die Ruhe einging, bietet der Hebräerbrief seinen Lesern eine eschatologische Verheißung der Ruhe an ( 4,1.6.9 ). Typologisch stellt er sie in eine den Israeliten in 4Mo 4 vergleichbare Position: Jetzt, da Christus gekommen ist, befinden sie sich am Ende des gegenwärtigen Zeitalters. Sie stehen im Begriff, in die Segnungen der Ruhe in der Herrlichkeit einzugehen.

Es ist offensichtlich, dass der Hebräerbrief in seiner geistigen Haltung nicht platonisch ist. Er hat vielmehr feste biblische, historische, messianische und eschatologische Wurzeln.

 

HEBRÄERBRIEF

Eschatologie

Die Eschatologie des Briefes

Die Lehre von den beiden Zeitaltern

Die Juden teilten die gesamte Weltgeschichte in zwei Zeitalter ein: in das gegenwärtige und das kommende Zeitalter. Weil sie Leiden durchlebten, waren sie davon überzeugt, dass man die Geschichte nicht verstehen kann, wenn man nur das Leiden und die Ungerechtigkeit der Gegenwart sieht. Sie kann nur verstanden werden, wenn man sie vom Standpunkt der letzten Vollendung aus sieht - von jenem Zeitpunkt aus, da Gott auf beispiellose Weise eingreift, um das Böse zu richten und sein Reich einzuführen.

Die ersten Christen übernahmen die jüdische Lehre von den beiden Zeitaltern, doch im Gegensatz zu den Juden, die fortwährend den im Kommen des Messias erreichten Höhepunkt der Geschichte erwarteten, hielten sie daran fest, dass die Vollendung in Jesus Christus bereits begonnen hat. Er hat durch seinen Tod und seine Auferstehung mit der Sünde ein für alle Mal so abgerechnet, dass dadurch der gesamte Verlauf der nachfolgenden Geschichte bestimmt wurde (vgl. 1Kor 10,11; Hebr 1,2; 2,5.8.9; 6,5; 9,11.26; 1Petr 1,20 ). Für sie liegt die entscheidende Mitte des Zeitgeschehens nicht mehr in der Zukunft, sondern in der schon geschehenen Offenbarung Christi. Folglich konnte man die gesamte Geschichte nur von ihm her gesehen verstehen ( Lk 24,27 ).

Indem sie kurz nach Christi Tod und Auferstehung lebten, waren die Empfänger des Hebräerbriefes von Gott in eine privilegierte geschichtliche Position gebracht worden, von der aus sie auf das frühere Zeitalter zurückschauen konnten. Die Gläubigen, die während dieses Zeitalters lebten, erwarteten ein kommendes Zeitalter, worin die ursprünglich Adam verheißene Unterwerfung der gesamten Schöpfung Wirklichkeit werden würde ( 1Mo 1,26.28; Ps 8,5-7; Hebr 2,5-8 ). Ihr Ziel war eine kommende Stadt, die für ewig Bestand haben würde ( 11,10.16; 13,14 ). Mose, einer der größten Vertreter dieses Zeitalters, legte treu Zeugnis ab von dem, was später verkündigt werden würde ( 3,5 ). Keiner der Angehörigen des früheren Zeitalters erkannte jedoch die im Alten Testament erwarteten Segnungen in der Weise, wie sie jetzt ermöglicht wurden ( 11,39-40 ).

Das frühere Zeitalter war unvollkommen und nach seinem Selbstzeugnis dem kommenden Zeitalter, auf das es in Bildern und Schatten hinwies ( 10,1-4 ), unterlegen. Die im Rahmen dieses Zeitalters festgelegte religiöse Ordnung war nur eine zeitweilige Vorkehrung, bis die neue Ordnung kommen sollte ( 9,10 ). Indem es die Einführung eines neuen Bundes verhieß, erkannte das Alte Testament selbst an, dass die Ordnung, der es Gesetzeskraft verlieh, unzureichend war und abgelöst werden würde. Mit der Einführung eines neuen, in Jesus gestifteten Bundes war der alte Bund überholt und hatte, wie der Hebräerbrief darlegt, ausgedient und war dabei zu verschwinden ( 8,6-13 ; Jer 31,31-34 ).

Die Empfänger des Hebräerbriefes waren in die letzten Tage eingetreten, in denen Gott direkt in seinem Sohn geredet hatte ( 1,2 ). Obwohl sie noch in der Gegenwart lebten, war das kommende Zeitalter im Ansatz bereits gekommen ( 9,11.26 ), dessen Kräfte sie geschmeckt hatten ( 6,5 ). Sie waren zum Berg Zion, dem himmlischen Jerusalem ( 12,22 ), gekommen.

Zwar ist die ganze Schöpfung den Menschen gegenwärtig nicht unterworfen, wie dies im Blick auf den Sohn des Menschen einst der Fall sein wird ( 2,8 ). Aber die Empfänger des Hebräerbriefes standen an einem Punkt, von dem aus sie den sehen konnten, dem alles unterworfen sein wird - Jesus Christus. Er ist mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ( 2,9 ). Das Erscheinen des neuen Zeitalters, das sie in seiner Fülle noch erwarteten, war bereits angebrochen. Indem sie ihren Blick in die Ferne richteten, konnten sie das Herannahen dieses letzten Tages sehen, an dem die verheißene Hoffnung völlig Wirklichkeit werden wird ( 10,25 ). Jener Tag steht jetzt bevor, wobei den Lesern die Verheißung gegeben wird, dass sie nur noch eine ganz kleine Weile auf die Ankunft dieses Tages warten müssen ( 10,37 ).

Der Hebräerbrief stellt uns zwischen die beiden Zeitalter und lässt uns die Spannung spüren: einerseits »schon jetzt« und andererseits »noch nicht«. Jesus hat die Zukunft bereits im Ansatz in die Gegenwart geholt. Obwohl er sich bereits zur Rechten Gottes gesetzt hat ( Hebr 1,3; 8,1; 10,12; 12,2; Ps 110,1 ), gibt es eine kurze Zwischenzeit, in der die Erstempfänger des Hebräerbriefes zusammen mit uns, den übrigen Gläubigen, warten müssen, bis Gott alle Feinde unter des Sohnes Füße gelegt hat ( Hebr 1,13; 10,13; Ps 110,1 ). Die künftige Welt ist Jesus unterworfen worden, wobei sie im Ansatz bereits gekommen ist und seine Herrschaft bereits begonnen hat. Doch im eigentlichen Sinn ist die kommende Welt jetzt noch nicht vorhanden, ist seine Herrschaft noch nicht umfassend Wirklichkeit geworden ( 2,8 ). So wie Jesus für eine kurze Zeit unter die Engel erniedrigt werden musste, müssen auch wir eine kurze Zeit im Ausharren Treue beweisen ( 3,6.14; 6,11; 10,36-37 ). Wir leben jetzt in dieser atemberaubenden, spannungsvollen Phase zwischen den beiden Zeitaltern, in der die bereits Wirklichkeit gewordene Tatsache der Erlösung nach vorn weist und die noch nicht erfüllte allumfassende Herrschaft Christi vorwegnimmt.

 

HEBRÄERBRIEF

Eschatologie

Die Eschatologie des Briefes

Die künftige Macht zur Umgestaltung der Gegenwart

Die Empfänger des Hebräerbriefes werden daran erinnert, dass sie eine himmlische Berufung besitzen ( 3,1 ). Daher können sie sich in dieser jetzigen Welt nie völlig zu Hause fühlen. Sie sollten Abrahams Beispiel folgen, indem sie die himmlische Stadt als Ziel ihrer irdischen Pilgerschaft wählten, die Gott für sie vorgesehen und auf festen, unvergänglichen Fundamenten erbaut hat. Umgekehrt sollten sie sich nicht allzu sehr mit der gegenwärtigen Welt beschäftigen, weil diese vergehen wird ( 11,10.13-16; 13,14 ).

Nach dem Hebräerbrief ist uns die Hoffnung auf die Verheißungen Gottes gegeben worden, damit wir ihm nahen und in ihm den Anker unserer Seele werfen können ( 6,19; 7,19 ). Damit die Hoffnung diese segensreichen Aufgaben erfüllen kann, betont der Hebräerbrief die Zuverlässigkeit der Verheißungen ( 10,23 ). Abrahams Gewissheit war fest gegründet, weil Gott, der nicht lügen kann, die ihm gegebene Verheißung mit einem Eid bestätigte ( 1Mo 22,16- 17; Hebr 6,13-16 ). Wir dürfen eine noch größere Gewissheit haben, weil Jesus, unser Hoherpriester, in das Innere des Vorhangs des himmlischen Heiligtums als Vorläufer für uns hineingegangen ist ( 6,17-20 ).

Durch Glauben kann man Gottes Verheißungen in Anspruch nehmen. Auf sie hoffen wir zuversichtlich, selbst wenn wir gegenwärtig nicht sehen, was uns verheißen ist ( Hebr 10,38; 11,1.6; Hab 2,4 ). Der Hebräerbrief führt ermutigende Beispiele an, indem er eine lange Liste alttestamentlicher Heiliger vorstellt. Sie ließen ihren Glauben sowohl objektiv (indem sie an Gottes Verheißungen glaubten) als auch subjektiv (indem sie Glaubenstreue bewiesen) erkennen und stellten die Auswirkungen dieses Glaubens im praktischen Leben unter Beweis. Sie vollbrachten viele heldenhafte Taten ( 11,4-38; 12,1 ), selbst wenn sie die endgültige Erfüllung dieser Verheißungen nicht empfingen ( 11,13.39-40 ). Für sie alle war der Glauben der Schlüssel, als es darum ging, die sichtbaren Ziele dieser vergehenden, dem Untergang geweihten Welt den größeren, unsichtbaren Belohnungen des kommenden Zeitalters unterzuordnen ( 6,12; 11,13-16.25-27 ). Das größte Glaubensbeispiel ist Jesus, der das Leiden und die Schande des Kreuzes erduldete und das Ziel erreichte, der gefallenen Menschheit Erlösung anbieten zu können. Dabei sah er über das Böse dieser gegenwärtigen, sichtbaren Welt hinaus und schaute auf die Herrlichkeit der künftigen, unsichtbaren Welt, die er jetzt erlangt hat ( 12,2-3 ).

Der Schreiber gebraucht die Verheißung der Belohnungen ( 10,35-36; 12,11 ) und auch den ersten Hinweis auf die Verantwortlichkeit gegenüber Gott ( 5Mo 32,36; Ps 135,14; Hebr 10,30; 13,17 ) als Anreize für Gläubige, auszuharren und verantwortlich zu leben. Das gegenwärtige Leben umfasst eine begrenzte Übungszeit, die uns darauf vorbereiten soll, den Herrn zu schauen und an seiner Heiligkeit teilzuhaben ( 12,10.14 ). Indem sie an dieses Ziel denken, sollen die Leser einander helfen sowie ermuntern und zu Unerschütterlichkeit, Standfestigkeit, Liebe und guten Taten anreizen ( 10,24-25; 12,12-13 ;).

Insbesondere die Tatsache, dass die Zukunft in die Gegenwart hineinragt, bildet den eschatologischen Rahmen für die Ermahnungen des Hebräerbriefes, inmitten der Verfolgung nicht aufzugeben, sondern vielmehr durch Glauben und Ausharren in Gottes Ruhe einzugehen. Der Hebräerbrief ermutigt die Leser dazu, ihre Zuversicht und Hoffnung bis zum Ende festzuhalten ( 3,6.14; 6,11 ). Sie sollten nicht ihren Vätern gleichen, die wegen ihres Ungehorsams und Unglaubens nicht in die Ruhe eingingen ( Ps 95,7-11; Hebr 3,7-11.16-19; 4,1-2.11 ). Der Schreiber bittet sie eindringlich, auf den Heiligen Geist zu achten, der gerade in diesem Augenblick mahnend ruft: »Heute, wenn ihr seine [Gottes] Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht« ( 3,7-8 )! Im Brief finden sich folgende Mahnungen: »Ermuntert einander jeden Tag, solange es »heute« heißt« ( 3,13 )! Und: »Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht« ( 3,15 ). Selbst wenn sie sich Verfolgung gegenübersahen, war das »Heute« in den Worten des Heiligen Geistes ein Tag beispielloser Möglichkeiten. Denn die Erwartung, in die Ruhe einzugehen, konnte für sie Wirklichkeit werden ( 4,11 ). Von der Tatsache ausgehend, dass die Verheißung in der Vergangenheit nicht erfüllt wurde, argumentiert der Hebräerbrief, dass es für Gläubige noch immer eine Möglichkeit geben muss, sie in Anspruch zu nehmen ( 4,9 ). Ohne den auf Kanaan bezogenen Aspekt zu leugnen, folgert der Hebräerbrief, dass diese verheißene Ruhe mehr einschließen muss als die Ruhe nach der äußerlichen Landbesetzung unter Josua, denn sonst hätte Gott in Ps 95 ( Hebr 4,7-9 ) nicht von einem anderen Tag der Ruhe geredet. Er verbindet Gottes Ruhebezeichnung in Ps 95,11 (» meine Ruhe«) mit 1Mo 2,2 - einer Stelle, wo es heißt, dass Gott am siebten Schöpfungstag »von all seinem Werk« ruhte. Dadurch kann der Hebräerbrief folgern, dass die dem Volk Gott verbleibende Ruhe der Sabbatruhe Gottes ähnelt, in der Gott vom Werk seiner Hände ruhte ( 4,3-5.9-10 ). Der Hebräerbrief führt den neuen Begriff sabbatismos ein ( 4,9 ), um die auf den Sabbat bezogene Ruhe von der im Land Kanaan damals zu unterscheiden. Die Ruhe schließt jetzt sowohl gegenwärtige als auch künftige Aspekte ein. Obwohl sie in ihrem umfassenden Sinn eine Verheißung bleibt, die in der Zukunft verwirklicht werden soll ( 4,1.6.9 ), gehen Gläubige bereits jetzt in sie ein ( 4,3 ).

Es gibt viele unterschiedliche Auslegungen zum Hebräerbrief. Aber auch in der rabbinischen Literatur und im Barnabasbrief wird die Lehre von der Ruhe eschatologisch interpretiert. Viele der Rabbiner setzten die sechs Schöpfungstage mit dem Zeitalter dieser Welt und den Schöpfungssabbat mit einer tausendjährigen Ruhe gleich, die in die Ewigkeit übergehen würde. Rabbi Elieser lehrte beispielsweise, dass »Gott sieben Zeitalter erschaffen hat

... Es gibt sechs für das Leben und Sterben der Menschen, doch ... das siebte ist ganz dem Sabbat und der Ruhe im ewigen Leben vorbehalten« ( Pirke , 18).

Der Barnabasbrief, der die christliche Grundhaltung des Hebräerbriefes übernimmt, berechnet den Anbruch der neuen Welt, indem er die Vollendung der Schöpfung in sechs Tagen mit der Zeit des Bestehens der gegenwärtigen Welt gleichsetzt, die sechstausend Jahre lang Bestand haben soll (vgl. Ps 90,4; 2Petr 3,8 ). Nachdem Gott die Gottlosen gerichtet hat, wird er am siebten Tag wahrhaftig ruhen, während er am achten Tag, der dem Auferstehungstag Jesu entspricht, eine neue Welt einführen wird (Barnabasbrief 15,3-9).

Obwohl diese eschatologischen Ausführungen über die Ruhe interessant sein mögen, können wir nicht sagen, ob der Schreiber des Hebräerbriefes ihnen beigepflichtet hätte. Sein Brief entwirft keinen spekulativen Zeitrahmen und setzt die künftige Ruhe nicht ausdrücklich mit dem Tausendjährigen Reich gleich.

 

HEBRÄERBRIEF

Eschatologie

Die Eschatologie des Briefes

Ausblick auf die Zukunft

Nicht alles, was kommen wird, ist bereits eingetreten. Doch der Opfertod und die herrliche Erhöhung Christi haben das frühere Zeitalter der Verheißung vollendet und das neue Zeitalter der Erfüllung eingeleitet. In der verbleibenden Zeit und der Ewigkeit werden sich die natürlichen Folgen seines vollbrachten Werkes erweisen.

Der Tod Christi befreit uns von der Tyrannei des Teufels und wird für immer denjenigen vernichten, der einst die Macht des Todes hatte ( 2,14-15 ). Durch sein vollkommenes Opfer wurde Christus zum Mittler eines neuen und bleibenden Bundes, der dem früheren überlegen ist ( 8,6-7.13 ; vgl. 7,22 ). Dieser neue Bund enthält Bestimmungen, die gewährleisten, dass die betreffenden Menschen als sein Volk das Gesetz verinnerlichen, Gemeinschaft mit Gott pflegen, ihn allumfassend erkennen und vollständige Sündenvergebung erfahren ( Hebr 8,10-12; Jer 31,33-34 ). Der Hebräerbrief wendet den neuen Bund auf seine Leser an, wenn er von dem Geist, der in ihnen wohnt, und von der Endgültigkeit des Opfers Christi für die Sünde spricht ( 10,15-18 ). Da dieser Bund jedoch speziell mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda geschlossen wurde ( 8,8 ) und gegenwärtig noch nicht jeder den Herrn erkennt ( 8,11 ), muss er noch einer größeren, künftigen Erfüllung entgegensehen.

Das durch Jesus erlangte Heil hat für uns ewige Gültigkeit ( 5,9 ), weil das von ihm gebrachte Opfer zuallererst vollkommen war und nie mehr wiederholt werden muss ( 7,27; 9,12.25-26.28; 10,10.14 ), und weil zweitens der Mittlerdienst seines melchisedekischen Hohenpriestertums, das auf der Unauflöslichkeit seines Lebens beruht, nie aufhören wird ( 5,6; 6,20; 7,3.8.16-17.21.24-25.28 ; vgl. Ps 110,4 ).

Für den Hebräerbrief ist es eine grundlegende Lehre, dass es eine allgemeine Auferstehung der Toten ( 6,2; 11,19.35 ; vgl. 12,23 ) und ein künftiges, ewiges Gericht über die Gottlosen geben wird ( 6,2; 10,39 ). Er beschreibt dieses furchtbare Gericht als loderndes Feuer, das Gottes Widersacher verzehrt ( 10,27.31; 12,29 ). Schon derjenige, der das mosaische Gesetz verwirft, sündigt. Doch schlimmer ist die Sünde dessen, der das Evangelium und Gott verachtet, der es in seiner Gnade anbietet. Deshalb werden die Betreffenden ohne Barmherzigkeit noch härter bestraft werden ( 10,28-30; 12,25 ). Daneben findet sich im Hebräerbrief auch die Lehre, dass Gotteskinder an der Herrlichkeit des Sohnes Anteil haben, wenn sich dieser die ganze Schöpfung unterwirft ( 2,6-10 ).

Inmitten des Wandels aller Zeitalter bleibt Jesus Christus unwandelbar. Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit ( 13,8 ). Seine Jahre werden nicht aufhören. Er existierte, bevor es das von ihm erschaffene Universum gab, und er wird noch da sein, nachdem die jetzigen Himmel und die jetzige Erde untergegangen sind ( 1,10-12 ; Ps 102,25-27 ). In einem großen umwälzenden Ereignis, dessen Urbild im Erdbeben bei der Gesetzgebung am Berg Sinai zu erkennen ist, wird Gott gewaltsam die gesamte erschaffene Ordnung erschüttern, damit er alles, was der Vergänglichkeit unterworfen ist, beseitigen und sein unerschütterliches Reich aufrichten kann ( 12,26-28 ; vgl. Hag 2,6 ). Dadurch, dass der Sohn in diesem Reich in Gerechtigkeit ewig herrscht, wird der davidische Bund erfüllt werden ( Ps 2,7; 45,7; 2Sam 7,12-16; Hebr 1,5.8 ).

Dale F. Leschert

C. K. Barrett, »The Eschatology of the Epistle to the Hebrews« in The Background of the N.T. and Ist Eschatology , Hg., W. D. Davies und D. Daube (Cambridge: University Press, 1956), 363-393; Oscar Cullmann, Christ and Time: The Primitive Christian Conception of Time and Histor y, Übersetz. Floyd V. Filson (Philadelphia: Westminster Press, 1950); Ottfried Hofius, Katapausis. Die Vorstellung vom endzeitlichen Ruheort im Hebräerbrief (Tübingen: J. C. B. Mohr [Paul Siebeck], 1970); Lincoln D. Hurst, »Eschatology and Platonism in the Epistle to the Hebrews« in SBL Seminar Papers , 23, 41-71 (1984); Dale F. Leschert, Hermeneutical Foundations of Hebrews (Lewiston: N.Y.: Edwin Mellen, 1994); George W. MacRae, »Heavenly Temple and Eschatology in the Letter to the Hebrews« in Semei a, 12,179-199 (1978); William Robinson, »The Eschatology of the Epistle to the Hebrews«, Encounter , 22,37-51 (1961); Jeffrey R. Sharp, »Philonism and Eschatology of Hebrews: Another Look« in East Asia Journal of Theology , 2,289- 298 (1984); Albert Vanhoye, »Longue marche ou accès tout proche? Le contexte biblique de Hébreux, 3, 7-4,11« in Biblica , 49,9-26 (1968).

 

HEILIGER GEIST

der Zurückhaltende

Zahlreiche widersprüchliche Ansichten gibt es über den Zurückhaltenden in 2Thes 2,6-7 , was deutlich macht, wie wenig wirklich über dieses Thema bekannt ist. Einige halten daran fest, dass der Zurückhaltende das römische Reich, eine andere Obrigkeitsform oder das Gesetz ist. Andere vertreten die Meinung, dass die Gemeinde diese zurückhaltende Kraft ist. Es gibt sogar einige, die glauben, dass Satan selbst der Aufhaltende ist. Verschiedene Vertreter der Lehre von den Heilszeitaltern haben sogar argumentiert, dass es am besten sei, den Zurückhaltenden mit dem Antichristen gleichzusetzen.

Das römische Reich sowie der Antichrist werden kaum als Zurückhaltender in Frage kommen, weil Ersteres vor Hunderten von Jahren aufgehört hat zu existieren und weil das Kommen Jesu Christi bzw. die Erscheinung des Antichristen noch zukünftig ist. Außerdem »wissen wir, dass die Trübsalszeit eine Periode uneingeschränkter Herrschaftsausübung ist, in der alle sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Aspekte reglementiert werden« (Walvoord).

Über die Gemeinde schreibt Stanton: »Die Gemeinde ist bestenfalls ein unpersönlicher Organismus, der gewiss vollkommen ist in der Stellung vor Gott, aber im praktischen Leben vor Menschen nicht immer untadelig oder über jeden Vorwurf erhaben ist. Wie eine menschliche Obrigkeit wird die Gemeinde von Gott dazu gebraucht, die volle Entfaltung des Bösen in diesem gegenwärtigen Zeitalter zu verhindern, sodass der tatsächlich Aufhaltende nicht der Gläubige, sondern derjenige ist, der den Gläubigen bevollmächtigt: der in ihm wohnende Heilige Geist ( Joh 16,7; 1Kor 6,19 ). Ohne seine Gegenwart wären weder die Gemeinde noch die Obrigkeit in der Lage, den Plan und die Macht Satans aufzuhalten« (zitiert in: J. Dwight Pentecost, Bibel und Zukunft , S. 281).

Eine Prüfung des Textes hilft uns, das Verständnis dieses Themas zu vertiefen. In 2Thes 2,6 heißt es: »Und jetzt wisst ihr, was (ihn) zurückhält (oder aufhält), damit er zu seiner Zeit geoffenbart wird.« Vers 7: »Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur offenbart es sich nicht, bis der, welcher (ihn) jetzt zurückhält (aufhält), aus dem Weg ist.« Das griechische Verb katecho ist ein zusammengesetztes Wort, das aus den Bestandteilen kata (herab) und echo (haben oder halten) besteht. Somit kommen wir zu der Bedeutung »zurückhalten« oder »aufhalten«. Das Theological Dictionary of the N.T. definiert katecho folgendermaßen: »eine böse Person oder Macht davon abhalten, destruktiv wirksam zu werden (so wie man Verbrecher inhaftiert, um die Gesellschaft vor ihnen zu schützen). Diese zurückhaltende Macht hindert den Antichristen daran, vor der festgesetzten Zeit »destruktiv wirksam zu werden«.

Es ist interessant, dass in Vers 6 das im Neutrum stehende Partizip Präsens (to katechon ) gebraucht wird. Es wird mit »das, was (ihn) zurückhält (oder aufhält)« übersetzt, während in Vers 7 im Griechischen die maskuline Form des Partizip Präsens (ho katechon ) gebraucht wird, was mit »der, welcher (ihn) jetzt zurückhält (aufhält)« wiedergegeben wird. Allein das schließt mit einiger Sicherheit die Gemeinde als Zurückhaltende aus, weil sie die Braut Christi ist und das Pronomen »sie« würde im Femininum, nicht aber im Neutrum oder Maskulinum stehen. Einige sind der Meinung, dass sich das Neutrum in Vers 6 auf das römische Reich bezieht, während das Maskulinum in Vers 7 den römischen Kaiser meint. Wie wir jedoch zuvor aufgezeigt haben, hörte das römische Reich vor langer Zeit auf zu existieren. Während der Herrschaft des Antichristen wird es eine andere Obrigkeitsform geben.

Wer oder was nun hat die Macht, Sünde zurückzuhalten, sodass der Mensch der Sünde nicht geoffenbart werden kann, bis diese aufhaltende Kraft »aus dem Weg ist«? »Nehmen wir die Lehre von der göttlichen Vorsehung und das Schriftzeugnis, wonach das Merkmal des Geistes darin besteht, Sünde zurückzuhalten und gegen sie anzukämpfen ( 1Mo 6,3 ). Verbinden wir diese beiden mit der biblischen Lehre, dass der Geist in der Welt ständig vorhanden ist und in den Gläubigen in diesem Zeitalter in besonderer Weise wohnt. Dann ist der Geist Gottes die einzige hinreichende Antwort auf die Frage, wer der Zurückhaltende ist. Wer den Heiligen Geist nicht als Zurückhaltenden erkennt, zeigt, dass er die Lehre vom Heiligen Geist im Allgemeinen und sein Werk im Blick auf die wichtigsten vorausschauenden Handlungen Gottes in der menschlichen Geschichte nur unzureichend versteht« (John Walvoord).

Einer der Haupteinwände, die gegen den Heiligen Geist als diese zurückhaltende Macht vorgebracht werden, hat mit dem Wechsel des Genus zu tun: Aus dem im Neutrum stehenden Partizip to katechon , »das, was (ihn) zurückhält«, in V. 6 wird das im Maskulinum befindliche Partizip ho katechon , »der, welcher (ihn) jetzt zurückhält«, in V. 7 . Für dieses Problem gibt es eine einfache Lösung: Das griechische Wort für Geist heißt pneuma , ein im Neutrum stehendes Substantiv. V. 6 bezieht sich auf den Geist, während V. 7 (mit der maskulinen Form des Ausdrucks) die Person des Heiligen Geistes meint. Diese Konstruktion kommt auch in anderen neutestamentlichen Versen vor.

In Joh 14,26 heißt es: »Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.« Das Wort ho parakletos (der Beistand) ist ein maskulines Substantiv. Ihm folgt der Name der angesprochenen Person, »der Heilige Geist«, ein im Neutrum stehendes Substantiv. Der mit »er« übersetzte Begriff ekeinos ist ein maskulines Pronomen, das sich auf den »Heiligen Geist« bezieht: Er, der Heilige Geist, wird euch alles lehren. »Der absichtliche grammatische Wechsel hebt die Tatsache hervor, dass der Heilige Geist eine Person ist. Es hätte keinen Grund für einen Wechsel vom Neutrum zum Maskulinum gegeben, wenn man den Geist nicht als Person verstehen müsste« (Enns).

Ein anderer Einwand dagegen, dass der Heilige Geist diese zurückhaltende Macht ist, wird in Vers 7 gesehen: »bis der ... aus dem Weg ist.« Viele können sich schwer vorstellen, in welcher Hinsicht der Heilige Geist aus dem Weg geräumt oder weggenommen werden könnte. Doch entspricht dies dem, was der Text sagt? Das griechische Wort, das mit »genommen« wiedergegeben wird, heißt genêtai. Genêtai ist Aorist Medium Konjunktiv von ginomai , einem Deponens. Verben im Deponens erscheinen in der Form des Mediums oder Passivs und werden mit der Aktivform übersetzt. Dies bedeutet, dass das Subjekt (in diesem Fall der Zurückhaltende) der Handelnde ist. »Das Verb im Deponens bezeichnet keine Wegnahme durch eine äußere Kraft, sondern vielmehr eine willentliche Handlung auf Seiten des Zurückhaltenden« (Hiebert). Ek mesou genêtai bedeutet nicht »aus dem Weg geräumt werden« (Passiv, gemäß dem Wortlaut der meisten Übersetzungen), sondern »den Weg freimachen« (Lenski). Ellicotts Übersetzung lautet: »... bis der, welcher zurückhält, aus der Mitte verschwindet.« Statt aus dem Weg geräumt zu werden, wird der Heilige Geist den Weg freimachen. Derjenige, der den Antichristen zurückhält, ist der Heilige Geist, der durch die Gemeinde wirkt. Nicht der Heilige Geist, sondern die Gemeinde ist es, die weggenommen wird.

Bei der Entrückung wird das Werk des Heiligen Geistes, soweit es die Gemeinde betrifft, abgeschlossen sein. »Die besondere Gegenwart des Geistes als derjenige, der in den Gläubigen innewohnt, wird bei der parousia plötzlich enden, so wie sie zu Pfingsten unvermittelt begann« (The Expositor´s Bible Commentary ). Nachdem die Gemeinde entrückt worden ist, wird der Gesetzlose geoffenbart werden, wobei der Heilige Geist die vielen Märtyrer hindurchtragen wird, die in der Verfolgung der Trübsal sterben. Bis die Heiligen der Gemeinde gesammelt werden, wird der Heilige Geist sein zurückhaltendes Werk fortsetzen.

Siehe auch: Entrückung, bibliches Studium .

Brian K. Richards

P. Enns, The Moody Handbook of Theology (Chicago: Moody Press, 1989); F. E. Gaebelein, allg. Hg., The Expositor´s Bible Commentary (Grand Rapids: Zondervan, 1978); D. E. Hiebert, 1 & 2 Thessalonians (Chicago: Moody Press, 1992); R. C. H. Lenski, The Interpretation of St. Paul´s Epistle to the Thessalonians (Minneapolis: Augsburg Publishing House), 1966; G. B. Stanton, Kept from the Hour (Miami Springs, Fla.: Schoettle Publishing, 1991), J. F. Walvoord, The Rapture Question (Grand Rapids: Zondervan, 1979).

 

HEILIGER GEIST

im Zeitalter der Gemeinde

Durch den Propheten Jeremia sagte der Herr einen neuen Bund für Israel voraus, der den alten Bund im Rahmen des mosaischen Gesetzes ablösen sollte: Ich »schließe ... mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund« ( Jer 31,31 ). Dieser neue Bund würde geistlicher Art sein und den Angehörigen des Volkes Israel künftig ein neues Herz geben, das für Gottes Handeln mit dem Volk empfänglich wäre ( 31,32-33 ). Hesekiel fügt hinzu, dass dazu auch ein »Besprengen« ( zaraq ) mit Wasser gehört, das die Betreffenden vom Götzendienst reinigt ( 36,25 ). Vertreter der Lehre von den Heilszeitaltern nehmen an, dass der Begriff Wasser ein Bild für das Werk des Geistes ist ( Joh 3,5 ) und nicht wörtlich verstanden werden darf. In der Hesekielstelle verheißt der Herr ein neues Herz und eine persönliche Beziehung zu ihm. Dann fügt er hinzu: »Ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde machen, dass ihr in meinen Ordnungen lebt« ( 36,27 ). Für Israel geht diese Verheißung endgültig im verheißenen messianischen Reich in Erfüllung.

Dieser neue Bund ist durch den Tod Christi eindeutig in Kraft gesetzt worden, denn er erklärte vor seinem Tod: »Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird« ( Lk 22,20 ). Paulus bestätigt dies und stellt den neuen Bund dem alten gegenüber. Er verweist darauf, dass der Buchstabe (das Gesetz) tötet, der neue Bund jedoch lebendig macht, weil der Geist am Werk ist ( 2Kor 3,6 ). Jesus sagte voraus, dass all dies kommen würde, als er von der Notwendigkeit sprach, »aus Wasser und Geist geboren« zu werden ( Joh 3,5 ). In dieser Stelle verbindet er das Werk des Geistes mit dem Eingehen in das Reich Gottes.

Weil sich das Werk des Geistes auch auf das Reich bezieht, argumentierten viele frühere Vertreter der Lehre von den Heilszeiten, dass es zwei neue Bünde gäbe und auf zwei verschiedene Wirksamkeiten des Heiligen Geistes in der Schrift angespielt werde, wobei der Geist einmal Israel und einmal der Gemeinde zu Gute komme. Doch im Allgemeinen wird heute der neue Bund als zunächst mit Israel geschlossen angesehen. Dieser neue Bund wird die geistliche Erneuerung im Tausendjährigen Reich bewirken. Er wurde durch Jesu Tod bereits in Kraft gesetzt und zu Pfingsten eingeführt. Die Gemeinde hat jedoch Anteil an diesen mit dem neuen Bund verknüpften Segnungen. Damit ist keineswegs gesagt, dass Israel und die Gemeinde ein Heilskörper sind! Paulus verbindet all dies miteinander, wenn er schreibt: Er »errettete ... uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hätten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes. Den hat er durch Jesus Christus, unseren Heiland, reichlich über uns ausgegossen, damit wir, gerechtfertigt durch seine Gnade, Erben nach der Hoffnung des ewigen Lebens wurden« ( Tit 3,5-7 ).

Wer sagt, dass die Gemeinde Nutznießer des neuen Bundes ist, behauptet nicht gleichzeitig, dass dieser Bund mit der Gemeinde in Erfüllung geht. Die Gemeinde genießt natürlich die Segnungen der Wiedergeburt, des gegenwärtigen Geisteswirkens und der Vergebung, aber die eigentliche Bundeserfüllung wird mit der Wiederkunft Jesu auf diese Erde erwartet. Die Gemeinde besteht hauptsächlich aus Angehörigen der Nationen, die diese Segensfülle erfahren. Dennoch kann man die Gemeinde nicht mit Israel - dem Volk, mit dem Gott den Bund geschlossen hat - gleichsetzen (Benware).

Worin bestehen die neuen und andersartigen Werke des Geistes im Gemeindezeitalter? Der Geist Gottes tauft Gläubige in den geistlichen Leib Christi hinein ( 1Kor 12 ). Er teilt souverän Gaben aus ( 1Kor 14 ). Indem er in jedem Kind Gottes wohnt ( Röm 8,9 ), handelt er als Tröster oder Beistand ( Joh 15,26 ), zeugt von Christus ( Joh 15,27 ), verherrlicht den Herrn ( Joh 16,14 ), überführt die Welt ( Joh 16,8 ) und leitet Gläubige in die ganze Wahrheit ( Joh 16,13 ). Der Heilige Geist versiegelt Christusgläubige ( Eph 1,13 ) und wird zum Angeld bzw. Unterpfand, bis die Heiligen heimgeführt werden ( Eph 1,14 ). Er ermöglicht dem Kind Gottes den Zugang zum Vater ( Eph 2,18 ), erfüllt bzw. »beherrscht« die Gläubigen ( Eph 5,18 ), heiligt ( 2Thes 2,13 ) und erleuchtet ( 1Kor 2,10-14 ). In diesem Zeitalter der Gnade gibt Gottes Geist Hoffnung ( Röm 15,13 ), schenkt Erkenntnis als derjenige, der Gläubige salbt ( 1Jo 2,20 ), rührt deren Herzen an, sodass diese »Abba, Vater!« rufen können ( Gal 4,6 ) und bringt im Bereich des Geistes, der Moral und das Charakters Frucht hervor ( Gal 5,22-25 ).

Bei der Entrückung der Gemeinde wird der Heilige Geist weggenommen bzw. in seiner Wirksamkeit eingeschränkt, damit der Antichrist oder der Mensch der Sünde in Erscheinung treten kann ( 2Thes 2,6-9 ). Der Geist wird noch immer auf Erden sein und während der Trübsal weiterhin an der Errettung von Menschen beteiligt sein. Da sich aber der Leib Christi (die Gemeinde) nicht mehr auf Erden befindet, wird sein Werk anders aussehen.

Obwohl man im Blick auf das Werk des Geistes im Gemeindezeitalter viele andere Segnungen aufführen kann, ist seine Wohnung im Gläubigen eine der kostbarsten Gaben: Chafer stellt dazu fest: »Die Tatsache, dass der Geist gegenwärtig ist, Kraft schenkt und die Gläubigen leitet, bildet eine völlig neue Methode des täglichen Lebens ... Das gegenwärtige Zeitalter ist vor allem als Zeit des Geistes, der in den Gläubigen wohnt, bekannt, dessen Gegenwart jede Möglichkeit bietet, tagtäglich ein Leben zu führen, das Gott ehrt.«

Siehe auch: Heiliger Geist, Taufe mit dem HG ; Israel und die Gemeinde, Unterschiede .

Paul Benware, Understanding End Times Prophecy (Chicago, Moody Press, 1995); Lewis Sperry Chafer, Systematic Theology , Bd. VI (Grand Rapids: Kregel, 1993); Mal Couch, The Biblical Doctrine of the Holy Spirit (Ft. Worth, Tex.: Tyndale Seminary Press, 1995); John F. Walvoord, The Holy Spirit (Wheaton: Van Kampen Press, 1954).

 

HEILIGER GEIST

sein Werk im Alten Testament

Da der Heilige Geist Gott ist, entsprechen viele Aspekte seines Wirkens im AT neutestamentlichen Sachverhalten. Es gibt jedoch eine Reihe von Werken, die Gott, der Geist, ausschließlich im Neuen Testament vollbringt. Man muss die Lehre von der fortschreitenden Offenbarung im Auge behalten, wenn man über diese Vergleiche und Beziehungen nachdenkt.

Das Werk des Heiligen Geistes wird im Alten und Neuen Testament in Beispielen, Darstellungen und Veranschaulichungen vielfach dargestellt. Gott, der Geist, befähigte seine Knechte, ihm zu dienen - im Alten Testament oft dadurch, dass er sie mit speziellen Fähigkeiten ausstattete (z.B. 4Mo 27,18; 2Mo 28,3; Ri 13,25 ). Ebenso nennt das Neue Testament Gaben des Geistes, die es Gottes Kindern ermöglichen, ihm zu dienen ( Röm 12; 1Kor 12; Eph 4 ). In beiden Testamenten hält der Heilige Geist Sünde zurück (vgl. 1Mo 6,3; Jes 63,10-11 ). Sowohl die Offenbarung als auch die Inspiration der Schrift sind das Werk des Geistes im Alten und im Neuen Testament. In beiden Testamenten führt der Heilige Geist das Volk Gottes. Die allgemeine Gnade sowie die spezielle Gnade sind nicht nur auf das Alte oder Neue Testament beschränkt. Obwohl Wiedergeburt durch den Geist ein neutestamentlicher Begriff ist, traf die Tatsache, dass der Geist glaubenden Sündern göttliches Leben zuteil werden ließ, in alttestamentlicher Zeit zweifellos zu.

Es gibt fünf Dienste des Geistes, die nur im Neuen Testament vorkommen. Dadurch wird deutlich, in welcher Hinsicht das Werk des Geistes im Alten Testament anders war. Diese Dienste betreffen die Tatsache, dass der Heilige Geist Gläubige versiegelt, ihnen das Angeld gibt, sie erfüllt, in ihnen bleibend wohnt und sie tauft.

Dreimal wird im Neuen Testament erwähnt, dass der Heilige Geist Gläubige versiegelt ( 2Kor 1,22; Eph 1,13; 4,30 ). Eph 1,13 sagt, dass der Geist selbst das Siegel ist. Gott, der Vater, ist der Wirkende, wenn Gläubige durch den Heiligen Geist versiegelt werden ( 2Kor 1,22 ). Diese Versiegelung hebt die Heilsgewissheit des Gläubigen hervor, weil er nun Gott gehört. Dies gilt für alle Gläubigen, sogar für die fleischlichen (vgl. 2Kor 1,22 ). Der Gläubige wird nicht ermahnt, sich um Versiegelung zu bemühen, sondern erlebt vielmehr die Versiegelung als Werk Gottes zum Zeitpunkt der Errettung ( Eph 1,13 ).

Das Fest der Erstlinge war zu Zeiten des Alten Testaments eine Garantie oder Anzahlung der kommenden Ernte. Der Heilige Geist wurde damals aber nicht als Anzahlung für die gläubigen Israeliten bezeichnet. Der Apostel Paulus erinnerte die Christen in Korinth jedoch daran, dass die Gegenwart des Heiligen Geistes in ihnen die persönliche Verheißung war, dass Gott in seinem ganzen Werk für die Gläubigen nicht wortbrüchig werden würde ( 2Kor 1,22; 5,5 ). Den Christen in Ephesus wurde ebenfalls gesagt, dass ihnen der Heilige Geist der Verheißung als Unterpfand oder Anzahlung ihres Erbes gegeben worden war ( Eph 1,14 ).

Wer mit dem Geist erfüllt ist, wird vom Geist beherrscht. Nur im Neuen Testament wird gesagt, dass Gläubige unter der Herrschaft des Geistes stehen ( Eph 5,18 ). Wer zu viel Alkohol getrunken hat, wird davon beherrscht. Paulus gebot den Christen in Ephesus aber, sich fortwährend vom Heiligen Geist beherrschen zu lassen. Anders als die Geistestaufe und das Wohnen des Geistes im Gläubigen ist das Erfülltsein mit dem Geist eine wiederholte Erfahrung, die Gehorsam seitens des Gläubigen erfordert. Wenn der Gläubige das Gebot, den Geist nicht zu dämpfen ( 1Thes 5,19 ), den Heiligen Geist nicht zu betrüben ( Eph 4,30 ) und im Geist zu wandeln ( Gal 5,16 ), befolgt, wird er vom Geist beherrscht.

Die wichtigsten, im Alten Testament nicht erwähnten Werke des Heiligen Geistes sind die Geistestaufe des Gläubigen und die Tatsache, dass er im Gläubigen bleibend wohnt.

Eine nur in der gegenwärtigen Heilszeit vorkommende Aktivität des Geistes besteht darin, dass er glaubende Sünder in den Leib Christi hineintauft. Dieses Werk des Geistes wird an keiner Stelle des Alten Testaments erwähnt. Auch wird es in keiner Prophetie über die kommende große Trübsal oder das Tausendjährige Reich genannt.

Die Tatsache, dass der Geist Gläubige tauft, bildet die Grundlage der Gemeinde, die Christi Leib ist ( 1Kor 12,13 ). Alle Gläubigen - ungeachtet der Rasse, Hautfarbe oder des Glaubensbekenntnisses - werden zum Zeitpunkt der Errettung mit Christus, dem lebendigen Haupt des Leibes ( Röm 6,1-5 ), und mit allen anderen Glaubensgeschwistern verbunden ( 1Kor 12,13 ). Da der Leib Christi vor dem Pfingsttag nicht existierte und er zum Zeitpunkt der Entrückung zur Vollendung geführt werden wird, können wir sagen, dass es vor der Entstehung der Gemeinde keine Geistestaufe gab - genauso wenig wie nach der Entrückung der Gemeinde. Damit soll nicht gesagt werden, dass vor Pfingsten keiner zum Glauben kam oder dass es nach der Entrückung der Gemeinde keine Errettung mehr gibt. Dies bedeutet vielmehr nur, dass die Geistestaufe als solche auf dieses gegenwärtige Zeitalter der Gemeinde beschränkt ist. Die Tatsache, dass der Geist im Neuen Testament in den Gläubigen wohnt, unterscheidet sich von den Geisteserfahrungen während der Zeit des Alten Testaments. Das Wohnen des Geistes in den Gläubigen bedeutet, dass der Geist in das Leben des Gläubigen einzieht, um darin zu wohnen. Der Leib des Gotteskindes wird zum Tempel, in dem der Geist wohnt ( 1Kor 3,16; 6,19 ). Wenn der Geist nicht in einem Menschen wohnt, ist der Betreffende kein Gotteskind ( Röm 8,9 ).

In dieser Zeit der Gnade wohnt der Heilige Geist in jedem Gläubigen fortwährend. Jesus gab in seiner Rede im Obersaal eine entsprechende Verheißung ( Joh 14, 16 ). Sünde im Leben des Gläubigen ist gegen den Geist gerichtet: Sie betrübt ihn ( Eph 4,30 ), kann ihn aber nicht vertreiben.

Es gibt drei spezielle Schriftstellen, die erkennen lassen, dass während der Zeit des Alten Testaments der Geist nicht fortwährend in den Gläubigen wohnte. Der Geist des HERRN wich von Saul ( 1Sam 16,14 ). David fürchtete sich davor, dass der Geist von ihm weichen würde, und betete darum, dass dies nicht geschehe ( Ps 51,13 ). Christus unterschied zwischen der Tatsache, dass der Geist während seines Erdenlebens bei den Jüngern war, und der Gegenwart des Geistes in ihnen nach seiner Himmelfahrt ( Joh 14,16-17 ).

Siehe auch: Heiliger Geist, Taufe mit dem HG .

Robert Lightner

Abraham Kuyper, The Work of the Holy Spirit (New York: Funk & Wagnalls, 1900); Charles C. Ryrie, Ihr werdet Kraft empfangen (Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 2003); George Smeaton, The Doctrine of the Holy Spirit (Edinburgh: T & T Clark, 1889); John F. Walvoord, The Holy Spirit (Findlay: Ohio: Dunham Publishing Co., 1954).

 

HEILIGER GEIST

Taufe mit dem Heiligen Geist

Nach seiner Auferstehung verhieß Christus kurz vor seiner Himmelfahrt die Taufe mit dem Heiligen Geist. Darin sollte das künftige Wirken des Geistes zum Ausdruck kommen ( Apg 1,5 ). Johannes, Christi Vorläufer, hatte sie bereits früher vorausgesagt ( Mt 3,11 ). Diese Verheißung wurde am Pfingsttag Wirklichkeit. Als Petrus in das Haus des Kornelius ging und das Evangelium verkündigte, war sie nach seinem eigenen Zeugnis in Apg 11,15-17 bereits in Erfüllung gegangen.

Als die Taufe mit dem Geist stattfand, führte sie zur Bildung des Leibes Christi ( 1Kor 12,12-13 ). Der Leib Christi ist die Gemeinde ( Eph 1,22-23 ).

Obwohl der Geist vor dem Kommen Christi gewiss am Werk war, gibt es im Alten Testament keinen Hinweis auf die Geistestaufe. Sie ist demnach ein völlig neues und einzigartiges Werk des Heiligen Geistes. Die Geistestaufe war ein Geheimnis, das erst bekannt gemacht wurde, als Johannes der Täufer es voraussagte.

Die Taufe mit dem Geist muss von all den anderen Diensten des Geistes unterschieden werden - davon, dass er Gläubige überführt, versiegelt, in ihnen wohnt, sie erfüllt und salbt. Die Geistestaufe ist das Werk des Geistes, wodurch er Juden und Heiden, die sich allein Christus als ihrem Erretter anvertrauen, in einem Leib vereint. Dadurch schafft er ein neues Gebilde, das von seinem Wesen und seinem Heilsplan her ganz anders ist als Israel.

Die Geistestaufe vereint nicht nur Gläubige miteinander, indem sie einen neuen Organismus, den Leib des Christus, entstehen lässt, sondern sie vereint auch jeden Gläubigen mit Christus, der das Haupt dieses Leibes ist ( Röm 6,1-3; Kol 3,1 ). Es gibt daher sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Einheit, die beide zum Zeitpunkt der Geistestaufe geschaffen wurden.

Die Geistestaufe, die am Pfingsttag begann, wird zur Zeit der Entrückung der Gemeinde beendet werden. Der Heilige Geist ist vorrangig am Werk, wenn der zum Glauben kommende Sünder zum Zeitpunkt der Errettung die Geistestaufe empfängt und allen anderen Gliedern des Leibes Christi gleichgestellt wird. Auch Christus ist an diesem Geschehen beteiligt, weil er den Geist gesandt hat, um dieses Werk tun zu können.

Siehe auch: Heiliger Geist im Zeitalter der Gemeinde .

Robert Lightner

Merrill F. Unger, The Baptizing Work of the Holy Spirit (Findlay: Ohio: Dunham Publishing Co., 1962); John F. Walvoord, The Holy Spirit (Findlay: Ohio: Dunham Publishing Co., 1954).

 

HERMENEUTIK

Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Entwicklung der Hermeneutik in den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte von einer allmählichen Aufgabe der allegorischen Auslegung geprägt war, was letztendlich zu einem Triumph der normalwörtlichen Auslegung führte. Obwohl diese Entwicklung später immer wieder Rückschläge erlitt (insbesondere während des Mittelalters), gehörte die antiochenische Schule zu den wichtigen Gruppen in der Geschichte der Kirche, die diese fortschreitende Entwicklung unterstützten. Die Katechetenschule, im dritten und vierten Jahrhundert in Syrien gegründet, entwickelte eine systematische Hermeneutik, die darauf abzielte, die Ungereimtheiten der allegorischen Methode von Origenes und der alexandrinischen Schule aufzudecken.

 

HERMENEUTIK

Die alexandrinische Schule

Die alexandrinische Schule wurde vom jüdischen Ausleger Philo beeinflusst, der die allegorische Methode benutzte und ihr zum Durchbruch verhalf. Damit konnte er die anthropomorphen Darstellungen Gottes, d. h. die bildhafte Übertragung von menschlichen Eigenschaften auf Gott, in den Heiligen Schriften des Judentums wegerklären, die platonischen Philosophen so anstößig waren. Clemens von Alexandria, der Gründer der alexandrinischen Schule, übernahm Philos allegorische Methode als apologetischen Kunstgriff, um Bestandteile der Schrift wegzuerklären, die griechische Kritiker des christlichen Glaubens beanstandeten: anthropomorphe Darstellungen Gottes, frühisraelitische Ausdrücke, die für Empfindungen der Griechen anstößig waren, das niedrige moralische Niveau vieler Israeliten und die Ausrottung der Kanaaniter. Außerdem wollte er unter Beweis stellen, dass die christliche Theologie, die wahre Philosophie, mit der griechischen Philosophie vereinbar sei. So legte Clemens beispielsweise die beiden Fische bei der Speisung der Fünftausend allegorisch als Bild für die Verschmelzung der griechischen Philosophie mit der christlichen Theologie aus. Nach Clemens hat Gott dem Leser beim Herausfinden der wörtlichen Bedeutung eines biblischen Textes bewusst Hindernisse in den Weg gelegt, um den Verstand des Betreffenden aufzuwecken. Er solle die verborgenen Wahrheiten erkennen, die unter der Oberfläche des Textes vergraben seien. Indem er die allegorische Methode für sein apologetisches Anliegen benutzte, verfälschte er leider die Bedeutung der Schrift.

Origenes (254 gestorben), den einflussreichsten Lehrer der alexandrinischen Schule, zog es zur allegorischen Methode Philos, weil sie ihm gestattete, die Schrift mit dem Platonismus zu vereinbaren. Diese Vereinbarkeit war die grundlegende Voraussetzung, die seinem ganzen Denken zu Grunde lag. So wie Philo die allegorische Methode verwandte, um die Heiligen Schriften des Judentums mit der platonischen Philosophie zu vereinbaren, gebrauchte Origenes die Allegorese, um das Neue Testament mit dieser Philosophie in Einklang zu bringen.

Obwohl Origenes glaubte, dass die geistliche Wahrheit widerspruchsfrei und genau sei, behauptete er, dass die historischen Berichte manchmal doch Widersprüche und Ungenauigkeiten enthielten. (So beschreibe z. B. das erste Buch Mose Tage vor der Erschaffung der Sonne; Satan zeige Jesus alle Reiche der Welt von einer Bergspitze aus; und auch die Evangelien wichen in der Reihenfolge der aus dem Leben Jesu berichteten Ereignisse voneinander ab.) Vom modernen hermeneutischen Standpunkt aus gesehen, scheinen diese Fragen eher naiv zu sein, während sie für Origenes mit Hilfe der wörtlichen Methode unlösbar waren. Origenes versuchte, diese angeblichen Widersprüche und andere historischexegetische Probleme durch die allegorische Methode zu lösen: Die entsprechenden Berichte müssten nicht dem Wortlaut nach verstanden werden, ihre wirkliche Bedeutung liege auf der allegorischen Ebene. Nach Origenes deuten die Schwierigkeiten der Schrift auf das Vorhandensein einer tieferen Bedeutung hin: »Wo immer in [der Schrift] besondere Taten beschrieben werden, die mit der intellektuellen Wahrheit nicht übereinstimmen, haben die Schriften in den Bericht etwas hineingewebt, das nicht geschehen ist, zuweilen etwas, das nicht geschehen konnte, und gelegentlich etwas, das hätte geschehen können, aber in Wirklichkeit nicht passiert ist (Vier Bücher von den Prinzipien 4,2,9).

Origenes war der Erste, der eine systematische Methode der biblischen Auslegung und eine hermeneutische Theorie vorlegte, und zwar auf der Grundlage der allegorischen Methode (Vier Bücher von den Prinzipien 4). Ausgehend von Spr 22,20-21 (»Zeichne sie dreimal auf ... dass du mit Worten der Wahrheit antworten kannst«, vertrat er die Lehre vom dreifachen Schriftsinn: vom buchstäblichen, moralischen und allegorischen (geistlichen) Sinn. Nach Origenes muss die Bibel auf besondere Weise ausgelegt werden, weil sie göttlich inspiriert ist. Inspiration bedeute demnach nicht, dass die in der Schrift aufgezeichneten Worte und wiedergegebenen Ereignisse die wahre göttliche Botschaft seien, sondern vielmehr sei damit gemeint, dass hinter den Worten und in den Einzelheiten des Textes eine verborgene, tiefere Bedeutung zu finden sei, die das wahre Wort Gottes sei.

Die allegorische Methode wurde zu einem weit verbreiteten apologetischen Werkzeug, das in der Auseinandersetzung mit jüdischen Gegnern des christlichen Glaubens benutzt wurde, um verborgene alttestamentliche Jesusprophetien ans Licht zu bringen. Die Grundlage für die Einheit von Altem und Neuen Testament war die allegorische Methode. So wurde beispielsweise der Bericht von Noah und der Taube zu einer prophetischen Allegorie auf Christus und den Geist. Der in Ps 1 zu findende, an Wasserbächen gepflanzte Baum war eine prophetische Allegorie auf das Kreuz Christi und die christliche Taufe. Rahabs scharlachrote Schnur und die beiden Kundschafter stellten eine prophetische Allegorie auf die Dreieinheit und das Werk Christi dar. Die griechischen Ziffern der Zahl 318 (entsprechend der Anzahl der Knechte Abrams) waren eine prophetische Allegorie auf den Tod Christi: Die ersten beiden Ziffern entsprachen den beiden Buchstaben im griechischen Namen für Jesus, während die dritte eine anschauliche Darstellung des Kreuzes war.

 

HERMENEUTIK

Die antiochenische Schule

Die von Origenes und anderen Alexandrinern gelehrten Extreme riefen viele führende Kirchenvertreter der Frühzeit auf den Plan, die den allegorischen Ansatz als legitime, zuverlässige Methode der Schriftauslegung ablehnten. Als Reaktion auf die allegorisierenden Methoden der alexandrinischen Schule gründeten Kirchenführer im syrischen Antiochien im dritten bzw. vierten Jahrhundert eine Schule, deren Lehrkonzept die normalwörtliche Auslegung hervorhob und bewusst der von der alexandrinischen Schule gelehrten Methode entgegentrat.

Die frühesten Vertreter der antiocheni-schen Exegese waren Theophilus (ca. 115-188), Bischof von Antiochien, und Dorotheus (ca. 240-312), die den Weg für die Gründung der Schule ebneten. Die zweite und einflussreichste Zeit der Schule begann im vierten Jahrhundert unter Diodor von Tarsus (393 gestorben), dem Lehrer des Theodor von Mopsuestia (ca. 350-428) und des Johannes Chrysostomus (ca. 347- 407). Chrysostomus wurde später Bischof von Konstantinopel und gilt als größter Prediger in der Kirche der Frühzeit. Seine Verkündigungen lassen eindeutig erkennen, wie diese antiochenische Methode in der Predigtpraxis angewandt wurde. Theodor wurde der bedeutendste Exeget der Kirche in der nachapostolischen Zeit, indem er neben Theodoret (ca. 393-460) als Lehrer der antiochenischen Schule wirkte.

Obwohl alle Antiochener die gleiche grundlegende Methode gebrauchten, hat Wallace-Hadrill gezeigt, dass es zwischen ihnen lehrmäßig durchaus Unterschiede gab. Theodor war derjenige, der die historische Exegese am entschiedensten vertrat, während Chrysostomus die wörtliche Methode nicht konsequent benutzte, wenn er in seinen Auslegungen auch Anwendungen machte. Die antiochenische Schule begann, die historischgrammatische Methode zu entwickeln: Sie betonte die Bedeutung der Analyse der hebräischen bzw. griechischen Sprache und der Wichtigkeit der geschichtlichen Hintergründe und bildlichen Redensarten. Die allegorische Methode führte für die Antiochener zu vielen verschiedenen Bedeutungen, jedoch hatte jede Bibelstelle eine einfache, klare Bedeutung, die durch die entsprechenden Wörter und die Grammatik vermittelt wurde. So wie die Alexandriner von Philo beeinflusst wurden, standen die Antiochener unter dem Einfluss der bedeutenden jüdischen Gemeinschaft in Antiochien, deren Exegese sich meist an den einfachen Wortsinn hielt. Statt die Schrift in ein Korsett vorgefasster platonischer Meinungen zu zwängen, legten sie das Wort Gottes unter dem Blickwinkel des eigenen semitischen Denkens aus.

Die Alexandriner behaupteten, dass der Wortsinn eines Textes nicht dessen metaphorische Bedeutung einschließe, die Antiochener meinten aber, dass die wörtliche Bedeutung die bildhafte Rede nicht ausschließe. Obwohl die Alexandriner die Allegorie benutzten, um die Einheit des Alten und Neuen Testaments zu verteidigen, gründeten die Antiochener diese Einheit auf direkte voraussagende Prophetie und indirekt auf voraussagende Typologie, die wegen der fortschreitenden Offenbarung in der Rückschau gesehen wurde. Ironischerweise praktizierten sie oft eine extreme Typologie, die der von ihnen so energisch abgelehnten allegorischen Methode sehr nahe kam. So sind beispielsweise einige der christologischen Typologien Theodorets von alexandrinischer Allegorie praktisch nicht zu unterscheiden. Er behauptete, dass der »Tau des Himmels« und das »Fette der Erde« ( 1Mo 27,39 ) eine prophetisches Bild auf die göttliche und menschliche Natur Christi sei. Leider haben solche Extreme in der typologischen Exegese die Kirche belastet, bis die hermeneutische Frage des sensus plenior kontra sensus unum - d.h., ob es einen tieferen Sinn der Schrift oder nur einen gibt - im 19. und 20. Jahrhundert besser thematisiert wurde.

Obwohl die Antiochener normalerweise eine saubere historischgrammatische Exegese betrieben, gebrauchten sie in ihren populären Auslegungen gelegentlich eine hinter den Anforderungen des Wortsinns zurückbleibende Methode. So glaubte Theodor, der in seinem Angriff auf die allegorische Auslegung unnachgiebig war, in seiner Auslegung von Ps 45 beträchtliche Freiheit in der Auslegung zu besitzen. Auch Chrysostomus, der die historische Exegese betonte, wich gelegentlich von der geschichtlichen Bedeutung des Textes ab, um Anwendungen vorzunehmen, wie z. B. in seiner Predigt über die Hochzeit zu Kana. Bei Chrysostomus findet sich oft ein methodologischer Bruch, wenn er von der Exegese zur Anwendung übergeht - eine Schwierigkeit, der sich jeder Verkündiger gegenübersieht, der von der historischen Exegese ausgeht, dann aber wichtige Anwendungen aufzeigen will. Leider wurde der hermeneutische Übergang von der historischen Exegese (Sinn des Textes in der damaligen Situation) zur heutigen Bedeutung (Sinn des Textes in unserer Zeit) erst nach der Entstehung der Bewegung für biblische Theologie im 20. Jahrhundert sachgerecht angesprochen.

 

HERMENEUTIK

Die antiochenische Schule

Vertreter der antiochenischen Schule

Im Gegensatz zur allegorischen Methode der Alexandriner hob Theophilus von Antiochien (ca. 115-188), der Bischof dieser syrischen Stadt, die historisch-grammatische Exegese hervor.

Im auffallenden Unterschied zu den Alexandrinern, welche die Historizität der alttestamentlichen Geschichten bestritten, betonte Theophilus unter dem Einfluss der bedeutenden jüdischen Gemeinschaft in dieser Stadt, dass das Alte Testament eine geschichtlich authentische Wiedergabe des Handelns Gottes mit dem Volk Israel sei. Um seine Überzeugung von der Historizität der Bibel zu begründen, erarbeitete er in seiner Abhandlung An Autolychus eine Chronologie von der Schöpfung bis in seine Zeit hinein. Er bekräftigte die Einheit von Altem und Neuen Testament, indem er darauf hindeutete, dass der Logos von Johannes 1 durch Mose gesprochen habe und die Quelle des in 1.Mose erschaffenen Lichts gewesen sei, bevor Gott die Sonne erschuf. Während die Alexandriner alttestamentliche Gesetze allegorisierten, legte Theophilus die Gesetze historisch-grammatisch aus und benutzte viele Teile des Gesetzes als Richtlinien für das christliche Leben.

Auf Diodor von Tarsus (393 gestorben) gehen drei wichtige Beiträge zurück: (1) Er schrieb die erste systematische Abhandlung, welche die wörtliche historisch-grammatische Methode verteidigte und erläuterte. (2) Er bekräftigte die Gültigkeit der historisch-typologischen Methode und widerlegte die Argumentation des Origenes, wonach Paulus in Galater 4,21-31 die allegorische Methode im Sinn der Alexandriner benutzt habe. (3) Er war der Lehrer des Theodor von Mopsuestia und des Johannes Chrysostomus, die zu den bedeutendsten Vertretern der antiochenischen Schule auf dem Gebiet der Exegese und Auslegung wurden.

Diodors wichtigste, auf Griechisch verfasste Veröffentlichung (Was ist der Unterschied zwischen Betrachtung und Allegorie ?) brandmarkte die alexandrinische Methode und legte Grundsätze der historisch-grammatischen Methode dar. Nach Diodor ist nicht Allegorie (bildhaftes Reden), sondern theoria (Betrachtung) der Schlüssel zur Schriftauslegung.

Die Betrachtung umfasst die Fähigkeit, sowohl die im Text zu findenden historischen Fakten als auch die geistliche (theologische) Realität wahrzunehmen, worauf diese Fakten hindeuten. Diodor spielte nicht wie die Alexandriner den Wortsinn zu Gunsten einer verborgenen geistlichen Bedeutung herunter. Vielmehr sagte er, dass die historische Bedeutung direkt dem geistlichen (theologischen) Sinn entspreche. Sein Begriff theoria besagte, dass der vorliegende historische Text mehr aussagt, als was der Prophet sah und der Ausleger erkennt.

Der biblische Text führt den Leser zu geistlichen (theologischen) Wahrheiten hinauf, die nicht unmittelbar zu erkennen sind, die aber ein umfassenderes Verständnis des Heilsplans Gottes liefern. Anders als die Alexandriner unterschied Diodor nicht scharf zwischen der vom menschlichen Verfasser beabsichtigten Bedeutung und dem, was Gott damit gemeint hatte. Für sich genommen enthalte das Alte Testament keine geistlichen Bedeutungen und keine messianischen Hinweise. Diese könnten jedoch gefunden werden - nicht durch Allegorie, sondern durch Betrachtung, indem man die enge Beziehung zwischen der geschichtlichen und der theologischen Textbedeutung untersucht.

Diodor legte den Grundstein zu einer Formulierung, die von der geistlichen Erleuchtung spricht. Sie gestattet dem Ausleger, die allumfassende theologische Einheit der Schriften und ihre Relevanz für seine Zeit wahrzunehmen. Origenes hatte argumentiert, dass die Vorgehensweise des Paulus in Gal 4,21-31 mit der Geschichte Abrahams und Hagars ein Allegoriebeispiel im Sinn der Alexandriner sei. Er behauptete, dass Paulus die Historizität der Geschichte leugne. Diodor sagte dagegen, dass Paulus die Geschichtlichkeit dieses Berichts nicht bestreite - was auch immer seine sonstige Absicht gewesen sei, als er auf Abraham und Hagar hinwies. Paulus argumentierte typologisch, er bekräftigte die Historizität der Geschichte, erkannte aber auch die in den Ereignissen liegende theologische Bedeutung. Diodor wies darauf hin, dass die Frage der Historizität das unterscheidende Merkmal zwischen der typologischen Methode des Paulus und dem allegorischen Ansatz des Origenes ist.

Die historischtheologisch vorgehende typologische Methode hat ihre Berechtigung, der die Historizität verwerfende allegorische Ansatz jedoch nicht. Jeder Vertreter der Antiochener behandelte die Frage der alttestamentlichen Prophetie anders. In seinem Psalmenkommentar legte Diodor Ps 2 als direkten prophetischen Hinweis auf die Tatsache aus, dass Jesus von den Juden an Herodes und Pilatus ausgeliefert wurde. Er verwarf jedoch die weit verbreitete Ansicht, dass Ps 22 eine direkte Prophetie auf die Passion Christi sei; die Leiden des Psalmisten entsprächen nicht den von Christus erduldeten.

Viele sehen Theodor von Mopsuestia (ca. 350-428) als größten Ausleger der antiochenischen Schule an. Er lehnte die von Origenes und den Alexandrinern praktizierte allegorische Methode am hartnäckigsten ab. Außerdem vertrat er die historischgrammatische Auslegung am entschiedensten und kam daher in seinen exegetischen Schlussfolgerungen der ursprünglichen Bedeutung am nächsten. Obwohl er die analytische Exegese betonte, war ihm auch die Synthese - d. h. die Gesamtschau der Stelle auf dem Hintergrund ihrer Bestandteile - wichtig. Sein Kommentar zu den Paulusbriefen ist das erste und fast letzte exegetische Werk, das in der alten Kirche entstand und Ähnlichkeiten mit den heutigen exegetischen Kommentaren aufweist.

Wie Diodor lehnte er in Wider Origenes: Zur Allegorie und Geschichte , dem letzten seiner fünf auf Griechisch verfassten Bücher, den unhistorischen Ansatz der allegorischen Methode ab. Er sagte, dass Origenes die biblische Geschichte ihrer Realität beraube, was am deutlichsten darin erkennbar sei, dass er die Historizität Adams leugne. Theodor fragte: »Wie kam die Sünde in die Welt, wenn Adam keine tatsächlich existierende Person war?« Theodor meinte weiter, Origenes mache dadurch, dass er die Realität des Sündenfalls Adams leugne, die Wirklichkeit der Erlösung zunichte. Paulus habe all diese Ereignisse jedoch als historische Fakten ausgelegt. Im Gegensatz zu den Behauptungen des Origenes habe Paulus in Galater 4,21-31 keine allegorische Auslegung im Sinn der Alexandriner benutzt, sondern vielmehr Abraham und Hagar als Beispiel bzw. Veranschaulichung gebraucht.

Theodor war der erste, der die übertragene Bedeutung eindeutig und ausdrücklich als Teil der wörtlichen Bedeutung sah. Anders die Alexandriner: Sie bezogen die metaphorische Bedeutung nicht in den Wortsinn eines Textes mit ein. Nach den Alexandrinern bestand beispielsweise die wörtliche Bedeutung des Begriffs »der Arm Gottes« darin, dass Gott wirklich einen Arm hat. Statt dies als metaphorischen Anthropomorphismus anzusehen, allegorisierten die Alexandriner den Text, so dass ein völlig zusammenhangloser Sachverhalt entstand. Theodor argumentierte jedoch, dass der Wortsinn einer Stelle die jeweilige Metapher und ihre nahe liegende Bedeutung einschließt. Nach seiner Ansicht hat jede Stelle eine wörtliche Bedeutung - ganz gleich, ob im normalen oder übertragenen Sinn.

In seiner Reaktion auf die extremen alexandrinischen Allegorien wich er von traditionellen Ansichten über die Messiasprophetie ab, indem er die Anzahl der alttestamentlichen Texte, die christologische Hinweise enthalten, drastisch verkleinerte. In seinem Kommentar zu den Kleinen Propheten versuchte er, in seiner Verpflichtung gegenüber der historisch-grammatischen Exegese konsequent zu bleiben und die Allegorie zu verwerfen. Sein entscheidender Grundsatz bestand darin, dass ein Text keine christologischen Merkmale aufweise, wenn er nicht tatsächlich im Neuen Testament zitiert werde. Einfache Anspielungen seien unzureichend, um nachzuweisen, dass ein Text messianische Voraussagen enthalte. Und selbst wenn das Neue Testament einen alttestamentlichen Text zitiere, geschehe dies oft nur zur Veranschaulichung und sei kein Hinweis auf eine unmittelbar prophetisch-messianische Voraussage. Selbst wenn Mt 2,15; Hos 11,1 zitiere, enthalte diese Stelle keinen direkten Christusbezug. Andererseits ließ Theodor gelten, dass Joel 3,1-5 die Ausgießung des Geistes voraussagte, wobei ihre eschatologische Bedeutung im Kommen Christi enthüllt worden sei. Er legte Wert auf die historisch-grammatische Auslegung und daher behauptete er, dass die meisten alttestamentlichen Prophezeiungen historischer Art seien und sich auf Ereignisse der israelitischen Geschichte bezögen. Nur sehr wenige seien wirklich christologisch ausgerichtet. Nach Theodor enthielten nur vier Psalmen direkte Prophezeiungen auf Christus ( Ps 2; 8; 45; 110 ). Der apostolische Gebrauch anderer alttestamentlicher Texte im Blick auf Christus seien keine Beispiele unmittelbarer prophetischer Voraussagen, sondern vielmehr analoge Anwendungen oder typologische Veranschaulichungen. Viele der im Neuen Testament zitierten Psalmen enthielten keine Voraussagen, sondern lediglich analoge Beispiele von Schwierigkeiten, die sowohl der Psalmist als auch Jesus erfahren hätten. Zahlreiche alttestamentliche Texte eigneten sich für den analogen Gebrauch, weil ihre Metaphern hyperbolisch (in der Übertreibung) für den Psalmisten gälten, im wörtlichen Sinne aber in der Anwendung auf Christus zuträfen. Theodor behauptete, dass die Apostel diese Stellen vom Wortlaut der Originaltexte her an analoge Orte der christlichen Offenbarung angepasst hätten. Er verwarf auch die allegorischen Auslegungen des Hohen Liedes. Es rede nicht von Christus und der Gemeinde, sondern es ein Liebesgedicht, das von Salomo anlässlich seiner Hochzeit mit einer ägyptischen Prinzessin geschrieben worden sei. Obwohl Theodor die alexandrinische Methode konsequent ablehnte, waren einige Antiochener der Meinung, dass er zu weit gehe. Theodoret, einer seiner Schüler, kritisierte ihn sogar dafür, dass er mehr jüdisch als christlich eingestellt sei. Er sagte, dass er zu sehr unter dem Einfluss der jüdischen Gemeinschaft in Antiochien gestanden und daher die Zahl der christologischen Prophetien im Alten Testament verringert habe. Obwohl Theodor tatsächlich die Anzahl direkter christologischer Weissagungen verringerte, entwickelt er den Gedanken des Typologischen, wie ihn Irenäus verstand, weiter. Er begrenzte jedoch den Geltungsbereich dieser Vorbilder, indem er sagte, sie enthielten historische Übereinstimmungen, aber keine voraussagende Prophetie.

Nach Theodor bietet die Schrift, wenn sie wörtlich und historisch ausgelegt wird, eine einheitliche Darstellung von Gottes Erlösungswerk in der Geschichte. Auf diese Einheit werde manchmal durch typologische Merkmale im Alten Testament hingewiesen, deren vollständige Bedeutung erst im Neuen Testament klar werde. Der ursprüngliche Textsinn entspreche jedoch seiner historischen Bedeutung. Im weiteren Verlauf der Erlösungsgeschichte habe man historische Entsprechungen feststellen können, die von immer wieder auftretenden Merkmalen in Gottes Plan herrührten. Somit müsse Ps 22 historisch ausgelegt werden; er berühre Christi Leiden nur am Rande - und zwar so, wie er für jeden Leidenden gelte. Wenn er in überzeichneten Bildern die Leiden ganz auf Christus anwende, wolle er nicht seinen prophetischen Charakter, sondern Christi Stellung als allergrößter Dulder nachweisen. Typologische Entsprechungen deuteten nicht darauf hin, dass ein prophetisches Element vorhanden sei. Vielmehr spiegelten sie lediglich die Kontinuität des Werkes Gottes in seinem einheitlichen geschichtlichen Heilsplan wider. Obwohl Theodor die alexandrinische Allegorisierung theoretisch strikt ablehnte, waren die Ergebnisse seiner Auslegung im Grunde nicht so weit von denen des Origenes entfernt. Theodor gebrauchte die Typologie in ähnlicher Weise wie andere die Allegorisierung. Der Hauptunterschied bestand darin, dass er die Historizität der biblischen Berichte bekräftigte und die historische Bedeutung als den vorrangigen Sinn des Textes hervorhob. So betonte er z.B. in seiner Auslegung zu Ps 45 die geschichtliche Bedeutung einer von Salomo tatsächlich gefeierten Hochzeit, erkannte aber auch die typologische Übereinstimmung mit Christus und der Gemeinde. Leider wurde sein positiver Einfluss, den er als Hermeneutiker auf die Kirche hatte, dadurch geschmälert, dass er in anderer Hinsicht ziemlich unkonventionell vorging. Er wurde zum Häretiker erklärt, was z. T. an den Ansichten seines Schülers Nestorius lag, dann aber auch daran, dass er mehrere kanonische Bücher als nicht inspiriert verwarf (die Weisheitsliteratur, die Chronikbücher, Esra und Nehemia).

Johannes Chrysostomus (ca. 354-407) war Erzbischof von Konstantinopel, dem Zentrum der Ostkirche. Die antiochenische Methode wird in seinen Kommentaren und seinen mehr als sechshundert Predigten, die historische Exegese mit praktischen Anwendungen verbinden, gut veranschaulicht. Seine Schriften übten später einen großen Einfluss auf Johannes Calvin aus, der ihm nachzueifern suchte. Obwohl Chrysostomus die Wichtigkeit der wörtlichen Auslegung betonte, sagte er, dass damit keineswegs das Vorhandensein einer bildlichen Sprache in der Schrift geleugnet werde. Er versuchte, einen Mittelweg zwischen den Alexandrinern, die alles allegorisierten, und den Verfechtern einer einfachen wörtlichen Auslegung zu finden, die das Vorhandensein einer sinnbildlichen Sprache in der Schrift nicht anerkannten. »Wir dürfen nicht die Worte als bloße Begriffe untersuchen, weil sonst viel Unsinn entsteht. Vielmehr müssen wir die Gedanken des Schreibers beachten.« Obwohl er die alexandrinische Methode verwarf, die historische Berichte in absurde Allegorien umwandelte, erkannte er ebenso an, dass die Schrift manchmal Allegorien verwendet, die sinnvoll ausgelegt werden müssen. »Wir sind in dieser Angelegenheit keine verantwortungslosen Verfechter von Gesetzen, können das System allegorischer Auslegung aber nur anwenden, wenn wir den Gedanken der Schrift folgen ... und darin besteht das allgemeine Gesetz der Schrift, wenn sie in allegorischer Weise redet, nämlich darin, dass sie uns auch die Auslegung der Allegorie liefert.« Chrysostomus betonte die relative Klarheit der Schrift, wenn sie mit Hilfe der historischgrammatischen Methode ausgelegt wird. Er begrenzte jedoch ihre durchgängige Verständlichkeit auf die wichtigen Punkte des Glaubens: Alles, was notwendig ist, das ist offenbar! Obwohl er durchaus christologische Voraussagen im Alten Testament fand, beschränkte er sich gewöhnlich auf die historische Typologie. Seine typologische Sicht des Alten Testaments beruhte auf dem Schlussvers von Ps 117 : »Die Wahrheit des HERRN währt ewig.« Alttestamentliche Geschichte sei für alle Zeitalter relevant. Die historische Bedeutung des Alten Testaments beinhalte, dass sie einen Entwurf der göttlichen Wahrheit darstelle, während sich die endgültige Form im typologischen Sinn finde, mit dessen Hilfe die alttestamentliche Bedeutung vollständiger herausgestellt werde.

 

HERMENEUTIK

Die antiochenische Schule

Einfluss der antiochenischen Schule

Leider begann die antiochenische Schule im vierten und fünften Jahrhundert wegen theologischer Kontroversen ihren hermeneutischen Einfluss zu verlieren. Als einigen ihrer Lehrer im nestorianischen Streit - dort ging es um die menschliche und göttliche Natur Christi - vorgeworfen wurde, die Rechtgläubigkeit aufzugeben, verlor die Schule teilweise ihre Glaubwürdigkeit. Ihr hermeneutischer Einfluss nahm weiter ab, als sich die Kirche in die Ost- und Westkirche spaltete. Da für die alexandrinische Schule nun das Korrektiv der ihr entgegenstehenden antiochenischen Schule wegfiel, vergrößerten sich ihre Macht und ihr Einfluss, sodass die allegorische Methode die Vorherrschaft eroberte. Bis zum Mittelalter war die allegorische Methode zum dominierenden hermeneutischen Ansatz geworden. Die Kirche würde sich erst in der Reformationszeit von ihrem beherrschenden Einfluss wieder lösen können. Der Todesstoß wurde ihr erst nach der Reformation und in der Neuzeit versetzt.

Siehe auch: Origenes ; Philo Judaeus .

Gordon H. Johnston

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HERMENEUTIK

mittelalterliche

Die logischen, grammatikalischen Grundsätze, die man zur Auslegung und Erklärung der Bibel im Mittelalter benutzte, wurden von allegorischen Überzeugungen und der verbindlichen Lehrgewalt des Papsttums beherrscht. Infolgedessen widersprachen viele Lehren, die man während dieser Zeit aus der Schrift ableitete, der ursprünglichen Absicht der vom Heiligen Geist inspirierten Schreiber. Der Wechsel von der wörtlichen Schriftauslegung der Gemeinde des ersten Jahrhunderts zur allegorischen Methode setzte bereits im dritten Jahrhundert ein.

Origenes war der erste Theologe, der das kommende Reich vergeistigte bzw. wegerklärte und es als gegenwärtige Herrschaft Christi im Herzen der Menschen deutete. Augustin vergeistigte die wichtigsten prophetischen Ereignisse, wobei seine Auslegungen die Grundlage der allgemeinen Eschatologie bis zur Reformation bildeten. Bis zum fünften Jahrhundert war wegen des Einflusses von Origenes und Augustin der Glauben an ein Tausendjähriges Reich im wörtlichen Sinn weit gehend verschwunden. Während des Mittelalters wurde der Millenarismus (die Lehre von der Erwartung eines Tausendjährigen Reiches) im Allgemeinen als ketzerisch angesehen.

Um das Jahr 1000 entstand eine Bewegung, die später als Scholastik bekannt wurde. Als ihre einflussreichsten Führer galten Anselm von Canterbury und Thomas von Aquin. Indem sich diese Bewegung fast ausschließlich auf die allegorische Methode stützte und die Bedeutung des ursprünglichen Wortlauts biblischer Texte nicht anerkannte, entstellte sie die Schriftwahrheit immer mehr. Diese Auslegungsmethode war im Mittelalter vorherrschend und zeichnete sich durch unbegrenzte Spekulation sowie dadurch aus, dass ihr ein objektiver, einheitlicher Maßstab für Richtigkeit fehlte. Die mittelalterliche Auslegung wurde durch drei Faktoren beeinflusst und begrenzt: durch das Vorherrschen des Analphabetentums sowohl unter Geistlichen als auch unter Gemeindegliedern; durch die Tatsache, dass das Schriftstudium hauptsächlich auf Klöster beschränkt war, und durch das Bestreben, die Dogmen Roms zu untermauern.

Eines des bedeutsamsten Dogmen, die sich aus der mittelalterlichen Hermeneutik entwickelten, war die Transsubstantiation. In dieser von Innocenz III. 1215 zum Dogma erklärten Lehre wurde verfügt, dass Priester die Macht hätten, Brot und Wein in den Leib, das Blut, die Seele und die göttliche Natur Jesu Christi zu verwandeln. Die bildliche Sprache Christi im Johannesevangelium ( Kapitel 6 ) und bei seinem letzten Mahl legte man wörtlich aus, um den Vollzug der Transsubstantiation belegen zu können. Aus diesem Dogma ergaben sich viele bedenkliche Konsequenzen. Wenn Christus im Mahl wirklich substanziell gegenwärtig ist, dann muss die Hostie verehrt und angebetet werden. Außerdem empfangen die, welche die Hostie zu sich nehmen, Christus nicht durch den Glauben und aufgrund des Willens Gottes, sondern infolge eines menschlichen Entschlusses. Das Opfer Christi, das in der Hostie auf kirchlichen Altären dargebracht wurde, sei - so verfügte man - die Fortsetzung des Opfers von Golgatha zur Besänftigung des göttlichen Zorns.

Im Mittelalter entstand auch das Dogma vom Fegefeuer. Danach ist eine zeitliche Strafe und durch Feuer bewirkte Läuterung von Sünden notwendig, um in den Himmel zu kommen. Obwohl diese Lehre durch keine Schriftstelle belegt wird, trat sie auf Betreiben Roms an die Stelle des gerechten Gerichtes Gottes über die Sünde. In Verbindung mit dieser Lehre entwickelte sich schließlich die Praxis des Ablassverkaufs. Die Kirche begann, Ablässe als Straferlass von Gott zu spenden: Den Empfängern werde die zeitliche Strafe wegen ihrer Sünden zum Teil erlassen, denn ihre Zeit im Fegefeuer werde verkürzt. Die Kirche belegte alle mit dem Bann, die sagten, dass Ablässe nutzlos seien oder dass die Kirche nicht die Macht habe, sie zu gewähren.

Die Verschmelzung der päpstlichen Ideologie mit der biblischen Auslegung ging 1302 sogar so weit, dass die Bulle Unam Sanctam von Bonifatius VIII. verfügte, der Gehorsam gegenüber dem Papst »ist absolut heilsnotwendig«. Päpstliche Erlasse ersetzten bindende Beschlüsse der Konzilien als übliche Form autoritativer Auslegung. Da Rom das Reich Gottes im Sinn der Kirche auslegte, übte der Papst die dogmatische Kontrolle über das ewige Geschick der Menschen aus. Als Besitzer der »Schlüssel des Reiches« nahm er die Macht in Anspruch, die Tore des Reiches zu öffnen und zu schließen - je nachdem, wie treu ihm Menschen ergeben waren. Wer vom Papst exkommuniziert wurde, hatte keine Hoffnung auf Rettung mehr. Ein solcher Mensch galt in der Gesellschaft als Geächteter.

Am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, in der Zeit eines großen geistlichen Tiefstandes, entwickelte sich eine Bewegung, die zu einer wörtlichen Schriftauslegung und zur Suche nach lehrmäßiger Reinheit zurückkehrte. Aus diesem Bestreben, die eigentliche Bedeutung der Schrift herauszufinden und sie sachgerecht zu erklären, entstand eine geistliche Erweckung und schließlich die Reformation.

Siehe auch Hermeneutik, reformatorische .

Michael P. Gendron

Louis Berkhof, The History of Christian Doctrines (Grand Rapids: Baker, 1937); Mark S. Burrows und Paul Rorem, Biblical Hermeneutics in Historical Perspective (Grand Rapids: Eerdmans, 1991); David S. Dockery, Biblical Interpretation Then and Now (Grand Rapids: Baker, 1992); William Webster, The Church of Rome at the Bar of History (Carlisle, Pa.: The Banner of Truth Trust, 1995).

 

HERMENEUTIK

moderne biblische

Der Geltungsbereich dieses Begriffs

Der Geltungsbereich der evangelikalen biblischen Hermeneutik weitete sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus. Infolgedessen schloss er bald die Disziplin der biblischen Theologie ein, weil man den innerbiblischen, über die Zeit fortschreitenden (diachronischen) Prozess von der alttestamentlichen zur neutestamentlichen Offenbarung erkannte. Grammatische Studien gingen über Sprache und Satzbau hinaus und bezogen auch literarische Aspekte ein, weil man erkannte, wie wichtig Form, Rhetorik und literarische Interpretation waren. Zu der historischen Auslegung gehörten der geschichtlichkulturelle Kontext und die rhetorische Situation der ursprünglichen Zuhörer. Dies hat neue Perspektiven eröffnet, die sich früheren Generationen nicht boten.

Diese Entwicklungen spiegeln sich in einer veränderten Beschreibung der biblischen Hermeneutik wider. Sie entwickelte sich von der traditionellen historisch-grammatischen (Ramm 1956, Ryrie 1965) zur historisch-grammatisch-rhetorischen (Mickelsen 1963) und zur historisch-grammatisch-literarisch-theologischen Auslegung (Kaiser 1981; McKim 1986; Mc-Knight 1989; Johnson 1990; Osborne 1991; Klein, Blomberg und Hubbard 1993; Blaising und Bock 1993; Kaiser und Silva 1994). Weil damit kein radikaler Paradigmenwechsel verbunden ist, wird dies nicht immer in der neueren Literatur dargelegt. So verwendet z. B. »Die Chicago-Erklärung zur biblischen Hermeneutik« (1982) weiterhin die traditionelle Überschrift »historisch-grammatisch« (Artikel XV), obwohl sie anerkennt, dass man bei der Exegese literarisches Einfühlungsvermögen braucht (Artikel XIII).

 

HERMENEUTIK

moderne biblische

Biblische Theologie als Analogie zu vorher entstandenen biblischen Texten

Welcher Methode kann sich die analogia scripturae (Analogie der Schrift) bedienen? Mehrere Gelehrte unserer Zeit schlagen vor, dass »die biblische Theologie« bei der Exegese als theologisches Element genutzt werden kann (Childs 1970; Kaiser 1978, 1981; Johnson 1990; Osborne 1991; Blaising und Bock 1993). Anders als die systematische und die historische Theologie verfolgt die biblische Theologie die Langzeitthemen, die in all den verschiedenen Perioden der Heilsgeschichte in dem Maße geoffenbart wurden, wie diese vom Alten zum Neuen Testament fortschritt. Kaiser schlägt vor, dass die biblische Theologie als »Analogie zuvor verfasster Schrift« verstanden wird (Kaiser 1978, 1981). Diese Vorstellung von der »theologischen Exegese« unterscheidet sich von der »Analogie des Glaubens«, weil sie sich auf die diachronische Entfaltung der wichtigsten biblischtheologischen Themen im Offenbarungsfortschritt der Heilsgeschichte stützt. Die »Analogie zuvor verfasster Schrift« ist die »Informations-Theologie«, die sich aus ähnlichen Aussagen (manchmal nur im Ansatz) in früheren Phasen der fortschreitenden Offenbarung ergibt. Jeder Bibeltext hat eine bestimmte theologische Fassette als festen Bestandteil seines inhaltlichen Gefüges. Diese geht oft auf Wurzeln zurück, die bereits in historisch vorausgehenden Texten angelegt sind. So spielen beispielsweise Jesajas Verheißungen, dass Gott die Nachkommen Israels segnen wird, indem er den Geist auf sie ausgießt ( Jes 44,3 ), auf die Zusage an, die Abraham gegeben wurde. Ihr zufolge sollte seine Nachkommenschaft gesegnet werden ( 1Mo 12,2-3 ). Jesaja erweitert jedoch diese allgemeine Verheißung, indem er die geistlichen Segnungen des neuen Bundes einbezieht ( Jer 31,31-34; Hes 36,24-32 ).

Nach Kaiser besteht die Rolle der biblischen Theologie in der Hermeneutik darin, Grundlagen einer »Informations-Theologie« für die Auslegung zu schaffen, indem sie die theologischen Hauptthemen sammelt, sie den diachronischen Perioden des Offenbarungsfortschritts zuordnet und sie um das kanonische Zentrum herum anordnet (1981, 139-139). Wegen des jüngsten Wiederauflebens und Wachstums dieser Disziplin kann diese Integration von biblischer Theologie und biblischer Hermeneutik sowie das Zusammenspiel beider Bereiche jetzt nutzbar gemacht werden.

 

HERMENEUTIK

moderne biblische

Die Entwicklung der biblischen Theologie im 20. Jahrhundert

Während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde das Interesse an alttestamentlicher biblischer Theologie und ihr Einfluss auf die biblische Hermeneutik durch folgende Faktoren gemindert: (1) der destruktive Einfluss der Quellenscheidung, welche die Einheitlichkeit der Religion und Theologie Israels leugnete; (2) die Sichtweise, dass alt und neutestamentliche Theologie voneinander unabhängige und getrennte Disziplinen seien; und (3) die Entstehung der klassischen Lehre von den Heilszeitaltern, welche die Gemeinde als Einschub in der Heilsgeschichte betrachtete und einen radikalen Unterschied zwischen Gottes Plan für Israel und seinem Plan für die Gemeinde machte und die praktische Relevanz des Alten Testaments im Leben des neutestamentlichen Gläubigen bestritt.

Während der 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhunderts nahmen das Interesse an alttestamentlicher biblischer Theologie und ihr Einfluss auf die biblische Hermeneutik wieder zu: (1) Die Quellenscheidung wurde in der kritischen Bibelwissenschaft von der Form- und Redaktionskritik abgelöst, welche die Einheitlichkeit der Theologie Israels in der endgültigen Textform berücksichtigte; (2) die Bekräftigung der grundsätzlichen Einheit der Schrift; (3) die Vorstellung, dass die alttestamentliche biblische Theologie auf die biblische Theologie des Neuen Testaments abgestimmt werden kann; (4) die Rückkehr zur reformatorischen Betonung der Wichtigkeit des Alten Testaments für den christlichen Glauben; und (5) die Entstehung einer revidierten Lehre von den Heilszeiten, die mehr Kontinuität zwischen den Haushaltungen sah als die klassische Lehre von den Heilszeiten. Diese Faktoren stellten die Kontinuität innerhalb der biblischen Theologie des Alten Testaments sowie ihren lückenlosen Zusammenhang mit der neutestamentlichen Theologie heraus, und die biblische Hermeneutik sah größere Kontinuität zwischen alt- und neutestamentlichen Themen.

Während der 50er bis 70er Jahre des 20. Jahrhunderts erlebte die alttestamentliche biblische Theologie in der »Bewegung für biblische Theologie« eine durch mehrere Merkmale gekennzeichnete Blütezeit: (1) Als Reaktion auf das Gedankengut, das von Rad (1901-1971) vertrat, wurde neu die Zuverlässigkeit des biblischen Berichts betont. (2) Durch den Einfluss der von W. F. Albright geführten »Bewegung für biblische Archäologie« wurde man sich neu der Rolle der Geschichte in ihrer Beziehung zur Theologie bewusst. (3) Es gab neue Versuche, das integrierende Zentrum der gesamten biblischen Theologie des Alten Testaments zu finden.

 

HERMENEUTIK

moderne biblische

Wichtige Fragen der modernen Hermeneutik

Die Rolle des Heiligen Geistes bei der Auslegung

Während der Reformations- und nachrefomatorischen Zeit wurde geistliche Erleuchtung im Allgemeinen als Prozess verstanden, der im kognitiven Bereich wirksam ist (insbesondere von Luther, den Pietisten und den Brüdern): Der Nichtwiedergeborene kann das Evangelium nicht verstehen. Es fehlt ihm die Erleuchtung durch den Heiligen Geist. Auch kann kein Gläubiger ohne diese Erleuchtung die Schrift richtig auslegen. Diese Ansicht wird heute noch immer von vielen vertreten. Einige gehen noch weiter und behaupten gar, dass Hermeneutik bedeutungslos sei, da ja der Geist wirken müsse.

Mehrere Ausleger der Neuzeit haben aus 1Kor 2,14-16 gefolgert, dass geistliche Erleuchtung vorrangig im Willensbereich und weniger auf kognitivem Gebiet wirkt. Die Schrift verdeutlicht als Grundsatz, dass selbst die Nichtwiedergeborenen biblische Wahrheiten verstehen, diese aber bewusst ablehnen. Die Wirkung des Geistes ist nicht so sehr, dass ihnen Wahrheiten auf kognitive Weise geoffenbart werden, sondern dass er die Betreffenden willig macht, das Evangelium anzunehmen, und seinen Wert, seine Kostbarkeit, Bedeutung und Vollmacht in ihrem eigenen Leben, ihrer Situation und ihrem Umfeld wahrzunehmen. Die Erleuchtung durch den Geist bietet dem Auslegenden keine Patentlösung, mit deren Hilfe er die schweißtreibende Exegese umgehen kann (Ramm 1958, 1959; Fuller 1978, 1980; Kaiser 1980-81; Klooster 1984; Zuck 1984; Johnson 1990; Klein, Blomberg und Hubbard 1993).

 

HERMENEUTIK

moderne biblische

Wichtige Fragen der modernen Hermeneutik

Typologische Auslegung

Bereits die Ausleger der antiochenischen Schule (3.-5. Jahrhundert n. Chr.), welche die historisch-grammatische Exegese benutzten, sahen die Typologie vorwiegend im Bereich der voraussagenden Prophetie als Grundlage für die Einheit zwischen Altem und Neuem Testament an. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Typologie von Vertretern der klassischen Lehre von den Heilszeiten beherrscht, die hermeneutisch zweigleisig vorgingen, indem sie eine geistliche (typologische) und eine wörtliche (historisch-grammatische) Auslegung sahen. Weil jede Heilszeit in sich abgeschlossen war, verstand man Typologie vertikal (Himmel-Erde- Richtung) und nicht horizontal (historisch). Irdische Gegenstände waren Darstellungen oder Sinnbilder himmlischer Sachverhalte, sagten aber keine heilsgeschichtlichen Details voraus.

Foulkes (1958) wies nach, dass die typologische (theologisch-eschatologische) Auslegung der Geschichte im Alten Testament ihren Ursprung hat. Die typologische Auslegung des Alten Testaments beruht auf der theologischen Kontinuität (Unwandelbarkeit Gottes, Natur des Menschen und Kontinuität in der grundlegenden Beziehung zwischen Gott und Mensch). Weil sich das, was Gott in der Vergangenheit getan hat, wiederholt, und weil Gott unwandelbar ist, kann man die Zukunft, von der Vergangenheit her gesehen, voraussagen. Die Propheten stellten Gott als den dar, der zukünftig handelt, wie er es in der Vergangenheit getan hat (z.B. Berufung Abrahams, Auszug aus Ägypten, Herrschaft Davids), jedoch auf einer höheren und noch nie dagewesenen Ebene (z.B. neuer Auszug, neuer Tempel, neuer Bund, neue Schöpfung). Der Messias wird dargestellt in Begriffen von großen Führern und Befreiern der Vergangenheit (neuer Mose, neuer Josua, neuer David). Diese typologischen Beschreibungen im Alten Testament dienten als Grundlage für die neutestamentliche Auslegung der Geschichte des Alten Testaments im typologischen Sinn.

Progressive Vertreter der Heilszeitenlehre unserer Zeit sehen die Typologie als Aspekt der historisch-literarischen Auslegung an (Blaising und Bock, Saucy). Gott handle zu verschiedenen Zeiten auf ähnliche Weise, sodass das ursprüngliche Ereignis einem späteren Geschehen zugrunde liege und ihm als Modell diene. Ein Ereignis tritt ins Blick-feld und erklärt somit das andere. Doch auf lange Sicht scheint dies gegen die grammatisch-historische Auslegungsmethode zu verstoßen, die bisher ein Grundpfeiler der evangelikalen Welt gewesen ist, wenn es um überzeugende, solide Hermeneutik ging. Und dies ist auch das Kennzeichen der Leh-re von Heilszeiten gewesen. Die progressi-ven Vertreter der Heilszeitenlehre haben ei-nen wichtigen Wechsel vollzogen, der sich auf ein eindeutiges Bibelstudium und ein klares schriftgemäßes Verständnis negativ auswirken könnte.

Zu dem Ansatz der progressiven Heils-zeitler scheinen noch andere Faktoren hin-zuzukommen: z.B. der historische Kontext des Auslegers, die Frage der Tradition, die Rolle des Vorverständnisses des Auslegers und die so genannte »hermeneutische Spi-rale«. Blaising und Bock bezeichnen dies als den »historisch-grammatisch-litera-risch-theologischen« Ansatz, der ihnen anspruchsvoller erscheint und sich somit von der einfachen grammatischhistorischen Auslegung stark unterscheidet.

Viele glauben, dass die Lehre von den Heilszeiten aufgrund des Ansatzes der progressiven Heilszeitler viel von ihrer Geschlossenheit und Stärke - einer einheitlichen Methode der Schriftauslegung - verlieren wird. Durch die progressiven Heilszeitler wird in der Hermeneutik ein größerer Bereich der Subjektivität hinzukommen. Daraus ergibt sich - wenn auch vielleicht ohne Absicht - ein vielschichtiges Lesen des Bibeltextes. Das Ergebnis ist eine »komplementäre« Bedeutung. Es kann bis zu drei Schichten beim Lesen eines Textes geben. Bock schreibt dazu: »Eine solche Hermeneutik bringt bei einem Text verschiedene Sinnschichten und Besonderheiten hervor, da der Ausleger vom unmittelbaren Kontext zu weiter entfernten Aspekten wandert.« Viele meinen, dass sich die progressiven Heilszeitenlehre wegen ihrer Kompliziertheit unter den Hermeneutikern kaum halten wird.

Siehe auch: Dispensationalismus, progressiver .

Gordon H. Johnston und Mal Couch

D. L. Baker, »Typology and the Christian Use of the Old Testament« in SJ T, 29,137-157 (1976); A. Berlin, Poet i cs and Interpretation of Biblical Narrative (Sheffield: The Almond Press, 1983); C. A. Blaising und D. L. Bock, Progressive Dispensationalism (Wheaton: Victor Press, 1993); D. A. Carson und J. D. Woodbridge, Hg., Hermeneutics, Authority, and Canon (Grand Rapids: Zondervan, 1986); D. P. Fuller, »The Holy Spirit´s Role in Interpretation« in Scripture, Tradition, and Interpretation , Hg. W. W. Gasque und W. S. LaSor (Grand Rapids: Eerdmans, 1978), 189-191; E. E. Johnson, Expository Hermeneutics: An Introduction (Grand Rapids: Zondervan, 1990); W. C. Kaiser jun., »Legitimate Hermeneutics« in Inerrancy , Hg. N. Geisler (Grand Rapids: Zondervan, 1979), 117-147; Toward an Exegetical Theology (Grand Rapids: Baker, 1981), und The Uses of the Old Testament in the New (Chicago: Moody Press, 1985); W. C. Kaiser jun. und M. Silva, An Introduction to Biblical Hermeneutics (Grand Rapids: Zondervan, 1994); W. W. Klein, C. L. Blomberg und R. L. Hubbard, Introduction to Biblical Hermeneutics (Dallas: Word, 1993); R. Knierim, »Criticism of Literary Features, Form, Tradition, and Redaction«, in The Hebrew Bible and Ist Modern Interpreters , Hg. D. A. Knight und G. M. Tucker (Philadelphia: Fortress Press, 1985), 126-127; T. Longman III, »The Literary Approach to the Study of the Old Testament: Promise and Pitfalls« in JET S, 28,385 (1985); D. McCartney und C. Clayton, Let the Reader Understand (Wheaton: Victor, 1994); D. K. McKim, Hg., A Guide to Contemporary Hermeneutics (Grand Rapids: Eerdmans, 1986); G. Osborne, The Hermeneutical Spiral (Downers Grove, Ill., InterVarsity, 1991); B. Ramm, Protestant Biblical Interpretation (Grand Rapids: Baker, 1970); E. D. Radmacher und R. D. Preus, Hg., Hermeneutics, Inerrancy, and the Bible (Grand Rapids: Zondervan, 1984); R. L. Thomas, »The Hermeneutics of Progressive Dispensationalism« in TMSJ 6,79-95 (1995); R. B. Zuck, »The Role of the Holy Spirit in Hermeneutics« in BibSa c, 141,120-129 (1984).

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die nachreformatorische Zeit wies eine Vielfalt von hermeneutischen Ansätzen auf. Die historische Entwicklung der Hermeneutik wurden von acht wichtigen Einflüssen bestimmt, und zwar: Konfessionalismus, Pietismus, Historizismus, Textkritik, Rationalismus, wissenschaftlicher sowie philosophischer Empirismus und Bibelkritik.

Der Konfessionalismus schuf das hermeneutische Problem der Beziehung zwischen der Verteidigung der lehrmäßigen Orthodoxie und der exegetischen Freiheit. Der Pietismus zeigte das hermeneutische Problem der Beziehung zwischen persönlichem und gottesdienstlichen Verständnis der Schrift auf. Der Historizismus konzentrierte sich auf hermeneutische Fragen im Zusammenhang mit der Methode der historisch-grammatischen Exegese im Licht der ursprünglichen historischen Bibeltexte (Textkritik) und ihrer ursprünglichen Bedeutung im jeweiligen geschichtlichen Kontext ihrer Entstehung. Der Rationalismus warf das hermeneutische Problem auf, in welcher Beziehung Glaube und Vernunft bei der Schriftauslegung zueinander stehen. Der Empirismus forderte die empirische Überprüfung theologischer Wahrheiten. Die Bibelkritik erfand eine hermeneutische Methode, die sich allein darauf konzentrierte, Verfasserschaft und Aufbau der biblischen Texte zu bestimmen, um so die Echtheit des Inhalts einschätzen zu können (Quellen- und Literarkritik).

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Hermeneutik der dogmatischen Theologie

Nach dem Konzil von Trient (1543-1563) begannen die Protestanten, ihre eigenen Glaubensbekenntnisse zu verfassen, um ihre Ansichten zu verteidigen. Diese Periode wurde eine Zeit des theologischen Dogmatismus, der Verfolgung von Ketzern und des streng bekenntnisorientierten Protestantismus. Die Exegese wurde durch Dogmatismus, die Freiheit durch Tradition abgelöst. Der Konfessionalismus trennte sich von der freien theologischen Arbeitsweise, vollzog eine Abkehr von der Kultur, fand keinen Zugang zur erwachenden Wissenschaft und endete schließlich in innerkirchlichen theologischen Debatten.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Hermeneutik der dogmatischen Theologie

Ablösung der exegetischen Hermeneutik durch die dogmatische Hermeneutik

Nach dem Konzil von Trient kehrten die Reformatoren, um den Traditionalismus der römischkatholischen Kirche zu überwinden, zum Wortlaut der Schrift zurück, indem sie die Exegese betonten. Unter dem Druck des gegenreformatorischen Rückgriffs auf Glaubensbekenntnisse begann die nachreformatorische Kirche, ihren eigenen Dogmatismus einzuführen. Ironischerweise brachte genau die Bewegung, die aus der Ablehnung des Traditionalismus entstanden war, ihren eigenen Traditionalismus und Dogmatismus hervor. Die Hermeneutik der Reformation betonte die alleinige Autorität der Schrift und die vom katholischen Traditionalismus befreite historisch-grammatische Exegese. Die Ergebnisse der reformatorischen Exegese wurden nun in Aussagen von Glaubensbekenntnissen systematisch festgehalten, die bald die neue Orthodoxie der nachreformatorischen Kirche bildeten. Die Hermeneutik der nachreformatorischen Zeit war fast ausschließlich zur Methode einer Exegese herabgesunken, die auf der Grundlage der reformatorisch bedingten Annahmen nach Belegstellen suchte. Die biblische Hermeneutik war kaum mehr als eine raffiniert getarnte Theologie der Grundvoraussetzungen, welche die dogmatischen Annahmen der Glaubensbekenntnisse verteidigen sollte. Die Hermeneutik wurde auf ein Regelwerk reduziert, mit dem man den Text wörtlich so las, dass die dogmatischen Vorverständnisse der orthodoxen Theologen bestätigt wurden.

Als Reaktion auf das Konzil von Trient ließ M. Flacius in seinem Werk Clavis Scripturæ Sacræ (1567) durchblicken, dass die Katechismen und Glaubensbekenntnisse der Reformation der entscheidende Maßstab für die protestantische Auslegung waren. Daher beruhte die nachreformatorische protestantische Auslegung nicht auf exegetischer historischgrammatischer Hermeneutik, sondern auf dogmatischer Hermeneutik. Sie sollte Glaubensbekenntnisse untermauern und bediente sich bestimmter, von Grundannahmen ausgehender Folgerungen, die man aus nicht zusammenhängenden Belegtexten gewann. Das entscheidende hermeneutische Prinzip war die dogmatische, von Grundannahmen ausgehende Exegese. Eine durch Belegstellen gestützte Theologie beherrschte die Exegese, was im Gegensatz zum reformatorischen Ideal - der Vorrangstellung der Exegese gegenüber der Theologie - stand. Dadurch kam der hermeneutische Fortschritt zum Stillstand. Außerdem gingen wegen des Ballasts erstarrter Dogmen die Originalität in der Exegese und viele neue theologische Einsichten verloren.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Hermeneutik der dogmatischen Theologie

Ausweitung des Konfessionalismus und der dogmatischen Hermeneutik

Während der Reformationszeit wurden eifrig exegetische Kommentare veröffentlicht, nachdem sich die Gelehrten von der starren Vorherrschaft des katholischen Traditionalismus gelöst hatten. Während der nachreformatorischen Zeit entstand jedoch eine Vielzahl von streng bekenntnisorientierten Abhandlungen. Die Zunahme des Konfessionalismus wurde durch zwei Faktoren bestimmt. Erstens begannen die nachreformatorischen Protestanten als Reaktion auf das Konzil von Trient ihre Glaubensbekenntnisse zu verfassen, um ihre Lehren zu verteidigen. Zweitens förderte die durch die Reformatoren gewonnene exegetische Freiheit das individuelle Schriftstudium, was zu einer Fülle neuer Auslegungen und unterschiedlicher theologischer Schlussfolgerungen führte. Der Grundsatz der Reformatoren, »Die Bibel legt sich selbst aus«, funktionierte so lange gut, wie jedermann zu den gleichen Auslegungen kam. Doch statt exegetische Freiheit zu gestatten und das gegenseitige theologische Gespräch zu fördern, spaltete sich der nachreformatorische Protestantismus in miteinander streitende Lager, wobei sich jedes als Verfechter der neuen Orthodoxie von den anderen streng abgrenzte.

Damals veröffentlichte fast jede bedeutende Stadt und protestantische Gruppierung ihr eigenes Glaubensbekenntnis, so z.B. die Marburger Artikel (1529), das Augsburger Bekenntnis (1530), die Confessio Tetrapolitana (1530), die Wittenberger Konkordie (1536), die Schmalkaldischen Artikel (1537), die Confessio Helvetica posterior (1566), die Konkordienformel (1580), die 39 Artikel (1562) und das Westminster-Bekenntnis (1643). Jedes Mal verband sich damit die Hoffnung auf lehrmäßige Einheit im Rahmen formaler Übereinstimmung. Statt Kontroversen zu schüren oder zu mehren, wollte man sie auch dadurch, dass man Glaubensbekenntnisse bis ins Kleinste ausformulierte, beenden. Die erstarrten Glaubensbekenntnisse und die fehlende Toleranz unter den Gruppierungen führten jedoch zur Zersplitterung des Protestantismus. Die lutherischen und reformierten Kirchen verbrauchten ihre geistliche Kraft in Lehrstreitigkeiten, die nur Theologen bekannt waren und an Haarspaltereien grenzten.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Hermeneutik der dogmatischen Theologie

Die Hermeneutik des Westminster-Bekenntnisses

Die Zunahme des Konfessionalismus wirkte sich in vielerlei Hinsicht negativ auf die exegetische Hermeneutik aus. Das Westminster-Bekenntnis bestätigte die exegetischen Ideale der Reformatoren und verbesserte die exegetische Hermeneutik. Es wurde 1647 vom englischen Parlament und 1649 vom schottischen Parlament angenommen als Zusammenfasssung der Glaubenssätze des britischen Calvinismus. Unter all den Glaubensbekenntnissen ging es die Frage der Hermeneutik am unmittelbarsten an, indem es die hermeneutischen Lehrsätze von Luther und Calvin bestätigte und verbesserte. Die Erleuchtung des Geistes sei notwendig, um die grundlegende Botschaft der Schrift zu verstehen: »Wir erkennen die innere Erleuchtung des Heiligen Geistes als notwendig an, um die Dinge, die im Wort geoffenbart sind, zu verstehen.« Diese Erleuchtung führe zu einer grundsätzlichen Verständlichkeit der Schrift: »In der Schrift sind weder alle Dinge in sich selbst klar noch gleich verständlich für jeden; doch sind die Dinge, die notwendig sind zu wissen, zu glauben und zu halten, so deutlich vorgestellt und eröffnet an der einen oder anderen Stelle der Schrift, dass nicht nur der Geschulte, sondern auch der Ungeschulte beim rechten Gebrauch der normalen Mittel zu einem ausreichenden Verständnis dessen gelangen kann« (Artikel 1.7). Dieses »normale Mittel« zum Verständnis unklarer Schriftstellen ist die »Analogie der Schrift«: »Die unfehlbare Regel der Schriftauslegung ist die Schrift selbst. Deswegen muss, wenn eine Frage über die wahre und volle Bedeutung einer Schriftstelle vorliegt (die nur einen Wortsinn zulässt), das mit Hilfe anderer Stellen, wo deutlicher davon die Rede ist, erforscht und erkannt werden« (Artikel 1.9).

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung des Pietismus

Die erste Bewegung, die dem nachreformatorischen Konfessionalismus kritisch gegenüberstand, war der Pietismus, der die dogmatische und formalistische Art der Schriftauslegung missbilligte. Die protestantische Kirche war in ihre eigene Form der Scholastik zurückgefallen. Intellektuelle Übereinstimmung mit dem protestantischen Dogma war wichtiger als persönliche Frömmigkeit und Heiligung. Als Reaktion auf diesen sterilen Dogmatismus hob der Pietismus persönliche Frömmigkeit und inneres geistliches Leben hervor. Im Gegensatz zum ausgelaugten intellektuellen Dogmatismus der protestantischen Scholastik und dem sterilen Formalismus protestantischer Gottesdienste griff er wieder den praktischen Vollzug des christlichen Glaubens als Lebensstil auf, der sich in Hausbibelkreisen, Gebet und der Pflege einer persönlichen Sittlichkeit niederschlug. Um seine Ziele zu untermauern, schuf der Pietismus eine neue Hermeneutik, bei der er die persönliche Erfahrung des Bibelauslegers hervorhob. Somit ließ der Pietismus das hermeneutische Problem der Beziehung zwischen persönlichem und gottesdienstlichen Verständnis der Schrift entstehen.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung des Pietismus

Jakob Böhme

Der Pietismus entstand im 17. Jahrhundert in Deutschland und breitete sich später in Westeuropa und Nordamerika aus. Seine Wurzeln lagen jedoch in der Mystik von Jakob Böhme (1575-1624). Er lehrte, dass man unabhängig von der Schrift Gott unmittelbar erkennen und durch subjektive Erfahrung mit ihm direkt Gemeinschaft haben könne. Er betonte die Überlegenheit persönlicher Erfahrung gegenüber bekenntnismäßiger Übereinstimmung. Die Subjektivität trat an die Stelle der objektiven exegetischen Hermeneutik der Reformatoren und der erstarrten dogmatischen Hermeneutik der Konfessionalisten.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung des Pietismus

Philipp Jakob Spener

Philipp Jakob Spener (1635-1705), ein deutscher Pastor lutherischer Prägung, war der Begründer des Pietismus. Er missbilligte den toten Formalismus und erstarrten Konfessionalismus der protestantischen Scholastik, die zu einer Theologie der bloßen Worte verkommen war und der persönliche Frömmigkeit und individuelle Gemeinschaft mit Gott fehlten. In Pia desideria (1675) und Das Geistliche Priestertum (1677) betonte er die Notwendigkeit einer persönlichen Bekehrung zu Christus und einer innigen persönlichen Beziehung zu Gott, die Notwendigkeit eines heiligen Lebenswandels, das Priestertum aller Gläubigen und ein von Bibelstudium und Gebet geprägtes Leben. Spener reagierte auf die dogmatische Hermeneutik, der es nur um lehrmäßige Interessen ging, und hob das erbauliche und praktische Bibelstudium hervor. Er befürwortete eine exegetische, historisch-grammatische Hermeneutik, deren Ziel darin bestand, die erbaulichen und praktischen Auswirkungen des Schriftstudiums im Leben des Gläubigen umzusetzen.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung des Pietismus

August Hermann Francke

August Hermann Francke (1663-1727) betonte das unmittelbare persönliche Bibelstudium. Obwohl Kommentare hilfreich seien, sollten sie das Schriftstudium selbst nicht ersetzen. Während der Einzelne das Recht habe, persönliche Auslegungen zu finden, hob Francke auch die Notwendigkeit einer historisch-grammatischen Exegese - insbesondere die Sprachwissenschaft - hervor. Er betonte ebenso, dass nur der Wiedergeborene die Bibel verstehen könne und dass die geistliche Erleuchtung für die richtige Auslegung notwendig sei.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung des Pietismus

John Wesley

John Wesley (1703-1791) war der Führer der pietistischen Bewegung in England, deren Anliegen die Förderung einer lebendigen individuellen Frömmigkeit und Heiligkeit durch persönliches Bibelstudium und Gebet war. Wesley betonte stark, dass die Schrift verständlich sei. Nicht nur die grundlegende Heilsbotschaft sei klar, sondern auch die ganze Bibel: Sie könne vom einfachen Gläubigen erfasst und verstanden werden - allerdings je nachdem, wie ernst der Betreffende sein Glaubensleben nehme. Wesley verteidigte die vollständige Verständlichkeit der Schrift und sagte, dass die Bibel in ihrer Gesamtheit den Leser zu Christus weise. Wenn irgendetwas nicht klar zu sein scheine, solle man einfach Christus in die jeweilige Stelle einbeziehen.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung des Pietismus

Jonathan Edwards

Jonathan Edwards (1703-1758), die führende Gestalt des Pietismus in Nordamerika, erreichte eine Ausgewogenheit, die anderen Pietisten fehlte. Im Gegensatz zu Spener und Wesley wollte er beim Schriftstudium nicht nur praktische Anwendungen, sondern auch lehrmäßige Unterweisung finden. Seine Hermeneutik war durch die typologische Exegese im Alten Testament gekennzeichnet, mit deren Hilfe er christologische Prophetien und praktische Anwendungen ableiten konnte. So seien beispielsweise die sieben Jahre harter Arbeit, die Jakob aus Liebe zu Rahel ertrug ( 1Mo 29,20 ), ein Bild von der Tat Christi, der aus Liebe zu der Gemeinde das Kreuz erlitt.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung der historischen Kritik

In früheren Zeiten hatten Theodor von Mopsuestia, Chrysostomus und die Reformatoren bis zu einem gewissen Grad versucht, die Schrift historisch auszulegen. Mit der Entwicklung der empirischen Wissenschaften nahm das Verständnis für das genaue Wesen einer historischen Wissenschaft zu. Die Schrift wurde in historischer Hinsicht gründlicher untersucht als je zuvor. Man erkannte immer mehr, wie wichtig Abfassungszeitpunkt, historischkultureller Hintergrund und geschichtlicher Anlass für die biblischen Bücher sind. Diese neue Betonung der dem biblischen Text zu Grunde liegenden historischen Situation entlarvte die Unzulänglichkeit der Methode, die Schrift lediglich als Quelle von Belegtexten zu verwenden, die aus ihrem literarischen und geschichtlichen Zusammenhang gerissen wurden. Die Entstehung des Historizismus führte zu einem Niedergang der dogmatischen, sich auf Belegstellen stützenden hermeneutischen Methode des Konfessionalismus und leitete die Zeit der historisch-kritischen Forschung ein. Die historische Kritik führte zu einem Verständnis der fortschreitenden Offenbarung (Coccejus, 1603-1669) und zur Entwicklung einer historisch-biblischen Theologie (Gabler, 1753-1826).

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Die Entstehung der historischen Kritik

Vertreter der historischen Kritik

Einen wesentlichen Impuls für die Entwicklung der historischen Kritik gab Hugo Grotius (1583-1645). Er stellte eine historische Auslegung vor, die ausschließlich die geschichtlichen Verhältnisse der Schreiber berücksichtigte. So behauptete Grotius beispielsweise, dass der Knecht in Jesaja 53 nicht Jesus, sondern Jeremia gewesen sei, der während der babylonischen Gefangenschaft zu Unrecht leiden musste.

Jean-Alphonse Turretin (1671-1737), reformierter Theologe in Genf, veröffentlichte 1728 eine systematische Hermeneutik, die auf eine historisch-literarische Schriftauslegung abzielte:

Die Schrift sollte wie jedes andere Buch ausgelegt werden. Da derselbe Gott, der in der Schrift Offenbarungen gab, Menschen auch mit Vernunft begabt hat, mit deren Hilfe man Mitteilungen verstehen kann, ist der Mensch imstande, die Schrift ebenso wie jede andere Mitteilung zu erfassen.

Da sie ein geschichtliches Buch ist, muss die Schrift vom historisch-kulturellen Hintergrund der biblischen Autoren und nicht von irgendeinem modernen Standpunkt aus verstanden werden. Die Worte und Meinungen der heiligen Schreiber muss man in ihrem Bezug zu ihrem eigenen historisch-kulturellen Hintergrund verstehen.

Das Ziel der Auslegung besteht darin, die ursprüngliche Absicht des Autors in ihrem historisch-literarischen Kontext zu bestimmen.

Die Schrift muss im Licht des Gesetzes der Widerspruchslosigkeit (ein Sachverhalt kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein) ausgelegt werden. Daher trifft keine Auslegung zu, die sich nicht mit einem bereits als wahr bekannten Sachverhalt vereinbaren lässt.

Der Ausleger sollte (in Anlehnung an Thomas von Aquin) das Licht des natürlichen Verstandes gebrauchen, um scheinbare Widersprüche miteinander zu vereinbaren.

Da man die Schrift wie jedes andere Buch für sich selbst sprechen lassen sollte, muss sich der Verstand - der dem Gesetz des Widerspruchs unterliegt - frei von jeglichen modernen Grundannahmen der Bibel nähern, als sei sie ein unbeschriebenes Blatt.

Im Jahr 1750 betonte Johann Wettstein (1693-1754) die Bedeutung des historisch-kulturellen Umfelds der biblischen Autoren. Die Auslegung sollte im Licht der Weltsicht, der Denkgewohnheiten und der sprachlichen Besonderheiten der antiken Welt erfolgen, in der die biblischen Autoren zu Hause waren. So zeigte Wettstein beispielsweise, dass für die Exegese der Evangelien das Studium rabbinischer Literatur hilfreich ist.

Johann Ernesti (1707-1781) war einer der hervorragendsten Exegeten des 18. Jahrhunderts und veröffentlichte ein Lehrbuch zur Hermeneutik, das über einhundert Jahre lang für die neutestamentliche Auslegung maßgeblich sein sollte. Er betonte die Bedeutung der Exegese im Licht des historisch-kulturellen und literarischen Hintergrunds der biblischen Autoren.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Einfluss der Textkritik

Textkritik des Alten Testaments

Als das während der Renaissance erneut einsetzende Studium antiker Texte auf die Heilige Schrift angewandt wurde, stellte man fest, dass der biblische Text, historisch gesehen, den gleichen Einflüssen ausgesetzt gewesen war wie andere Dokumente. Obwohl das Studium der alttestamentlichen Texte durch den Mangel an Textmaterial erschwert wurden, kam man voran, als die Gelehrten bemerkten, dass die masoretischen Vokalzeichen erst spät auftraten und dass die masoretischen Konsonanten an bestimmten Stellen nicht immer zuverlässig waren. Elia ben Ascher (1469-1549) brachte die gelehrte Welt 1538 aus der Fassung, als er nachwies, dass die Vokalzeichen und Akzente des masoretischen Textes erst einige Zeit nach Abfassung des konsonantischen Textes gesetzt wurden (frühestens im 6. Jahrhundert n. Chr.). Die Ansicht, dass die Konsonanten des masoretischen Textes unantastbar waren, ebnete schließlich den Weg zu den Veröffentlichungen von Louis Cappel (1585-1658), Jean Morin (1659) und Richard Simon (1678), die Unterschiede zwischen der Septuaginta (LXX) und dem masoretischen Text aufzeigten. In einer Veröffentlichungsreihe wies Louis Cappel, der oft als »Vater der alttestamentlichen Textkritik« bezeichnet wird, nach, dass die Schlussfolgerungen ben Aschers bezüglich der masoretischen Vokalzeichen richtig waren. Außerdem zeigte er, dass der masoretische Text selbst alles andere als zuverlässig war. In seinem epochalen Werk Critica Sacra (1650) untersuchte Cappel die Kethiv-Qere-Lesarten, den samaritanischen Pentateuch, die Septuaginta und alttestamentliche Zitate im Neuen Testament.

 

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nachreformatorische (1650-1800)

Einfluss der Textkritik

Textkritik des griechischen Neuen Testaments

Ähnliche Forschungen gab es zum Neuen Testament. Schon früh hatten die ersten Ausgaben des griechischen Textes durch Erasmus (1516), Ximénes (Complutenser Polyglotte, 1522) und Simon de Colines (1534) aufgezeigt, dass die verschiedenen griechischen Handschriften untereinander große Unterschiede aufwiesen. In seiner dritten Ausgabe des griechischen Textes (1551) verglich Robert Estienne erstmals die Varianten des griechischen Neuen Testaments von Erasmus' vierter (1527) und fünfter (1535) Ausgabe, die Lesarten der Fußnoten der Complutenser Polyglotte und fünfzehn andere Handschriften miteinander. Bei seinen zahlreichen Ausgaben des griechischen Neuen Testaments benutzte Theodor Beza mehrere alte Übersetzungen. Lucas Brugensis (1580) hob die Bedeutung der neutestamentlichen Zitate in der Literatur der Kirchenväter hervor. Die weitere Entwicklung der neutestamentlichen Textkritik wurde jedoch durch die weit verbreitete Bindung an den Textus Receptus behindert. Dieser erschien in England in der 1550 von Estienne veröffentlichten Ausgabe und 1663 in der für das übrige Europa bestimmten Ausgabe der Gebrüder Elzevir.

Als der Codex Alexandrinus 1628 in England auftauchte, erwachte neues Interesse an der Textkritik. Dies ebnete den Weg für wissenschaftliche Versuche im 17. und 18. Jahrhundert, den Wortlaut des Urtextes zu rekonstruieren. Damals wurden große Fortschritte bei dem Vorhaben erzielt, den Urtext des Neuen Testaments zu bestimmen. Johann Albrecht Bengel (1687-1752), als Vater der modernen neutestamentlichen Textkritik bekannt, war der erste, der das Bestehen von Textfamilien auf der Grundlage gemeinsamer Merkmale erkannte. Bengel veröffentlichte 1734 eine kritische Ausgabe des griechischen Neuen Testaments, der ein kritischer Kommentar beigefügt war. Er wählte seine Lesarten in seinem griechischen Neuen Testament nach der Einteilung von Handschriften in Textfamilien und dem Prinzip aus, dass man der schwierigeren Lesart den Vorzug geben müsse. Johann Jakob Wettstein (1693-1754) verglich viele neutestamentliche Handschriften und veröffentlichte im Jahr 1751 ein zweibändiges griechisches Neues Testament mit einem Textkommentar. Die 1633 vorgenommene Defacto-Kanonisierung des griechischen Textus Receptus durch den Protestantismus wurde aufgrund der gründlicheren Bemühungen von Bengel und Wettstein schließlich hinfällig. Andere Gelehrte folgten ihrem Beispiel und klassifizierten und bewerteten neutestamentliche Handschriften. Dabei wurden sie sich immer mehr bewusst, wie viel man noch tun musste, um all die Varianten an den verschiedenen Textstellen zu katalogisieren und zu entscheiden, welche Variante die beste ist.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Der Einfluss des Rationalismus

Als man sich in der Renaissance zunehmend auf die menschliche Vernunft verließ, entstand eine intellektuelle Bewegung, die sich auf die biblische Hermeneutik in der nachreformatorischen Zeit drastisch auswirkte - der Rationalismus. Ironischerweise liegen die Wurzeln des Rationalismus im christlichen Humanismus von Gelehrten wie Erasmus. Im Dienst der Kirche hatten sie mit ihrer Vernunft die Bibel in den Urtextsprachen studiert. Sie glaubten auch, dass die Vernunft bei der Erforschung der Bibel Christen helfe, ihren Glauben zu festigen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Waffe der Vernunft nicht nur gegen die Autorität der Kirche, sondern auch gegen die Schriftautorität eingesetzt. Dies bereitete den Boden für eine völlige Infragestellung der biblischen und kirchlichen Autorität im 19. Jahrhundert.

Die führenden Rationalisten waren Thomas Hobbes (1588-1679), René Descartes (1596-1650), John Locke (1632-1703) und Baruch Spinoza (1632-1677). Sie stellten die hermeneutischen Grundlagen der traditionellen Orthodoxie in Frage, als sie behaupteten, dass die menschliche Vernunft das Glaubens- und Wahrheitskriterium werden müsse. Der menschliche Intellekt sei imstande zu entscheiden, was wahr und falsch ist. Er tue dies, indem er über alles nachdenke, was dem Geist in einer Raum-Zeit-Welt begegne, und nicht aufgrund der Offenbarung eines transzendenten Gottes. Die Bibel sei dort wahr, wo sie den Schlussfolgerungen der unabhängigen menschlichen Vernunft entspreche. Was jedoch nicht mit den Vernunftschlüssen übereinstimme, könne ignoriert oder abgelehnt werden. Für den Rationalismus war der Glaube der traditionellen Orthodoxie mit der Vernunft unvereinbar. Im Gegenzug verwarfen John Wesley und andere Protestanten die menschliche Vernunft, die nichts als verdorben und gefallen sei.

Von der konfessionellen Orthodoxie enttäuscht, schälten die Rationalisten aus dem, was sie als theologische Hülle der Schrift ansahen, den schlichten Kern biblischer Wahrheit heraus, den sie mit Hilfe der historischen Forschung und der menschlichen Vernunft zu finden suchten. Hobbes schloss aus dem inneren Sachverhalt der fünf Bücher Mose, dass Mose lange vor der Vervollständigung des Pentateuchs gelebt habe und daher nicht sein Verfasser sein könne. Spinoza lenkte die Aufmerksamkeit auf die angeblichen literarischen Ungereimtheiten, historischen Widersprüche und chronologischen Schwierigkeiten im ersten Buch Mose. Er meinte daher, dass nicht Mose, sondern Esra den Pentateuch sowie die Bücher Josua und Richter und auch die Samuelund Königebücher geschrieben habe. Spätere Redaktoren hätten die Bücher von der Genesis bis zu den Königebüchern revidiert, während die Chronikbücher nach 164 v. Chr. geschrieben worden seien.

Die rationalistische Auffassung, die Thomas Hobbes (1588-1679) über die Offenbarung vertrat, führte zu einer subjektiven Hermeneutik mit rein politischen Zielen. Er leugnete zwar nicht, dass Gott sich direkt oder indirekt durch Vermittlung eines menschlichen Werkzeugs offenbaren könne. Man könne jedoch nicht wissen, ob sich Gott offenbart hat oder nicht. Daher könne man auch nicht wissen, ob man die theologische Autorität der Schrift akzeptieren solle oder nicht. Folglich machte sich Hobbes nur die Schriftabschnitte mit praktischem bzw. pragmatischem Wert zu eigen. So seien beispielsweise die Zivilgesetze nützlich für die politischen Institutionen.

Baruch Spinoza (1632-1677), der aus Holland stammende jüdische Philosoph, versuchte, das Gebiet der Philosophie von den Ansprüchen der Theologen zu befreien, indem er behauptete, dass Theologie (Offenbarung) und Philosophie (Vernunft) voneinander getrennte Bereiche seien. Die Schrift solle der Autorität menschlicher Vernunft unterworfen werden, und nicht umgekehrt. In seinem ursprünglich anonymen Tractatus Theologico-Politicus (1670) trat Spinoza für die Vormachtstellung der Vernunft bei der Schriftauslegung ein. Die Schrift solle wie jedes andere Buch studiert werden - indem man die Regeln der historischen Forschung benutzt. Aus Sicht der Vernunft liege immer dort, wo nach biblischem Anspruch Gott in die Geschichte direkt eingegriffen hat, einfach eine übliche jüdische Ausdruckweise und keine Offenbarung vor. Wundergeschichten seien weiter nichts als eine überzeugende Methode, unwissende Menschen zum Gehorsam zu bewegen. Somit solle man die Bibel nur von ihren historischen Anliegen her studieren. Spinoza legte mehrere hermeneutische Regeln für die historische Auslegung fest. Sie betreffen u.a. die Bedeutung des Hebräischen und Griechischen, den geschichtlichen Hintergrund, hebräische Redensarten und die antiken Weltsichten. Richtige Auslegung sei unmöglich, wenn keine Textkritik durch die Vernunft dazukomme. Um die Bibel zu verstehen, müsse der Ausleger sie genau so betrachten, wie ein Naturforscher die Phänomene der Natur beobachtet. Hören auf die Schrift sei Sache der menschlichen Vernunft und nicht der Mahnrufe bei den orthodoxen Konfessionalisten.

 

HERMENEUTIK

nachreformatorische (1650-1800)

Der Einfluss des Rationalismus

Die englischen Deisten

Der Einfluss des Rationalismus auf die Hermeneutik spiegelt sich in den exegetischen Abhandlungen der Deisten wider. Sie übernahmen die Vernunft als oberste Instanz in Fragen der Wahrheit und des Glaubens. Ihrer Meinung nach müssten Teile des Alten Testaments verworfen werden, weil sie grausame Sachverhalte enthielten. Leben und Lehre Jesu könne man auf der Grundlage der natürlichen Religion und nicht der geoffenbarten Religion erklären. Thomas Woolston (1669-1731/33) tat die Wunderberichte als bloße »romantische Erzählungen« ab.

 

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nachreformatorische (1650-1800)

Einfluss des wissenschaftlichen Empirismus

Während des 17. und 18. Jahrhunderts wurden neue wissenschaftliche Entdeckungen gemacht, die mit der Weltsicht der Orthodoxie unvereinbar waren und ihre hermeneutischen Grundlagen in Frage stellten. Als Europäer China und seine alte Kultur entdeckt hatten, bestritt man die traditionelle Auffassung über das Alter der seit Adam existierenden Menschheit und geriet dabei mit der Weltchronologie von Erzbischof Ussher, der den Zeitpunkt der Schöpfung auf das Jahr 4004 v. Chr. festlegte, und seinem hermeneutischen Ansatz bei den Genesis-Stammbäumen in Konflikt. Die astronomischen Beobachtungen von Kopernikus (1473-1543), Bruno (1548-1600), Kepler (1571-1630) und Galilei (1564-1642) entfremdeten die Naturwissenschaftler der biblischen Lehre. Nach Meinung zahlreicher Bibelausleger damals konnte man nicht behaupten, dass die Bibel ein wissenschaftlich exaktes Bild vom Kosmos vermittle. Angesichts der Vorherrschaft des wissenschaftlichen Empirismus standen viele jeder theologischen These kritisch gegenüber, die nicht durch Sinneswahrnehmung oder empirische Bestätigung nachgewiesen werden konnte.

Leider verweigerte sich die konfessionelle Orthodoxie sowohl protestantischer als auch katholischer Prägung der wissenschaftlichen Diskussion. Stattdessen griffen sie die Wissenschaftler an, die ihre bekenntnisorientierten Aussagen über den Kosmos angefochten hatten. Anstatt ihre naive Hermeneutik der speziellen Offenbarung zu modifizieren, um den neuen wissenschaftlichen Entdeckungen auf dem Hintergrund der allgemeinen Offenbarung Rechnung zu tragen, vollzogen sie einfach eine Abkehr von der wissenschaftlichen Revolution. Als beispielsweise Calovius (1612-1686) mit dem wissenschaftlichen Beweis konfrontiert wurde, dass sich die Erde um die Sonne drehe und nicht der Mittelpunkt des Universums ist, erklärte er nur, dass dies »schriftwidrig« sei. Indem sie dachten, dass die neuen wissenschaftlichen Entdeckungen die Schriftautorität und nicht die Unzulänglichkeiten ihrer kleinlichen hermeneutischen Methoden in Frage stellen würden, schufen die Konfessionalisten einen Antagonismus zwischen Glauben und Wissenschaft, der jahrhundertelang Bestand haben sollte. Unter ihrem Einfluss wurden Glauben und Wissenschaft zu Gegensätzen, sodass eine unnötige Zweiteilung (Dichotomie) entstand, welche die Schriftautorität in den Augen der wissenschaftlichen Welt im Lauf der Zeit ernsthaft untergrub.

Ironischerweise machten die lutherischen, reformierten und katholischen Tra ditionalisten gemeinsame Sache bei dem Anliegen, die Weltsicht der Orthodoxie zu verteidigen. Nur wenige Protestanten nahmen die Herausforderung an, die biblische Weltsicht und die Grundlagen der neuen Vernunft miteinander zu vereinbaren. Dazu gehörten Balthasar Bekker (1643-1698) und Christoph Wittich (1625-1687). Die meisten nahmen jedoch eine Abwehrhaltung ein: Vertreter der Orthodoxie zogen sich einfach in ihre Gräben zurück und blieben umso hartnäckiger bei ihren Aussagen. Die simplifizierende nachreformatorische Hermeneutik des Konfessionalismus konnte wegen ihrer Unzulänglichkeit die Rationalisten nicht ansprechen und war außerstande, ihre Fragen zu beantworten. Die biblische Hermeneutik wurde auf ein Regelwerk reduziert, das den Text wörtlich las - und zwar so, dass die dogmatischen Vorverständnisse der orthodoxen Theologen bestätigt wurden. Die Unfähigkeit der Orthodoxie, die betreffenden Probleme anzusprechen, führte schließlich zu den vernichtenden Angriffen der Bibelkritik.

 

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nachreformatorische (1650-1800)

Einfluss des philosophischen Empirismus

David Hume (1711-1776) sagte, dass Tatsachen nicht durch eine Apriori-Begrün-dung nachgewiesen, sondern durch die Erfahrung entdeckt oder aus ihr gewonnen werden können. Alle Erkenntnis leite sich ab aus der Sinneserfahrung und vom Nachdenken darüber, was sich durch die Sinne dem Geist erschließt. Im Geist gibt es nichts, was nicht zuvor in den Sinnen war. Will man die Stichhaltigkeit eines Gedankens prüfen, muss man fragen, welche Sinneseindrücke ihn veranlasst haben. Es gibt kein Licht der Vernunft, das diesen von den Sinnen vermittelten Eindruck durchdringt und das zu einem wesenhaften Verständnis der bestehenden Dinge führt. Die menschliche Existenz wird auf ein physisches (externes) Objekt reduziert, das untersucht werden muss wie andere physische Objekte auch. Das menschliche Sein ist ganz Materie und Substanz, eine immaterielle Seele gibt es nicht. Gottes Existenz, der Ursprung der Welt und andere Themen, die über die begrenzte menschliche Erfahrung hinausgehen, sind nicht beweisbar und daher bedeutungslos.

Hume war ein Gegner des Offenbarungs- und Wunderglaubens. Da ein Wunder eine Verletzung eines Naturgesetzes oder eine Ausnahme davon darstellt, gehört es in den unteren Bereich der Wahrscheinlichkeit. Die Weisen werden ihren Glauben immer auf das gründen, was am wahrscheinlichsten ist. Daher glaubt ein Weiser nicht an Wunder. Humes Skeptizismus stellte die Grundfesten biblischer Hermeneutik als Studium objektiver, verständlicher und vertretbarer Wahrheit in Frage.

Immanuel Kants (1724-1804) Werk bildete eine Wasserscheide und einen Wendepunkt in der Philosophiegeschichte. Seine Wirkung war so umfassend und tief greifend, dass keine intellektuelle Disziplin davon unberührt blieb - nicht einmal die Hermeneutik, obwohl sich nur wenige Exegeten dessen bewusst waren.

Kant begann sein Wirken mitten in der Auseinandersetzung zwischen den beiden damaligen Methoden der Wahrheitsfindung: dem Rationalismus mit Anhängern in Kontinentaleuropa und dem Empirismus mit Befürwortern in Großbritannien. Er versuchte, eine Synthese zwischen dem Empirismus und Rationalismus zu finden, um bestimmen zu können, ob es möglich sei, metaphysische Erkenntnis über Gott zu gewinnen.

Obwohl Kant die Rolle des Empirismus akzeptierte, lehnte er seine skeptizistische Schlussfolgerung ab, dass die Überzeugungen, die außerhalb des Erfahrungsbereichs existieren, nicht gerechtfertigt seien. Kant verwarf jedoch die rationalistische Behauptung, dass objektive Wahrheiten über das, was existiert und was nicht, allein durch den Gebrauch des Verstandes nachgewiesen werden können. Im Grunde war Kant Agnostiker. Keiner kann irgendeine wahre Erkenntnis über die letzte Wirklichkeit gewinnen. Man ist außerstande, die von einem äußereren Erscheinungsbild gesteckten Grenzen zu überschreiten. Es ist nicht möglich, den Unterschied zwischen der Erscheinung und der Wirklichkeit, die unerkennbar ist, zu erkennen. Man hat oft gesagt, dass Hume Kant das Problem der Erkenntnis überlassen und Kant es zurückgegeben habe, als wäre es die Lösung. In vielerlei Hinsicht ist Kant ein einzelner Vorläufer derer, die darauf vertrauen, dass der Mensch durch die Macht seiner Vernunft mit den materiellen Dingen fertig wird, während er außerstande ist, irgendetwas jenseits des materiellen Bereichs zu bewältigen. Alles, was offensichtlich wirklich ist, kann man rational rechtfertigen, wohingegen alle letzten Dinge rational nicht verteidigt werden können

Kant beschäftigte sich mit der Spannung, die durch die Aufklärung und dem Rationalismus zwischen Wissenschaft/ Vernunft und Glauben entstanden war. Seine Lösung für dieses Problem bestand darin, die beiden Bereiche zu trennen, indem er die von beiden wahrgenommenen Funktionen eingrenzte. Die Religion muss ihre Beschränkungen anerkennen: Die grundlegenden Lehrsätze des Glaubens können nicht durch die theoretische Vernunft nachgewiesen werden. Auch die Wissenschaft unterliegt Grenzen: Beobachter sehen Dinge nie so, wie sie wirklich sind, da der Geist kein bloßes Behältnis ist, das durch äußere Sinneseindrücke geformt wird, sondern vielmehr ein aktives Organ darstellt, das in die Masse ungeordneter Daten, der es sich gegenübersieht, Ordnung bringt. Die uns bekannte Welt ist eine durch die Befehlsgewalt der Sinneseindrücke geschaffene Welt. Somit sollte der Exeget die Schrift entsprechend auslegen. Kants hermeneutischen Ansatz hat man als eine bloße Wiederbelebung der alten allegorischen Methode bezeichnet.

 

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nachreformatorische (1650-1800)

Der Einfluss der Bibelkritik

Zahlreiche kulturelle und hermeneutische Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass die Bibelkritik entstehen konnte.

1. Die Entwicklung neuer hermeneutischer Methoden (die Mystik von Böhme, der Pietismus von Spener und der von Coccejus betonte fortschreitende Charakter der Offenbarung) befreiten das Denken der protestantischen Theologen aus dem engen Korsett des Konfessionalismus und ermöglichte ihnen, die Schrift frei von dogmatischen Interessen zu studieren.

2. Die Entwicklung der Textkritik ebnete den Weg zur empirischen Erforschung von Autor, Abfassungszeit, Aufbau und Bedeutung eines jeden biblischen Buches. Da die historische Kritik genauere Erkenntnisse über den Urtext geliefert hatte, lag es auf der Hand, im Rahmen der historischen Forschung nach einem genaueren Verständnis des biblischen Inhalts zu suchen.

3. Zwischen 1640 und 1750 wurde die Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament insoweit gelockert, als das Alte Testament nicht mehr nach dem hermeneutischen Schema ausgelegt wurde, das man aus dem Neuen Testament hergeleitet hatte.

4. Die Entstehung des wissenschaftlichen Empirismus und die Unfähigkeit der orthodoxen Theologie und Hermeneutik, den neuen Einblicken in die allgemeine Offenbarung Rechnung zu tragen, führte viele biblische Exegeten zu der Meinung, dass sie die Bibel nicht als wissenschaftlich exakt ansehen könnten.

5. Der Anbruch des Rationalismus und die Auswirkungen des Deismus beeinflussten das Denken vieler Bibelausleger, sodass sie sich mehr dem Gedanken öffneten, dass das Alte Testament Widersprüche enthalten könne und sogar die Schrift selbst vielleicht nicht inspiriert sei.

6. Gelehrte begannen, Aufbau und Verfasserschaft antiker Dokumente zu untersuchen - angestoßen durch ein Werk, das eine verheerende Wirkung hatte: Lorenzo Vallas Veröffentlichung über die so genannte »Konstantinische Schenkung« (1440). Dies ebnete der quellenkritischen Erforschung von Autorschaft und Aufbau der biblischen Bücher den Weg.

All diese Faktoren führten schließlich zu der Entwicklung der »historisch-kritischen Methode«. Traditionelle Überzeugungen von der Verfasserschaft und dem Aufbau der alttestamentlichen Bücher wurden angefochten, was die Entstehung und Vorherrschaft der Quellenkritik zur Folge hatte.

 

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nachreformatorische (1650-1800)

Der Einfluss der Bibelkritik

Vertreter der Bibelkritik

Eine Quelle der kritischen Wissenschaft kam unerwarteterweise aus dem katholischen Frankreich. Es war Richard Simons Histoire critique du Vieux Testament (1678). Simon, ein französischer Katholik, wurde der Vater der Bibelkritik. Simon verwarf viele traditionelle Ansichten über die Verfasser alttestamentlicher Bücher. Sie seien nicht von Mose, Josua, Samuel oder David geschrieben, sondern vielmehr von Schreibstuben zusammengestellt worden. Simon sagte, dass es legitim sei, die Zusätze oder Berichtigungen, die in den ursprünglichen Schriften eventuell vorgenommen worden sind, zu untersuchen. Er behauptete, dass diese Zusätze und Änderungen eine genauso große Autorität besäßen wie die ursprüngliche Form des Textes. Teile des Alten Testaments enthielten chronologisch verwirrende Sachverhalte und Fehler.

Simon glaubte, dass ein Gelehrter die Freiheit habe, solche Fragen kritisch zu untersuchen, solange er die Lehrautorität der katholischen Kirche akzeptierte. Als theologisch konservativ Eingestellter griff Simon nicht die traditionelle Offenbarungsauffassung an, sondern wandte vielmehr das hermeneutische Prinzip Spinozas in einer Reihe gelehrter Abhandlungen auf die Schrift an. Er beanspruchte das Recht, die Bibel so zu erforschen, wie man jedes andere literarische Werk der antiken Welt betrachtet. Simons Ziel bestand darin, die Bibel im Gegensatz zu den vorgefassten Meinungen und Voraussetzungen der Katholiken und Protestanten möglichst objektiv zu studieren.

Der Wechsel der Gottesnamen YHWH (Jahwe) und Elohim war einer der Anhaltspunkte, die den Physiker Jean Astruc 1753 dazu veranlassten, im ersten Buch Mose zwei Hauptquellen, zwei untergeordnete Quellen und die Spuren von etwa zwölf anderen Dokumenten voneinander zu unterscheiden. Obwohl viele der Hypothesen Astrucs später aufgegeben wurden, muss man ihn als den ansehen, der den Anstoß zur Quellenscheidungstheorie über den Aufbau des Pentateuchs gab.

Siehe auch: Edwards, Jonathan .

Gordon H. Johnston

Frederic W. Farrar, History of Interpretation (Grand Rapids: Baker, 1961); Daniel P. Fuller, »Interpretation, History of« in International Standard Bible Encyclopedia , rev. Ausg. (Grand Rapids: Eerdmans, 1982), 2,863-874; R. M. Grant und D. Tracy, A Short History of the Interpretation of the Bible (Philadelphia: Fortress Press, 1984), 100-109; K. Grobel, »Interpretation, History and Principles of« in Interpreter´s Dictionary of the Bible (Nashville: Abingdon Press, 1962), 2,718-724; Werner G. Jeanroud, »History of Hermeneutics« in Anchor Bible Dictionary (New York: Doubleday, 1992), 3,433-443; William W. Klein, Craig L. Blomberg und Robert L. Hubbard jun., Introduction to Biblical Hermeneutics (Dallas: Word Publishing, 1993), 21-51; W. Neil, »The Criticism and Theological Use of the Bible, 1700-1950« in The Cambridge History of the Bible (Cambridge: University Press, 1970), 3,128-165; Bernard Ramm, Protestant Biblical Interpretation (Grand Rapids: Baker, 1979); J. W. Rogerson, »History of Interpretation« in Anchor Bible Dictionary (New York: Doubleday, 1992), 3,425-433; Samuel Terrien, »History of the Interpretation of the Bible: The Rise of Biblical Criticism (ca. 1650-1800)« in The Interpreter´s Bible (Nashville: Abingdon Press, 1952), 1,127-132.

 

HERMENEUTIK

rabbinisch-orthodoxe

Einige Gelehrte glauben, dass es bereits zur Zeit des Königs Salomo verschiedene Richtungen der jüdischen Bibelauslegung gab. Die Sadduzäer und Pharisäer sowie ihre unterschiedlichen Ansichten zur Schrift kann man auf die Rivalität Abjatars und Zadoks um das hohepriesterliche Amt zurückverfolgen. Die beiden jüdischen Parteien und ihre Auslegungsmethoden erlebten während der Zeit Esras und Nehemias ihre Blütezeit. Da das Wort Pharisäer von »absondern« hergeleitet ist (und somit »heiliger sein« bedeutet), verweisen einige auf Esr 6,21 . Dort heißt es: »... sowie jeder, der sich von der Unreinheit der Nationen des Landes zu ihnen [den Führern] abgesondert hatte.«

Während der hellenistischen Zeit waren die beiden Gruppen in politische Lager geteilt. Die Sadduzäer verkörperten die herrschende Priesteraristokratie, die Pharisäer dagegen die Mittelklasse. Die Pharisäer bauten um die biblischen Gebote viele Zäune und förderten damit die Entstehung einer ganzen Gelehrtenschule. Im Lauf der Zeit gewannen die Sadduzäer an Einfluss. Sie lehnten die göttliche Vorsehung ab und glaubten, dass Gott auf Erden das Gute belohnt und das Böse bestraft. Außerdem verwarfen sie ein Leben nach dem Tod.

Obwohl die Sadduzäer eine Bewegung bildeten, mit der man zur Zeit Christi rechnen musste, war das Pharisäertum dominierend, wenn es um die Auslegung des Gesetzes ging. Es ist interessant, dass Jesus mit den Pharisäern nicht wegen ihrer biblischen Lehren, sondern wegen ihrer Heuchelei und Gesetzlichkeit ins Gericht ging! Obwohl sie an einer im Wesentlichen wörtlichen Hermeneutik festhielten, zeichneten sich die Pharisäer vor allem dadurch aus, dass sie an die mündliche Tradition des Gesetzes glaubten. Dadurch wurde eine riesige, die eigentlichen Gesetze überlagernde Gesetzessammlung geschaffen. Sie vertraten diese Auffassung mit dem Hinweis auf Neh 10,33 : »Wir wollen uns als Gebot auferlegen ...«

Zur Zeit des Neuen Testaments gab es zwei rivalisierende Auslegungsschulen der damaligen gelehrten Welt. Rabbi Hillel systematisierte das Chaos unzähliger Regeln, die aus dem Gesetz hervorgegangen waren. Er stellte sieben Regeln auf, wodurch der Hauptanteil jüdischer Traditionen aus der Schrift hergeleitet werden konnte. Obwohl nicht beabsichtigt, öffnete dies der übertriebenen Allegorisierung Tür und Tor. Rabbi Schammai gründete eine Schule, die eine engere Auslegung bevorzugte. Er glaubte, dass die Schrift im Sinn der vollen Rechtsverbindlichkeit und mit äußerster Strenge ausgelegt werden müsse. In einem damaligen jüdischen Sprichwort hieß es: »Hillel löste, was Schammai band.«

Insgesamt gesehen, muss man die jüdischen Rabbiner dafür loben, dass sie allein schon mit den Buchstaben der Schrift gewissenhaft umgingen. Tan stellt dazu fest: »Die jüdischen Rabbiner haben die wörtliche Methode im Grund nicht missbraucht. Wörtliche Auslegung und kontextloses Festhalten am Buchstaben sind zweierlei. Als die Rabbiner auf Abwege gerieten, ging es nicht mehr nur darum, dass sie den bloßen Buchstaben der Schrift verwarfen ... Der Ausleger, der mit der wörtlichen Auslegungsmethode richtig vertraut ist, kann in seiner Treue gegenüber der wörtlichen Auslegung des Wortes Gottes nie konsequent genug sein.«

Die ägyptische Stadt Alexandria brachte fraglos jüdische Gelehrte hervor, die im Blick darauf, wie die Griechen das Alte Testament betrachten würden, ein feines Gespür hatten. Ihrer Argumentation zufolge würden die Heiden die biblischen Berichte als zu bedenklich (Juda verführt Tamar) und als zu grausam (Davids militärische Siege) bezeichnen. Daher begannen die Rabbiner, die Philosophie und die literarischen Formen des Griechentums zu übernehmen. Die Allegorie wurde zur verbindlichen Auslegungsmethode. Philo (ca. 20 v. Chr. bis 50 n. Chr.) sagte, dass der wörtliche Sinn Milch und die allegorische Bedeutung feste Speise sei. Er glaubte, dass hinter dem eigentlichen biblischen Text etwas Ungewöhnliches verborgen sei. Dies gelte, wenn »Ausdrücke doppelt verwendet, ... bereits bekannte Tatsachen wiederholt (werden), ... wenn Wörter leicht geändert werden, wenn die Ausdrucksweise ungewöhnlich ist und wenn es Einzahl und Mehrzahl sowie bei der der Zahl- oder Zeitform irgendwelche Abweichungen gibt«.

Der Talmud ist als Werk des realistischen Rationalismus beschrieben worden. Im Gegensatz dazu steht die Kabbala bzw. die Menge mystischer Literatur, die über einen langen Zeitraum hinweg gesammelten Schriften »verborgener Weisheit«. Zwei der am meisten geschätzten Bücher sind das Buch der Schöpfung und das Zohar , eine Art Lexikon okkulter Überlieferung. Die Kabbala sprach abergläubische Menschen an. Die Kabbalisten waren bestrebt, eine erneuerte Erlösungshoffnung dadurch zu erlangen, dass sie das Leiden des jüdischen Volkes darstellten. Sie wollten geistliche Wahrheit so einfach erklären, dass die Juden auf diese Weise noch mehr nach Gott suchten. Obwohl solche Werke auf die einfachen, ungebildeten Juden im Mittelalter einen gewissen Einfluss hatten, hielt die vorherrschende rabbinische Auslegung im Wesentlichen am Wortsinn fest.

Die wörtliche Auslegung wurde durch den Einfluss des Raschi von Troyes (1040-1105) gestützt, der als der »Fürst unter den Bibelauslegern« bezeichnet wird. Rabbi Mose ben Maimon (1135-1204), jüdischer Theologe, Philosoph und Arzt, war ein begeisterter rationalistischer Anhänger des Aristoteles und legte das Alte Testament frei und auch allegorisch aus. Es war aber Raschi, der eine eiserne Regel aufstellte: »Die Schrift muss ihrem klaren, natürlichen Sinn entsprechend und jedes Wort dem Kontext gemäß ausgelegt werden. Es können jedoch auch traditionelle Erklärungen übernommen werden.« Bis zum Zeitalter des Rationalismus war für die meisten rabbinischen Exegeten eine wörtliche Hermeneutik maßgebend. Mit Ausnahme der orthodoxen Kreise des Judentums herrscht eine allegorische und unhistorische Methode der Bibelauslegung vor. Der christliche Prämillennialismus steht den im orthodoxen Judentum immer vertretenen Ansichten am nächsten, wenn es um das Tausendjährige Reich und um das Kommen des Messias geht. Strittig ist jedoch die Frage »Und wer ist der Messias?« gewesen.

Siehe auch: Philo Judaeus .

Mal Couch

Nathan Ausubel, Pictorial History of the Jewish People (New York: Crown Publishers, 1964); Michael Avi-Yonah und Zvi Baras, Hg., Society and Religion in the Second Temple Period (Jerusalem: Massada Publishing Ltd., 1977); Frederic W. Farrar, History of Interpretation (London: Macmillan and Company, 1886); Raphael Patai, The Messiah Texts (Detroit: Wayne State University Press, 1979); E. P. Sanders, »Judaism« in Practice & Belief , 63 v. Chr. bis 66 n. Chr. (Philadelphia: Trinity Press International, 1992; Paul Lee Tan, The Interpretation of Prophecy (Rockville: Mass.: Assurance Publishers, 1988); C. D. Yonge, Übersetz., The Works of Philo (Peabody, Mass.: Hendrickson Publishers, 1993).

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Obwohl es zahlreiche Faktoren gab, die zur Reformation im 16. Jahrhundert führten, stand die hermeneutische Debatte im Mittelpunkt. Die Reformation war eine Zeit des sozialen und kirchlichen Umbruchs, doch vor allem eine Phase der hermeneutischen Umwälzung. Sie leitete eine Revolution in der Schriftauslegung ein, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart fortbestehen.

Diese hermeneutische Revolution war mehr als alles andere ein Ergebnis der kulturellen Situation des aus dem Mittelalter und der Renaissance hervorgegangenen Abendlandes. Während des Spätmittelalters begannen christliche Humanisten wie Erasmus, den Traditionalismus der erstarrten Scholastik durch ihre neuen Erkenntnisse in Frage zu stellen. Die Humanisten verspotteten die nur Eingeweihten bekannte, haarspalterische, weit hergeholte Logik der scholastischen Theologie, die den hungrigen Seelen der Christen keine geistliche Nahrung bot. Viele sehnten sich offen nach dem schlichten Glauben und der Frömmigkeit der ersten Christen. Da die scholastische systematische Theologie der traditionellen Orthodoxie die intellektuellen Stützen lieferte, betrachteten die Humanisten die traditionelle Scholastik als Festung, die fallen müsse.

Wachsende Unzufriedenheit mit der allegorischen Methode entfachte ein Verlangen nach einem besseren Auslegungsansatz. Bereits im 15. Jahrhundert beklagte Geiler von Kaisersberg, dass die Schrift wegen der allegorischen Methode zu einer »Nase aus Wachs« werde, die der Leser bei der Auslegung biege, wie er wolle. Vielen widerstrebte der willkürliche, spekulative Charakter der Allegorie. Somit war der Boden dafür bereitet, dass die Reformatoren die Allegorie schließlich verwarfen und die wörtliche historisch-grammatische Methode übernahmen.

Die Renaissance begann im 14. Jahrhundert in Italien und breitete sich bis zum 17. Jahrhundert über ganz Europa aus. Sie hatte direkten Einfluss auf die Reformatoren, insbesondere auf Erasmus, Luther und Calvin. Das Interesse an klassischen Schriften und speziell an ihrer Historizität, darunter an der Bibel und ihrem geschichtlichen Hintergrund, wurde wach. In der Renaissance kam auch ein neues Interesse am Studium der antiken Sprachen auf, darunter des Hebräischen und Griechischen. Dadurch gewannen die Gelehrten neue Einblicke in die Schrift.

Im Jahr 1506 begann der Philologe Johannes Reuchlin, mehrere Bücher über hebräische Grammatik als Grundlage für das moderne Studium der hebräischen Sprache zu veröffentlichen. 1516 redigierte und veröffentlichte Desiderius Erasmus, der führende Humanist der Renaissance, die erste moderne Ausgabe des griechischen Neuen Testaments, dem er eine neue lateinische Übersetzung anfügte. Erasmus gab auch Anmerkungen zu seinem griechischen Text heraus sowie eine Paraphrase des gesamten Neuen Testaments mit Ausnahme der Offenbarung. Die Veröffentlichungen von Erasmus leiteten vor allem ein neues Zeitalter der biblischen Wissenschaft ein und trugen wesentlich dazu bei, die Scholastik vergangener Epochen durch bessere Methoden zum exegetischen und theologischen Studium zu ersetzen.

Das zunehmende Interesse an den frühen griechischen und hebräischen Handschriften deckte viele Übersetzungsfehler in der lateinischen Vulgata auf. Damit wurde ihre uneingeschränkte Autorität untergraben, die sie als Stütze kirchlicher Lehre genossen hatte. Die römischkatholische Kirche hatte ihre Autorität teilweise auf die Vulgata gegründet. Nun stellten Zweifel an der Genauigkeit der Vulgata die Autorität der kirchlichen Lehre in Frage. Obwohl Erasmus nicht der Initiator der Reformation war, ebneten seine Veröffentlichungen der von Luther angestoßenen exegetischen und hermeneutischen Revolution den Weg. Einer weit verbreiteten Redensart des 16. Jahrhunderts zufolge brütete Luther das Ei aus, das Erasmus gelegt hatte.

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Martin Luther

Luthers Ablehnung der traditionellen allegorischen Methode

Während seines Studiums als Mönch war Luther (1483-1546) mit der allegorischen Methode vertraut gemacht worden, die während des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters in der Kirche eine absolute Machtposition eingenommen hatte. Als er jedoch Vorlesungen über den Römerbrief und die Psalmen hielt, wuchs seine Enttäuschung über die traditionelle allegorische Methode der römischkatholischen Kirche. Sein Bemühen, sich mit der Exegese des Textes auseinander zu setzen, konfrontierte ihn mit den Unzulänglichkeiten seines hermeneutischen Erbes. Die Lehre vom vierfachen Schriftsinn der allegorischen Methode verwirrte nur, weil sie viele verschiedene Ergebnisse hervorbrachte, aber keines, das angemessen mit dem umging, was ihm im biblischen Text begegnete. Rückblickend schrieb er: »Als ich ein Mönch war, verstand ich mich auf Allegorien. Ich allegorisierte alles. Doch nachdem ich Vorlesungen über den Römerbrief gehalten hatte, kam ich zu der Erkenntnis Christi. Denn dort sah ich, dass Christus keine Allegorie ist, und ich lernte kennen, was Christus ist.« Er verwarf die allegorische Methode mit ausdrucksstarken Worten: »Allegorien sind leere Vermutungen und gleichsam der Abschaum der Heiligen Schrift.« »Man schere sich nicht so viel um die Allegorien des Origenes.« »Ein jeder, der Allegorie treibt, verdreht die Schrift.« »Am Ende ist das Allegorisieren wohl nur ein Affenspiel.« »Allegorien sind plumpe und absurde Phantastereien, veraltete und lose Lumpen.«

Luther gab die vierfache allegorische Bedeutung der Schrift auf und sagte, dass die Schrift nur eine einzige Bedeutung ( sensus unum ) habe. Dieser einzige Sinn entspreche der historisch-grammatischen Bedeutung: »Nur der historische Sinn gibt die wahre und gesunde Lehre.« Diesen Sinn finde man heraus, wenn man die normalen Regeln der Grammatik unter Berücksichtigung des ursprünglichen historischen Zusammenhangs anwende.

Er hob auch den wörtlichen Sinn ( sensus literalis ) hervor. Die Schriften sollen »wann immer möglich in ihrer einfachsten Bedeutung beibehalten und in ihrem grammatischen und wörtlichen Sinn verstanden werden, wenn der Zusammenhang dies nicht eindeutig verbietet«. Luther sagte: »Als ich ein Mönch war, konnte ich die Schrift meisterhaft allegorisieren, jetzt aber verstehe ich mich aufs Beste darauf, den wörtlichen, einfachen Sinn der Schrift wiederzugeben, der Kraft, Leben, Trost und Unterweisung bringt« ( Tischreden ). Seine Ablehnung der traditionellen Allegorisierung bewirkte eine Revolution, deren Auswirkungen rasch ungeheuere Ausmaße annahmen.

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Martin Luther

Die grundlegende Klarheit der Schrift .

Indem er die nur Theologen bekannte Methode der allegorischen Auslegung verwarf, wurde die Schrift dem Denken des gewöhnlichen Menschen zugänglich. Luther erkannte, dass die Grundbedeutung der Schrift klar und einfach ist. Während die Anwendung der Lehre vom vierfachen Schriftsinn bei der allegorischen Methode nur zu Verwirrung führe, lasse die einfache historische Bedeutung die Klarheit der Schrift erkennen.

Obwohl Luther nicht der Erste war, der die Klarheit der Schrift betonte, schaffte er den entscheidenden Durchbruch: »Es gibt auf Erden kein Buch, das verständlicher geschrieben ist als die Heilige Schrift« (Auslegung zu Ps 37 ). Zuvor wurde die generelle Verständlichkeit der Schrift durch Chrysostomus (»Alles, was notwendig ist, das ist offenbar«) und Origenes (»Alle Christen verstehen die grundlegenden Dinge«) herausgestellt. Auch Luther sah die Verständlichkeit der Schrift von ihren Grundwahrheiten her. Seine Definition lautete: »Denn was kann in der Schrift noch Erhabeneres verborgen sein, nachdem ... jenes höchste Geheimnis verkündigt worden ist, dass Christus, der Sohn Gottes, Mensch geworden, dass Gott dreifältig und doch einer sei, dass Christus für uns gelitten hat und ewiglich regieren werde« (Vom unfreien Willen ).

Obwohl er die Lehre von der Verständlichkeit der Schrift verteidigte, leugnete er nicht deren unerschöpfliche Tiefe, sondern war vielmehr der festen Überzeugung, dass sie in dem Maß verständlich sei, wie sie historisch und grammatisch ausgelegt werde. Somit sollte man das Studium der Urtextsprachen betonen: »Wir sollen das Evangelium nicht ohne die Sprache bewahren. Die Sprachen sind die Scheide, in welcher das Schwert des Geistes steckt.« Man würde Luthers Betonung der Verständlichkeit missverstehen, wollte man meinen, dass Gelehrsamkeit unnötig oder unwichtig sei. Die grundlegende Klarheit der Schrift schließt nicht aus, dass Fachleute die historisch-grammatische Kluft überbrücken müssen, welche die gewöhnlichen Menschen von den Sprachen und der Kultur der biblischen Schreiber trennt. Luther erkannte an, dass der Humanismus der Auslegung einen unverzichtbaren Dienst erwies. »Was mich betrifft, so bin ich dessen gewiss, dass ohne literarische Fertigkeiten wahre Theologie keinen Bestand haben kann ... Ja, ich sehe, dass uns die außerordentlichen Erkenntnisse betreffs des Wortes Gottes nicht zuteil geworden wären, hätte Gott nicht zuvor den Weg bereitet durch jene - darunter auch Täufer -, die aufs neue die alten Sprachen und Wissenschaften entdeckten« (Luthers Werke ).

Luther sah auch, dass es einige Unklarheiten in der Schrift gibt, die wissenschaftliche Forschung erfordern: »Das allerdings gebe ich zu, dass viele Stellen in der Schrift dunkel und verworren sind, nicht um der Hoheit der Dinge, sondern um unserer Unkenntnis der Worte und der Grammatik willen, die aber nicht die Erkenntnis aller Dinge in der Schrift hindern können ... Die Dinge, welche in der Schrift verkündet sind, liegen also klar am Tage, mögen auch einige Stellen bisher um unbekannter Worte willen dunkel sein. Töricht aber ist es wahrlich und gottlos, zu wissen, dass der ganze Inhalt der Schrift im klarsten Licht liegt, und wegen einiger dunkler Worte die Tatsachen für dunkel zu erklären« (Vom unfreien Willen ).

Auch leugnete er nicht die Grenzen der Erkenntnis und Aufnahmefähigkeit des Einzelnen. Christen würden sich in ihrem Reifegrad voneinander unterscheiden, wobei ein umfassendes Studium oft die Vorbedingung für die richtige Auslegung sei. Die Tatsache, dass Schriftstellen nicht verstanden werden, sei oft im Denken der Leser begründet: »Dass aber vielen vieles dunkel bleibt, das liegt nicht an der Dunkelheit der Schrift, sondern an der Blindheit und Beschränktheit jener, die sich nicht bemühen, die ganze klare Wahrheit der Schrift zu sehen ... Es mögen also die elenden Menschen ablassen, an der Finsternis und der Dunkelheit ihres Herzens mit gotteslästerlicher Verkehrtheit der völlig klaren Schrift Gottes die Schuld zu geben« (Vom unfreien Willen ).

Als Folge der grundlegenden Verständlichkeit der Schrift bekräftigte er die »Analogie des Glaubens« (analogia scripturae ), mit deren Hilfe man dunkle Stellen im Licht der eindeutigen Passagen verstehen müsse: »Wenn an einer Stelle die Worte dunkel sind, so sind sie doch an einer anderen klar verständlich. Dieselbe Sache aber, welche auf das offenkundigste aller Welt vorgetragen ist, wird in der Schrift einmal mit klaren Worten vorgetragen, ein anderes Mal liegt sie bisher wegen der unverständlichen Worte verborgen« (Vom unfreien Willen ). Er hob hervor, dass die Schrift ihr bester Ausleger sei: »Dies ist die wahre Methode der Auslegung: auf rechte und angemessene Weise Schrift neben Schrift zu stellen.« Seine Ansicht findet sich in Augustins Standpunkt wieder: »Dementsprechend hat der Heilige Geist mit vortrefflicher Weisheit und Fürsorge für unser Wohlergehen die Heiligen Schriften so angeordnet, dass durch die verständlicheren Stellen unser Hunger gestillt und durch die dunkleren Stellen unser Appetit angeregt wird. Denn in jenen dunklen Stellen wird fast nichts ausgegraben, was man nicht in der verständlichsten Sprache anderswo dargelegt finden kann« (Über die Christliche Lehre , 2.6).

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Martin Luther

Die Erleuchtung durch den Geist .

Für Luther gab es eine unbedingt erforderliche Verbindung zwischen Auslegung und geistlicher Erleuchtung. »Der Gefährte, der sich von der Heiligen Schrift nicht trennen lässt, ist der Heilige Geist.« Er betonte die Erleuchtung durch den Geist. Die Ausbildung in den Sprachen und in der Geschichte sowie eine theologische Beweisführung reichten nicht aus. Ohne die Belebung durch den Geist ständen dem Ausleger nur Wörter und Phrasen zur Verfügung. Nur durch den Geist könne man eine von den biblischen Schreibern gewollte Bedeutung erschließen und diese Bedeutung als lebendige Wirklichkeit zum Ausdruck bringen. Wer sich mit der Bibel befasse, müsse mehr sein als ein Philologe - er müsse durch den Heiligen Geist erleuchtet sein.

Nach Luther hat Erleuchtung sowohl objektive als auch subjektive Gesichtspunkte. Objektiv gesehen, hat der Geist die grundlegende Botschaft der Schrift geoffenbart. Luther schrieb: »Wenn Gott seine Heilige Schrift nicht öffnet und erklärt, kann niemand sie verstehen, sie wird ein verschlossenes Buch bleiben, in Finsternis gehüllt.« Subjektiv gesehen, leite die geistliche Erleuchtung die Christen an, den Inhalt der Schrift auf ihr Leben anzuwenden, was zu einer »geistlichen Anwendung« führe.

Obwohl Luther die historisch-grammatische Bedeutung des Textes betonte, veranlasste ihn seine Ansicht von der objektiven geistlichen Erleuchtung, einen umfassenden Sinn (sensus plenior) zu erkennen. Dieser geistgegebene Sinn würde eine »neue Auslegung« hervorbringen, die dann den neuen wörtlichen Sinn ergäbe. Obwohl er die verschiedenen Ebenen allegorischer Deutung eines Origines ablehnte, stand er ihm vielleicht näher, als ihm bewusst war.

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Martin Luther

Die christozentrische Natur der Schrift .

Nach Luther ist die Lehre von der Rechtfertigung durch Glauben der Schlüssel zur Analogie des Glaubens. Diese grundlegende biblische Botschaft erschließe sich denen, die durch den Geist erleuchtet seien. Die Bedeutung Christi liege darin, dass Gott seine Gerechtigkeit den Gläubigen zurechne. Daher bedeute die Tatsache, dass Christus in der Bibel im Mittelpunkt stehe, auch, dass der hermeneutische Schlüssel die zugerechnete Gerechtigkeit Gottes sei, die dem Gläubigen allein durch Glauben gegeben werde.

Luthers biblische Auslegung hat ihren Mittelpunkt in Christus. Er hob hervor, dass die grammatisch-historische Bedeutung des Textes nicht Selbstzweck sei. Die geschichtliche Bedeutung jeder Stelle bestehe vielmehr darin, uns zu Christus zu führen. Die ganze Bibel gewinne ihre Bedeutung dadurch, dass sie das Evangelium Christi hervorhebe und ihm entsprechend Raum gebe. Luther trat für eine christologische Bedeutung der gesamten Bibel auf der Grundlage von Lk 24,44-46 ein.

In Anlehnung an Lefèvre d´Étaples (1450/1455-1536), der einen zweifachen Wortsinn (einen wörtlich-historischen und einen wörtlich-prophetischen Sinn) vertrat, hielt Luther an einem zweifachen historischen Sinn fest: Es gehe um das, was Gott in der Vergangenheit getan habe, und um das, was Gott zukünftig tun werde. Obwohl das christologische Verständnis des Alten Testaments nichts Neues war, wies Luther darauf hin, dass Christus, der Mittelpunkt der Schrift, uns auch in der historischen Bedeutung der alttestamentlichen Berichte entgegentrete. Er verwies auf Röm 10,6-8 . Dort gebraucht Paulus 5Mo 30,12 in einer vom historischen Sinn abweichenden Bedeutung: »Paulus lehrt uns, dass die gesamte Schrift allerorts nur mit Christus zu tun hat, wenn man sie von innen her betrachtet - mag sie auch so, wie sie aussieht, durch den Gebrauch von Schatten und Bildern einen anderen Sinn ergeben.«

Obwohl er die Allegorie verwarf, übernahm Luther für das Alte Testament einen typologischen Ansatz, der ihn zahlreiche Prophetien und Vorschattungen Christi und der Gemeinde sehen ließ. So sah er z.B. Ps 2 typologisch: Die Könige der Erde waren Herodes und Pilatus; »Zion, mein heiliger Berg«, war die Gemeinde, während der »eiserne Stab« das Evangelium darstellte. Für Luther gab es viele christologische Stellen im Alten Testament, wobei er oft über das legitime Maß hinausging. So betrachtete er beispielsweise Noahs Arche als typologische Prophetie auf die Gemeinde.

Seine christozentrische Hermeneutik brachte eine neue, schlaglichtartige Darstellung der Schrift hervor, in der das Alte Testament eine Unterstützungsfunktion für die neutestamentliche Lehre hatte. Die gesamte Bibel wurde zu einem Dokument, das die zentralen Lehren des christlichen Glaubens bezeugte. Daher entwickelte er auch eine starke Gesetz-Evangelium-Antithese: Das Gesetz überführe von Sünde, während das Evangelium Vergebung anbiete. In seiner Heilslehre steht das Gesetz in drastischem Gegensatz zum Evangelium und hat daher im Leben des Christen keinerlei Bedeutung.

Seine christozentrische Hermeneutik beeinflusste auch seine Einschätzung biblischer Bücher. Den Teilen der Schrift, in denen er keine christologischen Zeugnisse - ob nun direkte prophetische oder indirekte typologische - finden konnte, widmete er sich kaum. Er schätzte einige Bücher höher als andere. Mit dem Jakobusbrief und der Offenbarung konnte er wenig anfangen: Im Jakobusbrief vermisste er die Untermauerung der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung durch Glauben und in der Offenbarung mochte er die jüdische Bildersprache nicht.

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Martin Luther

Die Autorität der Schrift .

Wegen der analogia scripturae und der historisch-grammatischen Methode brauchten sich Bibelleser nicht mehr auf Kommentare der Kirchenväter verlassen, um den betreffenden Text zu verstehen. Obwohl Luther den Nutzen der Tradition anerkannte, verwarf er ihre Autorität: »Die Lehre der Väter ist nur dazu nütze, uns zu den Schriften zu führen, wie sie geführt worden sind, und dann müssen wir an den Schriften allein festhalten.« In diesem Sinn legte Luther das Grundprinzip der Reformation fest: sola scriptura (allein die Schrift). Er brach mit dem seit langem etablierten Grundsatz, nach dem kirchliche Überlieferung und ordinierte Führerpersönlichkeiten die gleiche lehrmäßige Autorität besaßen wie die Bibel. Weder kirchliche Tradition noch der Papst, sondern nur die Schrift könnten für die Christen göttliche Autorität besitzen.

Die Hermeneutik spielte bei Luthers Bruch mit Rom und bei der Einführung der protestantischen Reformation eine entscheidende Rolle. Als Luther 1518 in Augsburg Kardinal Cajetan gegenübertrat, um mit ihm über die durch Tetzels Ablassverkäufe ausgelöste Kontroverse zu debattieren, entwickelte sich das Streitgespräch schnell zu einem Wortwechsel über die 1343 veröffentliche päpstliche Bulle Unigenitu s. Darin wurde die Vorstellung von einem Schatz der Verdienste geltend gemacht. Während Cajetan die Bulle bekräftigte, lehnte Luther es ab - wie er schrieb - »so viele klare Schriftbeweise wegen eines einzigen mehrdeutigen und verworrenen Dekrets eines Papstes zu verwerfen, der bloß ein Mensch ist.« In seiner Erwiderung wandte Cajetan ein, dass irgendjemand ja die Bibel auslegen müsse und dass der Papst auf diesem Gebiet die höchste Stellung einnehme. Die Auslegung wurde zu einem entscheidenden Bestandteil in Luthers »individuellem Ringen um eine geistliche Existenz«. Er leugnete glatt die höchste Autorität des Papstes und ließ dann seine hermeneutischen Anliegen zu einem zentralen Element in dem aufgebrochenen Konflikt werden.

In seiner Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation (1520) griff er scharf die Ansicht an, dass die Schriftauslegung dem Papst allein zustehe. Er meinte vielmehr, dass fromme und mündige Christen sie auslegen könnten. Luther sagte: »Die Kirche ist eine aus dem Wort gezeugte Tochter, [sie ist] nicht die Mutter des Wortes.« Überdies betonte er, dass die Aufgabe der Auslegung nie fertig sei. Sie befinde sich in gewisser Hinsicht im Fluss und dürfe durch die kirchliche Autorität nicht statisch festgeschrieben werden.

Bis zur Zeit der Reformation war die Bibel nach dem Urteil der meisten Menschen ein im Grunde schwer verständliches Buch. Man konnte nicht damit rechnen, dass die einfachen Leute sie verstanden, wobei diese außerdem davon abgehalten wurden, sie zu lesen. Ja, die Bibel stand nicht einmal in einer Sprache zur Verfügung, die sie verstehen konnten! Sie waren fast völlig auf die autoritative Auslegung der Kirche angewiesen. Die geniale Leistung Luthers bestand darin, dass er sagte, die Bibel dürfe nicht allegorisiert werden. Jede Stelle habe nicht mehrere Bedeutungen, sondern einen einfachen, wörtlichen Sinn. In diesem Fall könne man alle Christen ermutigen, die Bibel zu lesen. Die Heilige Schrift solle in die Sprache des Volkes übersetzt werden. Jeder Gläubige habe das Recht, sie persönlich auszulegen. Daher verwandte Luther ungemein viel Energie auf sein bekanntestes Werk, die Übersetzung der Bibel ins Deutsche.

Rom betrachtete die Bibel als so verworren, dass sie nur vom Klerus richtig ausgelegt werden könne, der mit Hilfe der Allegorie dafür sorge, dass die Heilige Schrift der kirchlichen Tradition untergeordnet bleibe. Ebenso misstraute Erasmus der Fähigkeit des einfachen Gläubigen, die Bibel zu verstehen. Luther betonte jedoch, dass der gemeine Gläubige sie verstehen könne, weil die grundlegende Bedeutung der Schrift klar und allen zugänglich sei. Jeder fromme Christ könne die Bibel verstehen. Luther befürwortete somit ihre Übersetzung in die Sprache des Volkes und trat für das Recht eines jeden Gläubigen ein, die Heilige Schrift persönlich auslegen zu können.

 

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reformatorische

Martin Luther

Luther Auffassung von der Tradition

Von Luthers Leben wird häufig gesagt, dass er darin weithin mit der Tradition brach. Obwohl diese Feststellung im Allgemeinen stimmt, ist sie doch übertrieben. Er trat der Autorität der Tradition und der Kirche entgegen, doch nur in dem Maße, wie sich diese Autorität die Vollmacht der Schrift anmaßte. Luther verwarf nie den Wert der exegetischen Überlieferung der Kirche, solange sie sich der Heiligen Schrift unterordnete. Er gab sich keiner Illusion hin, als ob er anderthalbtausend Jahre exegetischer Überlieferung überspringen und ohne jeglichen Einfluss aus der Vergangenheit an die Bibel herangehen könne. Ohne das Erbe der Kirche wäre er nie der Exeget geworden, als den man ihn kennt. Es gab ihm einen Halt, der ihm Möglichkeiten und Veranlassungen zur Weiterentwicklung und Veränderung bot, den er aber nie verlor. Luther kannte den Unterschied zwischen Dankbarkeit und Vergötterung, wenn es darum ging, das Erbe der Kirche anzunehmen. Somit steht er für einen Bruch mit dem Missbrauch der Tradition, aber nicht für eine völlige Aufgabe der Überlieferung.

 

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reformatorische

Martin Luther

Luthers überraschender Gebrauch der Allegorie

Man könnte denken, dass Luther die grundsätzliche Spannung im Verhältnis zwischen wörtlicher und allegorischer Auslegung auflöste. Dies ist aber nicht der Fall. Obwohl er die historisch-grammatische Auslegungsmethode befürwortete und die Autorität traditioneller Allegorie verwarf, stellt man seine Haltung falsch dar, wenn man sagt, dass er sich nie auf allegorische Auslegungen einließ. Es gibt Abschnitte in seinen Kommentaren, die in dieser Hinsicht überraschend mittelalterlich geprägt sind. Er schöpfte oft aus dem Bestand an Allegorien der Kirchenväter und bewies viel Phantasie dabei, seine eigenen zu ersinnen. Auf der Grundlage von Gal 4,21-31 erkannte Luther an, dass Allegorien als »Bilder« und »hübsche Ausschmückungen« gebraucht werden können. Doch im Gegensatz zu Origenes und den traditionellen Allegorikern vertrat er die Historizität der entsprechenden Berichte und die historisch-grammatische Bedeutung als Hauptsinn.

Mitten in seinen Genesisvorlesungen (1535-1545) fügt er in Kapitel 9 einen Exkurs über Allegorien und deren Verwendung in seinen Schriften ein. Er sagt, dass er als Mönch durch die Kirchenväter (Origenes, Hieronymus und Augustin) zu allegorischen Auslegungen gekommen ist. Als er jedoch feststellte, dass sie »nichtige Schatten« sind, begann er, sie zu verabscheuen. Er sagte, dass die Münsteraner und die Wiedertäufer Unrecht hätten, wenn sie alles allegorisierten. Allegorien seien jedoch erlaubt, wenn man die Analogie des Glaubens beachte und somit die Allegorie auf Christus hinweise. Einige der Kirchenväter hätten diese Analogie ausgelassen und daher Allegorien erhalten, die nicht auf Christus verwiesen. Wer beispielsweise behaupte, dass Sonne und Mond in 1Mo 1 auf die päpstliche Vormachtstellung hinweise, lasse nichts als tollkühne Vermessenheit und ehrgeizige Ziele erkennen. Er pflichtet jedoch denen bei, die in Noahs Arche eine Christusallegorie sehen und stimmt der Beobachtung zu, dass die Proportionen der Arche denen des menschlichen Leibes Christi ähneln, nämlich sechsmal so lang wie breit..

An anderer Stelle stellt er klar, dass die wörtliche historisch-grammatische Bedeutung vorrangig sei, der allegorische Sinn aber als Veranschaulichung verwendet werden könne, wenn er auf der entsprechenden christozentrischen Analogie des Glaubens beruhe: »Ich habe oft gesagt, was die Theologie war, als ich ein derartiges Studium begann. Man pflegte zu sagen: »Der Buchstabe tötet.« Daher missfiel mir Lyra (Nikolaus von Lyra, 1270/75-1349) zuallermeist, weil er dem Wortsinn so eifrig folgte. Doch nun, da ich ebendiese Sache so schätze, ziehe ich ihn fast allen Auslegern der Schrift vor. Und ich ermahne euch auf das Ernstlichste: Seid sehr sorgfältig bei der Beurteilung historischer Fragen! Wenn ihr aber jemals Allegorie treiben wollt, dann tut es als jene, die auf die Analogie des Glaubens achtgeben, das ist, sie auf Christus, die Gemeinde, den Glauben und den Dienst des Wortes hin zu finden.«

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Johannes Calvin

Neben Luther war Calvin die Gestalt, die an der Spitze der hermeneutischen Revolution stand. Obwohl viele Menschen Calvin (1509-1564) nur von seinem Werk Unterricht in der christlichen Religion her kennen, war er zuallererst Exeget und erst an zweiter Stelle Theologe. Er war ein eifriger Ausleger und ein produktiver Autor, der zu fast jedem neutestamentlichen Buch (außer dem 2. und 3. Johannesbrief und der Offenbarung) und zu vielen alttestamentlichen Büchern Kommentare schrieb.

Wie Luther sagte Calvin, dass die Schrift die einzige, letzte Autorität der Kirche ist (sola scriptura ) und dass die Schrift die Schrift auslegt (analogia scripturae ). Er betonte die wörtliche historisch-grammatische Auslegungsmethode, die christozentrische Natur der Schrift, die Erleuchtung durch den Heiligen Geist und ein ausgewogenes Herangehen an die Typologie. Er meinte auch, dass ein Ausleger darauf achten müsse, dass die Auslegung nicht durch persönliche Vorlieben verfälscht wird. In seiner Vorrede zu seinem Römerbriefkommentar schrieb Calvin: »Es ist die erste Aufgabe des Auslegers, den Autor das sagen zu lassen, was er mitteilen will, statt ihm etwas zuzuschreiben, was er seiner Meinung nach sagen sollte.«

Calvin betonte, dass die Bedeutung der Schrift klar sei. Damit meinte er, dass »der wahre Schriftsinn der natürlichen und offenkundigen Bedeutung entspricht«. Das Ziel der Auslegung bestehe darin, die vom menschlichen Schreiber beabsichtigte Bedeutung zu bestimmen, die man anhand des literarischen und historischen Kontexts eindeutig ermitteln könne. Calvins exegetische Prinzipien waren vor allem: klar, kurz und einfach (brevitas et facilitas )! Nach Calvin sind die Schriften prinzipiell verständlich: »Die Schrift legt so klar von ihrer Wahrheit Zeugnis ab wie weiße und schwarze Dinge von ihrer Farbe.«

Wie Luther trat er leidenschaftlich für den sensus literalis ein. Und er war bei der Umsetzung dieses Anliegens in die Praxis noch erfolgreicher. Seine Kommentare sind außerordentliche Zeugnisse einer soliden, historischen Exegese in einer Zeit, als die vorherrschende Methode von anderen Interessen bestimmt war.

Wie Luther verwarf Calvin allegorische Auslegungen und hob die wörtliche historisch-grammatische Exegese hervor. Er sagte, dass Allegorien »leichtfertige Spielereien« seien. Origenes und viele andere seien schuldig geworden, »indem sie die Schrift auf jede erdenkliche Weise ihres wahren Sinnes beraubt haben«. Nach der Auffassung Calvins sagt der paulinische Hinweis auf Abraham und Hagar in Gal 4,21-31 nicht, dass es bei der Niederschrift Moses Absicht gewesen sei, biblische Geschichte in Allegorie umzuwandeln.

Calvin war in seiner Ablehnung der Allegorie konsequenter als Luther, der sich von Zeit zu Zeit weiterhin gewisse Allegorien leistete. Calvin - hier war er mit Theodor von Mopsuestia geistig sehr verwandt - zögerte sehr, direkte (selbst typologische) Hinweise auf Christus im Alten Testament zu benennen, wenn das Neue Testament deren Gebrauch nicht speziell rechtfertigt oder im Kontext der Stelle klar darauf hingedeutet wird. Calvin vermied im Gegensatz zu Luther sogar die allegorische Auslegung zur Veranschaulichung oder zur Ausschmückung. An einer Stelle bemerkt er jedoch, dass Gottes Abrahamsverheißung nach den Worten des Paulus »für Abrahams leibliche Nachkommen erfüllt werden soll - nicht nur in allegorischer, sondern auch in wörtlicher Hinsicht« (Unterricht in der christlichen Religion ).

Obwohl Calvin die objektive Exegese betonte, ließ er auch ein subjektives Element in der Auslegung gelten - »das innere Zeugnis des Heiligen Geistes«. Während Luther glaubte, dass der Geist bei der Auslegung eine wichtige Rolle spiele, lehrte Calvin, dass das Zeugnis des Geistes nicht dazu diene, beim Auslegungsprozess Licht zu geben. Vielmehr wolle er im Herzen des Christen bestätigen, dass eine bestimmte Auslegung richtig sei. Er schrieb: »Das Zeugnis des Geistes ist vortrefflicher als alle Vernunft. Denn so wie Gott allein in seinem Wort ein rechter Zeuge seiner selbst ist, wird auch das Wort in den Herzen der Menschen nicht angenommen werden, bevor es durch das innere Zeugnis des Heiligen Geistes bestätigt wird. Der gleiche Geist, der durch den Mund der Propheten geredet hat, muss daher in unsere Herzen eindringen, um uns zu überzeugen, dass die Propheten treu verkündigt haben, wozu ihnen Gott den Auftrag gegeben hatte« (Unterricht in der christlichen Religion ). Wiederum stellte er fest: »Selbst wenn dem Wort wegen der ihm eigenen Hoheit Ehrerbietung entgegengebracht wird, berührt es uns nur, wenn es durch den Geist in unseren Herzen bestätigt wird. Daher glauben wir, durch seine Kraft erleuchtet, weder aus uns selbst heraus noch aufgrund des Urteils irgendeines Menschen, dass die Schrift von Gott ist. Und über jedes menschliche Urteil erhaben, versichern wir mit größter Gewissheit ... dass die Schrift durch den Dienst von Menschen aus dem Mund Gottes geradewegs zu uns gekommen ist« (Unterricht in der christlichen Religion ). Auch betonte Calvin, dass die Fähigkeit, die grundlegende Botschaft der Schrift zu verstehen, eine Gabe sei, die der Geist den Erwählten habe zuteil werden lassen: »Wann immer wir durch einen Mangel in den Gläubigen betrübt werden ... sollten wir daran denken, dass niemand irgendeine Einsicht in die Geheimnisse Gottes hat außer denjenigen, denen sie geschenkt wurde« (Unterricht in der christlichen Religion ).

Calvins Lehre von der Analogie des Glaubens konzentrierte sich auf die Souveränität Gottes und die Prädestination (Vorherbestimmung) sowie auf die Errettung durch Glauben an Christus. Luther bestand allzu oft darauf, christologische Bedeutungen in Texten zu finden, deren historisch-grammatische Exegese dies nicht hergab. Anders Calvin: Er argumentierte, dass die Analogie des Glaubens das Ziel nicht verdunkeln solle, das darin bestehe, die vom Autor ursprünglich beabsichtigte Bedeutung klar zu verstehen.

Ein Beispiel dafür, wie Calvin die Analogie des Glaubens gebrauchte, kann man in seinem Versuch erkennen, den für ihn von vornherein klaren Konflikt zwischen Errettung aus Gnade und dem durch Werke erworbenen Erbe in Mt 25,31-46 zu lösen. Calvin stützt sich auf Eph 1,18 und Galater 4,7 bei dem Vorhaben, die Verheißung auszulegen, dass diejenigen, die gute Werke vollbringen, das ewige Leben erben: »Selbst an jenen Stellen, wo der Heilige Geist ewige Herrlichkeit als Belohnung für Werke verheißt, zeigt er dadurch, dass er diese Herrlichkeit ausdrücklich als »Erbe« bezeichnet, dass sie ihren Ursprung nicht in Werken hat, wenn sie uns zuteil wird« (Unterricht in der christlichen Religion ).

Calvin betonte den fortschreitenden Charakter biblischer Offenbarung im gesamten Verlauf der Heilsgeschichte. Gott führte eine Ordnung, eine zeitliche Abfolge ein, als er seinen Gnadenbund gab, und dementsprechend gewährte er weitere Offenbarungen »von einem Tag zum anderen«. Die Verheißung an Adam ( 1Mo 3,15 ) war ein Fünkchen. Im Laufe der Zeit wurde das Licht immer heller bis zum Kommen Christi, der die ganze Welt erleuchtete (Unterricht in der christlichen Religion ).

Nach Calvin wurde die Einheit zwischen dem Alten und Neuen Testament durch eine typologische Auslegung des Alten Testaments offenbart. Das Land Kanaan sei beispielsweise ein Typus für das ewige Erbe (Unterricht in der christlichen Religion ). Abgesehen von seiner christologischen Typologie der alttestamentlichen Berichte und seiner kultischen Rituale vermied Calvin übertragene Bedeutungen.

Wie Theodor von Mopsuestia sah Calvin viele messianische Hinweise in den Psalmen als Typologien und nicht als direkte Voraussagen an, die - so meinte er - den offenkundigen historischen Kontext ignorierten, wie z. B. in Ps 2,7 (»Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt«). Während die kirchliche Tradition diese Stelle als unmittelbare Christusprophetie auslegte, bevorzugte Calvin die historische Deutung als Hinweis auf Davids Krönung und darauf, dass er zum königlichen »Sohn« Gottes im politischen Sinne ernannt wurde.

Obwohl Calvin als Schriftausleger im 16. Jahrhundert einzig war, bildete er sich nicht ein, dass er auf den Reichtum 1500- jähriger Auslegung der Bibel verzichten könne oder dass er vom Einfluss der Vergangenheit frei sei. Tatsächlich widmete sich Calvin intensiv den Werken der wichtigsten Theologen der Kirche, weshalb es in Unterricht in der christlichen Religion zahlreiche Hinweise auf die Kirchenväter gibt (z.B. auf Augustin, Ambrosius, Cyprian und Theodoret). Calvin glaubte, dass er - wenn möglich - am Werk früherer Exegeten festhalten sollte. Er fühlte sich der exegetischen Tradition der Kirche - vor allem den frühkirchlichen und insbesondere den augustinischen Werken - verpflichtet, denen er viel verdankte. Er war nicht bereit, den Auslegungskonsens aufzugeben; doch dort, wo die römisch-katho-lische Kirche die Tradition missbrauchte und den klaren Sinn der Schrift nicht anerkennen wollte, ging er eigene Wege.

 

HERMENEUTIK

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Andere reformatorische Gelehrte

Philipp Melanchthon (1497-1560), Luthers Mitarbeiter, war ein guter Kenner des Hebräischen und Griechischen, so dass er eine führende Rolle in der biblischen Exegese seiner Zeit einnehmen konnte. Obwohl er manchmal in Allegorien abglitt, hielt er sich im Allgemeinen an die historisch-grammatische Methode.

Während Calvin an der Spitze der Reformation in Genf stand, war Ulrich Zwingli (1484-1531) der Führer der Reformation in Zürich. Zwingli brach mit der römisch-katholischen Kirche wegen der Frage ihrer Autorität. Darüber schrieb er: »Alle, die sagen, dass das Evangelium ohne die Billigung der Kirche nichts ist, irren und schmähen Gott.« Zwingli vertrat die kontextbezogene Auslegung. Wer eine Stelle aus ihrem Zusammenhang reißt, »ist wie einer, der eine Blume entwurzelt«. Zwinglis Auffassung von der geistlichen Erleuchtung ähnelte der Calvins: »Gewissheit kommt aus der Macht und Klarheit des schöpferischen Wirkens Gottes und des Heiligen Geistes.«

William Tyndale (1491/94-1536) ist am meisten wegen seiner 1525 erschienenen Übersetzung des Neuen Testaments ins Englische bekannt. Wie die anderen Reformatoren betonte Tyndale die wörtliche Bedeutung der Schrift: »Die Schrift hat eine Bedeutung, nämlich den wörtlichen Sinn.« Tyndale erklärte, dass die Auslegung von sprachlichen Bildern in den Bereich der wörtlichen Deutung falle.

Während des 16. Jahrhunderts gab es viele Gelehrte, welche die historisch-grammatische Methode übernahmen und zahlreiche Kommentare veröffentlichten. Dabei lobte Calvin überschwänglich die von Melanchthon, Bucer, Zwingli, Oekolampad und Bullinger verfassten Werke.

Zürich erlebte 1525 die Anfänge der Wiedertäuferbewegung. Anhänger Zwinglis waren der Meinung, dass er in Fragen der staatlichen Kontrolle über die Kirche und der Kindertaufe mit dem Katholizismus nicht völlig brach. Sie glaubten, dass ein Mensch, der als Kleinkind durch die reformierte (zwinglianische) Kirche getauft worden war und sich dann als Erwachsener zu Christus bekannte, erneut getauft werden solle. Die Wiedertäufer hoben die Fähigkeit des Einzelnen hervor, die Schrift mit Hilfe des Geistes auslegen zu können. Sie ließen sich jedoch auf zahlreiche Allegorien ein, was Luther brandmarkte. Die Begründer der Wiedertäuferbewegung waren Konrad Grebel, Felix Manz und Georg Blaurock. Zu anderen führenden Täufern gehörten Balthasar Hubmaier, Michael Sattler, Pilgram Marbeck und Menno Simons.

 

HERMENEUTIK

reformatorische

Die Gegenreformation: Das Konzil von Trient

Als Reaktion auf die protestantische Reformation berief die römisch-katholische Kirche das Konzil von Trient (1545-1563) ein, das sieben Mal zusammenkam. Es verwarf die griechische Übersetzung von Erasmus und bestätigte die Authentizität der Vulgata. Es bekräftigte die römisch-katholische Position, dass die Bibel nicht die höchste Autorität sei. Vielmehr finde sich die Wahrheit »in geschriebenen Büchern und ungeschriebenen Überlieferungen«, wie sie von den Kirchenvätern der Vergangenheit und geistlichen Führern der Gegenwart gelehrt werde. Das Konzil bekräftigte auch die römisch-katholische Auslegungstradition und verbot jedem, die Schrift nach einer Methode auszulegen, die nicht mit der kirchlichen Lehre in Einklang stand. Exakte Auslegung sei nur durch die römisch-katholische Kirche, die Spenderin und Beschützerin der Bibel, und nicht durch Einzelne möglich. Das Konzil stellte fest: »Niemand erdreiste sich, in Fragen des Glaubens und der Worte, welche die Erbauung christlicher Lehre betreffen, die Schrift von sich aus auszulegen. Dabei ist es gleichgültig, ob dadurch Übereinstimmung mit dem Sinn erreicht wird, den die heilige Mutter Kirche ... festgehalten hat und festhält, oder ob sogar dem einmütigen Zeugnis der Kirchenväter widersprochen wird. Er stützt sich ja doch nur auf seine eigenen Fähigkeiten und verfälscht die heiligen Schriften nach eigenem Gutdünken.« Indem die römisch-katholische Kirche auf die Reformation negativ reagierte, wurde sie beim Festhalten an der Vorrangstellung kirchlicher Überlieferung noch kompromissloser. Auf der vierten Sitzung des Konzils von Trient (8. April 1546) wurde verfügt: »Niemand erdreiste sich, die besagte heilige Schrift im Gegensatz zu dem Sinn, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält, auszulegen.«

Die Protestanten antworteten mit in einer Fülle literarischer Werke im 17. und 18. Jahrhundert, wobei die Gegensätzlichkeit beider Seiten immer deutlicher hervortrat. Somit gingen aus den bedeutungsvollen Ereignissen des 16. Jahrhunderts zwei verschiedene Richtungen biblischer Auslegung, eine protestantische und eine katholische, hervor. Obwohl seitdem vier Jahrhunderte vergangen sind, bleiben die beiden Ansätze weiterhin unvereinbar.

Siehe auch: Hermeneutik, nachreformatorische .

Gordon H. Johnston

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