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1. Korinther Walvoord

bkürzungen


akt. Aktiv, aktive Form
Apok. Apokryphen
Aram. Aramäisch
AT Altes Testament
Bd. Band
ca. circa
ebd. ebenda
fem. Femininum, weibliche Form
Griech. Griechisch
Hebr. Hebräisch
Hrsg. herausgegeben, Herausgeber
Impera. Imperativ, Befehlsform
Imperf. Imperfekt, Vergangenheit
Kap. Kapitel
Lat. Lateinisch, Latein
LXX Septuaginta(griech. Übers. des AT)
mask. Maskulinum männliche Form
Ms, Mss Manuskript(e)
MT Masoretischer Text (überlieferte Texte des hebr. AT)
neutr. Neutrum, sächliche Form
Nr. Nummer
NT Neues Testament
o.J. ohne Jahr, kein Erscheinungsjahr
o.O. ohne Ort, kein Erscheinungsort
Part. Partizip
Pass. Passiv, passive Form
Perf. Perfekt, vollendete Vergangenheit
Pl. Plural, Mehrzahl
Präs. Präsenz, Gegenwart
S. Seite
s. siehe
Sem. Semitisch
Sing. Singular, Einzahl
s.o. siehe oben (im Text)
s.u. siehe unten (im Text)
s.v. sub verbo, siehe unter dem Stichwort
u.a. und andere
Übers. Übersetzung, Übersetzer, übersetzt
V. Vers
vgl. vergleiche
Vul. Vulgata (lat. Übers. der Bibel)
wörtl. wörtlich
z.B. zum Beispiel

Biblische Maße und Gewichte


Binlische Einheit   Heutige Entsprechung
Gewicht    
Talent 60 Pfund 34 kg
Pfund/Mine 50 Lot 0,6 kg
Lot/Schekel 2 Bekas 11,6 g
Pim 2/3 Lot 7,6 g
Beka 10 Gramm 6 g
Gramm/Gera   0,6 g

Länge

Rute 6 Ellen 2 m
Elle 2 Spannen 0,5 m
Spanne 3 Handbreiten 23 cm
Handbreite 4 Fingerbreiten 7 cm
Fingerbreite   2 cm

Hohlmaße für trockene Dinge

Sack/Homer 10 Scheffel 220 l
Letech 5 Scheffel 110 l
Scheffel/Efa 3 Maß/10 Gomer 22 l
Maß 1/3 Scheffel 7,3 l
Krug 1/10 Scheffel 2,2 l
Handvoll 1/18 Scheffel 0,3 l

Hohlmaße für Flüssigkeiten

Faß wie Sack 220 l
Eimer 1 Schefel 22 l
Kanne 1/6 Eimer 4 l
Becher 1/72 Eimer 0,3 l

Die Angaben sind Annäherungswerte. Grundlage der Umrechnung ist die Festsetzung 1 Lot = 11,5 g; 1 Elle = 0,5 m; 1 Scheffel = 22 l (andere Berechnungen:1 Scheffel = 39 l).


Transliteration (Umschift)



1. Korintherbrief (David K. Lowery)


EINFÜHRUNG


Die griechische Mythologie erzählt, daß Sisyphus, der König von Korinth, als er durch seinen Stolz die Götter erzürnt hatte, dazu verurteilt wurde, einen riesigen Stein einen Berg hinaufzuwälzen. Doch jedesmal, wenn er den Gipfel erreicht hatte, rollte der Stein wieder hinab, und Sisyphus mußte sein mühseliges Werk von vorn beginnen. Albert Camus, ein Philosoph des 20. Jahrhunderts, sah in diesem Mythos ein Bild des modernen Menschen schlechthin, ein Symbol für die Absurdität des Lebens.

Wenn Camus die beiden Korintherbriefe gelesen hätte, hätte er sicherlich ein anderes Bild gewonnen. In ihnen wird eine ganz andere Botschaft, eine Botschaft der Sinnerfülltheit und der Hoffnung für die irregeleiteten Menschen, laut. Die Haltung der Korinther des 1. Jahrhunderts nach Christus hatte, wie das ihres legendären Königs, einen Beigeschmack stolzer Ichbezogenheit. Glücklicherweise hatten sie es aber nicht mit dem launischen Göttervater Zeus, sondern mit dem gnädigen und liebenden Gott und seinem Boten, dem Apostel Paulus, zu tun.

 

Verfasser und Adressaten


Selbst von seiten der strengsten Kritiker wird kaum jemals bezweifelt, daß Paulus tatsächlich der Verfasser dieses Briefes ist. Der Apostel besuchte Korinth auf seiner zweiten Missionsreise ( Apg 18,1-18; wahrscheinlich im Frühjahr des Jahres 51 n. Chr., da die Statthalterschaft des Gallio im Juli desselben Jahres begann). Er lernte dort Aquila und Priszilla kennen, ein Ehepaar, das 49 n. Chr. auf ein Dekret des Kaisers Klaudius hin, das alle Juden der Stadt verwies, aus Rom geflohen war. Die beiden waren, wie Paulus selbst, von Beruf Zeltmacher. Da im Neuen Testament nirgendwo von ihrer Bekehrung die Rede ist, waren sie wahrscheinlich bereits Christen, als Paulus sie traf. Aufgrund der geistlichen, ethnischen und beruflichen Gemeinsamkeiten zwischen ihm und dem Paar ist es ganz natürlich, daß der Apostel sich zu ihnen hingezogen fühlte.

Wie immer suchte Paulus auch in Korinth zunächst den Kontakt zur Synagoge. Er nahm an den jüdischen Gottesdiensten teil und versuchte dabei, seine Hörer davon zu überzeugen, daß in Jesus ihr Messias gekommen war. Als ihm schließlich jedoch der Zutritt zur Synagoge verwehrt wurde, predigte er in einem neben der Synagoge stehenden Haus, das einem seiner Zuhörer, einem Heiden namens Titius Justus ( Apg 18,7 ), gehörte. Titius Justus war einer der vielen Korinther, die sich zum Herrn bekehrt hatten. Vom menschlichen Standpunkt aus gesehen hatte Paulus allen Grund, sich zu fragen, wie viele Heilige er in dieser Stadt wohl finden würde, denn Korinth war berüchtigt für seinen krassen Materialismus. Bereits in der frühen griechischen Literatur wird die Stadt mit Reichtum (Homer, Ilias 2. 569 - 570) und unmoralischem Lebenswandel in Verbindung gebracht. So bezeichnete Plato eine Prostituierte einfach als "ein Mädchen aus Korinth" ( Der Staat 404 d). Der Dramatiker Philetaerus ( Athenäus 13. 559 a) schrieb eine Burleske mit dem Titel " Ho KorinthiastEs ", der zu deutsch mit "Der Wüstling" wiedergegeben werden könnte. Von Aristophanes stammt das Verb korinthiazomai , ein Synonym für "Unzucht treiben" ( Fragment 354). Laut Strabo ( Geographia 8. 6 - 20) konzentrierten sich sowohl der Reichtum als auch die Lasterhaftigkeit der Stadt in erster Linie auf den Bereich des Aphroditetempels mit seinen 1000 Tempeldirnen. Aus diesem Grund warnte denn auch ein bekanntes Sprichwort: "Nicht jedem bekommt eine Reise nach Korinth."

Nach dem Jahr 146 V. Chr. war Korinth allerdings etwa 100 Jahre lang kein besonders beliebtes Reiseziel mehr. Die Stadt hatte sich gegen Rom erhoben und war fast ganz zerstört worden; nur ein paar Säulen im Apollotempel waren stehengeblieben. Die Einwohner waren getötet oder in die Sklaverei verkauft worden.

Doch die günstige Lage des Ortes blieb nicht lange ungenutzt: 46 V. Chr. ließ Julius Cäsar die Stadt als römische Kolonie neu erbauen; 27 V. Chr. wurde sie zum Sitz der römischen Verwaltung der Provinz Achaja. In dieser neuen Situation, in der die alten Laster trotz allem fortwirkten, kam Paulus im Jahre 51 n. Chr. in die Stadt und begann mit der Erlaubnis des römischen Statthalters Gallio sein Evangelium zu verkündigen.


Kontakte und Briefwechsel


Wie oft und in welcher Form Paulus nach seinem ersten Besuch im Jahr 51 n. Chr. persönlichen oder brieflichen Kontakt mit den Korinthern aufnahm, ist umstritten. Belege für meine Darstellung der Ereignisse finden sich in den in der Bibliographie zitierten Werken.

1. Während seiner ersten Missionsreise verbrachte Paulus anderthalb Jahre in Korinth und brach im Herbst des Jahres 52 n. Chr. von dort aus nach Jerusalem auf. Dabei wurde er von Priszilla und Aquila bis zu seinem ersten Etappenziel, Ephesus, begleitet, wo das Ehepaar zurückblieb und den begnadeten Alexandriner Apollos in der neuen Lehre unterwies. Apollos wurde dann nach Korinth zurückgeschickt, wo er Paulus' Werk fortsetzen sollte ( Apg 18,18-28 ).

2. Während Apollos noch in Korinth predigte ( Apg 19,1 ), kehrte Paulus im Herbst des Jahres 53 n. Chr. im Zuge seiner dritten Missionsreise zu einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt nach Ephesus zurück ( Apg 19 ). Zu Beginn dieser Zeit in Ephesus schrieb er wahrscheinlich jenen-verlorengegangenen - Brief, von dem in 1Kor 5,9 die Rede ist und den die Korinther offensichtlich mißverstanden ( 1Kor 5,10-11 ).

3. Von diesem Mißverständnis und auch von anderen in der Gemeinde von Korinth aufgetretenen Problemen erfuhr Paulus zunächst durch Mitglieder des Hauses der Chloe ( 1Kor 1,11 ). Danach wurde er von einer offiziellen Delegation aus Korinth, bestehend aus Stephanas, Fortunatus und Achaikus ( 16,17 ), aufgesucht, die ihm Fragen zu strittigen Punkten vorlegten, die zu einer Kirchenspaltung in ihrer Gemeinde geführt hatten. Daraufhin entstand wahrscheinlich im Jahr 54 oder 55 n. Chr. der uns vorliegende 1. Korintherbrief, der sich mit diesen Angelegenheiten befaßt.

4. Doch anscheinend waren die Probleme der Gemeinde damit noch nicht gelöst - eine Nachricht, die möglicherweise Timotheus dem Apostel überbrachte ( 1Kor 4,17;16,10 ). Daher entschloß Paulus sich zu einem zweiten Besuch in Korinth ( 2Kor 1,15 ), den er in 1Kor 2,1 aufgrund der Handlungsweise des Mannes, von dem in 1Kor 2,5 und 1Kor 7,2 die Rede ist, als "traurig" bezeichnet (vgl. 2Kor 13,1 ,wo noch von einem dritten Besuch die Rede ist, der letzten Etappe auf Paulus' dritter Missionsreise).

5. Doch bald nach diesem zweiten Besuch sah Paulus sich - wieder in Ephesus - gezwungen, einen dritten Brief zu schreiben, den er durch Titus überbringen ließ. Er bedauerte es zutiefst ( 2Kor 2,4 ), der Gemeinde darin mit disziplinarischen Maßnahmen drohen zu müssen ( 2Kor 7,8-9 ).

6. Nach dem Aufstand der Silberschmiede verließ Paulus Ephesus, um nach Troas zu gehen und dort Titus zu treffen. Als er ihn nicht vorfand, reiste er - anscheinend in großer Angst umTitus' Sicherheit - voller Sorge weiter nach Mazedonien ( 2Kor 2,12-13; 1Kor 7,5 ). Dort traf er ihn dann endlich und erfuhr von ihm, daß die korinthische Gemeinde inzwischen zwar wieder auf den richtigen Weg zurückgefunden hatte, daß eine bestimmte Gruppe sich ihm jedoch weiterhin widersetze.

7. Von Mazedonien aus schrieb der Apostel daraufhin einen weiteren Brief - unseren 2. Korintherbrief -, dem sein dritter Besuch im Winter 56/57 folgte ( Apg 20,1-4 ).



Aufbau und Zweck des Briefes


Im Gegensatz zum Epheserbrief, der sich mit der universalen Kirche befaßt, geht es im 1. Korintherbrief um ganz spezifische Angelegenheiten der christlichen Gemeinde in Korinth. Wer heute den Eindruck hat, daß es in seiner Gemeinde mehr unerfreuliche Zeitgenossen und mehr Streitigkeiten als in anderen gibt, muß nur diesen Brief (und seine Fortsetzung, den 2. Korintherbrief) lesen, um die Dinge wieder im richtigen Verhältnis zu sehen. Der 1. Korintherbrief gewährt uns einen Einblick in das Leben der Kirche im 1. Jahrhundert, und dieses Leben war alles andere als heilig. Doch gerade darum hat Paulus diesen Brief ja geschrieben - er sollte die Korinther dazu bewegen, den Stand der Heiligung, der den Christen bereits auf Erden zugesagt ist, stärker in die Praxis, in das alltägliche Leben, umzusetzen. Trotz der zahlreichen, zum Teil spektakulären Beweise für das Wirken des Heiligen Geistes in ihrer Mitte schien die korinthische Gemeinde dem Geist der Welt stärker zugetan als dem Geist Gottes. Das wollte Paulus ändern. Seine Botschaft läßt sich in drei Abschnitte unterteilen:

1. In den ersten sechs Kapiteln versucht er, zur Schlichtung der Streitigkeiten, von denen er durch die Knechte der Chloe erfuhr ( 1Kor 1,11 ), beizutragen und in der Gemeinde die Einheit von Überzeugung und Handeln wiederherzustellen.

2. Ab Kapitel 7 wendet er sich bestimmten Fragen zu (vgl. die Wendung peri de , "wovon ihr aber..."): den Problemen in bezug auf die Ehe ( 1Kor 7,1.25 ), den Zwiespalt zwischen Freiheit und Verantwortlichkeit ( 1Kor 8,1 ), den Geistesgaben und der Kirchenordnung ( 1Kor 12,1 ), der Kollekte für die Armen in Jerusalem ( 1Kor 16,1 ) und den Besuch von Apollos ( 1Kor 16,12 ).

3. In Kapitel 15 bestätigt und verteidigt er die Lehre von der Auferstehung, die manche Korinther leugneten. In dieser Leugnung sah Paulus möglicherweise das Grundübel, das alle seine vorhergehenden Ausführungen überhaupt erst nötig gemacht hatte; er stellte die Behandlung dieses Themas daher an den Schluß des Briefes und machte es damit zu seinem Höhepunkt.

Über und hinter all den Streitfragen, mit denen sich der Brief auseinandersetzt, steht jedoch immer wieder die Tatsache, daß es in Korinth überhaupt eine christliche Gemeinde, ein Zeugnis für die Macht Gottes und des Evangeliums, gibt.



GLIEDERUNG


I. Einleitung ( 1,1-9 )

     A. Grußwort und Vorstellung des Verfassers und der Adressaten ( 1,1-3 )
     B. Danksagung für die Gnade Gottes ( 1,4-9 )

II. Spaltungen in der Gemeinde ( 1,10-4,21 )

     A. Das Bestehen der Spaltungen ( 1,10-17 )
     B. Die Gründe für die Splatungen ( 1,18-4,5 )
          1. Das Mißverstehen der Botschaft ( 1,18-3,4 )
          2. Das Mißverstehen des Amtes ( 3,5-4,5 )

III. Mißstände in der Gemeinde ( Kap.5-6 )

     A. Unterlassung der Bestrafung eines Sünders ( Kap.5 )
     B. Persönliche Streitigkeiten ( 6,1-11 )
     C. Sexuelle Vergehen ( 6,12-20 )

IV. Schwierigkeiten in der Gemeinde ( Kap.7-15 )

     A. Ratschläge in bezung auf die Ehe ( Kap.7 )
          1. Ehe und Ehelosigkeit ( 7,1-9 )
          2. Ehe und Scheidung ( 7,10-24 )
          3. Ehe und chistlicher Dienst ( 7,25-38 )
          4. Wiedervertheiratung und Witwentum ( 7,39-40 )

     B. Der Umgang mit der christlichen Freiheit ( Kap.8-14 )
          1. Die chritliche Freiheit und der heidnische Götzendienst ( 8,1-11,1 )
               a. Das Prinzip der brüderlichen Liebe ( Kap.8 )
               b. Der Umgang mit Privilegien ( 9,1-10,13 )
               c. Die rechte Haltung zum Götzendienst ( 10,14-11,1 )

          2. Die christliche Freiheit und der christliche Gottesdienst ( 11,2-14,40 )
               a. Das Verhalten der Frau im Gottesdienst ( 11,2-16 )
               b. Das Verhalten der Christen beim Abendmahl ( 11,17-34 )
               c. Der Stellenwert der Geistesgaben ( Kap.12-14 )

     C. Die Lehre von der Auferstehung ( Kap.15 )
          1. Die Gewißheit der Auferstehung des Leibes ( 15,1-34 )
               a. Historische Argumente ( 15,1-11 )
               b. Logische Argumente ( 15,12-19 )
               c. Theologische Argumente ( 15,20-34 )
               d. Erfahrungstatsachen ( 15,39-49 )

          2. Antworten auf bestimmte Fragen ( 15,35-58 )
               a. Die Auferstehung der Toten ( 15,35-49 )
               b. Die Entrückung der Lebenden ( 15,50-58 )

     D. Ratschläge hinsichtlich der Kollekte für die Armen ( 16,1-4 )
     E. Reisepläne ( 16,5-12 )

V. Schlußwort ( 16,13-24 )

     A. Ermahnung zu angemessenem Verhalten und Empfehlungen ( 16,13-18 )
     B. Grüße, Fluch und Segen ( 16,19-24 )
 

AUSLEGUNG


I. Einleitung
( 1,1-9 )


Wie die anderen Einleitungen der Paulusbriefe enthalten auch die Einleitungsworte des 1. Korintherbriefs bereits einen Abriß der Themen, mit denen der Apostel sich im folgenden befaßt. Schon im Briefeingang spielt Paulus auf seine Berufung zum Apostel, auf die Berufung der Korinther zu Heiligen und auf die Einheit der Gemeinde in Christus an.



A. Grußwort und Vorstellung des Verfassers und der Adressaten
( 1,1-3 )


1Kor 1,1


Paulus weist seine Leser bereits im ersten uns erhaltenen Brief an die Korinther kurz auf seine Legitimität als Apostel hin, die in Korinth in Frage gestellt wurde ( 1Kor 9 ), geht jedoch erst im 2. Korintherbrief ausführlicher auf dieses Thema ein. Hier versichert er nur kurz, daß er durch den Willen Gottes in sein Amt eingesetzt wurde und nicht seine eigenen, sondern die Interessen Christi vertritt.

Bei Sosthenes , den Paulus als Mitverfasser des Briefes nennt - wahrscheinlich ein enger Mitarbeiter des Apostels -, handelt es sich möglicherweise um den Vorsteher der Synagoge, der früher einmal bei antichristlichen Kundgebungen in Korinth von seinen eigenen Leuten, den Juden, öffentlich geschlagen worden war ( Apg 18,17 ).Wenn diese Annahme richtig ist, so ist Sosthenes ein Beispiel dafür, wie Gott auch das Schlimmste für den Gläubigen schließlich noch zum Guten wenden kann.



1Kor 1,2


Die christliche Gemeinde gehört Gott, nicht den Menschen. Wenn die Korinther das rechtzeitig erkannt hätten, wäre es vielleicht nie zu Spaltungen unter ihnen gekommen. Die Glieder der Kirche sind die Geheiligten , von Gott als sein Eigentum abgesondert. In seinem Brief wirft Paulus den Gläubigen in Korinth vor, daß ihr Leben diesem Stand nicht entspricht. Sie sollen aber Jesus Christus, ihrem Herrn , gehorchen, denn Gehorsam ist die Voraussetzung der Einheit der Christen nicht nur in Korinth, sondern an jedem Ort .



1Kor 1,3


Die Gnade , die die korinthischen Christen zu einer Gemeinschaft zusammengefügt hat, sollen sie sich nun auch gegenseitig erweisen, damit der Friede gewahrt bleibt. Gnade und Friede aber, die die korinthische Gemeinde vor allem anderen nötig hatte, gibt Gott denen, die sich ganz auf ihn verlassen.



B. Danksagung für die Gnade Gottes
( 1,4-9 )


Daß Paulus Gott für eine Gemeinde dankt, die ihm so viel Kummer bereitet, mag ein wenig seltsam erscheinen. Wenn er nur auf seine eigenen Fähigkeiten angewiesen gewesen wäre, wäre es um seine Aussicht, eine Gruppe wie die Christen in Korinth wieder auf den richtigen Weg zu bringen, tatsächlich nicht zum besten bestellt gewesen. Da aber Gott unter den Seinen wirkt, weiß Paulus, daß er Grund zu danken hat.



1Kor 1,4


Trotz ihrer Neigung zur Selbsterhöhung verdanken die Korinther es letztlich ganz allein der Gnade Gottes, daß sie Glieder des Leibes in Christus Jesus sind.



1Kor 1,5


Nur weil sie zu diesem Leib gehören, sind sie so reich ... in aller Lehre und in aller Erkenntnis und besitzen Gaben wie Zungenreden, prophetische Rede, die Unterscheidung zwischen den Geistern und/oder die Gabe der Auslegung ( 1Kor 12,4-11 ). Sie haben diese Gaben allerdings nicht bekommen, um sie - wie es der Fall war - zu mißbrauchen, sondern sie sollen sie zum Besten der ganzen Gemeinde einsetzen.



1Kor 1,6


Daß sie all diese Gaben besitzen, ist zugleich aber auch ein Beweis dafür, daß Paulus' Predigt von Christus unter ihnen wirksam ist. Wenn der Apostel seine Botschaft vielleicht auch in Schwachheit vorgetragen hat ( 1Kor 2,1-5 ), so sorgt doch Gott dafür, daß sein Wort in ihren Herzen Wurzeln schlägt.



1Kor 1,7-8


Da nun aber alles, was er unter ihnen getan hat, im Grunde das Werk Gottes ist, hat Paulus keinerlei Zweifel an dem Ergebnis. Weil die Gläubigen in Korinth durch die Gnade Gottes gerechtfertigt sind, werden sie untadelig ( anenklEtous , "frei von Schuld"; vgl. Kol 1,22 ) dastehen, wenn Christus eines Tages zurückkehrt. Daher können sie in aller Zuversicht auf ihn warten ( apekdechomenous ; dieses Wort wird im Neuen Testament siebenmal für die Rückkehr Christi verwendet: Röm 8,19.23.25; 1Kor 1,7; Gal 5,5; Phil 3,20; Hebr 9,28 ).



1Kor 1,9


Denn Gott ist treu . Er hat die Korinther berufen ... zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn . Es ist jedoch unmöglich, sich der Gemeinschaft Christi zu erfreuen, während man mit anderen Gliedern seines Leibes in Streit lebt ( Mt 5,23-24 ). Von dieser Vorstellung ausgehend vollzieht Paulus den Übergang von dem, was Gott in der Vergangenheit getan hat und was er in der Zukunft tun wird, zu dem, was die Korinther in der Gegenwart, d. h. hinsichtlich der in ihrer Gemeinde bestehenden Spaltungen, tun sollen.



II. Spaltungen in der Gemeinde
( 1,10-4,21 )


Die Spaltungen in der korinthischen Gemeinde sind das erste Problem, dem Paulus sich im folgenden zuwendet.



A. Das Bestehen der Spaltungen
( 1Kor 1,10-17 )


1Kor 1,10


Paulus spricht hier zu Brüdern, nicht etwa zu Feinden, und er beruft sich dabei auf die höchste Autorität, auf den Namen des Herrn Jesus Christus . Dies ist das zehnte Mal in den ersten zehn Versen des Briefes, daß Paulus sich auf Christus bezieht; er läßt also keinen Zweifel daran, daß der, an den er, Paulus, glaubt, der Ursprung und Mittelpunkt der Einheit in Korinth sein soll. Der Apostel verlangt von den Korinthern nicht, daß sie ihre unterschiedlichen Ansichten aufgeben, sondern er fordert sie zur Eintracht auf. Es ist sein Wunsch, daß die verschiedenen Parteien sich zusammenfinden und - so wie eine Decke trotz unterschiedlicher Farben und Muster dennoch ein harmonisches Ganzes darstellt - eine Einheit bilden.



1Kor 1,11-12


Statt dessen beginnt die Decke in Korinth, an den Rändern auszufransen, wie Paulus durch die Leute der ChloÙ erfahren hat. An der Realität der Spaltungen besteht zwar keinerlei Zweifel, doch aus Paulus' Bemerkung in 1Kor 4,6 könnte man schließen, daß die Namen der Anführer der einzelnen Parteien, die er erwähnt - Paulus, Apollos, Kephas -, nur als Beispiele dienen. Wahrscheinlich wollte er es vermeiden, eine bereits verfahrene Situation noch zu verschlimmern.


1Kor 1,13


Die folgenden drei rhetorischen Fragen erfordern eine entschieden verneinende Antwort. Der universale Leib Christi ist nicht zerteilt ; daher darf auch keine seiner lokalen Manifestationen zerstritten sein. Christus - nicht ein Mensch - hat den Korinthern die Rettung gebracht, deshalb sind sie außer ihm niemandem zur Treue verpflichtet.



1Kor 1,14-17


Paulus orientierte sich in seinem Amt offenbar in jeder Hinsicht am Vorbild Christi. Nach Joh 4,2 hat Jesus nicht selbst getauft , sondern es seinen Jüngern überlassen. Auch darin ahmte Paulus Jesus nach. Ist die Taufe in den Augen des Apostels denn überhaupt heilsnotwendig? Die Antwort lautet: Nein (vgl. 1Kor 4,15;9,1.22;15,1-2 ). Das soll nicht heißen, daß sie ganz ohne Bedeutung ist. Christus selbst hat sie angeordnet ( Mt 28,19 ), und die frühe Kirche hat sie praktiziert ( Apg 2,41 ), so daß sie, wie das Abendmahl, zu einem kirchlichen Ritus wurde. Das Entscheidende an einem Ritus aber ist nicht das, was er bewirkt, sondern das, wovon er Zeugnis ablegt.

Paulus hält es für seine vornehmste Aufgabe, das Evangelium zu predigen (vgl. 1Kor 9,16 ), und zwar nicht mit klugen Worten . Mit glänzender Beredsamkeit vermag man vielleicht den Verstand eines Menschen, nicht aber sein Herz zu gewinnen, wohingegen die nüchternen Worte des Evangeliums, die nach menschlichem Maßstab töricht erscheinen mögen, durch den Geist Gottes wirken ( 1Kor 2,4-5 ).



B. Die Gründe für die Spaltungen
( 1,18-4,5 )


Vom menschlichen Standpunkt aus scheint die Botschaft des Evangeliums, deren Mittelpunkt das Leiden und Sterben des Retters ist, töricht und widersprüchlich. Nicht weniger töricht mutet das Prinzip an, daß, wer der Größte sein will, zum Knecht aller werden muß ( Mt 23,11-12 ). Doch gerade um die Vermittlung dieser Erkenntnis geht es Paulus in seiner Analyse der Gründe, die zu den Spaltungen in Korinth geführt hatten.



1. Das Mißverstehen der Botschaft
( 1,18-3,4 )


Was den Korinthern im Grunde genommen fehlt, ist die Erneuerung durch den Geist ( Röm 12,2 ). Statt dessen versuchen sie, ihr Leben als Christen auf der Grundlage des ungeheiligten gesunden Menschenverstands zu leben, dessen höchstes Ziel die Selbsterhaltung ist. Wer aber ein solches Leben führt, sucht nur sich selbst, dient nur sich selbst und zerstört sich schließlich selbst ( Lk 9,24-25 ).



1Kor 1,18


Genau davor möchte Paulus die Korinther warnen. Das Wort vom Kreuz trifft in den Kern der Ichbezogenheit der Menschen. Für Paulus ist es der Dreh- und Angelpunkt der Rettung - eines Prozesses, der mit der Rechtfertigung beginnt, sich in der Heiligung fortsetzt und in der Verherrlichung gipfelt. In diesem Vers und im ganzen Brief geht es Paulus in erster Linie um die zweite dieser drei Phasen, die progressive Heiligung. "Das Wort vom Kreuz" zielt auf die Selbstentäußerung, den Gehorsam gegenüber Gott, der, wie bei Jesus, in die Erniedrigung und in den Tod führen kann, an dessen Ende aber nicht die Selbstzerstörung, sondern die Bewahrung des Selbst ( Mk 8,34-35 ) und seine Erhöhung ( 2Tim 2,12; Offb 22,5 ) steht. Diese Vorstellung, die denen, die verloren werden, eine Torheit ist (vgl. Lk 9,23-25 ), bildet das Thema dieses und der folgenden Verse ( 1Kor 1,17-18.23-24;2,2.8 ).

 

1Kor 1,19


Wie er es häufig tut, illustriert Paulus diesen Punkt am Beispiel Israels. Israel handelte nach menschlichem Ermessen klug, als es einen Pakt mit Ägypten schloß, um sich gegen den Angriff der Assyrer zu verteidigen. Doch in Wirklichkeit konnte nur ein Wunder von Gott die Nation retten (vgl. 2Kö 18,17-19,37; Jes 29,14 ).



1Kor 1,20-21


So ist es mit aller menschlichen Weisheit, ob sie nun von jüdischen Schriftgelehrten oder von griechischen Weisen stammt. Auch der Klügste kann den Plan Gottes nicht verstehen ( Jes 55,8-9 ). Nicht die selbstsichere Belesenheit, sondern der Glaube ermöglicht es dem Menschen, den schmalen Weg zu gehen.


1Kor 1,22-25


Was der Mensch braucht, kann er nicht bei den Menschen finden, sondern allein durch Gottes Kraft und Gottes Weisheit . In der Predigt des gekreuzigten Christus beruft Gott die Menschen, indem er ihnen die Augen öffnet, so daß sie dem Evangelium glauben.



1Kor 1,26-31


Wenn der Anlaß nicht so traurig wäre, könnte man sich beinahe ein ungläubiges Lächeln auf Paulus' Gesicht vorstellen, während er die Korinther auffordert, sich ihre eigene Gemeinde doch einmal anzusehen. Aus der menschlichen Perspektive heraus gesehen mangelt es ihnen an Weisheit, Einfluß und Bildung. Wenn Gott nach solchen Kriterien vorgehen würde, hätte er sie bestimmt nicht erwählt. Doch in Gottes Berufung werden die Maßstäbe der Welt auf den Kopf gestellt: er wählt das Gewöhnliche, nicht das Außergewöhnliche, damit sich kein Mensch vor ihm rühme (V. 29 ). Denn nur Christus verkörpert die Weisheit Gottes (V. 30 ), und nur in ihm wird den Korinthern Gerechtigkeit , d. h. Rechtfertigung ( Röm 4,24-25 ), Heiligung ( 2Thes 2,13-15 ) und Erlösung ( Röm 8,23; Eph 4,30 ), d. h. Verherrlichung, zuteil. Die Weisheit Gottes vollendete den göttlichen Heilsplan durch den gekreuzigten Christus - der den Weisen und Gelehrten verborgen bleibt, den einfachen Gläubigen jedoch offenbart wird (vgl. Mt 11,25-26 ).



1Kor 2,1-5


Hier folgt der dritte Punkt in Paulus' Demonstration der Nichtigkeit menschlicher Weisheit angesichts der Macht und Weisheit Gottes. Bereits bei seinem ersten Besuch in Korinth, bei dem er sein Amt in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern (V. 3 ; vgl. Eph 6,5; Phil 2,12 ) unter ihnen ausübte, wurde die Kraft Gottes offenbar. Manche Exegeten sehen darin eine Anspielung auf Paulus' Begegnung mit den athenischen Philosophen, die ihn vorübergehend in seiner Sicherheit erschüttert hatte. Diese Annahme ist wahrscheinlich jedoch nicht zutreffend. Paulus bezieht sich hier lediglich auf seine Unterordnung unter die Autorität Gottes, von der allein er abhängig ist und die sein ganzes Wirken kennzeichnet. Er gibt bereitwillig zu, daß sein persönliches Auftreten nicht sehr beeindruckend ist ( 2Kor 10,10 ), ja, er setzt diese Unfähigkeit sogar als Argument für seine Bevollmächtigung durch Gott ein. Seine Predigt zeichnet sich weder durch die Eloquenz noch durch die Überzeugungskraft aus, die den Sophisten, reisenden Lehrern der damaligen Zeit, zu eigen ist. Er verkündet mit nüchternen Worten die Botschaft des Gekreuzigten als den einzigen Weg zur Rettung. Die Kraft des Geistes , nicht etwa menschliche Genialität oder rhetorische Begabung, ist es, die Glauben weckt. Paulus will sichergehen, daß der Glaube der von ihm Bekehrten nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruht .



1Kor 2,6


Paulus' öffentliches Eingeständnis, daß es ihm an rednerischer Begabung mangelt, bedeutet nicht, daß er der Unwissenheit das Wort redet und jegliche Weisheit ablehnt. Es gibt im Gegenteil eine Weisheit, die der Heilige Geist lehrt; dieses Wissen, so wünscht sich Paulus, sollen seine Leser im Übermaß besitzen - was bei manchen auch tatsächlich der Fall ist (und, das ist die Hoffnung des Apostels, eines Tages auf alle zutreffen wird). Er bezeichnet diese Weisheit als die Weisheit der Vollkommenen , wobei er wahrscheinlich manche von den in 16,15-18 erwähnten Personen, die er auch die "geistlichen Menschen" nennt ( 1Kor 2,13.15 ), im Blick hat. Der Grund dafür, daß die Herrscher dieser Welt (vgl. 1Kor 1,20 ) diese Weisheit nicht verstehen, ist, daß sie den Geist nicht haben ( 1Kor 2,14 ); deshalb werden sie vergehen müssen.



1Kor 2,7


Die Botschaft, die Paulus verkündet, ist die Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist und den Menschen nur durch die Offenbarung zugänglich wird ( Mt 11,25 ). Im Zentrum dieser Weisheit steht der Heilsplan Gottes, der bereits vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit beschlossen war ( Eph 1,4 ).



1Kor 2,8


Wie Johannes ( Joh 17,1 ) verknüpft auch Paulus die Herrlichkeit mit dem gekreuzigten Herrn - ein Paradoxon sowohl für Juden als auch für Heiden ( 1Kor 1,23 ), die nichtsdestoweniger unwissentlich ( Lk 23,24 ) an diesem Kernstück von Gottes Heilsplan teilhaben.



1Kor 2,9-10


Die Segnungen der Rettung wurden vom Vater vorbereitet, vom Sohn vollendet und vom Heiligen Geist auf alle Gläubigen ausgegossen ( Eph 1,3-14 ). Von den Gläubigen wird nur noch gefordert, daß sie Gott lieben ( 1Joh 4,19 ). All das können die Korinther ausschließlich durch den Heiligen Geist erfahren, der die Tiefen der Gottheit kennt und offenbart.



1Kor 2,11


Wie wichtig das Wirken des Geistes ist, wenn es darum geht, Gott zu verstehen, macht Paulus an dem Beispiel deutlich, daß niemand die Gedanken auch nur eines anderen Menschen ganz kennen kann.



1Kor 2,12


Zumindest zum Teil auch aus diesem Grund kommt der Geist aus Gott ( Joh 16,13 ) nicht nur zu manchen , sondern zu allen Christen ( 1Kor 12,13 ).


1Kor 2,13


Diese Botschaft der Rettung ist der Inhalt der paulinischen Verkündigung. Sie stammt nicht von Menschen, sondern von Gott - und es ist der Geist, der sie lehrt . Paulus versucht also, den Korinthern geistliche Dinge , die Worte der Weisheit (V. 6 ), zu erklären. Das griechische Wort pneumatikois kann als Neutrum aufgefaßt und mit "geistliche Worte" übersetzt werden ("geistliche Dinge in geistlichen Worten deuten"). Es kann aber auch als Maskulinum verstanden werden und, wie es hier der Fall ist, mit "geistliche Menschen" wiedergegeben werden ( "deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen" ). Beides ist möglich, doch der Kontext läßt darauf schließen, daß es Paulus in diesem Abschnitt nicht in erster Linie darum geht, wie die Botschaft der Weisheit aufgenommen wird, sondern wer sie empfängt: Er verkündigt die Botschaft der Weisheit den "Vollkommenen" (V. 6 ). Vers 13 bildet daher eine Parallele zu Vers 6 - eine griechische Stilfigur, die ein Beispiel für das gute Griechisch ist, das Paulus schreibt.



1Kor 2,14


Da nur geistliche Menschen geistliche Dinge verstehen können, folgt daraus, daß der natürliche , nicht wiedergeborene Mensch ungeachtet seiner intellektuellen Fähigkeiten oder Bildung die Botschaft der Weisheit nicht annehmen kann und will ( 1Kor 1,20 ). Seine Kritik an den Worten Gottes gleicht damit den Bemerkungen einesTauben zu Bach oder eines Blinden zu den Werken Raffaels.



1Kor 2,15-16


Ein Mensch dagegen, der den Geist Gottes besitzt und sich von ihm führen läßt, beurteilt alles, was der Geist offenbart, und kann damit umgehen (V. 10 ).

Der geistliche Mensch kann nur von Gott gerichtet werden ( 1Kor 4,3-5 ), nicht von nicht-wiedergeborenen Menschen ( 1Kor 2,15 ) und auch nicht von weltlichen Christen ( 1Kor 3,1-3 ). Des Herrn Sinn zu erkennen heißt, Gottes Offenbarung zu gehorchen ( Phil 2,5-8 ), wie es die geistlichen Korinther auch tun.



1Kor 3,1-4


Leider sind jedoch nicht alle Gläubigen in Korinth geistlich gesinnt. Als Paulus das erste Mal zu ihnen kam und ihnen Christus predigte, glaubten sie. Durch ihren Glauben wurden sie gerechtfertigt und erhielten Frieden mit Gott ( Röm 5,1-2 ). Zweifellos hat Paulus sie schon damals alle Segnungen gelehrt, die ihnen als Christen zuteil werden und die er hier "Milch" nennt. Doch damals stand ihr Denken und Leben erst am Anfang der Verwandlung ( Röm 12,2 ), sie waren noch weltlich gesinnt, und Paulus mußte zu ihnen sprechen wie zu unmündigen Kindern in Christus .

Im "Wort vom Kreuz" ( 1Kor 1,18 ) aber geht es um mehr als nur um die Rechtfertigung. Es geht auch um die Heiligung, die - als Reaktion auf die Offenbarung Gottes - ein neues Verhalten erfordert. Sie verlangt Gerechtigkeit im Denken und Handeln ( Hebr 5,11-14 ). Diesen Teil der Botschaft des "Gekreuzigten" ( 1Kor 2,2 ), die "feste Speise" ( 1Kor 3,2 ), haben die Korinther verschmäht. Daher sind sie noch fleischlich (V. 3 ). Statt ein reifes Verhalten, gekennzeichnet von Demut und Fürsorge für den Nächsten, - also Gehorsam gegenüber Gott - zu zeigen, sind sie wie kleine Kinder, selbstsüchtig und daher uneins (V. 4 ; vgl. 1Kor 1,12 ). Sie wollen ein Leben der Erhöhung ( 1Kor 4,8 ), ohne demütig zu sein ( 1Kor 4,9-13 ), denn sie haben nicht verstanden, daß die Botschaft vom "gekreuzigten Christus" nicht nur die Rechtfertigung des einzelnen, sondern auch die Heiligung seines Lebenswandels beinhaltet (vgl. Phil 2,1-8 ). Dieses Mißverständnis ist die Wurzel ihrer Uneinigkeit (vgl. 1Kor 1,10; 1Kor 3,4 ) und ein Irrtum, den Paulus mit seinem Brief richtigstellen möchte.



2. Das Mißverstehen des Amtes
( 3,5-4,5 )


Ein zweiter, mit dem ersten in Zusammenhang stehender Grund für die Kirchenspaltung in Korinth betrifft das Amt der Apostel und anderer Leiter der Gemeinde. Die Korinther verlassen sich auf Menschen, wo doch Gott allein der Ursprung allen Segens ist ( 1Kor 3,5-9 ) und die geistlichen Amtsträger nur seine Knechte sind, die ihm Rechenschaft ablegen müssen ( 1Kor 3,10-17 ). Daher muß ein Diener Gottes sich davor hüten, das Lob der Menschen allzu hochzuschätzen - wie es gewisse Leiter in der korinthischen Kirche anscheinend tun ( 1Kor 3,18-23 ) -, und statt dessen danach streben, sich durch treue Pflichterfüllung das Lob Gottes zu verdienen ( 1Kor 4,1-5 ).

1Kor 3,5-9


Apollos und Paulus haben ihre Ämter von Christus erhalten ( Eph 4,11 ). Sie waren die Werkzeuge , nicht etwa die Ursache , durch die die Korinther zum Glauben gefunden haben (vgl. 1Kor 2,4-5 ).

Alles Wirken geht allein auf Gott zurück: Er hat das Gedeihen gegeben ( 1Kor 3,6.9 ), daher soll auch ihm allein das Verdienst dafür zugerechnet werden (V. 7 ). Als seine Knechte stehen Paulus und Apollos nicht in einem Wettkampf, sondern ergänzen einander in ihrem Amt (V. 8 ). Es ist ihre Aufgabe, die Kirche zur Vollendung zu führen, d. h. zum Ebenbild Christi zu formen ( Eph 4,12-13 ). Entsprechend ihrer Treue gegenüber dieser Aufgabe werden sie belohnt werden (vgl. 1Kor 4,2-5 ). Denn wenn ein geistlicher Lehrer auch der Gemeinde dient, so ist er doch in erster Linie Gott verantwortlich. Paulus und Apollos arbeiten gemeinsam für Gott auf seinem Ackerfeld , der Kirche ( 3,9 ).

1. Korintherbrief

1Kor 3,10-17


Von der Metapher des Ackerfeldes geht Paulus zum Bild des Tempels über, das er in seinen Briefen immer wieder auf die unterschiedlichste Art und Weise für den einzelnen Christen wie für die ganze Kirche verwendet. Auch Jesus hatte von seinem physischen Leib als Tempel gesprochen ( Joh 2,19-22 ). In einem anderen Brief benutzt Paulus dasselbe Bild für den geistlichen Leib Christi, die universale Kirche ( Eph 2,21 ). Der Leib eines jeden einzelnen Christen ist für ihn ein Tempel Gottes ( 1Kor 6,19 ). Im vorliegenden Abschnitt beschreibt er die örtliche Kirche in Korinth als Tempel, in dem der Geist Gottes wohnt ( 1Kor 3,16 ).

Danach wendet der Apostel sich wieder der Verantwortlichkeit eines Gemeindeleiters für seine Arbeit zu (V. 8 ). Zwar hat jeder Christ in der korinthischen Gemeinde mindestens eine Gabe oder Fähigkeit erhalten, mit der er auf die eine oder andere Art den anderen Gemeindegliedern dienen soll ( 1Kor 12,11 ). An dieser Stelle hat Paulus jedoch vor allem die Leiter der Gemeinde im Blick, die eine ähnliche Funktion wie Apollos oder er selbst ausüben (vgl. 1Kor 3,5.21-22 ).

 

1Kor 3,10


Es sieht jedoch so aus, als ob nicht jeder von ihnen im Gebäude der korinthischen Gemeinde auf dasselbe Ziel hinarbeitet. Paulus hat mit "dem Wort vom Kreuz" den Grund gelegt , Apollos ( Apg 18,24-28 ) und anscheinend auch "Kephas" ( 1Kor 1,12;3,22 ) haben sein Werk fortgesetzt. Doch nun baut ein anderer weiter. Paulus' folgende Worte klingen wie eine Warnung.



1Kor 3,11


Jesus Christus allein ist der Grund , die Quelle des Heils ( Apg 4,12 ). Doch nun waren andere Leute in Korinth aufgetreten und hatten ein anderes Evangelium gepredigt ( 2Kor 11,4 ). Vielleicht gelten Paulus' Worte im vorliegenden Brief einem Mitglied dieser Gruppierung.



1Kor 3,12


In Vers 12-17 beschreibt Paulus drei Arten von Baumeistern oder Dienern Gottes: den Fachmann (V. 14 ), den Unfähigen (V. 15 ) und den Zerstörer (V. 17 ).

Die Materialien, die beim Bau verwendet werden, lassen sich in mindestens vierfacher Weise deuten: (a) Das Gold , das Silber und die Edelsteine beziehen sich auf die Dauerhaftigkeit des Werkes, während Holz, Heu und Stroh für ein kurzlebiges, wertloses Gebilde stehen. Diese Deutung wird durch den Begriff "Werk" (V. 13 ) und die Formulierung "das er gebaut hat" (V. 14 ) gestützt. (b) Die drei teuren Materialien stehen für eine richtige Lehre, die der Baumeister fest im Leben der Menschen verankert, und die drei wertlosen sind falsche Lehren. (c) Die drei ersten Materialien beziehen sich auf die guten, die drei letzteren auf die schlechten Motive der Baumeister (vgl. 1Kor 4,5 ). (d) "Gold, Silber und Edelsteine" beziehen sich auf die Gläubigen, die die Kirche bilden (diese These wird unterstützt durch die ähnliche Verwendung dieser Metapher in Eph 2,22; 2Tim 2,20 und 1Pet 2,5 ), und "Holz, Heu und Stroh" auf die Nicht-Wiedergeborenen innerhalb der Kirche ( chorton , in 1Kor 3,12 mit "Heu", in Jak 1,10 mit "Blumen des Grases" übersetzt).



1Kor 3,13


Am Tag des Gerichts wird Christus über das Werk seiner Knechte richten ( 2Kor 5,10 ). Hier geht es nicht um die Rettung, die ja ein Geschenk ist ( Röm 6,23 ), und auch nicht um individuelle Werke ( Eph 2,8-9 ), sondern um den Dienst für Christus, über den auf der Grundlage der Qualität , nicht der Quantität , gerichtet wird. Menschliches Bemühen und menschliche Weisheit können auf den ersten Blick von großem Erfolg gekrönt sein (vgl. 1Kor 2,4 ), doch wenn sie nicht von Gott gemäß seines Planes unterstützt werden, haben sie keinen Bestand ( Ps 127,1 ).



1Kor 3,14-15


Das Bild des Feuers im Zusammenhang mit der Wiederkunft Christi findet sich auch an anderen Stellen im Neuen Testament ( 2Thes 1,7-8; Offb 18,8 ). Worin der Lohn des Fachmanns besteht, wird nicht im einzelnen angeführt, doch auf jeden Fall gehört das Lob dazu ( 1Kor 4,5 ). Der unfähige Baumeister wird zusehen müssen, wie sein Werk verbrennt, er selbst aber wird gerettet werden wieein brennender Zweig, der aus dem Feuer gerissen wird ( Am 4,11; Jud 1,23 ). Bevor sie in dieser Prüfung offenbar werden, können die oben genannten Materialien zusammen verwendet werden und sogar untrennbar erscheinen (vgl. Mt 13,30 ).



1Kor 3,16-17


Manchmal kommt eine Gemeinde jedoch schon vorher dahin, daß sie innerlich auseinanderbricht oder nur noch dem Namen nach existiert. Gerade das möchte Paulus in Korinth verhindern ( 2Kor 11,3.13 ). Wenn es dennoch geschieht, wird der falsche Lehrer, dessen verführerischen Worten sie erlegen sind, von Gott selbst "bezahlt" werden (damit spielt Paulus auf die alttestamentliche lex talonis an, 1Mo 9,6; vgl. 2Kor 11,15 ). Der Verderber wird verdorben werden ( Mt 13,41-42 ). Die Worte "wißt ihr nicht" ( 1Kor 3,16 ) kehren danach noch neunmal in demselben Brief wieder (vgl. 1Kor 5,6;6,2-3.9.15-16.19;9,13.24; jedesmal sind sie die Einleitung zu einer unbezweifelbaren Aussage).



1Kor 3,18-23


Daher möchte Paulus die Gemeindeleiter (V. 18-20 ) und die Gläubigen in Korinth (V. 21-23 ) warnen. Die ersteren können eine Selbsttäuschung vermeiden, indem sie ihr Werk kritisch betrachten und erkennen, daß die Weisheit dieser Welt die Gesinnung Satans widerspiegelt ( Eph 2,2 ) und Torheit bei Gott ist ( 1Kor 3,19 ). Paulus unterstreicht diese Aussage mit einem Zitat aus Hi 5,13 und Ps 94,11 .Die Korinther andererseits müssen begreifen, daß die Tatsache, daß sie sich eines Menschen rühmten ( 1Kor 3,21 ), auf dasselbe hinausläuft, wie wenn sie sich ihrer selbst rühmen. Rühmen aber soll sich ein Christ nur Gottes (vgl. 1Kor 1,31 ), dem er gehört ( 1Kor 3,23; vgl. 1Kor 1,2;15,28 ) und der der Ursprung aller Segnungen ist, die ihm zuteil werden (vgl. 1Kor 1,30 ).

 

1Kor 4,1


Alle, die für Christus arbeiten, sind Gott verantwortlich. Das an dieser Stelle verwendete und mit Haushalter übersetzte griechische Wort hypEretas unterscheidet sich von dem in 1Kor 3,5 verwendeten diakonoi ; es betont vor allem die Unterordnung und Verantwortung gegenüber einem Vorgesetzten. "Gottes Geheimnisse" beziehen sich auf die Weisheit Gottes, die Botschaft vom Kreuz, die die Menschen nur durch die Offenbarung kennen ( 1Kor 2,7-10 ).



1Kor 4,2


Paulus liegt daran, daß er und die anderen diese Botschaft treu und im Sinne ihres Herrn verkünden.



1Kor 4,3-4


Von dieser Botschaft wird der Apostel niemals abweichen, nur weil die Weisheit der Welt sie für töricht erachtet. Aus menschlicher Sicht kommt es ihm nicht einmal zu, auch nur über die Motive, die ihn bewegen, zu richten - wieviel weniger darf er über die Qualität seines Dienstes urteilen. Auf keinen Fall aber steht anderen eine Entscheidung darüber zu.



1Kor 4,5


Darum ist ein verfrühtes Urteil, ob es nun die Erhöhung bestimmter Gemeindeleiter ( 1Kor 3,21 ) oder die Erniedrigung anderer beinhaltet ( 1Kor 4,10 ), auf jeden Fall falsch. Erst vor dem göttlichen Richterstuhl werden alle Tatsachen offenbar werden, und dort wird dann auch die Gnade zutage treten - einem jeden treuen Diener wird von Gott sein Lob zuteil werden .



C. Die Behebung der Spaltungen
( 4,6-21 )


Paulus schließt seine Ausführungen über das Problem der Spaltung in der korinthischen Gemeinde, indem er das eigentliche Problem der Gläubigen beim Namen nennt: sie sind hochmütig (V. 6 ). Dann zeigt er seinen Lesern einen praktischen Ausweg aus diesem Dilemma: sie sollen ihn nachahmen (V. 16 ).



1Kor 4,6


In der folgenden Erörterung vermeidet Paulus es, einzelne Schuldige namentlich zu nennen. Statt dessen stellt er sich selbst und Apollos (und auch Petrus und Christus; vgl. 1Kor 1,12; 3,4-6.22-23 ) als Vorbilder für Leiter hin, die zwar Vollmacht besitzen, aber dennoch nicht über das hinausgingen, was geschrieben steht .

Sie gehorchen dem Wort Gottes und geben nicht eigenen Vorlieben oder dem Urteil der Welt nach. An ihrem Beispiel, so hofft Paulus, werden die Korinther Demut lernen. (Das hier mit "lernen" übersetzte Wort lautet im Griechischen mathEte ; das damit verwandte Substantiv mathEtEs bedeutet "Jünger" bzw. "einer, der praktiziert, was er gelehrt wurde".) Das muß eine schwierige Lektion für die Korinther gewesen sein, denn in den Augen der Griechen war die Demut ein verachtenswerter, sklavischer Charakterzug, ein Zeichen der Schwäche, und keinesfalls die Eigenschaft eines großen Mannes (Plato, Gesetze 6. 774 c).



1Kor 4,7


Vor Gott aber, der aufgrund seiner Gnade (V. 7 b) so viele verschiedene Gnadengaben schenkt (V. 7 a) und dem daher allein die Ehre gebührt (V. 7 c; vgl 1Kor 1,4-9 ), ist sie die einzig angemessene Haltung. Paulus unterstreicht diese Wahrheit mit einer Reihe rhetorischer Fragen.



1Kor 4,8


Christen müssen demütig sein, denn die Demut ist die Vorbedingung für die Erhöhung (vgl. Phil 2,5-11 ). Die Korinther sind anscheinend der Ansicht, auf das erstere verzichten zu können. Sie wollen die sofortige Erhöhung - keine Krankheit, kein Leiden, keinen Schmerz. Das ist heute ebensowenig möglich wie damals, als Paulus an die ihrer Selbsttäuschung erlegenen Korinther schrieb, doch nichtsdestoweniger treten die Menschen noch immer mit dieser Haltung auf.

Die Korinther sind überzeugt, daß sie alles besitzen, was sie brauchen ( 1Kor 4,8 a). Statt dessen sollten sie hungern und dürsten nach der praktischen Gerechtigkeit, die sie bitter nötig haben ( Mt 5,6 ). Sie halten sich für Herrscher, denen nichts fehlt, sind aber in Wirklichkeit ebenso bedürftig wie der törichte König in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, der nackt vor seinen Untertanen paradierte (vgl. Offb 3,17-18 ).



1Kor 4,9-13


Paulus ist kein Narr. Auch er leidet nicht gern. Er würde sich freuen, wenn die Korinther recht hätten, doch sie haben unrecht. Die Apostel dagegen folgen Christus in die Erniedrigung. Wie er vor aller Augen in den Tod ging, so erleiden auch sie das Martyrium (vgl. 2Kor 2,14 ). Wie Christus Entbehrungen und Verleumdungen litt, so leiden auch seine Knechte, doch in seinem Geist ertragen sie alles mit Würde ( Lk 23,34 ). Die Apostel leben das Wort vom Kreuz. Die Korinther aber sind selbstzufrieden und fühlen sich sicher in ihrer "elitären Theologie" (vgl. Am 6,1-7 ).


1Kor 4,14-17


Paulus warnt die Korinther, weil er sie liebt. Mit der schneidenden Ironie der folgenden Verse will er sie nicht einfach nur beschämen , sondern aufrütteln (wenn sie sich allerdings auf diese Worte hin nicht schämten, so waren sie in der Tat ziemlich abgebrüht). Weil er sie liebt wie ein Vater seine Kinder , möchte er ihre Herzen und ihr Leben verändern. Viele Leute mochten vor ihnen gepredigt, sie belehrt und unterwiesen haben, doch nur einer hatte die lebenspendende Saat unter ihnen ausgesät. Daher liegen sie ihm mehr am Herzen als jedem anderen ihrer Erzieher ( Gal 3,24 ), und er möchte, daß sie seinem Beispiel folgen ( 1Kor 4,16; vgl. V. 9-13 ). Er stellt ihnen Timotheus als Vorbild hin, sein "geistliches Kind" ( Phil 2,20 ), den er zu ihnen schickt, damit er sie durch seine Unterweisung und sein Beispiel an die paulinischen Weisungen in Christus Jesus erinnere .


1Kor 4,18-21


Paulus ist sich jedoch darüber im klaren, daß nicht alle seinem Appell folgen werden, denn einige Leute in der korinthischen Gemeinde, wahrscheinlich die ungenannten Anführer der Splitterparteien (V. 5 ) oder bestimmte Erzieher (V. 15 ), sind aufgebläht , und eben diese Aufgeblasenheit ist der Grund für die Probleme, die zur Spaltung geführt haben. Sie werden sich von seiner Ermahnung vermutlich nicht beeindrucken lassen. Sie wollen Taten sehen. Diese Taten ist Paulus in der Kraft des Heiligen Geistes durchaus fähig zu vollbringen ( Apg 13,9-11 ). In seiner Predigt vor den Korinthern hat er sich nicht auf seine eigenen Fähigkeiten verlassen, sondern auf die Kraft des Geistes vertraut ( 1Kor 2,4-5 ). Diese Kraft, die Vollmacht der Herrschaft Gottes (vgl. Apg 5,3-11 ), wird ihm auch bei dem Versuch zu Hilfe kommen, die Korinther wieder auf den rechten Weg zu bringen ( 2Kor 10,4-6 ). Obwohl Paulus die Gemeinde liebt, weiß er, daß ein liebender Vater nicht vor Strafen zurückschrecken darf (vgl. Hebr 12,7 ). Wenn es nötig ist, will er also mit dem Stock ( rabdos , eine Rute) kommen. Der "Stock" war in der griechisch-römischen Kultur das Symbol für eine Bestrafung, die nur von seiten einer Autorität vollzogen werden durfte. (Paulus selbst ist mehr als einmal mit dem Stock bestraft worden: Apg 16,22.23; 2Kor 11,24-25 .) Trotzdem wäre es dem Apostel lieber, wenn er mit Liebe und sanftmütigem Geist kommen könnte.



III. Mißstände in der Gemeinde
( 1Kor 5-6 )


Im Geist der Liebe, doch eingedenk dessen, daß die Korinther Disziplin nötig haben, wendet Paulus sich als nächstes bestimmten Mißständen in der Gemeinde zu: der unterlassenen Bestrafung eines Bruders ( 1Kor 5 ), der Unfähigkeit, persönliche Streitigkeiten auf eine ihrer Existenz als Christen geziemende Weise zu lösen ( 1Kor 6,1-11 ) und dem Versagen in der Wahrung der sexuellen Reinheit ( 1Kor 6,12-20 ).



A. Unterlassung der Bestrafung eines Sünders
( 1Kor 5 )


Die Liebe nimmt sich des anderen an. Ihr Gegenteil, der Hochmut, führt zu Selbstsucht. Der Hochmut der Korinther war nicht nur für die Spaltungen innerhalb der Gemeinde verantwortlich, sondern auch für ihre Gleichgültigkeit und mangelnde Bereitschaft, die Disziplin in der Kirche aufrechtzuerhalten.



1Kor 5,1


Paulus kommt hier auf den Fall eines korinthischen Christen zu sprechen, der ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Stiefmutter hat - eine Beziehung, die sowohl im Alten Testament ( 3Mo 18,8; 5Mo 22,22 ) als auch nach römischem Gesetz (Cicero, Cluentes 6. 15 und Gaius, Institutis 1. 63) verboten war. Die Tatsache, daß er nichts über die Bestrafung der Frau schreibt, legt die Vermutung nahe, daß sie keine Christin war.



1Kor 5,2


Diese skandalöse Situation scheint die Gemeinde allerdings nicht im geringsten beunruhigt zu haben, im Gegenteil, sie wurden allenfalls noch aufgeblasener . Dabei hätten sie als Christen traurig über das Verhalten ihres Bruders sein (vgl. 1Kor 12,26; Gal 6,1-2 ) und ihn bestrafen, d. h. aus ihrer Gemeinschaft ausschließen müssen, bis er sein Verhalten bereute (vgl. Mt 18,15-17 ).

 

1Kor 5,3-5


Angesichts der offensichtlichen Gleichgültigkeit bei den Gemeindegliedern sieht Paulus sich gezwungen einzugreifen. Kraft seiner Vollmacht als Apostel hat er bereits ein Urteil über den Sünder gefällt und fordert die Gemeinde nun auf, es auf ihrer nächsten Versammlung zu vollstrecken. Das ist ein Beweis für seine Macht, von der er zuvor gesprochen hat ( 1Kor 4,20-21 ). Wir wissen allerdings nicht, welcher Art die Bestrafung war, die seine Anordnung zur Folge hatte. Die Übersetzung des griechischen Begriffs sarkos mit "Fleisch" deutet auf eine körperliche Strafe hin. Dafür spricht erstens die übliche Bedeutung dieses Wortes, das stets als Gegensatz zu Geist verwendet wird, der den ganzen Menschen in seiner inneren und äußeren Existenz umfaßt. Zweitens ist das mit "Verderben" übersetzte griechische Verb olethron , dessen Substantiv olethreutou sich noch an anderer Stelle im 1. Korintherbrief findet ( 1Kor 10,10; "Verderber"), ein sehr starker Ausdruck. Und drittens spricht Paulus in diesem Brief noch von einer anderen Strafe, die zum Tode führt ( 1Kor 11,29-30 ) und bei der es ihm ebenfalls um eine letztliche Bewahrung der Person geht ( 1Kor 11,32; vgl. 1Tim 1,20; 1Joh 5,16 ).

Es scheint von daher durchaus plausibel, daß Paulus verlangt, den Betreffenden aus der Gemeinde auszuschließen - als sichtbare Manifestation der Tatsache, daß er hinfort nicht mehr unter dem Schutz Gottes steht, den er bisher genossen hat (vgl. Hi 1,12 ), sondern wieder der Welt überantwortet ist ( 1Joh 5,19 ), in der Satan ihn zum Tode bringen wird. Dieser Fall wird damit zu einem schmerzlichen Beispiel für den Preis der selbstbezogenen Gleichgültigkeit und zu einer wichtigen Mahnung nach der Heiligung im Tempel Gottes ( 1Kor 3,17; 6,19 ).



1Kor 5,6


Die Korinther haben keinerlei Entschuldigung für ihr Verhalten. Paulus erinnert sie an eine Wahrheit, die sie zwar bereits kennen, nach der sie jedoch nicht leben: Schon ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig . Schon eine unbedeutende Krankheit kann zum Tode führen. Dieses Prinzip erklärt auch die Notwendigkeit der Kirchendisziplin.



1Kor 5,7-8


Wie der sprichwörtliche Sauerteig während des Festes der ungesäuerten Brote aus dem Haus entfernt wurde ( 2Mo 12,15-20; 13,3-10 ), so, sagt Paulus, soll das, was er symbolisiert - die Sünde - aus dem Haus Gottes, der Gemeinde, entfernt werden - ein Brauch, den jeder Christ, der in Christi Kreuzestod das endgültige, ein für allemal dargebrachte Opfer des Passalammes sieht (vgl. Joh 1,29; Hebr 10,10.14 ), beibehalten soll. Das gilt nirgends mehr als in der Feier, die an dieses Opfer erinnert: beim Abendmahl, bei dem die Gemeinde der Christen ihren wesentlichsten Ausdruck findet. Wahrscheinlich geht es Paulus hier also ganz besonders darum, den unbußfertigen Christen von diesem Mahl auszuschließen.

 

1Kor 5,9-10


Paulus hat den Korinthern bereits in einem früheren Brief Anweisungen zu diesem Thema gegeben, die sie allerdings nur auf Menschen außerhalb ihrer Gemeinschaft angewandt haben. Hier führt er ihnen die Absurdität einer solchen Haltung vor Augen, indem er nachweist, daß sie, wenn sie diesen Weg wirklich konsequent zu Ende gehen wollten, die Welt räumen müßten. Paulus ist also ganz gewiß kein Verfechter des Mönchtums (auch nicht in seinen protestantischen Formen).

 

1Kor 5,11


Was er fordert, ist eine disziplinarische Maßnahme für jedes Kirchenmitglied - sei es nun ein Bruder oder nur dem Namen nach ein Mitglied der Gemeinde -, das ein sündiges Leben führt; und zwar verlangt er, daß der Betreffende aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird. Dazu gehört mit Sicherheit der Ausschluß aus der Gemeinschaft des Abendmahls, darüber hinaus allerdings wohl auch der Ausschluß vom Gemeinschaftsleben. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß der solchermaßen mit Sanktionen Belegte von sämtlichen Gemeindezusammenkünften ausgeschlossen wurde, denn die Teilnahme daran konnte ihn ja möglicherweise zur Bekehrung und Buße bewegen ( 1Kor 14,24-25 ).



1Kor 5,12-13


Es steht Paulus nicht zu, die draußen zu richten (vgl. z. B. sein Schweigen über die Frau in 1Kor 5,1 ); noch weniger aber ist es den Korinthern gestattet. Die Disziplin innerhalb der Gemeinde geht sie dagegen sehr wohl etwas an. Die draußen, in der Welt, wird Gott richten (vgl. Apg 17,31 ). Wer jedoch zur Gemeinschaft der Christen gehört und ohne die geringste Reue sein sündiges Leben fortsetzt, den soll die Gemeinde durch Ausschluß bestrafen.



B. Persönliche Streitigkeiten
( 6,1-11 )


Um das Gericht geht es auch bei einem anderen Mißstand in der korinthischen Gemeinde, dem Paulus sich im folgenden zuwendet. Dieselbe nachlässige Haltung, die die Korinther im Umgang mit dem unmoralischen Bruder an den Tag legen, zeigen sie auch in persönlichen Streitigkeiten untereinander, die selbst beizulegen sie nicht imstande sind. Auch darin zeigt sich der trennende Geist, der der Gemeinde zu schaffen macht.

Mit der einleitenden Wendung "wißt ihr nicht?" weist Paulus auf bestimmte Wahrheiten hin, die, wenn die Korinther sie befolgen würden, die Entstehung des Problems überhaupt verhindert hätten. Diese Frage kehrt allein in diesem Kapitel noch sechsmal wieder (im übrigen Neuen Testament findet sie sich insgesamt nur noch dreimal). Paulus hat sie bereits zuvor gebraucht ( 1Kor 3,16; 5,6 ) und setzt sie auch später nochmals zu demselben Zweck ein ( 1Kor 9,13.24 ). Die Implikation, daß es sich hier um Dinge handelt, die den Christen eigentlich bekannt sein müßten, muß einer Gemeinde, die sich so viel auf ihre Weisheit und ihr Wissen einbildete, schwer zu schaffen gemacht haben.



1Kor 6,1


Paulus' Enttäuschung über die Querelen innerhalb der korinthischen Gemeinde ist groß, nicht nur weil die Spaltungen auf diese Weise immer tiefer werden, sondern auch, weil dadurch das Werk Gottes an der weiteren Ausbreitung gehindert wird (vgl. 1Kor 10,32 ). Eine christliche, durch den Glauben verbundene Gemeinde muß ihre Streitigkeiten unter sich beilegen, ihre Mitglieder müssen sich wie Brüder, nicht wie Feinde verhalten (vgl. 1Mo 13,7-9 ).



1Kor 6,2


Das erste der sechs "wißt ihr nicht" in diesem Kapitel (vgl. V. 3.9.15-16.19 ) betrifft die Rolle der Heiligen im Gericht (vgl. Joh 5,22; Offb 3,21 ). Paulus hat diese Lehre wahrscheinlich bereits bei der Gemeindegründung in Korinth vorgetragen, da er sie hier als unanfechtbare Aussage zitiert.



1Kor 6,3


Da die Christen später sogar übernatürliche Wesen (gefallene Engel ; 2Pet 2,4; Jud 1,6 ) richten werden, müßten sie doch in der Lage sein, weltliche Angelegenheiten unter sich zu regeln.



1Kor 6,4


Die griechische Verbform kCthizete , einsetzen, kann als Aussage (Indikativ) oder als Gebot (Imperativ) aufgefaßt werden. Wenn sie als Aufforderung verstanden wird, bezieht sich die schwierige Wendung "solche, die in der Gemeinde nichts gelten" auf die, deren "Weisheit" in der Kirche nicht allzuviel gilt. In dem Fall hielte Paulus gerade diese Leute jedoch für mehr als geeignet, das Richteramt wahrzunehmen. Im Lichte von Vers 5 erscheint es jedoch plausibler, die Form als Indikativ zu deuten. In diesem Fall wäre das mit "die in der Gemeinde nichts gelten" übersetzte Partizip besser mit "die in der Gemeinde keine Stellung haben" wiederzugeben, um deutlich zu machen, daß es sich auf Nichtchristen bezieht. Hier wird also erneut der traurige Refrain von Vers 1 laut, auf den Paulus in Vers 6 noch ein drittes Mal zurückkommt.



1Kor 6,5-6


Zweifellos beschämte die Äußerung in Vers 5 manche der Weisen in Korinth. Paulus ist sicherlich zum Teil deshalb so besorgt über die Rechtsstreitigkeiten, weil sie sich auf die Sache des Evangeliums in Korinth sehr negativ auswirken können ( 1Kor 9,23 ), denn die gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Gemeindemitgliedern dienen mit Sicherheit nicht der Verherrlichung Gottes ( 1Kor 10,31-33 ).



1Kor 6,7-8


Weil die Habgier der korinthischen Christen Gott die Ehre raubt, kommt Paulus zu der Schlußfolgerung, daß das, worum es im Christentum eigentlich geht, bereits verloren ist, noch bevor es zu einem Prozeß kommt. Seiner Ansicht nach sind weltliche Verluste auf jeden Fall den geistlichen Verlusten, die ein Prozeß zur Folge hat, vorzuziehen. So wie die Sache liegt, ist den Korinthern gar nicht so sehr daran gelegen, Unrecht wiedergutzumachen oder Gerechtigkeit zu schaffen, als vielmehr daran, sich auf Kosten ihrer Glaubensbrüder persönlich zu bereichern. Das ist "Fleischesleben" in seiner schlimmsten Form!



1Kor 6,9-10


Paulus' dritte Mahnung ( "wißt ihr nicht" , V. 2-3 ) ist wahrscheinlich als Ergänzung des Gedankens von Vers 4 gedacht, doch sie dient darüber hinaus als Veranschaulichung der tiefen Kluft, die zwischen der zukünftigen Stellung der Korinther und ihrem gegenwärtigen Leben besteht. Die Ungerechten werden keinen Anteil am Reich Gottes haben, da sie nicht mit Christus, dem Erben (vgl. Mk 12,7 ), verwandt sind. Sie werden von den Heiligen ( 1Kor 6,2 ) auf der Grundlage ihrer Werke, die sie verurteilen werden ( Offb 20,13 ), gerichtet werden. Die Heiligen in Korinth aber, die zu Richtern berufen sind, unterscheiden sich in ihrem Verhalten in keiner Weise von den Ungerechten. Der Begriff adikoi ("die Ungerechten") in 1Kor 6,9 findet sich auch in Vers 1 . Die Verbform adikeite ("tut ihr Unrecht") in Vers 8 bezieht sich allerdings auf das Verhalten der Korinther. Ihre zukünftige Aufgabe als Richter hätte eigentlich zu einer radikalen Veränderung ihres gegenwärtigen Verhaltens führen müssen (vgl. 1Joh 3,3 ). Wenn sie sich einbilden, um eine solche Veränderung herumzukommen, warnt Paulus, täuschen sie sich sehr (vgl. 1Kor 5,11; Offb 21,7-8;22,14-15 ).

Die hier angeführte Liste der Vergehen ähnelt der in 1Kor 5,10-11 . Es handelt sich hier zweifellos um Straftaten, wie sie in Korinth und in anderen großen Städten der damaligen Zeit an der Tagesordnung waren (vgl. Eph 5,3-6 ). Homosexualität und männliche Prostitution zum Beispiel waren in der gräco-romanischen Gesellschaft nichts Verwerfliches. Plato sang im Symposion (181B) das Loblied der homosexuellen Liebe. Nero, zur Zeit der Entstehung des Korintherbriefes römischer Kaiser, war im Begriff, den Knaben Sporus zu heiraten (Sueton, Leben der Cäsaren 6.28), eine Handlung, die uns nur der Formalität wegen so abartig erscheint, denn immerhin waren 14 der 15 ersten römischen Kaiser homo- oder bisexuell.



1Kor 6,11


Einige (aber nicht alle) korinthische Christen haben sich der in den Versen 9-10 aufgezählten Sünden schuldig gemacht, doch Gott ist für sie in die Bresche gesprungen. Sie sind reingewaschen ... durch den Namen des Herrn Jesus Christus (vgl. 1Kor 1,2 ) und durch den Geist (vgl. Tit 3,5 ) unseres Gottes (vgl. Röm 8,33 ). Die Erinnerung daran, daß sie gerechtfertigt sind, ist genau das, was die dauernd in Rechtshändeln steckenden Korinther nötig haben.



C. Sexuelle Vergehen
( 6,12-20 )


Um das, was den Christen erlaubt bzw. verboten ist, geht es auch beim nächsten Thema, das der korinthischen Gemeinde Probleme bereitet: um die Freiheit vom alttestamentlichen Gesetz, insbesondere im Bereich der Sexualität. Paulus behandelt dieses Thema in der Form eines Dialogs - einer Diatribe, wie sie seinen Lesern aus der Philosophie vertraut ist. Auf diese Weise kann er sie auf die folgenden Ausführungen und zugleich auf den Rest des Briefes vorbereiten, in dem er sich mit Antworten auf Fragen und Einwände, die sie erhoben haben, befaßt.

Später, in Kapitel 8-10 , kommt er auf die Grenzen der Freiheit (V. 12 ) zu sprechen. Dieses Thema beeinflußt bis zu einem gewissen Grad auch die Erörterung über die Form des Gottesdienstes in Kapitel 11-14 . Die Frage, wie ein Christ zu den Speisevorschriften steht, wird in Kapitel 8 erneut aufgegriffen, die Auferstehung Christi ( 1Kor 6,14 ) in Kapitel 15 . Um die Kirche als Leib Christi geht es in Kapitel 12 , der Haltung zum außerehelichen Geschlechtsverkehr ( 1Kor 6,16 ), zu der er 1Mo 2,24 über die Einsetzung der Ehe durch Gott zitiert, widmet Paulus sich in Kapitel 7 .



1Kor 6,12


Die Wendung "alles ist mir erlaubt" diente den Korinthern offensichtlich als Rechtfertigung für die Unmoral, die in ihrer Gemeinde herrschte. Zwar ist diese Aussage richtig, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Nach Paulus muß die Freiheit sich dem Prinzip der Liebe zum Nächsten und der Rücksicht auch auf sich selbst unterordnen (vgl. Mk 12,31 ). Eine Freiheit, die dem anderen nicht zum Guten dient , sondern ihm zum Schaden gereicht, hat mit der Liebe nichts zu tun ( 1Kor 8,1;10,23 ). Sie ist ebenso abzulehnen wie eine Freiheit, die zur Knechtschaft wird ( "es soll mich nichts gefangennehmen" ), also nicht Ausdruck der Selbstliebe, sondern des Selbsthasses ist.



1Kor 6,13-14


"Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise" ist anscheinend eine weitere Parole, mit der manche Korinther ihr unmoralisches Verhalten zu rechtfertigen suchen. Sie argumentieren, daß "Speise" sowohl angenehm als auch notwendig ist. Wenn ihr Bauch Hunger meldet, essen sie, um ihn zufriedenzustellen. Auf dieselbe Weise, behaupten sie nun, sei auch die Sexualität sowohl angenehm als auch notwendig. Wenn ihr Körper sexuelle Bedürfnisse hat, muß er befriedigt werden. Doch Paulus zieht eine scharfe Trennungslinie zwischen dem Magen und dem Leibe . Der Leib ( sOma ) ist in diesem Zusammenhang (vgl. 2Kor 12,3 ) mehr als nur Körper; er umfaßt die ganze Person, bestehend aus Fleisch (dem Materiellen) und Geist (dem Immateriellen; vgl. 2Kor 2,13 mit 1Kor 7,5 ). Der "Leib" ist somit nicht vergänglich, sondern ewig ( 1Kor 6,14 ), und daher nicht für die Hurerei ( porneia ), sondern für die wechselseitige (vgl. Eph 1,23 ) Vereinigung mit dem Herrn gemacht (V. 15-17 ). Denn die Ewigkeit des Leibes, die zukünftige Bestimmung des einzelnen, ist durch die Auferstehung Christi Gewißheit geworden ( 1Kor 6,14; vgl. 1Kor 15,20 ).



1Kor 6,15-17


Das Wirken des Geistes (vgl. 1Kor 12,13 ) hat also bereits auf das gegenwärtige Leben der Christen Einfluß, indem es sie mit Christus verbindet ( 1Kor 6,15 ). Ein Christ kann sich nicht unmoralisch verhalten, ohne Christus zu betrüben (vgl. 1Kor 12,26 ). Zur Einheit zweier Menschen gehört mehr als nur der körperliche Kontakt. Sie bedeutet gleichzeitig die Vereinigung zweier Gesamtpersönlichkeiten, die, wie flüchtig sie auch sein mag, doch beide verändert. Mit dem Zitat von 1Mo 2,24 ( "sie werden sein ein Fleisch" ) will Paulus nicht sagen, daß ein Mann und eine Hure verheiratet sind, wenn sie miteinander geschlafen haben, sondern er will den Korinthern vor Augen führen, welch große Sünde ein solches Verhalten ist (vgl. Eph 5,31-32 ).

In der Einheit eines Christen mit Christus kann der eine nichts tun, was nicht auch den anderen beträfe.



1Kor 6,18


Auf die Unmoral sollen die korinthischen Christen reagieren wie Josef ( 1Mo 39,12 ) - sie sollen weglaufen. Flieht die Hurerei! Hurerei war zwar nicht die schwerste Sünde (vgl. Mt 12,32 ), aber nichtsdestoweniger eine Sünde; sie stellt ein Vergehen gegen den Sünder selbst sowie gegen die Gemeinschaft, der er angehört, dar.

Die Aussage "alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes" ist vielleicht der dritte Schlachtruf (vgl. 1Kor 6,12-13 ), den manche Korinther im Munde führen. Wenn ja, so ist Paulus' Antwort ( "wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe" ) die direkte Widerlegung dieser Ansicht. Die Satzkonstruktion im Griechischen ähnelt der von Vers 13 .



1Kor 6,19-20


All diese Sünden betrüben auch den Heiligen Geist , der in jedem Christen wohnt ( "der in euch ist" ; vgl. 1Kor 12,13; 1Joh 3,24 ). Auch Gott Vater ist traurig, denn er möchte von denen, die er mit dem Blut Christi ( 1Pet 1,19 ) teuer erkauft hat (vgl. 1Kor 7,23 ), gepriesen ( Mt 5,16 ) werden und will nicht, daß sie ihm Schande machen.



IV. Schwierigkeiten in der Gemeinde
( 1Kor 7-15 )


Die Bemerkung, mit der Paulus Kapitel 6 abschließt, "preist Gott mit eurem Leibe", könnte gleichzeitig als Leitmotiv für den folgenden Abschnitt dienen, in dem er Fragen der Korinther in bezug auf die Ehe ( 1Kor 7 ), die persönliche Freiheit ( 1Kor 8,1-11,1 ), die Kirchenordnung ( 1Kor 11,2-14,40 ) und die Lehre ( 1Kor 15 ) beantwortet.



A. Ratschläge in bezug auf die Ehe
( 1Kor 7 )


1. Ehe und Ehelosigkeit
( 7,1-9 )


In Kapitel 6 hat Paulus sich mit den Gefahren der Sexualität außerhalb der Ehe befaßt. Nun wendet er sich dem Verhalten der Christen innerhalb der Ehe zu. Die Vernachlässigung der ehelichen Pflichten, derer sich manche Korinther offenbar schuldig gemacht haben, war wohl mit ein Grund für die Unmoral, die der Apostel soeben verurteilt hat.



1Kor 7,1


Die Wendung "keine Frau zu berühren" - wahrscheinlich ein Euphemismus, mit dem Paulus den Geschlechtsverkehr umschreibt (vgl. 1Mo 20,6; Spr 6,29 ) - benutzen manche Korinther anscheinend als Vorwand, auch in der Ehe enthaltsam zu leben. Paulus wollte damit jedoch lediglich verhindern, daß der Zustand der Ehelosigkeit abgewertet wurde.



1Kor 7,2


Das Normale ist auf jeden Fall, daß man heiratet und mit seinem Ehepartner auch Geschlechtsverkehr hat. Wenn der einzelne versucht, im Zölibat zu leben, ohne von Gott dazu berufen zu sein (vgl. V. 7 ), setzt er sich leicht der Gefahr aus, der Unzucht zu erliegen. Aus diesem Grund ermutigt Paulus die Menschen zu heiraten.


1Kor 7,3-4


Dabei stellt er die Gleichberechtigung und gegenseitige Verpflichtung in der sexuellen Beziehung zwischen Mann und Frau in den Vordergrund, indem er betont, daß jeder dafür verantwortlich ist, den anderen zufriedenzustellen.



1Kor 7,5


Offensichtlich haben manche Korinther versucht, auch in der Ehe enthaltsam zu leben, diesen Entschluß anscheinend jedoch ganz allein, ohne das Einverständnis ihres Ehepartners, gefaßt (V. 3-4 ), was daher in manchen Fällen den anderen zur Unzucht verleitete (V. 5 b; vgl. V. 2 ). Paulus empfiehlt den Korinthern deshalb, derartige einseitige Beschlüsse zu unterlassen. Um in der Ehe enthaltsam zu leben, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: (a) Die Enthaltsamkeit soll nur dann geübt werden, wenn beide es wollen . (b) Sie sollen zuvor eine Zeit ausmachen und danach wieder wie Mann und Frau zusammenleben. (c) Eine solche Zeit sexueller Enthaltsamkeit soll den Eheleuten Ruhe zum Beten verschaffen.



1Kor 7,6


Diese Möglichkeit der zeitweiligen Enthaltsamkeit ist jedoch lediglich eine Empfehlung, die die Eheleute wirklich nur dann befolgen sollen, wenn die drei genannten Bedingungen gegeben sind. Paulus weist ausdrücklich darauf hin, daß sie kein Gebot darstellt. Die Vermutung, daß er hier davon spricht, daß die Ehe ein Zugeständnis ist, scheint angesichts von 1Mo 1,28 ,dem ersten Gebot in der Bibel, und angesichts der jüdischen Auffassung, in der Paulus groß geworden ist und die die Ehe als für alle Menschen - ausgenommen die sexuell Impotenten - obligatorisch betrachtet (Mishna Niddah 5. 9), unwahrscheinlich.



1Kor 7,7


Da der Apostel jedoch auf jeden Fall vermeiden will, daß die Ehelosigkeit mit einem Stigma versehen wird, bestätigt er nochmals (vgl. V. 1 ), daß auch sie etwas Gutes ist. Er selbst hält sie sogar für einen ausgezeichneten Zustand und wünscht sich, daß jeder ihre Vorteile einsieht. Doch er weiß, daß es bei der Entscheidung für oder gegen die Ehe um mehr als um ein Abwägen von Vor- oder Nachteilen geht; beides, Ehe und Ehelosigkeit, sind Gaben von Gott . Gott ist es, der einen jeden Christen dazu beruft, zu heiraten oder ledig zu bleiben (vgl. Mt 19,12 ).



1Kor 7,8-9


Das in Vers 1-2 Gesagte gilt auch für die, die nicht verheiratet sind, aber bereits Geschlechtsverkehr hatten (vgl. "Jungfrauen", V. 25 ). Zu den Ledigen gehören sowohl Geschiedene beider Geschlechter als auch Witwer (die Witwen werden gesondert erwähnt; vgl. 39-40 ). Ihnen sagt er, daß es gut ist, wenn sie ledig bleiben, doch nur, wenn Gott ihnen die Kraft dazu gibt (V. 7 ). Paulus, der als Theologe keineswegs im Elfenbeinturm lebte, ahnt die praktische Frage, die seine Leser ihm stellen würden, voraus: wie ein Mensch wissen kann, ob es ihm gelingen wird, enthaltsam zu leben. Er antwortet ihnen, was er sich dazu überlegt hat: Wer sich nicht enthalten kann, besitzt diese Gabe nun einmal nicht und soll heiraten .



2. Ehe und Scheidung
( 7,10-24 )


In Vers 24 sind Paulus' Ratschläge für die Verheirateten zusammengefaßt, nachdem er zuvor zu den verheirateten Christen (V. 10-11 ) und zu denen, die eine Mischehe (mit Nicht-Christen verheiratete Christen; V. 12-16 ) führen,gesprochen und andere physische und die Berufung betreffende Probleme abgehandelt hat (V. 17-23 ).



1Kor 7,10-11


Paulus' Anweisung für die verheirateten Christen entspricht der, die auch Jesus gegeben hat ( Mk 10,2-12 ): die Ehescheidung ist nicht gestattet (vgl. Mt 5,32 ). Der Unterschied in der Formulierung zwischen scheiden ( chOristhEnai ) - von der Frau her ( 1Kor 7,10 ) - und verstoßen ( aphienai ) - vom Mann her gesehen (V. 11 ) - ist wahrscheinlich nur eine stilistische Variation, denn das mit "scheiden" übersetzte Verb ( chOrizO ) bedeutete in der Umgangssprache dasselbe wie "verstoßen" (William F. Arndt und F. Wilbur Gingrich, A Greek-English Lexicon of the New Testament , Chicago 19574, S. 899). Wenn in einer christlichen Ehe Probleme auftreten, sollen die Eheleute versuchen, sich zu versöhnen (vgl. Eph 4,32 ) und nicht auseinandergehen.



1Kor 7,12-13


Mit den andern sind die Christen gemeint, die in einer Mischehe leben. Jesus hat diese Frage während seines Wirkens auf Erden nicht angesprochen (vgl. V. 10.25 ). Paulus aber versucht nun, sie zu beantworten, und zwar in derselben Vollmacht, in der Jesus selbst gepredigt hat (vgl. V. 25 ). Manche Scheidungen in damaliger Zeit gingen sicherlich auf das nachexilische Gebot des Propheten Esra zurück, Ehen zwischen Juden und Nicht-Juden aufzulösen ( Esr 10,11 ). Nach Paulus soll in einer Ehe zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen jedoch dasselbe Gebot herrschen wie in einer Ehe zwischen Christen: die Scheidung ist nicht gestattet. Ein christlicher Ehemann soll ... sich nicht von seiner ungläubigen Frau , und eine christliche Ehefrau soll ... sich nicht von ihrem nicht-christlichen Mann scheiden lassen ( aphietO ).



1Kor 7,14


Die beiden sollen beisammen bleiben, weil der christliche Partner in der Ehe zum Werkzeug der Gnade Gottes werden kann. In der ehelichen Beziehung, in der die Menschen "ein Fleisch" werden, kommt der Segen Gottes, den die Christen besitzen, der ganzen Familie zugute (vgl. Jakob im Haus von Laban, 1Mo 30,27 ,und Josef im Haus des Potifar, 1Mo 39,5; vgl. auch Röm 11,16 ). Darauf bezieht sich die Aussage, daß der jeweils ungläubige Partner und auch die Kinder geheiligt sind.



1Kor 7,15


Doch es gibt auch Ausnahmen von diesem Gebot. Wenn der Ungläubige auf der Scheidung besteht, soll sie ihm nicht verweigert werden. In diesem Fall ist der christliche Partner nicht gebunden , die Ehe aufrechtzuerhalten, sondern frei, sich wieder zu verheiraten (vgl. V. 39 ). Paulus sagt hier nicht wie in Vers 11 , daß der Christ ledig bleiben soll. (Dennoch interpretieren manche Bibelforscher das "nicht gebunden" an dieser Stelle dahingehend, daß die Christen sich in diesem Fall zwar scheiden lassen dürfen, jedoch nicht wieder heiraten sollen.)

Der zweite Teil des Verses, in dem Paulus die Korinther daran erinnert, daß Gott die Christen zu einem Leben in Frieden ... berufen hat, könnte als eigenständige Aussage aufgefaßt werden. Paulus wiederholt hier die Konjunktion ( de , "aber" ), mit der er die Ausnahme am Anfang dieses Verses einleitete, wahrscheinlich um deutlich zu machen, daß er sich nun einem anderen Gedanken zuwendet und zum eigentlichen Anliegen dieses Abschnitts, der Aufgabe des christlichen Ehepartners, die Ehe fortzusetzen und mit dem Nicht-Christen in Frieden zu leben, zurückkehrt. (Zu einer ähnlichen Abschweifung in einem Diskurs über das allgemeine Verbot der Scheidung vgl. Mt 19,9 .) Es geht ihm hier darum, daß ein Christ sich - allerdings unter der Vorraussetzung, daß eine Ehe eine wechselseitige und keine einseitige Beziehung ist - bemühen soll, das Zusammenleben fortzusetzen und den Frieden zu wahren.



1Kor 7,16


Danach kommt der Apostel auf einen zweiten (vgl. V. 14 ) und damit den entscheidenden Grund, warum ein Christ die Ehe mit einem Nicht-Christen fortsetzen soll, zu sprechen: Gott könnte den gläubigen Ehepartner als Werkzeug seiner Gnade benutzen (vgl.V. 14 ), durch das er den Ungläubigen schließlich zum Glauben an die Botschaft vom Kreuz führen und retten will (vgl. 1Pet 3,1-2 ).



1Kor 7,17


Der allgemeine Grundsatz, den Paulus seiner Entscheidung hinsichtlich des ehelichen Status der Christen zugrunde legt, wird ebenfalls dreimal wiederholt (V. 17.20.24; vgl. auch V. 26 ). Er lautet in Kürze: "Bleibt, wie ihr seid." Der Ruf zur Bekehrung verändert die geistliche Befindlichkeit eines Menschen zwar auf radikale Weise, er macht jedoch keinerlei Veränderungen innerhalb bestehender Beziehungen notwendig, solange sie nicht unmoralisch sind.

 

1Kor 7,18-19


Der äußerliche Vorgang der Beschneidung oder ihre Unterlassung (vgl. 1. Makk 1,15 - 16) ist unwichtig im Vergleich zu der Pflicht, die Gebote Gottes zu halten , was für Paulus nichts anderes heißt, als sich dem Heiligen Geist zu unterstellen (vgl. Röm 2,25-29 ).



1Kor 7,20-23


Ebenso unwichtig ist letztlich der Beruf des Christen (wenn er seine gesellschaftliche Stellung verändern kann, ist es gut; wenn nicht, so sollte das kein Anlaß zur Unzufriedenheit sein). Was zählt, ist, daß jeder Christ einsieht, daß er als Knecht Christi Christus Gehorsam schuldet. Damit wird jeder Beruf zu einem christlichen Dienst, der dem Herrn dargebracht wird (vgl. Eph 6,5-8 ).



1Kor 7,24


Die Tatsache, daß Gott jeden in einen ganz bestimmten Beruf berufen hat und von ihm verlangt, in dieser Berufung treu seinen Pflichten nachzukommen, erhöht und heiligt sowohl die Arbeit als auch den Arbeiter. Ein Christ kann also "in Frieden" (V. 15 ) in seiner Berufung leben und sie in dem Bewußtsein, daß er nur Gott darin verantwortlich ist, ausüben.



3. Ehe und christlicher Dienst
( 7,25-38 )


Das grundlegende Prinzip, um das es Paulus hier geht (im gegenwärtigen Stand zu bleiben), wendet er zum Schluß noch auf die an, die niemals geheiratet haben. Anscheinend beantwortet er mit den folgenden Ausführungen eine Frage, die ihm gestellt wurde. Paulus gibt den Betreffenden den Rat, ledig zu bleiben, und führt drei Gründe dafür an: (a) den Christen stehen schlimme Zeiten bevor (V. 26-28 ), (b) Christus wird schon bald zurückkommen (V. 29-31 ), und (c) als Ledige können sie sich ganz dem Dienst für den Herrn widmen (V. 32-35 ).



1Kor 7,25


Als Jungfrauen wurden Mädchen bezeichnet, die noch keine sexuellen Erfahrungen hatten, d. h. die nicht verheiratet waren. Jesus hat sich mit dieser Frage nie ausdrücklich befaßt (vgl. Mt 19,10-12.29 ); Paulus kann den Korinthern hierzu also nur seine eigene Meinung - kein Gebot des Herrn - sagen, die sie aber getrost übernehmen dürfen, weil er ihr Vertrauen verdient . (Paulus schreibt selbstverständlich unter der Inspiration des Heiligen Geistes, daher besitzt seine "Meinung" ebenso große Vollmacht wie die Worte Christi selbst; vgl. 1Kor 7,40 .)



1Kor 7,26-28


Der Ausdruck "kommende Not" bezieht sich wahrscheinlich auf Verfolgungen, denen die Korinther ausgesetzt sein würden (vgl. Joh 16,33; 2Tim 3,12; 1Pet 4,12 ), oder auf eine leidvolle Erfahrung, die ihnen bevorstand und die Paulus voraussieht. Wenn diese Verfolgungen eintreten, was nach Paulus ganz sicher geschehen wird, so sind sie für die Ledigen leichter zu ertragen als für die Verheirateten. Wie schrecklich der Gedanke an das Martyrium (vgl. 1Kor 13,3 ) für einen Ledigen auch immer sein mag, für einen Verheirateten ist es doppelt so schwer, weil er auch noch für Frau und Kinder verantwortlich ist. Angesichts dieser Umstände ist es zwar nicht falsch, zu heiraten ( "wenn du aber doch heiratest, sündigst du nicht" ), doch es scheint nicht ratsam.


1Kor 7,29-31


Der zweite Grund, aus dem Paulus den ledigen Stand für vorteilhaft hält, ist, daß man in ihm leichter auf zeitliche Dinge verzichten kann.Die Wendung "die Zeit ist kurz" bezieht sich auf die Rückkehr des Herrn (vgl. Röm 13,11 ), ist jedoch darüber hinaus eine Zusammenfassung der Lebensphilosophie von Paulus, der nicht für die Zeit, sondern für die Ewigkeit lebt (vgl. 2Kor 4,18 ). Diese Abwendung von zeitlichen, begrenzten Dingen sollte eigentlich ein Anliegen aller Christen sein; sie fällt den Verheirateten jedoch sehr viel schwerer als den Ledigen (vgl. Mk 13,12 ). Dennoch soll auch in ihrem Leben die Hingabe an den Herrn den ersten Platz einnehmen ( Lk 14,26 ). Damit spricht sich Paulus allerdings mit Sicherheit nicht für die Vernachlässigung der ehelichen Pflichten aus (vgl. 1Kor 7,3-5 ).

Statt dessen fordert er die unbedingte Hingabe an die "ewigen" Dinge und - damit einhergehend - die Abwendung von den Institutionen, Werten und dem Wesen dieser Welt , die vergehen wird (V. 31 ). All das ist für Unverheiratete leichter.

 

1Kor 7,32-35


Paulus' dritter Grund ergibt sich aus dem zweiten. Der Ledige ist wahrscheinlich weniger Belastungen und Ablenkungen ausgesetzt als der Verheiratete, daher kann er sich sehr viel konzentrierter um die Sache des Herrn kümmern. In der Bergpredigt forderte Jesus diejenigen, die bereit waren, ihm nachzufolgen, auf, sich nicht durch Sorgen um die materiellen Dinge des Lebens von der Hingabe an Gott ablenken zu lassen ( Mt 6,25-34 ). Die arme Witwe ( Mk 12,44 ) gab alles, was sie zum Leben hatte, und bewies damit ihre einzigartige Treue. Ein verheirateter Mann oder eine verheiratete Frau jedoch, denen wahrscheinlich in erster Linie das Wohl ihrer Familie am Herzen liegt, hätte sich wohl anders verhalten. Paulus ist überzeugt, daß das Leben eines Ledigen, der weniger weltliche Verpflichtungen hat, es ihm erlaubt, dem Herrn mehr Zeit und Mittel und auch einen größeren Teil seiner selbst zu widmen, als es einem Verheirateten möglich ist, der die materiellen und familiären Pflichten, die mit diesem Stand verbunden sind, zu erfüllen hat.



1Kor 7,36-38


Die Übersetzung und Deutung dieses Abschnitts ist schwierig, wie bereits der im Text enthaltene Hinweis auf die Sach- und Worterklärungen vermuten läßt. Das Problem ist, ob das unbestimmte Pronomen jemand (V. 36 ) sich auf den Vater oder auf den zukünftigen Bräutigam des Mädchens bezieht. Neuere sprachliche Erkenntnisse deuten eher auf letzteres hin, denn auf diese Weise bleibt das Subjekt für alle Verben des Abschnitts dasselbe, ein Vorteil, den die Anhänger dieser Lesart jedoch häufig wieder preisgeben, indem sie die Jungfrau zum Subjekt der Einfügung "wenn sie erwachsen ist" machen. Diese Entscheidung wird ihnen durch die Notwendigkeit aufgezwungen zu erklären, wie die Meinung entstehen kann, daß der Bräutigam ungehörig handelt (die ungehörige Handlung bestünde in diesem Fall in seinem Hinauszögern der Eheschließung, das sich nachteilig auf die Chancen der älterwerdenden Frau, überhaupt jemals zu heiraten , auswirken könnte). Dieser Interpretation - das Pronomen "jemand" auf den Bräutigam zu beziehen - steht allerdings die Schwierigkeit entgegen, daß im griechischen Urtext zweierlei Verben für "heiraten" verwendet werden: gameO und gamizO . Um die Deutung aufrechterhalten zu können, muß man die beiden Verben als Synonyme Verstehen. Das ist aber nicht ganz einfach, denn gamizO heißt gewöhnlich "in die Ehe geben", und gameO einfach "heiraten", wie aus anderen neutestamentlichen Textstellen, in denen sie zusammen zu finden sind, hervorgeht ( Mt 24,38; Mk 12,25 ). Dieser Bedeutungsunterschied wurde offensichtlich noch im zweiten Jahrhundert anerkannt (Apollonius Dyscolus, Syntax 3. 153). Daher ist wohl der Lesart, daß mit dem "jemand" der Vater des Mädchens gemeint ist, der Vorzug zu geben.

Paulus wendet sich hier also an die Väter, die in der Kultur des 1. Jahrhunderts in allen Dingen, die die Familie betrafen, die absolute Entscheidungsgewalt hatten. Ein Vater hätte - vielleicht aus Gründen wie die, von denenPaulus in 1Kor 7,25 - 34 spricht - beschließen können, daß seine Tochter unverheiratet bleiben soll. Dabei lief er jedoch Gefahr, nicht in Rechnung zu stellen, daß seine Tochter dazu vielleicht nicht in der Lage war, weil ihr dieser Stand von Gott nicht gegeben war (V. 7 ). Wenn sich das herausstellen sollte, so empfiehlt Paulus dem Vater, sich nicht an seine Überzeugung gebunden zu fühlen, sondern seine Tochter heiraten zu lassen. Unter drei Bedingungen darf er allerdings bei seiner Überzeugung bleiben (V. 37 ): (a) Wenn er wirklich fest überzeugt ist, daß es besser sei, wenn seine Tochter nicht heirate. (b) Wenn er tatsächlich die Vollmacht hat, eine solche Entscheidung zu treffen, d. h. wenn er kein Sklave ist, denn in diesem Fall ist es Sache seines Herrn, über das Schicksal der Tochter zu entscheiden. (c) Wenn er nicht unter Zwang steht, d. h. wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß seine Tochter nicht für die Ehelosigkeit geschaffen ist. Wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, tut der Vater gut daran, sie nicht zu verheiraten.



4. Wiederverheiratung und Witwentum
( 7,39-40 )


1Kor 7,39-40


Bereits in Vers 8-9 , wo Paulus den Witwen rät, nicht wieder zu heiraten, räumt er ein, daß es nicht allen gegeben ist, einen solchen Entschluß durchzuhalten. Die einzige Bedingung, die er einer Frau, die wieder heiraten möchte, auferlegt, ist daher die Verpflichtung, einen Christen zu heiraten ( "nur daß es in dem Herrn geschehe!" ) - eine Verpflichtung, die, wenngleich davon zuvor nicht die Rede gewesen ist, zweifellos für alle Heiratswilligen gilt. Das ist seine einzige Einschränkung. Unter den Christen darf eine Witwe wählen, wen immer sie möchte, und Paulus wünscht ihr, daß sie mit ihrem Mann glücklich wird, obwohl er hinzufügt, daß sie nach seiner Meinung seliger wird, wenn sie ledig bleibt. Bei diesen Worten handelt es sich nicht einfach nur um einen guten Rat des Menschen Paulus; er wird unter der Einwirkung des Geistes Gottes gegeben, der die Christen sowohl zum ledigen als auch zum verheirateten Stand bestimmt (V. 7 ).

 

B. Der Umgang mit der christlichen Freiheit
( 1Kor 8-14 )


Mit der Frage der Korinther, ob es erlaubt sei, Götzenopferfleisch zu essen, setzt Paulus sich besonders ausführlich auseinander. Wahrscheinlich spürt der Apostel, daß es an dieser Stelle im Grunde wieder um die Selbstsucht dieser Gemeinde geht, die auch hinter all ihren anderen Problemen steckt.

Die beiden Wörter, die vermutlich den Standpunkt der Korinther wiedergeben, sind "Freiheit" ( eleutheros , 1Kor 9,1.19; eleutheria , 1Kor 10,29 ) und "Rechte" ( exousia , 1Kor 9,4-6.12.18 ). Auch in diesen Kapiteln macht Paulus die Freiheit und die Rechte der wahren Gläubigen davon abhängig, ob sie darüber ihre Pflichten gegenüber ihren Nächsten nicht vernachlässigen; die christliche Freiheit darf sie nicht an einer Liebe hindern, die das "Gute" ( sympherO , -os , 1Kor 10,24.33; 12,7; vgl. 1Kor 6,12 ) im Auge hat und ihn "stärkt" und "aufbaut" ( oikodomeO , - ia , 1Kor 8,1; 10,23; 14,3-5.12.17.26 ). Diese beiden Pole - "Egoismus" kontra "Nächstenliebe" - und Paulus' Ausführungen zu ihnen, soweit sie das Verhältnis der Gläubigen zum Götzendienst bzw. zum christlichen Gottesdienst betreffen, bilden das übergreifende Thema der folgenden Kapitel. Daneben geht es Paulus darum zu zeigen, daß die erstere Haltung - die allzu große Eigenliebe - das Mißfallen Gottes erregt ( adokimos , 1Kor 9,27 ) und bestraft wird ( 1Kor 10,5-10; 1Kor 11,30-32 ).



1. Die christliche Freiheit und der heidnische Götzendienst
( 8,1-11,1 )


Gewöhnlich wurden während der Gottesdienste der griechischen und römischen Kulte die weniger begehrten Teile des Opfertieres verbrannt; die anderen wurden bei den anschließenden Festmählern, mit denen die Opferungen gefeiert wurden, verzehrt. Wenn es sich um ein Opfer von staatlicher Seite handelte, wurde das übriggebliebene Fleisch meistens auf dem Markt verkauft. Anscheinend hatten die korinthischen Christen Paulus in diesem Zusammenhang gefragt: (a) ob sie das Fleisch, das bei diesen Opferungen übriggeblieben war, kaufen und essen durften; (b) ob sie dieses Fleisch essen durften, wenn sie bei jemandem zu Gast waren; und (c) ob sie an den heidnischen Opferungen und den anschließenden Festmählern in den Tempelvorhöfen teilnehmen durften. Paulus geht im folgenden auf alle drei Punkte ein.



a. Das Prinzip der brüderlichen Liebe
( 1Kor 8 )


Paulus stößt bereits in seinen einleitenden Bemerkungen zum Kern der Sache vor, indem er als wesentliches Grundprinzip festhält, daß die Liebe größer ist als die Erkenntnis (vgl. 1Kor 13 ).



1Kor 8,1


Wie in seiner Antwort auf die Fragen in bezug auf die Ehe zitiert Paulus möglicherweise auch hier eine Auffassung der Korinther ( "wir alle haben die Erkenntnis" ), der er zwar prinzipiell zustimmt, für die man sich jedoch ebenfalls, wie für die Freiheit, erst einmal qualifizieren muß. Erkenntnis ist zwar wichtig, um die Fragen korrekt zu beantworten; wer allerdings glaubt, er besitze sie, ist dazu gleichzeitig nicht mehr in der Lage, wie Paulus den Korinthern beweist.



1Kor 8,2-3


Zunächst macht er ihnen klar, daß die Erkenntnis Gottes zwangsläufig immer Stückwerk bleiben muß ( 1Kor 13,12 ). Wahre Erkenntnis führt jedoch zu Gott und zur Liebe zu ihm, die, nach Paulus' Überzeugung, in eine Liebe zu den Menschen münden muß (vgl. 1Joh 4,20-21 ).



1Kor 8,4


Dieses Prinzip wendet er nun auch bei der Beantwortung ihrer Fragen an. Die Aussagen, die auf die beiden "daß"-Sätze ( "daß es keinen Götzen gibt in der Welt und keinen Gott als den einen" ; bei Luther steht das zweite "daß" in der Ellipse) folgen, stellen möglicherweise ebenfalls die Auffassung der Korinther dar, der Paulus aus ganzem Herzen zustimmt. Ein "Götze" ist in der Tat "nichts" ( Ps 115,4-8 ), denn es gibt nur einen Gott ( 5Mo 4,35.39 ). Daher ist das Essen von Götzenopferfleisch selbst ohne Bedeutung.

 

1Kor 8,5-6


Das Pantheon der Griechen und Römer war von zahllosen Göttern bevölkert, ganz zu schweigen von den vielen Göttern und Herren der Mysterienreligionen, doch Gott allein ist wirklich der Herr ( 5Mo 10,17 ). Der Vater ist der Ursprung aller Dinge ( 1Mo 1,1 ); für ihn sollen die Korinther leben ( 1Kor 10,31 ). Der Herr Jesus Christus war das Werkzeug der Schöpfung ( Kol 1,16 ); durch ihn leben die Korinther ( 1Kor 12,27; Eph 1,23 ).



1Kor 8,7-8


Wenn alle Gemeindemitglieder überzeugt wären, daß es keine Götzen, sondern nur einen einzigen Gott gibt (V. 4 ), dann dürften sie das Götzenopferfleisch ohne Schaden und straflos essen. Das ist jedoch nicht der Fall. Nicht jeder hat die Erkenntnis . Das Gewissen mancher Christen ist in diesem Fall nicht durch die Wahrheit gestärkt. Sie sind noch unwissend und daher noch nicht so weit, daß das Essen von Götzenopferfleisch für sie bedeutungslos ist; in ihren Augen ist es eine Sünde (vgl. Röm 14,23 ). Nach Paulus sind solche Skrupel zwar unnötig, doch in dem Ratschlag, den er den Korinthern im folgenden gibt, weist er sie darauf hin, daß die Lösung dieses Problems in der Liebe, nicht in der Erkenntnis zu finden ist.



1Kor 8,9


Er warnt sie, daß sie, wenn Erkenntnis ohne Liebe ihr Verhalten bestimmt, den anderen möglicherweise in geistlicher Hinsicht schaden. In der Wahrung ihrer Freiheit können sie unter bestimmten Umständen zu einem Stein des Anstoßes , einem Stolperstein auf dem Weg der Schwachen zu Gott werden (vgl. V. 13 ).



1Kor 8,10


Als Beispiel schildert er ihnen eine Situation, in der ein schwacher Christ einen Bruder, der die Erkenntnis besitzt, in einem Götzentempel sitzen und Fleisch essen sieht und sich daraufhin zu ihm setzt, obwohl er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann.


1Kor 8,11


Als Folge dieser Handlung wird das Gewissen des Schwachen abgestumpft (vgl. 1Tim 4,2 ); er verliert die Fähigkeit, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden (vgl. Tit 1,15 ), was zu seinem geistlichen Verderben und physischen Tod führt (vgl. 1Kor 10,9-10; Röm 14,15 ). Apollytai , hier mit "wird ... zugrunde gehen" übersetzt, bezieht sich meist auf den physischen Tod (z. B. Mt 2,13; Apg 5,37 ). Diejenigen, die die Erkenntnis besitzen, sollen sich statt dessen an der Selbstlosigkeit Christi ein Beispiel nehmen. Wenn Christus seinen Bruder so sehr liebte, daß er bereit war, seine Vorrechte und sogar sein Leben für ihn aufzugeben ( Phil 2,6.8 ), ist es wohl kaum zuviel verlangt, daß die Starken darauf verzichten, Götzenopferfleisch zu essen.



1Kor 8,12


Die arrogante Gleichgültigkeit der Korinther gegenüber den Bedürfnissen der schwächeren Gemeindeglieder ist nicht nur eine Sünde an ihren Glaubensgenossen ( "wenn ihr aber ... ihr schwaches Gewissen verletzt" ; vgl. V. 7 ), sondern auch eine Sünde an Christus, zu dessen Leib auch diese gehören ( 1Kor 12,26-27; vgl. 1Kor 1,30; Mt 25,40.45 ). Das ist eine Erfahrung, die Paulus in ganz pointierter Weise auf der Straße nach Damaskus zuteil geworden war ( Apg 9,4-5 ).



1Kor 8,13


Paulus geht es in dieser ganzen Sache um die brüderliche Liebe. Er verlangt nicht, daß die, die Erkenntnis besitzen, ihre Rechte aufgeben, aber er zeigt ihnen an einem Beispiel, wie er selbst nach dem Prinzip der Liebe lebt. Es liegt ihm fern, einen Bruder zu Fall zu bringen (vgl. V. 9 ); er will ihn vielmehr "aufbauen" (vgl. V. 1 ), wozu er sich der von der Liebe geleiteten Erkenntnis bedient.

Dem ist noch hinzuzufügen, daß Paulus nicht sagt, daß ein Christ, der die Erkenntnis besitzt, verpflichtet ist, seine Freiheit aufzugeben und zu einem geistlichen Fanatiker mit all den diesen Menschen eigenen, aus der Unwissenheit stammenden Vorurteilen zu werden. Es ist der "schwache Bruder" (V. 11 ), der dem Beispiel der anderen Christen folgen soll. Keineswegs steht es dem "Schwachen" zu, den "Starken", der Erkenntnis besitzt, zu kritisieren und zu bestimmten Verhaltensweisen zu zwingen. Doch ebenso unwahrscheinlich ist es, daß Paulus in dem schwachen Christen eine ständige Fessel der Freiheit dessen, der die Erkenntnis hat, sieht. Der "schwache Bruder" ist kein allgegenwärtiges Phantom, sondern eine Individualperson, die belehrt werden muß, damit auch sie sich der Freiheit erfreuen kann ( Gal 5,1 ).

1. Korintherbrief

b. Der Umgang mit Privilegien
( 9,1-10,13 )


(1) Das positive Beispiel des Apostels ( 1Kor 9 )

Paulus schließt seine Warnung vor einer Freiheit, die sich nachteilig auf einen Bruder auswirkt, mit dem Hinweis auf seine Bereitschaft, sogar zum Vegetarier zu werden, wenn er damit einen Bruder vor Glaubenszweifeln bewahren kann ( 1Kor 8,13 ). Danach veranschaulicht er an einem Beispiel, wie er das, was er über die Rechte gepredigt hat, in bezug auf Essen und Trinken in die Tat umsetzt. Man gewinnt dabei den Eindruck, daß die Gerüchte, die den Zweifel an seinem Apostelamt aufbrachten und zum Anlaß für seine lange Verteidigungsrede (u. a. 2Kor 10-13 ) wurden, bereits zur Zeit der Entstehung des 1. Korintherbriefs in Umlauf waren, denn Paulus bringt das Prinzip, das er in 1Kor 8 formuliert hat, mit dem Problem in Zusammenhang, das anscheinend überhaupt erst zum Zweifel an seinem Apostelamt geführt hat: seine standhafte Weigerung, von denen, die er unterweist, materielle Unterstützung anzunehmen. Paulus hat es stets abgelehnt, finanzielle Unterstützung von seiten seiner Gemeinden anzunehmen, damit ihm niemand nachsagen konnte, er werde von finanziellen Motiven beeinflußt (vgl. 2Kor 2,17 ).



1Kor 9,1-2


Seiner Aussage nach nimmt Paulus als Apostel in dieser Angelegenheit den Standpunkt dessen ein, der Erkenntnis hat. Die vier rhetorischen Fragen in diesem Vers erfordern eine bejahende Antwort, wenngleich manche Korinther möglicherweise auch die eine oder andere oder sogar alle mit "nein" beantworten. Die dritte und vierte Frage beziehen sich anscheinend ganz direkt auf Paulus' Autorität als Apostel, wobei er selbst die vierte jedoch offensichtlich für die entscheidendere hält. In der ausführlichen Verteidigungsrede seines Apostelamtes im

2. Korintherbrief spricht Paulus nicht davon, den Herrn gesehen zu haben (vgl. Apg 1,21 ), er kommt jedoch wiederholt auf die Aussage dieses Verses ( 1Kor 9,2 ), daß die Korinther selbst seine Rechtfertigung sind, zurück ( 2Kor 3,1-3;5,12;7,14-16;8,24 ).



1Kor 9,3


Paulus' Apologie bezieht sich voraus auf Vers 4-23 , nicht zurück auf Vers 1-2 , wo er von seinem Recht gesprochen hat, auf das er bewußt verzichtet. Er macht darin deutlich, warum er sich weigert, auf Kosten der Gemeinde zu leben, obwohl er ein Recht auf Unterhalt hat (V. 1-2 ), und führt seinen Lesern damit gleichzeitig vor Augen, wie sein Rat für den Bruder, der die Erkenntnis hat und um seine Rechte fürchtet, in der Praxis angewandt werden kann ( 1Kor 8 ).



1Kor 9,4-6


Das in diesem Vers mit "Recht" übersetzte Wort (exousia ) ist dasselbe, das in 1Kor 8,9 mit "Freiheit" wiedergegeben ist. Es verbindet die Kapitel miteinander, obwohl es hier nicht mehr um Götzenopferfleisch, sondern um gewöhnliches Essen und Trinken geht. Um die Bedeutung der rhetorischen Fragen ganz deutlich zu machen, könnte man an Vers 4-5 die Wendung "auf Kosten der Gemeinde" anhängen (vgl. Mt 10,10-11 ). Mit seiner Ablehnung jeglicher Unterstützung steht Paulus nicht allein, er hat in Barnabas einen Gleichgesinnten. Beide blieben dieser Einstellung, nach der sie vermutlich schon auf ihrer ersten Missionsreise verfuhren ( Apg 13,1- Apg 14,28 ), offensichtlich auch nach ihrer Trennung treu.



1Kor 9,7


Paulus sieht in dem Recht auf Unterhalt von seiten der Gemeinde ein Prinzip, das er über die Apostel hinaus auch auf andere Gemeindemitglieder ausdehnt; er veranschaulicht diesen Punkt im folgenden an sechs Verschiedenen Beispielen. Das erste betrifft die Gesellschaftsordnung überhaupt: der Soldat, der Bauer und der Hirte - sie alle können sich durch ihre Arbeit ernähren.



1Kor 9,8-10


Auch im Alten Testament fand sich bereits das Prinzip des gerechten Lohnes. Das Beispiel, anhand dessen Paulus diesen Gedanken illustriert, und seine Deutung haben viele Exegeten überrascht. Warum stellt er nach dem Zitat aus 5Mo 25,4 ,daß einem Ochsen beim Dreschen nicht das Maul verbunden wird, die Frage: "Sorgt sich Gott etwa um die Ochsen?" Ändert er damit den Sinn der alttestamentlichen Textstelle? Luther fühlte sich anscheinend nicht irritiert, er löste den gordischen Knoten einfach mit der Bemerkung, daß es ganz klar sei, worum es hier ginge, da ein Ochse nicht lesen kann. Ein weniger kühner Exeget steht bei dieser Textstelle allerdings nach wie vor vor großen Schwierigkeiten. Eine Lösung ist möglicherweise im Kontext der zitierten Stelle 5Mo 25,4 selbst zu finden. Die Anweisungen, die Mose dort gibt, gelten nicht nur für die Tierhaltung, sondern auch für zwischenmenschliche Beziehungen. Einem Ochsen nicht das Maul zu verbinden war also möglicherweise ein Sprichwort in dem Sinn, daß ein Arbeiter seines Lohnes wert ist. In dem Fall Versteht und interpretiert Paulus es denn auch ganz richtig.



1Kor 9,11


Paulus' drittes Beispiel folgt aus Vers 10 und dem Zitat aus 5Mo 25,4 ,bezieht sich jedoch auf ein grundlegendes Prinzip des wechselseitigen Aufeinanderangewiesenseins in einer Gemeinschaft: nützliche Arbeit soll belohnt werden. Wenn Paulus den Korinthern geistliche Güter bringt ( 1Kor 1,5 ), dann ist es sicherlich nicht zuviel verlangt, wenn er leibliche Bezahlung dafür erwartet.



1Kor 9,12


Als viertes geht der Apostel auf Präzedenzfälle ein, die andere christliche Führungspersönlichkeiten geschaffen haben. Paulus hat bereits an früherer Stelle im vorliegenden Brief auf Petrus (Kephas) angespielt (V. 5 ). Obwohl es nicht bewiesen werden kann, deutet vieles darauf hin, daß Petrus in Korinth gepredigt hat (vgl. 1Kor 1,12; 3,22; 15,5 ) und in dieser Zeit von der Gemeinde unterstützt wurde. Dasselbe gilt wahrscheinlich für Apollos ( 1Kor 1,12; 3,4-6.22; 4,6; 16,12 ). Wenn diese beiden Männer von den Korinthern unterstützt wurden, so steht Paulus, dem Gründer der Gemeinde, mit Sicherheit nicht weniger zu.

Doch Paulus nimmt dieses Recht nicht für sich in Anspruch (vgl. 1Kor 8,9 ), weil er dem Evangelium von Christus kein Hindernis bereiten will. Denn wenn er sich für sein Amt bezahlen ließe, könnten manche annehmen, daß er einfach ein reisender Lehrer unter vielen ist, dem es um materiellen Profit geht (vgl. 2Kor 2,17 ), und es möglicherweise ablehnen, ihm zuzuhören. Um also niemandem zum "Anstoß" ( 1Kor 8,9 ) zu werden, verzichtet Paulus auf sein "gutes" Recht, von denen, denen er dient, Unterstützung anzunehmen.

 

1Kor 9,13


Nachdem Paulus die Reihe seiner Beispiele für das Recht auf Entlohnung kurz beiseite gelassen hatte, um das Prinzip deutlich zu machen, das seiner Weigerung, dieses Recht wahrzunehmen, zugrunde liegt, obwohl andere rechtschaffene Diener Christi es im allgemeinen in Anspruch nehmen (V. 5 ), nimmt er nun seine ursprüngliche Argumentation wieder auf und nennt seinen Lesern noch ein fünftes Beispiel. Er verweist dabei auf die in der Priesterschaft übliche Praxis. Die Priester des Alten Testaments wurden für ihre Dienste ebenso belohnt ( 4Mo 18,8-32 ) wie die heidnischen Priester, die den Korinthern wahrscheinlich vertrauter waren (vgl. 1Kor 8,10 ).



1Kor 9,14


Als sechstes beruft Paulus sich auf das schwerwiegendste Argument für die gerechte Entlohnung: auf die Anweisung Jesu, daß die, die das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen ( Lk 10,7 ).



1Kor 9,15


Mit diesem Beispielkatalog hat Paulus auf überzeugende Weise die Rechte, die er gegenüber der korinthischen Gemeinde besitzt, ins Feld geführt. Dennoch betont er abermals, daß er für seine Person auf diese Rechte verzichtet. Einen Grund dafür nannte er bereits in Vers 12 : den Wunsch, jeglichem Verdacht auf materielle Motive zuvorzukommen. Nun führt er einen zweiten, damit in Zusammenhang stehenden, an: Er will in seinem Amt völlig integer sein (vgl. 2Kor 11,9-12 ), denn sein Ruhm besteht darin, daß er bereitwillig und in Lauterkeit predigt (vgl. 2Kor 2,17 ).



1Kor 9,16


Paulus' "Berufung" zum Apostel vollzog sich in der Tat unter einzigartigen Umständen. Andere folgten dem Ruf Christi zur Nachfolge freiwillig ( Mk 3,13; Joh 1,37-39 ), doch Paulus mußte sozusagen erst "zu Boden geschlagen" werden ( Apg 22,6-10 ), bevor er auf Gott hörte. Nun aber ist es ihm, wie auch Jona, unmöglich, das Evangelium nicht zu predigen (vgl. 1Kor 1,17 ), und wie dieser ruft er aus: Weh mir, wenn ich dieser Aufgabe nicht nachkomme!



1Kor 9,17


Paulus predigt also, wie er gerade sagte, nicht aus eigenem Willen ; daher hat er auch keinen Anspruch auf eine besondere Belohnung, denn er erfüllt einfach das Amt, das ihm anvertraut ist (vgl. Lk 17,10 ).



1Kor 9,18


Erhält er aber gar keinen Lohn ? Doch, sogar zweifachen. Zunächst einmal besteht sein Ruhm darin (V. 15 ), daß er das Evangelium ohne Entgelt predigt, und diesen Ruhm kann ihm niemand nehmen (vgl. 2Kor 11,9-10 ). Zweitens wird er Zeuge, wie das Evangelium unter denen, denen er es predigt ( 1Kor 9,19.23 ), wirksam wird, und diese Erfolge - die Gläubigen selbst - sind sein Lohn (vgl. 2Kor 7,3-4 ). Das hier mit "Lohn" übersetzte Wort ( misthos ) kann sich auch aufmateriellen Lohn beziehen. Obwohl Paulus diesen stets ausschlug, steht er dennoch nicht mit leeren Händen da. Sein ist die Freude der Ernte. Um dieser Ernte willen ist er gern bereit, auf bestimmte Rechte - darunter auch auf das Recht auf materielle Unterstützung - zu verzichten, damit seine Freude an der Integrität seines Ruhms und an den Resultaten seiner Arbeit umso größer werde (vgl. Joh 4,36 ).



1Kor 9,19


Aus diesem Grund erlegt er sich nicht nur in bezug auf Essen und Trinken Zurückhaltung auf (was, wie er andeutet, auch die Christen, die Erkenntnis besitzen, tun sollen; 1Kor 8,9-13 ), sondern auch in vielen anderen Bereichen seines Amtes, so daß er, obwohl er frei ( eleutheros ; vgl. 1Kor 8,9; 9,1 ) ist, sich selbst jedermann zum Knecht gemacht (vgl. Phil 2,6-7 ) hat - um die, die er gewinnen will ( 1Kor 9,22 ), nicht vor den Kopf zu stoßen ( 1Kor 10,33 ).



1Kor 9,20


Obwohl Paulus in erster Linie Heidenapostel ist ( Gal 2,8 ), verläßt ihn doch nie die Sorge um das Heil seines eigenen Volkes ( Röm 9,3 ). Er macht es sich zur Gewohnheit, in jeder Stadt, die er betritt, zuerst die Synagoge aufzusuchen ( Apg 17,2 ), um die Juden zu gewinnen ( Röm 1,16 ). Kein anderer Vers zeigt deutlicher, wie Paulus' Selbst Verständnis sich nach der Begegnung mit Christus geändert hat. Vorher ist er den Juden ein Jude gewesen, fehlerlos in Hinsicht auf die Gerechtigkeit nach dem Gesetz ( Phil 3,6 ). Danach ist er ein neuer Mensch ( 2Kor 5,17; Gal 2,20 ), der in Christus die Gerechtigkeit gefunden hat, die er suchte ( Röm 10,4; 1Kor 1,30 ). Er ist zwar noch immer Hebräer ( 2Kor 11,22; Phil 3,5 ), doch er ist nicht mehr ein Jude, der nach dem Gesetz lebt ( "obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin" ). Dennoch ist er auch jetzt bereit, sich den religiösen Skrupeln der Juden anzupassen (z. B. Apg 21,23-26 ), wenn er ihnen auf diese Weise das Evangelium nahebringen und sie für Christus gewinnen kann. Niemals aber macht er irgendwelche Kompromisse in bezug auf den Kern des Evangeliums, in dessen Mittelpunkt die Rettung durch den Glauben, nicht durch Werke ( Gal 2,16; Eph 2,8-9 ), und die Freiheit von der Gesetzlichkeit ( Gal 2,4-5 ) steht.



1Kor 9,21


Im Gegensatz zu den Juden, "die unter dem Gesetz sind" (V. 20 ), sind die Heiden ohne Gesetz . Wenn er sich bei ihnen aufhält, ist Paulus bereit, Bedenken, die in moralischer Hinsicht ohnehin überholt sind, wie z. B. das Essen von Götzenopferfleisch ( 1Kor 10,27; vgl. Apg 15,29 ), auch praktisch aufzugeben, um sie für Christus zu gewinnen. Dennoch redet Paulus, ein leidenschaftlicher Anwalt für die Freiheit ( Gal 5,1 ), an keiner Stelle dem Libertinismus das Wort (vgl. 1Kor 6,12-20 ). Er untersteht noch immer einer Autorität, wenn auch nicht der des alttestamentlichen Gesetzes. Er ist Gott (vgl. 1Kor 3,9 ) und Christus (vgl. 1Kor 4,1 ) verantwortlich, und der Heilige Geist hat ihm die Kraft gegeben, das Gesetz der Liebe, das genaue Gegenteil der Gesetzlosigkeit (vgl. Mt 24,12 ,wo die Gesetzlosigkeit die Liebe austreibt), zu erfüllen ( Röm 13,8-10; Gal 5,13-25 ). Dieses Gesetz ( Gal 6,2 ) ist die Liebe zu Gott und den Menschen ( Mk 12,30-31 ), und ihm ist Paulus gehorsam ( 1Kor 10,31-33 ).



1Kor 9,22


In seinem Verweis auf die Juden und Heiden in den vorhergehenden Versen hat Paulus erklärt, daß er freiwillig darauf verzichtet, die Freiheit, die er eigentlich hat, in Anspruch zu nehmen, wenn er auf diese Weise Ungläubigen das Evangelium nahebringen kann. Nach Ansicht mancher Exegeten bezieht sich der Ausdruck "die Schwachen" in diesem Vers auf die Ungläubigen - sowohl unter den Juden als auch unter den Heiden, und Paulus faßt hier gewissermaßen nochmals seine zuvor geäußerten Überzeugungen zusammen (vgl. Röm 5,6 ,wo "die Schwachen" ebenfalls "Ungläubige" genannt werden). Plausibler ist allerdings, daß er nur von den Schwachen in Korinth spricht (vgl. 1Kor 8,9-11; vgl. Juden, Griechen und die Gemeinde Gottes in 1Kor 10,32 ). Sein Bemühen, sie zu gewinnen, bezieht sich diesmal nicht auf die Rechtfertigung allein durch den Glauben, zu dem Judenund Heiden ( 1Kor 9,20-21 ) erst einmal bekehrt werden mußten, sondern hier geht es ihm darum, die Korinther für die Heiligung und Reife in Christus zu gewinnen (vgl. Mt 18,15 ) - und sie auf diese Weise für Gottes weiteres Wirken in ihrem Leben zu retten . (vgl. 1Kor 5,5; 8,11 ). Daher paßt er sich den Vorschriften und Bräuchen der Verschiedenen Gruppierungen (vgl. "jedermann" in 9,19 ) soweit als möglich an, und zwar je nach Situation, denn es wäre unmöglich, sowohl Juden als auch Heiden gleichzeitig zufriedenzustellen.



1Kor 9,23


Er tut dies freiwillig, um so viele Hörer wie möglich für das Evangelium zu gewinnen und so als Gottes Mitarbeiter an seinem Segen teilzuhaben ( 1Kor 3,9 ) und mit Freuden die Ernte der vielen für Christus Gewonnenen einzubringen (vgl. Joh 4,36 ).



1Kor 9,24-25


Doch Paulus' Amtsauffassung und seine Hingabe an seine Aufgabe machen es ihm nicht immer leicht. Sie erfordern dieselbe persönliche Disziplin, wie sie ein Athlet, der den Siegespreis gewinnen will, aufbringen muß (vgl. 1Kor 15,10 ). Auch Paulus hat, um zu gewinnen, bereitwillig bestimmte Privilegien aufgegeben, die ihm eigentlich zustehen. Er hat das getan, weil er sich keinen vergänglichen Kranz ( stephanon ) aus Menschenhand erhofft (in den alle zwei Jahre stattfindenden Spielen in Korinth konnte man einen Pinienkranz gewinnen), sondern den unvergänglichen , den nur Christus ihm geben kann ( 1Kor 3,13-14; 2Kor 5,10 ). Dieser Kranz wird die Vollendung des Lohnes sein ( 1Kor 9,18 ), der ihm zum Teil schon jetzt zuteil wird: die Gelegenheit, sich derer, die er gewonnen hat, vor Christus zu rühmen ( 2Kor 1,14; Phil 2,16; 1Thes 2,19 ).



1Kor 9,26-27


Paulus' Ausspruch, daß er "allen alles geworden" ist (V. 22 ), könnte man auch als ziellose Kapitulation eines Menschen ohne Prinzipien interpretieren. Er beinhaltet jedoch genau das Gegenteil! Jede Bewegung, die Paulus in diesem Wettkampf macht, ist darauf gerichtet, den Preis zu erringen (vgl. Phil 3,13-14 ). Jeder Schlag zielt ganz direkt darauf, seinen Gegner aus der Bahn zu werfen (vgl. Eph 6,12; Jak 4,7 ). Für dieses Ziel kasteit Paulus sich, achtet er sorgfältig darauf, daß sein Körper nicht die Herrschaft über ihn gewinnt (vgl. 1Kor 6,12 ), und verweigert er sich manchmal sogar die Vorrechte und Annehmlichkeiten ( 8,9 ), die ihm eigentlich zustehen, denn er kämpft für ein größeres Ziel ( 1Kor 10,33 ).

Bis jetzt hat Paulus sich in diesem Wettkampf gut geschlagen und bereits viele Mitkämpfer gewonnen (das griechische Wort für "predigen" ist kEryxas ; das Substantiv dieses Wortes bezeichnet einen Herold, der die Wettkampfteilnehmer zu einem Lauf aufrief), doch das garantiert ihm noch nicht den Sieg. Er weiß, daß auch er noch verworfen (adokimos , "disqualifiziert"; vgl. Röm 1,28; Tit 1,16 ,wo es auf die, die nicht gerettet werden, angewandt wird) werden kann. Dabei geht es allerdings nicht mehr um das Heil und auch nicht um den Preis, der zu gewinnen ist, sondern um die Ausdauer im Laufen. Wie das Leben des Bruders, der seinen unmoralischen Bedürfnissen einfach nachgegeben hat ( 1Kor 5,1-5 ), kann auch Paulus' Leben durch eine Strafmaßnahme Gottes, wenn er sein Mißfallen erregt, plötzlich beendet werden. Gott hatte so etwas in der Vergangenheit getan ( 1Kor 10,6-10 ), tat es heute ( 1Kor 11,30-32 ) und würde es auch in der Zukunft tun ( 1Kor 5,5 ). Deshalb hat Paulus Angst, daß manche eines Tages nicht mit ihm sagen werden können: "Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet" ( 2Tim 4,7 ), sondern feststellen müssen, daß Gott sie mitten aus dem Wettkampf herausgerissen hat.



1Kor 10,1


(2) Das negative Beispiel Israels ( 10,1-13 ).

Damit die Korinther sich nicht in der Sicherheit wiegen können, daß Gott ein Volk, das er so reich gesegnet hat wie sie ( 1Kor 1,5 ), wohl kaum strafen wird, führt Paulus ihnen das Beispiel eines anderen Volkes vor Augen, das ebenfalls von Gott gesegnet worden war, aber dennoch die Erfahrung machen mußte, wie bitter es ist, von ihm gestraft zu werden. Nachdem das alte Israel aus der Tyrannei in Ägypten befreit worden war und seine Freiheit wiedererlangt hatte, sah es in dieser Freiheit lediglich einen Freibrief für ein absolut hemmungsloses Verhalten. Doch Gott strafte sein Volk schwer, indem er viele Israeliten vor der Zeit sterben ließ. Alle hatten am "Lauf" teilgenommen ( 1Kor 9,24 ), doch die meisten wurden disqualifiziert ( 1Kor 9,27 ), obwohl sie ursprünglich alle dieselben guten Ausgangschancen besessen hatten. Fünf Privilegien waren es, derer sie sich hatten rühmen können. Erstens genossen alle befreiten Israeliten die übernatürliche Führung ( 2Mo 13,21 ) und den Schutz ( 2Mo 14,19-20 ) der Wolkensäule , die sie aus Ägypten herausführte. Auch die Korinther haben die Führung Gottes (vgl. Lk 1,79 ) und seinen Schutz (vgl. 1Pet 1,5 ) erlebt. Zweitens waren die Israeliten alle durchs Meer gegangen und dabei auf wunderbare Weise von ihren Verfolgern befreit worden ( 2Mo 14,21-28 ). Ebenso ist auch den Korinthern eine wunderbare Befreiung - das Heil - zuteil geworden (vgl. Hebr 2,14-15; Gal 1,4 ).



1Kor 10,2


Drittens waren alle Israeliten auf Mose getauft , d. h., sie waren mit ihrem geistlichen Führer, dem Knecht Gottes, dem ihr ganzes Vertrauen gehörte, vereint ( 2Mo 14,31; vgl. Joh 5,45 ). So sind auch die Korinther auf den Leib Christi ( 1Kor 12,13 ), dessen Haupt Christus ist ( Eph 1,22 ), auf den sie vertrauen ( Mt 12,21; Eph 1,12 ), getauft.



1Kor 10,3


Als viertes hatten sie alle dieselbe geistliche Speise gegessen , das übernatürliche Brot vom Himmel ( 2Mo 16,4.15 ). Auch die Korinther haben Brot vom Himmel erhalten (vgl. Joh 6,31-35 ).

 

1Kor 10,4


Als fünften Beleg nennt Paulus den geistlichen Trank , den Israel in der Wüste getrunken hatte ( 2Mo 17,6 ). Seiner Überzeugung nach ist Christus die Quelle dieses übernatürlichen Wassers gewesen. Aus der Tatsache, daß das Felsenwunder den Beginn des Aufenthalts Israels in der Wüste markierte ( 2Mo 17,1-7 ) und sich gegen Ende der Wanderschaft wiederholte ( 4Mo 20,1-13 ), schließt Paulus, daß Christus mit den Israeliten war. Er ist aber auch die Quelle des übernatürlichen Wassers für die Korinther (vgl. Joh 4,10-14 ).

Es ist möglich, daß Paulus diese fünf Segnungen als Erinnerung an die Riten der Taufe ( 1Kor 10,1-2 ) und des Abendmahls (V. 3-4 ) anführt, denen die Korinther möglicherweise eine Art magische Schutzwirkung zuschrieben, entsprechend mancher Riten der Mysterienreligionen. Offensichtlich hatten die Korinther eine verzerrte Sakramentsauffassung und -praxis (vgl. 11,17-34 ; 1Kor 15,29 ), die der Korrektur von seiten des Apostels bedurfte.



1Kor 10,5


All diese Privilegien schenkten den Israeliten jedoch nicht automatisch den Sieg. Im Gegenteil, die meisten von ihnen (genaugenommen die ganze Generation bis auf Josua und Kaleb) erlebten die strafende Hand Gottes und starben in der Wüste ( 4Mo 14,29 ). Angesichts dieser Erfahrungen des Volkes Israel wird die Notwendigkeit zur Selbstdisziplin, von der Paulus spricht ( 1Kor 9,27 ), überdeutlich, denn schließlich war selbst Mose disqualifiziert worden und hatte "den Kranz nicht errungen" ( 4Mo 20,12 ).

 

1Kor 10,6


Die mangelnde Selbstdisziplin der Korinther und ihr Hang zur Selbstgefälligkeit dürfen daher auf keinen Fall einfach hingenommen werden. Am Verhalten der Israeliten in der Vergangenheit wird ganz deutlich, daß die christliche Freiheit nicht zur Selbstgefälligkeit führen darf, sondern daß ihr Ziel der selbstlose Dienst am anderen ist (vgl. Gal 5,13 ).

Der fünffachen Segnung, derer sich Israel nach seiner Befreiung aus Ägypten erfreute, setzt Paulus das fünffache Versagen der Israeliten gegenüber. Er beginnt mit ihrer Sehnsucht nach den Annehmlichkeiten, die ihnen das Exil in Ägpyten Versüßt hatten, die in der weinerlichen Bitte "gib uns Fleisch zu essen" gipfelte ( 4Mo 11,4-34 ,bes. V. 13 ). Gott gab ihnen zwar, was sie wollten, doch noch während sie das Fleisch kauten, schlug er sie bereits miteiner Plage. Der Friedhof, auf dem die, die dabei ums Leben kamen, begraben wurden, erhielt den Namen "Kibroth Hattaavah" ("Lustgräber"; 4Mo 11,34 ). Die Lehre, die die Korinther aus dieser Geschichte ziehen sollen, liegt auf der Hand (vgl. 1Kor 8,13 ).



1Kor 10,7


Zum zweiten hatten viele Israeliten den Frevel begangen, Götzendienst zu treiben ( 2Mo 32,1-6 ), und diese Verirrung mit ihrem Leben bezahlt ( 2Mo 32,28.35 ). Auch manchen Korinthern liegt anscheinend an mehr als nur am Fleisch, das es bei den heidnischen Gottesdiensten zu essen gibt ( 1Kor 8,10; 1Kor 10,14 ). Denen, die glauben, daß sie als Christen ungestraft am Götzendienst teilnehmen können, will Paulus mit Beispielen wie diesem die falschen Ideen, auf die sich ihr Verhalten stützt (V. 12 ), austreiben, bevor Gott einschreitet und ihnen das Leben nimmt.



1Kor 10,8


Auch auf dem Gebiet der Sexualität hatten die Israeliten Versagt, denn sie trieben Hurerei , und zwar in Zusammenhang mit dem Götzendienst ( 4Mo 25,1-2 ), wie es auch in den heidnischen Gottesdiensten im 1. Jahrhundert häufig der Fall war. Die Korinther geben ihrer Unmoral allerdings in anderem Zusammenhang nach (vgl. 1Kor 5,1 und 1Kor 6,18 ). Wie Gott die Morallosen unter den Israeliten gestraft hatte ( 4Mo 25,4-9 ), kann er auch die Korinther strafen (z. B. 1Kor 5,5 ), eine ernüchternde Vorstellung für die Libertinisten, die verkünden: "Alles ist erlaubt" ( 1Kor 6,12; 1Kor 10,23 ).

Eine mögliche Lösung für die offensichtliche Diskrepanz in der Zahl der Toten, von der 4Mo 25,9 spricht (24 000), und der, die Paulus nennt ( dreiundzwanzigtausend ), liegt vielleicht in der Zeitangabe "an einem einzigen Tag" . Während Mose und die meisten Israeliten noch um diejenigen trauerten, die von den Richtern getötet ( 4Mo 25,5 ) oder von der anhaltenden Plage hinweggerafft worden waren, erstach Pinhas einen Israeliten, der sich eine Midianiterin zum Beischlaf geholt hatte. Er war den beiden nachgegangen und brachte sie beide mit einem einzigen Stich um, während sie zusammen im Zelt lagen ( 4Mo 25,6-8 ). Daraufhin erlosch die Plage, die Gott zur Strafe über die unmoralischen Israeliten verhängt hatte, auf der Stelle. Insgesamt waren damals etwa 24 000 Menschen gestorben.

Eine andere Erklärung wäre, daß in 4Mo 25,9 die Führer (vgl. 4Mo 25,4 ) mit zu den 24 000 gerechnet wurden.



1Kor 10,9


Der vierte Fehler der Israeliten war, daß manche von ihnen auf dem Weg nach Kanaan den Plan und das Ziel Gottes in Frage stellten. Als Folge davon wurden sie von den Schlangen umgebracht ( 4Mo 21,4-6 ). Glauben auch die Korinther, daß sie den Weg in den Himmel besser kennen als Gott (vgl. 1Kor 1,18- 1Kor 3,20 )?



1Kor 10,10


Israels fünfter Fehler, den Gott ebenfalls mit dem Tod bestrafte, war, daß sie sich gegen die von ihm erwählten Führer Mose und Aaron erhoben hatten ( 4Mo 17,6-14 ). Befürchtet Paulus eine ähnliche Situation als Folge der sich in Korinth abzeichnenden Splitterparteien (vgl. 1Kor 1,11; 4,18-19 )? Möglicherweise beinhaltete das Essen von Götzenopferfleisch tatsächlich alle fünf Fehler, die Paulus den Korinthern hier vor Augen führt.


1Kor 10,11


Gottes Umgang mit Israel ist für Paulus mehr als nur eine historische Denkwürdigkeit. Die Israeliten waren ein Vorbild (vgl. V. 6 ) und eine Warnung für die Korinther, daß der Gott, mit dem sie es zu tun haben und der sein Handeln mit ihnen am Ende der Zeiten vollenden wird, derselbe Gott ist, der die Israeliten mit dem Tod bestraft hat und auch sie strafen wird (vgl. 1Kor 11,30 ).



1Kor 10,12


Wenn die Korinther glauben, daß sie in ihrer Berufung zu Christus und zur Freiheit ungestraft sündigen können, erliegen sie einem - möglicherweise tödlichen - Irrtum.



1Kor 10,13


Nachdem er ihnen ihre falsche Sicherheit ausgetrieben hat, weist Paulus sie auf den hin, auf den sie sich uneingeschränkt verlassen können. Die Versuchungen, die sie getroffen haben,haben die Menschen schon immer, zu allen Zeiten, verführt. Man kann ihnen jedoch entgegentreten und sie ertragen, indem man sich ganz von Gott abhängig macht, der treu ist. Zum Teil ist das Problem der Korinther natürlich auch darauf zurückzuführen, daß manche von ihnen angesichts der Versuchung nicht einmal die leiseste Anstrengung unternahmen, sie auszuhalten, sondern ihr sofort nachgaben.



c. Die rechte Haltung zum Götzendienst
( 10,14-11,1 )


1Kor 10,14-15


Mit dem Wörtchen "darum" ( dioper ) leitet Paulus zu den Ausführungen über die christliche Freiheit in bezug auf das Essen von Götzenopferfleisch über. Er gibt seinen Lesern Ratschläge für drei unterschiedliche Situationen: (a) das Verzehren von Fleisch in heidnischen Tempeln (V. 14.22 ; vgl. 1Kor 8,10 ); (b) das Kaufen von Fleisch auf dem Markt ( 1Kor 10,25-26 ); (c) das Verzehren von Fleisch in Gesellschaft (V. 27-30 ). Sein erster Rat ist sehr einfach: "Flieht den Götzendienst!" (vgl. 1Kor 6,18 : "Flieht die Hurerei."). Die rhetorischen Fragen, die sich dieser Empfehlung anschließen, zielen darauf ab, die Zustimmung der Korinther, die doch Verständige Menschen sind (vgl. 1Kor 4,10 ), zu gewinnen.



1Kor 10,16-17


In diesen Versen, die vom Abendmahl handeln, vertritt Paulus dasselbe Anliegen wie zuvor in Kapitel 5,6-8 . Der gemeinsame Gottesdienst der Christen beim Abendmahl ist ein Zeichen der Einheit und Gemeinschaft ( koinOnia ) des Blutes Christi und des Leibes Christi . Der eine Laib Brot , an dem alle teilhatten, ist ein Bild ihrer Einheit als Glieder des einen Leibes Christi.



1Kor 10,18


Ebenso hatten sich die Teilnehmer eines israelitischen Gottesdienstes mit dem heiligen Opfer und miteinander identifiziert.



1Kor 10,19-21


Dasselbe gilt auch für den heidnischen Gottesdienst. Es ist zwar richtig, daß ein Götze nichts ist ( 1Kor 8,4; vgl. Ps 115,4-7 ), doch hinter dem heidnischen Gottesdienst steht letztlich immer eine dämonische Wirklichkeit. Heidnische Opfer werden den bösen Geistern und nicht Gott dargebracht. Durch seine Günstlinge verblendet der Gott dieser Welt ( 2Kor 4,4 ) die Ungläubigen und hält sie von der Wahrheit ab. Daher sollen die, die den Tempel Gottes bilden ( 1Kor 3,16; 6,19 ), die Tempel der Götzen meiden (vgl. 2Kor 6,14-18 ). Zwar überträgt sich dort keine magische Verunreinigung auf sie, doch der verderbte Charakter derer, die an einem solchen Gottesdienst teilnehmen, kann sich auch auf sie schädlich auswirken ( 1Kor 15,33 ). Teilzuhaben am Tisch der bösen Geister ist für die, die teilhaben am Tisch des Herrn , undenkbar ( 1Kor 10,21 ; vgl. V. 16 ).



1Kor 10,22


Entscheidend ist jedoch, daß ein solches Verhalten Gott mißfällt (vgl. 5Mo 32,21 ). Waren die "starken" Korinther ( 1Kor 8,7-10 ) etwa darauf aus, dieselben Strafen herauszufordern wie Israel ( 1Kor 10,7; 2Mo 32,28.35 )?



1Kor 10,23-24


Das Prinzip der Freiheit ( "alles ist erlaubt" ; vgl. 1Kor 6,12 ) muß sich der Liebe zum Nächsten unterordnen. Handlungen, die nicht zum Guten sind, nicht aufbauen oder dem andern nicht dienen (vgl. 1Kor 10,33 ), sollten unterlassen werden.



1Kor 10,25-26


Ein Christ, der auf dem Markt Fleisch kauft mit der Absicht, es zu Hause zu verzehren, darf das ohne Vorbehalte tun, da keiner verunreinigen kann, was Gott rein gemacht hat (vgl. Apg 10,15 ), und alles sein ist ( Ps 24,1 ).



1Kor 10,27-30


Auch einem Christen, der eine Einladung in das Haus eines anderen annimmt, gestattet Paulus, ohne Vorbehalte von allem, was ihm vorgesetzt wird, zu essen. Wenn jedoch ein anderer Christ ihn darauf hinweist, daß es sich um Opferfleisch handelt (vgl. 1Kor 8,7-13 ), soll der Christ, der Erkenntnis besitzt, sich den Bedenken des schwächeren Bruders fügen, denn wenn er die ihm zustehende Freiheit in Anspruch nimmt und trotzdem ißt, wird er damit möglicherweise den Bruder mitdem skrupelhaften Gewissen dazu veranlassen, seinem Beispiel zu folgen und ihn so zu etwas verleiten, was für ihn Sünde ist (vgl. Röm 14,14-23 ).

Ein Christ, der Erkenntnis besitzt, muß seine Überzeugung nicht aufgeben und sich nicht dem Gewissen des schwächeren Bruders unterwerfen ( 1Kor 10,29 b), doch er soll in Gegenwart des Schwächeren sein Verhalten diesem anpassen. Andernfalls verleitet er den Schwachen womöglich dazu, gegen sein Gewissen zu handeln und so sich selbst zu schaden (vgl. 1Kor 8,11 ), was wiederum den Stärkeren ins Unrecht setzt. Die Dinge, derer sich der Stärkere im Privaten mit Danksagung erfreuen darf, werden, wenn er sie in der Gegenwart des Schwächeren ausübt, zu einer verurteilungswürdigen Handlung ( "was soll ich mich dann wegen etwas verlästern [ blasphEmmoumai ] lassen, wofür ich danke?" ; vgl. 1Kor 8,12; Röm 14,16.22 ). Die Wiederholung von 1Kor 8,13 beschließt diesen Gedankengang.



1Kor 10,31-11,1


Die prinzipielle Aussage, in der Paulus seine Antwort auf die Frage nach dem Essen von Götzenopferfleisch zusammenfaßt, beruht auf dem Gebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Das Verhalten eines Christen soll jederzeit zu Gottes Ehre gereichen. Es soll die Kirche Gottes aufbauen, indem es anderen zum Anreiz wird, sich zum Christentum zu bekehren (V. 33 b), und die bereits Bekehrten auf dem Weg des Heils (der Rechtfertigung, Heiligung, Verherrlichung; vgl. 1Kor 1,30 ) voranbringen. Die Christen sollen ein Verhalten, das bei anderen - ob Juden (vgl. 1Kor 9,20 ), Griechen (vgl. 1Kor 9,21 ) oder der Gemeinde Gottes - Anstoß erregt (wörtlich: "sie zum Abfall verführt"; vgl. 1Kor 10,12 ), vermeiden. (Interessanterweise zeigt dieser Hinweis auf die Juden außerhalb der Kirche, daß die neutestamentliche Kirche nicht an die Stelle des Volkes Israel trat. Das ist ein schwerwiegendes Argument für die These, daß das Tausendjährige Reich noch in der Zukunft liegt.)

Am vollkommensten wird die Liebe zu Gott und zum Nächsten in Christus offenbar (vgl. Röm 15,3; Phil 2,5-8 ). Paulus, der in seinem Amt denselben Geist zeigt, fordert die Korinther auf, in Hinsicht auf das Götzenopferfleisch seinem Beispiel zu folgen. Sie sollen ihre Freiheit der Nächstenliebe unterordnen.



2. Die christliche Freiheit und der christliche Gottesdienst
( 11,2-14,40 )


Das Thema der persönlichen Freiheit, die ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer oder die Ehre Gottes ausgeübt wird (wie es beim Essen von Götzenopferfleisch der Fall war; 1Kor 8,1-11,1 ), scheint auch in diesem Abschnitt, in dem es um Praktiken in der Gemeinde geht, eine Rolle zu spielen. Auch hier tritt Paulus dem korinthischen Geist der Selbstgefälligkeit mit dem Hinweis auf das Prinzip der Verherrlichung Gottes und der gegenseitigen Erbauung in der Gemeinde entgegen.



a. Das Verhalten der Frau im Gottesdienst
( 11,2-16 )


Paulus beginnt ( 1Kor 11,2-16 ) und schließt ( 1Kor 14,34-35 ) seine Erörterung der christlichen Freiheit im Zusammenhang mit dem christlichen Gottesdienst mit Bemerkungen zum Verhalten der Frauen in der korinthischen Gemeinde. Manche Exegeten haben die Frage gestellt, ob seine Ausführungen in diesem Abschnitt sich tatsächlich auf die Versammlungen der Gemeinde beziehen oder nicht vielmehr auf außerkirchliche Anlässe, bei denen Frauen beteten oder Prophezeiungen aussprachen. Doch die Tatsache, daß Paulus an anderer Stelle seine vorliegenden Äußerungen mit der kirchlichen Praxis in Zusammenhang bringt ( 1Kor 11,16 ), legt die Vermutung nahe, daß er sich hier tatsächlich auf Gemeinde Versammlungen bezieht. Die neuerdings vorgenommenen Unterscheidungen zwischen Gottesdienst Versammlungen und anderen Versammlungen der Gemeinde scheinen stärker auf Zweckmäßigkeitsgründen als auf biblischen Belegen zu beruhen.



1Kor 11,2


Die Korinther haben Paulus gegenüber - entweder in ihrem Brief oder durch ihre offiziellen Abgesandten (vgl. 1Kor 1,11; 16,17 ) - zum Ausdruck gebracht, daß sie sich weiterhin Paulus und den Überlieferungen - den Kernpunkten des Glaubens -, die er sie gelehrt hat (vgl. 1Kor 11,23; 15,1.3 ), verpflichtet fühlen. Dafür lobt er sie hier.



1Kor 11,3


Zweifellos schätzt er den guten Willen der Gemeinde ihm gegenüber. Doch viel wichtiger ist ihm, daß ihr Verhalten der christlichen Berufung entspricht. Gewissermaßen als Vorspiel zu der folgenden Ermahnung legt Paulus den Korinthern, wie er es in den meisten Fällen zu tun pflegte, zunächst die theologischen Grundlagen seiner Anweisungen dar. In diesem Fall geht es um das Problem der Leitung der Gemeinde. Das Wort "Haupt" ( kephalE ) scheint dabei zwei Dinge zu bezeichnen: Subordination und Ursprung. Die erstere - und geläufigere - Bedeutung spiegelt den Gebrauch dieses Begriffs im Alten Testament wider ( Ri 10,18 ), die letztere entspricht eher dem griechischen Sprachgebrauch (z. B. Herodot, Geschichte 4. 91). In diesem Abschnitt ist sicherlich der erste Wortsinn vorherrschend, doch auch der letztere wird angesprochen ( 1Kor 11,8 ). Von der Unterordnung Christi unter Gott - die auch in seinem Auftrag, in dem er zum "Werkzeug" der Schöpfung wurde ( 1Kor 8,6; vgl. Kol 1,15-20 ), zutage trat - ist in diesem Brief noch mehrmals die Rede ( 1Kor 3,23; 1Kor 15,28 ).



1Kor 11,4


Wenn ein Mann öffentlich laut betet oder prophetisch redet und eine Offenbarung Gottes kundtut (vgl. 1Kor 12, 10 ), soll er sein Haupt unbedeckt lassen, um nicht sich selbst und sein geistliches Haupt , Christus, zu entehren (V. 3 ).



1Kor 11,5-6


Wenn es auch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, deuten doch viele Belege darauf hin, daß sowohl in der jüdischen (Mishnah, Ketuboth 7. 6; babylonischer Talmud, Ketuboth 72 a - b) als auch in der gräco-romanischen Kultur des 1. Jahrhunderts (Plutarch, Moralia 3.232 c; 4. 267 b; Apuleius, Der goldene Esel 11. 10) die Frau in der Öffentlichkeit ihr Haupt bedeckt tragen mußte. Die Art und Weise, wie diese Forderung erfüllt wurde (Ovid, Liebeskunst 3:135-65), war zwar sehr unterschiedlich, doch gewöhnlich scheint ein Teil des Übergewands wie eine Kapuze über den Kopf gezogen worden zu sein.

Es hat den Anschein, daß die korinthische Parole "alles ist erlaubt" auch in den Gemeinde Versammlungen dominierte. Offensichtlich hatten sich auch die Korintherinnen dieses Prinzip zu eigen gemacht und die sie als Frauen kennzeichnenden Kopfbedeckungen abgelegt. Wichtiger ist jedoch, daß sie offenbar auch gegen ihre untergeordnete Stellung innerhalb der Gemeinde (und vielleicht auch in der Gesellschaft) und damit gegen jedes kulturelle Symbol (z. B. die Kopfbedeckung), in dem sich diese Unterordnung äußerte, aufbegehrten. Nach Paulus ist die Ablegung der Kopfbedeckung jedoch nicht etwa ein Ausdruck der Befreiung, sondern eine Herabwürdigung ihrer selbst. Ebensogut könnten sie sich die Haare scheren - damals ein Zeichen der Schande (Aristophanes, Thesmophoriazysae 837) -, denn mit ihrem unbedeckten Kopf entehren sie sich selbst und ihr geistliches Oberhaupt, den Mann.



1Kor 11,7-9


Der Mann dagegen soll sein Haupt nicht bedeckt tragen, denn er ist Gottes Bild und Abglanz . Paulus begründet seine Entscheidung mit 1Mo 1,26-27 .Der Abglanz und das Bild einer Frau (bzw. Ehefrau) ergänzt das des Mannes (V. 9 ), doch sie leitet sich nicht von Gott, sondern vom Mann (ihrem Ehemann) ab ( 1Kor 11,8 ). Der Mann ist also der bevollmächtigte Vertreter Gottes, der in der Frau einen ihm von Gott geschenkten Bundesgenossen findet ( 1Mo 2,18-24 ). In diesem Sinn ist eine Frau des Mannes - ihres Ehemannes - Abglanz. Wenn eine verheiratete Frau diese Rolle preisgibt, gibt sie auch ihren Abglanz preis,und für Paulus ist das unbedeckte Haupt einer Frau der symbolische Ausdruck einer solchen Verweigerung.



1Kor 11,10


Doch der Apostel nennt noch einen dritten Grund (der erste war die göttliche Ordnung - Gott, Christus, Mann, Frau, V. 3-6 ; der zweite die Schöpfung, V. 7-9 ), warum eine Frau sich in der Gemeinde unterordnen soll: Die Gemeinde wird von Engeln beobachtet ( 1Kor 4,9; Eph 3,10; 1Tim 5,21; vgl. Ps 103,20-21 ). Wenn eine Frau ihre Freiheit also so Versteht, daß sie in der Gemeinde ihren Kopf nicht mehr bedecken muß, d. h., wenn sie das Zeichen ihrer Macht (exousia , ein Freiheitsbegriff, vgl. 1Kor 7,37; 8,9; 9,4-6.12.18 ) ablegt, so bedeutet das, die Weisheit Gottes ( Eph 3,10 ) in Mißkredit zu bringen.

Es sind noch andere (allerdings weniger glaubhafte) Erklärungen für die Wendung "um der Engel willen" vorgeschlagen worden: (a) böse Geister gelüstet nach den Frauen in der korinthischen Gemeinde; (b) Engel sind Botschafter, d. h. Hirten; (c) gute Engel lernen von den Frauen; (d) gute Engel sind ein Vorbild der Unterordnung; (e) gute Engel werden durch die Insubordination der Frauen in Versuchung geführt.



1Kor 11,11-12


Nur Männer und Frauen gemeinsam, in wechselseitigem Aufeinanderbezogensein und einander ergänzend, machen Gott Ehre (vgl. 10,31 ). Keiner soll vom anderen unabhängig sein oder sich ihm überlegen fühlen. Die Unterordnung der Frau ist dabei keinesfalls gleichbedeutend mit Minderwertigkeit, der Mann ist der Frau nicht überlegen. Eva stammte von Adam ab, und jeder in der Welt geborene Mensch kommt aus einer Frau ( 1Kor 11,12 ). Gott schuf sie beide füreinander ( 1Mo 1,27; 1Mo 2,18 ).


1Kor 11,13-15


Paulus hat seine Forderung, daß die Frau ihre Kopfbedeckung als Zeichen ihrer Unterordnung weiterhin tragen soll, mit Argumenten begründet, die sich auf eine besondere Offenbarung stützen. Nun führt er aus der natürlichen Offenbarung (vgl. Röm 1,20 ) ein viertes Argument für seine Haltung an. Alle damaligen Gesellschaften nahmen auf die eine oder andere Art Unterscheidungen zwischen den Geschlechtern vor, z. B. in der Länge des Haupthaars. Ausnahmen dieser allgemeinen Praxis gingen entweder auf Zwang (z. B. Apuleius, Der goldene Esel , 7. 6, "um in Verkleidung zu entfliehen") oder auf Per Versionen (Diogenes, Leben des Laertius 6. 65) zurück. Dabei war nicht die Länge des Haars entscheidend, sondern nur die Tatsache, daß ein Unterschied zwischen Männern und Frauen zu erkennen war. Die Spartaner z. B. trugen ihr Haar schulterlang (vgl. Lucian, Die Entflohenen , 27) und banden es in der Schlacht hoch (Herodot, Geschichte 7. 208 - 9); dennoch kam keiner auf den Gedanken, sie für verweiblicht zu halten.

Nach Paulus gereicht einer Frau langes Haar zur Ehre , weil es ein sichtbares Zeichen des Unterschieds zwischen den Geschlechtern ist. Darum sagt er, daß es ihr als Schleier gegeben ist. Das Empfinden der Zeit bestätigt, daß es für eine Frau schicklich ist, ihren Kopf bedeckt zu halten (vgl. Cicero, De officiis 1. 28. 100). Sie hat von der Natur eine Kopfbedeckung erhalten und soll daher auch dem Brauch folgen, in den öffentlichen Versammlungen ihr Haupt zu bedecken.

Manche Bibelforscher wenden allerdings ein, daß das griechische " anti ", hier mit "aber" (d. h. "denn") wiedergegeben, besser gemäß seiner eigentlichen Bedeutung mit "statt dessen" übersetzt werden sollte. Ihrer Ansicht nach hatte das Haar einer Frau selbst die Funktion einer Kopfbedeckung und ersetzte den Schleier. Frauen sollten beim Beten das Haar also lang und nicht kurz tragen. Das erklärt jedoch nicht, warum in 1Kor 11,5-6 vom Ablegen bzw. Beibehalten der Kopfbedeckung die Rede ist.



1Kor 11,16


Paulus' fünftes Argument für die Beibehaltung des status quo in bezug auf die Kopfbedeckung der Frauen gründet sich auf den Brauch in der Kirche Gottes überhaupt. Er Versucht also nicht etwa, den Korinthern ein neuesVerhalten aufzuoktroyieren, sondern will nur, daß sie ihren arroganten Abweichungen von der Regel, denen sie sich unter dem Decknamen der Freiheit ergeben, ein Ende machen. Wie im Fall des Götzenopferfleisches ( 1Kor 8,1- 1Kor 11,1 ) spricht Paulus hier zwar das unmittelbare Problem an, legt jedoch gleichzeitig seinen Finger an dessen Wurzel, den Egozentrismus der Korinther, der es ihnen unmöglich macht, sich den Bedürfnissen anderer (vgl. 1Kor 10,24 ) oder der Ehre Gottes ( 1Kor 10,31 ) unterzuordnen. Das Ablegen der Kopfbedeckung war eine solche verweigerte Unterordnung, die Gott Schande machte.

Ob die Frauen auch heute noch in den Gottesdiensten Kopfbedeckungen tragen sollen, hängt davon ab, ob dieser Brauch aus dem ersten Jahrhundert für alle Zeiten gedacht war. Viele Bibelforscher sind der Ansicht, daß es in diesem Abschnitt nicht um die Kopfbedeckung der Frau, sondern um ihre Unterordnung ging. Heutzutage scheint das Tragen eines Hutes jedoch nichts mehr mit der Bedeutung dieses Brauchs aus dem 1. Jahrhundert zu tun zu haben, denn der Hut ist nur noch ein modisches Attribut.



b. Das Verhalten der Christen beim Abendmahl
( 11,17-34 )


Als Jesus mit seinen Jüngern zusammen das Abendmahl feierte ( Mt 26,26-29; Mk 14,22-25; Lk 22,15-20 ), waren Brot und Wein Teil des Mahls, wobei das Brot wahrscheinlich zu Beginn gebrochen (vgl. "dankte"; 1Kor 11,24 ) und der Wein gegen Ende des Mahls getrunken (vgl. "nach dem Mahl"; V. 25 ) wurde. Zu der Zeit, in der Paulus an die Gemeinde in Korinth schrieb, wurde das Abendmahl dagegen in zwei Teilen gefeiert, wobei das Brotbrechen und das Herumreichen des Weinkelchs - die sogenannte Eucharistie (vom griechischen eucharisteO , "danksagen"; Didache 9.1; Ignatius, Brief an die Philadelphier 4) - am Ende eines Gemeinschaftsmahles standen. Die gemeinsame Mahlzeit selbst wurde als " AgapE "-Mahl bezeichnet ( Jud 1,12; Plinius, Briefe 10. 96. 7; griechisch "Liebe").

Was Paulus an der Feier der Korinther stört, ist, daß das AgapE -Mahl bei ihnen nicht unter dem Zeichen der Nächstenliebe, sondern unter dem ihrer egoistischen Selbstgefälligkeit steht. In der Folgezeit wurden diese beiden Feiern dann voneinander getrennt (Ignatius, Briefe an die Smyrner 8; 1-2; und [apokryph] Apostelgeschichte des Johannes 84), möglicherweise unter der irrigen Annahme, daß Paulus den Korinthern zu dieser Praxis geraten habe (vgl. 1Kor 11,22.34 ).



1Kor 11,17


Wie in den vorangehenden Erörterungen über die Anmaßung der Frauen im Gottesdienst kann Paulus die Korinther auch in bezug auf ihre Abendmahlspraxis nicht loben (vgl. dagegen V. 2 ). Sie haben ein Erlebnis, das dazu gedacht ist, die Gemeinde aufzubauen, in sein Gegenteil verkehrt: "Ihr kommt nicht zu eurem Nutzen, sondern zu eurem Schaden zusammen."



1Kor 11,18-19


Die Gemeinde ist bei einer Feier, die ein Ausdruck ihrer Einheit sein sollte, geteilt (vgl. 1Kor 10,17 ). Wenn man diese Spaltungen ( schismata ; 1Kor 1,10; 1Kor 12,25 ) mit den früher erwähnten vergleicht ( 1Kor 1,10-4,21 ), so fällt vor allem ein Faktor auf, der offensichtlich eine wichtige Rolle spielt: die unterschiedlichen sozialen Schichten in der Gemeinde ( 1Kor 11,21 ).

Paulus möchte den Berichten über die Spaltungen in der korinthischen Gemeinde zwar keinen Glauben schenken (V. 18 b), doch er weiß, daß die Möglichkeit zu sündigen immer besteht (vgl. Lk 17,1 ) und daß Gott eine Sünde nicht ungeahndet läßt. Der Begriff "rechtschaffen" ( dokimoi ) bezieht sich auf einen Punkt, den Paulus bereits erörtert hat ( 1Kor 9,27-10,10 ) und dem er an anderer Stelle den Begriff "verwerflich" ( adokimos ) gegenüberstellte ( 1Kor 9,27 ).

Aus dem ganzen Volk Israel fanden, nachdem es aus der ägyptischen Knechtschaft befreit und auf dem Wegin das verheißene Land Kanaan war, nur zwei Menschen Gottes Billigung und durften das Land auch betreten (vgl. 1Kor 10,5 ). So ist auch Gottes strafendes Handeln an Verschiedenen Mitgliedern der korinthischen Gemeinde ein Hinweis auf ihr falsches Verhalten (vgl. 1Kor 11,30-32 ). Wenn die Korinther tatsächlich glaubten, daß die Riten des Abendmahls und der Taufe auf irgendeine geheimnisvolle Weise eine magische Schutzwirkung für ihre Teilnehmer implizierten (vgl. 1Kor 10,12;15,24 ), müssen Paulus' Enthüllungen doppelt schmerzlich für sie gewesen sein, da er ihr Verhalten bei diesen Riten ganz direkt mit ihrer Züchtigung ( 1Kor 11,30-32 ) - die sie doch gerade zu vermeiden suchten - in Zusammenhang bringt.



1Kor 11,20-21


Das Abendmahl soll eigentlich der Erinnerung an eine von äußerster Selbstlosigkeit getragene Handlung, den Tod Christi für die Menschen, dienen. Die Korinther aber haben diese Erinnerung in ein Zeichen ihrer grenzenlosen Selbstsucht und damit das Symbol der Einheit in einen Anlaß für Uneinigkeit verkehrt. Während der eine Bruder hungrig bleibt, weil er nicht das Geld besitzt, um gut zu essen, trinkt ein anderer im Übermaß.



1Kor 11,22


Paulus gesteht den wohlhabenderen Gemeindegliedern zu, in ihren Häusern private Feste zu veranstalten. In der Versammlung der Gemeinde aber - und insbesondere beim Abendmahl, das doch gerade den entgegengesetzten Gedanken wachhalten soll - ist ihre elitäre Haltung völlig unangebracht. Die Bedürfnisse eines weniger begünstigten Bruders so kaltherzig zu übersehen, heißt, die Gemeinde Gottes zu verachten, die schließlich nicht aus leblosen Steinen, sondern aus lebendigen Menschen besteht, die schwer gekränkt werden können. Glaubten die Korinther etwa, ihr Libertinismus sei ein Anlaß zum Lob (vgl. 1Kor 5,1-2 )? Ganz im Gegenteil!

 

1Kor 11,23-24


Abermals erinnert Paulus sie an das, was sie zwar wissen, was jedoch in ihren Handlungen nicht zum Ausdruck kommt. Ob ihm diese Lehre nun direkt (durch eine Vision; vgl. Gal 1,12 ) oder indirekt (von einem Menschen; 1Kor 15,1 ) zuteil wurde, sie besitzt jedenfalls die Vollmacht des Herrn. Das Brot symbolisiert den fleischgewordenen Leib Christi, den er aus Selbstlosigkeit angenommen ( Phil 2,6-7 ) und am Kreuz zum Wohl der Menschheit selbstlos dahingegeben hat ( 2Kor 8,9; Phil 2,8 ), wie die Christen sich immer wieder verdeutlichen sollten (vgl. 1Kor 4,8-13 ).



1Kor 11,25


Der Wein ist ein Symbol für Christi Blut , ohne das es keine Vergebung der Sünden gibt ( Hebr 9,22 ) und durch das die Reinigung vollbracht und der neue Bund mit Gott etabliert wurde ( Hebr 9,14-15 ). Der Begriff "Bund" steht für eine Beziehung, in der eine Seite Forderungen stellt, die die andere annehmen oder zurückweisen kann. Im Mittelpunkt des alten Bundes stand das geschriebene ( 2Mo 24,1-8 ), im Mittelpunkt des neuen steht das lebendige Wort ( Joh 1,14-18 ). Christus setzte den Kelch als stellvertretende (vgl. Joh 10,9; 1Kor 10,4 ) Erinnerung an seine Person ein: "Das tut ... zu meinem Gedächtnis."



1Kor 11,26


Das Abendmahl ist sozusagen eine sichtbare Predigt, denn mit ihm verkündigt die Gemeinde "das Wort vom Kreuz" ( 1Kor 1,18.23; 2,2.8 ), d. h. den Tod des Herrn , und die Gewißheit seiner Rückkehr ( "bis er kommt" ; vgl. Joh 14,1-4 ). Obwohl es damals offensichtlich noch keinen vorgeschriebenen Ablauf für die Begehung dieses Mahles gab (vgl. Ignatius, Brief an die Epheser 13. 1), so wirkte doch die Botschaft von der Erniedrigung und der darauffolgenden Erhöhung des Herrn ( Phil 2,6-11 ) fort, sooft das Abendmahl gefeiert wurde. Eine solche Erinnerung haben alle Heiligen nötig, besonders aber die Korinther (vgl. 1Kor 4,8-13 ).



1Kor 11,27-29


Das schäbige Verhalten der Korinther beim Gemeinschaftsmahl blieb nicht ohne Wirkung, wie Paulus in der Folge klarstellt. Heutzutage dient dieser Abschnitt, wenn er vor der Teilnahme am Abendmahl vorgelesen wird, der Selbstprüfung unddem stillen Bekenntnis vor Christus, damit niemand durch Mißachtung gegen die geistliche Anwesenheit des Herrn sündigt. Paulus hatte allerdings wohl konkretere Dinge im Auge. Zweifellos dachte er dabei an sein Erlebnis auf der Straße nach Damaskus ( Apg 9,4-5 ), denn der Leib Christi ist die Kirche, die sich aus Einzelpersonen zusammensetzt (vgl. 1Kor 12,12.27 ). Auch die Gemeinschaft im Brechen des Brotes ist ein Bild für den Leib Christi, die Kirche ( 1Kor 5,7; 1Kor 10,16-17 ). Gegen einen anderen Gläubigen zu sündigen bedeutet daher, gegen Christus zu sündigen ( 1Kor 8,12 ). Schuldig ... am Leib und Blut des Herrn aber werden die, die einen ärmeren Glaubensbruder verachten, indem sie sich rücksichtslos über seine Bedürfnisse hinwegsetzen ( 1Kor 11,21-22 ). Sie kommen zusammen, um des Werkes Christi für die Einheit und Versöhnung zu gedenken (vgl. Eph 2,15-16 ), und sorgen gleichzeitig durch ihr Verhalten für Uneinheit und Entfremdung innerhalb der Gemeinde! Wenn sie sich selbst prüfen ( dokimazetO ; 1Kor 11,28 ) würden, würden sie feststellen, daß sie sich durch dieses Verhalten als Rechtschaffene ( dokimoi ; V. 19 ) disqualifizieren. Sie sollen den Bruder, dem sie Unrecht getan haben, aufsuchen und ihn um Verzeihung bitten. Nur dann kann der wahre Geist der Anbetung herrschen (vgl. Mt 5,23-24 und Didache 14. 1-3). Wer am Abendmahl teilnimmt, ohne seine Sünden zu bekennen, zieht dagegen das Gericht ( krima ) auf sich. Nur wer die Einheit des Leibes des Herrn anerkennt ( diakrinOn , "richtig urteilen") und sich dementsprechend verhält, kann dem Gericht entgehen.



1Kor 11,30-32


Wie sich dieses Gericht äußert, erklärt Paulus als nächstes: in Krankheit und Tod (vgl. 1Kor 10,1-11 ). Die Rettung besteht in Selbsterforschung ( diekrinomen ; 1Kor 11,31; vgl. V. 28-29 ; 1Kor 5,1-5; 10,12 ), Selbstdisziplin ( 1Kor 9,27 ) und im Aufbau der Gemeinschaft. Wenn sie jedoch ihr bisheriges Verhalten beibehalten, fallen sie der Strafe Gottes anheim ( krinomenoi ; 1Kor 11,32 ) - einer Strafe, die zwar nicht den Verlust des Heils, wohl aber den Verlust des Lebens bedeutet (vgl. 1Kor 5,5 ).



1Kor 11,33-34


Wenn die Gläubigen Selbstdisziplin besäßen, würden sie beim Liebesmahl warten, bis alle anwesend sind, und dann ihr Essen teilen (vgl. V. 22 ). Wer zu hungrig ist, um so lange zu warten, soll zuvor daheim etwas essen. Das Abendmahl jedenfalls darf kein Anlaß zur Selbstdarstellung sein, sondern soll der gegenseitigen Erbauung dienen (V. 26 ). Wenn sie diesen Gedanken nicht beherzigen, so werden die Strafen Gottes, unter denen die Gemeinde bereits jetzt leidet, nicht aufhören. Andere Dinge - anscheinend weniger schwerwiegende Irrtümer im Zusammenhang mit dem Abendmahl - will Paulus ordnen , sobald er nach Korinth kommt ( 1Kor 16,5-9 ).



c. Der Stellenwert der Geistesgaben
( 1Kor 12-14 )


Ebenfalls in Zusammenhang mit den Verstößen im Gottesdienst in der korinthischen Gemeinde steht eine Frage über das Wesen der Geistesgaben und ihrer Ausübung in der öffentlichen Versammlung. Auch dieses Problem sieht Paulus unter dem Aspekt der christlichen Freiheit, die er dem Prinzip der Liebe untergeordnet hat (ab 1Kor 8,1 ). Wie nötig die Korinther es haben, sich wieder an die Liebe zu erinnern, liegt auf der Hand. Ihre selbstgefällige Haltung, die sich in anderen Bereichen verderblich auf das Prinzip der Freiheit auswirkt, zeigt sich auch auf dem Gebiet der Geistesgaben und führt zu Arroganz, Uneinigkeit ( 1Kor 12,7.25; 14,4 ) und chaotischen Zuständen innerhalb der Gemeinde ( 1Kor 14,23.33.40 ).

Paulus geht das Problem an, indem er zunächst das Wesen und den Zweck der Gaben des Geistes beschreibt ( 12,1-30 ), dann auf die überragende Bedeutung der Liebe ( 1Kor 12,31-13,13 ) eingeht und schließlich die Ausübung der Geistesgaben von der Nächstenliebe abhängig macht ( 1Kor 14 ). Wie in anderen Bereichen sollen die Gläubigen auch bei der Ausübung ihrer Gaben in der Gemeinde die Ehre Gottes und das Wohl der anderen über ihre eigene Befriedigung stellen.

(1) Einheit und Verschiedenheit der Gaben ( 1Kor 12,1-31 a)



1Kor 12,1-3


Für das Verständnis von 1Kor 12,3- ein Vers, für den viele Erklärungen angeboten wurden (die meisten Exegeten ignorieren das Problem allerdings einfach) - ist vorauszuschicken, daß Paulus, bevor er mit der Erörterung der Gaben des Geistes beginnt, es für nötig hält, gleich zu Anfang jedem, der sich seinen Worten eventuell widersetzen könnte (vgl. 1Kor 14,37 ), entgegenzutreten.

Paulus war offensichtlich der Ansicht, daß manche der Probleme in Korinth nicht ausschließlich auf die weltliche Einstellung der Gemeindemitglieder zurückzuführen waren ( 1Kor 3,3 ), sondern auf das Konto falscher Lehrer gingen, die sich die geistliche Unreife der Gemeinde zunutze machten und ihre Schwierigkeiten dadurch noch vergrößerten. Die Herkunft aus dem Heidentum der meisten Mitglieder der korinthischen Gemeinde (vgl. 1Kor 8,10; 1Kor 10,14.20-21 ) erschwerte es ihnen, die falschen Propheten zu erkennen, denn als sie Heiden waren, zog es sie mit Macht zu den stummen Götzen ( 1Kor 12,2 ), leblosen Bildern, die in diesen Dingen jedoch mit Sicherheit keine Hilfe bringen konnten! (Bei all ihrem Prahlen mit ihrer angeblichen Erkenntnis waren die Korinther ungewöhnlich leichtgläubig; vgl. 2Kor 11,1-21; bes. 1Kor 11,19 - 20 .)

Paulus gibt ihnen deshalb ein ganz einfaches Kriterium, das an der Person Christi festgemacht ist, an die Hand. Die falschen Lehrer behaupten offensichtlich, daß ihre Visionen, Offenbarungen und Botschaften (vgl. 2Kor 12,1 ) von Gott kommen, leugnen anscheinend jedoch die menschliche Natur Christi (vgl. die Tatsache, daß sie ihn verfluchen ). Dies mag mit zu der A Version der Korinther gegenüber Paulus' "Wort vom Kreuz" beigetragen haben ( 1Kor 1,10-4,13 ). Für unsere heutigen Ohren klingt es überraschend, daß die ersten christologischen Häretiker (die Anhänger des Doketismus) das Menschsein Christi, nicht etwa seine Gottheit, leugneten. Mit demselben Problem hatte sich Jahre später der Evangelist Johannes auseinanderzusetzen ( 1Joh 4,1-3 ).

Der Jesus, der gelitten hat, ist aber auch der Jesus, der als Herr regiert und den Paulus verkündigt ( 1Kor 1,1 ); ihm sollen die Christen gehorchen. Nur die Gläubigen, die durch den Heiligen Geist sprechen, können Jesus als Herrn anerkennen. Die Ungläubigen - darunter auch die falschen Lehrer - leugnen seine Herrschaft. Doch jeder, der Versucht, Jesu Vollmacht und sein Wort zu bestreiten, wird die Folgen tragen müssen ( 1Kor 14,38; 1Kor 16,22 ).



1Kor 12,4-6


In Vers 3 hat Paulus von den drei Personen der Gottheit, Gott, Jesus und dem Heiligen Geist, gesprochen. Nun hebt er in umgekehrter Reihenfolge die Einheit der Gottheit angesichts der Verschiedenen Geistesgaben hervor. Der Heilige Geist verteilt unterschiedliche Gaben (vgl. "Geist" in V. 7-9.11 ), so daß der einzelne dem Herrn und seinem Leib, der Kirche, auf Verschiedene Weise dienen kann (vgl. V. 7.27 ); alle Gaben aber kommen von Gott und unterstehen ihm (vgl. V. 18.24 ). Obwohl es Verschiedene ( diaireseis ) Gaben ... Ämter und Kräfte gibt, ist es doch ein Geist, ein Herr (Christus) und ein Gott , von dem sie stammen.



1Kor 12,7-10


Die Gaben kommen alle aus einer Quelle (V. 4-6 ) und dienen daher auch einem Zweck, und zwar nicht der persönlichen Bereicherung (vgl. 1Kor 14,4; 1Pet 4,10 ), sondern dem Nutzen aller , dem Wohl des ganzen Leibes Christi, dem Aufbau der Gemeinde ( 1Kor 10,24; 14,12 ). Paulus nennt hier einige dieser Gaben; weitere finden sich in Röm 12,6 - 8; 1Kor 12,28-31; Eph 4,11 und 1Pet 4,10-11 .

Auf neun Gaben geht der Apostel näher ein. (1) Weisheit bezieht sich auf die Einsicht in die wahre Lehre und (2) Erkenntnis auf die Fähigkeit, diese Lehre im Leben umzusetzen. Beide Gaben übt Paulus selbst in seinem Brief aus und schreibt über sie (z. B. 1Kor 2,6; 11,3; 12,1-3 ). (Vgl. die Wiederholung der Wendung "wißt ihr nicht" in 1Kor 3,16; 5,6; 6,2-3.9.15-16.19; 9,13.24; vgl. auch 1Kor 8,1-3.10-11 .) (3) Der Glaube äußert sich wahrscheinlich als ein tiefes Vertrauen in Gott, das über das hinausgeht, was die meisten Christen zeigen (z. B. 1Kor 13,2 ). (4) Mit "Heilen" wird die Fähigkeit bezeichnet, einen Menschen gesund zu machen (z. B. Apg 3,7; 19,12 ) und sogar vom Tode aufzuerwecken ( Apg 9,40; 20,9-10 ). (5) Wunder ... tun bezieht sich möglicherweise auf das Austreiben von Dämonen ( Apg 19,12 ), das Auferlegen physischer Behinderungen ( Apg 13,11 ) oder sogar das Töten eines Menschen ( Apg 5,5.9-10 ). (6) Prophetische Rede ist die Fähigkeit, eine Botschaft Gottes an sein Volk zu übermitteln wie einst die alttestamentlichen Propheten ( 1Kor 14,3 ). (7) Die Gabe, die Geister zu unterscheiden , besteht darin, das Wort Gottes, das ein wahrer Prophet verkündet, von dem, was aus dem Munde eines vom Teufel gesandten Betrügers kommt, zu unterscheiden (vgl. 2Kor 11,14-15; 1Joh 4,1 ). Wenn die Korinther diese Gabe tatsächlich besaßen (vgl. 1Kor 1,7 ), so wandten sie sie auf keinen Fall zu ihrem Vorteil an (vgl. 1Kor 12,1-3 ). (8) Mit dem Begriff der Zungenrede wird die Fähigkeit umschrieben, eine lebende Sprache, die man nie gelernt hat, zu sprechen (z. B. Apg 2,11 ,im Zusammenhang mit dem Zungenreden), während (9) die Auslegung die Deutung solcher Sprachäußerungen meint ( 1Kor 14,27 ).

Bis auf den Glauben scheinen alle diese Gaben nur in der Anfangszeit der Kirche (vgl. Hebr 2,4; Eph 2,20 ), als Bestätigung der christlichen Lehre, verliehen und daher zeitlich begrenzt gewesen zu sein.



1Kor 12,11


Der einzelne kann sich unter den Verschiedenen Gaben nicht einfach eine aussuchen oder auch erbitten; der Heilige Geist teilt sie einem jeden ... zu, wie er will . Sechsmal ist in Vers 7-11 vom "Geist" die Rede.



1Kor 12,12


Dieser Vers enthält eine ausgezeichnete dreiteilige Zusammenfassung der restlichen Verse von Kapitel 12 . (a) Der menschliche Leib ist einer (zur Einheit des Leibes Christi vgl. V. 13 ). (b) Er hat viele Glieder , die zwangsläufig Verschieden sind (vgl. V. 14.20 ). (c) Alle seine Teile bilden zusammen einen Leib und wirken in wechselseitiger Abhängigkeit, wobei jeder Teil eine ganz bestimmte Funktion erfüllt (vgl. V. 21-26 ). Ebenso besitzt auch der Leib Christi Verschiedene Teile, die zusammenwirken (V. 27-30 ).



1Kor 12,13


Der, der die Verschiedenen Gaben verleiht, der Geist, ist auch das Medium, in dem, durch das und mit dem (Verschiedene Übersetzungen der griechischen Präposition en ; vgl. Mt 3,11 ) die Einheit zustandekommt. Alle Gläubigen werden im Augenblick der Rettung mit der Taufe des Geistes getauft (vgl. Röm 8,9 ) und dabei, ungeachtet ihrer Nationalität ( "wir seien Juden oder Griechen" ) oder ihrer Stellung ( "Sklaven oder Freie" ), Christus gleich ( "zu einem Leib getauft" ); danach nimmt der Heilige Geist in ihnen Wohnung ( "mit einem Geist getränkt" ; vgl. Joh 4,14; 7,38-39 ).



1Kor 12,14-20


Wenn ein Körper leben soll, braucht er Verschiedene Glieder (V. 19 ). Daher soll kein Glaubender sich selbst oder seine Gabe für minderwertig halten und sich die Gabe eines anderen Gliedes wünschen. Die Gaben werden nicht nach dem Zufallsprinzip verteilt (vgl. V. 11 ), sondern sorgfältig eingesetzt , gemäß dem vollkommenen Willen Gottes (V. 18 ).



1Kor 12,21-26


Zwischen den Verschiedenen Körperteilen besteht eine wechselseitige Abhängigkeit. Wer scheinbar eine größere Gabe besitzt, soll also nicht glauben, daß er allein leben kann, denn ein Körperglied, das vom Körper abgetrennt wird, geht zugrunde. Noch wichtiger ist jedoch, daß einem Glied, das eine geringere Gabe zu haben scheint, von den anderen Gliedern des Leibes umso größere Aufmerksamkeit gewidmet wird (vgl. 1Kor 14,1-5 ), so wie auch die Teile des Körpers, die man für weniger vorzeigbar hält, mit größerer Sorgfalt gekleidet werden ( 1Kor 12,22-24 ). Möglicherweise bildet der Abschnitt über die schwächsten (V. 22 ; vgl. 1Kor 8,7-13 ) und am wenigsten ehrbaren Glieder ( 1Kor 12,23; vgl. 1Kor 11,22 ), die daher besonderer Pflege und Beachtung bedürfen, einen Rückgriff auf einen früheren Gedankengang, der so mit dem jetzigen verknüpft wird. Es gehört zum Plan Gottes ( "Gott hat den Leib zusammengefügt" ), daß die Glieder des geistlichen Leibes wechselseitig Sorge für das Wohlergehen der anderen tragen ( 1Kor 12,25 b- 26 ; 1Kor 10,24.33 ), so daß keine Rivalität entsteht ( "damit im Leib keine Spaltung sei" ; 1Kor 1,10; 11,18 ) und sie tatsächlich in Einigkeit miteinander leben ( 1Kor 12,26 ).



1Kor 12,27-31 a


Der einigende Teil im geistlichen Leib ist Christus . Als das Haupt ( Eph 1,22; vgl. 1Kor 11,3 ) beherrscht er den Leib und gibt seinem Willen in souveräner Weise Ausdruck. Sein Gebot lautet, daß unter allen Gliedern Liebe herrschen soll ( Joh 15,12 ). Die Liebe ist die Kraft, die die Einheit in der Verschiedenheit aufrechterhalten kann - ein Gedanke, dem Paulus sich kurz darauf zuwendet ( 1Kor 12,31 b - 1Kor 13,13 ).

Zunächst betont er jedoch zum dritten Mal (vgl. 1Kor 12,18.24.28 ), daß die Gaben des Geistes von Gott, nicht von Menschen, verliehen werden. In der erneuten Aufzählung (manche Punkte wurden bereits in V. 7-10 erwähnt, manche sind neu; vgl. auch andere Textstellen, an denen von Geistesgaben die Rede ist, z. B. Röm 12,6-8; Eph 4,11; 1Pet 4,10-11- nur die Gabe der Lehre taucht in jeder Liste auf; es existiert also wohl kein vollständiger Katalog) spricht er von den Gliedern, von den mit Geistesgaben begnadeten Menschen.

Die Tatsache, daß Paulus die drei erstgenannten Gaben mit Ordnungszahlen Versieht ( "erstens ... zweitens ... drittens" ), legt die Annahme nahe, daß sie für die Korinther eine weniger wichtige Rolle spielen (vgl. 1Kor 12,21-24 ). Die Apostel, Propheten und Lehrer stehen vom Ansehen her wahrscheinlich unter denen, die die spektakulärere Gabe des Zungenredens besitzen. Dennoch sind die drei ersten Gaben wohl größer (V. 31 ), weil sie für den Leib Christi in seiner Gesamtheit wertvoll sind. Wahrscheinlich nennt Paulus sie deshalb als erste und sagt auch, daß die Gemeinde in der Versammlung nach diesen größeren Gaben streben soll (vgl. 1Kor 14,1-5 ). Begnadete Apostel, Propheten und Lehrer dienen der ganzen Gemeinde und sorgen daher für Einheit und gegenseitige Erbauung. Die Gabe des Zungenredens dagegen befriedigt lediglich den Hang der Korinther zur Selbstdarstellung und ihren Drang nach Freizügigkeit. Diese egozentrische Haltung fügt der Gemeinschaft auch in anderen Bereichen Schaden zu (z. B. beim Essen von Götzenopferfleisch, beim Verhalten der Frauen im Gottesdienst, bei der Feier des Abendmahls). Es fehlt der korinthischen Gemeinde an Nächstenliebe, einer Eigenschaft, der Paulus sich im folgenden unter Einsatz seiner ganzen Beredsamkeit zuwendet.


1Kor 12,31 b


(2) Die Vorrangstellung der Liebe vor allen anderen Gaben ( 1Kor 12,31-13,13 )

b: Obwohl Paulus die Verschiedenen Gaben des Geistes sehr hoch einschätzt, gilt ihm eine Lebensführung, die nur der Heilige Geist bewirken kann, doch weit mehr. Die Geistesgaben sind in der korinthischen Gemeinde auf unterschiedliche Art und Weise unter den einzelnen Gliedern verteilt, so daß es keine Gabe gibt, die jeder besitzt (vgl. V. 19-30 ). Andererseits Versucht der Heilige Geist in jedem Christen auch die Früchte des Geistes hervorzubringen ( Gal 5,22 ), deren vornehmste die Liebe ist. Sie ist wichtiger als alle Gaben, und durch sie können alle Irrtümer, denen sich die Korinther im Hinblick auf den Besitz und den Gebrauch der göttlichen Gaben hingeben, zurechtgebracht werden (vgl. 1Kor 14,1 ).

Mit dem Weg , von dem Paulus hier spricht, meint er eine Lebensweise, die in erster Linie von der Liebe bestimmt ist (vgl. Joh 15,9-17 ). Jesus und Johannes der Täufer sind diesem Weg der Gerechtigkeit gefolgt ( Mt 3,15; 21,32 ), indem sie gehorsam den Willen Gottes taten und ihre Jünger ermahnten, dasselbe zu tun ( Mt 5,6.10.20; Mt 6,33 ). Ein solches Leben und eine solche Lebensführung nennt Paulus den Weg der Liebe ( 1Kor 14,1; vgl. Röm 13,8-10 ), den er selbst ebenfalls beschritten hat und zu dem er auch die Korinther ruft ( 1Kor 14,1; vgl. 1Kor 11,1 ).

 

1Kor 13,1


Manche Exegeten haben die These aufgestellt, daß Paulus den vorliegenden "Hymnus an die Liebe" ( 1Kor 13 ) bereits früher geschrieben und an dieser Stelle eingefügt hat, weil er hier so ausgezeichnet paßt. Das mag durchaus so gewesen sein, denn das formale und inhaltliche Gleichgewicht dieses Abschnitts bilden eine Meisterleistung, wie sie allenfalls in 1Kor 1,25-29 wieder zu finden ist - eine Passage, die ebenfalls beeindruckende Parallelismen enthält. Andererseits sind diese Verse so direkt auf viele im Brief angesprochene Fragen zugeschnitten, daß die Korinther und ihre Probleme, wenn die Verse über die Liebe wirklich bereits vorher entstanden sein sollten, Paulus niemals so fern gewesen sein können, wie er schreibt.

Die Redekunst war im 1. Jahrhundert hoch angesehen, und die Korinther bilden hierin keine Ausnahme, obwohl sie Paulus vorwerfen, daß er sich darin nicht gerade auszeichne (vgl. 1Kor 2,1.4; 2Kor 10,10 ). Diese Vorliebe erklärt vielleicht auch die Faszination, die das Zungenreden auf sie ausübte. Hier ist Paulus, wie er in diesem und in den folgenden Konditionalsätzen ( 1Kor 13,2-3 ) hervorhebt, im Vorteil, denn auf diesem Gebiet kann er ganz außergewöhnliche Erfahrungen für sich in Anspruch nehmen, besonders in Hinblick auf die Sprachen der Menschen ( 1Kor 14,18 ) und der Engel (vgl. 2Kor 12,4 ). Wahrscheinlich ist dieser Satz jedoch nur eine Hyperbel (Übertreibung) für die Beredsamkeit überhaupt, die, wenn sie ohne Liebe ist, die Menschen vielleicht einen Augenblick lang entzückt, wie der Ton einer Glocke oder einer Zymbel, deren Wirkung jedoch auch genauso schnell wieder Verschwindet. Die Auswirkungen der Liebe dagegen haben ewige Dauer (vgl. V. 13 ).

 

1Kor 13,2


Selbst die Gabe der prophetischen Rede (vgl. 1Kor 12,10 ), die Paulus der korinthischen Gemeinde doch als so wichtig ans Herz legt ( 1Kor 14,1 ), oder die Gaben der Weisheit, der Erkenntnis und des Glaubens (vgl. 1Kor 12,8-9 ) sind nichts im Vergleich zur Liebe . Paulus geht es nicht darum, die anderen Gaben abzuwerten; er will vielmehr die Liebe aufwerten, indem er zeigt, wie einzigartig und unvergleichlich sie ist.



Auch Selbstaufopferung kann auf Selbstsucht beruhen (vgl. Mt 6,2 ), ja sogar das letztmögliche Opfer, die Selbsttötung (vgl. Dan 3,17-18; apokryph: 2. Makk 7,5; Strabo, Geographie 15. 1. 73), ist ohne die Liebe wertlos.



1Kor 13,4


An dieser Stelle wechselt Paulus von der ersten in die dritte Person; statt seiner wird nun die personifizierte Liebe Subjekt. Manche Exegeten sehen in den Versen 4-6 eine Anspielung auf die Früchte des Geistes ( Gal 5,22 ); andere Verstehen sie als eine Beschreibung Christi selbst. Wie die beiden Seiten einer Münze sind beide Möglichkeiten denkbar; beide Deutungen brächten eine Lösung für viele Probleme, mit denen die Korinther zu kämpfen haben. Die Liebe, die Paulus hier (zunächst in negativen, dann in positiven Eigenschaften) beschreibt, bildet den "Weg". Die Liebe ist langmütig ... freundlich ... eifert nicht .... treibt nicht Mutwillen und bläht sich nicht auf.

Geduld ( makrothymia ) ist die Fähigkeit, Unrecht zu erleiden, ohne Vergeltung zu üben. Die korinthische Gemeinde hat viele Glieder, denen Unrecht zugefügt worden ist (z. B. in Prozessen, 1Kor 6,8 ,oder den Armen bei den gemeinsamen Mahlzeiten, 1Kor 11,21-22 ). Die Antwort der Liebe auf dieses Unrecht besteht in Freundlichkeit und Güte. Auch Neid und Prahlerei, als zwei Pole desselben Problems, scheinen in der Gemeinde im Überfluß vorhanden zu sein (z. B. in den Spaltungen, 1Kor 1,10; 3,3.21; und in bezug auf die Gaben, 1Kor 12,14-25 ). Doch die Korinther besitzen kein Monopol für den Stolz, auch wenn es manchmal den Anscheinhat. Das Verb physioO steht im Neuen Testament insgesamt nur siebenmal, sechsmal davon in diesem Brief (vgl. 1Kor 4,6.18-19; 1Kor 5,2; 1Kor 8,1 ).



1Kor 13,5


Dann beschreibt Paulus die Liebe viermal in negativer Formulierung: "Sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu." Die Ungehörigkeit zeigte sich am Verhalten der korinthischen Frauen im Gottesdienst ( 1Kor 11,2-16 ), beim Abendmahl ( 1Kor 11,17-22 ) und ganz allgemein bei der Ordnung des Gottesdienstes ( 1Kor 14,26-33 ). Die Selbstsucht trat in erster Linie beim Essen von Götzenopferfleisch zutage ( 1Kor 8,9; 10,23-24 ). Menschen, die sich nicht erbittern lassen, führen gewöhnlich keine Prozesse (wie in 1Kor 6,1-11 ). Die Liebe spricht nicht über das ihr zugefügte Unrecht, obwohl es in Korinth dafür mehr als genug Gelegenheit gab (z. B. 1Kor 6,8; 1Kor 7,5; 1Kor 8,11 ).


1Kor 13,6


Die Liebe freut sich nicht über die Ungerechtigkeit (z. B. den Inzest; 1Kor 5,1-2.8 ), sie freut sich aber an der Wahrheit ( 1Kor 5,8 ).



1Kor 13,7


Die Liebe erträgt alles (vgl. 1Kor 8,13 ), sie glaubt alles (vgl. 1Kor 15,11 ), sie hofft alles (vgl. 1Kor 9,10.23 ), sie duldet alles ( hypomenei , "bleibt beständig angesichts widriger Umstände"; vgl. 1Kor 9,19-22 ).



1Kor 13,8


Nachdem er so beredt die überragende Bedeutung (V. 1-3 ) und Vollkommenheit (V. 4-7 ) der Liebe herausgearbeitet hat, unterstreicht Paulus zusätzlich ihre Dauer (V. 8-13 ). Die Liebe hört niemals auf ; positiv gesagt: sie währt ewig. Das gilt nicht für die Geistesgaben. Sie alle sind auf irgendeine Art und Weise mit der Erziehung der Gemeinde zur Reife verbunden - wobei manche nur in den ersten Jahren des Kirchenzeitalters vorhanden waren (z. B. prophetische Reden und Erkenntnis ; vgl. Eph 2,20 ); sie dienten der Konsolidierung der ersten christlichen Gemeinden (z. B. Zungenreden ; vgl. 2Kor 12,12; Hebr 2,4 ). Wenn die Kirche vollendet sein wird, ist der Zweck der Geistesgaben erfüllt, und sie werden überholt sein. Nicht aber die Liebe.



1Kor 13,9-10


Wie Paulus erklärt, ist die Gabe der Erkenntnis (V. 8 ), so wichtig sie auch sein mag, nicht alles. Und auch die für das Leben der Gemeinde so entscheidende prophetische Rede ist nicht für die Ewigkeit gedacht. Die Gaben des Geistes sind zeitlich beschränkte Segnungen in einem unvollkommenen Zeitalter. Eines Tages werden sie dem Vollkommenen Platz machen, auf das sie vorausweisen.

Was genau Paulus mit dem Vollkommenen, das auf die Menschen wartet, meint, ist von den Exegeten heftig debattiert worden. Eine These lautet, daß es sich auf die Vollendung des Neuen Testaments bezieht - eine Deutung, der Vers 12 widerspricht. Andere vertreten die Auffassung, daß die Vollkommenheit, von der der Apostel hier spricht, erst mit dem neuen Himmel und der neuen Erde erreicht sein wird. Eine dritte Deutung Versteht diese Äußerung als Beschreibung des Zustands der Kirche, wenn Gottes Plan für sie vollendet ist, also bei der Wiederkunft Christi. Diese Annahme hat einiges für sich, zumal sie sich gut in das Bild des Wachstums und der Reifung einfügt, das Paulus in den folgenden Versen benutzt.



1Kor 13,11


Auch an anderer Stelle beschreibt der Apostel den Zweck der Gaben anhand des Bildes von Wachstum und Reife. So sollen sie die Kirche nach Eph 4,11-16 langsam aus einem kindlichen Stadium in das des reifen Erwachsenenalters führen. Der in 1Kor 13,10 mit "Vollkommene" übersetzte Begriff teleion ist im Epheserbrief ( 1Kor 4,13 ) mit "vollendet" wiedergegeben und als das Erreichen "des vollen Maßes der Fülle Christi" definiert. In diesem Zustand werden wir ganz sicher erst bei der Wiederkunft Christi sein.

Von dieser Perspektive ist anscheinend auch im 1. Korintherbrief die Rede. Paulus wendet das Bild auf sich selbst an (vgl. V. 1-3 ). Die drei beispielhaft angeführten Fähigkeiten des kindlichen Redens und Denkens und der kindlichen Einsicht sind wahrscheinlich als Parallelen zu den dreiGaben in Vers 8 gemeint. Mit dem Erwachsenwerden werden diese Gaben überflüssig. Das Verb " wurde " ( gegona , eine Perfektform; vgl. Röm 13,8; 1Kor 14,23 ) ist selbst Verständlich im Rahmen dieses Bildes zu sehen. Keineswegs ist damit gemeint, daß Paulus selbst oder die Kirche als ganze bereits an diesem Punkt angelangt sind (vgl. Phil 3,12 ), es wird aber auch nicht die allmähliche Veraltung bestimmter Gaben in der fortschreitenden Entwicklung der Kirche ausgeschlossen.



1Kor 13,12


Das letzte Bild, das Paulus hier verwendet, konnte in einer Stadt wie Korinth, die berühmt war für ihre Bronzespiegel, natürlich besonders gewürdigt werden. Die Vollkommenheit bzw. das Stückwerk in Vers 10 werden geschickt mit dem Bild der indirekten Wiedergabe des Gesichtes in einem Spiegel bzw. dem Bild desselben Gesichtes, wenn man ihm direkt gegenübersteht, in Verbindung gebracht. Genauso Verschieden sind nach Paulus die unvollkommene Zeit, in der er jetzt schreibt, und die vollkommene Zeit, wenn die fragmentarische Erkenntnis der Gegenwart dem Glanz der lebendigen Schau weichen wird. Dann wird Paulus Gott so sehen (vgl. 1Kor 15,28; 1Joh 3,2 ), wie er jetzt schon von Gott gesehen wird; dann wird das Stückwerk (vgl. 1Kor 8,1-3 ) durch die vollkommene Erkenntnis Gottes ersetzt werden.



1Kor 13,13


Paulus beendet sein dreifaches Bild der Liebe (V. 1-3.4-7.8-13 ) mit einer letzten Triade: Glaube, Hoffnung, Liebe . Es wurde viel darüber diskutiert, ob Paulus auch den Glauben und die Hoffnung (zusammen mit der Liebe) für ewig hält. Die Antwort auf diese Frage findet sich wahrscheinlich in Vers 7 . Der Glaube ist, wie auch die Hoffnung (vgl. Gal 5,5-6 ), eine Ausdrucksform der Liebe (der Begriff "glauben", pisteuei , V. 7 , ist die Verbform des Substantivs "Glaube", pistis ). Glaube und Hoffnung werden also, als Manifestationen der Liebe, ewig währen. So wird jeder, der dem Weg der Liebe folgt ( 1Kor 14,1 ), den "besseren Weg" ( 1Kor 12,31 b) finden, denn jeder, der sich von der Liebe bestimmen läßt, wird ihr in Ewigkeit anhängen. Die Gaben des Geistes wird es eines Tages nicht mehr geben, doch die Liebe wird bleiben.



1Kor 14,1


(3) Die Vorrangstellung der prophetischen Rede vor dem Zungenreden ( 1Kor 14,1-25 )

Kapitel 13 enthält eine der sublimsten Abweichungen vom Thema in der ganzen Geschichte der Briefliteratur. Paulus verläßt hier seinen eigentlichen Gegenstand, die Geistesgaben und ihren Gebrauch in der Gemeinde, mit dem er sich in Kapitel 12 befaßte und auf den er in Kapitel 14 zurückkommt. In Kapitel 12 hat er den Korinthern mitgeteilt, daß sie den Zweck der Gaben des Geistes - ihren einigenden Einfluß auf die Gemeinde - verkehrt haben, so daß sie zu Spaltungen und Zwietracht führten (bes. 1Kor 12,21-25 ). Auch die rücksichtslose Wahrnehmung ihrer Freiheit und ihr Hang zur Selbsterhöhung auf Kosten der anderen Glieder des Leibes, deren Bedürfnisse sie dabei übersahen oder niedertrampelten, hatte zu diesen Spaltungen beigetragen. So wirkten sich die Manifestationen der korinthischen Selbstsucht letztlich auf jedes der Probleme, die ab Kapitel 8 besprochen wurden, aus.

Das Kernproblem im Zusammenhang mit dem Gebrauch und dem Mißbrauch der Gaben des Geistes scheint die Faszination gewesen zu sein, die das Zungenreden auf die Korinther ausübte - eine Gabe, die sich offensichtlich besonders leicht zugunsten der Selbsterhöhung pervertieren ließ ( 1Kor 14,4 ), statt, wie es ihre eigentliche Bestimmung war, dem "Nutzen aller" ( 1Kor 12,7 ) zu dienen. Paulus' Korrektur besteht nun nicht einfach darin, die Ausübung der Gaben zu verbieten ( 14,39 ; vgl. 1Thes 5,19-20 ). Vielmehr drängt er darauf, daß die Geistbegabten sich in ihrem Tun stets von der Liebe lenken lassen. Die Gaben des Geistes sollen von der Frucht des Geistes, deren vornehmste die Liebe ist ( Gal 5,22 ), kontrolliert werden. Dann werden sie auch so eingesetzt werden, daß sie dem ganzen Leib der Kirche dienen( 1Kor 14,5 ) und Gott zur Ehre gereichen ( 1Kor 14,25.33.40 ). Durch Beispiele und Richtigstellungen vergleicht Paulus die Vorliebe der Korinther für das Zungenreden mit ihrem offensichtlichen Desinteresse an der prophetischen Rede und stellt sie diesem gegenüber.

Daß Kapitel 13 , wie gelungen es auch sein mag, dennoch eine Abweichung vom eigentlichen Thema darstellt, wird auch daran deutlich, daß Paulus sich in Kapitel 14 , Vers 1 , wieder unmittelbar auf den Schluß von Kapitel 12 , Vers 31 , bezieht. Er tut das in Form eines Chiasmus, einer gebräuchlichen rhetorischen Figur, die eine Reihe von verwandten Worten, Wendungen oder Vorstellungen miteinander verbindet, indem sie ihre Reihenfolge bei der zweiten Aufzählung umkehrt, z. B. a1, b1, b2, a2. Zum Abschluß seiner Erörterung der Einheit und der Verschiedenheit der Gaben hat Paulus die Korinther ermahnt, nach den Gaben zu streben (a1), deren Ausübung der gesamten Gemeinde den größten Nutzen bringt (vgl. 1Kor 12,31 ). Dann sagt er (b1), daß es, wie herrlich und nützlich die Gaben auch immer sein mögen, noch einen besseren Weg gibt ( 1Kor 13 ). Kapitel 14 nimmt diese Bemerkung wieder auf mit der Aufforderung (b2), den Weg der Liebe ( 1Kor 14,1 ) zu beschreiten (vgl. Joh 13,34-35 ), denn dieser wird sie nach den größeren Gaben streben lassen (a2), zu denen auch die prophetische Rede gehört (vgl. 1Kor 12,31 ).



1Kor 14,2


Es ist viel darüber gerätselt worden, was genau Paulus mit dem Begriff des Redens in Zungen meinte. Einer weitverbreiteten These nach muß man den Begriff "Zungen" ( glOssa ) vor dem Hintergrund der heidnischen Religionen des 1. Jahrhunderts sehen und sie als ekstatische Rede, ähnlich wie die der Sybille oder anderer weiblicher Prophetinnen, definieren. Die berühmteste von zehn weiblichen Prophetinnen Verschiedener Regionen war die cumäische Sybille (vgl. Vergil, Äneis 6. 77 - 102). Andere Exegeten vergleichen die Zungenreden im 1. Korintherbrief eher mit der ekstatischen Rede der Pythia, dem weiblichen Orakel in Delphi (Plutarch, Moralia 5. 409 e), oder mit der Ekstase der Mänaden des Dionysos (Ovid, Metamorphosen 3. 534, 710 - 30; vgl. Euripides, Bacchae ). Daß die Korinther im Zungenreden eine Parallele zu den heidnischen Ekstasen gesehen haben, ist durchaus möglich. Dagegen erscheint es abwegig, daß auch Paulus den Begriff in diesem heidnischen Sinn gebraucht. Die Wurzel der meisten theologischen Gedanken und Begriffe des Apostels ist vielmehr das Alte Testament. Das zeigt sich auch in seiner sonstigen Verwendung des Begriffs "Zungen". Das Wort findet sich in 1Kor 12 - 14 einundzwanzigmal, aber nur dreimal in seinen anderen Briefen. Diese drei anderen Male steht es stets entweder in einem Zitat aus dem Alten Testament ( Ps 5,10 in Röm 3,13; Jes 45,23 in Röm 14,11 ) oder in einer Anspielung auf das Alte Testament ( Jes 45,23 in Phil 2,11 ). In allen drei Fällen benutzt Paulus das Wort "Zungen" als Redefigur für eine Aussage oder ein Bekenntnis von Menschen. Ob es sich dabei um eine positive ( Röm 14,11; Phil 2,11 ) oder negative ( Röm 3,13 ) Aussage handelt, jedesmal ist die Äußerung bewußt und klar artikuliert.

Dasselbe gilt auch für die Bedeutung des Begriffs "Zungen" ( glOssa ) an anderen Stellen des Neuen Testaments. Ob er sich nun ganz direkt auf das Organ bezieht (z. B. Mk 7,33; Jak 3,5; Offb 16,10 ) oder ein Bild für die Verschiedenen Sprachen der Menschheit ist (z. B. Apg 2,11; Offb 5,9; 7,9; 10,11;11,9;13,7;14,6;17,15 ), nirgends steht er in Zusammenhang mit ekstatischer Rede. Wenn es Sinn macht, das Unbekannte mit Hilfe des Bekannten, das Unklare mit Hilfe des Klaren zu erklären, dann verbleibt die Last der Beweisführung bei denen, die in diesem Begriff eine andere Bedeutung als einfach die der menschlichen Sprache sehen.

Der Kontext, auf den sich dieser Vers bezieht, ist die Versammelte Gemeinde in Korinth ( 1Kor 11,2- 1Kor 14,40 bes. 1Kor 14,4-5 ), in der offenbar in Zungen geredet wurde, ohne daß diese Äußerungen gedeutet wurden (vgl. V. 13.19 ). Anscheinend beherrschte keiner der Anwesenden die Sprachen (vgl. V. 10-11 ), die dabei gesprochen wurden, und es besaß auch niemand die Gabe, sie auszulegen. Die Äußerungen blieben deshalb Geheimnisse , Wahrheiten, die einer übernatürlichen Enthüllung bedurft hätten, die Gott den Korinthern in diesem besonderen Fall Versagte. Aus diesem Grund ist das Zungenreden für die Gemeinde als ganze also wertlos, nur der Sprecher selbst hat etwas davon (V. 4 ), und zwar im Geist (vgl. V. 14 ), dem empfindungsfähigen Teil seines Wesens ( pneuma ; vgl. Mt 5,3; Apg 17,16; 2Kor 2,13 ).



1Kor 14,3


Wer dagegen die Gabe der prophetischen Rede besitzt (vgl. 1Kor 12,10 ), spricht in der "Zunge" seiner Zuhörer, in diesem Fall griechisch, und stärkt sie, indem er ihnen Gottes Wort auf eine Art und Weise verkündigt, die ihnen Erbauung ( oikodomEn ), Ermahnung ( paraklEsin ) und Tröstung ( paramythian , nur an dieser Stelle im Neuen Testament) bringt.



1Kor 14,4


Wer aber in "Zungen" spricht (vgl. 1Kor 12,10 ), ohne daß die Gabe der Deutung hinzukommt (vgl. 1Kor 12,10 ), erbaut nur sich selbst , nicht aber die Gemeinde . Seine Erbauung beruht darauf, daß er sich ganz persönlich als Empfänger der göttlichen Gnade erlebt (vgl. 1Kor 12,18.28 ) und zugleich Gott durch seine Gabe loben kann ( 1Kor 14,16 ). Obwohl er selbst ebenfalls nicht Versteht, was er sagt, erfahren seine Gefühle und Empfindungen eine Veränderung, die bis zur Euphorie geht. Das ist an sich nichts Schlechtes. Paulus ist ganz gewiß kein Verfechter eines kalten, nüchternen Gottesdienstes. Doch die Gaben des Geistes sind nicht zur inneren Bereicherung des einzelnen bestimmt, sondern zum Wohl anderer ( 1Kor 12,7; vgl. 1Kor 10,24; 1Pet 4,10 ). Die persönliche Erbauung und Freude sind zwar häufig Nebenprodukte des rechten Gebrauchs einer solchen Gabe, sollen jedoch nicht der Hauptgrund für ihre Ausübung sein.



1Kor 14,5


Paulus will hier keineswegs die Gabe des Zungenredens abwerten; es geht ihm lediglich darum, der Gabe der prophetischen Rede ihre wohlverdiente Hochschätzung zu Verschaffen. Das Zungenreden hat durchaus seinen Platz in der Reihe der Geistesgaben; ja, Paulus ist sogar der Ansicht, daß es gut wäre, wenn es jeder beherrsche. Er sagte dasselbe freilich auch über das Zölibat ( 1Kor 7,7 ), ohne davon auszugehen, daß diese Aussage für alle Menschen in gleicher Weise gilt. In beiden Fällen handelt es sich um Gaben Gottes, die nicht verachtet werden dürfen. Im Rahmen der gottesdienstlichen Versammlung ist jedoch die Gabe der prophetischen Rede und ihre Ausübung weit höher einzuschätzen als ein ungedeutetes Zungenreden, aus dem einfachen Grund, weil sie die Gemeinde erbaut. Wie bereits gesagt: die Gabe der Zungenrede diente der Konsolidierung der Kirche und war daher zeitlich begrenzt (vgl. den Kommentar zu 1Kor 13,8 ). Daher gelten die Anweisungen an die Korinther in bezug auf den Mißbrauch dieser Gabe nicht auch noch heute (vgl. den Kommentar zu 1Kor 14,21-22 ).



1Kor 14,6


Zwei Bilder (in V. 6 und V. 7-9 ) machen das ganz deutlich. Paulus spricht zuerst von sich selbst, wobei er möglicherweise an sein erstes Auftreten in Korinth denkt. Er hätte kommen und seine Botschaft in einer "Zunge" verkündigen können, die seine Zuhörer nicht kannten (vgl. V. 18 ), doch damit hätte er bestenfalls Gleichgültigkeit geerntet (V. 11 ) und schlimmstenfalls Hohn und Spott (V. 23 ) auf sich gezogen. Statt dessen brachte er ihnen durch seine Prophetie ( 1Kor 12,29 ) jedoch eine Offenbarung Gottes (vgl. 1Kor 2,10 ) bzw. durch seine Lehre ( 1Kor 12,29; vgl. 1Kor 14,26 ) eine Erkenntnis (vgl. 1Kor 2,12 ), die sie Verstehen und auf die sie antworten konnten (vgl. V. 24-25 ).



1Kor 14,7-9


Dasselbe gilt für ein Musikinstrument oder einen Schlachtruf. Um anderen zu nützen, müssen die Töne einer Flöte oder ... Harfe oder auch einer Posaune deutlich und Verständlich sein, sonst sind sie nicht mehr als ein Lufthauch, der nicht nur störende(V. 7 ), sondern im Falle eines miß Verständlichen Kampfsignals sogar vernichtende Wirkung haben kann (V. 8 ).

 

1Kor 14,10-12


Auf denselben Prinzipien beruht auch die Verständigung zwischen Menschen. Der Begriff "Sprache" in Vers 10 ist die Übersetzung des griechischen phOnOn , der Plural des Wortes phOnEn , das in Vers 7 mit dem "Tönen" der Harfe und in Vers 8 mit dem Ruf der Posaune wiedergegeben wurde. Menschliche Laute, die von anderen Menschen nicht Verstanden werden können, sind im Grunde genommen wertlos, wie die Vorliebe der Korinther für ungedeutetes Zungenreden. Das bedeutet nicht, daß Paulus das Interesse der Korinther an den Gaben des Geistes dämpfen will; er ermutigt sie lediglich dazu, vor allem diejenigen Gaben, die dem Wohl aller in der Gemeinde dienen, zu pflegen (V. 12 ; vgl. 1Kor 12,31; 14,1 ).



1Kor 14,13


Gedeutetes Zungenreden dagegen kommt, wie die prophetische Rede, der ganzen Gemeinde zugute (vgl. Apg 19,6 ). Daher sollen die Korinther Gott um die Gabe der Auslegung bitten. Wenn jedoch niemand anwesend ist, der das Zungenreden auslegen kann, soll der Zungenredner lieber schweigen ( 1Kor 14,28 ).



1Kor 14,14-15


So schön und erhebend die Gabe des Zungenredens für den, der sie besitzt, auch sein mag (vgl. V. 4 ) - wenn sie mit der Gabe der Deutung einhergeht, erfährt sie eine entscheidende Aufwertung, weil sie dann nicht nur die Gefühle einer Person, sondern auch ihre geistigen Fähigkeiten in Anspruch nimmt.



1Kor 14,16-17


Die Gabe der Auslegung (V. 15 ) macht also den Beitrag eines Zungenredners zum Gottesdienst - auch für ihn selbst - noch wertvoller. Entscheidend ist allerdings, daß diejenigen, die die Zungenrede hören und ohne Auslegung ja nicht Verstehen können, nicht an seinen Gefühlen teilhaben können. Seine Freude kann allenfalls noch jemand nachfühlen, der dieselbe Gabe besitzt. Ein Christ mit einer anderen Gabe jedoch ist auf Verständliche Kommunikation angewiesen, wenn er etwas von dem Gesagten Verstehen und mit dem "Amen" seine Zustimmung dazu geben will. Ein solches Verständnis aber ist unmöglich, wenn die "Zunge" nicht ausgelegt und der Bruder nicht ebenfalls erbaut wird.



1Kor 14,18-19


Paulus' Anliegen, die Begeisterung der Korinther für die Gabe des Zungenredens für die ganze Gemeinde nutzbar zu machen, ist nicht etwa darauf zurückzuführen, daß ihm die Trauben zu sauer sind. Wenn es um das Zungenreden geht, kann er sie alle in den Schatten stellen. Doch ihm liegt nichts an einer solchen Selbstbestätigung. Er möchte vielmehr den anderen dienen und dadurch Gott verherrlichen (vgl. 1Kor 10,31-33 ). Aus diesem Grund macht er vor der Versammelten Gemeinde nicht von der Gabe des Zungenredens Gebrauch, sondern lieber von der Gabe der prophetischen Rede ( 1Kor 14,6 ). Das entspricht dem Willen Gottes. Wie aber paßt das Zungenreden dann in den Plan Gottes? Darauf kommt der Apostel als nächstes zu sprechen.

 

1Kor 14,20


Die Vorliebe der Korinther für die Zungenrede ist für Paulus ein weiterer Beweis für ihre Unreife und weltliche Gesinnung (vgl. 1Kor 3,1-3 ). Er hofft jedoch, daß sich das vor allem zugunsten einer höheren Bewertung der Gabe der prophetischen Rede ändern wird und daß die Gemeinde die Bedeutung dieser Gabe für die gottesdienstliche Versammlung erkennt. Die Schlußworte des Apostels, die noch einmal eine Gegenüberstellung der Zungenrede und der prophetischen Rede enthalten ( 1Kor 14,21-25 ), sollen seine Ermahnung, die in Vers 1 begann, abschließen.



1Kor 14,21-22


Die Zusammenfassung in Vers 21-25 beginnt mit einem Zitat aus der Prophezeiung Jesajas für Israel ( Jes 28,11-12 ). Weil Israel es ablehnte, die Botschaft Gottes, die er durch seine Propheten verkündigte, zu hören , sagte Jesaja voraus, daß eine andere Botschaft kommen werde. Sie sollte in einer fremden "Zunge", die die Israeliten zwar nicht Verstehen würden, die aber dennoch unzweideutig sein würde, verkündigt werden (vgl. 2Kö 17,23 ). Diese fremde "Zunge" war einSymbol für die Ablehnung Gottes (vgl. 5Mo 28,49; Jes 33,19 ), für seine Strafe, weil die Israeliten sich immer wieder gegen ihn auflehnten (vgl. 2Kö 17,14; Apg 7,51 ). Anstelle von Israel sollten nun Fremde für eine Zeitlang Gottes Knechte werden (vgl. Jes 5,26; Hab 1,6; Mt 21,43; Röm 10,19-21 ).

So scheint Paulus auch die Zungenrede in der Zeit des 1. Jahrhunderts Verstanden zu haben. Ihr Platz ist also weniger die Gemeinschaft der Gläubigen als der Ungläubigen (vgl. Mt 13,10-15 zu Gleichnissen). Ungedeutetes Zungenreden hat durchaus seinen Platz, doch nicht in der Gemeinde, wo die prophetische Rede die Gläubigen aufbauen soll ( 1Kor 14,3 ).

 

1Kor 14,23-25


Außerdem werden Unkundige ( idiOtai , die an den Gottesdiensten teilnehmen, aber noch nicht glauben) und andere Ungläubige (apistoi ), die sich die Botschaft des Evangeliums zwar anhören, aber noch nicht glauben (im Gegensatz zu denen in V. 21-22 , die sie bereits abgelehnt haben), das Benehmen der Zungenredner höchst lächerlich finden. "Würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen?" Das aber wäre, so argumentiert Paulus, mit Sicherheit nicht von Vorteil für die Sache Christi in Korinth. Die prophetische Rede dagegen kommt nicht nur den Gläubigen zugute (V. 3 ), sondern auch den Ungläubigen. Statt einer chaotischen Situation sehen sie sich einer konzentrierten Versammlung gegenüber, in der sie überzeugt (vgl. Joh 16,8 ) und beurteilt ( 1Kor 2,15 ) werden und sich innerlich öffnen ( "was in seinem Herzen ist, würde offenbar" ) und schließlich zur Anbetung Gottes finden.



1Kor 14,26


(4) Der rechte Gebrauch der Gaben des Geistes ( 1Kor 14,26-40 )

In diesem Abschnitt zieht Paulus Schlußfolgerungen aus seinen vorangehenden Ausführungen ( 1Kor 12-14 ). Damit schließt sich gleichzeitig der große Themenkomplex über die christliche Freiheit im Gottesdienst ( 1Kor 11,2-14,40 ). Für den modernen Leser ist vor allem das offensichtliche Fehlen jeglicher festgelegter Gottesdienstordnung und jeglichen Hinweises auf Einzelpersonen, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind, überraschend und interessant. In der frühen Christenheit scheint die gesamte Gemeinde ihre Geistesgaben spontan im Dienst aneinander eingebracht zu haben.

Wie er es im ganzen Brief immer wieder getan hat, spricht Paulus auch hier die christliche Gemeinde in Korinth als Brüder an, ein Begriff, der beide Geschlechter umfaßt (z. B. 1Kor 1,10; vgl. 1Pet 5,9 ). Wenn die Gemeinde sich trifft, kann jeder ganz nach Belieben mit einem Psalm oder einer Lehre (vgl. 1Kor 14,6 ,wahrscheinlich eine Lehre, die auf einer Aussage des Alten Testamentes beruhte), einer Zungenrede oder einer Auslegung dieser Rede zum Gottesdienst beitragen. In allem sollen die Versammelten sich jedoch von der Liebe leiten lassen. Alles, was gesagt und getan wird, soll dazu dienen, die anderen zu erbauen ( pros oikodomEn ; vgl. V. 4-5 ).



1Kor 14,27-28


Obwohl es keine bestimmte Gottesdienstordnung gibt, soll das Treffen in geordneten Bahnen verlaufen (V. 40 ). Alle Mitglieder mit ihren unterschiedlichen Gaben sollen etwas dazu beitragen können. Auch die Zungenredner dürfen ihre Gabe ausüben, allerdings in jedem Gottesdienst nur zwei oder höchstens drei und auch sie nur dann, wenn jemand, der die Gabe der Auslegung besitzt und das Gehörte übersetzen kann, anwesend ist. Wenn kein Ausleger da ist , sollen die Zungenredner schweigen . Doch auch wenn ihre Äußerungen für die Gemeinde keinen Nutzen haben, weil sie nicht ausgelegt werden, so sind sie doch in einem anderen Sinn wertvoll (vgl. V. 4.14-15.22 ).



1Kor 14,29


Die Anweisungen für diejenigen, die die Gabe der prophetischen Rede ausüben, unterscheiden sich nicht von denen für die Zungenredner. Auch hier sollen nur zwei oder drei Propheten in einem Gottesdienst reden , und danach soll die Gemeinde sorgfältig über das Gesagte urteilen . Da sie griechisch sprechen, können die andern Gemeindemitglieder sie Verstehen und ihre Botschaften bewerten. Möglicherweise sind mit den "andern" auch die gemeint, die die Gabe besitzen, zwischen den Geistern zu unterscheiden. Das hier mit "Urteilen" wiedergegebene griechische Verb diakrinetOsan ist mit dem Substantiv diakriseis in 1Kor 12,10 ,der "Unterscheidung zwischen den Geistern", verwandt. Die Gemeinde muß also entscheiden, ob die Botschaft, die sie gehört hat, tatsächlich von Gott kommt (vgl. 1Joh 4,1 ).


1Kor 14,30


Ein Prophet kann, vielleicht in einer Vision oder in einem Traum, bereits vor der Versammlung eine Offenbarung gehabt haben, die er seinen Brüdern dann im Gottesdienst vorlegt. Es ist aber auch möglich, daß er sie während des Gottesdienstes hat. In diesem Fall soll der, der gerade spricht, zu reden aufhören und den anderen zu Wort kommen lassen. - Was immer man den korinthischen Gottesdiensten auch vorwerfen mag, langweilig waren sie mit Sicherheit nicht.



1Kor 14,31


Auch für die Propheten gilt also das Prinzip, das Paulus den Zungenrednern ans Herz gelegt hat. Was sie sagen, soll dem Wohl eines jeden dienen, indem es alle belehrt oder sie zu einem christlichen Leben ermutigt (vgl. V. 3 ).



1Kor 14,32-33 a


Paulus ist anscheinend nicht der Ansicht, daß die Propheten in Korinth sich besser betragen haben als ihre Brüder, die Zungenredner, daher gibt er auch ihnen ähnliche Anweisungen (V. 28 ). Die Geister beziehen sich auf ihre geistliche Gabe, der sie sich nicht unterwerfen, sondern über die sie die Oberhand behalten sollen (vgl. V. 30 ). Wenn in einem Gottesdienst zwei oder drei Propheten sprechen, können andere mit derselben Gabe es bei der nächsten Gelegenheit tun. Die Kirche ist nicht ein Forum zur Selbstverherrlichung; sie ist ein Ort, an dem Gott geehrt und die Menschen erbaut werden sollen (vgl. 1Kor 10,31-33 ). Der Gottesdienst und die, die daran teilnehmen, sollen das Wesen Gottes widerspiegeln. Er ist ein Gott ... des Friedens, nicht der Unordnung , und sein Geist wirkt, um in allen dieselbe Frucht ( Gal 5,22 ) hervorzubringen.



1Kor 14,33-36


Anscheinend hielten die ersten Kopisten des Briefes manche Verse dieses Abschnitts (V. 34-35 ) an dieser Stelle für unangebracht und setzten sie daher an den Schluß des Briefes. Radikaler gehen einige moderne Exegeten vor, die sie überhaupt für nicht authentisch paulinisch und eines jeglichen Kommentars für unwürdig halten. Die genaue Bedeutung des Abschnitts ist in der Tat sehr schwer herauszuarbeiten. Die Äußerung über die Frauen scheint denselben Anlaß zu haben wie die Anweisungen für die Zungenredner und Propheten. Die Gemeindemitglieder sollen ein bißchen Selbstdisziplin zeigen - z. B. indem sie schweigen (V. 28.30.34 ) -, damit Friede in der Gemeinde herrscht.

Diese Erinnerung betrifft offensichtlich einige ganz bestimmte Frauen in Korinth, die es an mehr als nur an der Kopfbedeckung haben fehlen lassen ( 1Kor 11,2-6 ). Auch um dieses Problem will Paulus sich nicht drücken.

Ob die Aufforderung, im Gottesdienst zu schweigen, allen Frauen (vgl. 1Kor 11,2-16 ) oder nur den verheirateten gilt, ist umstritten. Das mit "Frauen" übersetzte griechische Wort gynaikes bezieht sich sowohl auf die Frauen ganz allgemein (wie an allen 15 Stellen in 1Kor 11,3-15 ) wie auch auf unverheiratete (z. B. 1Kor 7,34 ) und verheiratete Frauen (z. B. 1Kor 5,1; 1Kor 9,5 und alle 14 Stellen in 1Kor 7 bis auf eine Ausnahme; 1Kor 7,34 ). Wer jeweils angesprochen ist, kann nur aus dem Kontext erschlossen werden.

Es gibt jedoch zwei Anzeichen, die darauf hindeuten, daß Paulus sich hier an verheiratete Frauen wendet. Das erste ist das Wort "unterordnen" ( hypotassesthOsan ; V. 34 ). An anderer Stelle im Neuen Testament bezieht es sich stets auf verheiratete Frauen, die sich ihrem Ehemann unterordnen sollen ( Eph 5,22; Kol 3,18; Tit 2,5; 1Pet 3,1.5 ).

Das zweite ist der Ausdruck "ihre Männer" ( 1Kor 14,35 ), an die sich die wissensdurstigen Frauen wenden sollen, wenn sie etwas wissen wollen. Diese Forderung ist für Ledige (z. B. 1Kor 7,34 ) oder für Frauen, die nicht mit einem Christen verheiratet sind (z. B. 1Kor 7,13 ), wohl irrelevant.

Als Parallele zu dieser Passage wird häufig 1Tim 2,11-15 zitiert, wo die Frauen ebenfalls aufgefordert werden, im Gottesdienst zu schweigen. Doch auch dort denkt der Verfasser wahrscheinlich an verheiratete Frauen, da Vers 15 sich nicht auf eine Ledige beziehen kann. Auch Eva wird, wenn sie im Alten Testament genannt wird, stets in ihrer Funktion als Ehefrau von Adam angeführt ( 1Mo 3,20; vgl. 2Kor 11,2-3 ,die einzige neutestamentliche Textstelle außer 1Tim 2,13-14 ,in der Eva erwähnt wird), dem sie sich unterwerfen soll ( 1Mo 3,16 ,hierauf bezieht Paulus sich wahrscheinlich in 1Kor 14,34 ). Außerdem bedeutet das Substantiv hEsychia in 1Tim 2,11 - 12 wahrscheinlich "Ruhe, das Fehlen von Unordnung", wohingegen das Verb sigaO in 1Kor 14,28.34 "schweigen" bedeutet. (Vgl. den Kommentar zu 1Tim 2,11-14 und 2Thes 3,12 .)

Paulus verlangt also von den verheirateten Frauen, deren Ehemänner ebenfalls am Gottesdienst teilnehmen, zu schweigen. Die übrigen Frauen dagegen dürfen, wenn sie angemessen gekleidet sind ( 1Kor 11,2-16 ), aktiv an der Feier teilnehmen. Das Schweigen der verheirateten Frauen ist ein Zeichen für ihre Unterordnung (nicht ihrer Minderwertigkeit) unter ihren Mann. Der Gegensatz dazu ist die Störung, die eintritt, wenn sie während des Gottesdienstes mit ihrem Mann sprechen.

Die korinthischen Gläubigen sollen sich nicht für besondere, unabhängige Ausleger oder Empfänger des Wortes Gottes halten ( 1Kor 14,36 ), sondern sich, wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist (V. 33 b), der Wahrheit Gottes unterwerfen, indem sie sich den normativen Verhaltensmaßstäben anpassen.



1Kor 14,37-40


Diese Verse bilden nicht nur den Abschluß der unmittelbar vorhergehenden Anweisungen (V. 33 b. 34-36 ), sondern der gesamten Erörterung über die Verirrungen der Korinther in bezug auf den Gottesdienst und die Korrekturen, die sie nötig haben ( 1Kor 11,2-14,36 ). Paulus rechnet anscheinend mit Widerstand (vgl. 1Kor 11,16; 14,36 ), denn er warnt seine Leser, daß alle, die sich ihm widersetzen, es auf eigene Gefahr tun (vgl. 1Kor 4,18-21 ). Jeder, der die Gebote des Herrn nicht anerkennt, wird selbst beim Jüngsten Gericht nicht anerkannt werden (vgl. 1Kor 3,17; 1Mo 9,6; Mt 10,32-33 ). Seine Werke werden zeigen, daß er den Herrn nicht kennt (vgl. 1Kor 8,3; Mt 7,22-23; 1Joh 4,6 ).

Die endgültige Schlußfolgerung des Apostels lautet, daß die Korinther den Gaben, die der Gemeinde als ganzer am besten dienen ( 1Kor 12,31; 1Kor 14,1 ), am meisten Aufmerksamkeit schenken sollen, ohne jedoch die anderen gering zu achten. Ihr Gottesdienst soll ehrbar (vgl. 1Kor 11,2-16; 14,34-36 ) und ordentlich (vgl. 1Kor 11,17-34; 14,26-33 ) vonstatten gehen.



C. Die Lehre von der Auferstehung
( 1Kor 15 )


Einige Exegeten haben die These aufgestellt, daß Paulus sich dem Thema der Auferstehung zum Schluß zuwendet, weil er der Ansicht ist, daß die Korinther viele ihrer Probleme leichter lösen könnten, wenn sie fest daran glaubten. Die Botschaft vom gekreuzigten Christus war für die Griechen eine Torheit ( 1Kor 1,23 ), und die sich daraus ergebende Lehre von der Auferstehung kam ihnen sicher nicht minder töricht vor (vgl. Apg 17,31-32 ). In der Überzeugung der Korinther, daß die Gegenwart ihnen bereits alle materiellen Segnungen Gottes geben könne ( 1Kor 4,8; vgl. 1Kor 6,2 ) und unmoralisches Verhalten z. B. im sexuellen Bereich keine Folgen habe ( 1Kor 5,1; vgl. 1Kor 6,9.13-14 ), liegt implizit die Leugnung der Auferstehung.

Wie von den oben erörterten Problemen ( 1Kor 1,10-1 .Kor.6,20) hat Paulus offenbarauch die Tatsache, daß manche Korinther nicht an die Auferstehung glauben, durch Dritte und nicht etwa durch die Fragen, die sie ihm selbst in einem Brief vorlegten, erfahren (vg. 1Kor 7,25; 8,1; 12,1; 16,1.12 ). Wie in seiner Antwort auf die dasselbe Problem betreffende Verwirrung in Thessalonich ( 1Thes 4,13-18 ) beginnt er auch hier mit einer grundlegenden Glaubensaussage (vgl. 1Kor 15,3-4; 1Thes 4,14 ), auf der er dann die weiteren Ausführungen aufbaut.



1. Die Gewißheit der Auferstehung des Leibes
( 15,1-34 )


a. Historische Argumente
( 15,1-11 )


1Kor 15,1-2


Das Evangelium , das Paulus in Korinth verkündigt hat ( 1Kor 2,1-2 ), hat sich nicht verändert, doch er befürchtet, daß die Abweichungen von der Botschaft des gekreuzigten Christus und ihrer Implikationen, die die falschen Prediger in Korinth verbreiten, auch den auferstandenen Christus betreffen. Wie die Kreuzigung ist jedoch auch die Auferstehung Christi ein wesentliches Element in der fortschreitenden Rettung der Korinther (das Präsens des Verbs "selig werdet" zielt auf die Heiligung ab). Die Leugnung der Auferstehung des Leibes würde "das Evangelium" bedeutungslos und den Glauben vergeblich machen ( eikE , "ohne Grund oder Erfolg"; vgl. V. 14.17 ), weil sein Gegenstand, Christus, dann wertlos wäre (vgl. V. 13.17 ). Der Glaube an das Evangelium schließt den festen Glauben an die Auferstehung Christi ein. Ohne das zweite ist der erstere Glaube "umsonst" (vgl. Mt 13,18-22 ).



1Kor 15,3-5


Paulus schließt sich selbst nicht aus, als er davon spricht, daß die Gläubigen die Wahrheit von Christi Tod und seiner Auferstehung empfangen haben, um sie an sündige Menschen weiterzugeben. Diese Verse, das "Herz" des Evangeliums, bilden ein frühchristliches Bekenntnis, das Paulus seinen Lesern als erstes beigebracht hat. Es besteht aus zwei Teilen: Christus ist für unsere Sünden gestorben, und er ist auferstanden . Die Wahrheit dieser Aussage wird durch die Schrift (z. B. Ps 16,10; Jes 53,8-10 ) und durch historische Belege - das Grab und die Erscheinungen - bezeugt. Die Tatsache, daß Christus begraben worden ist , bestätigt seinen Tod, und die Tatsache, daß er von anderen gesehen worden ist, seine Auferstehung. Kephas (Petrus), dem ersten männlichen Zeugen, haben sich schon bald die übrigen Jünger, die zum engeren Kreis um den Herrn gehörten, angeschlossen.



1Kor 15,6


Später wurde dann eine sehr viel größere Menge Zeugen von Jesu Auferstehung. Die fünfhundert Brüder bildeten vielleicht die Zuhörerschaft, an die der Auftrag, von dem in Mt 28,18-20 die Rede ist (vgl. Apg 1,3-8 ), erging. Da die meisten von ihnen noch leben , können sie bestätigen, was der Apostel sagt.



1Kor 15,7-8


Manche Exegeten haben die Erscheinungen des Auferstandenen einfach als Visionen der Gläubigen, die sie angeblich mit "Augen des Glaubens" sahen, abgetan. Paulus aber kann darüber hinaus das Zeugnis zweier Männer anführen, auf die das nicht zutrifft, weil sie vorher nicht glaubten: Auch Jakobus , der Halbbruder Jesu, und er selbst haben Jesus gesehen. Wie Paulus bekehrte sich wahrscheinlich auch Jakobus erst durch eine Erscheinung des Auferstandenen ( Apg 9,3-6; Apg 22,6-11 ) zum Glauben (vgl. Joh 7,5 mit Apg 1,14 ). Paulus bezeichnet seine eigene Bekehrung als eine unzeitige Geburt , denn ihm fehlt die Zeit, die die anderen mit Christus auf Erden verbracht haben (vgl. Apg 1,21-22 ). Es hat den Anschein, daß mit den Aposteln mehr gemeint sind als nur die Zwölf (vgl. den Kommentar zu Eph 4,11 ). Auf jeden Fall zeichnen sie alle sich dadurch aus, daß sie den auferstandenen Christus gesehen haben ( 1Kor 9,1 ). Als letzter ist ihm dann Paulus begegnet.



1Kor 15,9


Weil er der letzte war, ein Zwerg, ein zur Unzeit Geborener, nennter sich den geringsten unter den Aposteln . Er glaubt, sein Amt am wenigsten zu verdienen, weil er die Kirche (vgl. Apg 22,4; 1Tim 1,15-16 ), der er jetzt dient ( 2Kor 4,5 ), zuvor verfolgt hat.



1Kor 15,10


Paulus weiß jedoch, daß vor dem Hintergrund seiner Vergangenheit die Gnade Gottes (vgl. 1Kor 1,3 ), für die er sich so empfänglich gezeigt hat, umso beeindruckender hervortitt. Tatsächlich war die Hingabe, die der Apostel in seinem Leben zeigte, ohnegleichen (vgl. 1Kor 9,19-27 ). Die Kirchengeschichte bestätigt, daß seine Frömmigkeit nicht vergeblich ( kenE , "leer"; vgl. 1Kor 15,14 ) war. Er hat viel mehr gearbeitet als sie alle , er reiste weiter, wurde heftiger bekämpft, schrieb mehr Briefe und gründete mehr Gemeinden. All das tat er in dem Bewußtsein, daß es nicht seine eigene Kraft war, sondern die Kraft Gottes ( 1Kor 2,4-5 ), die ihm Erfolg bescherte ( 1Kor 3,6 ).



1Kor 15,11


Letztlich ist nicht der Bote, sondern die Botschaft das Entscheidende (vgl. 1Kor 1,18-4,5 ). Die Botschaft der Apostel aber, die auch Paulus gepredigt und die die Korinther geglaubt haben, besagt, daß der gekreuzigte Christus zum auferstandenen Christus wurde.



b. Logische Argumente
( 15,12-19 )


1Kor 15,12


Dann wendet Paulus sich der Behauptung einiger Korinther zu, daß kein Toter leiblich auferstehen könne und weist sie innerhalb des Rahmens des christlichen Glaubens auf die logische Konsequenz dieses Satzes hin.



1Kor 15,13


Die Auferstehung des Leibes prinzipiell zu leugnen, bedeutet, die Auferstehung Christi zu leugnen. Anscheinend haben manche Korinther eben das getan, und Paulus will sie und die anderen vor den ernsten Folgen dieses Unglaubens warnen.



1Kor 15,14


Eine der wichtigsten Konsequenzen ist, daß die Leugnung der Auferstehung der Botschaft des Evangeliums gleichsam das Herz ausreißt und sie leblos zurückläßt. Denn wenn es so wäre, wäre der Glaube der Korinther, wie lebendig er auch immer sein mag, vergeblich ( kenE , "leer"; vgl. V. 2.10.17 ) - weil er sich auf einen Toten stützt.



1Kor 15,15-16


Zweitens wären, wenn Christus nicht auferstanden wäre, die Apostel der Kirche nur Scharlatane, weil sie einmütig die Auferstehung Christi bestätigen (vgl. V. 11 ).

 

1Kor 15,17


Drittens wäre die Rettung der Korinther nur Einbildung, ihr Glaube wäre nichtig ( mataia , "ohne Ergebnis"; vgl. kenE , "leer", V. 10.14 ; eikE , "ohne Grund oder Erfolg", V. 2 ). Die Auferstehung ist der Beweis, daß das Lösegeld, das Christus am Kreuz gezahlt hat, von Gott angenommen worden ist ( Röm 4,25 ). Ohne sie gibt es keine Gewißheit der Versöhnung, und die Korinther müßten in ihrem Zustand der Entfremdung und Sünde bleiben.



1Kor 15,18


Viertens würden die bereits gestorbenen korinthischen Brüder und Schwestern, wenn Christus nicht auferstanden wäre, nicht in die Freude, sondern in die ewige Verlorenheit eingehen. Die heidnische Vorstellung, daß der Geist nach dem Tod frei ist, ist eine Lüge. Ohne die Auferstehung hätte der Tod seinen Stachel nicht verloren, und der Schmerz, den er zufügt, hätte kein Ende (vgl. V. 54-56 ).



1Kor 15,19


Und schließlich hätten, wenn es keine Auferstehung gäbe, die Heiden recht. Die "Torheit des Kreuzes" ( 1Kor 1,18 ) wäre dann tatsächlich nur eine Torheit, und Männer wie Paulus und die Apostel, die für das Evangelium gekämpft und gelitten haben ( 1Kor 4,9-13 ), wären zu bedauern. Die Opfer der Christen wären nur ein grausamer, selbstauferlegter Scherz, und diejenigen, die allein für das Vergnügen des Augenblicks leben, hätten die richtige Einstellung (vgl. 1Kor 15,32 ).



c. Theologische Argumente
( 15,20-28 )


1Kor 15,20


Nachdem Paulus zunächst die logischen Konsequenzen, die aus einer Leugnung der leiblichen Auferstehung Christi folgen, erläutert hat (V. 12-19 ), wendet er sich nun in einem weiteren Argumentationsdurchgang dem theologischen Lehrsatz zu, daß das Schicksal der Christen im Schicksal Christi eingeschlossen ist, und erklärt seinen Lesern die positiven Konsequenzen dieser Einheit mit Christus. Alle Vermutungen und Spekulationen sind ja der Gewißheit gewichen: Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten . Er ist der Erstling - ein alttestamentlicher Begriff (z. B. 2Mo 23,16.19 ), der hier im Sinne einer Art Anzahlung für etwas verwendet wird, das sowohl ein Abbild des Kommenden als auch die Garantie für sein tatsächliches Eintreten ist (vgl. Röm 8,23 ).



1Kor 15,21-22


Durch den Ungehorsam eines einzigen Menschen sind alle, die durch die natürliche Geburt mit Adam verwandt sind, dem Tod verfallen. Denn durch seine Sünde brachte der Vater der Menschheit den Tod über alle seine Nachkommen (vgl. 1Mo 3,17-19; Röm 5,12 ). Doch umgekehrt wird auch der Gehorsam ( Phil 2,8 ) eines einzigen anderen Menschen ( 1Tim 2,5 ) all denen, die durch die geistliche Geburt mit ihm verwandt sind, die Auferstehung bringen. Später, im Römerbrief ( Röm 5,12-19 ), sollte Paulus diesen großartigen Gedanken noch weiter entfalten. Diejenigen, die Glieder des Leibes Christi sind ( 1Kor 12,27 ), werden eines Tages - wenn auch nicht sofort - ihrem Haupt folgen ( Kol 1,18 ).


1Kor 15,23


Die Geschehnisse am Ende der Zeit werden in einer bestimmten Ordnung ablaufen. Paulus geht es hier nicht darum, die Reihenfolge der künftigen Auferstehung bis ins Detail zu schildern, sondern er möchte der christlichen Gemeinde, die er anspricht, ihren Platz innerhalb dieses Ablaufes aufzeigen. Wie er schon zuvor festgehalten hat (V. 20 ), ist Christus das Vorbild der Christen und der Garant ihrer Gewißheit.

Er wird zurückkehren, wie er Versprochen hat ( Joh 14,2-3 ), und dann werden die, die seine Kirche bilden, und auch die im Glauben an Christus Gestorbenen auferweckt werden ( 1Thes 4,16 ). In dieser Abfolge ist zwar nicht von einem bestimmten zeitlichen Rahmen die Rede, doch wir wissen, daß inzwischen schon etwa 2000 Jahre Verstrichen sind.


1Kor 15,24


Nach der Auferstehung der Kirche folgt eine weitere Periode, bis Christus dann am Ende ... das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird (vgl. Mt 13,41-43 ). Manche Exegeten bestreiten allerdings, daß diese Verse irgendeinen Hinweis auf eine Zeit zwischen der Auferstehung der Gemeinde und dem endgültigen Gericht enthalten; ihrer Ansicht nach werden die Wiederkehr Christi und die Vollendung aller Dinge gleichzeitig stattfinden. Wie im vorigen Vers erfahren wir auch hier nichts über die Zeiträume, in denen sich diese Ereignisse abspielen. Es ist durchaus denkbar, daß sie in ihrer chronologischen Abfolge nahezu zusammenfallen ( 1Kor 15,5 ), doch es ist ebensogut möglich, daß sie sich über eine bestimmte Zeit hinziehen (vgl. V. 23 ). Angesichts der Tatsache, daß zwischen der ersten und der zweiten Phase - zwischen der Himmelfahrt und der Wiederkunft Christi - an die 2000 Jahre Verstreichen konnten, wäre ein Zeitraum, der halb so lang währt, ein tausendjähriges Interim zwischen der zweiten und der dritten Phase, ohne weiteres vorstellbar.



1Kor 15,25-26


Wenn Christus zurückkehrt, wird der Tod , die Personifizierung des letzten Widersachers Christi (vgl. V. 55 ; Hebr 2,14 ), endgültig besiegt werden. Dabei wird nicht, wie manche Korinther glauben, der Körper der Menschen, sondern der Zerstörer des Körpers, der Tod selbst, vernichtet werden .



1Kor 15,27-28


Die Reprise des in diesen Versen ausgesprochenen Gedankens findet sich in Vers 57 . Durch die Macht Gottes wird dem fleischgewordenen Christus alles unterworfen werden (vgl. Phil 3,21 ), er selbst aber wird Gott untertan sein. Damit findet das Werk des Sohnes seine Erfüllung in der Herrlichkeit des Vaters (vgl. Joh 17,4-5 ). Das ist auch die endgültige Bestimmung derGemeinde (vgl. 1Kor 10,31; Eph 1,6.12.14 ). Wenn Gott alles in allem (vgl. Röm 11,36 ) sein wird, wird die neue Schöpfung vollendet sein, und der auferstandene Christus und seine Gemeinde werden an dieser Vollendung teilhaben (vgl. Offb 22,1 ).



d. Erfahrungstatsachen
( 15,29-34 )


In dieser vierten Staffel von Argumenten gegen die Leugnung der Auferstehung kommt Paulus auf bestimmte Bräuche in Korinth und auf seine persönlichen Erfahrungen zu sprechen (V. 30-32 ).



1Kor 15,29


Zu diesem Vers gibt es fast 200 Verschiedene Auslegungen, von denen allerdings die meisten ziemlich unsinnig sind und von dem Wunsch diktiert wurden, die hier vorliegende Aussage des Apostels mit einem orthodoxen Tauf Verständnis in Einklang zu bringen. Aus dem Kontext heraus wird dagegen deutlich, daß Paulus seine eigene Tauflehre und -praxis ganz entschieden von der hier beschriebenen Taufpraxis abgrenzt. Die Taufe für die Toten war vielmehr offensichtlich ein Brauch jener Gruppierung, die die Auferstehung leugnete.

Wie die in Korinth aufgetretenen falschen Lehrer dazu kamen, eine solche Praxis einzuführen, ist nicht mehr auszumachen. Vielleicht lagen die Wurzeln dieses Brauches in den antiken Mysterienreligionen, denn immerhin lag oberhalb des Saronischen Golfs, nördlich von Korinth, Eleusis, ein wichtiges Kultzentrum, das schon Homer besang ( Hymne an Demeter 478 - 79) und das große Anziehungskraft besaß (vgl. Cicero, der selbst Eingeweihter der Eleusinischen Mysterien war, in De Legibus 2. 14. 36). Zu den Einweihungsriten dieser heidnischen Religion gehörte die Vollziehung bestimmter Reinigungsrituale im Meer, deren Absolvierung die Vorbedingung für die Hoffnung auf ein glückliches Leben im Jenseits war (vgl. Pindar, Fragment 212; Sophokles, Fragment 753). Es gab aber auch so etwas wie eine stellvertretende Teilnahme an den Mysterien (vgl. Orphika, Fragment 245). Da die Korinther ohnehin zu Auswüchsen in ihrer kirchlichen Praxis neigten ( 1Kor 11,2-14,40 ), ist anzunehmen, daß einige Leute (möglicherweise beeinflußt von der Eleusinischen Mysterienreligion) in der Gemeinde ein falsches Tauf Verständnis propagierten, das Paulus an dieser Stelle aufgreift und als Argument gegen diejenigen, die die Auferstehung leugneten, verwendet. Auch das ist keine vollständig zufriedenstellende Deutung des Textes, doch für diese Auslegung spricht vor allem auch der griechische Text - ein Vorteil, den die anderen Erklärungen zumeist nicht haben. Zu dieser Sichtweise paßt auch, daß Paulus davon spricht, daß sich "einige" - von denen er die Christen ("wir") eindeutig abhebt - für die Toten taufen lassen .



1Kor 15,30-32


Im Gegensatz zu den zuvor angesprochenen Praktiken führt der Apostel danach sein eigenes Leben als überzeugenden Beleg für seinen festen Glauben an die Gewißheit der Auferstehung an. Manche Korinther mögen ihm vielleicht Doppelzüngigkeit vorwerfen (vgl. 2Kor 1,12-14; 2,17; 6,8 ), doch für einen Narren kann ihn niemand halten, auch wenn er behauptet, daß er in der Tat ein Tor wäre, wenn er seinen mühseligen und gefahrvollen Dienst täte, ohne an die Auferstehung zu glauben. Immer wieder ist sein Leben bedroht gewesen ( "ich sterbe täglich" ; vgl. 2Kor 6,4-5; 11,23-28 ). Mindestens einmal hatte er den sicheren Tod vor Augen ( 2Kor 1,8-9 ), wahrscheinlich damals, als er in Ephesus mit wilden Tieren kämpfte. Wenn Paulus dabei auch wohl nicht wirklich in einer Arena den Löwen vorgeworfen wurde, so war es für ihn doch dasselbe, denn er hatte die Hoffnung auf Rettung bereits aufgegeben. Warum sollte ein Mensch all das auf sich nehmen, wenn er glaubt, nur dieses eine Leben zu besitzen? Dann hätten doch wohl die Epikureer (und viele weniger philosophisch denkende Menschen vor ihnen; vgl. Jes 22,13 ) recht, die die Devise propagieren: "Tu, was dir gefällt und Versuche, Schmerzen zu vermeiden" (vgl. Epikur, Brief an Menoeceus 128). Paulus aber weiß, daß es noch etwas anderes gibt, und sein Leben ist ein Zeugnis dafür (vgl. 1Kor 9,24-27; 2Kor 4,16-18 ).



1Kor 15,33-34


Sein abschließender Rat im Zusammenhang mit den Gemeindegliedern, die die Auferstehung hartnäckig leugnen, deckt sich mit der Anweisung, die er für den Umgang mit moralisch verderbten Gliedern erteilt hat ( 1Kor 5 ): Laßt euch nicht mit ihnen ein. In Kapitel 5 hat er die Unmoral, die in der Gemeinde herrscht, mit Sauerteig verglichen (V. 6 ); hier zitiert er in ganz ähnlichem Sinne den heidnischen Schriftsteller Menander ( Thais 218): "Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten." Die Christen sollen sich von den falschen Lehrern fernhalten (vgl. 2Kor 6,14-7,1 ), die, obwohl sie immer von ihrer Erkenntnis sprechen, doch nichts von Gott wissen (vgl. 1Kor 8,2 ). Können die weisen Korinther sich wirklich so leicht täuschen lassen (vgl. 2Kor 11,3 )?



2. Antworten auf bestimmte Fragen
( 15,35-58 )


Im vorhergehenden Abschnitt (V. 1-34 ) ging Paulus auf die in Vers 12 angedeutete Frage ein, warum die Christen an die Auferstehung glauben sollen. Er führte dabei Argumente ins Feld, die in der Geschichte, im logischen Denken, in der Theologie und der Erfahrung der Menschen begründet liegen. Im folgenden wendet er sich nun zwei anderen Fragen der Korinther zu: Wie wird die Auferstehung vor sich gehen? Wie wird der auferstandene Leib beschaffen sein?



a. Die Auferstehung der Toten
( 15,35-49 )


1Kor 15,35-37


Ein Einwand gegen den Glauben an eine Auferstehung mag darin begründet sein, daß sie so unvorstellbar ist. Darauf deuten jedenfalls die Fragen der Gemeinde hin: Wie werden die Toten auferstehen, und mit was für einem Leib werden sie kommen? Paulus findet derartige Fragen relativ müßig und dumm, wie seine Anrede "du Narr" (wörtlich: "wie gedankenlos") zeigt. Er vergleicht die Auferstehung mit Saat und Ernte. Auch sie Versteht man nicht restlos, und dennoch sind beide Vorgänge Wirklichkeit. Wie die aus dem Samenkorn wachsende Pflanze, so verhält sich der natürliche Leib zum auferstandenen. Die Pflanze entwickelt sich zwar direkt aus dem Samen, und doch unterscheidet sie sich erheblich von ihm.



1Kor 15,38-41


Die Vielfalt der Schöpfung spiegelt den Willen ihres Schöpfers ( 1Mo 1,1-27 ). Die Unterschiede in der belebten ( Menschen ... Vieh ... Vögel ... Fische ) und der unbelebten Schöpfung ( Sonne ... Mond ... Sterne ) sind ein Beweis für Gottes Herrlichkeit und preisen ihn (vgl. Ps 148,13 ). Die größere Herrlichkeit der himmlischen Körper im Vergleich zu den irdischen Körpern entspricht für Paulus dem Unterschied zwischen dem geistlichen und dem natürlichen Leib (vgl. Dan 12,3 ,wo die auferstandenen Heiligen mit Sternen verglichen werden; vgl. auch Mt 13,43 ).



1Kor 15,42-44 a


Der natürliche Leib ist ein gefallener Leib und daher sterblich, unvollkommen und schwach. Der geistliche Leib dagegen wird ewig, vollkommen und stark sein (vgl. 2Kor 5,1-4 ). Wie zwischen dem Saatkorn und der Pflanze besteht zwischen den beiden Leibern zwar eine gewisse Kontinuität, doch zugleich auch ein sichtbarer Unterschied in ihrer Herrlichkeit.


1Kor 15,44-49 (1Kor 15,44b-49)


Der Gegensatz zwischen Adam und Christus wird hier auf eine knappe Formel gebracht (vgl. V. 22 ): Adam verkörperte den irdischen (V. 40 ), natürlichen Leib (das Wort, das hier mit "Wesen" übersetzt ist, psychE , V. 45 , ist mit psychikos , in V. 44 mit "natürlich" wiedergegeben, verwandt). Diesen Leib hat er allen seinen Nachkommen vererbt (der Mensch ohne den Geist Gottes ist der natürliche [ psychikos ] Mensch; vgl. 1Kor 2,14 ). Der letzte Adam , Christus, ist dagegen die Verkörperung des himmlischen, geistlichen Leibes ( 1Kor 15,40.44 ), den auch die, die zu ihm gehören (V. 23 ; vgl. 1Kor 2,15 ), empfangen werden, wenn er vom Himmel kommen wird (vgl. Phil 3,20-21 ). Die ganze Ernte wird dann sein wie der Erstling ( 1Kor 15,23; vgl. Kol 1,18 ). Zuerst muß das Saatkorn sterben; dann wird der geistliche Leib zum Vorschein kommen.



b. Die Entrückung der Lebenden
( 15,50-58 )


1Kor 15,50


Was geschieht mit denen, die bei Christi Rückkehr auf der Erde leben? Auch auf diese unausgesprochene Frage geht Paulus ein. Aus allem, was über die Notwendigkeit, daß der irdische Leib dem himmlischen Platz machen muß, gesagt ist, folgt, daß Fleisch und Blut, der irdische Leib, nicht in die Ewigkeit eingehen können (vgl. V. 24-28 ).



1Kor 15,51-52


Das hier Gesagte schreibt Paulus auch den Thessalonichern ( 1Thes 4,15-17 ). Die Entrückung der Kirche ist ein Geheimnis ( mystErion ), von dem im Alten Testament noch nicht die Rede war und das erst jetzt offenbart wurde. (Vgl. andere "Geheimnisse" - jetzt offenbarte Wahrheiten - in Mt 13,11; Lk 8,10; Röm 11,25; 16,25; 1Kor 4,1; Eph 1,9;3,3-4.9;5,32; Kol 1,26-27; 2,2; 4,3; 2Thes 2,7; 1Tim 3,9.16; Offb 1,20; 10,7; 17,5 .) Als erste werden die Toten in Christus auferweckt werden, danach werden die Lebenden in einem einzigen Augenblick verwandelt werden. Wie im Alten Testament werden die Posaunen Gottes Gegenwart ankündigen (vgl. 2Mo 19,16 ). Das ist das letzte Zeichen für die Kirche, denn das, was damit anbricht, wird ewig währen (vgl. 1Kor 13,12 ). (Die Stelle bietet keinerlei Anhalt für eine Gleichsetzung dieses Signals mit der siebten Posaune in Offb 11,15-19 .Die Posaunen in der Offenbarung verkündigen das Gericht in der Zeit der Großen Trübsal, während die Posaune in 1Kor 15,52 sich auf die Kirche bezieht.)



1Kor 15,53-54


Wie die Toten (V. 42-43 ) werden auch die Lebenden statt ihres zeitlichen und unvollkommenen Leibes einen ewigen und vollkommenen Leib erhalten (vgl. 1Kor 13,10 ). Über die, die zu Christus gehören, wird der Tod keine Macht mehr haben.



1Kor 15,55


Wie in der Anspielung auf Jes 25,8 im vorigen Vers bezieht sich Paulus auch hier auf eine alttestamentliche Textstelle, die das Ende des Todes prophezeit ( Hos 13,14 ). (Beide Male modifiziert Paulus den Originaltext etwas, der so in keiner der erhaltenen griechischen oder hebräischen Fassungen zu finden ist.) Die scheinbaren Siege, die Satan im Paradies ( 1Mo 3,13 ) und auf Golgatha ( Mk 15,22-24 ) errungen hatte, wurden am Kreuz in Niederlagen verkehrt ( Kol 2,15; Hebr 2,14-15 ) und in der Auferstehung Christi endgültig überwunden. Aus der Gewißheit heraus, daß die Heiligen auferstehen werden, kann Paulus Tod und Satan Verspotten.



1Kor 15,56-57


Wie das Wort "Sieg" am Schluß von Vers 54 Paulus zu seinem Jubelruf in Vers 55 veranlaßte, so verführt das Wort "Stachel" in Vers 55 ihn zu dem kurzen Exkurs in Vers 56-57 . Wie andere theologisch wichtige Gedanken in diesem Kapitel (V. 21-22 ) greift er auch diese Verse später im Römerbrief nochmals ausführlicher auf ( Röm 7,7-13 ). Der Tod ist die Folge der Auflehnung und des Ungehorsams der Menschen gegen die Gebote Gottes ( 1Mo 3,17-19 ). Das Gesetz , das diese Gebote enthält, ist der Spiegel, in dem die menschliche Auflehnung und Gehorsamsverweigerung sichtbar wird. Wie der erste Adam sündigten auch alle Menschen nach ihm (vgl. 1Kor 2,14 ). Doch durch den Gehorsam des letzten Adam, unseres Herrn Jesus Christus ( 1Kor 15,45; vgl. Röm 5,19; Phil 2,8-11 ), kamen der "Sieg" und das Leben ( 1Kor 15,22; vgl. 1Kor 2,15-16 ).


1Kor 15,58


Paulus verknüpft seine dogmatischen Ausführungen stets mit ganz praktischen Direktiven, und auch dasvorliegende Kapitel bildet darin keine Ausnahme. Die Korinther werden aufgefordert, in der Lehre der Apostel fest zu bleiben (V. 2 ) und sich nicht von falschen Lehrern beirren zu lassen (vgl. Eph 4,14 ). Die Gewißheit, in der sie leben dürfen, insbesondere die Gewißheit der Auferstehung, muß ihnen ein Anstoß sein, Gott treu zu dienen (vgl. 1Kor 3,8; Gal 6,9 ), denn ihre Arbeit in dem auferstandenen Herrn wird nicht vergeblich ( kenos , "leer"; vgl. 1Kor 15,10.14.17 ) sein.



D. Ratschläge hinsichtlich der Kollekte für die Armen
( 16,1-4 )


Die Erörterungen des vorigen Kapitels über theologische Grundsatzfragen bis hin zu einer abschließenden Mahnung zur Nächstenliebe münden nahtlos in die Auseinandersetzung mit einem ganz praktischen Ausdruck des zuvor verfochtenen Glaubens - die Sorge für andere, insbesondere für die Armen in Jerusalem.



1Kor 16,1


Auch in diesem Zusammenhang nimmt Paulus wieder auf eine Frage der Korinther Bezug (vgl. 1Kor 7,1 ). Es geht darin um die Sammlung für die Heiligen (vgl. 1Kor 1,2 ) in Jerusalem ( 1Kor 16,3 ). Die Korinther hatten offensichtlich durch die Gemeinden in Galatien , die ersten von Paulus gegründeten Kirchen in Derbe, Lystra, Ikonion und im pisidischen Antiochia ( Apg 13,14- Apg 14,23 ), von dieser Kollekte gehört, und der Apostel wiederholt ihnen nun die Anweisungen, die er auch den Galatern gegeben hat.



1Kor 16,2


Paulus verwendet auffälligerweise niemals den Begriff des "Zehnten", obwohl ihm die Spendenbereitschaft der Gemeinden mehr am Herzen liegt als irgendeinem anderen der Verfasser der neutestamentlichen Schriften. Die Gläubigen in Korinth sollen regelmäßig jeden Sonntag, wenn sich die Gemeinde Versammelt, etwas spenden, und zwar entsprechend ihrem Einkommen: jeder soviel, wie ihm möglich ist ( Apg 11,29 ). Natürlich können manche dabei einen größeren Anteil beitragen, während andere, die weniger wohlhabend sind, weniger geben können. Entscheidend ist jedoch, daß die Spenden in einer Gemeinschaftsaktion zusammenkommen und jeder sich daran beteiligt, ganz gleich, wieviel er besitzt. Paulus will keine Sammlung in letzter Minute, kurz vor der Übergabe der Kollekte an die Armen in Jerusalem, und er möchte frohe und keine mürrischen Geber ( 2Kor 9,5 ) - wie es der Fall wäre, wenn die Gemeindeglieder sich nur auf emotionale Appelle oder persönlichen Druck hin von ihrem Geld trennten.



1Kor 16,3-4


Paulus war in Geldangelegenheiten stets ungemein darauf bedacht, daß alles einwandfrei zuging. Er vermied es nicht nur, für sich selbst um etwas zu bitten (vgl. 1Kor 9,12.15 ), sondern achtete auch, wenn er für andere sammelte, streng darauf, sowenig wie möglich und auf jeden Fall nicht allein mit der Gabe in Berührung zu kommen. Statt dessen ordnet er deshalb an, daß die Verschiedenen an der Spendenaktion beteiligten Gemeinden Abgesandte bestimmen, die die Kollekte überbringen sollen (vgl. 2Kor 8,19-21 ), und die er selbst allenfalls begleiten will, falls es erforderlich sein sollte.



E. Reisepläne
( 16,5-12 )


Die Bemerkung, daß er die Korinther in Zusammenhang mit der Kollekte bald selbst aufsuchen will, führt wieder zu einem kurzen Exkurs, diesmal über die Reisepläne des Apostels.



1Kor 16,5


Paulus will Ephesus, wo er sich zur Zeit aufhält (V. 8 ), nun bald verlassen und durch Mazedonien reisen, das Gebiet nördlich von Korinth, in dem die blühenden Städte Philippi, Thessalonich und wahrscheinlich auch Beröa lagen (vgl. Apg 20,4 ,wo ein Abgesandter aus Beröa Paulus begleitet). Auch diese Gemeinden wollen zur Sammlung für die Bedürftigen in Jerusalem beitragen (vgl. 2Kor 8,1-4 ).



1Kor 16,6-7


Er hofft, auf dieser Reise (vgl. Apg 19,21 ) auch einen Abstecher nach Korinth machen und dort vielleicht den Winter verbringen zu können, da eine Seereise in dieser Zeit nicht ratsam ist (vgl. Apg 27,9-44 ). Das tat der Apostel dann wohl auch (vgl. Einführung ), wenn auch nicht so, wie er es hier plant. Die Änderung seiner Pläne war später Anlaß zu erneuten Problemen mit den Korinthern (vgl. 2Kor 1,15-2,1 ). Was Paulus mit den Worten "damit ihr mich dann dahin geleitet, wohin ich ziehen werde" meint, wird später klar ( 1Kor 16,11 ). Er wünscht sich, daß seine Abreise "in Frieden" geschieht und damit dem Willen des Herrn entspricht (vgl. Jak 4,15 ).



1Kor 16,8-9


Vorläufig möchte er jedoch in Ephesus bleiben , wo er im Moment großen Erfolg hat, aber auch auf heftigen Widerstand stößt. Dieser Satz gibt einigen Aufschluß über die Art und Weise, wie Paulus sein Amt wahrnahm; offensichtlich wertete er Widerstand als Zeichen für den Erfolg seiner Arbeit und als Grund, weiterzumachen, nicht etwa wegzulaufen (vgl. Apg 19,30-31 ). Das wurde wahrscheinlich auch seinen Gegnern in Korinth schon bald klar ( 1Kor 4,18-21 ).

 

1Kor 16,10-11


In der Zwischenzeit möchte er ihnen jedoch seinen geliebten Mitarbeiter Timotheus schicken, der häufig an Paulus' Stelle reiste (vgl. Phil 2,19-24 ). Daß Timotheus in Korinth Anlaß zur Furcht hatte, ist ein Beleg dafür, daß der Umgang mit der Gemeinde dort alles andere als einfach war, wie auch der vorliegende Brief beweist. Es sagt zudem einiges über Timotheus' Charakter aus, einen glaubensfesten Mann ( Phil 2,19-21 ), dem jedoch die Kühnheit, die Paulus auszeichnete, fehlte (vgl. 1Tim 4,12; 2Tim 1,7-8; 1Kor 2,1 ).

Die Identität der Brüder , die Timotheus begleiten, ist nicht ganz klar. Manches spricht dafür, daß Timotheus Ephesus mit Erastus zusammen verließ ( Apg 19,22 ). Vielleicht schlossen sich ihnen noch andere Männer an, die später auch die Reisegesellschaft bildeten, die zusammen mit Paulus der Jerusalemer Gemeinde die Kollekte überbrachte ( Apg 20,4 ).



1Kor 16,12


Die letzte Frage der Korinther betrifft Apollos . Anscheinend haben sie gefragt, ob es möglich sei, daß er sie nochmals besuche. Paulus antwortet, daß er ihn schon oft dazu ermahnt habe, daß der begnadete Alexandriner jedoch beschlossen habe, bei Paulus in Ephesus zu bleiben ( Apg 19,22 ). Im selben Brief hat Paulus sich selbst und Apollos als "Gottes Mitarbeiter" bezeichnet ( 1Kor 3,9 ). Dieser Vers ist ein beredtes Zeugnis dafür, daß der große Apostel sich nicht als Meister sah, sondern als Diener Gottes, der mit anderen zusammen für Gott arbeitete.


V. Schlußwort
( 16,13-24 )


A. Ermahnung zu angemessenem Verhalten und Empfehlungen
( 16,13-18 )


1Kor 16,13-14


Den Schluß des Briefes leitet Paulus mit einer pointierten, fünfteiligen Ermahnung ein. Die Aufforderung "wachet" ( grEgoreite ) könnte auch mit "seid sorgsam bei der Ausführung des Willens Gottes" wiedergegeben werden (vgl. 1Kor 15,58; "nehmt immer zu in dem Werk des Herrn"). Angesichts der Empfänglichkeit der Korinther für die Einflüsterungen falscher Lehrer (vgl. 2Kor 11,3 ) war die Ermahnung "steht im Glauben" sicherlich ebenso angebracht (vgl. 1Kor 15,1.58 ) wie die abschließende Ermutigung (vgl. den griechischen Text mehrerer Psalmen, z. B. 27,14; 31,25 ) "seid mutig und seid stark" , d. h. verhaltet euch wie reife, erwachsene Menschen (vgl. 1Kor 14,20 ) und nicht wie Kinder, die leicht erschüttert werden können (vgl. Eph 4,14 ). Wachsamkeit und Treue sind nötig, wenn alles in der Liebe geschehen soll (vgl. 1Kor 12,31 b - 1Kor 14,1 ).



1Kor 16,15-16


Die römische Provinz Achaja, deren Hauptstadt Korinth war, erstreckte sich über Mittel- und Südgriechenland. Die Angehörigen des Hauses des Stephanas waren unter den ersten Bekehrten in diesem Gebiet (vgl. Apg 17,34 ,denn auch in Athen bekehrten sich manche zum Christentum), und sie gehörten zu denen, die Verantwortung für das Wohl der neuen Gemeinde übernahmen. Manchmal ernannte Paulus selbst Älteste ( Apg 14,23 ), doch in diesem Fall hatten Mitglieder des Hauses von Stephanas diese Verantwortung anscheinend freiwillig übernommen (vgl. 1Tim 3,1 ). Für Paulus sind sie von Gott in diese Funktion eingesetzt. Daher fordert er die anderen auf, sich solchen unterzuordnen. Die Art und Weise, wie hier der Begriff des "Hauses" verwendet wird, spricht im übrigen stark gegen die Auffassung, daß damit alle Mitglieder des Haushaltes, einschließlich der Kleinkinder gemeint sind, denn man kann sie sich schwer im Dienst für die Heiligen vorstellen. Mit die wichtigste Qualifikation für die Leitung der Gemeinde ist die Bereitschaft zu dienen (vgl. Mt 23,11; Lk 22,26 ). Leuten, die in diesem Geist arbeiten, sollen die anderen Glieder der Gemeinde eine führende Stellung einräumen und ihnen gehorchen.



1Kor 16,17-18


Schon allein durch ihre Gegenwart haben drei Männer aus der korinthischen Gemeinde - Stephanus und Fortunatus und Achaikus - den Apostel aufgemuntert und ermutigt, trotz der Tatsache, daß sie wahrscheinlich die schlechten Nachrichten, die er von den Leuten Chloes erfahren hatte ( 1Kor 1,11 ), bestätigten. Vermutlich waren sie die Überbringer des Briefes der Korinther, auf den der Apostel hier antwortet ( 1Kor 7,1 et al.).



B. Grüße, Fluch und Segen
( 16,19-24 )


1Kor 16,19


Die Gemeinden in der Provinz Asien - möglicherweise die, von denen auch Offb 2-3 spricht - schließen sich Paulus in den Grüßen an ihre Schwestergemeinde in Korinth an (vgl. 1Kor 1,2 ). Aquila und Priska waren Zeltmacher, die Paulus in Korinth getroffen hatte und bei denen er wohnte. Sie waren ihm nach Ephesus gefolgt, wo sie sich niederließen und ihr Haus der Gemeinde als Versammlungsort zur Verfügung stellten (vgl. Röm 16,3-5 ). Natürlich waren sie der korinthischen Gemeinde noch bekannt.



1Kor 16,20


Alle Brüder ( 1Kor 1,11; 16,17 ) bezieht sich entweder auf Mitglieder der Gemeinde in Korinth, die sich zur Zeit in Ephesus aufhielten, oder auf Gläubige in Ephesus, die sich in einem anderen Haus, nicht in dem von Aquila und Priska, trafen, oder auch einfach auf alle Gemeinden in der Provinz Asien.

Der heilige Kuß (vgl. 2Kor 13,12; Röm 16,16; 1Thes 5,26; 1Pet 5,14 ) war in erster Linie ein Symbol der Liebe, Vergebung und Einheit, die unter Christen herrschen sollen. Als solcher wurde er dann mit der Feier des Abendmahls assoziiert und vor dem Brechen des Brotes ausgetauscht (vgl. Justinus, Apologie 1. 65. 2). Er war Ausdruck der nahezu familiären Bindung, die die Gläubigen einte. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß er in neutestamentlicher Zeit nur unter Angehörigen desselben Geschlechts üblich war (vgl. Lk 7,37.45 ). Dieser Gedanke stammt erst aus dem späten 2. Jahrhundert; er ging auf die Furcht vor Kritik von Nichtchristen und auf die Gefahr erotischen Mißbrauchs zurück (vgl. Athenagoras, Bittschrift für die Christen 32; Clemens von Alexandria, Der Erzieher 3. 81. 2 - 4). Ab dem dritten Jahrhundert scheint dann beim heiligen Kuß die Geschlechtertrennung vollzogen worden zu sein ( Apostolische Konstitutionen 2. 57. 17), und ab dem 4. Jahrhundert wurde zusätzlich noch zwischen Geistlichen und Laien unterschieden ( Apostolische Konstitutionen 8. 11. 9). In der Kirche zur Zeit des Neuen Testaments, in der die Liebe der Christen untereinander allgemein ganz offen zum Ausdruck gebracht wurde, war das allerdings offensichtlich noch nicht der Fall.



1Kor 16,21


Es folgen die Schlußworte, die Paulus, wie er eigens hervorhebt, mit eigener Hand schrieb. Den übrigen Brief hat er offensichtlich diktiert (vgl. Röm 16,22; Gal 6,11 ).



1Kor 16,22


Zu Beginn steht eine leidenschaftliche Warnung, die wahrscheinlich den falschen Lehrern gilt (vgl. 1Kor 12,3 ), die, wie der Apostel vermutet,bereits in der Gemeinde tätig sind (vgl. 2Kor 11,3-4 ). Das Verb liebhaben ( philei ) ist mit dem Substantiv philEmati , "Kuß", in 1Kor 16,20 verwandt. Es ist ein Ausdruck der Bewunderung und Ergebenheit - Eigenschaften, die die falschen Brüder nicht besitzen. Paulus beschwört den Zorn Gottes auf sie herab (vgl. Gal 1,8-9 ) und bittet im selben Atemzug um die Rückkehr Christi (vgl. Mt 7,21-23; Offb 22,20 ). Die griechische Wendung "Maranata" , eine Transliteration aus dem Hebräischen, bedeutet "unser Herr, komm".



1Kor 16,23-24


Für die christliche Gemeinde in Korinth erbittet Paulus, was sie am dringendsten braucht: die Gnade des Herrn Jesus (vgl. 1Kor 1,4 ). Er Versichert sie, obwohl sie das kaum verdienen, seiner leidenschaftlichen, wenn auch unerwiderten (vgl. 2Kor 6,11-13;12,15 ) Liebe ( agapE ) und umarmt sie, die uneins geworden sind (vgl. 1Kor 1,10 ), als ihr geistlicher Vater in Christus Jesus ( 1Kor 4,15 ).



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