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Mk 8 >=< Lk 9 4000 resp. 5000

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  • Mk 8 >=< Lk 9 4000 resp. 5000

    Frage von Jürg

    Lieber Hans Peter,
    kannst du mir mit Worten für einen 11jährigen und einen 12jährigen Sohn weiterhelfen?

    Kurze Vorgeschichte:
    Bevor der Schulbus kommt lesen wir am Morgen gemeinsam die Bibel.
    Mein Ältester derzeit Markus, mein Jüngster Lukas.
    Jeweils max. ein Kapitel.
    Bei der Frage, warum Markus 8 die Rede von 4000 ist und bei Lukas 9,10 von 5000,
    was sich zufällig bei der Lesung ergab, hatte ich nur eine wackelige Antwort.
    Kannst du mir helfen?
    Im Herrn Jesus Christus
    Hans Peter Wepf
    1. Mose 15.6

  • #2
    Mk 8 &gt;=&lt; Lk 9 4000 resp. 5000

    Lieber Jürg

    Nochmals Markus Kapitel 6 lesen, bei dieser Speisung sind es 5000.
    Es gibt eben 2 Speisungen.

    Liebe Grüsse
    Martin K.

    Kommentar


    • #3
      AW: Mk 8 &gt;=&lt; Lk 9 4000 resp. 5000

      Markus gekommen um zu Dienen Stefan Ulrich ex Bibelkommentare.de
      Vorwort
      In diesem Buch nimmt der Autor uns von Kapitel zu Kapitel mit, um Schönheiten an der Person unseres Herrn und Heilandes zu finden. Gleichzeitig geben die verschiedenen Begebenheiten immer wieder Denkanstöße für unser tägliches Leben in der Nachfolge des Herrn, der unser Vorbild ist.
      Diese Aufzeichnungen sind anlässlich einer gemeinsamen Betrachtung über das Markusevangelium entstanden. Dabei wurde auch auf bekannte Betrachtungen und Bibelauslegungen zurückgegriffen. Der Leser wird das ein wenig am Stil wiedererkennen und sich dabei an der Fülle der Gedanken und der lebhaften Darstellungsweise erfreuen. Dabei erhebt das Buch nicht den Anspruch, eine vollständige Auslegung zu jedem Abschnitt zu geben.
      Die Literaturangaben am Ende des Buches sind dem eifrigen Bibelleser eine Hilfe, um weiterführende Literatur zu finden.
      Wir sind dankbar, dieses Buch über unseren Herrn – der kam, um zu dienen – herausgeben zu können, und wünschen, dass der Herr sich selbst groß macht.
      Die Herausgeber, April 2016
      Einleitung


      Thema und Charakter
      Das Evangelium nach Markus ist durch eine kurze, prägnante und gedrängte Darstellungsweise charakterisiert. Dabei liegt der Schwerpunkt der Berichterstattung auf den Taten des Herrn. Markus ist der Evangelist, der die Ereignisse wohl am genauesten in ihrer chronologischen Reihenfolge wiedergibt. Begebenheiten, die keinen direkten Bezug zu dem Dienst des Herrn haben, lässt er weg, während andere Handlungen nur von ihm geschildert werden (z. B. die Heilung des Taubstummen in Kapitel 7,31–37 und die Heilung des Blinden in Kapitel 8,22–26). Auffallend oft wird in diesem Evangelium der Ausdruck „sogleich“ sowie das Wort „und“ benutzt. Dadurch werden die Unverzüglichkeit und die Unermüdlichkeit im Handeln und Dienen des Herrn deutlich.
      Ebenso fällt auf, dass weder der Stammbaum noch die Geburt des Herrn Jesus erwähnt werden, dafür aber sofort im ersten Kapitel über seinen Dienst berichtet wird.
      Aus diesen Besonderheiten und aus vielen anderen Hinweisen wird das Thema dieses Evangeliums deutlich: die Beschreibung des Herrn Jesus als vollkommener Knecht und Diener Gottes (Mk 10,45).
      Darüber hinaus wird Er als der wahre Prophet Gottes vorgestellt, der in Vollmacht seine Botschaft verkündigt (Mk 1,14.15).
      In diesen Eigenschaften als Knecht und Prophet Gottes war der Herr im Alten Testament angekündigt worden: Jesaja 42,1; 52,13–15 und Sacharja 3,8 sprechen von Ihm als dem Knecht Gottes. In 5. Mose 18,15 wird Er als der Prophet Gottes angekündigt.
      Diese Stellen aus dem Alten Testament kann man als Überschriften für das Markusevangelium nehmen. Eine Überschrift aus dem Neuen Testament kann in Apostelgeschichte 10,38 gefunden werden: „Jesus, der von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umherging, wohltuend und alle heilend, die von dem Teufel überwältigt waren.“
      Wenn der Herr Jesus als Knecht vorgestellt wird, liegt der Schwerpunkt auf seinem Gehorsam im Dienst. Das Motiv seines Dienstes ist die Liebe (siehe auch 2. Mo 21,2–6). Bei dem Gedanken an den Herrn als Diener wird der Blick auf seine Treue in der Ausübung des Dienstes gelenkt. Das Bild des Knechtes macht deutlich, was der Herr Jesus in seinem Dienst für Gott war. Das Bild des Dieners zeigt mehr, was sein Dienst für uns bedeutet.
      Unter dem Bild des Propheten wird der Herr als derjenige gezeigt, der aus der Gegenwart Gottes kommt und seine Botschaft bringt.
      Diese Beschreibung des Herrn als Diener und Knecht gibt den Gläubigen Anschauungsunterricht für wahren Dienst.
      Der Verfasser
      Der Schreiber dieses Evangeliums ist mit großer Sicherheit Johannes Markus. Seine Mutter Maria wohnte in Jerusalem (Apg 12,12). Er war ein Neffe oder Vetter des Barnabas und wurde von ihm und dem Apostel Paulus als Diener auf ihre erste Missionsreise mitgenommen (Apg 12,25; 13,5). In Perge in Pamphylien verließ Markus die beiden aber und ging nach Jerusalem zurück. Sein Verhalten führte zu einer Trennung zwischen Paulus und Barnabas, als Barnabas Markus auf die zweite Missionsreise mitnehmen wollte (Apg 15,37–39). Mehrere Jahre vergingen, ohne dass etwas von Markus berichtet wird. Vor dem Hintergrund von Philemon 24 und Kolosser 4,10 kann man davon ausgehen, dass Markus ganz wiederhergestellt und ein brauchbarer Mitarbeiter für Paulus wurde. Er stellt ihm in 2. Timotheus 4,11 ein sehr schönes Zeugnis aus. Auch der Apostel Petrus berichtet von Markus und nennt ihn seinen „Sohn“ (1. Pet 5,13). Damit deutet er wohl ein besonders inniges geistliches Verhältnis an, das zwischen ihm und Markus bestand. Markus war ebenso wie Lukas kein Apostel und kein direkter Augenzeuge der Ereignisse in den Tagen, als der Herr auf der Erde war.
      Diesen Diener, der früher versagt hatte, dann aber durch die Gnade Gottes völlig wiederhergestellt wurde, benutzt der Heilige Geist in seiner Weisheit, um das Evangelium niederzuschreiben, das den Herrn als den vollkommenen Diener Gottes vorstellt.

      Einleitung


      Thema und Charakter
      Das Evangelium nach Markus ist durch eine kurze, prägnante und gedrängte Darstellungsweise charakterisiert. Dabei liegt der Schwerpunkt der Berichterstattung auf den Taten des Herrn. Markus ist der Evangelist, der die Ereignisse wohl am genauesten in ihrer chronologischen Reihenfolge wiedergibt. Begebenheiten, die keinen direkten Bezug zu dem Dienst des Herrn haben, lässt er weg, während andere Handlungen nur von ihm geschildert werden (z. B. die Heilung des Taubstummen in Kapitel 7,31–37 und die Heilung des Blinden in Kapitel 8,22–26). Auffallend oft wird in diesem Evangelium der Ausdruck „sogleich“ sowie das Wort „und“ benutzt. Dadurch werden die Unverzüglichkeit und die Unermüdlichkeit im Handeln und Dienen des Herrn deutlich.
      Ebenso fällt auf, dass weder der Stammbaum noch die Geburt des Herrn Jesus erwähnt werden, dafür aber sofort im ersten Kapitel über seinen Dienst berichtet wird.
      Aus diesen Besonderheiten und aus vielen anderen Hinweisen wird das Thema dieses Evangeliums deutlich: die Beschreibung des Herrn Jesus als vollkommener Knecht und Diener Gottes (Mk 10,45).
      Darüber hinaus wird Er als der wahre Prophet Gottes vorgestellt, der in Vollmacht seine Botschaft verkündigt (Mk 1,14.15).
      In diesen Eigenschaften als Knecht und Prophet Gottes war der Herr im Alten Testament angekündigt worden: Jesaja 42,1; 52,13–15 und Sacharja 3,8 sprechen von Ihm als dem Knecht Gottes. In 5. Mose 18,15 wird Er als der Prophet Gottes angekündigt.
      Diese Stellen aus dem Alten Testament kann man als Überschriften für das Markusevangelium nehmen. Eine Überschrift aus dem Neuen Testament kann in Apostelgeschichte 10,38 gefunden werden: „Jesus, der von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umherging, wohltuend und alle heilend, die von dem Teufel überwältigt waren.“
      Wenn der Herr Jesus als Knecht vorgestellt wird, liegt der Schwerpunkt auf seinem Gehorsam im Dienst. Das Motiv seines Dienstes ist die Liebe (siehe auch 2. Mo 21,2–6). Bei dem Gedanken an den Herrn als Diener wird der Blick auf seine Treue in der Ausübung des Dienstes gelenkt. Das Bild des Knechtes macht deutlich, was der Herr Jesus in seinem Dienst für Gott war. Das Bild des Dieners zeigt mehr, was sein Dienst für uns bedeutet.
      Unter dem Bild des Propheten wird der Herr als derjenige gezeigt, der aus der Gegenwart Gottes kommt und seine Botschaft bringt.
      Diese Beschreibung des Herrn als Diener und Knecht gibt den Gläubigen Anschauungsunterricht für wahren Dienst.
      Der Verfasser
      Der Schreiber dieses Evangeliums ist mit großer Sicherheit Johannes Markus. Seine Mutter Maria wohnte in Jerusalem (Apg 12,12). Er war ein Neffe oder Vetter des Barnabas und wurde von ihm und dem Apostel Paulus als Diener auf ihre erste Missionsreise mitgenommen (Apg 12,25; 13,5). In Perge in Pamphylien verließ Markus die beiden aber und ging nach Jerusalem zurück. Sein Verhalten führte zu einer Trennung zwischen Paulus und Barnabas, als Barnabas Markus auf die zweite Missionsreise mitnehmen wollte (Apg 15,37–39). Mehrere Jahre vergingen, ohne dass etwas von Markus berichtet wird. Vor dem Hintergrund von Philemon 24 und Kolosser 4,10 kann man davon ausgehen, dass Markus ganz wiederhergestellt und ein brauchbarer Mitarbeiter für Paulus wurde. Er stellt ihm in 2. Timotheus 4,11 ein sehr schönes Zeugnis aus. Auch der Apostel Petrus berichtet von Markus und nennt ihn seinen „Sohn“ (1. Pet 5,13). Damit deutet er wohl ein besonders inniges geistliches Verhältnis an, das zwischen ihm und Markus bestand. Markus war ebenso wie Lukas kein Apostel und kein direkter Augenzeuge der Ereignisse in den Tagen, als der Herr auf der Erde war.
      Diesen Diener, der früher versagt hatte, dann aber durch die Gnade Gottes völlig wiederhergestellt wurde, benutzt der Heilige Geist in seiner Weisheit, um das Evangelium niederzuschreiben, das den Herrn als den vollkommenen Diener Gottes vorstellt.

      Markus beginnt sein Evangelium sehr direkt und ohne jeden Hinweis auf die Geburt oder das Geschlechtsregister des Herrn, wie wir es bei Matthäus und Lukas finden. Wenn es um die Beschreibung eines Dieners geht, sind Abstammung oder Geburt unwichtig. Bei einem Diener zählt allein, dass er in Treue seinen Dienst ausführt.
      Der Heilige Geist wacht darüber, dass deutlich wird, dass der Herr trotz seiner tiefen Erniedrigung auf der Erde jederzeit der Sohn Gottes war und ist. Diese Wahrheit finden wir hier im ersten Vers des Evangeliums und in Kapitel 15,39 am Ende des Buches erwähnt. Sie bildet somit einen gewissen Rahmen um das gesamte Evangelium.
      Es ist der Anfang des Evangeliums „Jesu Christi, des Sohnes Gottes“. Der Herr wird in seiner ganzen Würde als vollkommener Mensch (Jesus Christus) und als Gott (Sohn Gottes) vorgestellt. Hier kommt Gott „offenbart im Fleisch“ auf diese Erde (1. Tim 3,16). Er trägt den Namen Jesus, d. h. „der Herr ist Rettung“ (vgl. Anm. zu Mt 1,21). Das ist der Name, den Er als Mensch trägt, dieser eine Name, „in dem wir errettet werden müssen“ (Apg 4,12). Er ist aber auch der Christus, der „Gesalbte Gottes“, der Mann des Ratschlusses Gottes.
      In seinem Sohn beginnt Gott, das Evangelium, die gute Botschaft zu verkündigen. Gott redet jetzt „im Sohn“ zu den Menschen (Heb 1,2). Die zwei Hauptpunkte dieser guten Botschaft sind die Buße und der Glaube, wie aus Vers 14 und 15 hervorgeht.
      Immer, wenn wir in der Heiligen Schrift von einem „Anfang“ lesen, können wir etwas ganz Besonderes erwarten. So geht es z. B. in 1. Mose 1,1 um die Schöpfung Gottes, in Johannes 1,1 um das ewige Wort und hier um den Anfang der Beschreibung des Herrn in Niedrigkeit als Diener auf der Erde.
      Dienst und Auftrag Johannes’ des Täufers

      „... wie geschrieben steht in Jesaja, dem Propheten: „Siehe, ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, der deinen Weg bereiten wird.“ „Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht gerade seine Pfade!“
      Johannes der Täufer trat in der Wüste auf und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. Und das ganze jüdische Land ging zu ihm hinaus und alle Bewohner von Jerusalem; und sie wurden im Jordanfluss von ihm getauft, indem sie ihre Sünden bekannten. Und Johannes war bekleidet mit Kamelhaar und einem ledernen Gürtel um seine Lenden; und er aß Heuschrecken und wilden Honig. Und er predigte und sagte: Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich, dem den Riemen seiner Sandalen gebückt zu lösen ich nicht wert bin. Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit Heiligem Geist taufen“ (Mk 1,2–8).
      Vers 2 enthält einen zweifachen Hinweis auf die Erhabenheit und Gottheit des treuen Knechtes im Markusevangelium. Zunächst ist die Änderung, die der Heilige Geist beim Zitieren des Verses aus Maleachi 3,1 vornimmt, ein Beweis der göttlichen Herrlichkeit des Herrn Jesus. In Maleachi ist es der Herr, der seinen Boten sendet, dass er den Weg bereite vor Ihm (d. h. dem Herrn) her. In dem Zitat des Verses hier ist es immer noch der Herr, der seinen Boten (Johannes) sendet, aber hier vor „deinem Angesicht“ her, das meint: dem Angesicht des Herrn Jesus. Daraus folgt: Der als Mensch auf diese Erde gekommene Jesus ist der Herr (Jahwe) selbst.
      Des Weiteren ist es ungewöhnlich, dass ein Bote vor einem Knecht her gesandt wird. Ein Herold oder ein Vorauskommando wurde früher wie auch heute nur vor großen Würdenträgern her gesandt. Auch dieser Punkt zeigt die Würde des Knechtes, der hier kommt.
      Obwohl dieser Vers aus Maleachi stammt, werden die beiden Zitate in Vers 2 und 3 dem Propheten Jesaja zugeordnet. Warum? Liest man den Vers aus Maleachi 3,1 im Zusammenhang des ganzen Kapitels, so erkennt man, dass das zentrale Thema in Maleachi 3 das Gericht Gottes ist. Dort kommt der Bote Gottes, um das Gericht anzukündigen. Hier im Markusevangelium kommt der Herr Jesus jedoch nicht in erster Linie, um Gericht auszuführen, sondern Er kommt in Gnade – und genau das ist das Thema in Jesaja 40. So können wir auch in der Verbindung dieser zwei Stellen aus Jesaja die Weisheit Gottes erkennen.
      Vers 3 beschreibt den Auftrag Johannes’ des Täufers. Bei den schlechten Straßen früher war es oft erforderlich, dass ein Vorauskommando den Weg vor einer hochgestellten Persönlichkeit von Hindernissen freiräumte. Johannes’ Aufgabe war es, die Herzen des Volkes in moralischer Hinsicht für den Herrn Jesus zuzubereiten. Der Herr war da, um das neue Leben einzuführen. Dazu mussten jedoch die Hindernisse der Sünde in den Herzen beseitigt werden.
      Das Zitat hier stellt einen etwas anderen Gedanken vor als die Originalstelle in Jesaja 40,3. In Jesaja 40 spricht die Stimme eines Rufenden, dass in der „Wüste der Zerstreuung und Gefangenschaft“, in der sich das Volk Gottes befand, ein Weg für ihren Gott gebahnt werden sollte. Hier in Markus 1,3 ist das Volk selbst für seinen Gott eine geistliche Wüste. Und in diese Wüste hat Gott in seiner Gnade seinen Sohn gesandt.
      Die Botschaft dieses Verses können wir ganz praktisch auf uns anwenden. Wir sollten uns täglich die Frage stellen, ob in unseren Herzen gebahnte Wege sind, damit wir seine Botschaft aufnehmen können, oder ob Hindernisse da sind und wir „freie Bahn“ machen müssen.
      Johannes trat in der Wüste auf und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. Die Taufe des Johannes war eine Bußtaufe, die aber kein Leben geben konnte. Die Bußtaufe trennte den gläubigen Überrest von dem übrigen unbußfertigen Volk. Um den rechten Platz vor Gott einzunehmen, musste das Volk zu Johannes hinausgehen: eine Illustration des für alle sichtbaren Stellungswechsels, der in der Taufe allgemein ausgedrückt wird.
      Johannes wies in seiner Predigt auf den Glauben an den Herrn Jesus und die Notwendigkeit der Buße hin. Denn nur in Verbindung mit Ihm kann man neues Leben bekommen. Und Vergebung gibt es nur, wenn echte Buße, verbunden mit einem Sündenbekenntnis, vorhanden ist.
      Die christliche Taufe hat einen anderen Charakter als die Taufe der Buße. Wenn sie in der richtigen Weise an einem Gläubigen vollzogen wird, wird dadurch öffentlich bezeugt, dass dieser Buße getan hat und nun dem Herrn nachfolgen will. Sie trennt den Gläubigen von der Welt.
      Die Taufe wurde im Jordan durchgeführt. Den Jordan finden wir an vielen Stellen in der Schrift. Nur im Jordan, nicht in einem der Flüsse von Damaskus, konnte Naaman, der Syrer, von seinem Aussatz geheilt werden. Auch das Volk Israel konnte nur durch den Jordan in den Bereich des Segens, in das verheißene Land eintreten. So können auch wir den Segen des neuen Lebens nur erlangen, wenn wir uns mit dem Tod des Herrn Jesus einsmachen, wovon der Jordan ein Bild ist.
      Die Kleidung des Johannes war die eines Propheten (2. Kön 1,8).
      Durch seinen Aufenthaltsort, seine Kleidung und seine Nahrung sonderte er sich als Bote des Herrn ab. Er ernährte sich nicht von der Nahrung der Welt und bewahrte so seine Botschaft machtvoll und rein. Auch wir sollen heute solche klaren Wegweiser zum Herrn Jesus sein.
      Vers 7 stellt den besonderen Gegenstand der Predigt des Johannes vor. Er predigte nicht nur die Buße, sondern es war ihm auch eine große Freude, auf den Herrn Jesus hinzuweisen und Ihn den Zuhörern groß zu machen. Die Art und Weise, in denen Johannes von dem spricht, der nach ihm kommen sollte, ist sehr beeindruckend. Er hielt sich nicht für tüchtig genug, dem Herrn den Riemen seiner Sandalen „gebückt“ (diese Ergänzung steht nur bei Markus) zu lösen. Dies zeigt die tiefe Demut und die große Ehrfurcht vor dem Herrn Jesus, durch die Johannes gekennzeichnet war. In Johannes 3,30 sagt er über den Herrn: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen“, und offenbart darin das Wesen eines echten Dieners: den groß machen, dem er dient.
      Wenn hochgestellte Leute in ihr Haus eintraten, wurden ihnen von einem einfachen Diener die Sandalen ausgezogen. Und selbst für diesen niedrigen Dienst hielt Johannes, der größte der Propheten (vgl. Lk 7,28), sich nicht für würdig genug.
      Von dieser Haltung des Johannes und auch von manchen anderen Personen im Neuen Testament (z. B. den Magiern in Mt 2,11 und den Frauen in Lk 8,3) können wir viel für unser praktisches Leben lernen. Wie sehen wir den Herrn Jesus und was bedeutet Er uns? Wir kennen viel mehr von dem Herrn als diese Personen, und doch stehen wir in der Wertschätzung seiner Person oft weit hinter ihnen zurück.
      Wie groß wird uns aber der Herr selbst, wenn wir Ihn, dem hier und auch in den Versen 9–11 so große Ehre widerfährt, in Johannes 13 sehen, wie Er sich bückt und die Füße der Jünger wäscht.
      In Vers 7 hat Johannes den Vergleich zwischen der persönlichen Würde und Stellung des Herrn und seiner eigenen Niedrigkeit gezogen. In Vers 8 stellt er das Tun des Herrn seinem eigenen Handeln gegenüber. Er hatte mit Wasser getauft, der nach ihm Kommende würde mit Heiligem Geist taufen. Wer so etwas tun würde, musste von oben sein, konnte nur Gott selbst sein.
      Die Taufe mit Heiligem Geist fand einmalig in Apostelgeschichte 2 statt, als der Heilige Geist auf die Erde herabkam und die Versammlung der Zeit nach gebildet wurde. Davon spricht auch 1. Korinther 12,13. Wer heute an das Evangelium glaubt, wird nicht mehr mit Heiligem Geist getauft, sondern wird mit Ihm versiegelt, empfängt Ihn als Unterpfand (Eph 1,13.14) und Salbung (1. Joh 2,20.27) und wird der Versammlung hinzugefügt. Der Geist Gottes wohnt in jedem Gläubigen und wird in Ewigkeit bei uns sein (Joh 14,17).
      Die hier von Johannes erwähnte Taufe mit Heiligem Geist verweist auch auf ein noch zukünftiges Ereignis, wenn Gott den Geist über alles Fleisch ausgießen wird (Joel 3,1–3; Jes 32,15; 44,1–5 u. a.).
      Hier wird nicht wie in Matthäus 3 und Lukas 3 von der Taufe mit Feuer gesprochen. Sie redet von Gericht, das der Herr einmal ausüben wird. Das ist nicht das Hauptthema von Markus. Er ist inspiriert, nur das von dem Zeugnis des Johannes zu berichten, was direkt mit dem Dienst des Herrn in Gnade und im Evangelium in Verbindung steht.
      Die Taufe des Herrn im Jordan

      „Und es geschah in jenen Tagen: Jesus von Nazareth in Galiläa kam und wurde von Johannes im Jordan getauft. Und sogleich, als er aus dem Wasser heraufstieg, sah er die Himmel sich teilen und den Geist wie eine Taube auf ihn herniederfahren. Und eine Stimme erging aus den Himmeln: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“ (Mk 1,9–11).
      Der Herr wird hier als „Jesus von Nazareth in Galiläa“ vorgestellt. Das zeigt Ihn als Den, der sich „zu nichts machte“ (Phil 2,7), denn Nazareth war eine sehr verachtete Stadt (siehe Joh 1,46) und Galiläa ein ebenso verachtetes Gebiet. Es wird vielfach angenommen, dass mit dem „Volk, das im Finstern wandelt“, und mit dem „Land des Todesschattens“ in Jesaja 9,1 die Bewohner und das Gebiet von Galiläa gemeint sind (vgl. Mt 4,15.16).
      „Jesus, der Nazaräer“ – das war die verächtliche Bezeichnung für den Herrn seitens der Menschen, die Ihn verwarfen, und doch hat Er diesen Namen mit in den Himmel genommen (Apg 22,8).
      Der Herr „kam“ – dieses Wort ist das erste von vielen in diesem Kapitel, die den Herrn als den Diener zeigen, der stets in Bewegung war (V. 14.16.19 usw). Er, der sündlose Herr, kommt und reiht sich in die Reihe derer ein, die Buße tun, und lässt sich von einem Niedrigeren taufen. Er lässt sich taufen, um sich mit dem bußfertigen Überrest einszumachen.
      Die Taufe ist ein Bild des Todes. Für die Juden, die sich taufen ließen, war es der Tod in einer geistlichen Bedeutung, der Herr musste den Tod jedoch buchstäblich erfahren. Sicherlich dachte Er bei dieser Begebenheit auch an die „Taufe“, mit der Er getauft werden musste (Lk 12,50).
      Sogleich – dieses für das Markusevangelium kennzeichnende Wort wird in Vers 10 zum ersten Mal gebraucht. Ein Mann aus Nazareth musste – bildlich gesprochen – normalerweise lange im Jordan verweilen, da er viele Sünden zu bekennen hatte. Aber der Herr kann „sogleich“ aus dem Jordan heraussteigen. Er ist der Reine und völlig Sündlose, der sich selbst in Nazareth nicht verunreinigt.
      Über dieser Szene am Jordan teilen sich die Himmel. Gott lässt nicht zu, dass Unklarheit herrscht über Den, der sich hier in die Reihe derer stellt, die sich taufen lassen. Jetzt gibt Gott ein zweifaches Zeugnis aus dem Himmel über den „Mann von Nazareth“:
      1. Gott, der Heilige Geist, kommt sichtbar in Gestalt einer Taube auf den Herrn Jesus.
      2. Die Stimme Gottes des Vaters wird hörbar, um Ihn als den geliebten Sohn zu kennzeichnen.

      In diesem zweifachen Charakter entspricht das Zeugnis Gottes über den Sohn den Anforderungen des Gesetzes an ein gültiges und wahres Zeugnis (Joh 8,17; 5. Mo 17,6; 19,15). Zugleich wird das Zeugnis des Schreibers Markus über den Herrn Jesus (V. 1) von göttlicher Seite aus bestätigt. Markus hatte von dem Herrn Jesus als dem „Christus“, dem Gesalbten gesprochen – diese Salbung erfolgt hier in Vers 9 durch das Herniederkommen des Heiligen Geistes auf den Herrn (Lk 4,18; Apg 10,38). Weiter hatte Markus von dem Herrn Jesus als dem „Sohn Gottes“ gesprochen – und das bezeugt Gott der Vater hier in Vers 10.
      Das Geschehen in Vers 10 ist die Erfüllung der Anordnung für das Speisopfer in 3. Mose 2,4, wo es heißt, dass es ein Speisopfer „gesalbt mit Öl“ sein musste.
      Im Alten Testament wurden Könige, Priester und Propheten durch eine Salbung mit Öl offiziell in ihr Amt eingeführt. Und viele prophetische Aussagen und Vorausbilder zeigten, dass der verheißene Messias auch so gekennzeichnet werden würde (1. Sam 2,10; Ps 2,2; Apg 4,25–27; Ps 45,8; Jes 11,1.2; 42,1; 61,1; Dan 9,24.25). Diese Prophezeiungen waren unter dem Volk auch bekannt, denn der Christus wurde als solcher erwartet (Joh 1,41; 4,25.29; 7,27.31.41.42). Der Herr begann seinen Dienst somit in völliger Übereinstimmung mit den Schriften.
      Der Heilige Geist in Gestalt einer Taube symbolisiert die Demut und Reinheit als spezielle Kennzeichen, in denen die Kraft des Geistes sich in dem Herrn Jesus offenbaren würde.
      Nur hier bei Markus und in Lukas 3,22 findet sich die direkte Anrede „Du“ – vielleicht will der Vater gerade in diesen beiden Evangelien, in denen der Herr in seiner tiefen Erniedrigung als Mensch gezeigt wird, den Herrn Jesus inmitten der bußfertigen Juden so direkt ansprechen und herausstellen. Er ist der geliebte Sohn des Vaters. Aus Johannes 17 wissen wir, dass die Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn schon in der Ewigkeit vor der Zeit bestand. Und dieses Kennzeichen der Ewigkeit bezeugt der Vater jetzt an seinem Sohn als Mensch in Niedrigkeit.
      Die Versuchung des Herrn in der Wüste

      „Und sogleich treibt der Geist ihn hinaus in die Wüste. Und er war vierzig Tage in der Wüste und wurde von dem Satan versucht; und er war unter den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm“ (Mk 1,12.13).
      Markus berichtet in nur zwei Versen von der Versuchung des Herrn, aber diese Verse sind voll von der Herrlichkeit des Sohnes Gottes. Diese Szene, die der aus den Versen 10 und 11 so völlig entgegengesetzt ist, zeigt deutlich, wohin der geliebte Sohn des Vaters gekommen war, um seinen Dienst zu erfüllen. Er, der Schöpfer, tritt in seine gefallene Schöpfung ein, die unter der Herrschaft Satans steht, um „die Werke des Teufels zu vernichten“ (1. Joh 3,8).
      Markus und Lukas 4,1 berichten davon, dass der Herr Jesus vierzig Tage lang (die Zahl völliger Erprobung) versucht wurde. Diese Versuchungen geschahen, damit bewiesen würde, dass dieser vollkommen reine und sündlose Mensch nicht sündigen konnte. Satan gibt sich hier wie auch später in Gethsemane die größte Mühe, den Herrn zu Fall zu bringen. Und obwohl das nicht gelingen konnte, bedeuteten diese Versuchungen für den Herrn doch tiefste innere Not.
      Aber diese Szene in der Wüste liefert auch eindrucksvolle Zeugnisse davon, wer dieser niedrige Diener in Wirklichkeit ist. Satans völliger Misserfolg zeigt die Vollkommenheit Jesu. Und selbst die Schöpfung zeugt von der Herrlichkeit seiner Person. Für Ihn, den Schöpfer in Knechtsgestalt, sind die Tiere nicht wild, und sie fürchten sich auch nicht vor Ihm (1. Mo 9,2). Dann geben noch die Engel Zeugnis von der Herrlichkeit seiner Person. Sie, die höchsten himmlischen Geschöpfe, finden ihre Freude darin, Dem zu dienen, der gekommen war, um den gefallenen Menschen zu dienen. So zeigen diese zwei Verse den niedrigen Diener als den Herrn über Satan, die Erde und den Himmel.
      Die Umstände und Ergebnisse dieser Versuchung stehen in großem Gegensatz zu der Versuchung des ersten Menschenpaares in 1. Mose 3. Adam, der Gegenstand des Interesses Gottes, erlag der Versuchung unter günstigsten Umständen im Garten Eden. Der Herr, dem in den ungünstigen Umständen in der Wüste das volle Interesse Satans gilt, geht als herrlicher Sieger aus der Versuchung hervor.
      Der Anfang von Vers 12 beinhaltet noch eine praktische Lektion für uns: „Und sogleich treibt der Geist ihn“ – der Heilige Geist konnte völlig und ungehindert in dem Herrn Jesus wirken. Auch in uns möchte der Geist so wirken und uns antreiben und anleiten in unserem Wandel und Zeugnis für den Herrn (Apg 1,8). Wir müssen Ihn nur wirken lassen.
      Die Predigt des Herrn in Galiläa

      „Nachdem aber Johannes überliefert worden war, kam Jesus nach Galiläa, predigte das Evangelium des Reiches Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,14.15).
      Ohne die näheren Umstände zu schildern, wird hier von Johannes’ Gefangennahme berichtet. Auch darin und in seinem Tod wurde Johannes der Vorläufer des Herrn. Direkt nach der Beiseitesetzung des Johannes beginnt der Herr seinen Dienst. Wenn das Licht der Welt kommt, ist kein Platz mehr für die „brennende und scheinende Lampe“ (Joh 5,35), so wertvoll sie auch in der Zeit der Dämmerung war. Die Ablehnung des Johannes machte den bösen Herzenszustand der Menschen und die ganze Macht der Sünde deutlich – und gerade das machte den Dienst der Gnade, den der Herr ausüben würde, so dringend erforderlich. Es hätte nutzlos erscheinen können, dass der Herr seinen Dienst begann, nachdem sein Vorläufer verworfen worden war. Aber der Herr kam, obwohl Er alles wusste, was über Ihn kommen würde, um gerade in dieser hasserfüllten Welt zu offenbaren, wer Gott ist.
      Der Herr war gesalbt worden, „Armen gute Botschaft zu verkündigen“ – und dementsprechend beginnt Er seinen Dienst in dem verachteten Gebiet von Galiläa, seiner irdischen Heimat. Bevor der Herr seinen praktischen Dienst beginnt, verkündigt Er zuerst in kurzen und klaren Worten seine Botschaft. Der Gegenstand seiner Predigt ist „das Evangelium [des Reiches] Gottes“. Es ist das Evangelium Gottes. Das weist auf den Ursprung und die Herkunft des Evangeliums hin, denn als der Knecht Gottes kommt der Herr nicht mit einer unabhängigen Botschaft (Joh 7,16.17; 12,49; 14,24).
      Die Botschaft selbst in Vers 15 enthält eine zweifache Ankündigung und eine zweifache Aufforderung: Er verkündigt, dass (a) die Zeit erfüllt ist und dass (b) das Reich Gottes nahe gekommen ist. Dann fordert Er die Menschen auf, zum einen Buße zu tun und zum anderen an das Evangelium zu glauben.
      Die von Gott bestimmte Zeit war erfüllt, zu der der Herr auf die Erde gesandt werden sollte, um das Reich aufzurichten. Das ist das Evangelium, die gute Botschaft des Reiches Gottes. Und die Tatsache, dass der Herr, der König, da war, machte deutlich, wie nah das Reich Gottes gekommen war. Doch der Herr wurde von seinem Volk als König abgelehnt (Joh 19,15b) und ans Kreuz gebracht und die Aufrichtung des Reiches auf der Erde damit aufgeschoben. Erst im 1000-jährigen Reich wird dies geschehen. Die inneren Kennzeichen dieses Reiches sind damals wie heute „Gerechtigkeit und Friede und Freude“ (Röm 14,17), während „Trübsale“ (Apg 14,22) ein äußeres Kennzeichen des Reiches sind.
      Um heute in den Bereich zu gelangen, wo Gott regiert, sind gewisse Voraussetzungen zu erfüllen. Das Reich Gottes lässt sich nicht mit der Sünde und der Ungerechtigkeit des Menschen verbinden. Es ist erforderlich, im Licht Gottes Buße zu tun und an das Evangelium zu glauben, um in das Reich Gottes einzutreten. Apostelgeschichte 20,21 zeigt, dass die „Buße zu Gott“ und der „Glaube an den Herrn Jesus Christus“ immer die Kernpunkte jeder Evangeliumsverkündigung sein müssen.
      Die Berufung der ersten vier Jünger

      „Und als er am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder Simons, die in dem See Netze auswarfen, denn sie waren Fischer. Und Jesus sprach zu ihnen: Kommt, folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen; und sogleich verließen sie die Netze und folgten ihm nach. Und als er ein wenig weitergegangen war, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, auch sie in dem Schiff, wie sie die Netze ausbesserten; und sogleich rief er sie. Und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit den Tagelöhnern in dem Schiff und gingen weg, ihm nach“ (Mk 1,16–20).
      Während der Herr in Vers 15 noch alleine im Dienst steht, beginnt Er hier als der große Menschenfischer damit, Menschen mit sich zu verbinden. Er ruft sie in seinen Dienst, um aus ihnen „Menschenfischer“ zu machen. Er sieht sowohl Simon und Andreas in Vers 16 als auch Jakobus und Johannes in Vers 19. So sieht Er jeden von uns ganz persönlich und möchte uns in seinen Dienst rufen. Dabei ist der Blick des Herrn in erster Linie auf die Einfachen und Geringen gerichtet, die nicht auf eigene Fähigkeiten vertrauen. Sie waren Fischer – „ungelehrte und ungebildete Leute“, wie Apostelgeschichte 4,13 sagt, aber sie waren fleißig in ihrem Beruf und daran gewöhnt, zu arbeiten. Der Herr möchte uns gebrauchen, aber wir müssen uns bewusst sein, dass wir in uns selbst nichts sind und nichts haben. Wenn Er zum Dienst beruft, gibt Er auch die Fähigkeiten dazu. Wir müssen nur bereit sein, Ihm zu folgen. Nachfolge geht jedem Dienst voraus (Joh 12,26). Das zeigen diese Verse ganz besonders (V. 17.18.20).
      Simon und Andreas verlassen ihre Netze und folgen Ihm nach, Jakobus und Johannes verlassen ihren Vater und folgen Ihm nach. Sowohl irdische Beschäftigungen (die Netze) als auch uns umgebende Personen (der Vater) können für uns zu Hindernissen in der Nachfolge werden (Lk 9,57–62). Aber wie aus Johannes 1,35–51 zu entnehmen ist, war diese Szene hier nicht die erste Begegnung der Jünger mit dem Herrn. Sie hatten Ihn vorher schon kennen gelernt. So ist es auch bei uns: Wenn wir etwas von dem erkannt haben, was Er ist, fällt es uns leichter, Dinge zu verlassen, die uns an der Nachfolge hindern wollen.
      In den Tätigkeiten, die Petrus und Johannes ausübten, als der Herr sie berief, liegt eine symbolische Andeutung ihres späteren Auftrags im Dienst des Herrn:
      Simon „warf Netze im See aus“ – die ersten Kapitel der Apostelgeschichte zeigen, dass Petrus ein Menschenfischer wurde, der „mit dem Netz“ fischte. Viele Menschen kamen durch seine Predigten zum Glauben (Apg 2,41; 4,4).
      Johannes „besserte die Netze aus“ – er begann seinen Dienst in einer Zeit, als die „Netze des Christentums“ zu reißen begannen. Seine Briefe zeigen seine Bemühungen um die Gläubigen in einer Zeit, als erste Irrlehrer auftraten. Dieser Dienst an den Einzelnen ist heute noch ebenso wichtig in einer Zeit, die durch Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit gekennzeichnet ist und in der sich viele vom richtigen Weg abwenden.
      Der Herr in der Synagoge von Kapernaum

      „Und sie gehen nach Kapernaum hinein. Und sogleich am Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Und sie erstaunten sehr über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mk 1,21.22).
      Hier lernen die Jünger etwas davon, was Nachfolge bedeutet. Sie gehen gemeinsam hinter dem Herrn her, beobachten Ihn und hören seinen Worten zu. Das ist es, was „nötig“, was wichtig ist (Lk 10,39.42).
      Der Herr folgt der damals herrschenden Gewohnheit und geht am Sabbat in die Synagoge. Die Synagoge war für den Juden der Ort, wo das Alte Testament gelesen und ausgelegt wurde, denn damals gab es nur wenige Schriftrollen, und die gehörten in der Regel dem Synagogenvorsteher. Diesen Ort missbrauchten aber oftmals die Pharisäer und Schriftgelehrten, um sich selbst groß zu machen. Sie gingen in der Auslegung des Wortes oft weit über das Gesetz hinaus und standen mit ihrem Leben andererseits nicht hinter dem, was sie lehrten. Nicht so der Herr Jesus. Er lehrte sie wie einer, der Vollmacht oder Gewalt hat, und sein ganzes Leben stand in Einklang mit dem, was Er sagte. Seine Worte erreichten die Herzen der Zuhörer. Als der wahre Prophet Gottes redete Er in der Abhängigkeit von Gott dessen Worte zu dem Volk (5. Mo 18,18). So geschieht auch heute noch wahrer prophetischer Dienst. In Vers 14 haben wir bereits gesehen, worin die Lehre des Herrn bestand: Er predigte das Evangelium des Reiches. Ein Beispiel dafür findet sich in Johannes 3, wo Er dem Schriftgelehrten Nikodemus die Schriften erklärt.
      Die Heilung des Menschen mit dem unreinen Geist

      „Und sogleich war in ihrer Synagoge ein Mensch mit einem unreinen Geist; und er schrie auf und sprach: Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus, Nazarener? Bist du gekommen, um uns zu verderben? Ich kenne dich, wer du bist: der Heilige Gottes. Und Jesus gebot ihm ernstlich und sprach: Verstumme und fahre von ihm aus! Und der unreine Geist zerrte ihn hin und her und rief mit lauter Stimme und fuhr von ihm aus. Und sie entsetzten sich alle, so dass sie sich untereinander befragten und sprachen: Was ist dies? Was ist dies für eine neue Lehre? Denn mit Vollmacht gebietet er sogar den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm. Und die Kunde von ihm ging sogleich aus in das ganze Gebiet von Galiläa“ (Mk 1,23–28).
      Nun können die Jünger und auch wir von dem Herrn Jesus lernen, wie Er mit einzelnen Menschen umgeht. Gleich zu Beginn seines Dienstes stellt sich dem Herrn in dem Menschen mit dem unreinen Geist die Macht Satans entgegen. Was muss es für den Herrn gewesen sein, in seinem Dienst ständig mit der Sünde konfrontiert zu werden und zu sehen, was die Macht des Teufels aus den Geschöpfen Gottes gemacht hatte (Joh 8,44.45)! Seine Gegenwart auf der Erde brachte das Wirken Satans in ganz besonderer Weise ans Licht. Daher finden wir in den Evangelien auch so viele Berichte von besessenen Menschen. Aber auch in unserer Zeit offenbart sich das Böse in zunehmender Weise.
      Der unreine Geist verbindet sich hier ganz mit dem Menschen, von dem er Besitz genommen hatte. Er sagt: „Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus, Nazarener?“ In dieser Frage liegt Wahrheit, denn welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis (2. Kor 6,14)? Aber es ist nicht die ganze Wahrheit, denn der Herr kam, um Menschen aus der Gewalt der Finsternis zu retten (Kol 1,13). Der unreine Geist fährt fort, indem er fragt: „Bist du gekommen, um uns zu verderben?“ Auch darin hat er in Bezug auf sich selbst recht, wie 1. Johannes 3,8b zeigt. Aber in Bezug auf den besessenen Menschen hat er unrecht. Denn ihn will der Herr retten (Mt 18,11). Das Zeugnis, das der böse Geist dem Herrn Jesus dann ausstellt: „Du bist der Heilige Gottes“, entspricht der Wahrheit und ist doch wiederum nicht die ganze Wahrheit, denn niemals nannten die Dämonen Ihn „Herr“. Was muss das für die Zuhörer in der Synagoge gewesen sein, die den Herrn oft so verächtlich bezeichneten.
      Der Herr kann das Zeugnis des unreinen Geistes jedoch nicht annehmen. Es muss ganz klar sein, dass keine Verbindung zwischen Ihm, dem Knecht Gottes, und dem Geist der Finsternis besteht. Mit Autorität gebietet Er dem Geist, aus dem Menschen auszufahren. Darin wird deutlich, dass der Herr nicht nur lehrte wie einer, der Vollmacht hat. Sein Handeln war durch Kraft und Vollmacht gekennzeichnet. Seine Lehre und sein Handeln waren in völliger Übereinstimmung. Das kommt auch in der zweifachen Frage der Menschen in Vers 27 zum Ausdruck: „Was ist dies [d. h. für eine Handlung]? Was ist dies für eine neue Lehre?“ Auch bei uns müssen die Werke unsere Worte unterstützen, sonst wird unser Dienst schwach oder vergeblich sein.
      Vers 26 zeigt eine häufig anzutreffende Handlungsweise Satans: Wenn er erkennt, dass er einen Menschen nicht für sich behalten kann, setzt er noch einmal alles daran, ihn besonders zu quälen. So tat er es auch mit dem jungen Mann in Markus 9,26. Und der Pharao quälte die Kinder Israel nie so heftig wie kurz vor ihrer Flucht aus Ägypten. Bis heute hat Satan sein Verhalten nicht geändert, aber der Herr ist stärker. Er hat Macht über den Feind und hat diese Macht auf Golgatha in seinem Sieg über den Teufel völlig offenbart.
      Das Handeln des Herrn ruft Entsetzen bei den Anwesenden hervor. Aber wir finden keinen Hinweis darauf, dass sie ein Interesse haben, diese Macht Gottes näher kennenzulernen. Ihre Herzen werden nicht wirklich berührt, es ist mehr ein Interesse an der Sensation.
      Die Heilung der Schwiegermutter Simons

      „Und sogleich gingen sie aus der Synagoge hinaus und kamen in das Haus von Simon und Andreas, mit Jakobus und Johannes. Die Schwiegermutter Simons aber lag fieberkrank danieder; und sogleich sagen sie ihm von ihr. Und er trat hinzu und richtete sie auf, indem er sie bei der Hand ergriff; und das Fieber verließ sie sogleich, und sie diente ihnen“ (Mk 1,29–31).
      Nach seinem öffentlichen Handeln tritt der Herr hier in das Haus von Simon und Andreas ein. In diesem Haus ist Not. Simons Schwiegermutter liegt fieberkrank danieder. In ihrem wachsenden Vertrauen zu Ihm sagen die Jünger dem Herrn sogleich von der Not – etwas, das auch wir jederzeit tun können.
      Fieber ist ein äußeres Anzeichen einer im Körper wirkenden Krankheit. Darin können wir ein Bild der in uns wohnenden Sünde sehen, die sich in Unruhe äußert. Auf das Handeln des Herrn hin weicht das Fieber sofort. So ist es auch heute: Wenn die Sünde bei einem Menschen zur Not wird und er bereit ist, sich im Glauben und im Vertrauen an den Herrn zu wenden, heilt Er sofort. Denn Er hat am Kreuz nicht nur die Macht Satans gebrochen, sondern auch die Sünde vor den Augen Gottes weggetan.
      Nur bei Markus finden wir bei dieser Begebenheit den Hinweis, dass der Herr Jesus die Schwiegermutter Simons „bei der Hand ergriff“. Eine bewegende Handlung des Herrn, die Ihn im persönlichen Kontakt mit den Nöten des Menschen zeigt. Er, der Allmächtige, legt seine Hand auf die Schwachheiten des Menschen (z. B. auch Mk 9,27; Mt 14,31). Genauso legt Er seine Hand auch auf jeden Sünder, der zu Ihm kommt, weil Er sein Herz und Gewissen berühren möchte.
      Die Frau benutzt die ihr neu geschenkte Kraft sogleich im Dienst an dem Herrn und den Seinen.
      Die Heilung vieler Leidender und Besessener in Kapernaum

      „Als es aber Abend geworden und die Sonne untergegangen war, brachten sie alle Leidenden und Besessenen zu ihm; und die ganze Stadt war an der Tür versammelt. Und er heilte viele, die an mancherlei Krankheiten litten; und er trieb viele Dämonen aus und erlaubte den Dämonen nicht zu reden, weil sie ihn kannten“ (Mk 1,32–34).
      Diese Verse zeigen etwas von dem Segen, der im 1000-jährigen Reich vom Herrn auf diese Erde ausgehen wird. Die Reihenfolge, in der Markus den Beginn des Dienstes des Herrn schildert, enthält einen Hinweis auf diese zukünftige Zeit. Die ersten Krankenheilungen in diesem Kapitel folgen auf die Austreibung des unreinen Geistes in der Synagoge (V. 23–27). So wird es auch bei dem zweiten Kommen des Herrn auf diese Erde sein, wenn Er als der König und nicht länger als Diener kommen wird. Dann wird Er zuerst Satan binden und für tausend Jahre in den Abgrund werfen (Off 20,2.3), bevor Er sowohl geistlichen als auch materiellen Segen über die Menschen auf der Erde ausgießen wird.
      Am Ende des Sabbats werden alle Leidenden und Besessenen aus Kapernaum zu dem Herrn Jesus gebracht. Er heilt viele von ihnen und treibt viele Dämonen aus. Um geheilt zu werden, muss man zu Ihm kommen, alles Weitere tut Er dann. Auch wir dürfen heute mit allem zu Ihm kommen und auf seine Hilfe rechnen.
      „Die ganze Stadt war an der Tür versammelt“ – alle Einwohner Kapernaums lernen Ihn kennen und sehen sein gewaltiges Handeln. Und doch wird der Stadt Kapernaum in Lukas 10,13–15 das Gericht angekündigt. Wie viele waren also da, die nicht umkehrten und nur ein neugieriges Interesse an den Wundern des Herrn hatten. Darin gleichen die Bewohner Kapernaums den vielen Menschen heute, die sich zwar äußerlich zum Herrn bekennen, aber keine wahre Buße kennen und keine echte Lebensbeziehung zu Ihm haben.
      Der Herr im Gebet

      „Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus; und er ging hin an einen öden Ort und betete dort“ (Mk 1,35).
      Was für ein Vorbild gibt uns der Herr als der vollkommen abhängige Diener in diesem Vers! Nach einem anstrengenden und langen Tag steht Er am nächsten Morgen früh auf, um an einem öden Ort im Gebet in Gemeinschaft mit seinem Vater zu sein. Er nimmt sich Zeit, ungestört die Stille der Gemeinschaft mit dem Vater aufzusuchen, um sich jeden Morgen das Ohr wecken zu lassen (Jes 50,4). Darin liegt die Quelle seiner Kraft, seines Ausharrens und seines gesegneten Dienstes. Und wenn selbst der Herr vor Beginn seines Tagewerks die Gegenwart des Vaters aufsucht, haben wir dies dann nicht umso nötiger? Wenn wir die Abhängigkeit von Gott und die Gemeinschaft mit Ihm vernachlässigen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir im Dienst versagen.
      Der Herr zieht durch Galiläa

      „Und Simon eilte ihm nach, mit denen, die bei ihm waren; und sie fanden ihn und sagen zu ihm: Alle suchen dich. Und er spricht zu ihnen: Lasst uns woandershin gehen in die nächsten Ortschaften, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich ausgegangen. Und er predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus“ (Mk 1,36–39).
      Neben dem Gebet in Vers 35 wird hier ein weiterer Hinweis auf die Abhängigkeit des Herrn gegeben. Er sucht nicht im Mittelpunkt des Interesses der Menschen zu stehen, Er lehnt jede Popularität ab. Stattdessen folgt Er dem Auftrag seines Vaters und zieht weiter, um in den nächsten Ortschaften zu predigen. Er sucht nicht seine Ehre, sondern ist um die Ausübung seines Dienstes bemüht. Das ist der Charakter des Herrn besonders hier im Markusevangelium.
      Die Heilung eines Aussätzigen

      „Und ein Aussätziger kommt zu ihm, bittet ihn und kniet vor ihm nieder und spricht zu ihm: Wenn du willst, kannst du mich reinigen. Und innerlich bewegt streckte er seine Hand aus, rührte ihn an und spricht zu ihm: Ich will; werde gereinigt! Und sogleich wich der Aussatz von ihm, und er wurde gereinigt. Und er gebot ihm ernstlich und schickte ihn sogleich fort und spricht zu ihm: Gib Acht, dass du niemand etwas sagst; sondern geh hin, zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Mose geboten hat, ihnen zum Zeugnis. Er aber ging weg und fing an, es vielfach kundzumachen und die Sache zu verbreiten, so dass er nicht mehr öffentlich in die Stadt gehen konnte; sondern er war draußen in öden Gegenden, und sie kamen von allen Seiten zu ihm“ (Mk 1,40–45).
      An der Heilung des Aussätzigen in diesem Kapitel und der des Gelähmten zu Beginn von Kapitel 2 sowie auch an den anderen Krankheiten, die der Herr heilte, wird beispielhaft gezeigt, dass der Herr nicht nur gekommen war, um Kranke zu heilen und vom Teufel Besessene zu befreien, sondern auch, um dem niedrigen Zustand des Volkes Israel zu begegnen. Es war durch die Sünde verunreinigt und völlig kraftlos in sich selbst.
      Der Aussatz war eine weit verbreitete Krankheit in Israel, der im Gesetz Moses ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten, die z. T. nur sehr kurz erwähnt werden, gibt es in Bezug auf den Aussatz viele Verordnungen und Zeremonien (z. B. 3. Mo 13 und 14). Aus diesen Stellen lässt sich leicht erkennen, dass der Aussatz ein besonderes Bild von der Sünde ist, und zwar unter dem Aspekt, dass sie den Sünder verunreinigt, ihn ausschließt aus der Gegenwart Gottes und von den Vorrechten der Gemeinschaft mit Ihm.
      Durch die Heilung des Aussätzigen zeigt der Herr in dieser Begebenheit, dass Er gekommen war, den Sünder von den Sünden zu reinigen. Er ist der Mittler, der zwischen Gott und den Sünder tritt und den Sünder für die Gegenwart Gottes passend macht. Diese Mittlerstellung wird Er auch für das Volk Israel einmal einnehmen, wenn es mit einem Bekenntnis seiner Schuld zu Gott kommen wird.
      Markus beschreibt sehr bildhaft, wie ein einzelner Aussätziger zu dem Herrn Jesus kommt und Ihn um Heilung bittet. Als Aussätziger durfte er normalerweise nicht zu gesunden Menschen kommen. Aber er erkennt, dass die Gegenwart des Herrn Jesus die einmalige Chance zu seiner Heilung ist. Seine Bitte drückt volles Vertrauen aus in die Macht und Fähigkeit des Herrn, zu helfen. Allerdings scheint er etwas im Zweifel zu sein, ob der Herr seine Macht auch ihm zuwenden will.
      Die Antwort des Herrn und sein Handeln zerstreuen jeden Zweifel im Herzen des Aussätzigen. Der Herr hat nicht nur die Macht und Fähigkeit, zu heilen, Er will es auch. Er ist innerlich bewegt, als Er den Aussätzigen in seiner Sünde und Not sieht, und weist ihn nicht ab. Es wäre nicht nötig gewesen, den Aussätzigen zu berühren, um ihn zu heilen. Aber der Herr, der über jede Möglichkeit einer Verunreinigung erhaben ist, rührt ihn in seinem Mitgefühl und seiner Macht an. Der Aussatz weicht sogleich von ihm und er ist gereinigt. Sofort und ganz! Wenn der Herr etwas tut, dann tut Er ein ganzes Werk.
      So ist es auch heute sein Wille, dass alle Menschen gerettet werden (1. Tim 2,4; 2. Pet 3,9), und Er rettet jeden, der anerkennt, dass er „ganz aussätzig“ ist, und der sich in Buße und Glauben zu Ihm wendet. So haben auch wir es erfahren (Eph 2,4.5).
      Verschiedene Male wird in den Evangelien davon berichtet, dass der Herr „innerlich bewegt“ war. Auch der Samariter war innerlich bewegt, als er den unter die Räuber Gefallenen sah. Das ist die Gesinnung, mit der Gläubigen und Ungläubigen geholfen werden kann und die auch uns kennzeichnen sollte.
      Die Worte des Herrn in den Versen 43 und 44 bestätigen die Tatsache, dass der vollkommene Diener nicht seine eigene Ehre sucht. Im Dienst des Herrn stand seine Predigt an erster Stelle. Seine Werke dienten dazu, seine Worte zu unterstützen und zu bekräftigen. Daher wollte Er nicht, dass seine Werke in den Vordergrund traten. Er wollte auch nicht das Gesetz aufheben und schickt deshalb den Geheilten zu dem Priester, damit von offizieller Seite, dem Gesetz gemäß, diese wunderbare Heilung bestätigt würde. Der Blick soll nicht auf den Menschen, sondern auf Gott gelenkt werden. Der Geheilte wurde ein lebendiges Zeugnis davon, dass Gott, der früher einmal Naaman, den Syrer, gereinigt hatte, jetzt diesen Mann aus dem verachteten Galiläa geheilt hatte. Und dies tat Gott durch seinen Knecht Jesus, den das Volk und die Obersten nicht anerkennen wollten. Somit wurde durch den Priester und das Gesetz das Wirken Gottes in dem Herrn Jesus bezeugt, denn nur Gott kann Aussatz heilen.
      Der Geheilte soll sofort in den Tempel gehen und opfern. Das ist auch heute das Teil eines jeden, der zum Glauben kommt. Wir haben Zutritt ins Heiligtum und dürfen Gott als Anbeter nahen.
      Dieser Mann tut jedoch nicht das, was der Herr ihm geboten hat: Er verbreitet die „Sache“ von seiner Heilung. Sensationen werden auch heute in der Christenheit gerne angenommen, aber die Person des Herrn gerät dabei in den Hintergrund.
      Der Herr, der nicht das Aufsehen der Menschen erregen will, zieht sich wieder in einsame Gegenden zurück, um in Gemeinschaft mit seinem Vater zu sein. Das ist es, was auch wir nach jedem Dienst nötig haben: in die Stille vor Gott zu gehen, um neue Kraft zu empfangen und neu ausgerichtet zu werden.

      Kapitel 2

      Die Heilung des Gelähmten in Kapernaum

      „Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum hinein, und es wurde bekannt, dass er im Haus war. Und sogleich versammelten sich viele, so dass selbst an der Tür kein Raum mehr war; und er redete zu ihnen das Wort. Und sie kommen zu ihm und bringen einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie wegen der Volksmenge nicht an ihn herankommen konnten, deckten sie das Dach ab, wo er war; und als sie es aufgebrochen hatten, ließen sie das Bett hinab, auf dem der Gelähmte lag. Und als Jesus ihren Glauben sah, spricht er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind vergeben. Einige aber von den Schriftgelehrten saßen dort und überlegten in ihren Herzen: Was redet dieser so? Er lästert. Wer kann Sünden vergeben als nur einer, Gott? Und sogleich erkannte Jesus in seinem Geist, dass sie so bei sich überlegten, und spricht zu ihnen: Was überlegt ihr dies in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher? Damit ihr aber wisst, dass der Sohn des Menschen Gewalt hat, auf der Erde Sünden zu vergeben – spricht er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett auf und geh in dein Haus. Und er stand auf, nahm sogleich das Bett auf und ging hinaus vor allen, so dass alle außer sich gerieten und Gott verherrlichten und sagten: Niemals haben wir so etwas gesehen!“ (Mk 2,1–12).
      Nach einigen Tagen in der Stille geht der Herr wieder nach Kapernaum und kehrt in ein Haus ein. Das wird schnell bekannt und es versammeln sich viele zu Ihm. Es ist Gnade, dass der Herr Jesus auch in unsere Häuser und Herzen gekommen ist. Und wenn Er da ist, prägt Er die Gesinnung und das Handeln derer, die im Haus sind. Wird es auch bei uns bekannt, dass Er im Haus ist? Was dringt aus unseren Häusern nach außen? Ist es das, was zu seiner Ehre dient?
      Der Herr redet zu ihnen das Wort. Dazu war Er ausgegangen (Mk 1,38), und erst in zweiter Linie kamen seine Wunder zur Bestätigung seiner Worte. Es kennzeichnete die Predigt des Herrn, dass Er immer das Wort Gottes redete. Wenn Er sich in Kapitel 4 als der Sämann vorstellt, dann heißt es dort in Vers 14 auch: „Der Sämann sät das Wort.“ Das war der Same, den Er überall ausstreute. Diesem Beispiel des Herrn folgte auch der Apostel Paulus in seinem Dienst (Apg 26,22b) und er ermahnt Timotheus in 2. Timotheus 4,1.2 ebenfalls ernstlich, nur das Wort zu predigen. Dieses Wort allein ist der Same der Neugeburt (1. Pet 1,23; Jak 1,18) und auch bei uns soll das Wort Gottes die zentrale Botschaft jeder Verkündigung sein.
      Wie wir bereits gesehen haben, stellt der Aussatz die Sünde dar, wie sie den Menschen verunreinigt und ihn von der Gemeinschaft mit Gott trennt. Hier, in dem Bild des Gelähmten, wird eine weitere Eigenschaft der Sünde deutlich: Sie verunreinigt nicht nur, sie macht den Menschen kraftlos. Ein solcher Mensch braucht Vergebung seiner Schuld und Stärkung durch Gott. Das ist es, was im Bild des Gelähmten hier gezeigt wird.
      Die Sünde macht den Sünder völlig unfähig, sich selbst zu helfen. Aber auch der Gläubige, der sündigt und kein Selbstgericht übt, wird durch die Sünde gelähmt. Er kann nicht länger zur Ehre Gottes leben und seine Glieder im Dienst für den Herrn gebrauchen. Wie gut, wenn dann solche da sind wie diese vier Männer, die den Gelähmten „zu Ihm“ führen. Diese Männer zeigen Glauben, der Hindernisse überwindet. Sie lassen sich nicht von den Volksmengen abhalten und geben sich nicht eher zufrieden, bis sie den Kranken direkt vor Ihn gebracht haben. Das ist eine Aufgabe, die der Herr jedem von uns gibt. Er sucht solche, die ein Herz für Ungläubige oder gestrauchelte Gläubige haben und bereit sind, sie zu Ihm zu führen, damit diese das Wort hören, das Sünder überführen kann. Sind wir bereit, solche Anstrengungen auf uns zu nehmen wie diese Männer hier?
      In diesem Fall wartet der Herr nicht, bis der Kranke sein Anliegen vorgebracht hat. Er erweist sich hier zuerst als Der, der die Sünden vergibt. Dazu war Er auf diese Erde gekommen. Zunächst behandelt Er hier die Wurzel alles Bösen und kümmert sich um die geistliche Not des Gelähmten, die diesem möglicherweise noch gar nicht recht bewusst geworden war. Erst dann heilt Er auch die körperliche Not des Mannes. In dieser Reihenfolge wird der Herr auch in Psalm 103,3 vorgestellt – eine Schriftstelle, die hier eine Teilerfüllung findet; in vollem Ausmaß wird sie sich in dem Handeln des Herrn mit Israel in der Zukunft erfüllen.
      Die Schriftgelehrten haben mit ihrer Feststellung in Vers 7 „Wer kann Sünden vergeben als nur einer, Gott?“ Recht, aber sie wenden sie falsch an. Mit ihrer Reaktion stellen sie klar, dass der Herr Jesus für sie nicht der von Gott Gekommene ist. Sie erkennen nicht, dass sie Sünder sind, und deshalb erkennen sie Ihn auch nicht als Gott. An dem Verhalten der Schriftgelehrten hier und auch an dem der Pharisäer in anderen Situationen wird deutlich, wie schwer es selbstgerechten Menschen fällt, zu erkennen, dass in ihrem Herzen Sünde ist, die vergeben werden muss, und dass dies Umkehr und Buße notwendig macht.
      Wie muss der Herr hier und auch bei vielen anderen Begebenheiten (z. B. Mk 2,16; 3,22; Lk 7,47–49) unter dem Verhalten der Schriftgelehrten gelitten haben. Er vergibt dem Gelähmten die Sünden, und man sagt zu Ihm: „Er lästert.“ Auch das gehört zu den verborgenen Leiden des Herrn auf seinem Weg über die Erde.
      Der Herr gibt den Schriftgelehrten in Vers 8 einen weiteren Beweis seiner Gottheit. Wer anders als Gott selbst konnte die Überlegungen ihrer Herzen erkennen? Schon Salomo hatte in 1. Könige 8,39 gesagt, dass nur Gott allein die Herzen der Menschen kennt, und viele weitere Stellen zeugen ebenfalls davon (z. B. 1. Chr 28,9; 2. Chr 6,30; Ps 139,4; Hes 11,5).
      Die Alternativen, die der Herr in Vers 9 vorstellt, sind für den Menschen beide gleich unmöglich, aber für den Herrn sind sie ein Leichtes.
      Als sichtbaren Beweis dafür, dass Er Gott ist und Sünden vergeben kann, heilt der Herr den Kranken auch körperlich. Er spricht dabei von sich als dem „Sohn des Menschen“. Gott sollte durch einen Menschen auf der Erde verherrlicht werden – das war der erste Zweck des Kommens des Herrn auf die Erde. Und Er hatte als Mensch hier auf der Erde Gewalt, Sünden zu vergeben. Ebenso hat Er Gewalt, dem, der mit seinen Sünden zu Ihm kommt, ewiges Leben zu geben (Joh 17,2). Aber gegen alle, die sich nicht im Glauben zu Ihm wenden, wird Er als der Sohn des Menschen einst Gewalt haben, Gericht auszuüben (Joh 5,27).
      Die Wirkung der Worte des Herrn Jesus tritt sofort und vollständig ein. Der Gelähmte kann aufstehen und sogleich sein Bett tragen, das vorher ihn getragen hat. Das Bett, das vorher ein Beweis der Schwachheit des Kranken gewesen ist, wird jetzt ein sichtbares Zeichen seiner Kraft.
      „Er ging hinaus vor allen“ – jedes Werk, das Gott in einer Seele wirkt, soll zu seiner Verherrlichung ausschlagen. Wenn der Herr bei uns etwas wirkt, darf und muss das sichtbar werden (2. Kor 5,17).
      Die Reaktion der Zuschauer hier war wohl weniger ein echter Glaube als vielmehr eine momentane Reaktion auf das beeindruckende Geschehen. Sie erkannten sich nicht im Licht Gottes, wie es z. B. Petrus in Lukas 5,8 tat.
      Die Berufung Levis

      „Und er ging wieder hinaus an den See, und die ganze Volksmenge kam zu ihm, und er lehrte sie. Und als er vorüberging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zollhaus sitzen, und er spricht zu ihm: Folge mir nach! Und er stand auf und folgte ihm nach“ (Mk 2,13.14).
      Der Unglaube und die Ablehnung durch die Schriftgelehrten und Pharisäer führen dazu, dass sich die Gnade des Herrn immer weiter in Richtung der Nationen ausbreitet. Dies deutet Markus hier an, indem er berichtet, dass der Herr wieder an den See (ein Bild der Nationen, des Völkermeeres, vgl. Jes 57,20; Off 17,15) geht. Dieser Gedanke findet sich auch zu Beginn von Matthäus 13. Nachdem die Ablehnung des Herrn durch das Volk Israel in Kapitel 12 ganz klar geworden war, geht Er dort in Kapitel 13,1 hinaus an den See.
      Im Vorübergehen sieht Er den Zöllner Levi am Zollhaus sitzen und beruft ihn in seine Nachfolge. Die Zöllner in Israel waren größtenteils Juden, die sich in den Dienst der verhassten Besatzungsmacht gestellt hatten. Aus diesem Grund und wegen der natürlichen Abneigung der Menschen, Steuern zu zahlen, wurden die Zöllner von den Juden in äußerster Weise gehasst und verachtet. Man stellte sie auf eine Stufe mit Sündern. Hinzu kam, dass sich die Zöllner oft noch durch überhöhte Abgabenforderungen persönlich an ihren Mitbürgern bereicherten (Lk 3,13; 19,8). Daher offenbart die Berufung solch eines verachteten Sünders in den Dienst und die Nachfolge des Herrn die Gnade Gottes in ganz außerordentlicher Weise.
      Hier bei Markus, und im Lukasevangelium, wird Levi mit seinem jüdischen Namen genannt, der „anhänglich“, „verbunden“ bedeutet. Sein zweiter Name ist Matthäus, was „Geschenk Gottes“ bedeutet. Mit diesem Namen nennt er sich in seinem Evangelium (Mt 9,9) und dieser Name wird nach seiner Berufung in die Nachfolge des Herrn meistens für ihn gebraucht. In der Anwendung der Bedeutung der Namen können wir sagen, dass „Anhänglichkeit“ eine Voraussetzung für Nachfolge ist. Und jeder Gläubige, der ein Eigentum des Herrn Jesus wird und in seine Nachfolge eintritt, ist ein Geschenk Gottes an den Herrn Jesus (Joh 17,6). So wertvoll ist jeder Gläubige für Gott!
      Wie Simon und Andreas in Kapitel 1,16–20 wird auch Levi berufen, als er bei der Arbeit ist, und auch er folgt dem Aufruf des Herrn direkt. So wendet sich der Herr auch heute an jeden persönlich mit dem Aufruf, zu Ihm zu kommen. Und an alle die, die bereits sein Eigentum sind, wendet Er sich mit Aufträgen, die Er für jeden Einzelnen hat. Sind wir bereit, Ihm so wie diese Jünger nachzufolgen?
      Levi, der ein reicher Mann ist, folgt dem Herr sofort nach. Ganz anders war es bei dem reichen Jüngling (Mk 10,17–23). Ihn hinderte sein Reichtum an der Nachfolge.
      Die Verse 13 und 14 zeigen zwei Zielrichtungen im Dienst des Herrn. In Vers 13 lehrt der Herr die Volksmengen, in Vers 14 beschäftigt Er sich mit dem Einzelnen. Wenn der Herr in Markus 6 die Jünger aussendet, gibt Er ihnen auch diese beiden Zielrichtungen vor. Er spricht in Vers 10 und 11 davon, dass sie in die Häuser (Einzelne) und durch die Orte (Volksmengen) gehen sollen. Beides ist wichtig und nötig: der Dienst an den Einzelnen und der Dienst an den Vielen.
      Das Mahl im Haus von Levi

      „Und es geschah, dass er in seinem Haus zu Tisch lag; und viele Zöllner und Sünder lagen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern, denn es waren viele, und sie folgten ihm nach. Und als die Schriftgelehrten und die Pharisäer ihn mit den Sündern und Zöllnern essen sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst und trinkt er mit den Zöllnern und Sündern? Und als Jesus es hörte, spricht er zu ihnen: Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Mk 2,15–17).
      Bei Levi erfolgt eine Reaktion auf die Berufung in die Nachfolge des Herrn. Er macht ein großes Mahl und lädt viele seiner Bekannten ein. Er hat die Gnade des Herrn erfahren und will nun auch andere mit dem Heiland in Verbindung bringen. Die Frage an uns ist: Hat unsere Berufung in die Nachfolge des Herrn auch ein sichtbares Zeichen für die Welt? Ist es uns ein Anliegen, auch andere mit der herrlichen Person unseres Herrn Jesus bekannt zu machen?
      Der Herr folgt der Einladung Levis und begibt sich in diese Gesellschaft von Sündern, indem Er eine gemeinsame Mahlzeit mit ihnen einnimmt. Als das wahre Licht scheint Er in der Finsternis, ohne sich mit der Finsternis zu vermischen. Der Herr liebt und sucht Sünder, um sie zu retten, aber Er verharmlost dadurch nicht die Sünde und die Sünden. Im Gegenteil: Er hasst sie. Welch eine Entfaltung seiner liebevollen Erniedrigung und seiner suchenden Gnade, dass Er sich hier von einem Zöllner in eine solche Gesellschaft einladen lässt – Er, der in der Zukunft selbst der Gastgeber eines großen Mahles sein wird (Jes 25,6).
      Diese Entfaltung der Gnade ruft wieder den Feind auf den Plan. Hatten die Schriftgelehrten bei der vorigen Begebenheit noch in ihren Herzen Überlegungen angestellt, so gehen sie hier in ihrem Widerstand schon einen Schritt weiter und äußern ihre bösen Überlegungen. Dabei wenden sie sich jedoch nicht direkt an den Herrn, sondern an seine Jünger. Darin folgen sie der Taktik Satans, der sich im Garten Eden in der Schlange auch an Eva, das schwächere Gefäß, wandte. Sie versuchen das Vertrauen der Jünger in ihren Herrn zu erschüttern, ähnlich wie auch Absalom das Herz des Volkes von David abzuziehen versuchte (2. Sam 15,1–6).
      Der Herr antwortet für die Jünger und nimmt diese Frage zum Anlass, noch einmal seine Gnade und seine Absicht zu zeigen. Er war nicht gekommen, Gerechte zu rufen, d. h. Selbstgerechte (denn andere Gerechte gibt es nicht [vgl. Röm 3,10]), sondern Sünder. Für solche, wie diese Zöllner, war Er gekommen, um sie zu suchen, zu retten und glücklich zu machen.
      Die Frage bezüglich des Fastens

      „Und die Jünger des Johannes und die Pharisäer fasteten; und sie kommen und sagen zu ihm: Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer, deine Jünger aber fasten nicht? Und Jesus sprach zu ihnen: Können etwa die Gefährten des Bräutigams fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten. Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, und dann, an jenem Tag, werden sie fasten. Niemand näht einen Flicken von neuem Tuch auf ein altes Kleidungsstück; sonst reißt das Eingesetzte davon ab, das neue von dem alten, und der Riss wird schlimmer. Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein wird verschüttet, und die Schläuche verderben; sondern neuen Wein füllt man in neue Schläuche“ (Mk 2,18–22).
      Die Frage bezüglich des Fastens folgt in den ersten drei Evangelien jeweils direkt auf das Mahl im Haus Levis. Wahrscheinlich spielte sich beides zeitlich sehr dicht nacheinander ab. Die Jünger des Johannes waren es gewohnt, zu fasten (Lk 5,33); sie folgten darin ihrem Meister, der „weder Brot aß, noch Wein trank“ (Lk 7,33). Auch die Pharisäer fasteten oft und brüsteten sich damit gerne in der Öffentlichkeit (Lk 18,12). Daher kommen die Pharisäer mit ihrer Frage hier gemeinsam mit den Jüngern des Johannes zu dem Herrn. Was waren die Beweggründe, die beide Gruppen zu der Frage führten?
      Bestimmt hofften die Pharisäer darauf, in der Antwort des Herrn etwas zu finden, was sie gegen Ihn verwenden konnten. Nun wenden sie sich direkt an den Herrn und fragen Ihn etwas über die Jünger.
      Bei den Jüngern des Johannes, die in Matthäus 9,14 die Frage stellen, können wir wohl annehmen, dass ihre Beweggründe tieferer Art waren. Sie hatten den Herrn und die Jünger bei dem Festmahl im Haus Levis gesehen, während sie fasteten. Wie sollten sie das miteinander in Übereinstimmung bringen? Darüber hinaus war ihr Meister Johannes jetzt im Gefängnis. Sollten sie da von dem ablassen, was sie von ihm gelernt hatten? Aber in ihrer Verlegenheit tun sie das einzig Richtige: Sie gehen mit ihrer Frage direkt zum Herrn.
      Die Antwort, die der Herr hier gibt, zeigt wieder seine Weisheit im Umgang mit allen, die zu Ihm kamen. Er stellt sich hier als der Bräutigam seines Volkes Israel, der „Tochter Zions“, vor. Damit benutzt Er ein Bild, das die Jünger Johannes’ bereits von ihrem Meister gehört hatten. In Johannes 3,29.30 hatte Johannes das Bild des Bräutigams schon auf den Herrn Jesus angewandt. Nur hatten die Jünger dies wohl noch nicht verstanden. Deshalb bestätigt der Herr hier noch einmal, dass Er Derjenige war, von dem Johannes vorausschauend geredet hatte. Jetzt war Er da, ihr Bräutigam, Er, der die Gnade Gottes offenbarte, Er, der „Freudenöl statt Trauer“ geben wollte (Jes 61,3). Deshalb war Freude angebracht, wie auch schon die himmlischen Heerscharen und die Hirten bei der Geburt des Herrn in Lob ausgebrochen waren (Lk 2,13–20).
      Aber auch die Pharisäer werden wieder zum Nachdenken gebracht. Wenn Er der Bräutigam war, von dem im Alten Testament oft die Rede war (Jes 54,5–7; 62,4.5; Hos 2,16–20), wie war dann ihre Haltung Ihm gegenüber?
      Der Herr benutzt die Ihm gestellte Frage, um einen bedeutenden Wechsel der Verhältnisse anzukündigen. Er beginnt hier, die Zuhörer darauf hinzuweisen, dass seine Gegenwart bei ihnen nur vorübergehend sein würde. Er würde abgelehnt und getötet werden. Dann würde die Zeit sein, wo auch seine Jünger trauern würden. Dass dies so war, sehen wir bei den Jüngern, die auf dem Weg nach Emmaus waren (Lk 24,17). Aber an anderer Stelle hatte der Herr den Jüngern auch gesagt, dass ihre Traurigkeit zur Freude werden würde (Joh 16,20.22). Und dies erfüllte sich für die traurigen Jünger, als Er sich auf ihrem Weg nach Emmaus zu ihnen gesellte und sich ihnen offenbarte (Lk 24,30.31). Diese Freude, die die Jünger in der Gegenwart des auferstandenen Herrn hatten, soll auch uns heute kennzeichnen (Phil 4,4). Aber parallel dazu sollte unser Leben gewohnheitsmäßig von Selbstverleugnung wie bei einem Nasiräer (vgl. 4. Mo 6) gekennzeichnet sein. Dabei mag es besondere Zeiten geben, zu denen wir zeitweise bewusst auf Dinge verzichten, die an sich nicht böse sind, die uns aber von der intensiven Beschäftigung mit dem Herrn oder von Aufgaben in seinem Dienst abhalten können. Wer fastet, enthält sich von etwas an sich Gutem, um etwas Besseres zu bekommen oder hervorzubringen. Es ist jedoch ein Irrtum, anzunehmen, dass man durch Fasten ein „besserer“ Christ wird.
      Bezüglich des Fastens finden wir in der Schrift kein direktes Gebot, aber wir sehen an vielen Beispielen, dass es eine bekannte und oft praktizierte Gewohnheit war, die der Herr nie verurteilte. Mose fastete auf dem Berg, bevor ihm das Gesetz gegeben wurde, ebenso fasteten z. B. Elia, Daniel, Nehemia und auch der Herr, als Er in der Wüste war. Auch in der Apostelgeschichte wird von Fasten gesprochen (Apg 13,3; 14,23). Aber wenn wir fasten, soll das im Verborgenen vor Gott geschehen und mit einem aufrichtigen Herzen. Das sagt der Herr den Jüngern deutlich in Matthäus 6,16–18.
      In den Versen 21 und 22 fährt der Herr fort und vertieft den Gedanken aus den vorigen Versen. Anhand von zwei gut verständlichen Beispielen macht Er den Unterschied zwischen dem damals zu Ende gehenden und dem kommenden Zeitalter der Gnade deutlich. Der Wechsel von der Zeit des Gesetzes zur Zeit der Gnade stand bevor. Und in beiden Beispielen zeigt der Herr klar, dass sich die zwei nicht miteinander vermischen lassen. Das Alte ist das, was der Mensch für Gott sein sollte; das Neue das, was Gott für den Menschen tut. Alt und Neu sind in ihrer Natur und in ihrem Charakter völlig unterschiedlich – sowohl äußerlich (Kleid, Flicken) als auch innerlich (Wein in Schläuchen).
      „Ein neuer Flicken auf ein altes Kleid“: Kommt ein Stück Stoff, das noch nicht eingelaufen ist, auf ein altes, bereits eingelaufenes Kleid, so wird die beim Einlaufen des neuen Flickens entstehende Spannung einen viel größeren Riss erzeugen. Oder das Gewebe reißt an einer anderen Stelle, da es insgesamt alt und brüchig ist. Ebenso kann das durch äußere Formen gekennzeichnete Judentum nicht mit den Offenbarungen des Christentums vermengt werden. Beides wird dadurch verdorben. Die vom Gesetz geforderte äußere Gerechtigkeit kann nicht mit der Gerechtigkeit aus Glauben vermischt werden.
      „Neuer Wein in alten Schläuchen“: Kommt neuer, noch nicht ganz vergorener Wein in alte Schläuche aus gegerbter Tierhaut, so lassen die entstehenden Gärungsgase den alten Schlauch platzen. Ebenso kann die Wahrheit des Christentums mit der inneren Kraft des Heiligen Geistes nicht von dem Judentum gefasst werden. Fleischliche Zeremonien und die Kraft des Heiligen Geistes können nicht zusammen gehen.
      Lehrmäßig werden diese Gegensätze an verschiedenen Stellen des Neuen Testamentes gezeigt. So sprechen besonders einige Stellen im Römer-, Galater- und Hebräerbrief von diesen Gegensätzen. Die wiederholte Behandlung dieses Themas zeigt auch, dass in der Christenheit bis heute die Neigung da ist, die Botschaft des Christentums mit den äußeren Formen und Werken des Judentums zu verbinden. Das wird auch in Lukas 5,39 gezeigt. Der Mensch will lieber etwas tun, als die Gnade Gottes anzunehmen. Das können wir in Gesprächen mit Ungläubigen immer wieder beobachten.
      Die Sabbatfrage

      „Und es geschah, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging; und seine Jünger fingen an, im Gehen die Ähren abzupflücken. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Siehe, warum tun sie am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er spricht zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er Mangel litt und ihn und die, die bei ihm waren, hungerte? Wie er in das Haus Gottes ging zur Zeit Abjathars, des Hohenpriesters, und die Schaubrote aß (die niemand essen darf als nur die Priester) und auch denen davon gab, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat wurde um des Menschen willen geschaffen und nicht der Mensch um des Sabbats willen; also ist der Sohn des Menschen Herr auch des Sabbats“ (Mk 2,23–28).
      Schon in den beiden vorigen Abschnitten hat der Herr den Wechsel vom Alten zum Neuen vorgestellt. Im Rahmen dieser Belehrungen geht der Herr in den Versen von Kapitel 2,23–3,6 auf den Sabbat ein, der auch ein besonderes Merkmal des alten Systems war. Der Herr zeigt in diesen Abschnitten Schritt für Schritt, was in seiner Person an Neuem gekommen war, auch wenn die Beweggründe der Zuhörer oft unlauter waren.
      Hier sehen wir Ihn, wie Er mit seinen Jüngern durch ein Kornfeld wandert und die Jünger einige Ähren abpflücken, um ihren Hunger zu stillen. Dies nehmen die Pharisäer direkt zum Anlass, den Herrn und die Jünger zu verurteilen. Sie bewerten das Ährenpflücken der Jünger wohl als Arbeit, die am Sabbat verboten war. Denn eine andere Grundlage konnten sie für ihre Beschuldigung nicht finden. Das Pflücken von Ähren mit der Hand war im Gesetz ausdrücklich erlaubt (5. Mo 23,26). Dementsprechend findet man auch nichts davon, dass sich der Eigentümer des Feldes beschwerte.
      Im Gesetz gab es eigentlich nur ein Gebot, dass verbot, von dem Korn des Feldes zu essen. Dieses Verbot galt für die gesamte Saat- und Erntezeit bis zum Fest der Erstlingsgabe (3. Mo 23,14). Erst nach der Darbringung der Erstlingsgabe war es erlaubt, vom Ertrag der Felder zu essen. Aber auch dieses Gebot hatten die Jünger nicht übertreten. Denn in Lukas 6,1 wird gezeigt, dass diese Begebenheit sich am „zweit-ersten Sabbat“ ereignete. Dies war der zweite Sabbat nach dem Passahfest und der erste nach der Darbringung der Erstlingsgabe (3. Mo 23,9–14). Somit war es ihnen erlaubt, zu essen. So genau ist Gottes Wort!
      Die Pharisäer wollten zeigen, wie hoch ihnen das Gebot des Sabbats war. Aber über der Beobachtung der Gesetze vergaßen sie den Gesetzgeber, der jetzt unter ihnen war. Den Gesetzgeber anzuerkennen wäre eine viel größere Ehre für sie gewesen als kleinlich an (zum Teil) eigenen Geboten festzuhalten. Sie hatten keine innere Beziehung zu Ihm; ja sie lehnten Ihn ab. Was für ein beständiger Schmerz muss das für den Herrn gewesen sein (s. a. Kap. 3,2.5.6).
      Der Herr nimmt seine Jünger in Schutz und antwortet für sie. Er zeigt den Pharisäern, dass die äußeren Formen ihre Bedeutung verlieren, wenn der „Herr des Sabbats“ da ist und Er und seine Jünger Hunger leiden. Er erinnert sie an das Beispiel Davids in 1. Samuel 21. Dort war David in einer ähnlichen Situation wie der Herr und seine Jünger hier. David, der rechtmäßig gesalbte König, war verachtet und in Not. Und in dieser Situation beging David keine Sünde, als er von den Schaubroten aß, um seinen Hunger zu stillen. So war es auch hier. Den Sabbat hatte Gott zum Segen des Menschen gegeben, nicht um ihn Not leiden zu lassen.
      Der Sabbat, der siebte Tag, war der Tag der Ruhe Gottes in der ersten Schöpfung (1. Mo 2,3). In der prophetischen Bedeutung wird er oft als ein Bild für die Ruhe Gottes im 1000-jährigen Reich gebraucht (z. B. Heb 4,9; Ps 92).
      Solch einen Tag der Ruhe hatte Gott seinem Volk gegeben, damit es in besonderer Weise Gemeinschaft mit Ihm haben konnte (z. B. 3. Mo 23,3; 2. Mo 20,10.11). Wenn man diese Absicht Gottes mit dem Sabbat bedenkt, wie schrecklich war es dann, den Sabbat durch menschliche Gebote so zu missbrauchen.
      Auf dem Boden der Gnade gibt es den Sabbat nicht mehr. Der besondere Tag für die Christen ist der Sonntag, der erste Tag der Woche. Er wird oft auch der achte Tag genannt und ist das Zeichen der Ruhe Gottes in der neuen Schöpfung. Es ist „der dem Herrn gehörende Tag“ (Off 1,10), sein Auferstehungstag und damit der Ausgangspunkt jeder christlichen Segnung. Aus all diesem wird klar, dass Sabbat, der letzte Tag einer Woche, und Sonntag zwei unterschiedliche Bedeutungen tragen und dass der Sabbat kein Vorbild auf den Sonntag, den ersten Tag der Woche, ist.
      Kapitel 3
      In diesem Kapitel wird der Wechsel von der Haushaltung des Gesetzes zur Haushaltung der Gnade weiter deutlich gemacht. In den Abschnitten des Kapitels wird der Herr an vier verschiedenen Orten gezeigt. In den ersten sechs Versen sehen wir den Herrn Jesus noch einmal in der Synagoge, wo Er zu den Juden redet. In den Versen 7–12 ist der Herr am See zu finden, wo Er zu einer großen Menge, die teils auch aus den Nachbargebieten stammte, redet. Im nächsten Abschnitt wird der Herr auf dem Berg gefunden, wo Er die zwölf Jünger in seine besondere Nachfolge beruft. Von Vers 20 an ist Er in einem Haus, in dem Er größte Verachtung erfährt, die den Bruch der Beziehungen zu seinen Angehörigen hervorruft.
      Die Heilung des Mannes mit der verdorrten Hand
      „Und er ging wiederum in die Synagoge hinein; und dort war ein Mensch, der eine verdorrte Hand hatte. Und sie belauerten ihn, ob er ihn am Sabbat heilen würde, um ihn anklagen zu können. Und er spricht zu dem Menschen, der die verdorrte Hand hatte: Steh auf und tritt in die Mitte. Und er spricht zu ihnen: Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, Leben zu retten oder zu töten? Sie aber schwiegen. Und er blickte auf sie umher mit Zorn, betrübt über die Verstocktheit ihres Herzens, und spricht zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt. Und die Pharisäer gingen sogleich hinaus und hielten mit den Herodianern Rat gegen ihn, wie sie ihn umbrächten“ (Mk 3,1–6).
      Zu Beginn dieses Evangeliums wird der Herr dreimal in der Synagoge gefunden und jedes Mal wird dabei eine besondere Seite des Zustands des Judentums gezeigt. In Kapitel 1,21–27 war in der Synagoge ein Mann mit einem unreinen Geist. Dieser Mann symbolisiert den unreinen Geist des Judentums. Hier findet sich in der Synagoge ein Mann mit einer verdorrten Hand. Das zeigt, dass die Juden Menschen geworden waren, die völlig unfähig waren, gute Werke für Gott zu tun. In Kapitel 6,2.3 ärgert man sich über den Herrn. Dort wird deutlich, dass im Judentum kein Platz mehr für den Herrn Jesus war. Doch das Judentum wird nicht für immer in diesem schlechten Zustand bleiben. In der Zukunft wird Gott ihnen einen neuen Geist und ein neues Herz schenken, womit sie dann fähig sein werden, Gutes zu tun und den Herrn als Den anzuerkennen, der Er war und ist.
      Trotz aller Verachtung, die dem Herrn entgegenschlug, geht Er in seiner Gnade und Langmut doch wieder in die Synagoge, um zu den Juden zu reden. In der Apostelgeschichte sehen wir, dass der Apostel Paulus dies auch tat und so dem Vorbild seines Herrn folgte.
      Hier ist in der Synagoge ein Mann mit einer verdorrten Hand. Auch diese Krankheit ist wieder ein Bild des Zustands des Menschen als Sünder. Der Mensch ist nicht nur von Natur aus völlig unrein und außerstande, von sich aus zu Gott zu kommen, wie es in den Bildern des Aussätzigen und des Gelähmten in Kapitel 1 und 2 gezeigt wurde; er ist auch völlig unfähig, Gutes zu tun (Röm 3,12).
      Das Verhalten der Pharisäer wird von Abschnitt zu Abschnitt schlimmer. Hier lauern sie darauf, dass der Herr in seiner Gütigkeit am Sabbat heilen wird. In ihren Herzen waren sie davon überzeugt, dass Er es tun würde. Sie wollten den Beweis seiner Göttlichkeit (Gutes zu tun) nutzen, um Ihn anzuklagen.
      In dem Verhalten der Pharisäer liegt auch eine ernste Frage für uns. Die Pharisäer warteten nur darauf, dass etwas passierte, was sie kritisieren konnten. Zeigen wir nicht manchmal ein ähnliches Verhalten? Stehen wir nicht z. T. in Gefahr, bei anderen nur nach etwas zu suchen, was wir kritisieren können, anstatt das Gute bei ihnen festzuhalten (1. Thes 5,21)?
      Der Herr, der als der „Herzenskenner“ ihre Überlegungen kannte (vgl. Lk 6,8), nimmt die unausgesprochene Herausforderung an und lässt den Mann in die Mitte treten und lenkt so alle Aufmerksamkeit auf ihn. Er lässt sich durch ihre bösen Pläne nicht davon abhalten, Gutes zu tun.
      Mit der treffenden Frage in Vers 4 „Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, Leben zu retten oder zu töten?“, macht der Herr die Überlegungen der Pharisäer offenbar. Hier wird deutlich, dass „das Wort Gottes lebendig und wirksam“ ist „und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens ist; und kein Geschöpf … vor ihm unsichtbar“ ist (Heb 4,12.13). Die Pharisäer sahen eine Heilung als Arbeit an, die am Sabbat verboten war. Aber die Frage des Herrn stellte die Sache auf einen anderen Boden. Es ging nicht darum, zu arbeiten oder nicht, sondern Gutes oder Böses zu tun, Leben zu retten oder zu töten. Und in dieser Weise handelten auch die Pharisäer am Sabbat, wenn es um ihren Besitz ging (Mt 12,11). Das Gesetz war gegeben worden, um das Böse zu unterdrücken und nicht das Gute.
      Wir hätten die Fragen wahrscheinlich so formuliert: „Ist es erlaubt Gutes zu tun …, oder nicht?“ Aber die Formulierung der Frage durch den Herrn macht deutlich, dass unser Tun nach seinem Urteil entweder gut oder schlecht ist. Er zeigt den Pharisäern, dass es jemand gibt, der das Tun der Menschen beurteilt. Das hören die Pharisäer, die lieber selbst andere beurteilen, nicht gerne. Daher schweigen sie.
      Angesichts dieser Bosheit der Pharisäer erzürnt der Herr. Es war heiliger Zorn ohne jede Beimischung von Sünde (Eph 4,26), was bei uns so schnell der Fall ist. Aber zugleich ist der Herr auch betrübt über die Verstocktheit ihrer Herzen, denn Er hätte auch die Pharisäer gerne für sich gewonnen.
      Dann fordert Er den Mann mit der verdorrten Hand auf, seine Hand auszustrecken. Dieser gehorcht und tut genau das, was der Herr ihm gesagt hatte. Er sagt nicht: „Ich kann das nicht“, wie wir es so oft tun, wenn der Herr uns einen Auftrag gibt. Indem er so gehorcht, wird seine Hand wiederhergestellt. In Lukas 6,10 wird noch berichtet, dass die Hand wieder „wie die andere“ wurde. Wenn der Herr ein Werk tut, dann tut Er ein ganzes Werk.
      Jetzt konnte der Mann seine Hände wieder gebrauchen, um das Gute zu wirken (Eph 4,28), wie auch wir es als Ergebnis einer echten Bekehrung oder einer Wiederherstellung tun können.
      In Vers 6 werden die wahren Beweggründe der Pharisäer offenbar. Dem Herrn wollten sie verbieten, am Sabbat Gutes zu tun, aber sich selbst erlaubten sie, am Sabbat Mordgedanken zu haben. Ihr Verhalten steigert sich hier in tödlichen Hass. Der Beschluss, den Herrn zu töten, steht für sie bereits fest – es geht ihnen nur noch um das Wie. Sie gehen so weit, dass sie sich sogar mit den Herodianern, ihren Feinden, verbinden, um ihr Ziel zu erreichen.
      Auch hier erfährt der Herr wieder, dass man Ihn für seine Liebe anfeindete und Ihm Böses für Gutes erwies und Hass für seine Liebe (Ps 109,4.5).
      Die Heilung der Volksmengen am See
      „Und Jesus zog sich mit seinen Jüngern an den See zurück; und eine große Menge von Galiläa folgte; und von Judäa und von Jerusalem und von Idumäa und jenseits des Jordan und der Gegend um Tyrus und Sidon kam eine große Menge zu ihm, als sie gehört hatten, wie vieles er tat. Und er sagte seinen Jüngern, dass ein Boot für ihn bereit bleiben solle wegen der Volksmenge, damit sie ihn nicht bedrängten. Denn er heilte viele, so dass alle, die Plagen hatten, ihn überfielen, um ihn anrühren zu können. Und wenn die unreinen Geister ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und riefen und sprachen: Du bist der Sohn Gottes. Und er gebot ihnen sehr ernstlich, ihn nicht offenbar zu machen“ (Mk 3,7–12).
      Obwohl der Herr um die bösen Gedanken und Pläne der Pharisäer wusste, kommt in Ihm doch keine Feindseligkeit gegen sie auf. Er fängt auch nicht an, ihren Plänen entgegenzuarbeiten oder sich auf Streitgespräche mit ihnen einzulassen (2. Tim 2,24). Er handelt als der vollkommen abhängige Diener nach dem Willen Gottes und entweicht hier an den See, um einer offenen Konfrontation zu entgehen. Denn noch war die Stunde nicht gekommen, wo Er in die Hände der Menschen überliefert werden würde.
      Das Sich-Zurückziehen des Herrn an den See deutet auch wieder auf den Wechsel der Haushaltung hin.
      Nicht nur in diesem Kapitel wird der Herr an vielen verschiedenen Orten gezeigt, sondern allgemein in den ersten Kapiteln dieses Evangeliums. Diese Orte zeigen jeweils verschiedene Bereiche, an die der Herr sich mit einer Botschaft richtet:
      1. Die Synagoge zeigt den Bereich des religiösen Systems;
      2. das Haus stellt mehr den persönlichen Bereich des Dienstes des Herrn an den Einzelnen vor;
      3. im Bild der Stadt wird der Bereich der normalen Beziehungen der Menschen untereinander im täglichen Leben gezeigt;
      4. der See hier deutet die Weite des Dienstes des Herrn an. Wenn Er kommt „um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“, dann richtet sich dieser Dienst an alle.

      Die Pharisäer lehnen die Botschaft des Herrn ab und verschließen sich seinem Wirken. Dies führt hier dazu, dass die Gnade Gottes in der Person des Herrn weitergeht und sich an andere wendet. Es folgt Ihm eine große Menge von Galiläa, und auch aus den Nachbarländern kommen die Menschen in Scharen zu Ihm. Dies ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass es dort keine modernen Kommunikationsmittel wie heute gab, sondern in der Regel nur die mündliche Weitergabe.
      Diese Leute hatten gehört, „wie vieles er tat“ (V. 8). Die Pharisäer hörten den Herrn nicht nur, sie sahen auch sein Handeln und doch hatten sie kein Interesse an Ihm. Bei diesen Volksmengen war es anders. Wie tief und echt ihr Interesse an dem Herrn war, bleibt hier offen, aber indem sie hörten, brachten sie die Voraussetzung mit, um zum Glauben an den Herrn zu kommen, denn der Glaube ist aus der Verkündigung (Röm 10,17).
      Vers 9 zeigt, wie der Herr seinen Dienst in aller Einfachheit tut und von dem Gebrauch macht, was gerade zur Hand ist. Er, der Werke tat, die die Welt nie vorher gesehen hatte, benötigt keine großen Dinge, sondern benutzt einfach ein kleines Fischerboot, um seinen Dienst auszuüben.
      Wegen der großen Volksmenge bestand für den Herrn die Gefahr, eingeengt zu werden. So sorgt Er hier dafür, dass Ihn die Aufgaben (hier die Menschen) nicht überrollen. Das ist auch für uns im Dienst des Herrn ein wichtiger Punkt. Wenn wir geöffnete Augen haben, sehen wir eine Vielzahl von Aufgaben, die wir alleine gar nicht alle bewältigen können. Da ist es für uns wichtig, einen „freien Platz“ zu haben, wo wir in Gemeinschaft und in Abhängigkeit von Gott sein können. Dann werden wir uns nicht von den Aufgaben oder Umständen leiten lassen, sondern von Gott allein, und die Aufgaben tun, die Er von uns getan haben möchte.
      Das, was diese Kranken alles über den Herrn gehört hatten, bringt sie dazu, sich durch die Mengen zu Ihm hinzudrängen, in der Hoffnung, Ihm nahe genug zu kommen, um Ihn berühren zu können und so geheilt zu werden. So ein großes Vertrauen hatten sie in Ihn.
      Der Ausdruck „Plagen“ kommt in den Evangelien nur viermal vor (Mk 3,10; 5,29.34; Lk 7,21). Damit sind wohl in erster Linie Krankheiten gemeint, die z. T. schon lange andauerten. Aber wir können sicher auch an „Plagen des Herzens“ denken, von denen Salomo in seinem Gebet in 1. Könige 8,37.38 spricht. Auch mit solchen Plagen oder Sünden des Herzens, die oft kein anderer kennt, können wir zum Herrn kommen und sie Ihm bekennen. Auf ein aufrichtiges Bekenntnis hin werden wir immer Vergebung erfahren.
      Wieder treten unreine Geister auf, aber sie müssen vor Ihm niederfallen. Er hat nicht nur die Macht, zu heilen (V. 10), sondern auch Macht über Satan, und das erkennen die Dämonen an. Sie erkennen Ihn auch als Sohn Gottes an und fallen auch vor Ihm nieder. Aber sie erkennen Ihn erneut nicht als „Herrn“ an. Es ist – ganz bewusst – nur ein Bekennen der halben Wahrheit. Dass der Herr der Sohn Gottes war, wollten die Pharisäer nicht wahrhaben. Das ist besonders im Johannesevangelium der Grund dafür, dass sie Ihn zu töten suchten. Aber auch hier kann der Herr das Zeugnis der Dämonen nicht annehmen.
      Die Berufung der zwölf Jünger
      „Und er steigt auf den Berg und ruft herzu, welche er selbst wollte. Und sie kamen zu ihm; und er bestellte zwölf, damit sie bei ihm seien und damit er sie aussende zu predigen und Gewalt zu haben, die Dämonen auszutreiben. Und er gab Simon den Beinamen Petrus; und Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, den Bruder des Jakobus, und er gab ihnen den Beinamen Boanerges, das ist Söhne des Donners; und Andreas und Philippus und Bartholomäus und Matthäus und Thomas und Jakobus, den Sohn des Alphäus, und Thaddäus und Simon, den Kananäer, und Judas Iskariot, der ihn auch überlieferte“ (Mk 3,13–19).
      Nach den Ereignissen am See steigt der Herr jetzt auf den Berg, um seine zwölf Jünger zu berufen. Wenn Er auf einen Berg steigt, ist das oft mit ganz besonderen Ereignissen verbunden. In Matthäus 5–7 z. B. verkündigt der Herr auf dem Berg die Grundsätze des Reiches der Himmel. Auf dem „Berg der Verklärung“ in Matthäus 17,1–8 wird die ganze Herrlichkeit des Herrn in seinem Reich gezeigt. Hier nun beruft Er seine zwölf Jünger.
      Dazu verlässt Er die Volksmengen und die Unruhe am See und in den Städten und zieht sich auf den Berg zurück. Dort in der Abgeschiedenheit verbringt Er eine Nacht im Gebet vor seinem Gott (Lk 6,12.13), um dann im Morgengrauen aus dieser Abhängigkeit von Gott heraus die zu berufen, die „er selbst wollte“. Der Herr hatte insgesamt viele Jünger, die Ihm folgten, aber diese zwölf wollte Er in seine ganz besondere Nachfolge und Nähe rufen, um durch sie seinen Dienst auszuweiten. Hier bei Markus wird ein dreifacher Grund für diese Berufung der Jünger genannt:
      1. damit sie bei Ihm seien,
      2. damit Er sie aussende zu predigen und
      3. damit sie Gewalt hätten, Dämonen auszutreiben.

      Die Jünger wurden zunächst für ihre Aufgaben zubereitet, indem sie von Ihm selbst Anschauungsunterricht bekamen. Dazu brauchten sie nicht auf eine theologische Schule zu gehen, sondern mussten einfach bei Ihm sein und von Ihm lernen. Erst in Kapitel 6,7 werden die Jünger ausgesandt, um ihren praktischen Dienst auszuüben. Durch das, was sie in der Gegenwart des Herrn gesehen und gelernt hatten, waren sie qualifiziert, als Augenzeugen das Evangelium zu predigen, damit die Botschaft noch weiter verbreitet werden konnte. Diese Predigt des Evangeliums, die durch den Herrn und dann auch durch die Jünger geschah, war etwas ganz Neues. So etwas gab es im Alten Testament nicht.
      Dann bekommen die Jünger auch Gewalt, Dämonen auszutreiben. Wir haben schon gesehen, wie der Herr jedes Zeugnis der Dämonen zurückwies und keine Gemeinschaft mit ihnen einging. Er wusste, was seine Feinde sonst gesagt hätten: dass Er seine Werke in der Kraft des Beelzebul1 Die Pharisäer benutzten den Namen „Beelzebul“ als einen Namen für Satan, den Fürsten der Dämonen. Vermutlich nimmt dieser Ausdruck Bezug auf „Baal-Sebub“, den Götzen der Philisterstadt Ekron (vgl. 2. Kön 1,2). tun würde. Trotzdem sagen sie es in den nächsten Abschnitten dieses Kapitels. So gab Er auch seinen Jüngern Gewalt über die Dämonen, damit sie diese zurückweisen konnten.
      In allem ist der Herr hier der Handelnde; das Einzige, was den Jüngern zu tun bleibt, ist, seinem Ruf zu folgen. Und das tun sie auch sofort und kommen zu Ihm.
      Die Berufung der Jünger zeigt uns Grundsätze, die auch heute für die Berufung in den Dienst des Herrn gelten:
      Als Der, der „hinaufgestiegen ist über alle Himmel“ (Berg), gibt Er auch heute noch aus der Herrlichkeit Gaben (Eph 4,10–13) und Er beruft verschiedene Gläubige zu ganz speziellen Diensten. Aber die hier gezeigten Merkmale gelten auch allgemein für jeden Gläubigen, da jeder eine Aufgabe vom Herrn hat.
      So, wie Er hier bei den Jüngern der allein Handelnde ist, ist es auch bei uns. Er allein ist der Auftraggeber eines jeden Dienstes. An uns liegt es, zu gehorchen und zu Ihm zu kommen. Denn damit muss jeder Dienst in der Nachfolge des Herrn beginnen: dass wir bei Ihm sind. Wir können in der Öffentlichkeit nur das für Gott sein, was wir auch in der Stille vor Ihm sind. Und daraus wird deutlich, dass diese Vorbereitungszeit „bei Ihm“ eine ständig andauernde Sache ist.
      Wer dann im Dienst für den Herrn dasteht und für Ihn arbeiten will, steht automatisch dem Teufel gegenüber, der ihn auf irgendeine Weise hindern will. Dagegen haben wir in uns selbst keine Gewalt, aber wir können mit dem Herrn rechnen, der sie uns geben will.
      Die zwölf Jünger, die der Herr berief, waren einfache Leute (Apg 4,13) mit ganz unterschiedlichen Charakteren. Aber entscheidend war, dass Er sie berief, sie befähigte und zubereitete, damit sie dann in Vollmacht und in seiner Kraft ihren Dienst ausüben konnten. So handelt der Herr auch heute noch bei der Zusammenstellung seiner Diener. Und Er will erreichen, dass wir bei allen Verschiedenheiten von Ihm lernen und zu Ihm hinwachsen.
      Der Bereich des Dienstes der Jünger umfasste zunächst das irdische Volk Gottes (Mt 10,5.6). Nach der Auferstehung des Herrn wurde der Umfang ihres Dienstes universeller: „Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mk 16,15). In Apostelgeschichte 2 kamen die Jünger dann durch das Herabkommen des Heiligen Geistes in die Versammlung Gottes. In der Zukunft werden sie eine besondere Vergeltung für ihren Dienst und für ihr Ausharren bei dem Herrn in der Zeit seiner Verwerfung durch sein irdisches Volk bekommen (Lk 22,28–30; Off 21,14).
      Die Namen der Apostel werden in den ersten drei (synoptischen) Evangelien berichtet, außerdem in Apostelgeschichte 1,13. Vergleicht man diese Stellen in Matthäus 10, Markus 3, Lukas 6 und Apostelgeschichte 1, kann man einige Details, auch über die weniger bekannten Jünger, erfahren:
      Simon Petrus: Sein Name steht in allen Aufzählungen der Zwölf an erster Stelle, auch wenn kleinere Gruppen der Jünger mit Namen erwähnt werden. Petrus war ein sehr eifriger und impulsiver Mann, der trotz aller Fehler ein Herz voller Liebe für den Herrn hatte. Er musste lernen, dass auch in ihm nichts Gutes wohnte, aber der Herr kam mit ihm zum Ziel. Er bekam vom Herrn einen neuen Namen, nämlich Petrus (griechisch) oder Kephas (aramäisch), was „Stein“ bedeutet (Joh 1,42).
      Jakobus und Johannes: Diese beiden Brüder waren Söhne von Zebedäus, dem Fischer (Mk 1,19.20). Vergleicht man Matthäus 27,56 und Markus 15,40 miteinander, so scheint es, dass der Name ihrer Mutter Salome war.
      Jakobus ist der einzige Jünger, dessen Märtyrertod im Neuen Testament berichtet wird (Apg 12,1.2).
      Johannes scheint ohne Zweifel der Schreiber des Evangeliums zu sein, der sich dort als der „Jünger, den Jesus liebte“ bezeichnet. Er schrieb außerdem die drei Johannesbriefe und auf der Insel Patmos im Exil die Offenbarung. Johannes wird in den Evangelien und in der Apostelgeschichte oft zusammen mit Petrus erwähnt.
      Jakobus und Johannes bekamen vom Herrn einen Beinamen, der „Söhne des Donners“ bedeutet. Damit spielt der Herr wohl auf ihr natürliches Temperament an, das sich z. B. in Lukas 9,54–56 zeigte. Bei dieser Gelegenheit sehen wir, wie wichtig es ist, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich bei Ihm zu bleiben.
      Wenn der Herr so wie hier die Namen von Personen verändert, deutet das vielfach an, dass Er einen Unterschied zwischen dem alten und neuen Leben, der ersten und zweiten Geschichte der Personen macht. Und es ist wertvoll, zu untersuchen, wie der Herr von den verschiedenen Namen in der Schrift Gebrauch macht.
      Andreas und Philippus: Andreas war der Bruder von Simon Petrus (Mt 10,2; Lk 6,14). Philippus kam wie Andreas und Petrus aus Bethsaida (Joh 1,44; 12,21). Diese beiden können wir wiederholt finden, wie sie einzeln oder gemeinsam damit beschäftigt sind, andere zum Herrn Jesus zu führen (z. B. Nathanael in Johannes 1,45, den kleinen Jungen in Johannes 6,7–9 und die Griechen in Johannes 12,20–22). Philippus führt in allen Aufzählungen der Jünger die zweite Vierergruppe von Namen an.
      Bartholomäus: Es ist wohl anzunehmen, dass Bartholomäus der Familienname dieses Jüngers war und sein Vorname Nathanael war. Johannes erwähnt Bartholomäus in seinem Evangelium nicht, schließt aber Nathanael mit ein, wenn er in Kapitel 21,2 die Namen einiger Jünger anführt. Nathanael bekannte den Herrn vor seinem öffentlichen Dienst als Sohn Gottes und König Israels (Joh 1,49) und von ihm sagte der Herr: „Siehe, wahrhaftig ein Israelit, in dem kein Trug ist“ (Joh 1,47).
      Matthäus: Matthäus oder Levi wurde schon in Kapitel 2,14 erwähnt. Er war ein Zöllner, den der Herr in seine Nachfolge rief, und der das nach ihm benannte Evangelium geschrieben hat. Nur Markus sagt in Kapitel 2,14, dass sein Vater „Alphäus“ hieß. Wahrscheinlich war es aber nicht derselbe Alphäus, der im Zusammenhang mit Jakobus in Vers 18 genannt wird, da beide nie als Brüder miteinander in Verbindung gebracht werden.
      Thomas: Außer seiner Berufung in die Nachfolge des Herrn wird von Thomas in den ersten drei Evangelien nichts berichtet. Nur Johannes erwähnt ihn an verschiedenen Stellen (Joh 11,16; 14,5; 20,24–29) und berichtet, dass er auch „Didymus“ oder „Zwilling“ genannt wurde. Er ist vor allem durch seine Ungläubigkeit bei der Erscheinung des Herrn nach seiner Auferstehung in Johannes 20 bekannt.
      Jakobus: Jakobus, der Sohn des Alphäus, führt in allen Aufzählungen der Jünger die dritte Vierergruppe von Namen an und ist von Jakobus, dem Bruder des Herrn, zu unterscheiden.
      Thaddäus: Aus Matthäus 10,3 lernen wir, dass Lebbäus den Beinamen Thaddäus hatte, und Lukas nennt ihn in seinem Evangelium und in der Apostelgeschichte Judas (der Sohn oder Bruder des Jakobus). Von diesem Jünger mit den drei Namen wird bis auf eine Frage in Johannes 14,22 nichts weiter berichtet.
      Simon: Dieser Jünger wird von Matthäus und Markus mit der Hinzufügung „der Kananäer“ und von Lukas als „Zelotes“ gekennzeichnet. „Kananäer“ ist der hebräische und „Zelotes“ der griechische Name für eine radikale jüdische Sekte, die den Römern feindlich gesinnt war. Der Name bedeutet „Eiferer“. Seine Berufung durch den Herrn zeigt auch, wie unterschiedlich die Zusammensetzung der Jünger war.
      Judas Iskariot: Dieser Name wird in den Evangelien immer am Schluss der Aufzählungen erwähnt. Und fast immer, wenn von Judas gesprochen wird, findet sich ein Zusatz, der auf seine Überlieferung des Herrn hinweist. Er stammte aus Kerijot, einer Stadt im Land Juda, was durch den Zusatz „Iskariot“ angedeutet wird.
      Es war im Willen Gottes für den Herrn Jesus, auch einen Judas in der Schar seiner Jünger zu haben, ihn zu ertragen und dabei zu wissen, dass er Ihn verraten würde. Und wie vollkommen Er auch mit Judas umgegangen ist, wird daran deutlich, dass die Jünger nichts davon wussten, bis der Herr Judas als Verräter offenbar macht (Mt 26,20–25). Judas zeigt, wie schrecklich es ist, ein äußeres Bekenntnis zu haben, aber doch ein Feind des Herrn zu sein.
      Die Lästerung der Schriftgelehrten
      „Und sie kommen in ein Haus. Und wieder kommt die Volksmenge zusammen, so dass sie nicht einmal Brot essen konnten. Und als seine Angehörigen es hörten, gingen sie aus, um ihn zu greifen; denn sie sprachen: Er ist außer sich.
      Und die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen waren, sprachen: Er hat den Beelzebul, und: Durch den Fürsten der Dämonen treibt er die Dämonen aus.
      Und er rief sie herzu und sprach in Gleichnissen zu ihnen: Wie kann Satan den Satan austreiben? Und wenn ein Reich mit sich selbst entzweit ist, so kann jenes Reich nicht bestehen. Und wenn ein Haus mit sich selbst entzweit ist, so wird jenes Haus nicht bestehen können. Und wenn der Satan gegen sich selbst aufsteht und entzweit ist, so kann er nicht bestehen, sondern hat ein Ende. Niemand aber kann in das Haus des Starken eindringen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken bindet, und dann wird er sein Haus berauben.
      Wahrlich, ich sage euch: Alle Sünden werden den Söhnen der Menschen vergeben werden, und die Lästerungen, mit denen irgend sie lästern mögen; wer aber irgend gegen den Heiligen Geist lästert, hat keine Vergebung in Ewigkeit, sondern ist ewiger Sünde schuldig – weil sie sagten: Er hat einen unreinen Geist“ (Mk 3,20–30).
      Die Verse 20–30 bilden einen der erschütterndsten Abschnitte in diesem Evangelium. Die Verwerfung durch (a) seine Angehörigen und (b) die religiösen Führer des Volkes wird völlig offenbar. Man hält Ihn für „außer sich“ oder wahnsinnig und schreibt sein Handeln der Macht des „Fürsten der Dämonen“ zu. Aus Matthäus 12 wird klar, dass diese schreckliche Anklage gegen den Herrn in Verbindung mit der Heilung eines Besessenen stand.
      Bei dem Geschehen hier steht nicht so sehr Satan selbst im Vordergrund wie bei der Versuchung in der Wüste oder im Garten Gethsemane, sondern die Bosheit des Menschen.
      Der Herr betritt hier wieder ein Haus. In einem Haus wohnen normalerweise die, die von Natur aus zusammengehören. Und dieses Bild benutzt der Herr, um in diesem Abschnitt zu zeigen, dass die natürlichen Beziehungen zu den Seinen und zu seinem Volk aufhören und dass eine neue Beziehung zwischen Ihm und solchen, die an Ihn glauben und den Willen Gottes tun, hervortritt.
      Nachdem es für die Jünger in der Nachfolge des Herrn zunächst gut anfängt – sie stoßen in dem Haus auf die Volksmengen, die voller Interesse kamen –, lernen sie dann direkt einige wichtige Lektionen:
      Erstens lernen sie, was es heißt, wenn Fleisch und Blut regieren (in den Angehörigen); zweitens lernen sie, was offener Widerstand ist (bei den Pharisäern); und drittens lernen sie, wo menschliche Beziehungen aufhören und was wirkliche, echte Beziehungen sind.
      In der Nachfolge hinter dem Herrn her gibt es Widerstand – das ist eine Erfahrung, die auch wir machen, wenn wir dem Herrn konsequent nachfolgen. Und dieser Widerstand kommt oft von solchen, von denen man es am wenigsten erwartet hätte (Angehörige, religiöse Leute, Mitgeschwister) und wo es deshalb besonders schmerzt.
      In bewundernswerter Weise begegnet der Herr in den Versen 23–26 der schrecklichen Bosheit der Schriftgelehrten. Er „ruft sie herzu“, um ihnen (a) die Absurdität ihrer Anklagen und (b) die Schwere ihrer Schuld und ihr Schicksal zu zeigen. Er appelliert zunächst an ihren natürlichen Verstand, um ihnen ihre Torheit deutlich zu machen.
      Satan ist der „Menschenmörder von Anfang“ und der „Vater der Lüge“ (Joh 8,44). Sein Ziel ist es, zu rauben, zu töten und zu zerstören. Wie undenkbar ist es dann, dass Beelzebul der Urheber all der gnädigen Befreiungen aus der Macht der Dämonen sein könnte.
      Dann zeigt der Herr an einfachen Beispielen, dass Entzweiung und Uneinigkeit innerhalb eines Reiches oder einer Familie immer zum Zerbrechen der Gemeinschaft und zu völliger Kraftlosigkeit im Handeln führt. Das können wir im Alltag oft genug beobachten.
      In Vers 27 fügt der Herr eine weitere Wahrheit an, die durch jede Austreibung eines Dämons bewiesen wurde. Jeder Dämon war ein Zeugnis der Macht Satans über den Menschen. Und jede Austreibung solch eines Dämons war ein Beweis der Überlegenheit der Macht des Herrn über die Macht Satans.
      In dem Gleichnis dieses Verses werden drei Tätigkeiten gezeigt, die alle in Verbindung mit dem Herrn Jesus stehen:
      1. Das Eindringen in das Haus des Starken. Darin liegt ein Hinweis auf das Kommen des Herrn auf die Erde. Als Er in die Welt kam, drang Er in „das Haus des Starken“, d. h. den Machtbereich Satans, des „Fürsten der Welt“, ein.
      2. Das Binden des Starken. Vor Beginn seines öffentlichen Dienstes versuchte Satan den Herrn, um Ihn aus der Stellung der Abhängigkeit von seinem Vater fortzulocken. Aber seine Bemühungen waren vergeblich. Der Herr begegnete Satan mit dem Wort Gottes und „band“ Satan dadurch.
      3. Das Rauben des Hausrats. So konnte Er ihm in der Folgezeit während seines Dienstes auf der Erde seinen „Hausrat“ rauben (Apg 10,38). Mit jedem Gläubigen heute, den Er aus der Knechtschaft Satans befreit, beraubt der Herr auch heute noch das Haus des Starken. Aber jetzt ist Satan nicht nur gebunden, sondern auf Golgatha durch den Herrn besiegt worden (Heb 2,14.15). Auch in Bezug auf Israel wird Er in der Zukunft noch Satan berauben (Jes 49,24–26).

      Wie so oft beim Gebrauch des Wortes „wahrlich“, leitet der Herr damit auch in Vers 28 eine ernste Aussage ein. Zunächst finden wir eine positive Aussage: „Alle Sünden werden den Söhnen der Menschen vergeben werden.“ Diese Worte stützen in keiner Weise die Lehre der Allversöhnung. Wenn von „allen Sünden“ gesprochen wird, meint das einfach gesagt alle Arten oder Kategorien von Sünden (z. B. Lügen, Stehlen), die der Herr auf ein aufrichtiges Bekenntnis hin vergeben wird – bis auf eine Ausnahme, die in Vers 29 beschrieben wird.
      Beispiele von Lästerern, denen der Herr vergab, finden wir in dem Schächer am Kreuz, der zuerst lästerte und dann Frieden fand, und in dem Apostel Paulus (1. Tim 1,12.13a).
      Die Schriftgelehrten hatten sich jedoch der Lästerung des Heiligen Geistes schuldig gemacht, indem sie den Heiligen Geist, in dessen Kraft der Herr die Wunder bewirkte (Apg 10,38), einen Dämon nannten. Sie schrieben also das eindeutig erkennbare Wirken des Heiligen Geists in den Wunderhandlungen des Herrn Jesus dem Wirken Satans zu. Und so behaupteten sie, dass der Herrn Jesus von einem Dämon besessen wäre.
      In dieser Form kann diese Sünde heute nicht begangen werden, da der Herr Jesus nicht mehr auf der Erde ist. Darüber hinaus ordnet der Herr in Matthäus 12,32b die Lästerung des Heiligen Geistes bestimmten Haushaltungen/Zeitabschnitten zu: „… weder in diesem Zeitalter“ (d. h. in der Zeit, als der Herr auf der Erde war) „noch in dem zukünftigen“ (d. h. im 1000-jährigen Reich). Wir Christen haben unsere Stellung außerhalb dieser Zeitalter und können diese Sünde auch deshalb so nicht begehen.
      Die Angehörigen des Herrn
      „Und es kommen seine Mutter und seine Brüder; und draußen stehend, sandten sie zu ihm und riefen ihn. Und eine Volksmenge saß um ihn herum; und sie sagen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder draußen suchen dich. Und er antwortete ihnen und spricht: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er blickte umher auf die im Kreis um ihn her Sitzenden und spricht: Siehe da, meine Mutter und meine Brüder; denn wer irgend den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“ (Mk 3,31–35).
      Die Angehörigen des Herrn, die in Vers 21 ausgegangen waren, um den Herrn zu greifen, kommen hier zu dem Haus, wo Er lehrte, und lassen Ihm fordernd ausrichten, dass Er zu ihnen kommen sollte. Der Herr reagiert nicht ärgerlich auf die Störung. Er benutzt die Gelegenheit vielmehr, um einen wichtigen Grundsatz des Reiches Gottes zu zeigen: eine lebendige Beziehung zu dem König des Reiches gründet sich nicht auf Abstammung, sondern auf persönlichen Gehorsam und Treue dem Willen Gottes gegenüber.
      Die Beziehung Gottes zu Israel im Fleisch – dargestellt in den Angehörigen – ging zu Ende und wurde abgebrochen.
      Geistliche Beziehungen bleiben in Ewigkeit und haben Vorrang vor fleischlichen Beziehungen, die alle mit dem Tod enden.
      Diesen Grundsatz des Gehorsams dem Willen Gottes gegenüber predigte der Herr nicht nur, sondern illustrierte ihn in seinem Leben in vollkommener Weise. Er kam in die Welt, um den Willen des Vaters zu tun (Ps 40,7.8; Heb 10,9). Dieser Gehorsam des Herrn dem Willen Gottes gegenüber wird ganz besonders im Johannesevangelium an vielen Stellen gezeigt (z. B. Joh 4,34; 5,30; 6,38–40).
      Gemeinschaft mit Gott ist untrennbar mit Gehorsam gegenüber seinem Willen verbunden (Joh 14,21.23; 15,10; Mt 7,21). Und dieser Gehorsam ist ein Gehorsam aus Liebe. Wir sollen „den Willen Gottes von Herzen“ tun (Eph 6,6) und sind nach der Vorkenntnis Gottes „auserwählt … zum Gehorsam … Jesu Christi“ (1. Pet 1,2).
      Um dem Willen Gottes gehorchen zu können, müssen wir diesen natürlich kennen. Wie können wir das?
      Gott hat uns mit der Bibel kein Lexikon gegeben, in dem wir jeden Punkt exakt nachschlagen können. Er hat seinen Willen vielmehr in der ganzen Heiligen Schrift niedergelegt. Dieses Wort müssen wir lesen und studieren, um den Willen Gottes erkennen zu können. Wenn wir dies unter Gebet (Ps 143,10) und mit der Bereitschaft zum Gehorsam tun, wird der Herr uns durch seinen Geist seine Gedanken zeigen, so dass wir „vollkommen stehen und völlig überzeugt sind in allem Willen Gottes“ (Kol 4,12).
      Die Volksmenge saß um Ihn her. Die Menschen waren in seiner Nähe und damit in das Licht gekommen. Der Herr „blickte umher“ – ein Ausdruck, den nur Markus öfter verwendet und der das besondere intensive Interesse des Herrn an den Einzelnen zeigt – und prüfte so, ob sie bereit waren, den Willen Gottes zu tun und mit dem Herzen an Ihn zu glauben (Joh 6,39.40; Röm 2,28.29). Das „Sitzen um den Herrn“ bedeutet nicht automatisch, den Willen Gottes auch zu tun. Man kann wohl hören und doch keine Frucht bringen. Ein ernstes Beispiel dazu wird in Hesekiel 33,31–33 gezeigt.
      Kapitel 4
      Der Herr beginnt, in Gleichnissen zu lehren
      „Und wieder fing er an, am See zu lehren. Und eine sehr große Volksmenge versammelt sich bei ihm, so dass er in ein Schiff stieg und auf dem See saß; und die ganze Volksmenge war am See auf dem Land. Und er lehrte sie vieles in Gleichnissen; und er sprach zu ihnen in seiner Lehre“ (Mk 4,1.2).
      Der Beginn des vierten Kapitels stellt einen markanten Wendepunkt im Dienst des Herrn und in seinen Wegen mit Israel dar. In den ersten drei Kapiteln konnten wir den zunehmenden Hass des jüdischen Volkes und besonders seiner Führer sehen, die den Herrn nicht hören wollten und Ihn verwarfen. Daher ist es jetzt nicht mehr die Absicht des Herrn, ihnen weitere Belehrungen zu geben. Er ändert den Inhalt und die Art und Weise der Weitergabe seiner Belehrungen. Vorher hatte Er offen zu den Menschen geredet, jetzt beginnt Er in Gleichnissen zu reden, damit Ihn nicht mehr alle verstehen können. Auch den Bereich seines Dienstes weitet der Herr aus, was darin zu erkennen ist, dass „Er wiederum anfing, am See zu lehren“.
      „Und als er allein war, fragten ihn die, die um ihn waren, mit den Zwölfen über die Gleichnisse. Und er sprach zu ihnen: Euch ist es gegeben, das Geheimnis des Reiches Gottes zu erkennen; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil, „damit sie sehend sehen und nicht wahrnehmen, und hörend hören und nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.““ (Mk 4,10–12).
      Aus den Versen 9–12 und aus Matthäus 13,10–17 wird deutlich, dass das Reden in Gleichnissen ein Zeichen des Gerichts über das ungläubige Volk ist. Der Herr führt eine Abgrenzung ein zwischen seinen Jüngern, die sich aufrichtig für Ihn und sein Wort interessieren, und solchen, die „draußen“ sind (V. 11). Seinen Jüngern „erklärte Er alles besonders“ (V. 34), sie führte Er durch die Gleichnisse tiefer in seine Gedanken ein.
      Jemand hat einmal treffend gesagt: „Ein Gleichnis dient dazu, Schwieriges verständlich zu machen (für die, die,drinnen‘ sind) und auch dazu, Schwieriges noch unverständlicher zu machen (für die, die,draußen‘ sind).“
      Mit den Gleichnissen benutzt der Herr Vorgänge oder Begebenheiten aus dem irdischen Leben, um damit geistliche Wahrheiten zu illustrieren.
      Das Gleichnis vom Sämann
      „Hört! Siehe, der Sämann ging aus, um zu säen“ (Mk 4,3).
      Der Herr beginnt die Reihe der vier Gleichnisse in diesem Kapitel mit dem Gleichnis vom „Sämann“. Dieses Gleichnis stellt Er voran, da es besonders wichtig und grundlegend ist, wie aus Vers 13 zu entnehmen ist. Es ist für die Jünger die Voraussetzung zum Verständnis der anderen Gleichnisse, da es Aufschluss gibt über den Wechsel im Dienst des Herrn und über die verschiedenen Wirkungen, die der Dienst hervorruft. Der Herr bereitet die Jünger durch dieses Gleichnis auf ihren Dienst vor, indem Er ihnen zeigt, mit welchen Ergebnissen sie zu rechnen haben, um sie so auch vor Enttäuschung zu bewahren.
      Es ist interessant, die verschiedenen Dreiergruppen in diesem Gleichnis zu sehen:
      1. Es hat drei Gegenstände:
        • den Sämann,
        • den Samen,
        • die Böden.

      2. Es gibt drei Arten von unfruchtbaren Böden:
        • den Weg,
        • das Steinige,
        • die Dornen.

      3. Es gibt drei Feinde:
        • den Teufel,
        • das Fleisch,
        • die Weltförmigkeit.

      4. Es gibt einen dreifachen Wachstumsprozess auf den unfruchtbaren Böden:
        • der Same wird sofort weggenommen;
        • der Same geht auf, verdorrt dann aber schnell;
        • der Same geht auf, aber die Dornen ersticken die Pflanzen.

      5. Es gibt einen dreifachen Wachstumsprozess auf dem fruchtbaren Boden:
        • dreißigfache Frucht,
        • sechzigfache Frucht,
        • hundertfache Frucht.

      „Siehe, der Sämann ging aus, zu säen“ – obwohl es hier und in der Deutung des Gleichnisses durch den Herrn nicht gesagt wird, wird klar, dass der Sämann der Herr Jesus selbst ist. Als dieser stellt Er sich im Gleichnis vom „Unkraut im Acker“ (Mt 13,37) vor. Er geht aus (auch ein Hinweis auf die Erweiterung des Dienstbereiches des Herrn über Israel hinaus), um zu säen. Damit nehmen seine Wege mit den Menschen einen ganz neuen Charakter an. Bisher hatte Er über 4000 Jahre lang nach Frucht bei den Menschen und besonders bei seinem Volk, gesucht. Jetzt sät Er den Samen des Wortes (V. 14) in die Herzen der Menschen ohne Unterscheidung nach bestimmten Nationen, damit es dort Frucht bringe. Dieser Same des Wortes muss immer der Hauptgegenstand jeder Verkündigung sein.
      Das an den Weg Gesäte
      „Und es geschah, als er säte, fiel einiges an den Weg, und die Vögel kamen und fraßen es auf“ (Mk 4,4).
      „Diese aber sind die an dem Weg: wo das Wort gesät wird und, wenn sie es hören, sogleich der Satan kommt und das Wort wegnimmt, das in sie gesät war“ (Mk 4,15).
      Der Weg ist der erste von vier Ackerböden, die der Herr in diesem Gleichnis vorstellt. Aus der Erklärung des Gleichnisses in den verschiedenen Evangelien wird deutlich, dass diese vier Ackerböden vier verschiedene Herzenszustände zeigen, die das Wort Gottes bei den Menschen antrifft. Dabei steht die Anwendung auf den Herzenszustand eines Sünders sicherlich im Vordergrund, aber alle Zustände können auch in gewisser Weise bei einem Gläubigen vorhanden sein. Daher sollten wir uns bei der Beschäftigung mit diesem Gleichnis fragen, wie auch wir jeweils das Wort Gottes aufnehmen und welche Wirkung es in unseren Herzen hervorrufen kann.
      Das erste Herz gleicht einem festgefahrenen Weg, in den das Wort nicht eindringen kann. Es ist das Herz eines Menschen, der das Wort zwar hört und es vielleicht auch schon oft gehört hat, den es aber völlig unberührt lässt und der es schnell wieder vergisst. Bei diesen Menschen hat der Teufel es sehr einfach, den Samen, das gehörte Wort, sofort ganz wegzunehmen.
      Der Teufel ist der erste von drei in diesem Gleichnis gezeigten Feinden, die die Aufnahme des Wortes verhindern wollen. Der Teufel ist „sogleich“ da, wenn das Wort ausgestreut ist. Wenn wir uns dieser Tatsache mehr bewusst wären, würden wir auch mehr für alle Diener des Herrn, die das Wort verkündigen, beten; vor, während und auch nach jedem Dienst.
      Dieser Herzenszustand ist auch eine ernste Warnung für Kinder gläubiger Eltern, die das Evangelium schon oft gehört haben, aber noch nicht Buße getan haben. Es kann leicht dazu kommen, dass ihr Herz im Lauf des Lebens immer härter wird, bis es ihnen hinterher nicht mehr möglich ist, dem Wort Folge zu leisten.
      Aber dieser Herzenszustand kann auch einen Gläubigen kennzeichnen. Wie schnell passiert es, dass unser Herz durch den Einfluss dieser Welt abstumpft und uns das Wort Gottes nicht mehr trifft, oder aber, dass wir bestimmte Dinge aus dem Wort Gottes einfach nicht hören wollen und unser Herz in diesem Punkt verhärten.
      Das auf das Steinige Gesäte
      „Und anderes fiel auf das Steinige, wo es nicht viel Erde hatte; und sogleich ging es auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Und als die Sonne aufging, wurde es verbrannt, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es“ (Mk 4,5.6).
      „Und diese sind es ebenso, die auf das Steinige gesät werden, die, wenn sie das Wort hören, es sogleich mit Freuden aufnehmen, und sie haben keine Wurzel in sich, sondern sind nur für eine Zeit; dann, wenn Drangsal entsteht oder Verfolgung um des Wortes willen, nehmen sie sogleich Anstoß“ (Mk 4,16.17).
      Der zweite Herzensboden sieht auf den ersten Blick Erfolg versprechender aus als der erste. Die Unfruchtbarkeit des Bodens ist nicht sofort ersichtlich, aber unter der dünnen Erdschicht trotzdem vorhanden.
      Mit dem steinigen Boden werden oberflächliche Hörer des Wortes beschrieben. Bei ihnen ist das Fleisch der Feind des Evangeliums.
      Ihre erste Reaktion ist „Freude“; und wenn das bei einem Ungläubigen der Fall ist, hat das Wort sein erstes Ziel nicht erreicht. Die Absicht des Heiligen Geistes ist es, den Sünder durch das Wort zur Erkenntnis seines verlorenen Zustandes und zur Buße zu führen. Erst danach kommt echte, tiefe Freude in das Herz.
      Auch Menschen, die leichtfertig und mechanisch Sündenbekenntnisse ablegen, gehören häufig zu solchen, bei denen auf das Steinige gesät wird.
      Aber auch wir Gläubigen können in solch einer oberflächlichen Verfassung leben. Dann erfreuen wir uns vielleicht an einer guten Predigt oder an der gelungenen Wortwahl des Redners, aber das Gehörte dringt nicht tief in unser Herz ein und wir ziehen keine Konsequenzen daraus. Das ist ein gefährlicher Zustand, der dazu führt, dass wir zu Fall kommen, wenn Prüfungszeiten für uns kommen.
      Die Thessalonicher hatten das Wort in der richtigen Weise aufgenommen. Sie hatten trotz vieler Drangsal Freude im Heiligen Geist (1. Thes 1,6).
      Das in die Dornen Gesäte
      „Und anderes fiel in die Dornen; und die Dornen schossen auf und erstickten es, und es gab keine Frucht“ (Mk 4,7).
      „Und andere sind es, die in die Dornen gesät werden: Das sind solche, die das Wort gehört haben, und die Sorgen der Welt und der Betrug des Reichtums und die Begierden nach den übrigen Dingen kommen hinein und ersticken das Wort, und es bringt keine Frucht“ (Mk 4,18.19).
      Der dornige Boden zeigt ein Herz, das durch den Einfluss der Welt unfruchtbar geworden ist.
      Die drei genannten Einflüsse:
      1. die Sorgen der Welt,
      2. der Betrug des Reichtums und
      3. die Begierden nach den übrigen Dingen

      zeigen einen Zustand, der durch Weltförmigkeit gekennzeichnet ist. Und wo das Herz von der Welt erfüllt ist, kann das Wort Gottes nicht Fuß fassen.
      Alle drei Dinge sind Gefahren für Gläubige und Ungläubige in jeder Altersklasse. Wenn sie unser Herz erfüllen, führt das zu Fruchtlosigkeit und zum Verlust der Freude am Herrn und an seinem Wort!
      Der reiche Jüngling in Matthäus 19,16–22 ist ein Beispiel für den verderbenden Einfluss des Betrugs des Reichtums. Wir sehen Reichtum oft gar nicht als Betrug an, aber sein Betrug liegt darin, dass er vorgaukelt, nichts zu benötigen und unabhängig zu sein.
      Auch das Bild des Königs, der seinem Sohn Hochzeit machte und von den Geladenen nur Absagen erhielt, zeigt die Dornen, die das Wort der Gnade ersticken (vgl. Mt 22,1–14).
      Das in die gute Erde Gesäte
      „Und anderes fiel in die gute Erde und gab Frucht, indem es aufschoss und wuchs; und eins trug dreißig- und eins sechzig- und eins hundertfach. Und er sprach: Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ (Mk 4,8.9).
      „Und diese sind es, die auf die gute Erde gesät sind, die das Wort hören und aufnehmen und Frucht bringen: eins dreißig- und eins sechzig- und eins hundertfach“ (Mk 4,20).
      Erst bei diesem guten Boden erreicht der Sämann sein Ziel und bekommt Frucht. Diese Herzen hören das Wort nicht nur, sie nehmen es auch auf und bringen dann Frucht. Und das Fruchtbringen ist der Hauptgedanke in diesem Gleichnis.
      Was bedeutet „Frucht“ im Leben eines Gläubigen und wem gilt sie?
      Nun, der Empfänger der Frucht ist der, der den Samen sät; es ist der Herr (Mk 4) und auch der Vater (Joh 15; Heb 13,15).
      Johannes 15,8 und auch die „Frucht des Geistes“ in Galater 5,22 machen deutlich, worum es bei Frucht in erster Linie geht: Wenn die Wesenszüge des Herrn Jesus in unserem Leben sichtbar werden, dann bringen wir Frucht. Das ist zur Verherrlichung des Vaters.
      Natürlich ist auch alles, was aus Liebe zum Herrn und in Abhängigkeit von Ihm getan wird, Frucht; aber Frucht im Sinn des Neuen Testaments ist mehr das, was wir sind, als das, was wir tun.
      Auch wenn der gute Same auf den guten Boden fällt, gibt es unterschiedlich viel Frucht. Da der Gläubige immer noch die alte Natur in sich hat, können die in den vorhergehenden Versen gezeigten Feinde auch in seinem Herzen die Wirkungen des Wortes dämpfen. Wie wichtig ist es daher, dass wir wachsam gegenüber allem sind, was uns am Fruchtbringen hindern will.
      Die Voraussetzungen, um in der Praxis unseres Lebens volle Frucht zu bringen, finden wir, wenn wir Vers 20 mit den Parallelstellen in Matthäus 13,23 und Lukas 8,15 vergleichen. Dabei stellen wir fest, dass in jedem Bericht ein anderer innerer Vorgang gezeigt wird, der auf das Hören des Wortes folgt und dem Fruchtbringen vorausgeht. In Matthäus wird das Wort verstanden, hier in Markus aufgenommen und in Lukas bewahrt. In der Anwendung auf unsere Praxis zeigen uns diese drei Vorgänge Voraussetzungen, um gute und volle Frucht zu bringen:
      Je mehr wir das Wort verstehen, desto mehr erkennen wir von dem Herrn Jesus und desto mehr können wir etwas von seinem Wesen in unserem Leben widerspiegeln und so Frucht bringen.
      Auch das Aufnehmen geht dem Fruchtbringen voraus. Dieses Aufnehmen bedeutet ein Aufnehmen des Wortes in das Herz und ein persönliches Für-sich-in-Anspruch-Nehmen. In dieser Weise nahmen die Beröer in Apostelgeschichte 17,11.12 das Wort auf und brachten dann Frucht, indem „viele … von ihnen glaubten“.
      Weiterhin ist es wichtig, das Wort zu bewahren, d. h. es aktiv gegen alle widerstrebenden Einflüsse festzuhalten, die der Feind einem Frucht bringenden Christen entgegensetzt. Um „Frucht … mit Ausharren“ zu bringen (Lk 8,15), ist geistliche Energie nötig.
      Die Lampe unter dem Scheffel
      „Und er sprach zu ihnen: Holt man etwa die Lampe, damit sie unter den Scheffel oder unter das Bett gestellt werde? – nicht vielmehr, damit sie auf den Lampenständer gestellt werde? Denn es ist nichts verborgen, außer damit es offenbar gemacht werde, noch wurde etwas geheim, außer damit es ans Licht komme“ (Mk 4,21.22).
      Auf den ersten Blick können wir uns fragen, warum die Verse 21–25 gerade an dieser Stelle zwischen dem ersten und zweiten Gleichnis in diesem Kapitel stehen. Bei näherer Betrachtung stellen wir jedoch fest, dass sie in engem Zusammenhang zu dem Gleichnis vom Sämann stehen, und das in zweierlei Hinsicht:
      1. Dass Gleichnis vom Sämann hat gezeigt, dass Gott den Samen des Wortes in die Herzen sät und Frucht bei uns sucht. Hier nun sehen wir, dass aus der Frucht für Gott auch Licht für Menschen wird. Ein schönes Bindeglied zwischen Vers 20 und 21 ist Philipper 2,15, wo es heißt: „Damit ihr untadelig und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr scheint wie Lichter in der Welt, darstellend das Wort des Lebens.“
      Wir haben gesehen, dass es Frucht für Gott ist, wenn etwas von den Wesenszügen des Herrn Jesus in unserem Leben sichtbar wird. Das geschieht, wenn wir das Wort des Lebens darstellen. Wenn der Herr in unserem Leben Gestalt annimmt, freut das den Vater und es wird gleichzeitig auch von der Welt gesehen. Wir sind dann automatisch ein Licht und Zeugnis in dieser Welt. Er, der das Licht ist, wird dann in uns gesehen.
      Aber wie bei dem Samen gibt es auch beim Verbreiten des Lichtes Hindernisse. Die irdischen Beschäftigungen und die Gewinnsucht (Scheffel) können uns so in Beschlag nehmen, dass nichts mehr oder nur noch sehr wenig von dem empfangenen Licht in unserem Leben sichtbar ist. Wir gleichen dann einer Lampe, deren Licht durch einen Dimmer gemindert wird.
      Auf der anderen Seite kann auch große Bequemlichkeit und Trägheit (Bett) dazu führen, dass von uns kein Licht mehr ausgeht.
      Wir sollten aufpassen, dass wir unsere Aufgabe als Lichter in dieser Welt erfüllen und der Lampe gleichen, die auf „dem Lampenständer steht“ und deren Licht für alle sichtbar wird.
      2. Diese Verse stehen sicherlich hier, um einem Missverständnis bei den Jüngern vorzubeugen. Der Herr hatte in den vorhergehenden Versen begonnen, als Zeichen des Gerichts für die ungläubigen Juden, in Gleichnissen zu den Menschen zu reden. Nun konnten die Jünger denken, dass dies für immer so bleiben würde und dass die wunderbaren Wahrheiten, die der Herr verkündigte, für immer in dieser Weise verborgen sein würden. Aber das war nicht die Absicht dessen, der als das wahre Licht in die Welt gekommen war, um alle zu erleuchten. Das Verbergen der Wahrheit in Gleichnissen war nur eine vorübergehende Form der Verkündigung, hervorgerufen durch die harten und ungläubigen Herzen der Juden.
      Der Herr zeigt den Jüngern in den Versen 21–25 daher, dass die Hörer des Wortes verantwortlich sind, das Empfangene auch anderen weiterzugeben. Er bereitet sie so auf ihren Dienst vor, zu dem sie bestimmt waren und der in Markus 6,7 seinen Anfang nahm und sich nach der Himmelfahrt des Herrn immer weiter ausdehnte. Johannes der Täufer war so eine „brennende und scheinende Lampe“ (Joh 5,35), und jetzt wurde den Jüngern das Zeugnis vom Reich Gottes übertragen.
      Die Wahrheit konnte nicht verborgen bleiben. Und wenn die Jünger die empfangene Wahrheit nicht ins Licht stellten, würde Gott doch alles an den Tag bringen. Ebenso kann das Werk, das Gott im Herzen eines Menschen wirkt, nicht verborgen bleiben. Es kommt irgendwann ans Licht und wird für alle sichtbar.
      Vers 22 kann auch ganz allgemein auf die göttlichen Offenbarungen angewandt werden. Vieles, was im Alten Testament verborgen war oder in Vorausbildern angedeutet wurde, erklärte der Herr, das Licht in Person, denen, die sein Wort annahmen, und wir können es im Licht des Neuen Testaments jetzt auch verstehen. Die Apostel folgten dem Herrn in ihrem Zeugnis, indem sie das, was sie von dem Herrn empfingen, anderen verkündigten. Paulus ist ein Beispiel für einen treuen „Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes“ (1. Pet 4,10), indem er „nichts zurückhielt von dem, was nützlich war“, und nicht zurückhielt, den Ephesern „den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen“ (Apg 20,20.27). Ihm wurde es besonders gegeben, das Geheimnis von Christus und seiner Versammlung zu offenbaren, das bis dahin vor allen verborgen gewesen war (Eph 3,9). Er entsprach der Verantwortung, von dem weiterzugeben, was er empfangen hatte. Und dass diese Verantwortung besteht, macht der Herr in den folgenden Versen deutlich.
      Die Verantwortung der Hörer
      „Wenn jemand Ohren hat, zu hören, der höre! Und er sprach zu ihnen: Gebt Acht, was ihr hört; mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird euch zugemessen werden, und es wird euch hinzugefügt werden. Denn wer hat, dem wird gegeben werden; und wer nicht hat, von dem wird selbst das, was er hat, weggenommen werden“ (Mk 4,23–25).
      Der Herr zeigt hier, dass zwischen dem Hören des Wortes und dem Tun eine enge Verbindung besteht. Wir müssen unsere inneren Ohren benutzen, um in der rechten Weise mit dem Herzen zu hören. Denn wir können nur das weitergeben, was wir gehört oder gelernt haben. Und nur wenn wir uns viel mit dem Wort Gottes beschäftigen, können wir damit auch praktisch in der rechten Weise „messen“ oder beurteilen. Dafür benötigen wir „infolge der Gewöhnung geübte Sinne“ (Heb 5,14).
      Diese Verantwortung, uns das Empfangene richtig anzueignen und davon weiterzugeben, gilt für jeden Einzelnen, ob Jung oder Alt, ob Bruder oder Schwester. Aber wenn wir dieser Verantwortung entsprechen und in der rechten Weise weitergeben, werden wir immer mehr vom Herrn empfangen. Das ist der Segen für ein Herz, das in der beständigen Übung des Hörens, Verarbeitens und Weitergebens lebt (vgl. Spr 11,24.25).
      Wer sich jedoch das, was er hört und empfängt, nicht wirklich aneignet, von dem wird es weggenommen werden. Auch diese Seite ist wahr und spricht in ernster Weise zu uns. Es muss nicht so sein, dass wir uns generell nicht mit dem beschäftigen, was wir empfangen. Es kann in der Praxis auch so sein, dass wir bestimmte Wahrheiten des Wortes Gottes nicht in unser Herz dringen lassen und sie vernachlässigen. Dann verlieren wir über kurz oder lang jedes Licht über diese Punkte und es kann dazu kommen, dass wir nach einiger Zeit völlig anders darüber denken. Wie wichtig ist es daher, achtzugeben auf das, was wir hören.
      Das Gleichnis des von selbst wachsenden Samens
      „Und er sprach: So ist das Reich Gottes, wie wenn ein Mensch den Samen auf das Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag, und der Same sprießt hervor und wächst, er weiß selbst nicht wie. Die Erde bringt von selbst Frucht hervor, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht es zulässt, schickt er sogleich die Sichel, denn die Ernte ist da“ (Mk 4,26–29).
      Dieses Gleichnis berichtet nur Markus und es steht in Übereinstimmung mit dem Charakter seines Evangeliums. Der Herr deutet hier an, wie es mit seiner eigenen Wirksamkeit in Bezug auf die Predigt des Evangeliums werden würde. So wie im natürlichen Leben der Sämann nur bei der Aussaat und Ernte aktiv ist und der Same ohne Hinzutun des Sämanns keimt und wächst, so wollte auch der Herr den Samen des Evangeliums sich in der Welt ausbreiten lassen, ohne dass Er dabei tätig wurde. Erst bei der Ernte würde Er wieder dabei sein, um sich mit dem Gesäten zu beschäftigen. Dies entspricht dem Charakter des Reiches heute, wo der Herr des Reiches abwesend ist. So zeigt dieses Gleichnis auch, dass die Verbreitung des Evangeliums nicht so sehr auf den Fähigkeiten der Arbeiter beruht, die nur den Samen ausstreuen, als vielmehr auf der lebendig machenden Kraft und Macht des Wortes Gottes selbst. Allerdings liegt es an dem Arbeiter, den Samen mit Fleiß auszustreuen.
      Das Gleichnis vom Senfkorn
      „Und er sprach: Wie sollen wir das Reich Gottes vergleichen, oder in welchem Gleichnis sollen wir es darstellen? Es ist wie ein Senfkorn, das, wenn es auf die Erde gesät wird, kleiner ist als alle Samenkörner, die auf der Erde sind; und wenn es gesät ist, schießt es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, so dass sich unter seinem Schatten die Vögel des Himmels niederlassen können“ (Mk 4,30–32).
      Der Herr leitet das Gleichnis vom Senfkorn in einer sehr schönen Weise ein. In seiner Güte und Demut vereint Er sich hier mit seinen Jüngern und stellt seine Fragen in der Wir-Form. Natürlich war Er um eine Antwort nicht verlegen und brauchte auch nicht den Rat der Jünger, wie Er die Botschaft des Reiches Gottes den Menschen verständlich machen konnte. Aber Er sieht sich so eng mit den Jüngern verbunden, dass Er sie in diese Sache mit einbezieht.
      Das Gleichnis, das der Herr dann vorstellt, wird in der Christenheit oft nicht richtig verstanden. Man meint, in dem Senfkorn ein Bild von der Verbreitung des Evangeliums zu finden. Betrachtet man das Gleichnis jedoch in seinem Zusammenhang und untersucht man die Bedeutung der darin benutzten Symbole, so erkennt man, dass dies darin nicht zu finden ist. Es geht hier auch nicht um den Gedanken der Frucht wie in den vorigen Versen, denn es ist nicht die gegen Gott gewandte Seite des Reiches, die hier vorgestellt wird.
      Dieses Gleichnis zeigt uns vielmehr die äußere Entwicklung, die das Reich Gottes unter der Verantwortung des Menschen annehmen würde. Aus dem, was einen kleinen und unscheinbaren Anfang hatte, würde ein großes System auf der Erde werden, das vielen Schutz bieten würde. Das wird aus der Bedeutung der hier verwendeten Symbole deutlich:
      Das Senfkorn wird vom Herrn öfter zur Darstellung von etwas Kleinem benutzt (z. B. Mt 17,20; Lk 17,6). Dieser Gedanke der Kleinheit steht auch hier im Vordergrund. Markus betont besonders, dass das Senfkorn „kleiner ist als alle Samenkörner“.
      Dieses Senfkorn wächst jedoch zu einem sehr großen Baum mit großen Zweigen heran, unter dessen Schatten sich die Vögel des Himmels niederlassen. Dieses Bild eines großen Baumes wird bereits an verschiedenen Stellen des Alten Testaments gezeigt:
      In Hesekiel 31,1–9 wird Assyrien mit so einem großen Baum, einer Zeder auf dem Libanon, verglichen, in dem die Vögel des Himmels nisten. Der Prophet wendet dieses Bild dann auf den Pharao und seine Heere an.
      In Daniel 4 wird auch der König Nebukadnezar und sein Reich mit einem großen Baum verglichen, in dessen Zweige sich die Vögel des Himmels aufhalten. Und auch für das zukünftige Reich unseres Herrn wird in Hesekiel 17 das Bild einer herrlichen Zeder benutzt, unter der alle Vögel des Himmels wohnen.
      Aus diesen Stellen wird deutlich, dass das Bild eines großen Baumes uns eine große Macht auf der Erde vorstellt, die sowohl gut als auch böse sein kann. Und genau zu so einem großen weltlichen Machtsystem hat sich das Reich Gottes in seiner äußeren Erscheinung entwickelt. Es ist zu einem System geworden, das vielen Menschen Schutz und Zuflucht bietet und in dem viele verschiedene Strömungen zu finden sind.
      Dies ist es, was in den Vögeln des Himmels vorgestellt wird. Diese Vögel stehen im Gleichnis vom Sämann einige Verse vorher für Satan und seine Helfer. Sie stehen auch für Böses, was heute unter dem Deckmantel des Christentums getan und geduldet wird, und für Feinde des Christentums, die sich unter dem „Schatten“ der Christenheit niedergelassen haben.
      In Offenbarung 18,2 und 17,1–6 wird im Bild Babylons das schreckliche Endergebnis dieses großen Baumes gezeigt. Babylon ist dort genau das, was vom Reich Gottes übrig bleibt, wenn der wahre Kern des Reiches (die Gläubigen) nicht mehr auf der Erde ist. Und wenn wir mit offenen Augen um uns herum sehen, erkennen wir, wie stark es bereits heute in diese Richtung geht, die dort in der Offenbarung vorgestellt wird.
      Wenn in diesen Versen wiederholt vom Reich Gottes gesprochen wurde, ist es vielleicht gut, uns noch einmal kurz daran zu erinnern, was wir darunter zu verstehen haben.
      Die Wahrheit vom Reich Gottes nimmt im Neuen Testament einen weiten Raum ein. Es ist der Bereich, in dem Gott durch den Herrn Jesus regiert; der Bereich, in dem man offiziell die Autorität Gottes anerkennt. Heute ist dieser Bereich mit der allgemeinen Christenheit gleichzusetzen.
      Dieses Reich Gottes wird in der Schrift unter vielen verschiedenen Blickwinkeln vorgestellt. So wird es z. B.
      1. als etwas Gegenwärtiges (z. B. Lk 17,21) und als etwas Zukünftiges (z. B. Mt 25,34),
      2. als etwas Irdisches (z. B. Mt 13,24–30) und als etwas Himmlisches (z. B. 2. Tim 4,18),
      3. von einer äußeren Seite (z. B. Mk 4,30–32) und von einer inneren Seite (z. B. Mk 4,26–29) gezeigt.

      Verwirrung entsteht erstens, wenn man diese verschiedenen Blickwinkel nicht unterscheidet und wenn man zweitens das Reich Gottes mit der Versammlung Gottes gleichsetzt. Das Reich und die Versammlung waren nur in der unmittelbaren Anfangszeit der Versammlung deckungsgleich. Schon in Apostelgeschichte 8,12–25 finden wir in Simon dem Zauberer den ersten unechten Bekenner. Er trat durch die Taufe zwar in den Bereich des Reiches Gottes ein, hatte aber kein wahres Leben aus Gott und gehörte nicht zu der Versammlung des lebendigen Gottes. Seitdem besteht das Reich Gottes also sowohl aus echten als auch aus leblosen Bekennern und kann nicht mit der Versammlung gleichgesetzt werden, zu der nur wiedergeborene Menschen gehören, die den Geist Gottes in sich wohnen haben.
      Die Belehrung der Jünger durch den Herrn
      „Und in vielen solchen Gleichnissen redete er zu ihnen das Wort, wie sie es zu hören vermochten. Ohne Gleichnis aber redete er nicht zu ihnen; seinen eigenen Jüngern aber erklärte er alles besonders“ (Mk 4,33.34).
      Diese Verse zeigen die wunderbare Weisheit und Liebe des Herrn in der Art und Weise, wie Er seine Jünger auf ihre Aussendung zum Dienst in Kapitel 6 vorbereitete – hier durch seine Worte und ab Vers 35 durch seine Taten. In seiner Weisheit passte der Herr sich dem geistlichen Verständnis seiner Zuhörer an, und in seiner Liebe bemühte Er sich um seine Jünger, indem Er ihnen alles besonders erklärte. Es lag Ihm daran, dass das, was Er sagte, von ihnen verstanden wurde und in ihre Herzen fiel. Für sie – und auch für uns heute – erfüllten sich die Worte aus Psalm 25,14: „Das Geheimnis [eig.: Die vertraute Mitteilung, oder Der vertraute Umgang] des Herrn ist für die, die ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzutun.“
      Von diesem Beispiel und Vorbild des Herrn in der Belehrung seiner Zuhörer sollte auch heute jeder lernen, den der Herr dazu benutzen möchte, etwas aus dem Wort an andere weiterzugeben.
      Der Herr stillt den Sturm
      „Und an jenem Tag, als es Abend geworden war, spricht er zu ihnen: Lasst uns übersetzen an das jenseitige Ufer. Und sie entlassen die Volksmenge und nehmen ihn, wie er war, in dem Schiff mit. Und andere Schiffe waren bei ihm. Und es erhebt sich ein heftiger Sturm, und die Wellen schlugen in das Schiff, so dass das Schiff sich schon füllte. Und er war im hinteren Teil und schlief auf dem Kopfkissen; und sie wecken ihn auf und sprechen zu ihm: Lehrer, liegt dir nichts daran, dass wir umkommen? Und er wachte auf, schalt den Wind und sprach zu dem See: Schweig, verstumme! Und der Wind legte sich, und es trat eine große Stille ein. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Und sie fürchteten sich mit großer Furcht und sprachen zueinander: Wer ist denn dieser, dass auch der Wind und der See ihm gehorchen?“ (Mk 4,35–41).
      In den vorhergehenden Begebenheiten hatte der Herr Belehrungen über die Eigenschaften und Auswirkungen der Predigt des Evangeliums gegeben. Der jetzt folgende Bericht über das Wunder des Herrn auf dem See soll den Jüngern zeigen, welchen Gefahren sie und alle Zeugen des Reiches Gottes ausgesetzt sein würden, aber auch welche Errettung aus den Gefahren die erleben würden, die auf Ihn vertrauen. Wenn vorher mehr die Gefahren gezeigt wurden, die den Dienst des Evangeliums des Reiches umgeben würden, wird hier deutlich, welche Gefahren den Dienern selbst begegnen würden.
      Ein langer und ereignisreicher Tag war zu Ende gegangen, als der Herr seine Jünger auffordert, an das jenseitige Ufer des Sees überzusetzen. Die Jünger folgen dem Auftrag des Herrn, in dem Er sich ganz mit ihnen einsmachte („lasst uns“), und nehmen Ihn, „wie Er war“, in dem Schiff mit. Das ist ein sehr schöner Ausdruck, der uns viel zu sagen hat. Nehmen wir den Herrn auch so, wie Er ist, in unser „Lebensschiff“ auf? Oder nehmen wir Ihn nur teilweise mit, wie es die Christenheit heute vielfach tut? Sie spricht beispielsweise in der Weihnachtszeit von Ihm als dem Kind in der Krippe oder lässt Ihn auch noch als ein Vorbild für Nächstenliebe gelten, will aber sonst nicht viel mit Ihm zu tun haben.
      Wenn wir Ihn so, „wie er ist“, in unser Leben aufnehmen, geht Er mit uns durch die Höhen und Tiefen unseres Lebens. Wir lernen Ihn dann als Den kennen, der jeden Sturm in unserem Leben stillen kann.
      Es ist immer wieder wichtig, dass wir uns fragen, „wie der Herr ist“. Wenn wir Ihn sehen, wie „Er in allem den Brüdern gleich“ wurde (Heb 2,17) und „in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden“ wurde (Phil 2,8), oder an Ihn als unseren Hohenpriester denken, der „in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde“ (Heb 4,15), und der in all unserer Bedrängnis bedrängt war (Jes 63,9), aber zugleich doch „Gott, gepriesen in Ewigkeit“, ist (Röm 9,5), dann können wir Ihn nur staunend bewundern und anbeten.
      Nur in diesem Evangelium wird davon berichtet, dass auch andere Schiffe mit Ihm auf dem See waren. In der Anwendung auf unser persönliches Leben können wir darin vielleicht an Mitgeschwister denken, die der Herr uns zur Seite gegeben hat und mit denen wir uns in Stürmen über Den austauschen können, der dem Sturm gebieten kann.
      Während der Überfahrt erhebt sich plötzlich ein großes Unwetter, das so schlimm ist, dass die erfahrenen Seeleute alles Vertrauen in ihre Fachkenntnisse und Kräfte verlieren. Aber sie verlieren auch das Vertrauen in ihren Meister, der mitten in diesem gewaltigen Sturm hinten im Schiff auf einem Kopfkissen schläft. Dass der Herr schlief, zeigt, wie vollkommen Er Mensch war und in was für einem tiefen inneren Frieden Er seinen Weg über die Erde ging. In dieser unruhigen Lage verwirklichte Er das völlige Vertrauen auf Gott, von dem der Psalmist in Psalm 4,9 spricht.
      Die Jünger waren von so einer Haltung des Vertrauens und der Ruhe hier noch weit entfernt. Doch wenn wir Petrus in Apostelgeschichte 12 in der Nacht vor seiner Verurteilung ruhig zwischen zwei Soldaten schlafen sehen, erkennen wir, dass er von dem Herrn gelernt hatte und Ihm dort ähnlich wurde.
      Während der Herr in Vers 38 als der vollkommene Mensch vor uns stand, sehen wir in Vers 39, dass Er doch zugleich auch wahrer Gott ist, der völlige Macht über die Naturgewalten hat. Auf sein Wort hin legt sich der gewaltige Wind sofort und es tritt eine große Stille ein.
      Dieses Geschehen offenbart den Jüngern viel über ihren Meister. Aber zugleich lernen sie auch etwas über sich selbst, indem der Herr sie mit seinen Fragen in sein Licht stellt.
      Obwohl sie schon so viel von der Macht und dem Wirken des Herrn gesehen hatten, haben sie doch noch nicht erkannt, was für eine Person Er wirklich ist, und machen Ihm in ihrer Not Vorwürfe. Hätten sie daran gedacht, wer es war, der mit ihnen in dem Boot war, hätten sie keine Angst haben müssen, unterzugehen.
      Wenn wir an uns denken, müssen wir bekennen, dass wir den Jüngern in ihrem Unglauben oft gleichen, auch in Situationen, in denen die Not längst nicht so groß ist wie hier auf dem See. Auch wir müssen stets daran denken, wer es ist, der bei uns ist und uns in jeder Not beisteht.
      Kapitel 5
      In Kapitel 4,35–41 haben wir die Macht des Herrn Jesus über die Schöpfung und die Naturgewalten gesehen. Das fünfte Kapitel schildert drei weitere Bereiche, über die sich die Macht des Herrn erstreckt:
      1. die Macht des Herrn über Satan und die unreinen Geister (V. 1–20),
      2. die Macht des Herrn über die Krankheiten (V. 25–34),
      3. die Macht des Herrn über den Tod (V. 35–43).

      Die Ereignisse in diesem Kapitel dienen dazu, die Frage der Jünger aus Kapitel 4,41 „Wer ist denn dieser?“ zu beantworten. Sie zeigen uns den Herrn in seinem Dienst an einzelnen Menschen, denen Er seine Hilfe und Macht erweist.
      Die Heilung des Mannes mit dem unreinen Geist
      „Und sie kamen an das jenseitige Ufer des Sees in das Land der Gadarener. Und als er aus dem Schiff gestiegen war, kam ihm sogleich aus den Grüften ein Mensch mit einem unreinen Geist entgegen, der seine Wohnung in den Grabstätten hatte; und selbst mit Ketten konnte ihn niemand mehr binden, da er oft mit Fußfesseln und mit Ketten gebunden gewesen war und die Ketten von ihm in Stücke zerrissen und die Fußfesseln zerrieben worden waren; und niemand vermochte ihn zu bändigen. Und allezeit, Nacht und Tag, war er in den Grabstätten und auf den Bergen und schrie und zerschlug sich mit Steinen. Und als er Jesus von weitem sah, lief er und warf sich vor ihm nieder; und mit lauter Stimme schreiend, sagt er: Was habe ich mit dir zu schaffen, Jesus, Sohn Gottes, des Höchsten? Ich beschwöre dich bei Gott, quäle mich nicht! Denn er sagte zu ihm: Fahre aus, du unreiner Geist, aus dem Menschen. Und er fragte ihn: Was ist dein Name? Und er spricht zu ihm: Legion ist mein Name, denn wir sind viele. Und er bat ihn sehr, sie nicht aus der Gegend fortzuschicken. Es war aber dort an dem Berg eine große Schweineherde, die weidete. Und sie baten ihn und sprachen: Schicke uns in die Schweine, dass wir in sie fahren. Und er erlaubte es ihnen. Und die unreinen Geister fuhren aus und fuhren in die Schweine, und die Herde stürzte sich den Abhang hinab in den See (etwa zweitausend), und sie ertranken in dem See“ (Mk 5,1–13).
      Die Heilung des Mannes mit dem unreinen Geist in den ersten zwanzig Versen dieses Kapitels können wir unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten:
      1. Zunächst können wir die rein geschichtliche Schilderung dieser Begebenheit sehen, die uns die Macht des Herrn über Satan und die unreinen Geister zeigt.
      2. Diese Begebenheit liefert uns auch ein grundsätzliches Bild der Menschen von Natur, die der Herr vollständig heilen will.
      3. Dann können wir darin auch ein Bild von Menschen unserer Zeit sehen, die ähnliche Charakterzüge wie dieser Mann aufweisen. Wenn wir an Satanisten denken oder von Menschen hören, die okkulte Messen auf Friedhöfen feiern, erkennen wir, dass diese Dinge, wenn auch vielleicht in einer anderen Form, heute ganz aktuell sind.

      Direkt nach der Landung am Ufer des Sees stellt Satan dem Herrn eine neue Herausforderung. Es begegnet Ihm ein Mensch, in dem sich die geballte Macht Satans konzentriert (Legion). Die Beschreibung dieses Mannes hier und in Matthäus 8 und Lukas 8 zeigt, was für ein völlig hilfloses Wesen dieser Mann durch die Macht des Bösen in ihm geworden war. Er ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was aus einem Menschen unter dem Einfluss Satans werden kann. Aber gleichzeitig wird in dieser Begebenheit offenbar, dass die Macht des Guten in unserem Herrn die Macht des Bösen völlig überwindet! Die Beschreibung der Heilung dieses Menschen durch den Herrn ist eine der ausführlichsten in den Evangelien.
      Dieser Mann hatte einen „unreinen Geist“. In verschiedenen anderen Begebenheiten in den Evangelien werden die Ausdrücke „unreine Geister“ und „Dämonen“ abwechselnd mit Bezug auf dieselbe Sache benutzt (z. B. Mk 7,25–30; Lk 9,42). So kann man wohl sagen, dass die „Dämonen“ in Form von „unreinen Geistern“ Besitz von Personen ergriffen. Ihre Wirksamkeit entfaltete sich in ganz besonderer Weise zur Zeit des Herrn auf der Erde, aber sie blieb nicht auf diese Zeit beschränkt. Am Ende des Evangeliums verleiht der Herr den Jüngern die Macht, Dämonen auszutreiben (Mk 16,17). In der Apostelgeschichte finden wir die Apostel dann bei verschiedenen Gelegenheiten, wo sie diese Macht ausüben (z. B. Apg 5,16; 16,18). Neben dem Vorhandensein böser Mächte heute wird Satan seine Aktivitäten durch „unreine Geister“ auch in der Zukunft wieder in verstärktem Maße ausführen. So lesen wir in Offenbarung 16,13.14 von drei unreinen Geistern, die Geister von Dämonen sind, und von der großen Stadt Babylon wird gesagt, dass sie „eine Behausung von Dämonen … und ein Gewahrsam jedes unreinen Geistes“ geworden ist (Off 18,2). Aber so wie damals und heute hat der Herr auch in der Zukunft die Macht über die unreinen Geister und wird sie ihrer ewigen Bestrafung zuführen.
      Der Mann hatte seine „Wohnung in den Grabstätten“. Er lebte damit ständig in Verbindung mit dem Tod und in einem Zustand der Verunreinigung. Denn das Gesetz sagte, dass schon die Berührung eines Toten oder eines Grabes für sieben Tage verunreinigte (4. Mo 19,16).
      Die Verse 4 und 5 zeigen die völlige Hilflosigkeit des Menschen gegenüber der Macht Satans. So ist es auch heute noch. Jeder Versuch, die Natur eines Menschen durch harte Strafen zu ändern oder seine bösen Triebe zu unterdrücken, ist zum Scheitern verurteilt. Die Macht, davon zu befreien, hat nur der Herr.
      Ein weiteres Beispiel für die Unfähigkeit des Menschen, andere aus der Macht Satans zu befreien, findet sich in Apostelgeschichte 19,13–16. Dort versuchten sieben jüdische Beschwörer, andere Menschen von unreinen Geistern zu befreien, und erlebten dabei die Macht der Dämonen am eigenen Leib.
      Dieser Mann war ein Gebundener Satans, aber kein Mensch konnte ihn binden. Steckt hinter diesem Paradoxon nicht eine List des Teufels? Satan gaukelt den Menschen vor, sie seien frei, aber in Wirklichkeit bindet er sie umso mehr. Das Ablegen von Sachzwängen führt immer weiter in die Gebundenheit, die nur unglücklich macht.
      Was trieb den unreinen Geist dazu, dem Herrn direkt nach seiner Ankunft am Ufer entgegenzugehen (V. 2) und zu Ihm hinzulaufen und vor Ihm niederzufallen (V. 6)? Wäre es nicht besser für ihn gewesen, vor dem Herrn wegzulaufen? Auch in dieser Reaktion des Mannes mit dem unreinen Geist zeigt sich die ganze Macht und Autorität des Herrn über die unreinen Geister. Er ist Der, vor dem sich einst jedes Knie beugen wird (Phil 2,9.10).
      Der unreine Geist erkennt den Herrn als „Jesus, den Sohn Gottes, des Höchsten“, an. Damit strafte er die Pharisäer Lügen, die die Macht des Herrn dem Beelzebul zuschrieben (Mk 3,22). Der Titel „des Höchsten“ steht in der Schrift für den souveränen Herrschaftsanspruch Gottes über die Erde und nimmt besonders Bezug auf die Regierung Gottes im 1000-jährigen Reich, wenn Satan und seine Helfer von der Erde verbannt sind. Als solchen erkennt der unreine Geist den Sohn Gottes hier schon an.
      In dem Dialog in Vers 9 und 10 spricht der Mann abwechselnd in der Einzahl und in der Mehrzahl von sich. Das zeigt, wie vollständig der unreine Geist von ihm Besitz genommen hatte. Er nennt sich „Legion“, eine Bezeichnung für eine große Abteilung von Soldaten zur damaligen Zeit. Liegt darin nicht auch ein Hinweis auf die Feinde, die uns heute umgeben? In Epheser 6,12 sehen wir, dass unser Kampf „gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis“ und „gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ ist. Das sind die „unreinen Geister“, mit denen wir konfrontiert werden.
      Schweine waren nach dem Gesetz unreine Tiere und durften daher bei den Juden nicht vorhanden sein. Und doch gab es hier bei ihnen diese große Herde, die ihren ganzen Reichtum bildete. Die unreinen Geister äußern die Bitte, in diese Schweine fahren zu dürfen, da sie fest mit ihrer Austreibung durch den Sohn Gottes rechnen. Unreines gesellt sich zu Unreinem; ein Grundsatz, der sich auch hier bestätigt. Der Herr gewährt die Bitte und die unreinen Geister treiben die Schweine in den Tod. Dieses Geschehen zeigt unmissverständlich die Zielsetzung Satans und seiner Dämonen. Ihr Ziel ist es stets, zu zerstören und zu verderben, auch wenn diese Absicht nicht immer so schnell und deutlich an den Tag tritt wie hier.
      Die Folgen der Befreiung des Besessenen
      „Und ihre Hüter flohen und verkündeten es in der Stadt und auf dem Land; und sie kamen, um zu sehen, was geschehen war. Und sie kommen zu Jesus und sehen den Besessenen dasitzen, bekleidet und vernünftig, den, der die Legion gehabt hatte; und sie fürchteten sich. Und die es gesehen hatten, erzählten ihnen, wie dem Besessenen geschehen war, und das von den Schweinen. Und sie fingen an, ihm zuzureden, aus ihrem Gebiet wegzugehen. Und als er in das Schiff stieg, bat ihn der Besessene, dass er bei ihm sein dürfe. Und er ließ es ihm nicht zu, sondern spricht zu ihm: Geh hin in dein Haus zu den Deinen und verkünde ihnen, wie viel der Herr an dir getan und wie er sich deiner erbarmt hat. Und er ging hin und fing an, in der Dekapolis bekannt zu machen, wie viel Jesus an ihm getan hatte; und alle verwunderten sich“ (Mk 5,14–20).
      In welch einem Gegensatz zu dem zerstörerischen Wirken Satans steht das Wirken des Herrn in Gnade an diesem besessenen Mann. Auch in dieser Heilung offenbart Er sich als der Ausdruck der herzlichen Barmherzigkeit Gottes (Lk 1,78). Und wieder einmal bewahrheitet sich, dass Er Derjenige ist, der wirklich frei machen kann (Joh 8,36). Das zeigt sich in der völligen Verhaltensänderung des Mannes.
      Drei Einzelheiten werden von dem befreiten Mann erwähnt. Sie zeigen drei Ergebnisse des Werkes von Golgatha, die jeder erfährt, der an den Herrn Jesus glaubt:
      1. Er sitzt – das lässt uns an daran denken, dass wir Frieden mit Gott haben.
      2. Er ist bekleidet – der Gläubige ist mit „Kleidern des Heils“, mit Gottes Gerechtigkeit bekleidet.
      3. Er ist vernünftig – in jedem Gläubigen hat eine innere Verwandlung stattgefunden. Er ist nicht länger ein Feind Gottes, sondern passend für seine Gegenwart.

      Ganz anders als der Geheilte verhalten sich die Gadarener. Sie fürchteten sich und bitten Ihn, aus ihrem Gebiet hinwegzugehen. Das ist der Mensch von Natur aus. Er fürchtet sich immer vor der Gegenwart Gottes, auch wenn Er sich wie hier in Gnade offenbart. Die Gadarener zogen die Gegenwart des Besessenen und die unreinen Schweine der herrlichen Person des Sohnes Gottes vor.
      Was für ein Schmerz muss es für den Herrn gewesen sein, als sie Ihn baten, aus ihrem Gebiet wegzugehen. Denn Er wusste, dass ihr Verhalten stellvertretend für das der Masse seines Volkes stand (s. a. Lk 9,53). Wir können etwas von den Empfindungen des Herrn über diese Ablehnung erkennen, wenn wir seine Klage über Jerusalem in Matthäus 23,37 lesen. Und wird der Herr nicht auch schon an das Geschehen bei seiner Verurteilung gedacht haben, als die tobende Menge schrie: „Weg mit diesem, … kreuzige, kreuzige ihn!“ (Lk 23,18.21)? Diese völlige Ablehnung des Herrn bildete den Höhepunkt der Sünde des Menschen. Denn sie zeigte, dass der Mensch nicht nur das Böse tat, sondern auch das Gute hasste.
      Was muss es andererseits dann für das Herz des Herrn gewesen sein, wenn Er auf seinem Weg über diese Erde Herzen sah, die für Ihn schlugen und die Ihn gerne aufnahmen (z. B. Lk 4,42; Joh 4,40; Lk 24,29).
      Die Gadarener erkannten nicht, dass auch sie in der Gefangenschaft Satans waren und die Befreiung durch den Herrn nötig hatten.
      Der Besessene hatte hingegen nur den einen Wunsch: in der Nähe des Herrn zu bleiben, der so Großartiges an ihm getan hatte. Seine Bitte können wir gut verstehen. Aber der Herr hatte für diesen Mann noch eine Aufgabe, die Er auch für jeden von uns hat. Der Geheilte sollte Zeugnis ablegen von dem, was der Herr in so wunderbarer Weise an ihm getan hatte. Genau dazu sind wir noch in der Welt gelassen.
      Mit seinem Zeugnis sollte der Mann bei den Seinen in seinem Haus anfangen, bei denen, die er vorher verlassen hatte und die ihn genau kannten. Einen ähnlichen Auftrag gab der Herr bei seiner Himmelfahrt seinen Jüngern – sie sollten ihren Dienst beginnen, „angefangen von Jerusalem“ (Lk 24,47). In dieser Weise handelte auch der Jünger Andreas, der zuerst seinen eigenen Bruder Simon fand und ihn zu Jesus führte (Joh 1,41.42).
      Die praktische Belehrung aus diesen Begebenheiten können wir wie folgt zusammenfassen: Das Werk des Herrn und der Dienst für Ihn fängt zu Hause an, ganz nah in der eigenen Umgebung.
      Der Besessene kam dem Auftrag des Herrn direkt und treu nach. Das Ergebnis war, dass sich alle verwunderten. Diese Reaktion sehen wir in den Evangelien öfter bei den Menschen, wenn Dinge geschahen, die sie nicht verstehen und erklären konnten (z. B. Mt 9,33; Mk 12,17; Lk 11,14; Joh 7,21). In vielen Fällen war es eine bloße Gefühlsregung, die nicht das Herz oder Gewissen berührte. Aber in Kapitel 7,31–37 unseres Evangeliums werden wir sehen, dass das Zeugnis des Besessenen unter den Bewohnern der Dekapolis auch auf fruchtbaren Boden fiel und die Herzen einiger Menschen erreichte.
      Wenn wir erkennen, was der Herr an uns getan hat und was für eine völlige Befreiung Er uns geschenkt hat, beginnen wir zu staunen. Wie freut sich der Herr, wenn unsere Verwunderung dann in Bewunderung Ihm gegenüber umschlägt, der alles für uns getan und Gott so hoch verherrlicht hat.
      Der Synagogenvorsteher Jairus kommt zu dem Herrn
      „Und als Jesus in dem Schiff wieder an das jenseitige Ufer hinübergefahren war, versammelte sich eine große Volksmenge um ihn; und er war am See. Und es kommt einer der Synagogenvorsteher, mit Namen Jairus, und als er ihn sieht, fällt er ihm zu Füßen; und er bat ihn sehr und sprach: Mein Töchterchen liegt im Sterben; komm doch und lege ihr die Hände auf, damit sie gerettet werde und lebe. Und er ging mit ihm. Und eine große Volksmenge folgte ihm, und sie umdrängte ihn“ (Mk 5,21–24).
      Wieder einmal sehen wir den Herrn als den unermüdlichen Diener, der keine Mühe scheut, um auch den Einzelnen nachzugehen. Er fährt wieder über den See zurück, und wird direkt von einer Volksmenge empfangen. Aber dann geschieht etwas, was den Herrn besonders erfreut hat: Ein hochgestellter Mann aus der Klasse derer, die den Herrn so besonders ablehnten, kommt zu Ihm und wirft sich vor Ihm nieder. Und im Gegensatz zu Nikodemus, der bei Nacht zu dem Herrn kam, kommt der Synagogenvorsteher Jairus vor den Augen der Volksmenge in aller Öffentlichkeit mit seiner Not zu Ihm. Zu den Füßen des Herrn trägt er Ihm mit starkem Glauben seine große Not und seine Bitte vor.
      Wiederholt finden wir in diesem Kapitel Personen, die sich dem Herrn zu Füßen werfen (V. 6.15.22.33). Das ist der Platz, wo auch wir für jede Situation Hilfe finden können. Und was Jairus dann erlebt, ist eine Erfahrung, die auch wir immer machen werden: Wenn wir im Glauben vertrauensvoll zu Ihm kommen, dann geht Er mit uns. Wann Er konkret hilft, wissen wir nicht, aber dass Er mit uns geht, das können wir sicher wissen.
      In der Art und Weise, wie Jairus seine Bitte vorbringt, können wir auch uns oft erkennen. Anstatt dem Herrn einfach nur die Not zu sagen, hat er eigene Vorstellungen und er macht dem Herrn Handlungsvorschläge.
      Der Herr handelt dann auch nicht so, wie Jairus es sich vorstellt; sein Handeln ist vielmehr ähnlich wie bei Lazarus in Johannes 11. Er wartet, bis schließlich die Nachricht kommt, dass das Mädchen gestorben ist. Er will nicht nur zeigen, dass Er in der Lage ist, zu heilen, sondern Er will, dass Gottes Macht über den Tod deutlich wird und die Herrlichkeit Gottes vermehrt wird.
      Nachdem Jairus dem Herrn seine Not – wenn auch unter Einbringung eigener Vorstellungen – gebracht hat, nimmt er die Sache nicht mehr selbst in die Hand, wie wir es so oft tun. Wir lesen nichts davon, dass er etwas gegen die drängende Volksmenge oder die blutflüssige Frau sagt – Ereignisse, die dazu beitrugen, dass der Herr auf seinem Weg zu Jairus’ Haus aufgehalten wurde.
      Die Heilung der blutflüssigen Frau
      „Und eine Frau, die zwölf Jahre Blutfluss hatte und von vielen Ärzten vieles erlitten hatte und ihre ganze Habe verwandt und keinen Nutzen davon gehabt hatte – es war vielmehr schlimmer geworden –, kam, als sie von Jesus gehört hatte, in der Volksmenge von hinten und rührte sein Gewand an; denn sie sprach: Wenn ich auch nur seine Kleider anrühre, werde ich geheilt werden. Und sogleich versiegte die Quelle ihres Blutes, und sie merkte am Leib, dass sie von der Plage geheilt war. Und sogleich erkannte Jesus in sich selbst die Kraft, die von ihm ausgegangen war, wandte sich um in der Volksmenge und sprach: Wer hat meine Kleider angerührt? Und seine Jünger sprachen zu ihm: Du siehst, dass die Volksmenge dich umdrängt, und du sprichst: Wer hat mich angerührt? Und er blickte umher, um die zu sehen, die dies getan hatte. Die Frau aber, voll Furcht und Zittern, da sie wusste, was ihr geschehen war, kam und fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sprach zu ihr: Tochter, dein Glaube hat dich geheilt; geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage“ (Mk 5,25–34).
      Die Geschichte der blutflüssigen Frau zeigt, was ein einfacher, direkter persönlicher Glaube an den Herrn Jesus bewirken kann und wie die Fülle der Gnade in dem Herrn Jesus jedem zur Verfügung steht, der so zu Ihm kommt. Diese Frau ist das Bild eines Sünders, der mit seiner Sündennot im Glauben zum Herrn Jesus kommt und Errettung findet. Aber wir können auch eine Anwendung auf Gläubige machen. Blutfluss war erstens eine Verunreinigung und zweitens eine Krankheit, die man von außen ohne Weiteres nicht sehen konnte. So kann es im Leben von Gläubigen verborgene Sünden geben, die uns verunreinigen und von denen wir gereinigt werden müssen.
      Das Problem dieser Frau währte schon lange und war schlimm und groß. Bei einer so lange andauernden körperlichen Not kommt schnell innere Not dazu (Spr 13,12a). Und darüber hinaus hatte diese Frau auch religiöse Not. Aus dem Gebot Gottes für eine blutflüssige Frau in 3. Mose 15,19–24 erkennen wir, dass sie in einem Zustand ständiger Verunreinigung lebte. Und nicht nur sie selbst war verunreinigt, sondern auch alles, was sich in ihrer Umgebung befand. Niemand hätte diese Frau freiwillig angerührt, und sie selbst hätte sicher auch nicht den Mut gehabt, einen Pharisäer anzurühren. Was für eine schreckliche Situation!
      In ihrer Verzweiflung hatte sie viele Ärzte aufgesucht, bevor sie zu dem Heiland kam. Kein Arzt hatte ihr helfen können, ja im Gegenteil, sie hatte vieles von den Ärzten erlitten und „es war vielmehr schlimmer mit ihr geworden“. Das ist eine Erfahrung, die auch wir machen werden, wenn wir versuchen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Darüber hinaus wird deutlich, dass kein Mensch einen anderen retten und ihm helfen kann, wenn es um das Heil der Seele geht (vgl. Ps 49,8).
      Aus den Worten in Vers 26 können wir jedoch nicht folgern, dass das Konsultieren eines Arztes bei Krankheit etwas Böses ist. Wir dürfen die Hilfe von Ärzten dankbar in Anspruch nehmen, aber es kommt darauf an, dass wir es in Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater tun und dass wir unsere Not zuerst Ihm bringen.
      Wie gut, dass diese unglückliche Frau von Jesus hörte und sie daraufhin alle Hindernisse überwand und in Glauben und Vertrauen ihre Hand zum Herrn hin ausstreckte. Dort empfing sie sofort die so lang ersehnte Heilung von ihrer schrecklichen Krankheit. Auch heute gibt es noch solche unglücklichen Menschen, die nach Frieden suchen und sich an alle möglichen Stellen wenden, um ihn zu finden. Haben wir ein Auge für diese Menschen und sind wir solche, die ihnen von Jesus erzählen und ihnen ein Wegweiser zu Dem hin sind, der allein Frieden geben kann?
      Für diese Heilung war Kraft von dem Herrn nötig. Und obwohl Er genau wusste, wer Ihn angerührt hatte (V. 32: „um die zu sehen, die …“), stellte Er die Frage, wer dies getan habe. Er wollte dieser Frau nämlich noch eine ganz persönliche Begegnung mit Ihm verschaffen, weil Er ihr völligen Frieden geben wollte. Zugleich sollte das, was nun folgte, auch zum Nutzen der Jünger und der Ihn umgebenden Volksmengen sein.
      Obwohl die Frage des Herrn ganz allgemein gehalten war, erkannte die geheilte Frau doch sofort, dass sie persönlich damit gemeint war. Vor aller Öffentlichkeit kam sie jetzt voller Furcht, fiel vor Ihm nieder und bekannte offen, was sie getan hatte. Sie erkannte, was für eine kühne Handlung sie als unreine Frau gegenüber dem so mächtigen und heiligen Sohn Gottes begangen hatte, und fürchtete die Konsequenzen ihres Handelns.
      Aber was für schöne Worte durfte sie aus dem Mund des Herrn hören. Er wollte sie nicht mit „Furcht und Zittern“ gehen lassen. Ihr Glaube sollte auch nicht nur auf ihren Gefühlen und ihrer Erfahrung beruhen, wie es der Fall gewesen wäre, wenn Er sie nach Vers 29 hätte gehen lassen. Nein, Er wollte ihr völlige Gewissheit geben.
      Ihr Glaube, der sich in Vers 28 gezeigt hatte, wurde nun noch durch ihr Bekenntnis ergänzt. Diese Kombination aus Glauben und Bekenntnis wird in Römer 10,10.11 als zweifaches Erfordernis eines Menschen in Bezug auf seine Segnung durch das Evangelium vorgestellt.
      Die Botschaft des Herrn an diese Frau enthält drei schöne Aussagen, die auch heute in Verbindung mit jeder Bekehrung und Befreiung Gültigkeit haben:
      „Tochter, dein Glaube hat dich geheilt“ – zum ersten Mal betont der Herr hier in diesem Evangelium den Grundsatz, dass der Glaube allein das Mittel ist, um Segen zu erlangen. Die Frau war nicht durch eigene Anstrengungen geheilt worden. Sie hatte im Gegenteil schmerzlich erfahren müssen, wie unmöglich das war. Sie wurde auch nicht aufgrund ihrer Abstammung geheilt, sondern allein durch ihren Glauben. So ist es auch heute mit jedem, der zu dem Herrn Jesus kommt (z. B. Eph 2,8; Röm 3,28; 5,1).
      „Gehe hin in Frieden“ – diese Worte waren in Israel ein gängiger Abschiedsgruß (z. B. 2. Mo 4,18; Ri 18,6; 1. Sam 1,17). Aber der Herr gebraucht diese Worte in den Evangelien nur hier und bei der Sünderin, die im Haus des Pharisäers seine Füße salbt (Lk 7,50). Beide Male stehen diese Worte dabei in Verbindung mit dem rettenden Glauben. Daraus können wir erkennen, dass es nicht nur gewöhnliche Abschiedsworte waren, die der Herr hier sprach. Er erwies sich hier als der Herr aus Psalm 29,11, der zuerst Stärke gibt und dann sein Volk mit Frieden segnet. Diesen tiefen inneren Herzensfrieden verhieß Er dieser Frau. Diesen Frieden darf auch heute jeder besitzen, der im Glauben zu dem Herrn Jesus gekommen ist und der sich auf die Zusagen seines Wortes stützt. Und was für ein Vorrecht ist es, in diesem Frieden seinen Weg zu gehen.
      „Sei gesund von deiner Plage“ – die Wortwahl im Grundtext macht deutlich, dass es hier um einen dauerhaften Zustand geht („sei bleibend gesund“). Die Frau konnte durch die Worte des Herrn bezüglich ihrer bleibenden Heilung völlige Gewissheit haben. Diese absolute Heilsgewissheit darf auch heute jeder haben, der dem Wort des Herrn glaubt.
      Diese Worte werden nur von Markus berichtet. Und diese Besonderheit steht wieder in Übereinstimmung mit dem speziellen Charakter des Markusevangeliums. Sie zeigen, wie vollständig der vollkommene Diener Gottes sein Werk tat.
      Die Auferweckung der Tochter des Jairus
      „Während er noch redete, kommen sie von dem Synagogenvorsteher und sagen: Deine Tochter ist gestorben; was bemühst du den Lehrer noch? Als aber Jesus das Wort hörte, das geredet wurde, spricht er zu dem Synagogenvorsteher: Fürchte dich nicht; glaube nur. Und er erlaubte niemand, ihn zu begleiten, außer Petrus und Jakobus und Johannes, dem Bruder des Jakobus. Und sie kommen in das Haus des Synagogenvorstehers, und er sieht ein Getümmel und wie sie weinten und laut jammerten. Und als er eingetreten war, spricht er zu ihnen: Was lärmt und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft. Und sie verlachten ihn. Als er aber alle hinausgeschickt hatte, nimmt er den Vater des Kindes und die Mutter und die, die bei ihm waren, mit und geht hinein, wo das Kind lag. Und als er das Kind bei der Hand ergriffen hatte, spricht er zu ihm: Talitha kumi!, das ist übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher, denn es war zwölf Jahre alt. Und sie erstaunten mit großem Erstaunen. Und er gebot ihnen dringend, dass niemand dies erfahren solle, und sagte, man möge ihr zu essen geben“ (Mk 5,35–43).
      Wir lesen nichts davon, was im Herzen von Jairus vorging, als er auf den Herrn warten musste und dann die Boten kommen sah, die ihm die befürchtete schlimme Botschaft brachten, dass seine Tochter gestorben sei. Alles schien vergeblich gewesen zu sein. Und diese Nachricht wurde ihm in einer sehr kalten und abstoßenden Weise gebracht: „Was bemühst du den Lehrer noch?“ Es scheint, als ob die Boten mit diesen Worten einen Keil zwischen Jairus und den Herrn treiben wollten. Doch in wunderschöner Weise greift der Herr sofort ein, um im Herzen von Jairus erst gar keinen Gedanken des Unglaubens aufkommen zu lassen. Der Herr wusste genau, welchen Einfluss die Worte der Boten auf Jairus ausüben würden, und stärkt seinen wankenden Glauben mit Worten des Trostes und der Zuversicht: „Fürchte dich nicht; glaube nur.“ Er fordert ihn auf, zu glauben, und vereitelt damit jeden Versuch, etwas zwischen Jairus und Ihn kommen zu lassen, denn gerade der Glaube ist es, der uns mit Gott verbindet. Der Glaube bringt uns in die Gemeinschaft und die Gegenwart des Herrn. Und für Jairus war es gerade jetzt, in dieser Not, wichtig, an dem Herrn festzuhalten.
      Solche Worte des Trostes ruft der Herr auch heute jedem zu, der Ihm seine Not bringt. Was für ein mitfühlender Herr ist Er doch!
      Hier und bei verschiedenen Gelegenheiten nimmt der Herr nur Petrus, Jakobus und Johannes mit. Sie waren durch eine enge Gemeinschaft mit Ihm gekennzeichnet und sollten nach seiner Himmelfahrt besondere Zeugen für Ihn werden. Ihr Mitkommen sollte gleichzeitig auch ein Zeugnis von dem Handeln des Herrn werden. Zwei Jünger wären schon ein ausreichendes Zeugnis gewesen, aber drei waren ein vollständiges Zeugnis, das niemand widerlegen konnte.
      Im Haus des Jairus angekommen finden der Herr und seine Begleiter eine große Menge klagender Trauergäste vor, die ein weiteres Hindernis auf seinem Weg zu dem Mädchen bilden. Eine gefühlsintensive Trauer mit vielen Klagenden war in Israel nichts Ungewöhnliches. Schon im Alten Testament finden wir mehrere Begebenheiten von besonderen Trauertagen, so z. B. die Trauer, die Joseph um seinen Vater Jakob in 1. Mose 50 veranstaltete. Aber im Lauf der Zeit wurde aus der Bekundung von echtem Mitgefühl und Trauer z. T. eine bloße Form, die sogar so weit ging, dass es berufsmäßige Klagefrauen gab (z. B. Jer 9,17.18; Amos 5,16b). Um solch eine oberflächliche und rein äußerliche Trauer ging es auch hier bei der Menge. Dies wird an ihrem Verhalten in Vers 40 deutlich. Daran konnte der Herr kein Gefallen haben und Er treibt sie hinaus, um allein mit den wirklich trauernden Eltern und seinen drei Jüngern bei dem Mädchen zu sein.
      Dies bedeutet natürlich nicht, dass Gläubige heute nicht über den Verlust eines lieben Angehörigen trauern und weinen dürfen. Das ist etwas ganz Natürliches. Aber wie unterscheidet sich die Trauer in Häusern von Kindern Gottes beim Heimgang eines Gläubigen doch von der Trauer einer hoffnungslosen Welt. Wissen wir doch, dass ein Gläubiger nur entschläft, um „bei Christus zu sein“, wo es „weit besser“ ist (Phil 1,23). Aber wir wollen über die Aufrichtigkeit unserer Gefühle wachen, denn es kann leicht sein, dass wir oberflächlich etwas vortäuschen, ohne echtes Mitempfinden zu haben.
      Der Herr erregt den Spott der Menge, als Er sagt, dass das Mädchen nur schläft. Dies konnte Er als der Herr über Leben und Tod sagen, da für Ihn der physische Tod nicht das Ende ist. So ist die Seele eines Menschen unsterblich und der Geist kehrt zu Gott zurück, „der ihn gegeben hat“ (Pred 12,7). Für Ihn, den Fürst des Lebens, ist der Tod eines Menschen hier auf der Erde nur ein Schlaf.
      Doch die Reaktion der Volksmenge offenbart ihren Charakter. Sie haben nur ein spöttisches, ungläubiges Lachen für den Herrn übrig, der doch gerade in ihrer Gegend schon so viele gewaltige Wunder getan hatte. Wie muss der Herr unter diesem Spott gelitten haben.
      Wie ganz anders ist das Handeln des Herrn hier als das der alttestamentlichen Propheten bei der Ausübung ähnlicher Wunder. Sie hatten keine Kraft in sich selbst und mussten nach oben schauen und Kraft von Gott zum Handeln erbitten (z. B. Elia in 1. Könige 17,21.22 und Elisa in 2. Könige 4,34.35). Der Herr hingegen ergreift das Mädchen nur bei der Hand und gebietet ihr aufzustehen. Er konnte mit Macht reden und „sogleich stand das Mädchen auf und ging umher“. Dadurch wurde gezeigt, dass ihre Wiederherstellung nicht nur unmittelbar, sondern auch vollständig war.
      In seiner unendlichen Weisheit und Fürsorge dachte Er an jede Einzelheit und forderte die Eltern auf, ihrer Tochter nun auch zu essen zu geben. Das ist eine wichtige Aufgabe für Eltern und für jeden, der mit jungbekehrten Menschen zu tun hat. Nach der Bekehrung braucht die Seele Nahrung, um Kraft für den Weg zu bekommen und in der Erkenntnis der Person des Herrn Jesus zu wachsen.
      Prophetisch ist die gestorbene Tochter des Jairus ein Bild von dem Volk Israel, das zurzeit für Gott nicht nur tot ist, sondern wie ein Lazarus sogar schon im Grab liegt (Hes 37,12; Dan 12,2a). Aber in der Zukunft wird ein Überrest aus dem Volk durch die Gnade des Herrn wie dieses Mädchen auferweckt werden und Leben geschenkt bekommen. Dies wird in Hesekiel 37 detailliert beschrieben.

      In Kapitel 4,35–41 haben wir die Macht des Herrn Jesus über die Schöpfung und die Naturgewalten gesehen. Das fünfte Kapitel schildert drei weitere Bereiche, über die sich die Macht des Herrn erstreckt:
      1. die Macht des Herrn über Satan und die unreinen Geister (V. 1–20),
      2. die Macht des Herrn über die Krankheiten (V. 25–34),
      3. die Macht des Herrn über den Tod (V. 35–43).

      Die Ereignisse in diesem Kapitel dienen dazu, die Frage der Jünger aus Kapitel 4,41 „Wer ist denn dieser?“ zu beantworten. Sie zeigen uns den Herrn in seinem Dienst an einzelnen Menschen, denen Er seine Hilfe und Macht erweist.
      Die Heilung des Mannes mit dem unreinen Geist
      „Und sie kamen an das jenseitige Ufer des Sees in das Land der Gadarener. Und als er aus dem Schiff gestiegen war, kam ihm sogleich aus den Grüften ein Mensch mit einem unreinen Geist entgegen, der seine Wohnung in den Grabstätten hatte; und selbst mit Ketten konnte ihn niemand mehr binden, da er oft mit Fußfesseln und mit Ketten gebunden gewesen war und die Ketten von ihm in Stücke zerrissen und die Fußfesseln zerrieben worden waren; und niemand vermochte ihn zu bändigen. Und allezeit, Nacht und Tag, war er in den Grabstätten und auf den Bergen und schrie und zerschlug sich mit Steinen. Und als er Jesus von weitem sah, lief er und warf sich vor ihm nieder; und mit lauter Stimme schreiend, sagt er: Was habe ich mit dir zu schaffen, Jesus, Sohn Gottes, des Höchsten? Ich beschwöre dich bei Gott, quäle mich nicht! Denn er sagte zu ihm: Fahre aus, du unreiner Geist, aus dem Menschen. Und er fragte ihn: Was ist dein Name? Und er spricht zu ihm: Legion ist mein Name, denn wir sind viele. Und er bat ihn sehr, sie nicht aus der Gegend fortzuschicken. Es war aber dort an dem Berg eine große Schweineherde, die weidete. Und sie baten ihn und sprachen: Schicke uns in die Schweine, dass wir in sie fahren. Und er erlaubte es ihnen. Und die unreinen Geister fuhren aus und fuhren in die Schweine, und die Herde stürzte sich den Abhang hinab in den See (etwa zweitausend), und sie ertranken in dem See“ (Mk 5,1–13).
      Die Heilung des Mannes mit dem unreinen Geist in den ersten zwanzig Versen dieses Kapitels können wir unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten:
      1. Zunächst können wir die rein geschichtliche Schilderung dieser Begebenheit sehen, die uns die Macht des Herrn über Satan und die unreinen Geister zeigt.
      2. Diese Begebenheit liefert uns auch ein grundsätzliches Bild der Menschen von Natur, die der Herr vollständig heilen will.
      3. Dann können wir darin auch ein Bild von Menschen unserer Zeit sehen, die ähnliche Charakterzüge wie dieser Mann aufweisen. Wenn wir an Satanisten denken oder von Menschen hören, die okkulte Messen auf Friedhöfen feiern, erkennen wir, dass diese Dinge, wenn auch vielleicht in einer anderen Form, heute ganz aktuell sind.

      Direkt nach der Landung am Ufer des Sees stellt Satan dem Herrn eine neue Herausforderung. Es begegnet Ihm ein Mensch, in dem sich die geballte Macht Satans konzentriert (Legion). Die Beschreibung dieses Mannes hier und in Matthäus 8 und Lukas 8 zeigt, was für ein völlig hilfloses Wesen dieser Mann durch die Macht des Bösen in ihm geworden war. Er ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was aus einem Menschen unter dem Einfluss Satans werden kann. Aber gleichzeitig wird in dieser Begebenheit offenbar, dass die Macht des Guten in unserem Herrn die Macht des Bösen völlig überwindet! Die Beschreibung der Heilung dieses Menschen durch den Herrn ist eine der ausführlichsten in den Evangelien.
      Dieser Mann hatte einen „unreinen Geist“. In verschiedenen anderen Begebenheiten in den Evangelien werden die Ausdrücke „unreine Geister“ und „Dämonen“ abwechselnd mit Bezug auf dieselbe Sache benutzt (z. B. Mk 7,25–30; Lk 9,42). So kann man wohl sagen, dass die „Dämonen“ in Form von „unreinen Geistern“ Besitz von Personen ergriffen. Ihre Wirksamkeit entfaltete sich in ganz besonderer Weise zur Zeit des Herrn auf der Erde, aber sie blieb nicht auf diese Zeit beschränkt. Am Ende des Evangeliums verleiht der Herr den Jüngern die Macht, Dämonen auszutreiben (Mk 16,17). In der Apostelgeschichte finden wir die Apostel dann bei verschiedenen Gelegenheiten, wo sie diese Macht ausüben (z. B. Apg 5,16; 16,18). Neben dem Vorhandensein böser Mächte heute wird Satan seine Aktivitäten durch „unreine Geister“ auch in der Zukunft wieder in verstärktem Maße ausführen. So lesen wir in Offenbarung 16,13.14 von drei unreinen Geistern, die Geister von Dämonen sind, und von der großen Stadt Babylon wird gesagt, dass sie „eine Behausung von Dämonen … und ein Gewahrsam jedes unreinen Geistes“ geworden ist (Off 18,2). Aber so wie damals und heute hat der Herr auch in der Zukunft die Macht über die unreinen Geister und wird sie ihrer ewigen Bestrafung zuführen.
      Der Mann hatte seine „Wohnung in den Grabstätten“. Er lebte damit ständig in Verbindung mit dem Tod und in einem Zustand der Verunreinigung. Denn das Gesetz sagte, dass schon die Berührung eines Toten oder eines Grabes für sieben Tage verunreinigte (4. Mo 19,16).
      Die Verse 4 und 5 zeigen die völlige Hilflosigkeit des Menschen gegenüber der Macht Satans. So ist es auch heute noch. Jeder Versuch, die Natur eines Menschen durch harte Strafen zu ändern oder seine bösen Triebe zu unterdrücken, ist zum Scheitern verurteilt. Die Macht, davon zu befreien, hat nur der Herr.
      Ein weiteres Beispiel für die Unfähigkeit des Menschen, andere aus der Macht Satans zu befreien, findet sich in Apostelgeschichte 19,13–16. Dort versuchten sieben jüdische Beschwörer, andere Menschen von unreinen Geistern zu befreien, und erlebten dabei die Macht der Dämonen am eigenen Leib.
      Dieser Mann war ein Gebundener Satans, aber kein Mensch konnte ihn binden. Steckt hinter diesem Paradoxon nicht eine List des Teufels? Satan gaukelt den Menschen vor, sie seien frei, aber in Wirklichkeit bindet er sie umso mehr. Das Ablegen von Sachzwängen führt immer weiter in die Gebundenheit, die nur unglücklich macht.
      Was trieb den unreinen Geist dazu, dem Herrn direkt nach seiner Ankunft am Ufer entgegenzugehen (V. 2) und zu Ihm hinzulaufen und vor Ihm niederzufallen (V. 6)? Wäre es nicht besser für ihn gewesen, vor dem Herrn wegzulaufen? Auch in dieser Reaktion des Mannes mit dem unreinen Geist zeigt sich die ganze Macht und Autorität des Herrn über die unreinen Geister. Er ist Der, vor dem sich einst jedes Knie beugen wird (Phil 2,9.10).
      Der unreine Geist erkennt den Herrn als „Jesus, den Sohn Gottes, des Höchsten“, an. Damit strafte er die Pharisäer Lügen, die die Macht des Herrn dem Beelzebul zuschrieben (Mk 3,22). Der Titel „des Höchsten“ steht in der Schrift für den souveränen Herrschaftsanspruch Gottes über die Erde und nimmt besonders Bezug auf die Regierung Gottes im 1000-jährigen Reich, wenn Satan und seine Helfer von der Erde verbannt sind. Als solchen erkennt der unreine Geist den Sohn Gottes hier schon an.
      In dem Dialog in Vers 9 und 10 spricht der Mann abwechselnd in der Einzahl und in der Mehrzahl von sich. Das zeigt, wie vollständig der unreine Geist von ihm Besitz genommen hatte. Er nennt sich „Legion“, eine Bezeichnung für eine große Abteilung von Soldaten zur damaligen Zeit. Liegt darin nicht auch ein Hinweis auf die Feinde, die uns heute umgeben? In Epheser 6,12 sehen wir, dass unser Kampf „gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis“ und „gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ ist. Das sind die „unreinen Geister“, mit denen wir konfrontiert werden.
      Schweine waren nach dem Gesetz unreine Tiere und durften daher bei den Juden nicht vorhanden sein. Und doch gab es hier bei ihnen diese große Herde, die ihren ganzen Reichtum bildete. Die unreinen Geister äußern die Bitte, in diese Schweine fahren zu dürfen, da sie fest mit ihrer Austreibung durch den Sohn Gottes rechnen. Unreines gesellt sich zu Unreinem; ein Grundsatz, der sich auch hier bestätigt. Der Herr gewährt die Bitte und die unreinen Geister treiben die Schweine in den Tod. Dieses Geschehen zeigt unmissverständlich die Zielsetzung Satans und seiner Dämonen. Ihr Ziel ist es stets, zu zerstören und zu verderben, auch wenn diese Absicht nicht immer so schnell und deutlich an den Tag tritt wie hier.
      Die Folgen der Befreiung des Besessenen
      „Und ihre Hüter flohen und verkündeten es in der Stadt und auf dem Land; und sie kamen, um zu sehen, was geschehen war. Und sie kommen zu Jesus und sehen den Besessenen dasitzen, bekleidet und vernünftig, den, der die Legion gehabt hatte; und sie fürchteten sich. Und die es gesehen hatten, erzählten ihnen, wie dem Besessenen geschehen war, und das von den Schweinen. Und sie fingen an, ihm zuzureden, aus ihrem Gebiet wegzugehen. Und als er in das Schiff stieg, bat ihn der Besessene, dass er bei ihm sein dürfe. Und er ließ es ihm nicht zu, sondern spricht zu ihm: Geh hin in dein Haus zu den Deinen und verkünde ihnen, wie viel der Herr an dir getan und wie er sich deiner erbarmt hat. Und er ging hin und fing an, in der Dekapolis bekannt zu machen, wie viel Jesus an ihm getan hatte; und alle verwunderten sich“ (Mk 5,14–20).
      In welch einem Gegensatz zu dem zerstörerischen Wirken Satans steht das Wirken des Herrn in Gnade an diesem besessenen Mann. Auch in dieser Heilung offenbart Er sich als der Ausdruck der herzlichen Barmherzigkeit Gottes (Lk 1,78). Und wieder einmal bewahrheitet sich, dass Er Derjenige ist, der wirklich frei machen kann (Joh 8,36). Das zeigt sich in der völligen Verhaltensänderung des Mannes.
      Drei Einzelheiten werden von dem befreiten Mann erwähnt. Sie zeigen drei Ergebnisse des Werkes von Golgatha, die jeder erfährt, der an den Herrn Jesus glaubt:
      1. Er sitzt – das lässt uns an daran denken, dass wir Frieden mit Gott haben.
      2. Er ist bekleidet – der Gläubige ist mit „Kleidern des Heils“, mit Gottes Gerechtigkeit bekleidet.
      3. Er ist vernünftig – in jedem Gläubigen hat eine innere Verwandlung stattgefunden. Er ist nicht länger ein Feind Gottes, sondern passend für seine Gegenwart.

      Ganz anders als der Geheilte verhalten sich die Gadarener. Sie fürchteten sich und bitten Ihn, aus ihrem Gebiet hinwegzugehen. Das ist der Mensch von Natur aus. Er fürchtet sich immer vor der Gegenwart Gottes, auch wenn Er sich wie hier in Gnade offenbart. Die Gadarener zogen die Gegenwart des Besessenen und die unreinen Schweine der herrlichen Person des Sohnes Gottes vor.
      Was für ein Schmerz muss es für den Herrn gewesen sein, als sie Ihn baten, aus ihrem Gebiet wegzugehen. Denn Er wusste, dass ihr Verhalten stellvertretend für das der Masse seines Volkes stand (s. a. Lk 9,53). Wir können etwas von den Empfindungen des Herrn über diese Ablehnung erkennen, wenn wir seine Klage über Jerusalem in Matthäus 23,37 lesen. Und wird der Herr nicht auch schon an das Geschehen bei seiner Verurteilung gedacht haben, als die tobende Menge schrie: „Weg mit diesem, … kreuzige, kreuzige ihn!“ (Lk 23,18.21)? Diese völlige Ablehnung des Herrn bildete den Höhepunkt der Sünde des Menschen. Denn sie zeigte, dass der Mensch nicht nur das Böse tat, sondern auch das Gute hasste.
      Was muss es andererseits dann für das Herz des Herrn gewesen sein, wenn Er auf seinem Weg über diese Erde Herzen sah, die für Ihn schlugen und die Ihn gerne aufnahmen (z. B. Lk 4,42; Joh 4,40; Lk 24,29).
      Die Gadarener erkannten nicht, dass auch sie in der Gefangenschaft Satans waren und die Befreiung durch den Herrn nötig hatten.
      Der Besessene hatte hingegen nur den einen Wunsch: in der Nähe des Herrn zu bleiben, der so Großartiges an ihm getan hatte. Seine Bitte können wir gut verstehen. Aber der Herr hatte für diesen Mann noch eine Aufgabe, die Er auch für jeden von uns hat. Der Geheilte sollte Zeugnis ablegen von dem, was der Herr in so wunderbarer Weise an ihm getan hatte. Genau dazu sind wir noch in der Welt gelassen.
      Mit seinem Zeugnis sollte der Mann bei den Seinen in seinem Haus anfangen, bei denen, die er vorher verlassen hatte und die ihn genau kannten. Einen ähnlichen Auftrag gab der Herr bei seiner Himmelfahrt seinen Jüngern – sie sollten ihren Dienst beginnen, „angefangen von Jerusalem“ (Lk 24,47). In dieser Weise handelte auch der Jünger Andreas, der zuerst seinen eigenen Bruder Simon fand und ihn zu Jesus führte (Joh 1,41.42).
      Die praktische Belehrung aus diesen Begebenheiten können wir wie folgt zusammenfassen: Das Werk des Herrn und der Dienst für Ihn fängt zu Hause an, ganz nah in der eigenen Umgebung.
      Der Besessene kam dem Auftrag des Herrn direkt und treu nach. Das Ergebnis war, dass sich alle verwunderten. Diese Reaktion sehen wir in den Evangelien öfter bei den Menschen, wenn Dinge geschahen, die sie nicht verstehen und erklären konnten (z. B. Mt 9,33; Mk 12,17; Lk 11,14; Joh 7,21). In vielen Fällen war es eine bloße Gefühlsregung, die nicht das Herz oder Gewissen berührte. Aber in Kapitel 7,31–37 unseres Evangeliums werden wir sehen, dass das Zeugnis des Besessenen unter den Bewohnern der Dekapolis auch auf fruchtbaren Boden fiel und die Herzen einiger Menschen erreichte.
      Wenn wir erkennen, was der Herr an uns getan hat und was für eine völlige Befreiung Er uns geschenkt hat, beginnen wir zu staunen. Wie freut sich der Herr, wenn unsere Verwunderung dann in Bewunderung Ihm gegenüber umschlägt, der alles für uns getan und Gott so hoch verherrlicht hat.
      Der Synagogenvorsteher Jairus kommt zu dem Herrn
      „Und als Jesus in dem Schiff wieder an das jenseitige Ufer hinübergefahren war, versammelte sich eine große Volksmenge um ihn; und er war am See. Und es kommt einer der Synagogenvorsteher, mit Namen Jairus, und als er ihn sieht, fällt er ihm zu Füßen; und er bat ihn sehr und sprach: Mein Töchterchen liegt im Sterben; komm doch und lege ihr die Hände auf, damit sie gerettet werde und lebe. Und er ging mit ihm. Und eine große Volksmenge folgte ihm, und sie umdrängte ihn“ (Mk 5,21–24).
      Wieder einmal sehen wir den Herrn als den unermüdlichen Diener, der keine Mühe scheut, um auch den Einzelnen nachzugehen. Er fährt wieder über den See zurück, und wird direkt von einer Volksmenge empfangen. Aber dann geschieht etwas, was den Herrn besonders erfreut hat: Ein hochgestellter Mann aus der Klasse derer, die den Herrn so besonders ablehnten, kommt zu Ihm und wirft sich vor Ihm nieder. Und im Gegensatz zu Nikodemus, der bei Nacht zu dem Herrn kam, kommt der Synagogenvorsteher Jairus vor den Augen der Volksmenge in aller Öffentlichkeit mit seiner Not zu Ihm. Zu den Füßen des Herrn trägt er Ihm mit starkem Glauben seine große Not und seine Bitte vor.
      Wiederholt finden wir in diesem Kapitel Personen, die sich dem Herrn zu Füßen werfen (V. 6.15.22.33). Das ist der Platz, wo auch wir für jede Situation Hilfe finden können. Und was Jairus dann erlebt, ist eine Erfahrung, die auch wir immer machen werden: Wenn wir im Glauben vertrauensvoll zu Ihm kommen, dann geht Er mit uns. Wann Er konkret hilft, wissen wir nicht, aber dass Er mit uns geht, das können wir sicher wissen.
      In der Art und Weise, wie Jairus seine Bitte vorbringt, können wir auch uns oft erkennen. Anstatt dem Herrn einfach nur die Not zu sagen, hat er eigene Vorstellungen und er macht dem Herrn Handlungsvorschläge.
      Der Herr handelt dann auch nicht so, wie Jairus es sich vorstellt; sein Handeln ist vielmehr ähnlich wie bei Lazarus in Johannes 11. Er wartet, bis schließlich die Nachricht kommt, dass das Mädchen gestorben ist. Er will nicht nur zeigen, dass Er in der Lage ist, zu heilen, sondern Er will, dass Gottes Macht über den Tod deutlich wird und die Herrlichkeit Gottes vermehrt wird.
      Nachdem Jairus dem Herrn seine Not – wenn auch unter Einbringung eigener Vorstellungen – gebracht hat, nimmt er die Sache nicht mehr selbst in die Hand, wie wir es so oft tun. Wir lesen nichts davon, dass er etwas gegen die drängende Volksmenge oder die blutflüssige Frau sagt – Ereignisse, die dazu beitrugen, dass der Herr auf seinem Weg zu Jairus’ Haus aufgehalten wurde.
      Die Heilung der blutflüssigen Frau
      „Und eine Frau, die zwölf Jahre Blutfluss hatte und von vielen Ärzten vieles erlitten hatte und ihre ganze Habe verwandt und keinen Nutzen davon gehabt hatte – es war vielmehr schlimmer geworden –, kam, als sie von Jesus gehört hatte, in der Volksmenge von hinten und rührte sein Gewand an; denn sie sprach: Wenn ich auch nur seine Kleider anrühre, werde ich geheilt werden. Und sogleich versiegte die Quelle ihres Blutes, und sie merkte am Leib, dass sie von der Plage geheilt war. Und sogleich erkannte Jesus in sich selbst die Kraft, die von ihm ausgegangen war, wandte sich um in der Volksmenge und sprach: Wer hat meine Kleider angerührt? Und seine Jünger sprachen zu ihm: Du siehst, dass die Volksmenge dich umdrängt, und du sprichst: Wer hat mich angerührt? Und er blickte umher, um die zu sehen, die dies getan hatte. Die Frau aber, voll Furcht und Zittern, da sie wusste, was ihr geschehen war, kam und fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sprach zu ihr: Tochter, dein Glaube hat dich geheilt; geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage“ (Mk 5,25–34).
      Die Geschichte der blutflüssigen Frau zeigt, was ein einfacher, direkter persönlicher Glaube an den Herrn Jesus bewirken kann und wie die Fülle der Gnade in dem Herrn Jesus jedem zur Verfügung steht, der so zu Ihm kommt. Diese Frau ist das Bild eines Sünders, der mit seiner Sündennot im Glauben zum Herrn Jesus kommt und Errettung findet. Aber wir können auch eine Anwendung auf Gläubige machen. Blutfluss war erstens eine Verunreinigung und zweitens eine Krankheit, die man von außen ohne Weiteres nicht sehen konnte. So kann es im Leben von Gläubigen verborgene Sünden geben, die uns verunreinigen und von denen wir gereinigt werden müssen.
      Das Problem dieser Frau währte schon lange und war schlimm und groß. Bei einer so lange andauernden körperlichen Not kommt schnell innere Not dazu (Spr 13,12a). Und darüber hinaus hatte diese Frau auch religiöse Not. Aus dem Gebot Gottes für eine blutflüssige Frau in 3. Mose 15,19–24 erkennen wir, dass sie in einem Zustand ständiger Verunreinigung lebte. Und nicht nur sie selbst war verunreinigt, sondern auch alles, was sich in ihrer Umgebung befand. Niemand hätte diese Frau freiwillig angerührt, und sie selbst hätte sicher auch nicht den Mut gehabt, einen Pharisäer anzurühren. Was für eine schreckliche Situation!
      In ihrer Verzweiflung hatte sie viele Ärzte aufgesucht, bevor sie zu dem Heiland kam. Kein Arzt hatte ihr helfen können, ja im Gegenteil, sie hatte vieles von den Ärzten erlitten und „es war vielmehr schlimmer mit ihr geworden“. Das ist eine Erfahrung, die auch wir machen werden, wenn wir versuchen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Darüber hinaus wird deutlich, dass kein Mensch einen anderen retten und ihm helfen kann, wenn es um das Heil der Seele geht (vgl. Ps 49,8).
      Aus den Worten in Vers 26 können wir jedoch nicht folgern, dass das Konsultieren eines Arztes bei Krankheit etwas Böses ist. Wir dürfen die Hilfe von Ärzten dankbar in Anspruch nehmen, aber es kommt darauf an, dass wir es in Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater tun und dass wir unsere Not zuerst Ihm bringen.
      Wie gut, dass diese unglückliche Frau von Jesus hörte und sie daraufhin alle Hindernisse überwand und in Glauben und Vertrauen ihre Hand zum Herrn hin ausstreckte. Dort empfing sie sofort die so lang ersehnte Heilung von ihrer schrecklichen Krankheit. Auch heute gibt es noch solche unglücklichen Menschen, die nach Frieden suchen und sich an alle möglichen Stellen wenden, um ihn zu finden. Haben wir ein Auge für diese Menschen und sind wir solche, die ihnen von Jesus erzählen und ihnen ein Wegweiser zu Dem hin sind, der allein Frieden geben kann?
      Für diese Heilung war Kraft von dem Herrn nötig. Und obwohl Er genau wusste, wer Ihn angerührt hatte (V. 32: „um die zu sehen, die …“), stellte Er die Frage, wer dies getan habe. Er wollte dieser Frau nämlich noch eine ganz persönliche Begegnung mit Ihm verschaffen, weil Er ihr völligen Frieden geben wollte. Zugleich sollte das, was nun folgte, auch zum Nutzen der Jünger und der Ihn umgebenden Volksmengen sein.
      Obwohl die Frage des Herrn ganz allgemein gehalten war, erkannte die geheilte Frau doch sofort, dass sie persönlich damit gemeint war. Vor aller Öffentlichkeit kam sie jetzt voller Furcht, fiel vor Ihm nieder und bekannte offen, was sie getan hatte. Sie erkannte, was für eine kühne Handlung sie als unreine Frau gegenüber dem so mächtigen und heiligen Sohn Gottes begangen hatte, und fürchtete die Konsequenzen ihres Handelns.
      Aber was für schöne Worte durfte sie aus dem Mund des Herrn hören. Er wollte sie nicht mit „Furcht und Zittern“ gehen lassen. Ihr Glaube sollte auch nicht nur auf ihren Gefühlen und ihrer Erfahrung beruhen, wie es der Fall gewesen wäre, wenn Er sie nach Vers 29 hätte gehen lassen. Nein, Er wollte ihr völlige Gewissheit geben.
      Ihr Glaube, der sich in Vers 28 gezeigt hatte, wurde nun noch durch ihr Bekenntnis ergänzt. Diese Kombination aus Glauben und Bekenntnis wird in Römer 10,10.11 als zweifaches Erfordernis eines Menschen in Bezug auf seine Segnung durch das Evangelium vorgestellt.
      Die Botschaft des Herrn an diese Frau enthält drei schöne Aussagen, die auch heute in Verbindung mit jeder Bekehrung und Befreiung Gültigkeit haben:
      „Tochter, dein Glaube hat dich geheilt“ – zum ersten Mal betont der Herr hier in diesem Evangelium den Grundsatz, dass der Glaube allein das Mittel ist, um Segen zu erlangen. Die Frau war nicht durch eigene Anstrengungen geheilt worden. Sie hatte im Gegenteil schmerzlich erfahren müssen, wie unmöglich das war. Sie wurde auch nicht aufgrund ihrer Abstammung geheilt, sondern allein durch ihren Glauben. So ist es auch heute mit jedem, der zu dem Herrn Jesus kommt (z. B. Eph 2,8; Röm 3,28; 5,1).
      „Gehe hin in Frieden“ – diese Worte waren in Israel ein gängiger Abschiedsgruß (z. B. 2. Mo 4,18; Ri 18,6; 1. Sam 1,17). Aber der Herr gebraucht diese Worte in den Evangelien nur hier und bei der Sünderin, die im Haus des Pharisäers seine Füße salbt (Lk 7,50). Beide Male stehen diese Worte dabei in Verbindung mit dem rettenden Glauben. Daraus können wir erkennen, dass es nicht nur gewöhnliche Abschiedsworte waren, die der Herr hier sprach. Er erwies sich hier als der Herr aus Psalm 29,11, der zuerst Stärke gibt und dann sein Volk mit Frieden segnet. Diesen tiefen inneren Herzensfrieden verhieß Er dieser Frau. Diesen Frieden darf auch heute jeder besitzen, der im Glauben zu dem Herrn Jesus gekommen ist und der sich auf die Zusagen seines Wortes stützt. Und was für ein Vorrecht ist es, in diesem Frieden seinen Weg zu gehen.
      „Sei gesund von deiner Plage“ – die Wortwahl im Grundtext macht deutlich, dass es hier um einen dauerhaften Zustand geht („sei bleibend gesund“). Die Frau konnte durch die Worte des Herrn bezüglich ihrer bleibenden Heilung völlige Gewissheit haben. Diese absolute Heilsgewissheit darf auch heute jeder haben, der dem Wort des Herrn glaubt.
      Diese Worte werden nur von Markus berichtet. Und diese Besonderheit steht wieder in Übereinstimmung mit dem speziellen Charakter des Markusevangeliums. Sie zeigen, wie vollständig der vollkommene Diener Gottes sein Werk tat.
      Die Auferweckung der Tochter des Jairus
      „Während er noch redete, kommen sie von dem Synagogenvorsteher und sagen: Deine Tochter ist gestorben; was bemühst du den Lehrer noch? Als aber Jesus das Wort hörte, das geredet wurde, spricht er zu dem Synagogenvorsteher: Fürchte dich nicht; glaube nur. Und er erlaubte niemand, ihn zu begleiten, außer Petrus und Jakobus und Johannes, dem Bruder des Jakobus. Und sie kommen in das Haus des Synagogenvorstehers, und er sieht ein Getümmel und wie sie weinten und laut jammerten. Und als er eingetreten war, spricht er zu ihnen: Was lärmt und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft. Und sie verlachten ihn. Als er aber alle hinausgeschickt hatte, nimmt er den Vater des Kindes und die Mutter und die, die bei ihm waren, mit und geht hinein, wo das Kind lag. Und als er das Kind bei der Hand ergriffen hatte, spricht er zu ihm: Talitha kumi!, das ist übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher, denn es war zwölf Jahre alt. Und sie erstaunten mit großem Erstaunen. Und er gebot ihnen dringend, dass niemand dies erfahren solle, und sagte, man möge ihr zu essen geben“ (Mk 5,35–43).
      Wir lesen nichts davon, was im Herzen von Jairus vorging, als er auf den Herrn warten musste und dann die Boten kommen sah, die ihm die befürchtete schlimme Botschaft brachten, dass seine Tochter gestorben sei. Alles schien vergeblich gewesen zu sein. Und diese Nachricht wurde ihm in einer sehr kalten und abstoßenden Weise gebracht: „Was bemühst du den Lehrer noch?“ Es scheint, als ob die Boten mit diesen Worten einen Keil zwischen Jairus und den Herrn treiben wollten. Doch in wunderschöner Weise greift der Herr sofort ein, um im Herzen von Jairus erst gar keinen Gedanken des Unglaubens aufkommen zu lassen. Der Herr wusste genau, welchen Einfluss die Worte der Boten auf Jairus ausüben würden, und stärkt seinen wankenden Glauben mit Worten des Trostes und der Zuversicht: „Fürchte dich nicht; glaube nur.“ Er fordert ihn auf, zu glauben, und vereitelt damit jeden Versuch, etwas zwischen Jairus und Ihn kommen zu lassen, denn gerade der Glaube ist es, der uns mit Gott verbindet. Der Glaube bringt uns in die Gemeinschaft und die Gegenwart des Herrn. Und für Jairus war es gerade jetzt, in dieser Not, wichtig, an dem Herrn festzuhalten.
      Solche Worte des Trostes ruft der Herr auch heute jedem zu, der Ihm seine Not bringt. Was für ein mitfühlender Herr ist Er doch!
      Hier und bei verschiedenen Gelegenheiten nimmt der Herr nur Petrus, Jakobus und Johannes mit. Sie waren durch eine enge Gemeinschaft mit Ihm gekennzeichnet und sollten nach seiner Himmelfahrt besondere Zeugen für Ihn werden. Ihr Mitkommen sollte gleichzeitig auch ein Zeugnis von dem Handeln des Herrn werden. Zwei Jünger wären schon ein ausreichendes Zeugnis gewesen, aber drei waren ein vollständiges Zeugnis, das niemand widerlegen konnte.
      Im Haus des Jairus angekommen finden der Herr und seine Begleiter eine große Menge klagender Trauergäste vor, die ein weiteres Hindernis auf seinem Weg zu dem Mädchen bilden. Eine gefühlsintensive Trauer mit vielen Klagenden war in Israel nichts Ungewöhnliches. Schon im Alten Testament finden wir mehrere Begebenheiten von besonderen Trauertagen, so z. B. die Trauer, die Joseph um seinen Vater Jakob in 1. Mose 50 veranstaltete. Aber im Lauf der Zeit wurde aus der Bekundung von echtem Mitgefühl und Trauer z. T. eine bloße Form, die sogar so weit ging, dass es berufsmäßige Klagefrauen gab (z. B. Jer 9,17.18; Amos 5,16b). Um solch eine oberflächliche und rein äußerliche Trauer ging es auch hier bei der Menge. Dies wird an ihrem Verhalten in Vers 40 deutlich. Daran konnte der Herr kein Gefallen haben und Er treibt sie hinaus, um allein mit den wirklich trauernden Eltern und seinen drei Jüngern bei dem Mädchen zu sein.
      Dies bedeutet natürlich nicht, dass Gläubige heute nicht über den Verlust eines lieben Angehörigen trauern und weinen dürfen. Das ist etwas ganz Natürliches. Aber wie unterscheidet sich die Trauer in Häusern von Kindern Gottes beim Heimgang eines Gläubigen doch von der Trauer einer hoffnungslosen Welt. Wissen wir doch, dass ein Gläubiger nur entschläft, um „bei Christus zu sein“, wo es „weit besser“ ist (Phil 1,23). Aber wir wollen über die Aufrichtigkeit unserer Gefühle wachen, denn es kann leicht sein, dass wir oberflächlich etwas vortäuschen, ohne echtes Mitempfinden zu haben.
      Der Herr erregt den Spott der Menge, als Er sagt, dass das Mädchen nur schläft. Dies konnte Er als der Herr über Leben und Tod sagen, da für Ihn der physische Tod nicht das Ende ist. So ist die Seele eines Menschen unsterblich und der Geist kehrt zu Gott zurück, „der ihn gegeben hat“ (Pred 12,7). Für Ihn, den Fürst des Lebens, ist der Tod eines Menschen hier auf der Erde nur ein Schlaf.
      Doch die Reaktion der Volksmenge offenbart ihren Charakter. Sie haben nur ein spöttisches, ungläubiges Lachen für den Herrn übrig, der doch gerade in ihrer Gegend schon so viele gewaltige Wunder getan hatte. Wie muss der Herr unter diesem Spott gelitten haben.
      Wie ganz anders ist das Handeln des Herrn hier als das der alttestamentlichen Propheten bei der Ausübung ähnlicher Wunder. Sie hatten keine Kraft in sich selbst und mussten nach oben schauen und Kraft von Gott zum Handeln erbitten (z. B. Elia in 1. Könige 17,21.22 und Elisa in 2. Könige 4,34.35). Der Herr hingegen ergreift das Mädchen nur bei der Hand und gebietet ihr aufzustehen. Er konnte mit Macht reden und „sogleich stand das Mädchen auf und ging umher“. Dadurch wurde gezeigt, dass ihre Wiederherstellung nicht nur unmittelbar, sondern auch vollständig war.
      In seiner unendlichen Weisheit und Fürsorge dachte Er an jede Einzelheit und forderte die Eltern auf, ihrer Tochter nun auch zu essen zu geben. Das ist eine wichtige Aufgabe für Eltern und für jeden, der mit jungbekehrten Menschen zu tun hat. Nach der Bekehrung braucht die Seele Nahrung, um Kraft für den Weg zu bekommen und in der Erkenntnis der Person des Herrn Jesus zu wachsen.
      Prophetisch ist die gestorbene Tochter des Jairus ein Bild von dem Volk Israel, das zurzeit für Gott nicht nur tot ist, sondern wie ein Lazarus sogar schon im Grab liegt (Hes 37,12; Dan 12,2a). Aber in der Zukunft wird ein Überrest aus dem Volk durch die Gnade des Herrn wie dieses Mädchen auferweckt werden und Leben geschenkt bekommen. Dies wird in Hesekiel 37 detailliert beschrieben.
      „Und es versammelten sich bei ihm die Pharisäer und einige der Schriftgelehrten, die von Jerusalem gekommen waren; und sie sahen einige seiner Jünger mit unreinen, das ist ungewaschenen Händen Brot essen. (Denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie sich nicht mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, und halten so die Überlieferung der Ältesten; und vom Markt kommend, essen sie nicht, wenn sie sich nicht gewaschen haben; und vieles andere gibt es, was sie zu halten übernommen haben: Waschungen der Becher und Krüge und Kupfergefäße und Liegepolster.) Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragen ihn: Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Ältesten, sondern essen das Brot mit unreinen Händen?“ (Mk 7,1–5).
      Kapitel 6 und 7 zeigen Gefahren und Widerstände, die den Nachfolgern des Herrn begegnen können. Doch finden wir jeweils einen etwas anderen Gesichts- oder Schwerpunkt:
      In Kapitel 6 wurde im Bild von Herodes besonders der Einfluss und Widerstand der weltlichen Macht gegenüber den Dienern Gottes gezeigt. In Kapitel 7 steht mehr die religiöse Macht im Vordergrund. Falsche religiöse Einflüsse und tote äußere Formen können dem Diener großen Schaden zufügen.
      Der Wind und die Wellen in Kapitel 6 symbolisieren widrige Umstände, die die Herde Gottes von außen bedrängen. Hier in Kapitel 7 tritt das Böse in den Vordergrund, das von innen zu einem verderblichen Feind der Wahrheit heranreift. Dies ist insbesondere dann sehr gefährlich, wenn es sich – wie hier – unter dem Deckmantel äußerer Frömmigkeit versteckt.
      So können wir sagen, dass der Teufel in Kapitel 6 als „brüllender Löwe“ (1. Pet 5,8) auftritt und in Kapitel 7 als „Engel des Lichts“ (2. Kor 11,14). Beide Taktiken versteht der Feind jeweils passend anzuwenden.
      Das große Thema der Verse 1–23 ist die Frage nach dem Stellenwert menschlicher Überlieferungen, Traditionen und Gebote. Menschliche Traditionen werden den Worten und Geboten Gottes gegenübergestellt.
      Traditionen an sich können gut und nützlich sein, doch es kommt darauf an, welchen Wert sie für uns haben. Setzen wir sie über Gottes Wort, sind sie immer falsch. Die Ältesten im Volk Israel hatten im Lauf der Zeit eine Reihe eigener Verordnungen und Vorschriften aufgestellt. In diesen Versen wird von Waschungen der Hände, Krüge und Becher berichtet. Es kann sein, dass diese Anordnungen von den religiösen Waschungen im Alten Testament abgeleitet worden waren. So lesen wir in den Büchern Moses z. B. von Waschungen in Verbindung mit den Opfern und dem Priesterdienst (vgl. 2. Mo 30,19–21).
      Doch was der Herr in diesen Versen so verurteilt, ist, dass die Ältesten und Schriftgelehrten in ihren Anordnungen über das Wort Gottes hinausgingen und etwas zu den Geboten Gottes hinzufügten – etwas, was Gott streng untersagt hatte (z. B. 5. Mo 4,2). Damit untergruben sie die Autorität Gottes im Haus Israel. Für sie waren diese äußeren Formen und Zeremonien zu einer Religion geworden. Darüber hinaus verurteilten sie hartherzig alle, die ihre Anordnungen nicht befolgten. Es waren ihre eigenen Überlieferungen und nicht Gottes Wort, aber sie taten so, als wäre es umgekehrt.
      Den Pharisäern ging es darum, nach außen ein korrektes Erscheinungsbild abzugeben, während sie innerlich weit davon entfernt waren, nach den Geboten Gottes zu leben. Ist das nicht auch ein Problem unserer Zeit? Man legt großen Wert darauf, dass nach außen alles „passt“, ignoriert das Wort Gottes ansonsten aber in vielen Punkten.
      Der Herr tadelt die Pharisäer und Schriftgelehrten
      „Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Treffend hat Jesaja über euch Heuchler geweissagt, wie geschrieben steht: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie als Lehren Menschengebote lehren.“ Das Gebot Gottes habt ihr aufgegeben, und die Überlieferung der Menschen haltet ihr: Waschungen der Krüge und Becher, und vieles andere dergleichen tut ihr. Und er sprach zu ihnen: Geschickt hebt ihr das Gebot Gottes auf, um eure Überlieferung zu halten. Denn Mose hat gesagt: „Ehre deinen Vater und deine Mutter!“, und: „Wer Vater oder Mutter schmäht, soll des Todes sterben.“ Ihr aber sagt: Wenn ein Mensch zum Vater oder zur Mutter spricht: Korban (das ist eine Gabe) sei das, was irgend dir von mir zunutze kommen könnte. Und so lasst ihr ihn nichts mehr für seinen Vater oder seine Mutter tun, indem ihr das Wort Gottes ungültig macht durch eure Überlieferung, die ihr überliefert habt; und vieles dergleichen tut ihr“ (Mk 7,6–13).
      Der Herr weist die Pharisäer und Schriftgelehrten daher streng zurecht. Er zeigt ihnen, dass ihre Religion der äußeren Formen sie erstens zu Heuchlern machte (V. 6), zweitens, dass so eine Religion vergeblich ist (V. 7), und drittens, dass sie dadurch das Wort Gottes beiseitesetzen (V. 9.13).
      Dabei ist es sehr lehrreich, zu sehen, wie der Herr in Vers 6 ihren Anklagen begegnet. Er fängt nicht an, mit ihnen über die Rechtmäßigkeit ihrer Anordnungen zu diskutieren, sondern konfrontiert sie direkt mit dem geschriebenen Wort Gottes und wendet es auf ihren geistlichen Zustand an. Das ist auch für uns die einzig richtige Vorgehensweise in Gesprächen mit Ungläubigen, wenn wir ihre Herzen und Gewissen erreichen wollen. Wenn wir uns auf Diskussionen und Streitgespräche einlassen oder versuchen, mit eigenen Worten zu argumentieren, werden wir schnell den Kürzeren ziehen und nichts erreichen. Das Wort Gottes allein ist es, was Menschen treffen und zur Buße leiten kann.
      Der Herr war auf diese Erde gekommen, um die Menschen ins Licht zu stellen (Joh 1,9). So erweist Er sich auch hier, indem Er die Gesetzlichkeit und Heuchelei der Führer des Volkes offenbart. Mit dem Zitat aus Jesaja 29,13 stellt Er den Zustand dieser Menschen ins Licht. Sie waren von Heuchelei und äußerer Frömmigkeit gekennzeichnet. Wie schrecklich das für Gott ist, wird deutlich, wenn wir daran denken, wie viel Wert Gott im Alten Testament auf echte Herzensfrömmigkeit legte.
      Das Volk ehrte Ihn mit den Lippen. Das war an sich nicht verkehrt. Das Problem war, dass sie es nur mit den Lippen taten und ihr Herz weit entfernt von Ihm war. Wie sieht es diesbezüglich bei uns aus, wenn wir es einmal ganz praktisch auf das Zusammenkommen zum Brotbrechen anwenden? Sind wir mit dem Herzen dabei, oder ist es uns nur wichtig, dass die Äußerlichkeiten korrekt sind? Singen wir die Lieder von Herzen mit und sprechen wir von Herzen ein „Amen“ zu den Gebeten, oder tun wir es nur mit den Lippen und sind mit unseren Herzen und Gedanken ganz woanders? Wenn wir einmal darüber nachdenken, erkennen wir, wie aktuell diese Verse für uns sind.
      Die Kernvorwürfe des Herrn an die Pharisäer und Schriftgelehrten sind:
      1. das Aufgeben der Gebote Gottes (V. 8.9) und
      2. das Ungültigmachen des Wortes Gottes (V. 13).

      Auch heute erkennen viele Menschen die Autorität des Wortes Gottes nicht an, weil es ihr Gewissen anspricht.
      In den Versen 11–13 zeigt der Herr am Beispiel des Korban ganz praktisch, wie die Überlieferungen der Menschen das Gewissen und die Gebote Gottes beiseitesetzen.
      Die Eltern zu ehren war kein Wunsch Gottes, sondern ein ausdrückliches Gebot (z. B. 2. Mo 20,12; Eph 6,1.2). Doch durch die Einrichtung des Korban, der Gabe für Gott, hatten sie sich etwas geschaffen, was es ihnen ermöglichte, bedürftigen Eltern die Unterstützung zu versagen. Denn mit dem Gelübde des Korban konnte ein Jude sein Geld und Besitz für Gott oder den Tempel weihen. Dadurch war er von jeder Verpflichtung befreit, anderen (z. B. notleidenden Eltern) damit zu helfen. Ob das Vermögen wirklich jemals gespendet wurde, war eine ganz andere Sache. So machten sie durch diese Überlieferung – und viele andere – das Wort Gottes ungültig, und das unter dem Deckmantel eines äußerlich frommen Gelübdes. Eine sehr ernste Sache!
      Dieses praktische Beispiel macht deutlich, wie eine Gott wohlgefällige Aufrichtigkeit und Gottesfurcht bis in die kleinsten Umstände unseres Lebens reichen soll. Er will unser Äußeres leiten, indem es von innen heraus bestimmt wird. Und dafür müssen wir Gemeinschaft mit Ihm haben (V. 6).
      „Was aus dem Menschen ausgeht, verunreinigt den Menschen“
      „Und als er die Volksmenge wieder herzugerufen hatte, sprach er zu ihnen: Hört mich alle und versteht! Es gibt nichts, was von außerhalb des Menschen in ihn eingeht, das ihn verunreinigen kann, sondern was von ihm ausgeht, ist es, was den Menschen verunreinigt. Wenn jemand Ohren hat, zu hören, der höre!
      Und als er von der Volksmenge weg in ein Haus eintrat, befragten ihn seine Jünger über das Gleichnis. Und er spricht zu ihnen: Seid auch ihr so unverständig? Begreift ihr nicht, dass alles, was von außerhalb in den Menschen eingeht, ihn nicht verunreinigen kann? Denn es geht nicht in sein Herz hinein, sondern in den Bauch, und es geht aus in den Abort – indem er so alle Speisen für rein erklärte. Er sagte aber: Was aus dem Menschen ausgeht, das verunreinigt den Menschen. Denn von innen aus dem Herzen der Menschen gehen hervor die schlechten Gedanken: Hurerei, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, List, Ausschweifung, böses Auge, Lästerung, Hochmut, Torheit; alle diese bösen Dinge gehen von innen aus und verunreinigen den Menschen“ (Mk 7,14–23).
      Der Herr ruft in Vers 14 die Volksmenge wieder herzu und nimmt das Vorangegangene zum Anlass, ihnen die Augen über den inneren Zustand des Menschen zu öffnen. Die Gegenüberstellung des Inneren und des Äußeren zieht sich durch den ganzen Abschnitt von Vers 1–23. Er zeigt ihnen, dass im Inneren des Menschen das Hauptproblem, die Quelle des Bösen, liegt. Diese Verse sind das „Todesurteil“ über den natürlichen Menschen und strafen alles Reden von einem guten Kern im Menschen Lügen. Im Inneren des Menschen ist nichts als Böses. Daher muss es auch völlig neu gemacht werden und kann nicht einfach nur verbessert oder „restauriert“ werden. Diese Worte des Herrn stehen somit in krassem Gegensatz zu der äußeren Frömmigkeit und Heuchelei, die die Pharisäer und Schriftgelehrten an den Tag legten.
      Der Herr umrahmt seine Worte mit der zweifachen Aufforderung, zu hören. Die Bedeutung der Belehrungen in Vers 15 machte es erforderlich, dass die Volksmengen die Worte des Herrn wirklich bewusst aufnahmen und ins Herz fassten. Diese Aufforderung des Herrn an seine Zuhörer ist auch für uns aktuell, da wir doch oft so schnell geneigt sind, etwas nur mit unseren Ohren aufzunehmen und es nicht in unsere Herzen dringen zu lassen.
      Angesichts der Worte des Herrn in Vers 15 – die vom Stil her auch in den Sprüchen stehen könnten – könnte die Frage aufkommen, wie es mit all den Dingen ist, die von außen an uns herankommen und uns verunreinigen. Natürlich werden wir auch durch solche äußeren Dinge verunreinigt, aber hier geht es um das Grundlegende, das Innere, aus dem jeder Wunsch zur Sünde kommt.
      Der Herr stellt hier ein weitreichendes Prinzip vor, das in sich selbst alles Menschliche und alle Tradition verurteilt. „Was von dem Menschen ausgeht, das ist es, was ihn verunreinigt“ – wendet man diesen Grundsatz in seiner ganzen Reichweite an, schließt es auch die fleischlichen Traditionen ein. Denn solche Traditionen kommen aus dem Menschen.
      Die ernsten Worte aus den Versen 14–16 sind für den Menschen schwer zu verstehen, da er sie oft nicht wahrhaben will. Selbst die Jünger verstanden diese Worte nicht, trotz alles dessen, was sie bereits in der Gegenwart des Herrn gelernt hatten. Ihnen fiel es schwer, anzuerkennen, dass das Urteil des Herrn unterschiedslos alle Menschen und somit auch sie betraf. In einem „Nicht-verstehen-Wollen“ liegt oft die Ursache für die Schwierigkeit, das Wort und Urteil Gottes anzuerkennen. So lesen wir z. B. in Johannes 7,17: „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist oder ob ich von mir selbst aus rede.“ Es kommt nicht auf einen guten Verstand und hohe Intelligenz an, sondern auf die Bereitschaft des Herzens, den Willen Gottes zu tun.
      Doch trotz allem Unverständnis auf Seiten der Jünger macht sich der Herr die Mühe, es ihnen genauer zu erklären. Dabei benutzt Er in Vers 19 in seiner Weisheit und Gnade das einfache und gut bekannte Beispiel der natürlichen Nahrungsaufnahme des Menschen. Er stellt klar heraus, dass der Mensch nicht durch natürliche Nahrung verunreinigt wird. Von diesem Beispiel geht der Herr in Vers 20 dann zu dem über, was den Menschen wirklich verunreinigt.
      Noch einmal zeigt Er in aller Deutlichkeit, dass der Ursprung alles Bösen von innen aus dem Herzen des natürlichen Menschen kommt. Der Gedanke, dass das Herz als der Sitz des Bösen im Menschen gesehen wird, wird wiederholt in der Heiligen Schrift erwähnt (vgl. 1. Mo 6,5; 8,21; Jer 17,9; Heb 3,10; Eph 4,18 u. a.).
      Doch es gibt eine Lösung für dieses Problem. Diese Lösung hat zwei Aspekte: zum einen die Seite unserer Stellung vor Gott und zum anderen die Seite unserer Praxis.
      Um bezüglich der Stellung vor Gott ein reines Herz zu bekommen, ist es erforderlich, dass wir „von neuem geboren“ werden (Joh 3,3) und dass wir im Glauben Zuflucht zu dem Werk des Herrn auf Golgatha nehmen (Apg 15,9).
      In der Praxis unseres Lebens werden wir vor den Dingen in den Versen 21 und 22 bewahrt, wenn wir täglich verwirklichen, dass wir „mit Christus gestorben sind“ (Röm 6,8); wenn wir den Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohnen lassen (Eph 3,17) und uns viel mit dem beschäftigen, „was droben ist, wo der Christus ist“ (Kol 3,1.2).
      In der Aufzählung dessen, was aus dem Herzen hervorkommt, stellt der Herr die schlechten Gedanken an die erste Stelle. Sie sind sozusagen die Wurzel, aus der all die nachfolgend aufgeführten bösen Dinge hervorgehen. In den schlechten Gedanken ist jede schlechte Tat im Keim enthalten.
      Wie wichtig ist es angesichts all der schrecklichen Dinge, die in diesen Versen aufgeführt werden, dass wir nach Sprüche 4,23 handeln: „Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens.“ Und was für eine Freude ist es für unseren Gott, wenn unser Herz ungeteilt auf Ihn gerichtet ist (vgl. 2. Chr 16,9), wie es leider von dem König Asa in 2. Chronika 16,7 nicht gesagt werden konnte.
      Die Heilung der Tochter der syro-phönizischen Frau
      „Er brach aber von dort auf und ging weg in das Gebiet von Tyrus und Sidon; und als er in ein Haus eingetreten war, wollte er, dass niemand es erfahre; und er konnte nicht verborgen bleiben. Vielmehr hörte sogleich eine Frau von ihm, deren Töchterchen einen unreinen Geist hatte, und sie kam und fiel nieder zu seinen Füßen. Die Frau aber war eine Griechin, eine Syro-Phönizierin von Geburt; und sie bat ihn, dass er den Dämon von ihrer Tochter austreibe. Und er sprach zu ihr: Lass zuerst die Kinder gesättigt werden, denn es ist nicht schön, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hunden hinzuwerfen. Sie aber antwortete und sprach zu ihm: Ja, Herr; und doch fressen die Hunde unter dem Tisch von den Brotkrumen der Kinder. Und er sprach zu ihr: Um dieses Wortes willen geh hin; der Dämon ist von deiner Tochter ausgefahren. Und sie ging hin in ihr Haus und fand das Kind auf dem Bett liegen und den Dämon ausgefahren“ (Mk 7,24–30).
      Nachdem der Herr in den vorigen Versen den Hochmut und natürlichen Zustand des menschlichen Herzens bloßgestellt hat, finden wir in diesem Abschnitt, wie Er das Herz Gottes offenbart.
      Er musste dem Hochmut der Pharisäer und Schriftgelehrten entschieden entgegentreten, aber nun sehen wir Ihn, wie Er seine Gnade einer Frau aus den Nationen zeigt, die in großer Demut zu Ihm kommt. Wenn wir diese Verbindung betrachten, können wir den Vers aus 1. Petrus 5,5: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“, als Bindeglied zwischen diese beiden Abschnitte setzen.
      Der Herr „brach aber von dort auf und ging weg in das Gebiet von Tyrus und Sidon“ – wie muss der Herr über den Hochmut, die Heuchelei und äußere Frömmigkeit seines Volkes traurig gewesen sein, als Er wegging. Doch als der Heiland der Welt machte Er sich auf, um in eine Gegend zu gehen, in der das Böse und die Sünde herrschten. Sein Volk lehnte Ihn ab. Er aber sah dort eine Seele, die nach Ihm verlangte und die Gnade finden sollte.
      In diesem Vers tritt der Charakter des Herrn im Markusevangelium wieder so bezeichnend hervor. Er wollte, „dass niemand es erfahre“, dass Er dort war. Er suchte nicht die Anerkennung der Menschen. Was für ein deutlicher Kontrast zu den Menschen, die in den Versen 1–23 vor uns standen. Und wie oft handeln auch wir ganz anders als der Herr hier.
      Doch die Anwesenheit des Herrn konnte nicht verborgen bleiben. Eine griechische Frau kam mit einer großen Not zu Ihm. Woher kannte diese Frau den Herrn? Nun, sein Ruf ging weit über die Grenzen Israels hinaus, bis nach Syrien, wie wir in Matthäus 4,24 lesen, wozu auch Tyrus und Sidon gehörten (Apg 21,3).
      Das Töchterchen (diese Verkleinerungsform benutzt der Geist Gottes, um uns eine besondere Zärtlichkeit zu zeigen) dieser Frau war von einem Dämon besessen. Und diese Mutter hatte ein Herz und offene Augen für die Not ihrer Tochter und ging damit zu dem Herrn Jesus. In der praktischen Anwendung sehen wir in diesem Handeln der Mutter ein schönes Vorbild für Eltern, die ebenso von solchen Empfindungen für die natürlichen und geistlichen Nöte ihrer Kinder gekennzeichnet sein sollten.
      Die Frau kam in großer Demut und großem Glauben (Mt 15,28) mit ihrer Not zu dem Herrn Jesus. Doch der Herr nimmt zunächst eine scheinbar ablehnende Haltung ein.
      Um die Reaktion und Antwort des Herrn auf die Bitte der Frau richtig zu verstehen, müssen wir bedenken, dass der Herr zuerst für die Juden, sein Volk, gekommen war. Von den vier Evangelisten stellen uns Matthäus und Markus das ganz besonders deutlich vor.
      Das Heil galt also zunächst den Juden, die der Herr hier als „Kinder“ – solche, die durch Geburtsrecht diese Stellung einnehmen – bezeichnet. Ihnen gegenüber standen die Heiden und Nationen, die mit dem verächtlichen Ausdruck „Hund“ benannt werden. Das Brot, von dem der Herr hier spricht, steht für den Segen, den der Herr damals seinem Volk, den Kindern, brachte. Dies ist wohl die erste Erklärung für die Reaktion und Antwort des Herrn hier.
      Ein zweiter Grund ist die Tatsache, dass der Herr den Glauben dieser Frau erproben und offenbaren wollte – etwas, was auch unser Glaube nötig hat, damit er nicht nur ein bloßes Kopfwissen ist.
      Die Reaktion dieser Frau ist sehr schön. Sie antwortet zunächst: „Ja, Herr.“ Sie erkennt völlig an, was Er gesagt hat und dass sie zu den „Hunden“ gehört. Sie weiß auch, dass ihr Platz nicht an dem Tisch (ein Bild der Gemeinschaft), sondern unter dem Tisch ist. Aber sie spricht davon, dass auch die Hunde fresssen. Dabei erhebt sie jedoch keinen Anspruch auf das Brot, sondern ihr genügen die Brotkrumen, die von dem Tisch der Kinder herabfallen.
      Sie weiß, dass die Gnade des Herrn so groß ist, dass diese anderen nichts wegnimmt, wenn sie den Herrn um etwas bittet. Das ist eine Gesinnung, die der Herr nie unbeantwortet lassen kann. Einen Glauben, der im Bewusstsein des eigenen Unvermögens und der eigenen Unwürdigkeit zu Ihm kommt, aber an seine Gnade appelliert, wird Er nie enttäuschen. So erfährt diese Frau, wie der Herr ihren Wunsch erfüllt und seinen Segen auch auf sie und ihre Tochter kommen lässt.
      Prophetisch wird durch das Handeln des Herrn hier schon gezeigt, dass die Gnade Gottes nicht allein auf die Juden beschränkt bleiben konnte, sondern sich auch zu den Nationen wenden würde.
      Wenn wir an Epheser 2,11–13 denken, erkennen wir, dass der Herr auch mit uns so gehandelt hat wie mit dieser Frau. Doch müssen wir bei der Anwendung auf uns bedenken, dass wir uns in der Zeit der Gnade befinden. Heute ist der Segen Gottes unterschiedslos für alle da, die im Glauben zu Ihm kommen. Die Unterscheidung zwischen dem „Brot der Kinder“ und den „Brotkrumen“ gibt es heute nicht, sie galt nur bis Pfingsten und wird erst im 1000-jährigen Reich wieder vorhanden bzw. sichtbar sein.
      Die Heilung des Tauben in der Dekapolis
      „Und als er aus dem Gebiet von Tyrus und Sidon wieder weggegangen war, kam er an den See von Galiläa, mitten durch das Gebiet der Dekapolis. Und sie bringen einen Tauben zu ihm, der auch schwer redete, und bitten ihn, dass er ihm die Hand auflege. Und er nahm ihn von der Volksmenge weg für sich allein und legte seine Finger in seine Ohren; und er spie und rührte seine Zunge an; und zum Himmel aufblickend, seufzte er und spricht zu ihm: Ephata!, das ist: Werde aufgetan! Und sogleich wurden seine Ohren aufgetan, und das Band seiner Zunge wurde gelöst, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, dass sie es niemand sagen sollten. Je mehr er es ihnen aber gebot, desto mehr machten sie es übermäßig kund; und sie waren überaus erstaunt und sprachen: Er hat alles wohlgemacht; er macht sowohl die Tauben hören als auch die Stummen reden“ (Mk 7,31–37).
      Noch einmal kehrt der Herr nach Galiläa zurück und kommt dabei mitten durch das Gebiet der Dekapolis, wo man Ihn gebeten hatte, wegzugehen (Mk 5,17). Man wollte Ihn nicht. Aber der Herr gab dieses Gebiet nicht auf. Und in den folgenden Versen erkennen wir, dass es im Verhalten der Menschen dort eine Änderung gegeben hatte: Jetzt waren solche da, die an Ihn glaubten und Ihn priesen (V. 37). Vielleicht waren es solche, die durch den Dienst und das Zeugnis des geheilten Mannes aus Kapitel 5 gewonnen worden waren (V. 20). Wenn es so war: was für eine schöne Frucht des Dienstes war dann hervorgekommen. Aber doch waren es hier nur Einzelne, die zu Ihm kamen, so wie es auch heute immer nur Einzelne sind, die in unseren so genannten christlichen Ländern zum Herrn Jesus finden.
      Diese Verhaltensänderung bei den Bewohnern der Dekapolis muss eine große Freude und Ermunterung für den Herrn gewesen sein. So finden wir in diesen Versen 24–37 direkt aufeinanderfolgend zwei Begebenheiten, in denen es Gott dem Vater gefiel, seinem Sohn eine Freude zu bereiten inmitten all der Ablehnung und Feindschaft, die Ihm in seinem Dienst in zunehmendem Maß entgegengebracht wurden.
      Die in den Versen 31–37 geschilderte Begebenheit finden wir – wie auch die Heilung des Blinden in Kapitel 8,22–26 – nur bei Markus berichtet.
      Man bringt einen Tauben, der auch schwer redete, zu dem Herrn. Dieser kranke Mann liefert ein weiteres eindrucksvolles Bild von dem Zustand des natürlichen Menschen in seiner Sünde:
      Der aussätzige Mann in Kapitel 1,40–44 war ein Bild von der völligen Unreinheit und Verdorbenheit des Menschen.
      In dem Gelähmten in Kapitel 2,1–12 wurde deutlich, wie unfähig der natürliche Mensch von sich selbst aus ist, zu Gott zu kommen. Er ist in sich völlig kraftlos.
      Taubheit illustriert, wie der Sünder nicht auf die Stimme Gottes hören will und nicht gewillt und nicht in der Lage ist, Gott zu ehren und zu loben. Zugleich ist dieser Mann auch ein treffendes Bild von dem Zustand des Volkes Israel zu dieser Zeit: Sie waren solche, die Ohren hatten zu hören, aber doch nicht hörten, und die daher auch nicht in der Lage waren, Gott wohlgefällig zu loben und zu preisen.
      Aber gleichen wir als Kinder Gottes geistlicherweise nicht auch manchmal diesem tauben Mann, dessen Zunge gebunden war? Verschließen wir nicht oft unsere Ohren, wenn wir Dinge hören, die uns in unserem Gewissen treffen, Dinge, die uns unbequem sind? Und reden wir nicht auch oft „schwer“, wenn es darum geht, den Herrn zu ehren? Wir haben oft wenig in unseren Herzen, weil wir nicht zuhören, wenn Gott uns die Schönheiten des Herrn Jesus vorstellt. Reden und Hören gehen Hand in Hand zusammen. Das ist ganz natürlich so und es wird uns auch in der Anwendung hier gezeigt. Sicherlich erkennen wir uns alle in diesen Punkten mehr oder weniger wieder.
      Auch wenn es um das Zeugnis gegenüber den Menschen geht, reden wir oft schwer, weil wir uns nicht genug Zeit nehmen, uns mit dem Wort Gottes zu beschäftigen, weil wir zu wenig hören, wenn der Herr uns in der Stille bei Ihm unterweisen will. Denn das ist der Ort, wo wir hören können.
      So ist es auch hier. Der Herr nimmt den Mann „von der Volksmenge weg für sich allein“. Inmitten eines Volkes, das Ihn verwarf, hatte Er einen Platz für den, der seine Nähe suchte.
      Und auch heute gibt es inmitten einer Welt, die Ihn verwirft, einen Platz, wo wir bei Ihm sein können, sowohl gemeinsam als auch persönlich. Er will jeden Einzelnen von uns für sich haben und uns seine ganz persönliche Nähe schenken, wenn wir nur bereit sind, zu Ihm zu kommen. Das bringt auch der Bräutigam in Hohelied 2,14 zum Ausdruck, wenn er zu der Braut sagt: „Lass mich deine Stimme hören.“
      Bemerkenswert ist auch, dass hier wieder Menschen vorgestellt werden, die ein Auge für ihre Mitmenschen in Not hatten, wie wir es auch bei dem Gelähmten in Kapitel 2 schon gefunden haben. Das soll zu unseren Herzen reden und uns ermuntern, ebenso zu handeln.
      Der Herr legt seine Finger in seine Ohren und rührt seine Zunge an. Diese Einzelheiten zeigt Markus wieder ganz besonders detailliert. Ähnlich schildert er es auch bei der Heilung des Blinden in Kapitel 8,22–26. Es zeigt die ganz besondere Anteilnahme des treuen Dieners an den Einzelnen.
      Ohren und Zunge – das waren die beiden Problempunkte dieses Mannes. Er war nicht in der Lage, die Worte des Heilands zu hören und konnte Ihm auf der anderen Seite seine Not nicht sagen. Und wie beeindruckend ist die Herablassung des Herrn hier, um diesen Mann zu heilen. Er, dessen „Finger Werk“ die große Schöpfung ist (Ps 8,4), legt seine Finger in die Ohren dieses Mannes, um ihn zu heilen.
      Wenn wir hier von den Ohren und der Zunge lesen, werden wir unwillkürlich an die Worte über die Ohren und Zunge des Herrn in Jesaja 50,4.5 erinnert. In was für einem Gegensatz zu diesem Mann und dem Zustand des Volkes Israel stand Er, der eine „Zunge der Belehrten“ empfangen hatte und sich als der abhängige Mensch jeden Morgen das Ohr öffnen ließ.
      Bevor der Herr die Worte zur Heilung des Tauben spricht, blickt Er auf zum Himmel und seufzt. Da können wir wieder einen Blick in das Herz unseres Herrn tun, der gegenüber den Folgen der Sünde die ungetrübten Empfindungen Gottes hatte. Etwas Ähnliches finden wir auch bei dem Tod von Lazarus in Johannes 11,38.41. Diese Begebenheiten sind Beispiele davon, was in Jesaja 53,4 steht: „Doch er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen.“
      Angesichts der Not und des Elends des Menschen seufzte der Herr. Doch wenn Er zum Himmel blickte, sah Er den ganzen Reichtum der Gnade Gottes und sprach dann, um den Kranken von seiner Not zu befreien.
      Das Handeln des Herrn in Vers 34 ermuntert uns, es ebenso zu machen. Wenn wir in Nöten und Schwierigkeiten sind, wollen wir versuchen aufzublicken und unsere Zuflucht zu unserem Gott und Vater zu nehmen, anstatt auf uns zu sehen und zu seufzen. Er will und kann auch heute noch helfen, so wie Er es hier sofort und völlig tat.
      In Vers 33 hatte der Herr den Kranken von der Volksmenge weggenommen. In Vers 36 verbietet Er den Leuten, von dem Erlebten weiterzusagen. Angesichts der zunehmenden Ablehnung durch die Masse des Volkes wandte sich die Gnade des Herrn mehr den Einzelnen zu, die Glauben hatten.
      Zugleich gibt der Herr durch diese Handlungsweise aber auch ein Muster für wahren, von Gott gewirkten Dienst. Dienen, ohne gesehen zu werden – danach sollten auch wir streben, um die Blicke nicht auf uns, sondern auf den Herrn zu lenken.
      Doch die Menschen in Vers 36 sind ungehorsam, sie handeln in direktem Gegensatz zu den Worten des Herrn. Das war kein Zeichen von Glauben, denn der Glaube ist immer gehorsam! Das dürfen wir nie vergessen.
      Die schönen Worte, die diese Menschen äußern, scheinen ein Ausdruck ihrer allgemeinen Erkenntnis zu sein. Es waren Worte, die sie unter dem Eindruck des Geschehens unter sich zum Ausdruck brachten, die aber bei den meisten wahrscheinlich nicht aus der Tiefe des Herzens kamen, aber dennoch ihre Verantwortung erhöhten. Und doch ließ Gott es zu, dass diese Bewohner der Dekapolis, die Ihn zuvor abgelehnt hatten, dieses schöne Zeugnis über seinen Sohn aussprachen.
      Es fällt auch auf, dass sie in ihren Worten das Handeln des Herrn über diese einzelne Heilung hinaus verallgemeinern. Wie gut, wenn auch wir durch das Anschauen einzelner Herrlichkeiten des Herrn zu seiner gesamten Schönheit geführt werden.
      „Er hat alles wohlgemacht“ – das war der Ausdruck ihres Erstaunens. Das können auch wir ausrufen, wenn wir auf unseren persönlichen und gemeinsamen Weg zurückschauen. Und es sollte uns ermuntern, Ihm mehr zu vertrauen und unsere Blicke über die Umstände zu Ihm hinauf zu erheben. Denn Er verändert sich nie.

      Kapitel 6
      Ablehnung des Herrn durch die Bewohner von Nazareth
      „Und er ging von dort weg und kommt in seine Vaterstadt, und seine Jünger folgen ihm. Und als es Sabbat geworden war, fing er an, in der Synagoge zu lehren; und viele, die zuhörten, erstaunten und sprachen: Woher hat dieser das alles, und was ist das für eine Weisheit, die diesem gegeben ist, und solche Wunderwerke geschehen durch seine Hände? Ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und ein Bruder von Jakobus und Joses und Judas und Simon? Und sind nicht seine Schwestern hier bei uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm. Und Jesus sprach zu ihnen: Ein Prophet ist nicht ohne Ehre, außer in seiner Vaterstadt und unter seinen Verwandten und in seinem Haus“ (Mk 6,1–4).
      Das sechste Kapitel beginnt, wie so viele Abschnitte in diesem Evangelium, mit dem Wort „und“. Es gefällt dem Geist Gottes immer wieder, den unermüdlichen Diener Gottes vorzustellen. Er verlor keine Zeit und ging von einem Dienst zum anderen. Hier kommt Er von Kapernaum in seine Vaterstadt, das verachtete Nazareth, um auch dort wieder in Treue seinen Dienst auszuüben.
      Was für ein Hinweis auf seine tiefe Erniedrigung ist diese Tatsache, dass die so verachtete Stadt Nazareth (Joh 1,46) seine Vaterstadt war, wo Er die ersten dreißig Jahre seines Lebens verbrachte.
      Wie es seine Gewohnheit war (Lk 4,16), ging der Herr am Sabbat in die Synagoge, um zu lehren. Hier wird besonders deutlich, wie wichtig dem Herrn der Dienst als Prophet war. Er lehrte in der Synagoge und auch in den Dörfern.
      Der Dienst in der Lehre ist so wichtig, da die Kenntnis der Lehre des Wortes Gottes das Fundament des praktischen Glaubenslebens bildet. Häufig wird im Neuen Testament der Wert der Lehre betont. Die Apostelgeschichte z. B. ist eingerahmt von der Erwähnung, dass der Herr lehrte (Apg 1,1) und dass der Apostel Paulus lehrte (Apg 28,31). Und auch Timotheus wurde mehrfach von dem Apostel Paulus auf den Wert der Lehre und der Predigt des Wortes hingewiesen (z. B. 1. Tim 4,13; 2. Tim 1,13; 2,24; 3,16; 4,2). Wie sollte uns das anspornen, die Lehre des Wortes kennen zu lernen und in Besitz zu nehmen, auch wenn das oft mit Mühe verbunden ist.
      Ebenso sollten wir nach der Weisheit streben, die in dem Herrn hier offenbar wurde. Er war der Einzige, von dem gesagt wurde: „Das Kind aber wuchs und erstarkte, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade war auf ihm“ (Lk 2,40). Diese Weisheit „von oben“ (Jak 3,17) sollte auch uns kennzeichnen und wir können Gott darum bitten (Jak 1,5).
      Die Bewohner von Nazareth waren über die Art und Weise, wie der Herr lehrte, erstaunt, lehrte Er doch „wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten“ (V. 22; Mt 7,29). Aber wir erkennen, dass es ein widerwilliges Erstaunen war und dass sie von einer Haltung der Ablehnung Ihm gegenüber geprägt waren.
      Ihre Fragen, die sie sich stellten, machen deutlich, wie inkonsequent menschliche Überlegungen sind, wenn der Glaube fehlt. Sie kannten die Angehörigen des Herrn und ihre eigene Umgebung und sahen daher doch, dass darin nicht die Ursache für die besondere Natur seines Dienstes gefunden werden konnte. Aber sie waren nicht bereit, einen göttlichen Ursprung dafür zu suchen. Stattdessen nahmen sie Anstoß an Ihm.
      Immer wieder lässt sich erkennen, wie an der Person des Herrn Jesus die Herzen der Menschen offengelegt werden. Auf der einen Seite gab es solche, die im Glauben ihre Zuflucht zu Ihm nahmen, wie es die beiden vorhergehenden Begebenheiten gezeigt haben. Auf der anderen Seite waren da solche, die sich wie die Bewohner von Nazareth an Ihm ärgern und Ihn verachten. Der Herr war so inmitten des Volkes, wie es in Jesaja 8,14 vorausgesagt worden war: Er war „zum Heiligtum“ für die, die Ihn annahmen, aber „zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchelns“ für die, die Ihn ablehnten.
      Die Bewohner seiner Vaterstadt, die den Herrn so gut kannten, lehnten Ihn ab und ärgerten sich an Ihm. Wie tragisch ist es, wenn man so nah in einer äußeren Verbindung mit dem Herrn Jesus ist und sich doch nicht für Ihn entscheidet. An der Person des Herrn Jesus entscheidet sich alles. Er ist Der, „in dem wir errettet werden müssen“ (Apg 4,12). Dies ist auch eine ernste Warnung für Angehörige von Gläubigen, die noch nicht zu Ihm gekommen sind und Buße getan haben.
      Die feindliche Gesinnung, die dem Herrn hier von den Ihm äußerlich so nahestehenden Menschen entgegenschlug, finden wir schon in einigen alttestamentlichen Vorausbildern angedeutet:
      Joseph wurde von seinen Brüdern wegen seiner Träume, die Gott ihm gab, gehasst (1. Mo 37,8.11).
      David schlug der Zorn seiner Brüder entgegen, als er im Auftrag ihres Vaters zu ihnen in den Krieg kam (1. Sam 17,28). Sie waren nicht bereit, ihren jüngsten Bruder, der doch nur ein Hirte war, als den Gesalbten des Herrn anzuerkennen.
      So wurde schon in diesen Vorausbildern auf den Herrn Jesus die Wahrheit seiner Worte hier in Markus 6,4 bestätigt, dass ein Prophet nicht ohne Ehre ist, „außer in seiner Vaterstadt und unter seinen Verwandten und in seinem Haus“.
      Die Heilung einiger Schwacher
      „Und er konnte dort kein Wunderwerk tun, außer dass er einigen Schwachen die Hände auflegte und sie heilte. Und er verwunderte sich über ihren Unglauben. Und er zog durch die Dörfer ringsum und lehrte“ (Mk 6,5.6).
      Dies ist wieder eine Stelle, die den Herrn so besonders als den abhängigen Diener zeigt. Er, der doch Gott selbst ist, wie in Kapitel 1 gezeigt wurde, konnte hier kein Wunder tun. Er war als Mensch hier auf der Erde seinem Gott im Himmel unterworfen, und als der vollkommene Diener handelte Er nur dort, wo Gott offene Türen gab.
      Wo sich solcher Unglaube zeigte, konnte der Herr nicht ungehindert wirken. Und der Segen, der von Ihm ausging, konnte nur sehr begrenzt fließen. Er heilte nur einige Schwache, die die Meinung ihrer Volksgenossen nicht teilten, sondern für die Gnade und Hilfe des Herrn empfänglich waren.
      Über den Unglauben der restlichen Bewohner seiner Vaterstadt konnte Er sich nur verwundern. Wie ganz anders war es in Matthäus 8,10, wo der Herr sich über den großen Glauben des römischen Hauptmanns verwunderte.
      Die Aussendung der zwölf Apostel
      „Und er ruft die Zwölf herzu; und er fing an, sie zu zwei und zwei auszusenden, und gab ihnen Gewalt über die unreinen Geister. Und er gebot ihnen, nichts mitzunehmen auf den Weg als nur einen Stab; kein Brot, keine Tasche, kein Geld in den Gürtel, sondern Sandalen untergebunden; und zieht nicht zwei Unterkleider an. Und er sprach zu ihnen: Wo irgend ihr in ein Haus eintretet, dort bleibt, bis ihr von dort weggeht. Und welcher Ort irgend euch nicht aufnimmt und wo sie euch nicht hören, von dort geht hinaus und schüttelt den Staub ab, der unter euren Füßen ist, ihnen zum Zeugnis. Und sie gingen aus und predigten, dass sie Buße tun sollten; und sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Schwache mit Öl und heilten sie“ (Mk 6,7–13).
      In Vers 6 hätte der Gedanke aufkommen können, dass es dem Herrn selbst an Kraft fehlte. Aber es scheint, dass der Heilige Geist durch die Anordnung der einzelnen Begebenheiten diesem entgegenwirken will, indem direkt im Anschluss berichtet wird, wie der Herr die Jünger zum Dienst aussendet. Er, der als der demütige Diener in Nazareth aufgrund des Unglaubens der Menschen nicht viel tun konnte, ist Derselbe, der die zwölf Jünger aussenden und ihnen Gewalt über die unreinen Geister geben kann. Er, der in Nazareth als der Zimmermann aufwuchs und arbeitete, ist zugleich auch der Sohn Gottes, der Autorität und Macht hat, die Jünger auszusenden.
      Die Aussendung der Jünger ist die dritte Stufe von dem, was in Kapitel 3,13.14 gesagt wurde. Nachdem Er sie in seine Nachfolge gerufen hatte und sie bei Ihm gewesen waren und vieles lernen konnten, ruft Er sie jetzt, um sie auszusenden.
      Wenn der Herr ruft, ist das immer ein persönlicher Ruf – sei es der Ruf in die Nachfolge, in die Gemeinschaft mit Ihm oder der Ruf zum Dienst. So ist es auch in den Briefen, wenn von Berufung gesprochen wird. Es ist zunächst eine persönliche Sache zwischen dem Rufenden und dem Gerufenen. Aber wenn Er uns zum Dienst ruft, lässt Er uns nicht allein stehen. Die Jünger sendet Er hier „zu zwei und zwei“ aus. Des Öfteren finden wir im Neuen Testament zwei Diener in einem Dienst besonders miteinander verbunden. „Zwei sind besser daran als einer“ heißt es in Prediger 4,9 – und wie ermunternd dies ist, erfahren auch heute noch viele Diener des Herrn. Aber jeder Diener ist dem Herrn gegenüber persönlich verantwortlich. Die Aussendung der Jünger trägt einen ganz besonderen Charakter, den wir beachten müssen, um keine falschen Schlüsse für die heutige Zeit und Praxis zu ziehen. Hier sendet der Herr als lebender und verachteter Mensch auf der Erde aus, heute tut Er dies als verherrlichter Mensch vom Himmel her. Daher lassen sich nicht alle Punkte direkt auf uns übertragen. Es kommt hinzu, dass der Herr die hier gegebenen Anordnungen in Lukas 22,35.36 wieder aufhob, als Er im Begriff stand, diese Erde zu verlassen.
      Aber bei allen Unterschieden werden doch wichtige Prinzipien in Verbindung mit dem Dienst gezeigt, die sehr wohl auch heute noch gelten:
      1. Im Dienst geht alles vom Herrn aus; Er sendet aus und gebietet (V. 7.8).
      2. Wenn der Herr zu einem Dienst ruft, dann gibt Er auch die Kraft dazu (V. 7).
      3. Der Diener soll dem Herrn und nicht menschlichen Hilfsmitteln vertrauen; dieser sorgt für ihn (V. 8.9).
      4. Der Diener soll dem Herrn ähnlich sein; man soll ihn als Abgesandten des verachteten und in äußerer Armut seinen Weg gehenden Herrn erkennen (V. 8.9).
      5. Der Diener soll seinen Dienst ganz, konzentriert und von Herzen tun und mit Ausdauer im Dienst anhalten, bis der Herr weiter ruft (V. 10).
      6. Die Predigt des Wortes soll so erfolgen, dass die Zuhörer erkennen, dass die Botschaft verbindlich ist und dass deren Ablehnung ernste Folgen hat (V. 11).

      In Vers 12 und 13 sehen wir, wie die Jünger dem Ruf des Herrn gehorsam folgten und so handelten, wie es auch ihr Herr tat.
      „Sie gingen aus“ – tun wir das auch, wenn der Herr uns einen Auftrag gibt? Oder denken wir nicht oft, dass unser Bruder oder unsere Schwester diese Aufgabe doch viel besser ausführen könnte? Das Beispiel der Jünger hier sollte uns motivieren, ebenso zu gehorchen, wenn der Herr uns ruft.
      In ihrer Predigt wiesen die Jünger auf die Notwendigkeit der Buße hin; ein Element, das in keiner Evangeliumsverkündigung fehlen darf. Ist die Buße doch eine Voraussetzung zum Empfang des Heils.
      Die Wunderwerke, von denen wir hier und auch in Matthäus 10,8 lesen, erleben wir heute so nicht mehr. Es waren Begleiterscheinungen des Reiches, dessen Evangelium verkündigt wurde. Es handelte sich bei diesen Heilungen um letzte Dinge der „Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters“ (Heb 6,5), die wir heute so nicht mehr haben und die erst im 1000-jährigen Reich wieder gefunden werden.
      In Vers 13 wird deutlich, dass die Juden damals Öl als Heilmittel gebrauchten. Darauf nimmt Jakobus Bezug, wenn er in Kapitel 5,14 seines Briefes von dem Salben eines Kranken mit Öl spricht – eine Stelle, die manchmal falsch verstanden wird. Wir verstehen sie besser, wenn wir bedenken, dass der Jakobusbrief einer der ersten Briefe ist, der in der Übergangszeit vom Judentum zum Christentum geschrieben wurde. Ein Brief, der sich an die zwölf Stämme Israels richtet – und nicht an eine örtliche Versammlung. So erwähnt Jakobus diesen jüdischen Brauch, aber es geht ihm nicht um das Öl an sich, sondern um das Gebet des Glaubens, durch den der Kranke geheilt wird.
      Der Tod Johannes’ des Täufers
      „Und der König Herodes hörte von ihm. (Denn sein Name war bekannt geworden; und sie sagten: Johannes der Täufer ist aus den Toten auferstanden, und darum wirken solche Kräfte in ihm. Andere aber sagten: Es ist Elia. Andere aber sagten: Ein Prophet wie sonst einer der Propheten.) Als aber Herodes es hörte, sagte er: Johannes, den ich enthauptet habe, dieser ist auferstanden.
      Er, Herodes, hatte nämlich hingesandt und Johannes greifen und ihn im Gefängnis binden lassen wegen Herodias, der Frau seines Bruders Philippus, weil er sie geheiratet hatte. Denn Johannes hatte Herodes gesagt: Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben. Herodias aber trug es ihm nach und wollte ihn töten, und sie konnte nicht; denn Herodes fürchtete Johannes, da er wusste, dass er ein gerechter und heiliger Mann war, und er verwahrte ihn; und wenn er ihn gehört hatte, so tat er vieles, und er hörte ihn gern.
      Und als ein geeigneter Tag kam, als Herodes an seinem Geburtstag seinen Großen und den Obersten und den Vornehmsten von Galiläa ein Gastmahl gab und ihre, der Herodias, Tochter hereinkam und tanzte, gefiel sie Herodes und denen, die mit zu Tisch lagen. Der König sprach zu dem Mädchen: Erbitte von mir, was irgend du willst, und ich werde es dir geben. Und er schwor ihr: Was irgend du von mir erbittest, werde ich dir geben, bis zur Hälfte meines Reiches. Und sie ging hinaus und sagte ihrer Mutter: Um was soll ich bitten? Diese aber sprach: Um das Haupt Johannes’ des Täufers. Und sie ging sogleich mit Eile zu dem König hinein und bat und sagte: Ich will, dass du mir sofort auf einer Schale das Haupt Johannes’ des Täufers gibst. Und der König wurde sehr betrübt; doch um der Eide und um derer willen, die mit zu Tisch lagen, wollte er sie nicht zurückweisen. Und sogleich schickte der König einen Leibwächter und befahl, sein Haupt zu bringen. Und der ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis. Und er brachte sein Haupt auf einer Schale und gab es dem Mädchen, und das Mädchen gab es seiner Mutter. Und als seine Jünger es hörten, kamen sie und hoben seinen Leichnam auf und legten ihn in eine Gruft“ (Mk 6,14–29).
      Die Verse 14–29 bilden einen Einschub, der den Bericht über die Aussendung und den Dienst der Jünger unterbricht. In diesem Einschub wird von der Enthauptung des Johannes durch den König Herodes berichtet – ein Ereignis, das zu diesem Zeitpunkt bereits in der Vergangenheit lag. Wir können uns fragen, warum der Heilige Geist diese Begebenheit an dieser Stelle berichten lässt. Eine Antwort liegt sicher darin, dass der Heilige Geist eine Macht vorstellen will, die immer den Dienst zu durchkreuzen sucht. Wenn die Jünger ausgesandt werden, zeigt der Geist ihnen hier sofort, womit sie es zu tun bekommen würden: mit der Macht der Welt, in der der Teufel mit großer Gewalt herrscht. Diese Macht tritt noch heute jedem Diener des Herrn entgegen. Daher ist es wichtig, sie zu kennen, um ihr in der rechten Weise mit der Hilfe des Herrn begegnen zu können.
      Zu Beginn von Vers 14 sehen wir den König Herodes. Die Herodianer waren Idumäer – ein griechischer Ausdruck für die Nachkommen Edoms. Sie wurden von den römischen Besatzungsmächten als Herrscher und Verwalter in Judäa und Galiläa eingesetzt. Die Regierung dieser Herodianer war ein Beweis für den niedrigen Zustand der Juden in den Tagen der Evangelien. Sie waren nicht nur unter der Herrschaft der Römer, sondern es regierten auch Söhne Esaus über sie. Diese Herodianer waren dem Herrn Jesus und seinen Jüngern in der Regel feindlich gesinnt.
      Aus Lukas 9,9 und 23,8 wird deutlich, dass dieser Herodes den Herrn Jesus noch nicht kannte. Aber er hörte von Ihm. Denn das war das herrliche Ergebnis des Dienstes der Jünger, dass sein Name bekannt wurde. Das sollte auch heute das Ergebnis jedes Dienstes sein, dass der Herr gesehen wird und nicht der Diener im Vordergrund steht.
      Herodes hatte bezüglich der Ermordung des Johannes ein schlechtes Gewissen. Als er nun von dem Herrn Jesus hörte, dachte er sofort an Johannes den Täufer, den er ermordet hatte. Doch angesichts der Wunder, die gewirkt wurden, entstand die Frage, wie dieses erklärt werden konnte, denn das Zeugnis und der Dienst von Johannes waren nicht von Wundern begleitet, wie es an einer Stelle gesagt wird (Joh 10,41). Aber Herodes hatte für diese Frage eine Erklärung: Für ihn musste Johannes aus den Toten auferstanden sein, um in übernatürlicher Kraft solche Wunder tun zu können. Aber obwohl Herodes sich dies vorstellte, war er doch nicht bereit, angesichts einer solch außergewöhnlichen und bis dahin unbekannten Sache Buße zu tun. Damit ist er ein ernstes Beispiel für die Wahrheit der Worte, die der Herr in dem Bericht über Lazarus in Lukas 16,31 ausspricht: „Wenn sie nicht auf Mose und die Propheten hören, werden sie auch nicht überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten aufersteht.
      Die Reaktion des Herodes auf die Nachricht von dem Wirken des Herrn und seiner Jünger zeigt auch deutlich, dass eine nicht geordnete Sünde nie ganz unterdrückt werden kann. Das Gewissen kommt nie wirklich zur Ruhe, bis die Sünde bekannt wird. So war es bei den Brüdern Josephs in 1. Mose 42,21 und auch bei David nach seiner Sünde mit Bathseba. In Psalm 51,5 muss er bekennen, dass seine Sünde beständig vor ihm stand. Aber er tat Gott gemäß Buße, als sein Gewissen durch das Wort Gottes getroffen wurde. Nicht so Herodes. Er verhärtete sein Herz, obwohl seine Sünde auch beständig vor ihm stand, was in seinen Erinnerungen an den Tod des Johannes deutlich wird.
      Ab Vers 17 wird davon berichtet, welche Umstände dazu geführt hatten, dass Herodes Johannes ermorden ließ. Die Stimme Johannes’ war bis zum Hof des Herodes durchgedrungen. Als ein treuer Zeuge hatte er dem mächtigen Herodes klar und deutlich seine Sünde vor Augen gestellt. Dies tat er ungeachtet der Konsequenzen, die das für ihn hatte. Er fragte nicht: „Was bringt mir das?“, wie wir es so oft tun. Und er tat es auch nicht als ein alter Mann, sondern in einem Alter von gut dreißig Jahren! Wie viel können wir von dem mutigen und treuen Zeugnis des Johannes lernen.
      Herodes wurde durch das Zeugnis des Johannes in seinem Gewissen getroffen, aber er war nicht bereit, von seiner Sünde zu lassen. Daher bekannte er sie nicht, sondern nahm Johannes gefangen.
      Daran erkennen wir, dass Herodes ein sehr unsteter und wankelmütiger Mann war und sich in starker Abhängigkeit von den ihn umgebenden Menschen befand. Zeitweilig hörte er Johannes gerne und tat einiges, wie um einen Kompromiss mit der Wahrheit zu schließen; dann wieder verhärtete er sein Herz und hatte nicht den Mut, sein übereiltes Versprechen gegenüber der Tochter der Herodias zu brechen. Ähnlich verhielt es sich bei der Verurteilung des Herrn Jesus in Lukas 23,12, als er sich plötzlich von einem Feind in einen Freund von Pilatus verwandelte. Solche wankelmütigen Menschen gibt es auch heute. Manchmal werden sie durch ein Wort Gottes getroffen und unruhig, machen aber doch nicht ernst und verhärten ihr Herz dann wieder. Doch auch als Gläubige ähneln wir manchmal dem Verhalten von Herodes, wenn wir nicht wirklich bereit sind, von Sünden zu lassen. Dann fassen wir vielleicht gute Vorsätze, führen sie aber nie aus.
      Im Gegensatz zu Herodes war Johannes ein gerechter und heiliger Mann. Sein Leben und Wirken war von diesen zwei Kennzeichen geprägt, die auch die Merkmale des neuen Menschen sind (Eph 4,24). Als ein solcher war er bekannt und von Herodes sogar gefürchtet. Doch trotz allem hielt er ihn gefangen und ließ ihn dann sogar töten. So wurde Johannes auch in dieser Hinsicht ein Vorläufer des Herrn Jesus, von dem es in Apostelgeschichte 3,14.15 heißt: „Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet …; den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet.“
      Die Verse 21–29 sind voller Tragik und werden mit den Worten eingeleitet: „Und als ein geeigneter Tag kam“. Auf solch einen Augenblick wartet der Teufel immer und so ein Tag kommt schnell, wenn Sünde in den Herzen und Gedanken ist. Der Teufel weiß genau, wann er einen Menschen zur Sünde verführen kann.
      Doch bei aller Tragik passen diese Verse in unsere heutige Zeit. Wenn wir die Brutalität und Kälte betrachten, die in diesem Abschnitt vor uns tritt, können wir mit dem Prediger sagen: „Es gibt gar nichts Neues unter der Sonne“ (Pred 1,9). In der Geburtstagsfeier können wir etwas von unserer so genannten „Spaßgesellschaft“ erkennen. Die Kälte dieser beiden Frauen lässt uns an die Herzenskälte der Menschen heute denken, und auch die Feindschaft gegen das, was von Gott kommt, ist in unseren Tagen nicht unbekannt. So können wir aus diesem ernsten Bericht Anwendungen für uns machen, damit wir vor Dingen gewarnt werden, die in unserer Gesellschaft normal sind.
      Dieser Abschnitt zeigt etwas davon, wie das Wort Gottes ein „Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens“ (Heb 4,12) ist, und wir müssen uns daran erinnern, dass es nichts Böses gibt, was ein Gläubiger nach seiner Bekehrung nicht noch tun kann.
      Gott benutzt z. T. solche extremen Situationen, um uns typische Dinge und Grundsätze zu zeigen. So werden uns hier zwei besondere Gefahren für Männer und Frauen gezeigt:
      Die Gefahr für Männer liegt besonders in der Anreizung der Gedankenwelt durch Dinge, die wir über die Augen aufnehmen. Was für Gedanken bewegten wohl die Gesellschaft der versammelten Männer, als das junge Mädchen eintrat und vor ihnen tanzte. Vor diesen sündigen Gedanken sind auch wir nicht gefeit. Daher sollten wir uns vor solchen Situationen hüten und wie Hiob einen Bund mit unseren Augen schließen, um nicht auf eine Jungfrau zu blicken (Hiob 31,1). Das einzige Bewahrungsmittel in solchen Lagen ist die Flucht, die auch Joseph ergriff, als die Sünde in Gestalt der Frau Potiphars an ihn herantrat (1. Mo 39,7–12). Anders können wir solchen Situationen nicht begegnen, ohne der Sünde zu erliegen (Spr 6,27–29; 7,21.22).
      Die Gefahr für Frauen liegt mehr im Nicht-vergeben-und-vergessen-Wollen und in tiefsitzenden Rachegedanken, wie sie hier bei Herodias gezeigt werden. In Vers 19 wird berichtet, dass sie dem Johannes seine deutlichen Worte nachtrug, und in Vers 24 braucht sie gar nicht zu überlegen, was sie ihrer Tochter raten soll. Ein ähnliches Verhalten findet sich bei verschiedenen Frauen im Alten Testament. An die Frau Potiphars in 1. Mose 39 haben wir uns schon erinnert. Isebel war eine ähnlich böse und rachsüchtige Frau, die Elia töten wollte (1. Kön 19,1) und auch Nabot töten ließ (1. Kön 21,5–15). Das Bewahrungsmittel vor dieser Gefahr ist eine vergebungsbereite Haltung und das Abweisen aller nachtragenden Gedanken.
      Herodias war bereit, auf die Hälfte des Königreiches zu verzichten; solch einen Wert hatte der Tod des Johannes für sie bzw. für ihre Mutter. Wie ganz anders handelte die Königin Esther in Esther 7,2–4, als ihr ein solches Angebot gemacht wurde wie hier der Tochter der Herodias. Und das Angebot, das Esther bekam, war sehr viel größer als das Angebot des Herodes, der doch nur über ein Viertel des Landes Israel herrschte.
      Satan wendet bei Herodes in diesem Abschnitt die drei Taktiken aus 1. Johannes 2,16 an, mit der er auch Eva im Garten Eden zur Sünde verleitete. Zu der „Lust des Fleisches“, die wir in Vers 17 finden, kam die „Lust der Augen“ in Vers 22, und in Vers 23 und 26 finden wir den „Hochmut des Lebens“. All dies und die Umstände der Geburtstagsfeier, bei der sicherlich auch reichlich Alkohol floss, führte zu der Sünde in Vers 28, die Herodes so vermutlich nicht geplant hatte. Darin bestätigt sich die Wahrheit von Hosea 4,11: „Hurerei, Wein und Most nehmen den Verstand weg.“ Denn anders lässt sich das unsinnige Versprechen des Königs in Vers 23 diesem jungen Mädchen gegenüber nicht erklären.
      Die Verse 24 und 25 sind von großer Hektik und Eile geprägt. Herodias hat, ohne groß zu überlegen, direkt eine Antwort auf die Frage ihrer Tochter, und diese geht dann sogleich und mit Eile zum König und bittet ihn, ihr sofort das Haupt des Johannes zu bringen. So eine unermüdliche Betriebsamkeit ruft der Teufel gerne hervor, um die Menschen zur Sünde zu verleiten. Er will ihnen keine Zeit lassen, nachzudenken.
      „Ich will … sofort“ – ist das nicht auch ein Charakterzug unserer Gesellschaft, dass man alles sofort und ohne zu warten haben will?
      Es scheint, als ob die Jünger des Johannes während seiner Gefangenschaft die Möglichkeit hatten, mit ihm in Kontakt zu bleiben. Daher konnte Johannes in Matthäus 11,2.3 auch seine Jünger mit einer Frage zum Herrn senden. Auch hier scheinen sie nahe genug am Ort des schrecklichen Geschehens gewesen zu sein, um schnell von dem Tod ihres Meisters zu hören. Voller Mut gingen sie hin, um seinen Leichnam zu begraben. So konnten sie ihm den letzten Liebesdienst erweisen. Aus Matthäus 14,12 erfahren wir, dass sie in ihrer Trauer anschließend zu dem Herrn Jesus kamen und Ihm davon berichteten.
      Die Rückkehr der Jünger nach ihrem Dienst
      „Und die Apostel versammeln sich bei Jesus; und sie berichteten ihm alles, was sie getan und was sie gelehrt hatten. Und er spricht zu ihnen: Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie fanden nicht einmal Zeit, um zu essen.
      Und sie fuhren mit dem Schiff weg an einen öden Ort für sich allein“ (Mk 6,30–32).
      Dieser Abschnitt führt uns wieder zu der Aussendung der Jünger in den Versen 7–13 unseres Kapitels zurück. Sie hatten ihren Auftrag ausgeführt und „versammelten sich bei Jesus“. Wir lesen nichts davon, dass der Herr ihnen das geboten hätte. Es war für sie selbstverständlich. Zu wem sonst hätten sie auch gehen sollen? So ist es auch heute für jeden Diener des Herrn wichtig, nach einem Dienst in die Stille zu gehen, um die Gegenwart des Herrn aufzusuchen. Dort allein können wir Ihm das berichten, was wir getan und gelehrt haben. Denn in seiner Gegenwart besteht keine Gefahr, dass wir uns wichtig vorkommen und hoch von uns denken. Dort lernen wir, wie gering wir sind, welche Schwächen und Mängel wir haben und dass wir aus uns selbst nichts können. Zugleich erhalten wir dort neue Kraft und Unterweisung, um in Demut einen gesegneten Dienst für Ihn ausüben zu können.
      Wenn wir einerseits sehen, dass die Jünger von selbst zu dem Herrn Jesus kamen, finden wir andererseits auch, dass Er sie an einen öden Ort führte, wo sie „für sich allein“ sein konnten.
      Der Dienst der Jünger hatte großes Aufsehen erregt und bestimmt waren sie ganz erfüllt davon. Damit ihnen das nicht zu einem Fallstrick wurde (1. Tim 3,6), nimmt der Herr sie in seiner Fürsorge und Weisheit beiseite, um ihnen Ruhe zu geben. Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir über dem Dienst des Herrn den Herrn des Dienstes nicht vergessen. Er, der zum Dienst aussendet, weiß auch genau, wann seine Diener der Ruhe bedürfen. Denn wenn der Diener des Herrn keine Zeit hat, geistlich zu essen, fehlt seinem Dienst bald die Kraft und Frische. Er gleicht einem Akku, der immer schwächer wird und rechtzeitig wieder aufgeladen werden muss. Der Diener braucht Speise für sich selbst, um Speise an andere weitergeben zu können.
      Diese Zeit in der Stille bei Ihm ist so wichtig, dass wir uns auch in aller Hektik des Alltags und des Dienstes durch nichts davon abhalten lassen sollten. Denn gerade weil diese Momente der Stille bei Ihm so wichtig sind, setzt der Feind alles daran, uns diese Zeit durch Unruhe und Stress zu rauben. Dies finden wir hier angedeutet in den „vielen, die da kamen und gingen“. Lassen wir uns diese Momente der Ruhe beim Herrn nicht durch die Hektik unserer Zeit rauben. Denn nur in der Abgeschiedenheit bei Ihm wird das göttliche Leben in uns genährt und für kommende Dienste gestärkt. Ohne diese Zeiten der Ruhe und des verborgenen geistlichen Wachstums wird jeder Dienst unreif und kraftlos sein.
      Die Speisung der Fünftausend
      „Und viele sahen sie abfahren und erkannten sie und liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin zusammen und kamen ihnen zuvor.
      Und als er ausstieg, sah er eine große Volksmenge, und er wurde innerlich bewegt über sie, weil sie wie Schafe waren, die keinen Hirten haben. Und er fing an, sie vieles zu lehren. Und als es schon spät geworden war, traten seine Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist öde, und es ist schon spät; entlass sie, damit sie hingehen aufs Land und in die Dörfer ringsum und sich etwas zu essen kaufen. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Und sie sagen zu ihm: Sollen wir hingehen und für zweihundert Denare Brote kaufen und ihnen zu essen geben? Er aber spricht zu ihnen: Wie viele Brote habt ihr? Geht hin, seht nach. Und als sie es erfahren hatten, sagen sie: Fünf, und zwei Fische.
      Und er befahl ihnen, dass sie alle sich in Gruppen lagern ließen, auf dem grünen Gras. Und sie lagerten sich in Abteilungen zu je hundert und je fünfzig. Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte auf zum Himmel, segnete und brach die Brote und gab sie seinen Jüngern, damit sie sie ihnen vorlegten; und die zwei Fische verteilte er unter alle. Und sie aßen alle und wurden gesättigt. Und sie hoben an Brocken zwölf Handkörbe voll auf, und von den Fischen. Und die, welche die Brote gegessen hatten, waren fünftausend Männer“ (Mk 6,33–44).
      Als der Herr die große Volksmenge sah, die keine Anstrengung scheute, zu Ihm zu kommen, und zu Fuß aus allen Städten zusammenlief, wurde Er innerlich bewegt. Er, der sich schon mehrfach in mächtigen Zeichen und Wundern und in der Gewalt über die unreinen Geister erwiesen hatte, offenbart hier sein vollkommenes Mitgefühl und seine Zuneigung. Es rührt den Herrn, diese Schafe seines Volkes zu sehen, „die keinen Hirten haben“. Wo waren die Hirten Israels? Sie verwarfen den Herrn und wollten Ihn an das Kreuz bringen und konnten die Bedürfnisse des Volkes nicht stillen. Nicht so der Herr. Er allein wusste um die wahren Bedürfnisse der Herzen und entsprach ihnen in vollkommener Weise: zuerst den geistlichen Bedürfnissen, indem Er sie lehrte; dann den körperlichen Bedürfnissen, indem Er ihnen zu essen gab. Er sah seine erste Aufgabe darin, zunächst ihre geistlichen Bedürfnisse zu stillen. So sollten auch bei uns die geistlichen Dinge den Vorrang haben. Doch im weiteren Verlauf sehen wir den Herrn wieder als den guten Hirten (Jes 40,11; Hes 34), der auch für die leiblichen Bedürfnisse sorgt.
      Angesichts des herannahenden Abends und der großen Volksmenge beginnen die Jünger beunruhigt zu werden und stellen dem Herrn ihre Überlegungen vor. Die Art und Weise ihres Vorgehens liefert uns ein Bild von unserem oft ähnlichen Verhalten in solchen Situationen. Sie machen dem Herrn Handlungsvorschläge, anstatt Ihn um Rat zu fragen. Dabei gehen sie von der Beurteilung der Umstände aus („der Ort ist öde, es ist spät, nichts zu essen“) und dementsprechend ziehen sie Schlussfolgerungen, die der menschlichen Logik entsprechen. Ihr Vorschlag „Entlass sie, damit sie hingehen“ widersprach ganz den Absichten des Herrn. Mit diesen Worten trieben sie – vielleicht unbewusst – einen Keil zwischen den Herrn und die Volksmenge, ähnlich wie es die Boten in Kapitel 5,35 bei Jairus tun wollten. Anstatt die Menschen wegzuschicken, sollten sie die Menschen doch zu Ihm führen und alles von Ihm erwarten. Wie ist es bei uns? Haben wir ein Auge für die Menschen um uns herum und erkennen wir, dass Magerkeit in ihren Seelen ist (vgl. Ps 106,15)? Können wir ihnen etwas für ihre Herzen geben oder gehen wir achtlos an ihnen vorüber und schicken sie weg?
      Aber der Herr lässt es nicht zu, dass die Volksmenge entlassen wird. In Matthäus 14,16 sagt Er: „Sie haben nicht nötig wegzugehen.“ Er hatte etwas ganz anderes vor und wollte auch diese Gelegenheit benutzen, um die Jünger weiter zu belehren. Aus Johannes 6,5.6 wird deutlich, dass der Herr sie mit diesem Wunder – dem einzigen, das in allen vier Evangelien berichtet wird – in der Erkenntnis seiner Person weiterführen wollte. Sie hatten schon vieles mit Ihm erlebt und auch selbst schon große Dinge getan, aber jetzt „fragte“ Er sie und damit auch uns: „Wie weit vertraut ihr mir, auch in ausweglosen Lagen und im Bewusstsein eures Unvermögens?“
      Der Herr nimmt daher den Vorschlag der Jünger nicht an, tadelt sie deshalb aber auch nicht. Stattdessen fordert Er sie zum Handeln auf. Dies war die Gelegenheit für die Jünger, sich an das zu erinnern, was sie bereits alles mit dem Herrn gemeinsam erlebt hatten, oder auch, was in den Schriften des Alten Testamentes berichtet war. So hätten sie sich an das Handeln Gottes in 2. Könige 4,42–44 erinnern können, als die Brote des Mannes aus Baal-Schalischa vermehrt wurden, so dass hundert Männer davon gesättigt wurden. Oder auch an die wunderbare Fürsorge Gottes für sein irdisches Volk in der Wüste, als Er ihnen Fleisch und Brot vom Himmel sandte. Aber sie fragen Ihn nicht um Hilfe, sondern denken rein natürlich und menschlich.
      „Gebt ihr ihnen zu essen“ – das ist eine Aufforderung, die auch heute uns allen gilt, besonders aber den Männern in den Familien oder auch in den Zusammenkünften.
      Die Frage, die der Herr den Jüngern dann in Vers 38 stellt, ist sehr bewegend und inhaltsreich. Er ließ kein Brot vom Himmel kommen, sondern fragte nach dem, was vorhanden war. So handelte Er auch bei der Hochzeit zu Kana in Johannes 2, als Er aus Wasser guten Wein machte. Hier waren nur fünf (Gersten-)Brote und zwei Fische vorhanden. Aber daran zeigte Er, wie Gott sich trotz der Unfähigkeit und Unzulänglichkeit des Menschen verherrlichen kann und alle Bedürfnisse befriedigt. Darin liegt eine wichtige Belehrung, die von bleibender Gültigkeit ist: Wenn es um die Frage von Nützlichkeit geht, sieht Gott auf das, was vorhanden ist, was wir haben, und nicht auf das, was wir nicht haben.
      Es ist die Weise des Herrn, das zu benutzen, was wir haben, wenn bei uns die Bereitwilligkeit da ist, uns gebrauchen zu lassen. So fragte der Herr seinen Diener Mose in 2. Mose 4,2: „Was ist das in deiner Hand?“, und benutzte den Stab in der Hand Moses, um damit große Zeichen zu tun. David hatte nur eine Schleuder in der Hand und einen Stein, den er aus seiner Tasche nahm. Und unter der Führung Gottes wurde der geschleuderte Stein so gelenkt, dass er den Riesen Goliath sofort zu Fall brachte (1. Sam 17,48–50).
      So fragt der Herr auch uns heute vor jedem Dienst nach dem, was in unserer Hand ist, und knüpft dann an das an, das wir geistlich haben. Daher ist es so wichtig, dass wir uns viel mit Ihm und seinem Wort beschäftigen, damit etwas da ist, das Er benutzen kann. Und wenn der Herr uns so fragt, müssen wir Ihm ehrlich antworten und das Wenige, das wir haben, Ihm zur Verfügung stellen. Dann dürfen wir staunend zusehen, wie gnädig der Herr mit unserem Unvermögen umgeht und was Er aus dem macht, was wir Ihm geben.
      In Kapitel 6,7–11 haben wir schon einige Grundsätze und Prinzipien in Verbindung mit dem Dienst für den Herrn gesehen. In den Versen 39–44 werden nun noch weitere Prinzipien gezeigt:
      1. Der Herr knüpft immer an das an, was bei dem Diener vorhanden ist, wie in Vers 38 deutlich wurde.
      2. Der Diener kann nur das an andere weitergeben, was er selbst vom Herrn empfangen hat. Die Jünger konnten die Brote und Fische nicht vermehren, aber unter dem Auge des Herrn konnten sie das austeilen, was der Herr ihnen gab. So dienten sie, wie auch später, als „Mitarbeiter Gottes“ (1. Kor 3,9). Wie mit der physischen Speise, so ist es auch mit der geistlichen Speise.
      3. Der Diener, der geistliche Nahrung austeilt, soll den Dienst in Abhängigkeit vom Herrn tun und die Blicke auf Gott lenken, damit Er verherrlicht wird und nicht der Diener. Der Herr dankte für die Brote und Fische und lenkte damit die Blicke auf Gott im Himmel und drückte seine Abhängigkeit von Ihm aus. So muss auch heute jeder Dienst in Abhängigkeit geschehen und das Gesagte als „Aussprüche Gottes“ geredet werden, damit die Blicke auf Gott gelenkt werden und „in allem Gott verherrlicht werde“ (1. Pet 4,11).
      4. Ein Diener, der sich auf seinen Herrn und Meister und auf das Wort Gottes stützt, wird nie ohne Vorrat dastehen. So blieb auch hier viel mehr übrig als das, womit begonnen worden war.

      Neben diesen Prinzipien enthält das Handeln des Herrn in diesen Versen noch viele weitere lehrreiche Hinweise sowohl für unser persönliches Leben als auch für unsere gemeinsamen Zusammenkünfte zu seinem Namen hin.
      Zunächst sehen wir, dass der Herr die Volksmengen auffordert, sich in Gruppen auf dem grünen Gras zu lagern. Er sorgt für eine Atmosphäre der Ordnung und Ruhe, bevor Er die Nahrung verteilt.
      So ist es auch in unserem Leben wichtig, dass wir uns Zeit nehmen und zur Ruhe kommen, bevor wir zu Ihm gehen, um von Ihm Nahrung zu empfangen – sei es persönlich oder gemeinsam in den Zusammenkünften. Wenn wir mit ruhigen und geöffneten Herzen zu Ihm kommen, werden wir erfahren, dass Er auch uns auf grünen Auen lagert, uns zu stillen Wassern führt und unsere Seele erquickt (Ps 23,2.3).
      Die äußere Ordnung war eine Voraussetzung dafür, dass jeder aus der großen Menge etwas empfangen konnte. Auch in der Versammlung muss eine gewisse Ordnung herrschen (1. Tim 3,15), damit jeder das empfangen kann, was er braucht, und niemand übersehen wird.
      Wie können wir es schaffen, wirklich zur Ruhe zu kommen, bevor wir in die Gegenwart des Herrn gehen? Es ist eine große Hilfe, wenn wir vor jeder Zusammenkunft auf die Knie gehen und den Herrn um seinen Segen für uns persönlich und gemeinsam bitten. Wenn wir das tun, gehen wir automatisch mit einer Erwartungshaltung in die Zusammenkunft und werden die Erfahrung machen, dass wir genau das empfangen, was wir benötigen. Und so, wie in dieser Begebenheit alle gesättigt wurden, kann jeder in den Zusammenkünften etwas vom Herrn empfangen, da Er alle im Blick hat, keinen übersieht und möchte, dass alle bei Ihm satt werden. An uns liegt es nur, das zu tun, was auch die Volksmengen hier selbst tun mussten – uns zu lagern und zu essen, d. h. geöffnete Herzen für das zu haben, was der Herr geben will.
      Dann werden auch wir die Erfahrung machen, dass „zwölf Handkörbe voll“ übrig bleiben, dass der Herr immer mehr gibt, als wir verarbeiten können.
      Weiter haben wir schon bemerkt, dass der Herr das wenige, was vorhanden war, nahm und zum Himmel aufblickte und die Speise segnete, bevor Er sie seinen Jüngern gab. Darin offenbarte Er sich wieder einmal als der vollkommene und abhängige Mensch. Er zeigte, dass jeder Segen nur von oben kommen kann, und brachte die irdische Nahrung in Verbindung mit dem Himmel.
      Es ist ein großer Segen, wenn wir die Dinge dieser Erde in Verbindung mit dem Reichtum des Himmels bringen. Dann erfahren wir, dass das wenige, was in unserer Hand ist, unter der Führung des Herrn zu einem Segen – auch für andere – werden kann.
      Darüber hinaus ist das Beispiel des Herrn auch ein Hinweis für uns, doch vor jeder Mahlzeit unserem himmlischen Vater für seine Fürsorge und Liebe zu uns – auch in den praktischen Dingen – ganz bewusst im Gebet zu danken. Wir finden es wiederholt, dass der Herr vor dem Essen „dankte“ (z. B. Lk 24,30; Mk 14,22.23). Und wenn Er das tat, wie viel mehr Grund haben wir dann dazu.
      Auch der Apostel Paulus „dankte Gott vor allen“, bevor er zu essen begann (Apg 27,35). Ein Beispiel, das uns ermuntert, auch in der Gegenwart von anderen, z. B. Arbeitskollegen oder Schulkameraden, vor dem Essen zu danken. Neben diesen Beispielen finden wir noch weitere Stellen, die uns die enge Verbindung zwischen Essen und Danksagen zeigen (z. B. 1. Tim 4,3.4; Röm 14,6; 1. Kor 10,30.31).
      Der Herr kommt über das Wasser zu den Jüngern auf dem See
      „Und sogleich nötigte er seine Jünger, in das Schiff zu steigen und an das jenseitige Ufer nach Bethsaida vorauszufahren, während er die Volksmenge entlässt. Und als er sie verabschiedet hatte, ging er hin auf den Berg, um zu beten. Und als es Abend geworden war, war das Schiff mitten auf dem See und er allein auf dem Land. Und als er sie beim Rudern Not leiden sah – denn der Wind war ihnen entgegen –, kommt er um die vierte Nachtwache zu ihnen, wandelnd auf dem See; und er wollte an ihnen vorübergehen. Als sie ihn aber auf dem See wandeln sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst, und schrien auf; denn alle sahen ihn und wurden bestürzt. Er aber redete sogleich mit ihnen und spricht zu ihnen: Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht! Und er stieg zu ihnen in das Schiff, und der Wind legte sich. Und sie erstaunten sehr über die Maßen bei sich selbst und verwunderten sich; denn sie waren durch die Brote nicht verständig geworden, sondern ihr Herz war verhärtet“ (Mk 6,45–52).
      Nach den großen Ereignissen in den vorhergegangenen Versen entlässt der Herr die Volksmengen und nötigt seine Jünger, in das Schiff zu steigen. Er schickt sie auf den See, weil Er sie eine weitere Lektion lehren will.
      Er selbst geht zunächst wieder auf den Berg in die Stille, um mit seinem Gott allein zu sein. Dies ist das zweite Mal in diesem Evangelium, dass wir den Herrn im Gebet finden. Zuerst sahen wir Ihn in Kapitel 1,35 zu Beginn seines öffentlichen Dienstes beten. Hier war nun schon eine Zeit seines öffentlichen Dienstes verflossen. Es begann die Zeit, in der der Widerstand und die Ablehnung von seinem Volk immer deutlicher und stärker hervortreten würden. Ob Er sich in dem Bewusstsein, dass sich die Prophezeiung aus Jesaja 49,4: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt“, für Ihn erfüllen sollte, im Gebet seinem Gott nahte?
      Darüber hinaus können wir annehmen, dass der Herr auf dem Berg auch für seine Jünger auf dem See betete. Er, der später zu Simon Petrus sagte: „Simon, Simon! Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre“ (Lk 22,31.32), dachte sicher an die Seinen, die in Bedrängnis waren. Und so kennen auch wir Ihn heute. In seiner Abwesenheit verwendet Er sich als unser Hoherpriester für uns beim Vater.
      Während Er auf dem Berg betete, kämpften seine Jünger auf dem See gegen den starken Wind. Hier wird besonders berichtet, dass sie ruderten und dabei Not litten. Dies war harte Arbeit und eine lang andauernde Prüfung, denn es wird berichtet, dass die Jünger bis zur vierten Nachtwache ruderten, ohne Fortschritte zu erzielen. Dieses vergebliche Bemühen scheint hier ein wichtiger Gedanke zu sein. So, wie Er sich umsonst abmühte, sollten auch die Jünger lernen, dass Zeiten kommen würden, in denen sie im Dienst für Ihn nicht fischen konnten oder in denen sie keine Segel setzen konnten, um angenehm vorwärtszukommen. Nein, es würde auch Zeiten geben, in denen jeder Muskel angespannt werden müsste, um das Boot auf Kurs zu halten, und in denen kein Fortkommen zu sehen sein würde. So lernten die Apostel in einer für sie angepassten Weise das, was auch dem Herrn begegnete. In Kapitel 4,35–41 war der Herr bei ihnen im Schiff, hier mussten sie dieser großen Not ganz allein begegnen. Das war eine weitere Lektion für die Jünger. Sie sollten lernen, dem Herrn mehr und völlig zu vertrauen.
      In Vers 48 finden wir die wunderbaren Worte: „Und als er sie beim Rudern Not leiden sah“. Wie kann dieser Gedanke Trost geben, wenn wir in Nöten und Schwierigkeiten sind. Und diese Nöte gibt es nicht nur auf einem Weg des Ungehorsams, sondern oft auch auf dem Weg des Gehorsams und in der Nachfolge hinter Ihm her.
      Manchmal muss uns der Herr in Schwierigkeiten bringen, damit wir auf einem verkehrten Weg stillhalten oder aus einem Zustand der Lauheit und Gleichgültigkeit aufwachen und Ihn neu erkennen. Aber hier war es anders. Die Jünger waren auf dem See, weil sie den Worten des Herrn gehorcht hatten. Und trotzdem erlitten sie diese Not. Doch der Herr lässt solche Stürme zu, weil Er damit etwas in uns bewirken und unseren Glauben stärken und für dessen Bewährung sorgen will. Dabei kann es auch sein, dass die Not lange andauert, ja, bis zur vierten Nachtwache währt, da Er möchte, dass das Ausharren ein vollkommenes Werk habe (Jak 1,4). Doch welch ein Vertrauen gibt das Bewusstsein, dass Er uns sieht, dass alles zu unserem Guten mitwirken soll (Röm 8,28) und dass Er uns zu seiner Zeit zur Hilfe kommt.
      So kommt der Herr auch hier zu seiner Zeit in die Umstände der Jünger. Und das tut Er auf eine beeindruckende Art und Weise: Er geht über das Wasser! So ein Wunder hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Daher können wir die Jünger etwas verstehen, wenn sie in all ihrer Aufregung meinten, „es sei ein Gespenst“. Doch sie hatten Ihn trotz allem, was sie bereits mit Ihm erlebt hatten, noch nicht richtig erkannt. Sie hatten nicht erkannt, dass sein Weg im Meer ist und seine Pfade in großen Wassern (Ps 77,20) und dass Er es war, der einst auch zu den drei Freunden Daniels durch das Feuer in den Ofen gekommen war (Dan 3,25).
      Aber der Herr gibt seine gnädige Hilfe immer in dem notwendigen Maß und zur notwendigen Zeit. Die Jünger baten Ihn nicht direkt um Hilfe, aber ihr Schreien rührte Ihn und veranlasste Ihn, ihre Furcht durch einige wenige Worte zu stillen. In Kapitel 4 hatte Er zuerst den Wellen geboten, hier wandte Er sich zuerst an seine Jünger, da ihre Furcht und Bestürzung schlimmer war als ihre unmittelbare körperliche Gefahr. Es scheint, als ob in Kapitel 4 die äußere Not und Bedrängnis im Vordergrund standen, während hier die innere Not und Aufregung der Herzen vordergründig waren. So sehen wir, wie der Herr jedem Bedürfnis in vollkommen angepasster Weise begegnet. Er stieg zu ihnen in das Schiff und die Wellen legten sich (s. a. Ps 107,28–31). Eine ähnliche Erfahrung machte Paulus in Apostelgeschichte 27, als der Herr ihm in der so ausweglosen Lage begegnete.
      Auch wir erfahren, dass der Herr in unsere Umstände kommt, um uns Ruhe und Frieden zu geben. Denn das ist sein Ziel in allen Prüfungen, die Er uns schickt, dass wir nahe zu Ihm kommen und in seiner Nähe Ruhe und Frieden finden (Heb 12,11). Uns ist nicht die Erhörung aller Gebete garantiert, aber wir haben die Verheißung, dass sein Friede unsere Herzen bewahren will (Phil 4,7).
      Doch angesichts dieses gewaltigen Geschehens waren die Jünger nur sehr erstaunt und verwunderten sich über die Maßen, da ihr Herz verhärtet war. Sie zeigten nicht das Maß an Glauben und Vertrauen in ihren Meister, das man von ihnen in ihrer bevorrechtigten Position als Augenzeugen seines Dienstes hätte erwarten können. Sie glichen dem Volk Israel im Alten Testament, das immer wieder die Taten und Wunderwerke des Herrn vergaß, die Er sie hatte schauen lassen (Ps 78,11). Das ist von jeher die Neigung des menschlichen Herzens gewesen. Und wir erkennen uns selbst in den Jüngern. Wir sind schnell bereit, die Größe unserer Bedränger und Schwierigkeiten anzuerkennen, aber oft sind wir sehr langsam in der Erkenntnis unseres mächtigen Heilands und Erretters.
      Statt verhärteter Herzen sucht der Herr Herzen, die Er prägen kann. Diese Begebenheit beinhaltet auch eine prophetische Bedeutung im Blick auf das Volk Israel. Der Herr entließ die Volksmengen. Darin können wir das Volk in seiner Gesamtheit sehen. Seine Jünger litten Not auf dem See. Sie liefern ein Bild des treuen Überrestes, der in die große Drangsalszeit kommt. In dieser Zeit werden die treuen Zeugen bis aufs Äußerste bedrängt werden (Mk 13,19). Diese Zeitperiode wird in Lukas 21,25 bezeichnenderweise mit tosendem Meer und Wasserwogen verglichen. Aber wenn die Not am größten ist (die vierte Nachtwache, kurz vor Anbruch des Morgens), wird der Herr in aller Macht (dargestellt in seinem wunderbaren Wandeln auf dem See) kommen und die Gläubigen des Überrestes in die Ruhe des 1000-jährigen Reiches einführen.
      Die segensreiche Gegenwart des Herrn
      „Und als sie ans Land hinübergefahren waren, kamen sie nach Genezareth und legten an. Und als sie aus dem Schiff gestiegen waren, erkannten sie ihn sogleich und liefen in jener ganzen Gegend umher und fingen an, die Leidenden auf den Betten umherzutragen, wo sie hörten, dass er sei. Und wo irgend er eintrat in Dörfer oder in Städte oder in Gehöfte, legten sie die Kranken auf den Märkten hin und baten ihn, dass sie nur die Quaste seines Gewandes anrühren dürften; und so viele irgend ihn anrührten, wurden geheilt“ (Mk 6,53–56).
      Diese Verse bilden eine kurze Zusammenfassung des Dienstes des Herrn, der in dem Zeitraum nach den Ereignissen auf dem See geschah. Dabei fällt auf, dass so wie auf dem See, auch hier die bloße Gegenwart des Herrn reicht, um Segen hervorzubringen. Es wird hier nicht berichtet, dass der Herr zu den Kranken redete oder sie anrührte, ebenso wie Er auch auf dem See nicht dem Wind und den Wellen gebot. Es genügte, dass Er ins Boot stieg und dass die Kranken Ihn oder die Quaste seines Kleides anrührten.
      In der prophetischen Bedeutung weisen diese Verse auf die Zeit des 1000-jährigen Reiches hin. Dann wird der Herr auf dieser Erde – da, wo Er einst verworfen wurde (Mk 5,17) – angenommen werden. Und Er wird nicht nur für Israel, sondern für alle Nationen der „Baum des Lebens“ sein, dessen „Blätter … zur Heilung der Nationen sind“ (Off 22,2). Seine Gegenwart wird zu einer Quelle des Segens für die Menschen und besonders für sein Volk sein.
      Kapitel 7
      Die Überlieferungen und Gebote der Ältesten
      „Und es versammelten sich bei ihm die Pharisäer und einige der Schriftgelehrten, die von Jerusalem gekommen waren; und sie sahen einige seiner Jünger mit unreinen, das ist ungewaschenen Händen Brot essen. (Denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie sich nicht mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, und halten so die Überlieferung der Ältesten; und vom Markt kommend, essen sie nicht, wenn sie sich nicht gewaschen haben; und vieles andere gibt es, was sie zu halten übernommen haben: Waschungen der Becher und Krüge und Kupfergefäße und Liegepolster.) Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragen ihn: Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Ältesten, sondern essen das Brot mit unreinen Händen?“ (Mk 7,1–5).
      Kapitel 6 und 7 zeigen Gefahren und Widerstände, die den Nachfolgern des Herrn begegnen können. Doch finden wir jeweils einen etwas anderen Gesichts- oder Schwerpunkt:
      In Kapitel 6 wurde im Bild von Herodes besonders der Einfluss und Widerstand der weltlichen Macht gegenüber den Dienern Gottes gezeigt. In Kapitel 7 steht mehr die religiöse Macht im Vordergrund. Falsche religiöse Einflüsse und tote äußere Formen können dem Diener großen Schaden zufügen.
      Der Wind und die Wellen in Kapitel 6 symbolisieren widrige Umstände, die die Herde Gottes von außen bedrängen. Hier in Kapitel 7 tritt das Böse in den Vordergrund, das von innen zu einem verderblichen Feind der Wahrheit heranreift. Dies ist insbesondere dann sehr gefährlich, wenn es sich – wie hier – unter dem Deckmantel äußerer Frömmigkeit versteckt.
      So können wir sagen, dass der Teufel in Kapitel 6 als „brüllender Löwe“ (1. Pet 5,8) auftritt und in Kapitel 7 als „Engel des Lichts“ (2. Kor 11,14). Beide Taktiken versteht der Feind jeweils passend anzuwenden.
      Das große Thema der Verse 1–23 ist die Frage nach dem Stellenwert menschlicher Überlieferungen, Traditionen und Gebote. Menschliche Traditionen werden den Worten und Geboten Gottes gegenübergestellt.
      Traditionen an sich können gut und nützlich sein, doch es kommt darauf an, welchen Wert sie für uns haben. Setzen wir sie über Gottes Wort, sind sie immer falsch. Die Ältesten im Volk Israel hatten im Lauf der Zeit eine Reihe eigener Verordnungen und Vorschriften aufgestellt. In diesen Versen wird von Waschungen der Hände, Krüge und Becher berichtet. Es kann sein, dass diese Anordnungen von den religiösen Waschungen im Alten Testament abgeleitet worden waren. So lesen wir in den Büchern Moses z. B. von Waschungen in Verbindung mit den Opfern und dem Priesterdienst (vgl. 2. Mo 30,19–21).
      Doch was der Herr in diesen Versen so verurteilt, ist, dass die Ältesten und Schriftgelehrten in ihren Anordnungen über das Wort Gottes hinausgingen und etwas zu den Geboten Gottes hinzufügten – etwas, was Gott streng untersagt hatte (z. B. 5. Mo 4,2). Damit untergruben sie die Autorität Gottes im Haus Israel. Für sie waren diese äußeren Formen und Zeremonien zu einer Religion geworden. Darüber hinaus verurteilten sie hartherzig alle, die ihre Anordnungen nicht befolgten. Es waren ihre eigenen Überlieferungen und nicht Gottes Wort, aber sie taten so, als wäre es umgekehrt.
      Den Pharisäern ging es darum, nach außen ein korrektes Erscheinungsbild abzugeben, während sie innerlich weit davon entfernt waren, nach den Geboten Gottes zu leben. Ist das nicht auch ein Problem unserer Zeit? Man legt großen Wert darauf, dass nach außen alles „passt“, ignoriert das Wort Gottes ansonsten aber in vielen Punkten.
      Der Herr tadelt die Pharisäer und Schriftgelehrten
      „Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Treffend hat Jesaja über euch Heuchler geweissagt, wie geschrieben steht: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie als Lehren Menschengebote lehren.“ Das Gebot Gottes habt ihr aufgegeben, und die Überlieferung der Menschen haltet ihr: Waschungen der Krüge und Becher, und vieles andere dergleichen tut ihr. Und er sprach zu ihnen: Geschickt hebt ihr das Gebot Gottes auf, um eure Überlieferung zu halten. Denn Mose hat gesagt: „Ehre deinen Vater und deine Mutter!“, und: „Wer Vater oder Mutter schmäht, soll des Todes sterben.“ Ihr aber sagt: Wenn ein Mensch zum Vater oder zur Mutter spricht: Korban (das ist eine Gabe) sei das, was irgend dir von mir zunutze kommen könnte. Und so lasst ihr ihn nichts mehr für seinen Vater oder seine Mutter tun, indem ihr das Wort Gottes ungültig macht durch eure Überlieferung, die ihr überliefert habt; und vieles dergleichen tut ihr“ (Mk 7,6–13).
      Der Herr weist die Pharisäer und Schriftgelehrten daher streng zurecht. Er zeigt ihnen, dass ihre Religion der äußeren Formen sie erstens zu Heuchlern machte (V. 6), zweitens, dass so eine Religion vergeblich ist (V. 7), und drittens, dass sie dadurch das Wort Gottes beiseitesetzen (V. 9.13).
      Dabei ist es sehr lehrreich, zu sehen, wie der Herr in Vers 6 ihren Anklagen begegnet. Er fängt nicht an, mit ihnen über die Rechtmäßigkeit ihrer Anordnungen zu diskutieren, sondern konfrontiert sie direkt mit dem geschriebenen Wort Gottes und wendet es auf ihren geistlichen Zustand an. Das ist auch für uns die einzig richtige Vorgehensweise in Gesprächen mit Ungläubigen, wenn wir ihre Herzen und Gewissen erreichen wollen. Wenn wir uns auf Diskussionen und Streitgespräche einlassen oder versuchen, mit eigenen Worten zu argumentieren, werden wir schnell den Kürzeren ziehen und nichts erreichen. Das Wort Gottes allein ist es, was Menschen treffen und zur Buße leiten kann.
      Der Herr war auf diese Erde gekommen, um die Menschen ins Licht zu stellen (Joh 1,9). So erweist Er sich auch hier, indem Er die Gesetzlichkeit und Heuchelei der Führer des Volkes offenbart. Mit dem Zitat aus Jesaja 29,13 stellt Er den Zustand dieser Menschen ins Licht. Sie waren von Heuchelei und äußerer Frömmigkeit gekennzeichnet. Wie schrecklich das für Gott ist, wird deutlich, wenn wir daran denken, wie viel Wert Gott im Alten Testament auf echte Herzensfrömmigkeit legte.
      Das Volk ehrte Ihn mit den Lippen. Das war an sich nicht verkehrt. Das Problem war, dass sie es nur mit den Lippen taten und ihr Herz weit entfernt von Ihm war. Wie sieht es diesbezüglich bei uns aus, wenn wir es einmal ganz praktisch auf das Zusammenkommen zum Brotbrechen anwenden? Sind wir mit dem Herzen dabei, oder ist es uns nur wichtig, dass die Äußerlichkeiten korrekt sind? Singen wir die Lieder von Herzen mit und sprechen wir von Herzen ein „Amen“ zu den Gebeten, oder tun wir es nur mit den Lippen und sind mit unseren Herzen und Gedanken ganz woanders? Wenn wir einmal darüber nachdenken, erkennen wir, wie aktuell diese Verse für uns sind.
      Die Kernvorwürfe des Herrn an die Pharisäer und Schriftgelehrten sind:
      1. das Aufgeben der Gebote Gottes (V. 8.9) und
      2. das Ungültigmachen des Wortes Gottes (V. 13).

      Auch heute erkennen viele Menschen die Autorität des Wortes Gottes nicht an, weil es ihr Gewissen anspricht.
      In den Versen 11–13 zeigt der Herr am Beispiel des Korban ganz praktisch, wie die Überlieferungen der Menschen das Gewissen und die Gebote Gottes beiseitesetzen.
      Die Eltern zu ehren war kein Wunsch Gottes, sondern ein ausdrückliches Gebot (z. B. 2. Mo 20,12; Eph 6,1.2). Doch durch die Einrichtung des Korban, der Gabe für Gott, hatten sie sich etwas geschaffen, was es ihnen ermöglichte, bedürftigen Eltern die Unterstützung zu versagen. Denn mit dem Gelübde des Korban konnte ein Jude sein Geld und Besitz für Gott oder den Tempel weihen. Dadurch war er von jeder Verpflichtung befreit, anderen (z. B. notleidenden Eltern) damit zu helfen. Ob das Vermögen wirklich jemals gespendet wurde, war eine ganz andere Sache. So machten sie durch diese Überlieferung – und viele andere – das Wort Gottes ungültig, und das unter dem Deckmantel eines äußerlich frommen Gelübdes. Eine sehr ernste Sache!
      Dieses praktische Beispiel macht deutlich, wie eine Gott wohlgefällige Aufrichtigkeit und Gottesfurcht bis in die kleinsten Umstände unseres Lebens reichen soll. Er will unser Äußeres leiten, indem es von innen heraus bestimmt wird. Und dafür müssen wir Gemeinschaft mit Ihm haben (V. 6).
      „Was aus dem Menschen ausgeht, verunreinigt den Menschen“
      „Und als er die Volksmenge wieder herzugerufen hatte, sprach er zu ihnen: Hört mich alle und versteht! Es gibt nichts, was von außerhalb des Menschen in ihn eingeht, das ihn verunreinigen kann, sondern was von ihm ausgeht, ist es, was den Menschen verunreinigt. Wenn jemand Ohren hat, zu hören, der höre!
      Und als er von der Volksmenge weg in ein Haus eintrat, befragten ihn seine Jünger über das Gleichnis. Und er spricht zu ihnen: Seid auch ihr so unverständig? Begreift ihr nicht, dass alles, was von außerhalb in den Menschen eingeht, ihn nicht verunreinigen kann? Denn es geht nicht in sein Herz hinein, sondern in den Bauch, und es geht aus in den Abort – indem er so alle Speisen für rein erklärte. Er sagte aber: Was aus dem Menschen ausgeht, das verunreinigt den Menschen. Denn von innen aus dem Herzen der Menschen gehen hervor die schlechten Gedanken: Hurerei, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, List, Ausschweifung, böses Auge, Lästerung, Hochmut, Torheit; alle diese bösen Dinge gehen von innen aus und verunreinigen den Menschen“ (Mk 7,14–23).
      Der Herr ruft in Vers 14 die Volksmenge wieder herzu und nimmt das Vorangegangene zum Anlass, ihnen die Augen über den inneren Zustand des Menschen zu öffnen. Die Gegenüberstellung des Inneren und des Äußeren zieht sich durch den ganzen Abschnitt von Vers 1–23. Er zeigt ihnen, dass im Inneren des Menschen das Hauptproblem, die Quelle des Bösen, liegt. Diese Verse sind das „Todesurteil“ über den natürlichen Menschen und strafen alles Reden von einem guten Kern im Menschen Lügen. Im Inneren des Menschen ist nichts als Böses. Daher muss es auch völlig neu gemacht werden und kann nicht einfach nur verbessert oder „restauriert“ werden. Diese Worte des Herrn stehen somit in krassem Gegensatz zu der äußeren Frömmigkeit und Heuchelei, die die Pharisäer und Schriftgelehrten an den Tag legten.
      Der Herr umrahmt seine Worte mit der zweifachen Aufforderung, zu hören. Die Bedeutung der Belehrungen in Vers 15 machte es erforderlich, dass die Volksmengen die Worte des Herrn wirklich bewusst aufnahmen und ins Herz fassten. Diese Aufforderung des Herrn an seine Zuhörer ist auch für uns aktuell, da wir doch oft so schnell geneigt sind, etwas nur mit unseren Ohren aufzunehmen und es nicht in unsere Herzen dringen zu lassen.
      Angesichts der Worte des Herrn in Vers 15 – die vom Stil her auch in den Sprüchen stehen könnten – könnte die Frage aufkommen, wie es mit all den Dingen ist, die von außen an uns herankommen und uns verunreinigen. Natürlich werden wir auch durch solche äußeren Dinge verunreinigt, aber hier geht es um das Grundlegende, das Innere, aus dem jeder Wunsch zur Sünde kommt.
      Der Herr stellt hier ein weitreichendes Prinzip vor, das in sich selbst alles Menschliche und alle Tradition verurteilt. „Was von dem Menschen ausgeht, das ist es, was ihn verunreinigt“ – wendet man diesen Grundsatz in seiner ganzen Reichweite an, schließt es auch die fleischlichen Traditionen ein. Denn solche Traditionen kommen aus dem Menschen.
      Die ernsten Worte aus den Versen 14–16 sind für den Menschen schwer zu verstehen, da er sie oft nicht wahrhaben will. Selbst die Jünger verstanden diese Worte nicht, trotz alles dessen, was sie bereits in der Gegenwart des Herrn gelernt hatten. Ihnen fiel es schwer, anzuerkennen, dass das Urteil des Herrn unterschiedslos alle Menschen und somit auch sie betraf. In einem „Nicht-verstehen-Wollen“ liegt oft die Ursache für die Schwierigkeit, das Wort und Urteil Gottes anzuerkennen. So lesen wir z. B. in Johannes 7,17: „Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist oder ob ich von mir selbst aus rede.“ Es kommt nicht auf einen guten Verstand und hohe Intelligenz an, sondern auf die Bereitschaft des Herzens, den Willen Gottes zu tun.
      Doch trotz allem Unverständnis auf Seiten der Jünger macht sich der Herr die Mühe, es ihnen genauer zu erklären. Dabei benutzt Er in Vers 19 in seiner Weisheit und Gnade das einfache und gut bekannte Beispiel der natürlichen Nahrungsaufnahme des Menschen. Er stellt klar heraus, dass der Mensch nicht durch natürliche Nahrung verunreinigt wird. Von diesem Beispiel geht der Herr in Vers 20 dann zu dem über, was den Menschen wirklich verunreinigt.
      Noch einmal zeigt Er in aller Deutlichkeit, dass der Ursprung alles Bösen von innen aus dem Herzen des natürlichen Menschen kommt. Der Gedanke, dass das Herz als der Sitz des Bösen im Menschen gesehen wird, wird wiederholt in der Heiligen Schrift erwähnt (vgl. 1. Mo 6,5; 8,21; Jer 17,9; Heb 3,10; Eph 4,18 u. a.).
      Doch es gibt eine Lösung für dieses Problem. Diese Lösung hat zwei Aspekte: zum einen die Seite unserer Stellung vor Gott und zum anderen die Seite unserer Praxis.
      Um bezüglich der Stellung vor Gott ein reines Herz zu bekommen, ist es erforderlich, dass wir „von neuem geboren“ werden (Joh 3,3) und dass wir im Glauben Zuflucht zu dem Werk des Herrn auf Golgatha nehmen (Apg 15,9).
      In der Praxis unseres Lebens werden wir vor den Dingen in den Versen 21 und 22 bewahrt, wenn wir täglich verwirklichen, dass wir „mit Christus gestorben sind“ (Röm 6,8); wenn wir den Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohnen lassen (Eph 3,17) und uns viel mit dem beschäftigen, „was droben ist, wo der Christus ist“ (Kol 3,1.2).
      In der Aufzählung dessen, was aus dem Herzen hervorkommt, stellt der Herr die schlechten Gedanken an die erste Stelle. Sie sind sozusagen die Wurzel, aus der all die nachfolgend aufgeführten bösen Dinge hervorgehen. In den schlechten Gedanken ist jede schlechte Tat im Keim enthalten.
      Wie wichtig ist es angesichts all der schrecklichen Dinge, die in diesen Versen aufgeführt werden, dass wir nach Sprüche 4,23 handeln: „Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens.“ Und was für eine Freude ist es für unseren Gott, wenn unser Herz ungeteilt auf Ihn gerichtet ist (vgl. 2. Chr 16,9), wie es leider von dem König Asa in 2. Chronika 16,7 nicht gesagt werden konnte.
      Die Heilung der Tochter der syro-phönizischen Frau
      „Er brach aber von dort auf und ging weg in das Gebiet von Tyrus und Sidon; und als er in ein Haus eingetreten war, wollte er, dass niemand es erfahre; und er konnte nicht verborgen bleiben. Vielmehr hörte sogleich eine Frau von ihm, deren Töchterchen einen unreinen Geist hatte, und sie kam und fiel nieder zu seinen Füßen. Die Frau aber war eine Griechin, eine Syro-Phönizierin von Geburt; und sie bat ihn, dass er den Dämon von ihrer Tochter austreibe. Und er sprach zu ihr: Lass zuerst die Kinder gesättigt werden, denn es ist nicht schön, das Brot der Kinder zu nehmen und den Hunden hinzuwerfen. Sie aber antwortete und sprach zu ihm: Ja, Herr; und doch fressen die Hunde unter dem Tisch von den Brotkrumen der Kinder. Und er sprach zu ihr: Um dieses Wortes willen geh hin; der Dämon ist von deiner Tochter ausgefahren. Und sie ging hin in ihr Haus und fand das Kind auf dem Bett liegen und den Dämon ausgefahren“ (Mk 7,24–30).
      Nachdem der Herr in den vorigen Versen den Hochmut und natürlichen Zustand des menschlichen Herzens bloßgestellt hat, finden wir in diesem Abschnitt, wie Er das Herz Gottes offenbart.
      Er musste dem Hochmut der Pharisäer und Schriftgelehrten entschieden entgegentreten, aber nun sehen wir Ihn, wie Er seine Gnade einer Frau aus den Nationen zeigt, die in großer Demut zu Ihm kommt. Wenn wir diese Verbindung betrachten, können wir den Vers aus 1. Petrus 5,5: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“, als Bindeglied zwischen diese beiden Abschnitte setzen.
      Der Herr „brach aber von dort auf und ging weg in das Gebiet von Tyrus und Sidon“ – wie muss der Herr über den Hochmut, die Heuchelei und äußere Frömmigkeit seines Volkes traurig gewesen sein, als Er wegging. Doch als der Heiland der Welt machte Er sich auf, um in eine Gegend zu gehen, in der das Böse und die Sünde herrschten. Sein Volk lehnte Ihn ab. Er aber sah dort eine Seele, die nach Ihm verlangte und die Gnade finden sollte.
      In diesem Vers tritt der Charakter des Herrn im Markusevangelium wieder so bezeichnend hervor. Er wollte, „dass niemand es erfahre“, dass Er dort war. Er suchte nicht die Anerkennung der Menschen. Was für ein deutlicher Kontrast zu den Menschen, die in den Versen 1–23 vor uns standen. Und wie oft handeln auch wir ganz anders als der Herr hier.
      Doch die Anwesenheit des Herrn konnte nicht verborgen bleiben. Eine griechische Frau kam mit einer großen Not zu Ihm. Woher kannte diese Frau den Herrn? Nun, sein Ruf ging weit über die Grenzen Israels hinaus, bis nach Syrien, wie wir in Matthäus 4,24 lesen, wozu auch Tyrus und Sidon gehörten (Apg 21,3).
      Das Töchterchen (diese Verkleinerungsform benutzt der Geist Gottes, um uns eine besondere Zärtlichkeit zu zeigen) dieser Frau war von einem Dämon besessen. Und diese Mutter hatte ein Herz und offene Augen für die Not ihrer Tochter und ging damit zu dem Herrn Jesus. In der praktischen Anwendung sehen wir in diesem Handeln der Mutter ein schönes Vorbild für Eltern, die ebenso von solchen Empfindungen für die natürlichen und geistlichen Nöte ihrer Kinder gekennzeichnet sein sollten.
      Die Frau kam in großer Demut und großem Glauben (Mt 15,28) mit ihrer Not zu dem Herrn Jesus. Doch der Herr nimmt zunächst eine scheinbar ablehnende Haltung ein.
      Um die Reaktion und Antwort des Herrn auf die Bitte der Frau richtig zu verstehen, müssen wir bedenken, dass der Herr zuerst für die Juden, sein Volk, gekommen war. Von den vier Evangelisten stellen uns Matthäus und Markus das ganz besonders deutlich vor.
      Das Heil galt also zunächst den Juden, die der Herr hier als „Kinder“ – solche, die durch Geburtsrecht diese Stellung einnehmen – bezeichnet. Ihnen gegenüber standen die Heiden und Nationen, die mit dem verächtlichen Ausdruck „Hund“ benannt werden. Das Brot, von dem der Herr hier spricht, steht für den Segen, den der Herr damals seinem Volk, den Kindern, brachte. Dies ist wohl die erste Erklärung für die Reaktion und Antwort des Herrn hier.
      Ein zweiter Grund ist die Tatsache, dass der Herr den Glauben dieser Frau erproben und offenbaren wollte – etwas, was auch unser Glaube nötig hat, damit er nicht nur ein bloßes Kopfwissen ist.
      Die Reaktion dieser Frau ist sehr schön. Sie antwortet zunächst: „Ja, Herr.“ Sie erkennt völlig an, was Er gesagt hat und dass sie zu den „Hunden“ gehört. Sie weiß auch, dass ihr Platz nicht an dem Tisch (ein Bild der Gemeinschaft), sondern unter dem Tisch ist. Aber sie spricht davon, dass auch die Hunde fresssen. Dabei erhebt sie jedoch keinen Anspruch auf das Brot, sondern ihr genügen die Brotkrumen, die von dem Tisch der Kinder herabfallen.
      Sie weiß, dass die Gnade des Herrn so groß ist, dass diese anderen nichts wegnimmt, wenn sie den Herrn um etwas bittet. Das ist eine Gesinnung, die der Herr nie unbeantwortet lassen kann. Einen Glauben, der im Bewusstsein des eigenen Unvermögens und der eigenen Unwürdigkeit zu Ihm kommt, aber an seine Gnade appelliert, wird Er nie enttäuschen. So erfährt diese Frau, wie der Herr ihren Wunsch erfüllt und seinen Segen auch auf sie und ihre Tochter kommen lässt.
      Prophetisch wird durch das Handeln des Herrn hier schon gezeigt, dass die Gnade Gottes nicht allein auf die Juden beschränkt bleiben konnte, sondern sich auch zu den Nationen wenden würde.
      Wenn wir an Epheser 2,11–13 denken, erkennen wir, dass der Herr auch mit uns so gehandelt hat wie mit dieser Frau. Doch müssen wir bei der Anwendung auf uns bedenken, dass wir uns in der Zeit der Gnade befinden. Heute ist der Segen Gottes unterschiedslos für alle da, die im Glauben zu Ihm kommen. Die Unterscheidung zwischen dem „Brot der Kinder“ und den „Brotkrumen“ gibt es heute nicht, sie galt nur bis Pfingsten und wird erst im 1000-jährigen Reich wieder vorhanden bzw. sichtbar sein.
      Die Heilung des Tauben in der Dekapolis
      „Und als er aus dem Gebiet von Tyrus und Sidon wieder weggegangen war, kam er an den See von Galiläa, mitten durch das Gebiet der Dekapolis. Und sie bringen einen Tauben zu ihm, der auch schwer redete, und bitten ihn, dass er ihm die Hand auflege. Und er nahm ihn von der Volksmenge weg für sich allein und legte seine Finger in seine Ohren; und er spie und rührte seine Zunge an; und zum Himmel aufblickend, seufzte er und spricht zu ihm: Ephata!, das ist: Werde aufgetan! Und sogleich wurden seine Ohren aufgetan, und das Band seiner Zunge wurde gelöst, und er redete richtig. Und er gebot ihnen, dass sie es niemand sagen sollten. Je mehr er es ihnen aber gebot, desto mehr machten sie es übermäßig kund; und sie waren überaus erstaunt und sprachen: Er hat alles wohlgemacht; er macht sowohl die Tauben hören als auch die Stummen reden“ (Mk 7,31–37).
      Noch einmal kehrt der Herr nach Galiläa zurück und kommt dabei mitten durch das Gebiet der Dekapolis, wo man Ihn gebeten hatte, wegzugehen (Mk 5,17). Man wollte Ihn nicht. Aber der Herr gab dieses Gebiet nicht auf. Und in den folgenden Versen erkennen wir, dass es im Verhalten der Menschen dort eine Änderung gegeben hatte: Jetzt waren solche da, die an Ihn glaubten und Ihn priesen (V. 37). Vielleicht waren es solche, die durch den Dienst und das Zeugnis des geheilten Mannes aus Kapitel 5 gewonnen worden waren (V. 20). Wenn es so war: was für eine schöne Frucht des Dienstes war dann hervorgekommen. Aber doch waren es hier nur Einzelne, die zu Ihm kamen, so wie es auch heute immer nur Einzelne sind, die in unseren so genannten christlichen Ländern zum Herrn Jesus finden.
      Diese Verhaltensänderung bei den Bewohnern der Dekapolis muss eine große Freude und Ermunterung für den Herrn gewesen sein. So finden wir in diesen Versen 24–37 direkt aufeinanderfolgend zwei Begebenheiten, in denen es Gott dem Vater gefiel, seinem Sohn eine Freude zu bereiten inmitten all der Ablehnung und Feindschaft, die Ihm in seinem Dienst in zunehmendem Maß entgegengebracht wurden.
      Die in den Versen 31–37 geschilderte Begebenheit finden wir – wie auch die Heilung des Blinden in Kapitel 8,22–26 – nur bei Markus berichtet.
      Man bringt einen Tauben, der auch schwer redete, zu dem Herrn. Dieser kranke Mann liefert ein weiteres eindrucksvolles Bild von dem Zustand des natürlichen Menschen in seiner Sünde:
      Der aussätzige Mann in Kapitel 1,40–44 war ein Bild von der völligen Unreinheit und Verdorbenheit des Menschen.
      In dem Gelähmten in Kapitel 2,1–12 wurde deutlich, wie unfähig der natürliche Mensch von sich selbst aus ist, zu Gott zu kommen. Er ist in sich völlig kraftlos.
      Taubheit illustriert, wie der Sünder nicht auf die Stimme Gottes hören will und nicht gewillt und nicht in der Lage ist, Gott zu ehren und zu loben. Zugleich ist dieser Mann auch ein treffendes Bild von dem Zustand des Volkes Israel zu dieser Zeit: Sie waren solche, die Ohren hatten zu hören, aber doch nicht hörten, und die daher auch nicht in der Lage waren, Gott wohlgefällig zu loben und zu preisen.
      Aber gleichen wir als Kinder Gottes geistlicherweise nicht auch manchmal diesem tauben Mann, dessen Zunge gebunden war? Verschließen wir nicht oft unsere Ohren, wenn wir Dinge hören, die uns in unserem Gewissen treffen, Dinge, die uns unbequem sind? Und reden wir nicht auch oft „schwer“, wenn es darum geht, den Herrn zu ehren? Wir haben oft wenig in unseren Herzen, weil wir nicht zuhören, wenn Gott uns die Schönheiten des Herrn Jesus vorstellt. Reden und Hören gehen Hand in Hand zusammen. Das ist ganz natürlich so und es wird uns auch in der Anwendung hier gezeigt. Sicherlich erkennen wir uns alle in diesen Punkten mehr oder weniger wieder.
      Auch wenn es um das Zeugnis gegenüber den Menschen geht, reden wir oft schwer, weil wir uns nicht genug Zeit nehmen, uns mit dem Wort Gottes zu beschäftigen, weil wir zu wenig hören, wenn der Herr uns in der Stille bei Ihm unterweisen will. Denn das ist der Ort, wo wir hören können.
      So ist es auch hier. Der Herr nimmt den Mann „von der Volksmenge weg für sich allein“. Inmitten eines Volkes, das Ihn verwarf, hatte Er einen Platz für den, der seine Nähe suchte.
      Und auch heute gibt es inmitten einer Welt, die Ihn verwirft, einen Platz, wo wir bei Ihm sein können, sowohl gemeinsam als auch persönlich. Er will jeden Einzelnen von uns für sich haben und uns seine ganz persönliche Nähe schenken, wenn wir nur bereit sind, zu Ihm zu kommen. Das bringt auch der Bräutigam in Hohelied 2,14 zum Ausdruck, wenn er zu der Braut sagt: „Lass mich deine Stimme hören.“
      Bemerkenswert ist auch, dass hier wieder Menschen vorgestellt werden, die ein Auge für ihre Mitmenschen in Not hatten, wie wir es auch bei dem Gelähmten in Kapitel 2 schon gefunden haben. Das soll zu unseren Herzen reden und uns ermuntern, ebenso zu handeln.
      Der Herr legt seine Finger in seine Ohren und rührt seine Zunge an. Diese Einzelheiten zeigt Markus wieder ganz besonders detailliert. Ähnlich schildert er es auch bei der Heilung des Blinden in Kapitel 8,22–26. Es zeigt die ganz besondere Anteilnahme des treuen Dieners an den Einzelnen.
      Ohren und Zunge – das waren die beiden Problempunkte dieses Mannes. Er war nicht in der Lage, die Worte des Heilands zu hören und konnte Ihm auf der anderen Seite seine Not nicht sagen. Und wie beeindruckend ist die Herablassung des Herrn hier, um diesen Mann zu heilen. Er, dessen „Finger Werk“ die große Schöpfung ist (Ps 8,4), legt seine Finger in die Ohren dieses Mannes, um ihn zu heilen.
      Wenn wir hier von den Ohren und der Zunge lesen, werden wir unwillkürlich an die Worte über die Ohren und Zunge des Herrn in Jesaja 50,4.5 erinnert. In was für einem Gegensatz zu diesem Mann und dem Zustand des Volkes Israel stand Er, der eine „Zunge der Belehrten“ empfangen hatte und sich als der abhängige Mensch jeden Morgen das Ohr öffnen ließ.
      Bevor der Herr die Worte zur Heilung des Tauben spricht, blickt Er auf zum Himmel und seufzt. Da können wir wieder einen Blick in das Herz unseres Herrn tun, der gegenüber den Folgen der Sünde die ungetrübten Empfindungen Gottes hatte. Etwas Ähnliches finden wir auch bei dem Tod von Lazarus in Johannes 11,38.41. Diese Begebenheiten sind Beispiele davon, was in Jesaja 53,4 steht: „Doch er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen.“
      Angesichts der Not und des Elends des Menschen seufzte der Herr. Doch wenn Er zum Himmel blickte, sah Er den ganzen Reichtum der Gnade Gottes und sprach dann, um den Kranken von seiner Not zu befreien.
      Das Handeln des Herrn in Vers 34 ermuntert uns, es ebenso zu machen. Wenn wir in Nöten und Schwierigkeiten sind, wollen wir versuchen aufzublicken und unsere Zuflucht zu unserem Gott und Vater zu nehmen, anstatt auf uns zu sehen und zu seufzen. Er will und kann auch heute noch helfen, so wie Er es hier sofort und völlig tat.
      In Vers 33 hatte der Herr den Kranken von der Volksmenge weggenommen. In Vers 36 verbietet Er den Leuten, von dem Erlebten weiterzusagen. Angesichts der zunehmenden Ablehnung durch die Masse des Volkes wandte sich die Gnade des Herrn mehr den Einzelnen zu, die Glauben hatten.
      Zugleich gibt der Herr durch diese Handlungsweise aber auch ein Muster für wahren, von Gott gewirkten Dienst. Dienen, ohne gesehen zu werden – danach sollten auch wir streben, um die Blicke nicht auf uns, sondern auf den Herrn zu lenken.
      Doch die Menschen in Vers 36 sind ungehorsam, sie handeln in direktem Gegensatz zu den Worten des Herrn. Das war kein Zeichen von Glauben, denn der Glaube ist immer gehorsam! Das dürfen wir nie vergessen.
      Die schönen Worte, die diese Menschen äußern, scheinen ein Ausdruck ihrer allgemeinen Erkenntnis zu sein. Es waren Worte, die sie unter dem Eindruck des Geschehens unter sich zum Ausdruck brachten, die aber bei den meisten wahrscheinlich nicht aus der Tiefe des Herzens kamen, aber dennoch ihre Verantwortung erhöhten. Und doch ließ Gott es zu, dass diese Bewohner der Dekapolis, die Ihn zuvor abgelehnt hatten, dieses schöne Zeugnis über seinen Sohn aussprachen.
      Es fällt auch auf, dass sie in ihren Worten das Handeln des Herrn über diese einzelne Heilung hinaus verallgemeinern. Wie gut, wenn auch wir durch das Anschauen einzelner Herrlichkeiten des Herrn zu seiner gesamten Schönheit geführt werden.
      „Er hat alles wohlgemacht“ – das war der Ausdruck ihres Erstaunens. Das können auch wir ausrufen, wenn wir auf unseren persönlichen und gemeinsamen Weg zurückschauen. Und es sollte uns ermuntern, Ihm mehr zu vertrauen und unsere Blicke über die Umstände zu Ihm hinauf zu erheben. Denn Er verändert sich nie.
      Kapitel 8

      Die Speisung der Viertausend
      „In jenen Tagen, als wieder eine große Volksmenge da war und sie nichts zu essen hatten, rief er die Jünger herzu und spricht zu ihnen: Ich bin innerlich bewegt über die Volksmenge, denn schon drei Tage weilen sie bei mir und haben nichts zu essen; und wenn ich sie hungrig nach Hause entlasse, werden sie auf dem Weg verschmachten; und einige von ihnen sind von weit her gekommen. Und seine Jünger antworteten ihm: Woher wird jemand diese hier in der Einöde mit Brot sättigen können? Und er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie aber sagten: Sieben. Und er gebietet der Volksmenge, sich auf der Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte und brach sie und gab sie seinen Jüngern, damit sie sie vorlegten; und sie legten sie der Volksmenge vor. Und sie hatten einige kleine Fische; und als er sie gesegnet hatte, sagte er, sie sollten auch diese vorlegen. Und sie aßen und wurden gesättigt; und sie hoben auf, was an Brocken übrig blieb, sieben Körbe voll. Es waren aber ungefähr viertausend; und er entließ sie“ (Mk 8,1–9).
      In diesen Versen wird uns die Speisung der Viertausend berichtet. In Kapitel 6,34–44 haben wir die Speisung der Fünftausend gefunden. Wir könnten uns fragen, warum zwei so ähnliche Begebenheiten so nah hintereinander berichtet werden. Hinzu kommt, dass diese Begebenheit auf den ersten Blick rein äußerlich gesehen ein geringeres Wunder zu sein scheint: Es sind weniger Menschen anwesend, es stehen mehr Nahrungsmittel zur Verfügung und es bleibt zahlenmäßig an Körben weniger übrig. Doch wir dürfen die Begebenheiten in der Schrift nie nur nach ihrer äußeren Erscheinung beurteilen, sondern müssen vielmehr nach der geistlichen Bedeutung fragen.
      So sehen wir bei näherer Betrachtung auch hier, dass bei beiden Speisungen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden:
      Bei der Speisung der Fünftausend stand das Handeln der Jünger im Vordergrund. Von ihnen ging die Initiative aus. Bei der Speisung der Viertausend steht mehr das Handeln des Herrn Jesus selbst im Vordergrund, obwohl Er auch hier die Jünger benutzt. Diese Begebenheit illustriert in besonderer Weise die vollkommene und überfließende Güte, Liebe und Fürsorge des Herrn für die, die Ihm nachfolgen, obwohl Er verworfen ist. Das machen die einleitenden Worte des Herrn in den Versen 2 und 3 deutlich.
      Diese Unterschiede werden auch durch die verschiedenen Zahlen in den Schilderungen unterstrichen. In Kapitel 6 bleiben zwölf Handkörbe über. Die Zahl zwölf spricht von vollkommener Verwaltung in Bezug auf den Menschen und diese Erde.
      Hier sind es 7 Brote und es bleiben sieben Körbe übrig. Die Zahl sieben spricht von Vollkommenheit, getrennt vom Tun des Menschen (vgl. 1. Mo 2,1–3). Die Zahl sieben wird zu Beginn und zum Ende der Speisung erwähnt. Dies betont die Vollständigkeit und göttliche Vollkommenheit dieses Geschehens und scheint auch auf die Fülle der göttlichen Fürsorge und Güte für sein Volk hinzuweisen.
      Diese Güte, Liebe und Fürsorge Gottes galt den Menschen damals und wird dem bedrängten Überrest in der Zukunft zufließen. Sie gilt aber auch heute allen, die den Wunsch haben, dem verworfenen Herrn zu folgen.
      Obwohl der Herr Jesus selbst hier mehr im Vordergrund steht, bedient Er sich bei seinem Handeln doch der Jünger und will sie als Segenskanäle benutzen. Darin liegen wieder praktische Unterweisungen für jeden von uns.
      Es beginnt damit, dass der Herr seine Jünger in Anwesenheit der großen Volksmengen zu sich ruft und ihnen die Empfindungen seines Herzens offenbart. Sein Herz voller Liebe sah die inneren, aber auch die äußeren Bedürfnisse jedes Einzelnen, der zu Ihm gekommen war. Und angesichts der erschöpften Menschen, die schon drei Tage bei Ihm weilten, um von Ihm belehrt zu werden, wurde Er innerlich bewegt. Als der vollkommene Diener fragte Er nicht nach seinen eigenen Bedürfnissen nach drei anstrengenden Tagen, sondern dachte nur an die Not und Bedürfnisse seiner Zuhörer. Das ist unser Herr, der diese Empfindungen auch heute noch unverändert hat!
      So, wie die Jünger, ruft Er auch heute jeden seiner Diener zunächst zu sich, um ihm die Empfindungen seines Herzens zu zeigen. Erst dann ist der Diener in der Lage, anderen Menschen in der rechten Weise voll Liebe und Mitgefühl zu begegnen und ihnen das zu geben, was sie brauchen.
      Trotz der Erfahrungen in Bezug auf die Allmacht ihres Meisters bei der Speisung der Fünftausend antworten die Jünger dem Herrn in Vers 4 voller Zweifel, auch wenn sie es vorsichtig ausdrücken. Handeln wir nicht oft genauso? Obwohl wir in vielen Lagen schon die Hilfe und Macht unseres Herrn erfahren haben, fangen wir in ähnlichen Situationen wieder an zu zweifeln und haben kein rechtes Vertrauen zu Ihm.
      Der Herr begegnet den Zweifeln der Jünger ähnlich wie in Kapitel 6,38 mit der direkten Frage: „Wie viele Brote habt ihr?“ Wir haben uns dort schon daran erinnert, dass der Herr stets an das anknüpft, was bei uns vorhanden ist. Wir können nicht erwarten, für andere zum Segen zu sein, wenn wir nichts haben.
      In Vers 6 und 7 wird uns berichtet, dass der Herr sowohl für die Brote als auch für die kleinen Fische dankt. Können wir daraus nicht die Anwendung machen, dass wir im Wort Gottes nichts gering achten sollen? Der Herr will alles groß machen, auch das, was wir vielleicht als gering und klein einschätzen.
      Brote und Fische finden wir auch in Johannes 21,9–13, als der Herr die Jünger zum Frühstück einlädt. Die geistliche Nahrung, die der Herr uns gibt, ist abwechslungsreich. Neben dem, was wir unbedingt brauchen (Brot als Grundnahrungsmittel), gibt der Herr uns auch noch besondere Freuden als Zugabe (Fische). Und Er gibt stets im Überfluss: Sieben Körbe bleiben übrig.
      Die Pharisäer bitten um ein Zeichen
      „Und sogleich stieg er mit seinen Jüngern in das Schiff und kam in das Gebiet von Dalmanuta. Und die Pharisäer kamen heraus und fingen an, mit ihm zu streiten, indem sie ein Zeichen vom Himmel von ihm begehrten, um ihn zu versuchen. Und in seinem Geist tief seufzend, spricht er: Was begehrt dieses Geschlecht ein Zeichen? Wahrlich, ich sage euch: Wenn diesem Geschlecht ein Zeichen gegeben werden wird! Und er verließ sie, stieg wieder in das Schiff und fuhr an das jenseitige Ufer“ (Mk 8,10–13).
      Anders als nach der Speisung der Fünftausend steigt der Herr hier mit seinen Jüngern in das Boot. Darin erkennen wir, dass der Herr nicht nur für uns im Himmel tätig ist (Kap. 6,45.46) sondern auch mit uns ist, um uns auf dem Weg über diese Erde zu unterstützen. Und auf diesem Weg in der Nachfolge des Herrn gibt es Widerstand, da die Welt Ihn immer noch verwirft. Auch hier bringen die Pharisäer dem Herrn Widerstand entgegen. Sie kommen, um mit Ihm zu streiten, und fordern ein Zeichen von Ihm, etwas, was für die Juden typisch war (1. Kor 1,22). Doch angesichts der vielen Zeichen, die bereits geschehen waren, offenbarte diese Frage der Pharisäer nur ihren Unglauben und ihre Feindschaft gegen den Herrn. Sie wollten ein Zeichen vom Himmel, um es gegen Ihn zu verwenden. Sie wollten Ihn gegen Gott, den sie äußerlich anerkannten, ausspielen. In ihrem bewussten Unglauben wollten sie nicht erkennen, dass gerade der Sohn Gottes das Zeichen vom Himmel war, wie es besonders im Johannesevangelium (z. B. Kap. 6) klargemacht wird.
      Es ist bis heute eine Tatsache, dass viele Menschen Gott „gelten lassen“ möchten, aber seinen Sohn leugnen. Doch es bleibt bestehen, dass der Weg zu Gott nur über das Werk und die Person des Sohnes führt.
      Diese bewusste Ablehnung seiner Person traf den Herrn tief. Er seufzte tief in seinem Geist. Das geht weiter als das Seufzen in Kapitel 7,34. Da Unaufrichtigkeit der Beweggrund ihrer Forderungen war, entsprach der Herr den Wünschen der Pharisäer nicht.
      Weil die Pharisäer hier in ihrer Bosheit den Herrn ablehnten und ausklammerten, war ihre Situation hoffnungslos. Er verließ sie. Das ist ein starker Ausdruck, der den Sinn von „verwerfen“ und „als hoffnungslos aufgeben“ hat. Es ist so, wie es in einem Lied heißt: „Endlich geht Er traurig weiter; oh, dann wehe dir.“
      Der Sauerteig
      „Und sie vergaßen, Brote mitzunehmen, und hatten nichts bei sich auf dem Schiff als nur ein Brot. Und er gebot ihnen und sprach: Gebt Acht, hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes. Und sie überlegten miteinander und sprachen: Weil wir keine Brote haben. Und als Jesus es erkannte, spricht er zu ihnen: Was überlegt ihr, weil ihr keine Brote habt? Begreift ihr noch nicht und versteht auch nicht? Habt ihr euer Herz verhärtet? Augen habt ihr und seht nicht, und Ohren habt ihr und hört nicht? Und erinnert ihr euch nicht? Als ich die fünf Brote für die fünftausend brach, wie viele Handkörbe voll Brocken habt ihr aufgehoben? Sie sagen zu ihm: Zwölf. – Als aber die sieben für die viertausend, wie viele Körbe, mit Brocken gefüllt, habt ihr aufgehoben? Und sie sagen zu ihm: Sieben. Und er sprach zu ihnen: Versteht ihr noch nicht?“ (Mk 8,14–21).
      In diesem Abschnitt muss der Herr den Jüngern noch eine ernste Belehrung geben. Wir lesen, dass sie vergessen hatten, Brote mitzunehmen. Diesen Umstand benutzt der Herr in seiner Weisheit, um ihnen zu zeigen, dass auch sie seine Macht und Gnade noch nicht verstanden hatten und dass auch sie, wie die Pharisäer im vorigen Abschnitt, noch durch Unglauben gekennzeichnet waren.
      Er benutzt die Gelegenheit, um sie eindringlich vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes zu warnen. Das sind die beiden Personengruppen, die in diesem Evangelium bereits in ihrem Widerstand gegen den Herrn so deutlich hervorgetreten sind. In Matthäus 16,6 wird noch der Sauerteig der Sadduzäer hinzugefügt.
      Matthäus 16,12 zeigt, dass der Herr mit dem Bild des Sauerteigs die Lehren dieser Gruppen meint. Wovon spricht dieser dreierlei Sauerteig?
      Der Sauerteig der Pharisäer ist die „Heuchelei“ (Lk 12,1); eine äußere Religiosität und Frömmigkeit, eine „Form der Gottseligkeit“, die sich in Ritualismus, dem bloßen Festhalten an zum Teil eigenen Traditionen und Überlieferungen äußert.
      Apostelgeschichte 23,8 zeigt, was die Lehre der Sadduzäer war, Sie leugneten alles, was sie nicht mit ihrem Verstand erklären konnten. Unter dem Sauerteig der Sadduzäer können wir Rationalismus und Naturalismus verstehen.
      Der Sauerteig des Herodes spricht von Weltlichkeit. Es ist der Wunsch nach Anerkennung in und von dieser Welt.
      Diese drei Lehren vergleicht der Herr hier mit Sauerteig, der die Eigenschaft hat, alles schnell zu durchdringen. Er wird in der Schrift zur Darstellung von ungerichtetem Bösen gebraucht, das um sich greift, indem es andere infiziert (s. a. 1. Kor 5,6.8).
      Diese drei Lehren sind Gefahren, die den Jüngern des Herrn auf ihrem Weg in der Nachfolge hinter ihrem Herrn her drohen.
      Wie schnell stehen auch wir in Gefahr – wie die Pharisäer –, zu „heucheln“, indem wir nach außen etwas vorgeben, was in unserem Inneren gar nicht vorhanden ist. Oder wir folgen dem Herrn nur noch aus bloßer Gewohnheit und nicht von ganzem Herzen. Gefährlich wird es auch, wenn wir – wie die Sadduzäer – eigenen Überlegungen in der Nachfolge des Herrn nachgehen und unserem Eigenwillen Raum geben.
      Und eine besonders große Gefahr in unserer Zeit ist die Weltlichkeit, die Herodes kennzeichnete.
      Daher ruft der Herr auch uns zu: „Gebt Acht, hütet euch.“ Wir müssen wachsam sein (Acht geben), aber auch die notwendigen Konsequenzen ziehen und uns von diesen Dingen wegwenden (hüten).
      Ein Bewahrungsmittel vor diesen Gefahren ist, wenn wir nicht vergessen, „Brote mitzunehmen“. Wenn wir mit unserem Herrn, dem „Brot des Lebens“, beschäftigt sind und Ihn und sein gutes Wort in unser praktisches Leben mitnehmen, sind wir nicht so empfänglich für diese Lehren und Gefahren.
      Die Jünger verstanden die warnenden Worte des Herrn nicht. Sie bezogen sie auf ihre Umstände und erkannten dadurch ihre geistliche Bedeutung nicht. Dazu kam ihre Unkenntnis über die Größe seiner Person. Der Herr stellt den Jüngern eine Reihe herzerforschender Fragen, die auch für uns von Bedeutung sind. Alle weisen sie auf verschiedene Mängel bei den Jüngern hin:
      • Was überlegt ihr, weil ihr keine Brote habt?
        • Bedeutung: Mangel an Vertrauen in den Herrn

      • Begreift ihr noch nicht?
        • Bedeutung: Mangel an Aufmerksamkeit während ihrer zurückliegenden Erlebnisse

      • Versteht ihr nicht?
        • Bedeutung: Mangel an geistlichem Verständnis

      • Habt ihr euer Herz verhärtet?
        • Bedeutung: Mangel an Empfindlichkeit gegenüber göttlichen Dingen

      • Augen habt ihr und seht nicht?
        • Bedeutung: Mangel im Gebrauch ihrer geistlichen Fähigkeiten bzgl. der Taten des Herrn

      • Ohren habt ihr und hört nicht?
        • Bedeutung: Mangel im Gebrauch ihrer geistlichen Fähigkeiten bzgl. der Worte des Herrn

      • Erinnert ihr euch nicht?
        • Bedeutung: Mangel in der rückwirkenden Betrachtung und im Bewahren der Worte und der Handlungen des Herrn

      Die Heilung des Blinden in Bethsaida
      „Und sie kommen nach Bethsaida; und sie bringen ihm einen Blinden und bitten ihn, dass er ihn anrühre. Und er fasste den Blinden bei der Hand und führte ihn aus dem Dorf hinaus; und er tat Speichel in seine Augen, legte ihm die Hände auf und fragte ihn, ob er etwas sehe. Und aufblickend sprach er: Ich erblicke die Menschen, denn ich sehe sie wie umhergehende Bäume. Dann legte er wieder die Hände auf seine Augen, und er sah deutlich, und er war wiederhergestellt und sah alles klar. Und er schickte ihn in sein Haus und sprach: Geh nicht in das Dorf“ (Mk 8,22–26).
      Wieder sehen wir, dass der Herr als Sohn Gottes auf der Erde war, denn wer sonst konnte einen Blinden heilen? Aber wir sehen Ihn auch wieder als den vollkommenen Diener, der voller Mitgefühl ist und dem Blinden hilft. Als dieser handelte Er nie nach demselben Schema. Dies wird z. B. an den verschiedenen Blindenheilungen in den Evangelien deutlich (z. B. Lk 18,35–43; Joh 9).
      Blindheit ist auch hier wieder eine Charakterisierung des natürlichen Menschen in seiner Sünde. Er ist verblendet und unfähig, klar zu sehen. Doch auch hier sind wieder solche da, die dem Blinden zu Hilfe kommen und ihn zum Herrn führen. Ebenso stellt sich uns erneut die Frage, ob wir solche sind, die andere zum Herrn führen, sei es ganz praktisch oder auch im Gebet.
      Wie in Kapitel 7,33 handelt der Herr auch hier nicht öffentlich. Er sonderte den Blinden von der ungläubigen Masse des Volkes ab, um mit ihm allein zu sein, um ihm ganz individuell zu helfen. Er wollte den Menschen keine „Schau geben“ oder seinen Bekanntheitsgrad durch Wunder erhöhen.
      Wie es für Markus typisch ist, wird das Handeln des Herrn sehr detailliert beschrieben. Er tat etwas von seinem Speichel in die Augen des Blinden. Damit wird angedeutet, dass alles von Ihm kommen muss, wenn es zur Heilung führen soll.
      Der Herr heilt diesen Blinden in zwei Schritten, die sehr bedeutsam sind. Es geht nicht nur darum, dass man die Fähigkeit hat, zu sehen, sondern es geht auch darum, dass man diese Fähigkeit richtig anwenden kann, indem man mit Verständnis sehen kann. Etwas Ähnliches findet sich bei der Auferweckung des Lazarus in Johannes 11,44. Auf das Wort des Herrn hin hatte Lazarus Leben, aber er konnte noch nicht laufen.
      Wir können diese zweistufige Heilung unter zwei Aspekten betrachten:
      Zunächst liefert diese Heilung ein Bild von dem Zustand der Jünger in ihrer Erkenntnis des Herrn. Die Jünger glaubten an Ihn, hatten aber noch nicht seine wahre göttliche Macht erkannt, die für jede Situation ausreicht. Das geht aus dem vorherigen Abschnitt hervor. Sie sahen noch undeutlich. Klar sahen sie erst nach dem Kommen des Heiligen Geistes am Pfingsttag. Diese Zeit wird in dem zweiten Heilungsschritt angedeutet.
      Diese Heilung ist auch ein Bild von dem Wachstumsprozess jedes Menschen, der neues Leben empfangen hat. Neubekehrte sehen oft „Menschen wie Bäume“. Sie sind geneigt, andere Gläubige übergroß zu sehen und sich an Mitgeschwister anzulehnen und sie als Vorbild zu nehmen. Doch es ist wichtig, dass dieser Zustand nicht lange andauert, sondern dass sie stattdessen zur Erkenntnis des Herrn kommen und seine Schönheiten kennen lernen. Natürlich werden wir diese Erkenntnis auf der Erde nie voll erreichen, da es ein beständiger Wachstumsprozess ist. „Wachst aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn“ (2. Pet 3,18). Und doch ist es wichtig, dass wir uns früh die Augen öffnen lassen, um den Herrn selbst zu erkennen. Dann bekommen wir die richtige Sichtweise für uns selbst und die Menschen um uns her. Und wie die Jünger können auch wir nur dann „klar sehen“, wenn wir den Heiligen Geist ungehindert in uns wirken und uns von Ihm leiten lassen (Röm 8,14).
      Wir lesen in Vers 25, dass der Blinde „wiederhergestellt“ war. Wir wissen nicht, ob dieser Mann erst nach seiner Geburt blind geworden ist. Aber sicher will der Herr mit diesem Ausdruck auch zeigen, dass Er den Zustand des „Klar-und-deutlich-Sehens“ als das Normale, den üblichen und von Ihm gewünschten Zustand betrachtet. Daher sollte es immer unser aufrichtiges Anliegen sein, uns täglich die Augen von Ihm öffnen zu lassen, um die Wahrheit des Wortes Gottes richtig zu erkennen und in die Praxis umzusetzen.
      Das Bekenntnis des Petrus
      „Und Jesus ging hinaus mit seinen Jüngern in die Dörfer von Cäsarea Philippi. Und auf dem Weg fragte er seine Jünger und sprach zu ihnen: Wer sagen die Menschen, dass ich sei? Sie aber antworteten ihm und sagten: Johannes der Täufer; und andere: Elia; andere aber: Einer der Propheten. Und er fragte sie: Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Petrus antwortet und sagt zu ihm: Du bist der Christus. Und er gebot ihnen ernstlich, dass sie niemand von ihm sagen sollten“ (Mk 8,27–30).
      Während der Herr sich in den vorigen Abschnitten besonders durch seine Werke offenbart hatte, geht es hier vordergründig um die Bedeutung seiner Person; zunächst für die Menschen allgemein, dann für die Jünger.
      Wir sehen, wie der Herr sich mit seinen Jüngern nach Cäsarea Philippi begibt, an die nördlichste Grenze Israels. Auf dem Weg stellt Er den Jüngern die bedeutsame Frage: „Wer sagen die Menschen, dass ich sei?“ Er selbst wusste natürlich die Antwort, aber Er stellte die Frage um der Jünger willen. Sie sollten dahin kommen, mit ihren eigenen Lippen zu bekennen, dass die Welt die Rechte und Person des Herrn nicht anerkannte und dass alle Überlegungen der Menschen nicht an die Wahrheit über seine Person heranreichten.
      In der absteigenden Aufzählung, die die Jünger dem Herrn nennen, tritt die ganze Unwissenheit der ungläubigen Menschen hervor. Sie sehen in Ihm nur einen Menschen, wie es auch heute die Welt tut. Man ist gerade noch bereit, den Herrn als einen edlen und großen Menschen gelten zu lassen, erkennt Ihn aber nicht als den Sohn Gottes an.
      Die Frage, die der Herr hier stellt, ist auch heute die entscheidende Frage für jeden Menschen. An seiner Person entscheidet sich alles (Apg 4,12).
      Was für eine Antwort können wir – die wir so viel von Ihm kennen – dem Herrn auf diese Frage geben? Petrus konnte in der Gewissheit des Glaubens antworten: „Du bist der Christus.“
      Was für ein Gegensatz zu dem, was die Menschen von Ihm sagten. Er ist „der Christus“, der Gesalbte Gottes. Petrus bekennt den Herrn in seiner ganzen Würde und Autorität, die Gott Ihm gegeben hat.
      Ein Vergleich dieser Verse mit der Parallelstelle in Matthäus 16,13–20 zeigt einen bedeutenden Unterschied in der Berichterstattung. In Matthäus spricht der Herr auf das Bekenntnis des Petrus hin von der Versammlung und den Schlüsseln des Reiches; hier lesen wir nichts davon. Wie kommt das?
      Eine Erklärung liegt sicherlich in dem weitergehenden Teil des Bekenntnisses von Petrus, das in Matthäus berichtet wird. Dort sagt Petrus, dass der Herr „der Christus“ und „der Sohn des lebendigen Gottes“ ist. Die Versammlung gründet sich auf den Herrn als den Sohn des lebendigen Gottes. Sie gründet sich nicht auf Ihn als den Christus oder Messias. Als solcher steht Er in erster Linie mit Israel in Verbindung. Bei Matthäus geht die Offenbarung also weiter als bei Markus. Wie vollkommen und in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Charakter der Abschnitte ist doch die göttliche Berichterstattung!
      Der Herr gebietet den Jüngern, dass sie niemand von Ihm sagen sollten. Die Zeit, Ihn als den verheißenen Messias Israels öffentlich zu verkündigen, war vorbei. Israel wollte den Herrn nicht als Messias anerkennen, daher richtete Er sich nicht mehr in diesem Charakter an das Volk.
      Der Herr sagt seinen Tod und seine Auferstehung voraus
      „Und er begann sie zu lehren, dass der Sohn des Menschen vieles leiden und verworfen werden müsse von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und dass er getötet werden und nach drei Tagen auferstehen müsse. Und er redete das Wort mit Offenheit. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihn zu tadeln. Er aber wandte sich um, und als er seine Jünger sah, tadelte er Petrus, und er sagt: Geh hinter mich, Satan! Denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist“ (Mk 8,31–33).
      Stattdessen beginnt der Herr, seine Jünger zu lehren, dass Er als der „Sohn des Menschen“ leiden, sterben und auferstehen muss. Die Tatsache, dass der Herr diese Dinge lehrte, zeigt, wie wichtig und inhaltsreich diese Themen sind. Dreimal finden wir im Markusevangelium, dass der Herr von dem sprach, was über Ihn kommen sollte, und immer werden sein Leiden, Sterben und Auferstehen zusammen erwähnt (V. 31; 9,31; 10,32–34).
      Wenn Er so von sich spricht, sehen wir Ihn als Den, der von Anfang an das Ende kannte, der alles wusste, was über Ihn kommen würde; ganz besonders auch von den Führern des Volkes Israel (z. B. Jes 53,3, wo mit „Menschen“ eher die Hochgestellten gemeint sind). Wenn wir das bedenken, wie groß wird uns dann das Verhalten des Herrn gegenüber diesen hochgestellten Männern während seines Weges über die Erde. Er war wirklich Der, der „gescholten nicht wiederschalt und leidend nicht drohte“ (1. Pet 2,23).
      Petrus konnte diese Worte des Herrn über sein Leiden und Sterben nicht fassen und daher tadelte er den Herrn. Petrus hatte den Herrn von Herzen lieb und seine Reaktion beruhte auf Unverständnis über die Dinge, die dem Herrn widerfahren würden. Als rechtgläubiger Jude hoffte er auf das Reich und die Herrschaft mit dem Messias. Ein leidender und sterbender Christus hatte in seinen Gedanken keinen Platz. Wie aus der Beschreibung in Vers 32 deutlich wird, waren seine Worte jedoch kein bloßer Gefühlsausbruch, sondern eine bewusste, ernste Handlung, die der Herr scharf tadeln muss.
      Der Ernst lag darin, dass Petrus in diesen Augenblicken zu einem Werkzeug Satans wurde, der den Herrn von seinem Weg des Gehorsams abbringen und die Jünger durch die Schmach des Kreuzes abschrecken wollte. Gerade der Anblick seiner Jünger, die Satan zu Fall bringen wollte, veranlasste den Herrn, Petrus so ernst zurechtzuweisen und seine Beweggründe aufzudecken. Petrus sah nicht auf das, was Gottes ist; er sah nicht auf die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes am Kreuz, sondern auf das, „was der Menschen ist“. Er zog – wenn auch vielleicht unbewusst – die Herrlichkeit des Menschen der Schmach des Kreuzes vor.
      Zu dem, was Petrus hier tat, sind auch wir fähig. Wenn wir nicht aufpassen, können wir zu einem Werkzeug Satans werden. Daher sollten wir unseren Herrn um Besonnenheit und Nüchternheit bitten, damit wir erkennen, wenn Satan uns verführen will.
      Der Herr spricht über Nachfolge
      „Und als er die Volksmenge samt seinen Jüngern herzugerufen hatte, sprach er zu ihnen: Wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verlieren wird um meinet- und des Evangeliums willen, wird es erretten. Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und seine Seele einbüßt? Denn was könnte ein Mensch als Lösegeld geben für seine Seele? Denn wer irgend sich meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln“ (Mk 8,34–38).
      Die Dinge der Menschen und die Dinge Gottes, die der Herr in Vers 33 angesprochen hatte, sind einander völlig entgegengesetzt. Eins schließt das andere aus. Diesen Gedanken führt der Herr in diesen Versen weiter aus, in denen Er von den Konsequenzen wahrer Nachfolge spricht. Er zeigt – veranlasst durch die Reaktion des Petrus –, dass es für den, der Ihm nachfolgen will, ein großes Hindernis gibt: das eigene Ich, das menschliche Ego.
      Aber der Herr zeigt nicht nur das Hindernis, sondern gibt auch Hinweise für den Umgang damit:
      1. „sich selbst verleugnen“ – Verleugnen bedeutet ein Abstreiten von Verbindungen, ein „Neinsagen“ zu sich selbst. Es zeigt, wie wir mit unserem alten Menschen umgehen sollen.
      2. „sein Kreuz aufnehmen“ – einer, der damals sein Kreuz trug, hatte mit der Welt abgeschlossen und die Welt mit ihm. So sollen auch wir keine Verbindung mehr zu dieser Welt haben.

      Der Apostel Paulus handelte nach diesen Prinzipien. Wir finden in Philipper 3, dass er nichts von der Welt erwartete (V. 8) und dass er auch nichts mehr von sich selbst hielt (V. 9).
      Nur so können wir dem Herrn wirklich folgen. In seiner Nachfolge müssen wir damit rechnen, den Widerstand von den Menschen zu erfahren, der auch dem Herrn begegnete (Joh 15,20; 2. Tim 3,12).
      Der Weg zur Herrlichkeit geht durch Leiden. Ein Grundsatz, den wir oft in der Schrift finden und der in diesen Versen durch den Herrn sehr deutlich vorgestellt wird.
      Kapitel 9
      Die Verherrlichung des Herrn auf dem Berg
      „Und er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Unter denen, die hier stehen, sind einige, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes, in Macht gekommen, gesehen haben.
      Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und den Jakobus und den Johannes mit und führt sie für sich allein auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verwandelt; und seine Kleider wurden glänzend, sehr weiß, wie kein Walker auf der Erde weiß machen kann. Und es erschien ihnen Elia mit Mose, und sie unterredeten sich mit Jesus. Und Petrus hebt an und spricht zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind; und wir wollen drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine. Denn er wusste nicht, was er sagen sollte, denn sie waren voll Furcht. Und es kam eine Wolke, die sie überschattete; und eine Stimme erging aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört. Und plötzlich, als sie sich umblickten, sahen sie niemand mehr, sondern Jesus allein bei sich“ (Mk 9,1–8).
      „Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und den Jakobus und den Johannes mit und führt sie für sich allein auf einen hohen Berg.“ Schon zweimal haben wir den Herrn auf einem Berg gesehen (Kap. 3,13; 6,46). Doch hier heißt es, dass sie auf einen hohen Berg stiegen. Der hohe Berg wird im Neuen Testament als ein Bild von Herrschaft über diese Erde benutzt (vgl. Mt 4,8). Und davon sollten die Jünger jetzt etwas sehen. Denn das Geschehen auf diesem hohen Berg ist ein Muster der Herrlichkeit und der Zustände im 1000-jährigen Reich.
      Der Herr wird vor den Jüngern umgestaltet, und entsprechend dem Charakter dieses Evangeliums hebt Markus besonders die Veränderung der Kleider des Herrn hervor. So wird deutlich, dass der Herr Jesus in dem kommenden Reich der alleinige Mittelpunkt sein wird. Doch der Herr ist nicht allein. Seine drei Jünger sind bei Ihm und es erscheinen Elia und Mose. Sie zeigen uns die verschiedenen Gruppen von Gläubigen, die mit dem Herrn Jesus im Reich sein werden.
      Elia und Mose stellen die himmlischen Gläubigen dar. Das sind alle Gläubigen aus der Zeit des Alten Testaments bis zum Ende der Gnadenzeit. Dabei gibt es solche, die durch den Tod gehen mussten wie Mose, und solche, die (wie Elia) ohne zu sterben in den Himmel aufgenommen wurden (1. Thes 4,16.17). Mose und Elia erscheinen auch in Herrlichkeit, wie aus Lukas 9,31 hervorgeht. Es zeigt, dass die himmlischen Heiligen die Herrlichkeit des Herrn in seinem Reich teilen werden. Davon lesen wir an verschiedenen Stellen im Neuen Testament (z. B. Kol 3,4; 1. Joh 3,2; Phil 3,21). Was für eine Gnade, dass wir, die wir einst Feinde Gottes und verlorene Sünder waren, in Herrlichkeit mit dem Herrn Jesus offenbar und in enger Gemeinschaft mit Ihm sein werden: „sie unterredeten sich mit Jesus!“
      Die Jünger stellen die irdischen Gläubigen im Reich dar. Sie werden die Herrlichkeit des Herrn Jesus und der himmlischen Heiligen anschauen, aber nicht teilen.
      Überwältigt von dem Geschehen, ergreift Petrus wieder einmal die Initiative. Er möchte die Herrlichkeit des Augenblicks festhalten. Doch er macht einen großen Fehler: Er stellte den Herrn auf dieselbe Stufe mit Mose und Elia. Dies kann nicht sein. Nichts und niemand kann mit Ihm auf eine Stufe gestellt werden. Daher kommt die Stimme Gottes aus dem Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört.“ Der Vater macht klar, dass Der, der auf der Erde der Verachtete war, sein geliebter Sohn ist. Und auf diese Worte hin verschwinden Mose und Elia.
      Die Auferstehung aus den Toten
      „Und als sie von dem Berg herabstiegen, gebot er ihnen, dass sie niemand erzählen sollten, was sie gesehen hatten, außer wenn der Sohn des Menschen aus den Toten auferstanden wäre. Und sie hielten das Wort fest, indem sie sich miteinander besprachen: Was ist das, aus den Toten auferstehen?“ (Mk 9,9.10).
      Die Auferstehung des Sohnes des Menschen aus den Toten ist eine Voraussetzung dafür, dass die auf dem Berg angedeutete Herrlichkeit einmal in Erfüllung gehen wird. Daher gebietet der Herr den Jüngern von dem Erlebten bis nach seiner Auferstehung zu schweigen. Erst dann würden sie alles richtig verstehen. Wenn wir die Worte von Petrus in Apostelgeschichte 10,40.41 und im 2. Petrus 1,16–19 lesen, erkennen wir, dass er es dann verstanden hatte.
      Für den Augenblick stellten die Worte des Herrn über seine Auferstehung aus den Toten die Jünger jedoch vor ein neues Problem. Nicht nur, dass der Herr leiden und sterben sollte, war für sie schwer zu verstehen; jetzt kam noch hinzu, dass Er auch aus den Toten auferstehen würde, während andere in den Gräbern bleiben würden.
      Die Lehre einer allgemeinen Auferstehung war im Volk Israel eine bekannte Wahrheit (z. B. Joh 11,24; Apg 23,6–8) und daran glaubten auch die Jünger, aber eine „Aus-Auferstehung“ (s. Anm. zu Phil 3,11), von der der Herr jetzt zu ihnen redete, war ihnen völlig unbekannt. Sie sahen auch in dieser Beziehung noch unklar, sahen Menschen wie Bäume wandeln (Kap. 8,24).
      In 1. Korinther 15,20–23 wird uns gezeigt, dass Christus „der Erstling der Entschlafenen“ ist, dass Ihm aber die Gläubigen in dieser Auferstehung aus den Toten folgen werden. In Verbindung mit 1. Thessalonicher 4,16.17 und Offenbarung 20,4.5 können wir erkennen, dass diese „erste Auferstehung“ in drei großen Phasen stattfindet:
      1. Christus
      2. Alle gestorbenen Gläubigen bei dem Kommen des Herrn zur Entrückung
      3. Die in den Gerichten vor der Errichtung des 1000-jährigen Reiches gestorbenen Märtyrer

      Es fällt noch auf, dass der Herr hier davon spricht, dass Er als der „Sohn des Menschen“ auferstehen wird. Das steht in Verbindung mit dem Geschehen auf dem Berg. Denn im 1000-jährigen Reich wird Er als der verherrlichte und auferstandene Mensch herrschen und regieren.
      Sicher glaubten die Jünger den Worten des Herrn, aber sie verstanden diese nicht und unterredeten sich untereinander. Wie einsam war der Herr daher auch in dieser Situation.
      Das Kommen des Elia
      „Und sie fragten ihn und sprachen: Warum sagen denn die Schriftgelehrten, dass Elia zuerst kommen müsse? Er aber sprach zu ihnen: Elia zwar kommt zuerst und stellt alle Dinge wieder her; doch wie steht über den Sohn des Menschen geschrieben, dass er vieles leiden und für nichts geachtet werden soll? Aber ich sage euch, dass Elia auch gekommen ist, und sie haben ihm getan, was irgend sie wollten, so wie über ihn geschrieben steht“ (Mk 9,11–13).
      Durch die vorangegangenen Ereignisse ergab sich ein weiteres Problem für die Jünger. Damit kommen sie diesmal direkt zum Herrn. Die Schriftgelehrten sagten, dass Elia vor dem Kommen des Messias erscheinen müsse, aber das war anscheinend nicht geschehen. Der Herr benutzt diese Frage, um die Jünger in Vers 12 wieder auf seine Leiden hinzuweisen.
      Er bestätigt die Worte der Schriftgelehrten, denn in Maleachi 3,23 ist das Kommen Elias vorhergesagt worden. Aber dann erinnert Er sie, dass nicht nur das Kommen Elias vorhergesagt ist, sondern auch seine Leiden. Und so, wie die Prophezeiung über Elia in Erfüllung gehen würde, würde auch die Prophezeiung über seine eigenen Leiden in Erfüllung gehen.
      In Vers 13 zeigt der Herr dann, dass das Kommen von Johannes dem Täufer bereits eine moralische Erfüllung der Weissagung aus Maleachi 3,23 war (Mt 11,14). Johannes kam „im Geist und der Kraft von Elia“ (Lk 1,17), um als Vorläufer des Herrn das Volk zur Buße zu rufen. Aber sie hatten ihn behandelt, wie sie auch den Herrn behandeln würden.
      Buchstäblich wird die Weissagung aus Maleachi noch in der Zukunft vor dem Kommen des Herrn auf die Erde in Erfüllung gehen. In dem Tun der beiden „Ölbäume“ in Offenbarung 11,6 findet sich noch ein weiterer Hinweis auf Mose und Elia. Sonst berichtet die Schrift keine Einzelheiten dazu.
      Die Heilung des besessenen Sohnes
      „Und als sie zu den Jüngern kamen, sahen sie eine große Volksmenge um sie her und Schriftgelehrte, die mit ihnen stritten. Und sogleich, als die ganze Volksmenge ihn sah, erstaunten sie sehr; und sie liefen herzu und begrüßten ihn. Und er fragte sie: Worüber streitet ihr euch mit ihnen? Und einer aus der Volksmenge antwortete ihm: Lehrer, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht, der einen stummen Geist hat; und wo immer er ihn ergreift, reißt er ihn, und er schäumt und knirscht mit den Zähnen, und er magert ab. Und ich sprach zu deinen Jüngern, dass sie ihn austreiben möchten, und sie vermochten es nicht. Er aber antwortet ihnen und spricht: O ungläubiges Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein? Bis wann soll ich euch ertragen? Bringt ihn zu mir! Und sie brachten ihn zu ihm. Und als der Geist ihn sah, zerrte er ihn sogleich hin und her; und er fiel auf die Erde und wälzte sich schäumend. Und er fragte seinen Vater: Wie lange Zeit ist es schon, dass ihm dies geschehen ist? Er aber sprach: Von Kindheit an; und oft hat er ihn sogar ins Feuer geworfen und ins Wasser, um ihn umzubringen; aber wenn du etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! Jesus aber sprach zu ihm: Was das „wenn du kannst“ betrifft – dem Glaubenden ist alles möglich. Und sogleich rief der Vater des Kindes und sagte: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Als aber Jesus sah, dass eine Volksmenge zusammenlief, gebot er dem unreinen Geist ernstlich, indem er zu ihm sprach: Du stummer und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn. Und schreiend und ihn sehr hin und her zerrend, fuhr er aus; und er wurde wie tot, so dass die meisten sagten: Er ist gestorben. Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf; und er stand auf.
      Und als er in ein Haus getreten war, fragten ihn seine Jünger für sich allein: Warum haben wir ihn nicht austreiben können? Und er sprach zu ihnen: Diese Art kann durch nichts ausfahren als nur durch Gebet und Fasten“ (Mk 9,14–29).
      Die Szene, die der Herr vorfindet, als Er vom Berg herabkommt, steht in großem Gegensatz zu dem Geschehen auf dem Berg:
      Auf dem Berg war der Herr in Herrlichkeit zu sehen. Jetzt im Tal offenbart Er sich wieder als der vollkommene Mensch und Diener, der sich der Armen und Elenden seines Volkes annimmt.
      Auf dem Berg wurde eine Zeit angedeutet, in der Satan gebunden ist. Im Tal wird deutlich, dass Satan noch da ist und seine Macht ausübt, um die Menschen in Todesfurcht und Knechtschaft zu halten.
      Auf dem Berg wurde etwas von der zukünftigen Herrlichkeit gesehen, während im Tal immer noch Elend (der kranke Junge), Widerstand (die streitenden Schriftgelehrten) und wenig Glauben (die Jünger) vorhanden sind.
      Während der Abwesenheit des Herrn waren die Jünger in einen Streit mit den Schriftgelehrten geraten. So wie die Pharisäer mit dem Herrn selbst gestritten hatten (Kap. 8,11), so stritten sie jetzt mit den Jüngern, die durch ihren Unglauben in einen hilflosen Zustand und in eine beschämende Situation geraten waren.
      Als der Herr kommt, wendet sich alle Aufmerksamkeit Ihm zu. Er rückt in den Mittelpunkt und alle Blicke werden auf Ihn gerichtet. So ist es immer, wenn wir Ihn in unsere Umstände bringen. Doch wie oft versäumen wir das wie die Jünger und müssen dann erfahren, wie hilflos wir ohne Ihn sind. Er ist die Antwort auf alle Fragen und will so gerne helfen. Doch dazu ist es erforderlich, dass unsererseits Glauben da ist. Und daran fehlte es hier, wie aus dem Folgenden deutlich wird.
      Die Jünger waren nicht in der Lage, den stummen Geist aus dem Jungen auszutreiben. Aus Kapitel 6,13 wissen wir, dass sie so etwas in der Kraft des Herrn schon getan hatten. Doch in dieser Situation waren sie hilflos. Wie kam das?
      Die Antwort darauf finden wir in den ernsten Worten, die der Herr in Vers 19 an die Volksmenge allgemein, aber ganz besonders auch an die Jünger richtete. Ihr Unglaube war der Grund für ihre Hilflosigkeit. In der Person des Herrn war die Kraft über die Macht Satans gegenwärtig, aber den Jüngern fehlte es an Glauben, diese Macht zu gebrauchen. Das ist zu allen Zeiten ein ernster und trauriger Zustand, wenn die Nachfolger des Herrn auf der Erde keine Kraft und keinen Glauben haben, um die ihnen in dem Herrn zur Verfügung stehenden Hilfsquellen zu erschließen.
      Doch trotz allem begegnet der Herr in seiner großen Gnade der Not dieses Vaters, der sich mit seinem Bedürfnis an die richtige Stelle wandte. In Vers 17 heißt es, dass er seinen Sohn zu Ihm gebracht hatte. Er wollte zum Herrn kommen, traf dann aber nur die Jünger an, da der Herr auf dem Berg war. Jetzt, am Ende von Vers 19 sagt der Herr jedoch, dass man den kranken Sohn zu Ihm bringen soll.
      Die Krankheitsbeschreibung, die der Vater in den Versen 18.21.22 schildert, liefert ein deutliches Bild von der Macht Satans, die er auch heute noch ausübt, wenn auch nicht unbedingt äußerlich so sichtbar. In dem kranken Sohn erkennen wir ein Bild des Menschen von Natur aus, aber ganz besonders auch von dem traurigen Zustand, in den das Volk Israel gekommen war.
      Der Herr kümmert sich nicht sofort um den kranken Jungen. Er sieht den schwachen Glauben in dem Herzen des Vaters und beschäftigt sich daher zuerst mit ihm. Der Kleinglaube hinderte den Vater, die Macht des Herrn über das Böse zu erkennen. Daher räumt der Herr zuerst die Zweifel an seiner Macht aus, um ihm dann zu zeigen, wie mächtig Er ist.
      Der Aussätzige in Kapitel 1,40 war auch von Zweifeln geplagt. Aber er zweifelte nicht so sehr an der Macht des Herrn, sondern mehr an seiner Bereitwilligkeit, diese Macht in seinem Fall anzuwenden. Sind nicht auch wir in Schwierigkeiten oft durch Kleinglauben gekennzeichnet und von Zweifeln in der einen oder anderen Weise geplagt? Wenn es so ist, haben wir die Aufforderung aus Jakobus 1,6 nötig: „Er bitte aber im Glauben, ohne irgend zu zweifeln.“
      Es ist schön zu sehen, was die Worte des Herrn bei dem Vater bewirken. Er erkennt sich in der Gegenwart des Herrn, bekennt seinen schwachen Zustand und spricht eine Bitte aus, die auch wir haben sollten.
      Unser Glaube wächst nur in der täglichen Anwendung. Wir müssen ihn in den kleinen Dingen des Lebens lernen, um ihn dann auch in Schwierigkeiten zu haben. Das Beispiel der Thessalonicher illustriert in schöner Weise, dass Glaube wachsen kann: Während der Apostel Paulus in 1. Thessalonicher 3,10 davon spricht, dass er gerne vollenden wollte, was an ihrem Glauben mangelte, konnte er in 2. Thessalonicher 1,3 dann bezeugen, dass ihr Glaube überaus wuchs.
      Bevor das Aufsehen noch größer wird, gebietet der Herr dem unreinen Geist, von dem Jungen auszufahren und auch nicht mehr in ihn zu fahren. Das ist die Weise des Herrn, wenn Er befreit: Er befreit nicht nur sofort, sondern auch bleibend.
      Zunächst sieht es jedoch so aus, als würde Satan den Sieg davontragen. Wie in Kapitel 1,26 sehen wir, wie er noch einmal alle Macht aufbietet, bevor er sein Opfer loslassen muss. Diese Macht hat er heute noch, aber wir wissen, dass der Herr stärker ist.
      Wir können sicher sein, dass Satan ganz besonders dann, wenn das Evangelium verkündigt wird, alles aufbietet, um die Menschen abzuhalten, der Botschaft Folge zu leisten. Daher sollte uns das Wissen um seine Macht gerade bei solchen Gelegenheiten dazu bringen, ganz besonders für den Prediger und die Zuhörer zu beten.
      Auch hier muss Satan sich den Worten des Herrn beugen, der sich dann in liebevoller Weise um den Jungen kümmert, ihn bei der Hand nimmt und aufrichtet.
      Wie groß steht der Herr auch in dieser Begebenheit in seiner ganzen Vollkommenheit, seinem göttlichen Erbarmen und seinem Mitgefühl vor uns. Wir sehen Ihn als den abhängigen Diener, aber zugleich auch als Sohn Gottes in Macht handeln.
      Direkt nach der Heilung begibt sich der Herr mit seinen Jüngern in die Abgeschiedenheit eines Hauses. Dort in der Stille fragen Ihn die Jünger „für sich allein“, warum sie den Kranken nicht hatten heilen können. Zuerst zeigt uns dies das Vorrecht der Gemeinschaft, die auch heute jeder Glaubende haben darf. Es ist eine Ermunterung auf dem Weg durch diese Welt.
      In seiner Antwort zeigt der Herr ihnen dann, dass für einen nutzbringenden Dienst nicht nur Glaube erforderlich ist, sondern auch Gebet und Fasten. Neben dem Glauben ist es die Abhängigkeit des Dieners und die Hinwendung zu Gott – ausgedrückt im Gebet –, sowie die Absonderung von den Dingen dieser Welt – ausgedrückt im Fasten –, die einem Dienst Kraft verleihen.
      Der Herr spricht erneut von seinen Leiden
      „Und sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa; und er wollte nicht, dass es jemand erfahre. Denn er lehrte seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen überliefert, und sie werden ihn töten; und nachdem er getötet worden ist, wird er nach drei Tagen auferstehen. Sie aber verstanden das Wort nicht und fürchteten sich, ihn zu fragen“ (Mk 9,30–32).
      Der Herr nimmt seine Jünger wieder mit auf die Reise und nutzt die Zeit, um ihnen in der Stille erneut das vorzustellen, was Ihm begegnen würde. Er wusste, wie schwer die Jünger den Gedanken, dass Er leiden würde, fassen konnten. Daher sprach Er immer wieder davon zu ihnen. Auch uns möchte der Herr dahin bringen, dass wir etwas von seinen Empfindungen verstehen. Aber dafür braucht es wie hier die Stille der Gemeinschaft mit Ihm.
      An dieser Stelle steht in besonderer Weise das schreckliche Tun der Menschen an Ihm, dem Sohn des Menschen, vor dem Auge des Herrn. Diejenigen, für die Er in das Reich des Starken eingedrungen war, um sie zu erlösen, würden Ihn töten. Das war ein Gedanke, unter dem Er besonders litt. Doch es ist schön, dass trotz aller Leiden auch schon sein Sieg in der Auferstehung angekündigt wird, den die Jünger später in Apostelgeschichte 4,33 kraftvoll verkündigten.
      Obwohl die Worte des Herrn klar verständlich waren und auch die Schriften bereits von seinen Leiden gesprochen hatten, verstanden die Jünger hier seine Worte nicht. Sie fürchteten sich, Ihn zu fragen. Der folgende Abschnitt wirft etwas Licht darauf, warum die Jünger den Herrn nicht verstanden.
      Was habt ihr auf dem Weg besprochen?
      „Und er kam nach Kapernaum. Und als er in dem Haus war, fragte er sie: Was habt ihr auf dem Weg besprochen? Sie aber schwiegen; denn sie hatten auf dem Weg miteinander beredet, wer der Größte sei. Und nachdem er sich gesetzt hatte, rief er die Zwölf; und er spricht zu ihnen: Wenn jemand der Erste sein will, so soll er der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,33–35).
      Der Herr, der die Gedanken und Überlegungen der Herzen kannte, stellt ihnen eine Frage, die sie in ihrem Gewissen traf und auf die sie nur mit Schweigen antworteten. Was könnten wir antworten, wenn Er uns diese Frage stellt: „Was habt ihr auf dem Weg besprochen?“? Was sind unsere Gesprächsthemen, wenn wir zusammen sind? Muss nicht auch bei uns oft betretenes Schweigen auf diese Frage herrschen? Doch wir wollen uns ermuntern lassen in dem Gedanken, dass Er solche Fragen nie ohne Absicht stellt.
      Insgesamt ist es ein trauriges Bild, das hier von den Jüngern gezeichnet wird. Zunächst haben wir sie hilflos gesehen (V. 18), dann furchtsam (V. 32), und jetzt sind sie schweigsam (V. 34), als der Herr ihnen eine Frage stellt. Der Grund für diesen traurigen Zustand war, dass sie nicht mehr mit dem Herrn „allein“ (V. 8) beschäftigt waren und die beiden Stücke aus Vers 29 nicht beachteten. Sie waren mit sich selbst und den Menschen dieser Welt beschäftigt und nicht in Gemeinschaft mit Ihm. Es ging ihnen um ihre eigene Größe und um ihre Stellung im 1000-jährigen Reich, wie aus Matthäus 18,1 deutlich wird.
      Ihre Gedanken bezüglich ihrer Stellung im Reich wurden sicherlich auch durch eine gewisse Erwartungshaltung geprägt. Sie rechneten mit einer Belohnung dafür, dass sie um ihres Meisters willen alles aufgegeben hatten, um Ihm nachzufolgen. Bei solchen Gedanken passten die Worte des Herrn über seine Leiden nicht in ihr Konzept.
      Der Herr stellt ein Kind in die Mitte der Jünger
      „Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte; und als er es in die Arme genommen hatte, sprach er zu ihnen: Wer irgend eins von solchen Kindern aufnimmt in meinem Namen, nimmt mich auf; und wer irgend mich aufnimmt, nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat“ (Mk 9,36.37).
      Doch der Herr lässt seine Jünger nicht in diesem traurigen Zustand, sondern ergreift die Initiative, um die Gemeinschaft wiederherzustellen und sie wieder zu sich zu ziehen. Selbst als sie kurz vor seinem Leiden und Sterben am Kreuz noch mit ihrer eigenen Größe beschäftigt waren und darüber in Streit gerieten (Lk 22,24), ließ Er sie nicht laufen oder strafte sie, sondern wies sie in Liebe zurecht. Wir können darin von Ihm, dem wahren Seelsorger, im Hinblick auf den Umgang miteinander lernen.
      Er setzt sich und ruft die Jünger zu sich, um sie in Ruhe zu unterweisen. Dabei sind sie, ohne dass sie etwas gesagt haben, völlig offenbar vor Ihm. Der Herr verurteilt ihre Überlegungen bezüglich einer Belohnung im Reich nicht direkt, denn im 1000-jährigen Reich hat der Gedanke an Belohnung durchaus seinen Platz. Aber Er macht ihnen deutlich, dass man, um im Reich eine große Belohnung zu bekommen, hier auf der Erde den Platz des Dieners einnehmen muss.
      So belehrt Er sie hier über die Demut in seiner Nachfolge und im Dienst für Ihn. Im Folgenden gibt Er ihnen dann direkt ein Beispiel für die Verwirklichung dieser Demut und knüpft eine weitere Belehrung an.
      Dafür stellt Er in beeindruckender Weise ein Kind in ihre Mitte, nimmt es in seine Arme und spricht von der Aufnahme eines solchen Kindes in seinem Namen.
      Wir können uns fragen, wieso der Herr hier plötzlich von Aufnehmen spricht.
      Vielleicht will Er mit diesem Beispiel einen Kontrast zu den Gedanken der Jünger bilden. Die Jünger waren mit einer Stellung beschäftigt, in der sie Ehre erlangen konnten bzw. wollten. Daher lenkt Er ihre Gedanken von ihnen selbst weg und spricht von der Aufnahme eines Kindes in seinem Namen. Dabei erlangt man nicht etwas, sondern gibt und verwendet sich selbst im Dienst für andere – auch etwas, was der Herr in vollkommener Weise verwirklichte (Kap.10,45). Bei der Aufnahme eines Kindes oder eines Geringen – wie es in Vers 42 heißt – fällt auch keine Ehre auf einen selbst, wie es z. B. bei der Aufnahme eines bekannten Dieners sein könnte.
      Alles in diesen Versen wird in Verbindung mit seinem Namen gebracht. Das macht deutlich, dass es nicht so sehr darauf ankommt, wer es ist, der einen Dienst tut, sondern wer dahinter steht, in wessen Auftrag ein solcher handelt. Zur Verdeutlichung dieser Sache können wir an einen Botschafter denken. Er wird vor allem wegen der Regierung, die hinter ihm steht und die er repräsentiert, geachtet.
      Wenn wir das verstehen, fällt es uns nicht länger schwer, Kinder oder geringe Gläubige in seinem Namen aufzunehmen. Wer das tut, nimmt den Herrn selbst auf. Aber in seiner vollkommen demütigen Gesinnung fügt der Herr sofort hinzu, dass wer irgend Ihn aufnimmt, nicht Ihn aufnimmt, sondern Den, der Ihn gesandt hat. Das ist unser Herr, der nicht seine Ehre sucht und den Jüngern an sich selbst die Worte aus Vers 35 illustriert.
      Mit dem Aufnehmen eines Kindes steht sicherlich noch ein zweiter Gedanke in Verbindung. Wir können dabei auch an die Annahme der Art eines Kindes denken. Ein Kind ist durch Vertrauen, Abhängigkeit und eigenes Unvermögen gekennzeichnet. So eine Gesinnung müssen wir lernen, um Gemeinschaft mit dem Herrn und dem Vater haben zu können.
      Jemand, der „uns“ nicht nachfolgt
      „Johannes sprach zu ihm: Lehrer, wir sahen jemand, der uns nicht nachfolgt, Dämonen austreiben in deinem Namen; und wir wehrten ihm, weil er uns nicht nachfolgte. Jesus aber sprach: Wehrt ihm nicht, denn niemand wird ein Wunderwerk in meinem Namen tun und bald darauf übel von mir reden können; denn wer nicht gegen uns ist, ist für uns.
      Denn wer irgend euch einen Becher Wasser zu trinken gibt in meinem Namen, weil ihr Christus angehört, wahrlich, ich sage euch: Er wird seinen Lohn nicht verlieren.
      Und wer irgend einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anstoß gibt, für den wäre es besser, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde“ (Mk 9,38–42).
      In diesen Versen zeigt sich, dass die vorangegangenen Belehrungen bei den Jüngern noch nicht auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Waren sie in den Versen 33 und 34 von persönlicher Selbstsucht gekennzeichnet, sind sie es jetzt durch gemeinsame Selbstsucht in Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Davor ist selbst der Jünger Johannes nicht gefeit. Er kommt zu dem Herrn und beschwert sich über jemand, der das getan hatte, worin sie selbst gerade versagt hatten, obwohl er ihnen nicht nachfolgte.
      Anstatt über ihr eigenes Versagen und ihren mangelnden Glauben betrübt zu sein, führte der Geist der Eifersucht die Jünger dazu, den Herrn zu bitten, diesem Mann zu wehren.
      In seiner Antwort gibt der Herr den Jüngern eine weitere Belehrung. Er zeigt ihnen, dass sie zu viel aus sich selbst machten und zu wenig aus Ihm. Darüber hinaus macht Er ihnen deutlich, dass das Wandeln auf dem Weg des Herrn in sich selbst noch keine Garantie für geistliche Kraft ist.
      Dieser Mann folgte dem Herrn zwar nicht so nah nach wie die Jünger, aber es war offensichtlich, dass er Glauben an den Namen des Herrn hatte und in diesem Glauben das tun konnte, was die Jünger nicht tun konnten. Die Jünger hätten dies anerkennen und Gott dafür danken sollen. Denn dadurch war der Name des Herrn verherrlicht worden. Wenn dieser Mann in einer Zeit, in der die Welt völlig gegen Christus war, in seinem Namen handelte und an Ihn glaubte, war es offensichtlich, dass er für den Herrn war und nicht gegen Ihn.
      Wie passend ist diese Belehrung auch für uns. Denn sind wir nicht oft geneigt, nur an uns und an solche zu denken, die mit „uns“ einen gemeinsamen Weg gehen? Doch auch wenn Gläubige aus Mangel an Verständnis dem Herrn nicht so nachfolgen, wie Er es in seinem Wort zeigt – wenn sie in seinem Namen und aus Liebe zu Ihm handeln, sollten wir das dankbar anerkennen. Eldad und Medad geben uns ein Beispiel dafür (4. Mo 11,26–29).
      Der Herr macht in Vers 41 deutlich, dass der kleinste und geringste Dienst (einen Becher Wasser reichen), der in seinem Namen und für Ihn getan wird, belohnt werden wird. Gott sieht die Beweggründe der Herzen. Er nimmt Notiz von allem, was für Ihn und für die Seinen getan wird. Er freut sich über die Treue im Kleinen und dafür gibt Er Lohn. Dieser Lohn wird am Richterstuhl des Christus ausgeteilt werden.
      Wenn es hier heißt: „Er wird seinen Lohn nicht verlieren“, dann geht daraus hervor, dass für jeden Gläubigen Lohn bereit liegt. Diesen Lohn möchte Gott uns vollständig geben, doch wenn wir untreu sind und uns falsch verhalten, geht etwas von dem Lohn verloren.
      Der Herr zeigt anschließend einen Gegensatz auf (V. 42). Wer einem der Geringsten von denen, die an Ihn glauben, Anstoß geben wird, wird ernstes Gericht empfangen.
      Einem schwachen oder jungen Gläubigen Anstoß zu geben bedeutet, ihn durch falsches Verhalten zum Sündigen zu verleiten, ihn zu Fall zu bringen und ihn an der Nachfolge Christi zu hindern.
      Wie ernst das ist, zeigen die Worte des Herrn hier. Angesichts dieses Ernstes sollten wir uns fragen, ob unser Verhalten in der Familie Gottes so ist, dass wir unseren Geschwistern keinen Anstoß geben (Röm 14,13.15; 1. Kor 8,9.12.13).
      Die Worte des Herrn hier machen aber auch deutlich, welchen Wert jeder einzelne Gläubige für Ihn hat. Als der gute Hirte ist Er für die Kleinen und Geringen der Herde besorgt.
      Warnungen vor Dingen, die Anstoß geben
      „Und wenn deine Hand dir Anstoß gibt, so hau sie ab. Es ist besser, dass du verkrüppelt in das Leben eingehst, als dass du mit zwei Händen in die Hölle kommst, in das unauslöschliche Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. Und wenn dein Fuß dir Anstoß gibt, so hau ihn ab. Es ist besser, dass du lahm in das Leben eingehst, als dass du mit zwei Füßen in die Hölle geworfen wirst, in das unauslöschliche Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. Und wenn dein Auge dir Anstoß gibt, so wirf es weg. Es ist besser, dass du einäugig in das Reich Gottes eingehst, als dass du mit zwei Augen in die Hölle des Feuers geworfen wirst, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“ (Mk 9,43–48).
      In diesen Versen sehen wir den Herrn in seiner beurteilenden Herrlichkeit, der einmal der Richter aller sein wird. Die Worte, die Er hier spricht, gehören mit zu den ernstesten Worten, die uns von Ihm berichtet werden. Sie gelten allen Menschen, ob gläubig oder ungläubig, und reden von der Verantwortung des Menschen.
      In diesen ernsten Versen lässt der Herr das Licht der Ewigkeit auf die Umstände des Lebens der Menschen fallen. Er macht deutlich, dass alles, was ein Mensch hier auf der Erde an Wertvollem verlieren kann, geringfügig ist im Vergleich zu allem, was die Ewigkeit bringen wird.
      Auch dem Gläubigen haben diese Verse viel zu sagen. Ein verbindender Gedanke zu Vers 42 ist das „Anstoß-Geben“. Dort geht es darum, dass wir anderen keinen Anstoß geben, hier darum, dass wir uns selbst Anstoß geben können.
      Die Aufforderungen, die der Herr hier gibt, sind nicht buchstäblich zu verstehen. Das macht schon die Tatsache deutlich, dass der Mensch von den genannten Gliedern jeweils zwei hat. Der Herr betont hier, dass der Jünger für seinen Weg selbst verantwortlich ist. Da wir Menschen sind und auch die alte Natur noch in uns haben, sind wir für vieles anfällig, was uns vom geraden Weg abbringen will. Doch wenn wir treue Jünger sein wollen, müssen wir aufmerksam sein und uns vom Herrn zeigen lassen, für welche Gefahren wir persönlich (dir Anstoß gibt) anfällig sind, und von Ihm die Kraft erbitten, das entschieden zu meiden oder wegzutun, auch wenn es einmal schmerzlich ist. Das „Abhauen“ bedeutet, die Regungen der alten Natur radikal zu verurteilen und ihnen – wo immer möglich – die Gelegenheiten zu nehmen (vgl. Kol 3,5; Röm 8,13). Das erfordert täglich neu Entschiedenheit und einen echten Herzensentschluss. Doch wie gut, dass uns dazu auf dem Weg der Nachfolge auch die Gnade des Herrn zur Verfügung steht, die uns helfen will und kann, da sie allmächtig ist.
      Und in dieser Gnade weist der Herr uns auch frühzeitig auf Gefahren in unserem Leben hin. So ist es auch hier, denn der Herr redet hier von einem Stadium, in dem wir noch „abhauen“ können. Es ist eine Warnung vor den Anfängen – die wir oft so schlecht bei uns selbst erkennen –, damit wir nicht in einen Zustand kommen, in dem wir nicht mehr handlungsfähig sind.
      Diese Verse widerlegen auch deutlich die Gedanken vieler Menschen unserer Tage, die nicht an die Existenz einer Hölle und an ein ewiges Verderben und Gericht glauben. Dreimal wiederholt der Herr die ernsten Worte, dass du „in die Hölle geworfen wirst, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“.
      Es ist sehr selten, dass der Herr etwas so oft wiederholt, und es zeigt mit allem Ernst, dass es eben doch eine Hölle und ein ewig andauerndes Gericht für alle geben wird, die nicht an Ihn geglaubt haben. Ein Gedanke, der auch an verschiedenen anderen Stellen in der Schrift erwähnt wird (z. B. Mt 25,41.46; Joh 3,36; 2. Thes 1,9).
      Sollte uns der Ernst dieser Verse nicht dazu anspornen, die Menschen zu überreden, „da wir den Schrecken des Herrn kennen“ (2. Kor 5,11)?
      Mit Feuer und Salz gesalzen
      „Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden, und jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden. Das Salz ist gut; wenn aber das Salz salzlos geworden ist, womit wollt ihr es würzen? Habt Salz in euch selbst, und seid in Frieden untereinander“ (Mk 9,49.50).
      Zunächst werden uns zwei ernste Wahrheiten und zwei verschiedene Personengruppen vorgestellt.
      Im ersten Teil des Verses heißt es: „Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden.“ Darin werden wir belehrt, dass den Menschen generell ein Gericht erwartet (Heb 9,27).
      Das Feuer spricht von der prüfenden Gerechtigkeit eines heiligen Gottes (vgl. Jes 10,17; Heb 12,29). Dieser Beurteilung ist jeder Mensch unterworfen. Dies gilt sowohl dem Gläubigen als auch dem Ungläubigen. Allerdings hat die Beurteilung durch einen heiligen Gott für beide Personengruppen eine unterschiedliche Konsequenz:
      Für den Ungläubigen bedeutet sie das Gericht, die ewige Verdammnis.
      Auf den Gläubigen hingegen trifft das nicht mehr zu, da Christus an seiner Stelle auf Golgatha das göttlich gerechte Gericht getragen hat. Wer an Ihn glaubt, „kommt nicht ins Gericht“ (Joh 5,24). Das „Salzen mit Feuer“ trifft auf den Gläubigen nur insoweit zu, als dass er in seinem Leben durch Übungen und Prüfungen gehen muss, die eine reinigende und läuternde Wirkung auf ihn haben (z. B. 1. Pet 1,7; 4,12.13).
      Im zweiten Teil des Verses heißt es, dass „jedes Schlachtopfer mit Salz gesalzen“ werden wird. Diese Worte gelten nur Gläubigen. Solchen sagt der Apostel Paulus in Römer 12,1: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer.“ Dazu ist das Salz notwendig, wie aus 3. Mose 2,13 hervorgeht, worauf sich unser Vers 49b bezieht.
      Salz wurde damals weniger zum Würzen als vielmehr zum Konservieren gebraucht. Salz spricht so von einer Kraft, die das Verderben hindert und vor Fäulnis bewahrt. J. N. Darby hat dazu wohl einmal gesagt: „Salz ist die Kraft heiliger Gnade, die die Seele an Gott bindet und innerlich vor dem Bösen bewahrt.“ Ohne dieses „Salz“, diese Gnade Gottes, können wir unsere Leiber nicht als ein solches Schlachtopfer, wie in Römer 12,1 beschrieben, darstellen. Deshalb müssen wir uns dieser Gnade Gottes aussetzen, damit sie in unserem Leben nicht die Wirkung verliert. Denn dann hätten wir nichts mehr, was uns bewahren könnte.
      Die Gnade Gottes bewirkt in uns einen Wandel, der durch praktische Heiligkeit und Reinheit gekennzeichnet ist. Und das führt eigentlich zwangsläufig zu Frieden im Umgang miteinander. Aber die Reihenfolge ist wichtig. Erst muss den Ansprüchen der Heiligkeit entsprochen werden, ehe Frieden vorhanden sein kann. So drückt es auch Jakobus 3,17 aus, wenn er sagt: „Die Weisheit von oben aber ist erstens rein, dann friedsam.“ Diese Ordnung dürfen wir nicht verdrehen. Aber wenn wir sie und die Belehrungen der vorangegangenen Verse berücksichtigen, werden wir ein sehr glückliches Leben führen.
      Kapitel 10
      In diesem Kapitel sehen wir den Herrn wieder als den treuen Diener, der auf seinem letzten Weg nach Jerusalem unermüdlich dient und Belehrungen über viele wichtige Dinge gibt.
      In den Versen 1–12 spricht Er über den Wert der Ehe, in den Versen 13–16 über den Wert von Kindern und die Gesinnung solcher, die in das Reich eingehen wollen, und dann folgen in den Versen 17–31 Unterweisungen über natürliche Besitztümer. Dabei wird immer gezeigt, was der Mensch aus diesen Dingen gemacht hat.
      Belehrungen über die Ehe
      „Und er machte sich von dort auf und kommt in das Gebiet von Judäa und von jenseits des Jordan. Und wieder kommen Volksmengen bei ihm zusammen, und wie er gewohnt war, lehrte er sie wiederum“ (Mk 10,1).
      Zu Beginn dieses Kapitels sehen wir, dass der Herr wieder in das Gebiet von Judäa kommt. Dort kommen Volksmengen zusammen und der Herr belehrt sie, wie es seine Gewohnheit als der treue Diener war. Sowohl bei dem Zusammenkommen der Volksmengen als auch bei dem Lehren des Herrn finden wir das Wort „wieder“ bzw. „wiederum“. Wenn wir die Gedanken, die hier mit diesem „wieder“ bzw. „wiederum“ in Verbindung stehen, auf uns übertragen, können wir uns folgende Fragen stellen:
      Kommen wir als Gläubige zu Ihm zusammen? Ist es uns ein Herzensbedürfnis, bei Ihm zu sein und von Ihm belehrt zu werden?
      Sind auch wir es gewohnt, zu „lehren“, d. h. anderen das Wort Gottes zu erklären? Dazu müssen wir nicht die Gabe eines Lehrers haben. In der einen oder anderen Form stehen insbesondere die Männer vor der Aufgabe, zu „lehren“. Sei es in der Familie, im Gespräch mit Ungläubigen oder inmitten des Volkes Gottes. Eine Gewohnheit im Lehren kann nur durch beständige Übung kommen.
      „Und es traten Pharisäer herzu und fragten ihn, um ihn zu versuchen: Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau zu entlassen? Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie aber sagten: Mose hat gestattet, einen Scheidebrief zu schreiben und zu entlassen. Jesus aber sprach zu ihnen: Wegen eurer Herzenshärte hat er euch dieses Gebot geschrieben; von Anfang der Schöpfung an aber machte Gott sie als Mann und Frau. „Deswegen wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein“; also sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Und in dem Haus befragten ihn die Jünger wiederum hierüber; und er spricht zu ihnen: Wer irgend seine Frau entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch ihr gegenüber. Und wenn sie ihren Mann entlässt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch“ (Mk 10,2–12).
      Wieder einmal kommen die Pharisäer zu dem Herrn, um Ihn zu versuchen. Sie lenken das Gespräch auf die ehelichen Beziehungen und stellen Fragen bezüglich Heirat und Ehescheidung, in der Hoffnung, Ihn dabei in Widersprüche zu den Geboten Moses zu verwickeln.
      Wegen der Wichtigkeit des Themas geht der Herr trotz der Unaufrichtigkeit der Pharisäer auf ihre Fragen ein.
      Er erklärt ihnen, dass Gott den Scheidebrief nur zugelassen hatte, weil Er wusste, wie hart die Herzen der Menschen sein können, weil Er wusste, wie wenig Bereitschaft zum Vergeben oft vorhanden ist und wie wenig Liebe, die die Fehler des anderen zudeckt. Dabei bezieht Er sich auf die Ordnung, die Gott bereits zu Beginn der Schöpfung festgelegt hatte.
      Gott hat die Ehe auch deshalb geschaffen, weil Er wollte, dass der Mensch glücklich sei, und weil es gut für ihn ist (1. Mo 2,18). Er hat sie als eine Beziehung von reiner, tiefer Liebe („anhangen“, V. 7) und von lebenslanger Dauer geschaffen.
      In diesem Zusammenhang ist es nützlich, zu bemerken, dass es im Wort Gottes Anweisungen von unterschiedlicher Dimension gibt. Es gibt Anweisungen, die nur für die Zeit des Gesetzes galten. Ebenso gibt es Anweisungen, die nur für die Versammlung oder nur für die zukünftige Zeit des 1000-jährigen Reiches gelten. Daneben gibt es aber auch Prinzipien und Anweisungen, die für alle Zeiten gelten. Wenn wir an diese denken, sprechen wir oft von der Schöpfungsordnung Gottes.
      Zu dieser Schöpfungsordnung gehört auch die Ehe, die Gott ja vor dem Sündenfall eingesetzt hatte, mit dem Grundprinzip von Vers 9: „Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ Daher haben die Gedanken Gottes über die Ehe heute noch ihre Gültigkeit, auch wenn die Welt völlig anders darüber denkt und nicht danach handelt.
      Eine Ehescheidung, wie sie heute offiziell durch die Obrigkeit vollzogen wird, entspricht niemals dem Willen Gottes. Gott als höchste Instanz überhaupt fügt jede auf der Erde geschlossene Ehe zusammen, d. h., Er erkennt sie an. Es ist daher ein Eingriff in die Rechte Gottes, wenn Menschen es wagen, das zu scheiden, was Gott zusammengefügt hat. Damit hat auch der Scheidebrief, von dem die Pharisäer hier zu dem Herrn sprachen, nichts zu tun.
      Die Anordnungen Moses über den Scheidebrief finden wir in 5. Mose 24,1–3. Daneben findet sich der Ausdruck im Alten Testament nur noch in Jesaja 50,1 und in Jeremia 3,8, wo es um ernste Untreue des Volkes Israel Gott gegenüber geht.
      Die Möglichkeit, einen Scheidebrief zu schreiben, galt für Ausnahmesituationen, wurde aber im Lauf der Zeit von den Juden und Pharisäern immer mehr ausgenutzt. Es kam dazu, dass die Männer sehr schnell und bei geringfügigen Anlässen davon Gebrauch machten. Der Herr Jesus verurteilt diese Praxis und geht daher auf die ursprüngliche segensreiche Absicht Gottes zurück, der die Ehe für das ganze Leben von zwei Menschen gegeben hat.
      „Lasst die Kinder zu mir kommen“
      „Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber verwiesen es ihnen. Als aber Jesus es sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen, wehrt ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer irgend das Reich Gottes nicht aufnimmt wie ein Kind, wird nicht dort hineinkommen. Und er nahm sie in die Arme, legte die Hände auf sie und segnete sie“ (Mk 10,13–16).
      Sicher hat es den Herrn erfreut, als man Kinder zu Ihm brachte. Das war das Beste, was diesen Kindern geschehen konnte. Die Kinder „zu Ihm“ bringen ist die schönste und wichtigste Aufgabe für Eltern und alle, die sich mit Kindern beschäftigen. Denn für Ihn, den Freund der Kinder, sind sie wertvoll und schön (Apg 7,20). Wie gut ist es, wenn Eltern das beachten und ihre Kinder dann auch so erziehen, dass sie zur Ehre Gottes ihren Weg in dieser Welt gehen.
      Im Volk Israel wurden die Kinder zur damaligen Zeit gering geachtet. Doch der Herr macht hier in seinem Reden und Handeln den Wert der Kinder deutlich. Der Gedanke an den Wert eines Kindes für Gott steht im Zusammenhang mit den vorherigen Versen. Bei einem Ehebruch werden die Kinder gering geachtet. Solche Eltern vergessen, dass ihre Kinder ein Geschenk Gottes an sie sind (1. Mo 33,5). Wenn Eltern ihre Kinder so betrachten, werden sie schon um der Kinder willen nicht auseinandergehen.
      Die Jünger waren so mit ihrer eigenen Stellung beschäftigt, dass sie nicht erkennen konnten, was in den Augen des Herrn groß und wichtig war. Sie verwiesen es denen, die die Kinder brachten. Darüber wurde der Herr „unwillig“; etwas, was wir von Ihm nicht oft lesen. Darin liegt ein ernster Hinweis für alle Eltern, die sich nicht genügend Zeit für ihre Kinder nehmen und sie so daran hindern, zu dem Herrn zu kommen.
      Die Antwort des Herrn offenbart sein Herz voller Liebe für die Kinder. Er ist es, der ein Herz für alle Schwachen und Geringen hat, die ihre Zuflucht zu Ihm nehmen.
      Zugleich nennt der Herr in seiner Antwort auch eine Voraussetzung für den Eingang in das Reich Gottes. Dabei geht es hier um das Reich Gottes in seinem übergeordneten, allgemeinen Aspekt. Das Reich Gottes in diesem Sinn ist der Bereich, wo Gott regiert und wo sein Wille akzeptiert und praktiziert wird.
      In diesen Bereich kommt man durch die neue Geburt (Joh 3,3) und mit der Gesinnung eines Kindes. Vertrauen und Arglosigkeit – im Gegensatz zu der Gesinnung der Pharisäer, die kamen, um Ihn zu versuchen (V. 2) – sind die Kennzeichen derer, die in das Reich eingehen. Das erklärt auch, warum es vielen Erwachsenen so schwer fällt, Buße zu tun und in das Reich einzugehen.
      Nach diesen Worten gibt Er in seinem Tun drei weitere Beweise seiner Liebe zu den Kindern:
      1. Er nahm sie in die Arme;
      2. Er legte ihnen die Hände auf;
      3. Er segnete sie.

      Er belohnte das Vertrauen der Eltern und zeigte ihnen, dass sie nicht umsonst gekommen waren. So handelt Er heute noch.
      Der reiche Jüngling
      „Und als er auf den Weg hinausging, lief einer herzu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Lehrer, was soll ich tun, um ewiges Leben zu erben? Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott. Die Gebote kennst du: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst kein falsches Zeugnis ablegen; du sollst nichts vorenthalten; ehre deinen Vater und deine Mutter.“ Er aber sprach zu ihm: Lehrer, dies alles habe ich beachtet von meiner Jugend an. Jesus aber blickte ihn an, liebte ihn und sprach zu ihm: Eins fehlt dir: Geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! Er aber wurde traurig über das Wort und ging betrübt weg, denn er hatte viele Besitztümer“ (Mk 10,17–22).
      Die Begegnung mit dem reichen jungen Mann benutzt der Herr, um Belehrungen über natürliche Besitztümer zu geben. Dieser Mann, der dem Herrn entgegenlief und vor Ihm auf die Knie fiel, hatte viele wertvolle natürliche Züge. Gott hatte ihn bis zu diesem Tag vor schlimmen Sünden bewahrt. Er hatte das Gesetz beobachtet und wünschte, das Rechte zu tun. Das erweckte die Liebe des Herrn.
      Wir können in der direkten Bedeutung dieser Begebenheit ein Bild eines ungläubigen Menschen sehen, der kurz davor steht, das ewige Leben zu ergreifen.
      Doch dieser junge Mann hatte trotz aller redlichen Absichten falsche Vorstellungen, die ihn daran hinderten, das ewige Leben zu bekommen. Darin gleicht er manchen Menschen unserer Zeit, die nach außen gesehen ein gutes Leben führen, aber doch in den Punkten irren, in denen auch dieser Jüngling irrte:
      1. Er erkannte den Herrn nicht als den Sohn Gottes an (V. 17).
      Er sah in Ihm einen hervorragenden Menschen und Lehrer, von dem er das lernen wollte, was ihm noch fehlte. Daher begegnet der Herr dem Mann auf dem Boden des Gesetzes und zeigt ihm in Vers 18, das kein Mensch gut ist, sondern nur Gott.
      2. Er hatte kein Empfinden dafür, dass er ein verlorener Sünder war (V. 17.20)
      Seine äußere Rechtschaffenheit und sein vorbildliches Leben waren ein Hindernis für ihn, zu erkennen, dass er ein Mensch mit einer sündigen Natur war. Daher fragte er nicht, wie der Kerkermeister in Apostelgeschichte 16,30: „Was muss ich tun, um errettet zu werden?“, sondern: „Was soll ich tun, um ewiges Leben zu erben?“
      Seine Frage führt auch zu der nächsten Fehlannahme:

      3. Er ging davon aus, etwas tun zu können, um ewiges Leben zu erlangen (V. 17)
      Wie so viele Menschen heute meinte er, durch eigenes Vermögen oder Werke den Himmel erlangen zu können. Doch Verse wir Galater 2,16 und Epheser 2,8 machen klar, dass ein Mensch nicht durch eigene Werke errettet werden kann, sondern nur durch den Glauben an Christus; und dass die Errettung allein Gottes Gabe und Gnade ist. Nur wer dahin kommt, zu erkennen, dass er Gnade nötig hat, lässt alle Gedanken an eigenes Tun fallen. Wir können und müssen nichts tun, da alles getan ist.
      4. Er hatte viele Güter, an denen er hing und auf die er vertraute (V. 22–24)
      Von seinen Gütern wollte er nicht lassen. Er erkannte nicht, dass er Gott nichts bringen konnte, um ewiges Leben zu bekommen, sondern dass er sich dazu allein auf Gottes Gnade stützen musste. Das zu erkennen, fällt auch heute vielen Menschen schwer. Und der Herr macht deutlich, dass dieses reichen Menschen oft ganz besonders schwer fällt. Reichtum kann hinderlich sein, um in den Besitz des ewigen Lebens zu kommen, aber ein noch größeres Hindernis ist das Vertrauen auf Güter (V. 24). Und dieses Vertrauen auf Güter ist nicht nur ein Problem für solche, die sehr viel Reichtum haben.
      Doch der Besitz von Gütern ist kein absolutes Hindernis, um in das Reich Gottes einzugehen. Es kommt immer darauf an, was wir daraus machen, wie wir sie wertschätzen und damit umgehen. Die Schrift gibt uns einige Beispiele von Menschen, die trotz ihres Reichtums oder ihrer hohen Stellung zum Herrn Jesus kamen (z. B. Zachäus [Lk 19,2]; Nikodemus [Joh 3,1; 19,39]; Joseph von Arimathia [Lk 23,50]).
      Mit seinen Worten in Vers 21 hatte der Herr den wunden Punkt im Leben dieses Mannes getroffen. Als es darum ging, sich zu entscheiden, traf dieser Mann die falsche Wahl. Wie ernst ist das! Denn wenn er auch aufrichtig zum Herrn kam und an sich ein rechtschaffener Mensch war, war die ewige Konsequenz für ihn doch genauso wie für alle die, die unaufrichtig zu dem Herrn kamen.
      Paulus war ein Mann mit ähnlichen Vorzügen und Eigenschaften wie dieser Mann. Doch als er mit der Herrlichkeit der Person des Herrn in Verbindung kam, traf er eine andere Wahl. Die Auswirkungen seiner Begegnung mit dem Herrn finden wir in Philipper 3,6–8.
      Neben der direkten Bedeutung dieser Begebenheit können wir sie auch auf uns als Gläubige in der Nachfolge des Herrn anwenden. Und dabei werden wir hier auf die Konkurrenz zwischen den irdischen und sichtbaren Dingen und dem Schatz im Himmel aufmerksam gemacht.
      In der praktischen Nachfolge hinter dem Herrn her besteht die Gefahr, dass wir an dem uns anvertrauten Besitz krampfhaft festhalten oder darauf vertrauen. Wenn das so ist, verschwindet automatisch unser „Schatz im Himmel“ aus dem Blickfeld. Wir rücken in der praktischen Gemeinschaft vom Herrn weg und lassen einen Abstand zwischen Ihm und uns entstehen.
      Daher sollten wir immer klar vor Augen haben, dass der irdische Besitz vergänglich ist, während unser „Schatz im Himmel“ für ewig fest und sicher ist (Mt 6,20). Diesen Schatz sollten wir hochschätzen. Und für die irdischen Güter wollen wir uns vom Herrn zeigen lassen, wie wir sie verwenden sollen.
      In das Reich Gottes eingehen
      „Und Jesus blickte umher und spricht zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die, die Vermögen haben, in das Reich Gottes eingehen! Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Jesus aber antwortete wiederum und spricht zu ihnen: Kinder, wie schwer ist es, dass die, die auf Vermögen vertrauen, in das Reich Gottes eingehen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch das Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes eingehe. Sie aber erstaunten über die Maßen und sagten zueinander: Und wer kann dann errettet werden? Jesus aber sah sie an und spricht: Bei Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott; denn bei Gott sind alle Dinge möglich“ (Mk 10,23–27).
      Der Herr spricht in diesen Versen dreimal über das Eingehen in das Reich Gottes. Was ist unter dem „Reich Gottes“ und unter dem „Eingehen“ zu verstehen?
      In der direkten Bedeutung damals bedeutete es das Eingehen in das 1000-jährige Friedensreich. Das war der Wunsch jedes Juden. Darum ging es auch in Johannes 3 bei Nikodemus, wo der Herr ihm als Voraussetzung für den Eingang in das Reich die neue Geburt vorstellt.
      Was das Reich Gottes für uns bedeutet und welche Voraussetzungen es zum Eingang in dasselbe gibt, haben wir schon bei der Betrachtung von Vers 15 dieses Kapitels gesehen. Aus Römer 14,17 wird deutlich, dass es heute im Reich Gottes nicht auf die irdischen Dinge ankommt, sondern auf geistliche Dinge und Eigenschaften und auf den Dienst für Christus. Diese Dinge – und nicht die irdischen und materiellen – sollten wir daher erkennen und wertschätzen und Ihm zur Ehre dienen. Wenn wir das tun, wird heute in unserem Leben „Reich Gottes“ verwirklicht.
      Die Worte des Herrn, die Er hier über die materiellen Güter äußert, waren für die Jünger schwer zu verstehen. Denn unter dem Gesetz war materieller Wohlstand ein Zeichen des Segens Gottes. Ihr Entsetzen und Erstaunen zeigt, wie wenig sie von allem verstanden. Daher zeigt der Herr ihnen noch einmal, dass der Eingang in das Reich Gottes allein von Gottes Macht und seiner Liebe zu den Sündern abhängt. Es ist ausschließlich das Werk Gottes, der Mensch kann es nicht von sich aus.
      Lohn für treue Nachfolge
      „Petrus fing an, zu ihm zu sagen: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlassen hat um meinet- und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfängt, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker unter Verfolgungen, und in dem kommenden Zeitalter ewiges Leben. Aber viele Erste werden Letzte und die Letzten Erste sein“ (Mk 10,28–31).
      Es scheint, dass Petrus mit seinen Worten an das anknüpft, wozu der Herr den reichen Jüngling aufgefordert hatte: „Verkaufe, was du hast … und komm, folge mir nach.“ Sie hatten alles verlassen und folgten Ihm nach. Jetzt wollte Petrus wohl wissen, was sie dafür empfangen würden.
      Der Herr macht deutlich, dass Er jeden, der mit guten Beweggründen – um „seinet- und um des Evangeliums willen“ – etwas aufgibt, reichlich belohnen wird. Gott bleibt niemandes Schuldner. Aber nicht der Lohn sollte der Beweggrund unserer Nachfolge oder unseres Dienstes sein, sondern die Liebe zu Ihm. Die Belohnung ist nur eine Ermunterung für den, der sich bereits in der Nachfolge und im Dienst für Ihn befindet.
      Der Apostel Paulus ist ein schönes Beispiel für das, was der Herr über den Lohn in dieser Zeit sagt. Er empfing diese Dinge in den vielen Geschwistern, denen er diente, und wurde zugleich dabei auch angefeindet und verfolgt.
      Die abschließenden Worte des Herrn in Vers 31 sind ernst und bedeutungsvoll. Sie waren für Petrus und die Jünger eine Warnung vor jeder Art von Selbstzufriedenheit und reden damit auch zu unseren Herzen. Es geht nicht nur um den Anfang der Nachfolge und die erste Begeisterung im Dienst, sondern um die Beständigkeit darin, die am Ende zählt.
      Diese Aussage des Herrn kann auch auf Israel, das Volk Gottes im Alten Testament, und auf die Nationen angewendet werden. Israel ist heute beiseitegesetzt und Menschen aus den damals so verachteten Heiden bilden jetzt das Volk Gottes (Apg 13,46).
      Eine nochmalige Ankündigung des Todes und der Auferstehung des Herrn
      „Sie waren aber auf dem Weg hinauf nach Jerusalem, und Jesus ging vor ihnen her; und sie entsetzten sich, und während sie nachfolgten, fürchteten sie sich. Und er nahm wiederum die Zwölf zu sich und fing an, ihnen zu sagen, was ihm widerfahren sollte: Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Sohn des Menschen wird den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten überliefert werden; und sie werden ihn zum Tod verurteilen und werden ihn den Nationen überliefern; und sie werden ihn verspotten und ihn anspeien und ihn geißeln und töten; und nach drei Tagen wird er auferstehen“ (Mk 10,32–34).
      Der Herr geht mit den Jüngern weiter nach Jerusalem, dem Ort, wo Er zum Tode überliefert werden würde. Er machte sich mit den Jüngern eins und ging vor ihnen her. Die Jünger folgten Ihm voll Entsetzen. Sie empfanden sicherlich, dass der Widerstand gegen den Herrn immer größer wurde, und fürchteten um sein Leben, wenn Er weiter nach Jerusalem hinaufging.
      Obwohl der Herr sie bereits wiederholt auf das vorbereitet hatte, was Ihm dort geschehen würde (Mk 8,31; 9,9.31), konnten sie es nicht recht fassen, da sie doch zu sehr mit sich und mit dem kommenden Reich beschäftigt waren.
      Doch in seiner großen Geduld nahm Er „wiederum die Zwölf zu sich und fing an, ihnen zu sagen, was ihm widerfahren sollte“. In ergreifender Weise entfaltet Er dann alles, was Ihm begegnen und wie Er zu Tode gebracht werden würde. Seine Leiden bringt Er dabei mit dem Ausdruck „Sohn des Menschen“ in Verbindung. Der Herr Jesus war wirklich und wahrhaftig Mensch und hat auch die Leiden, die Ihm widerfuhren, als Mensch empfunden und durchlitten. Der Ratschluss Gottes beinhaltet es, dass Gott Ihn als „Sohn des Menschen“ zum Herrscher über die Werke seiner Hände machen will (Ps 8; Dan 7,13.14); aber dieser Ratschluss beinhaltet auch, dass der Herr Jesus zuvor als Mensch diesen Weg tiefster Leiden und sogar bis in den Tod gehen musste.
      Der Wunsch des Fleisches, etwas zu sein
      „Und Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, treten zu ihm und sagen zu ihm: Lehrer, wir wollen, dass du uns tust, um was irgend wir dich bitten werden. Er aber sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich euch tun soll? Sie aber sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir einer zu deiner Rechten und einer zur Linken sitzen mögen in deiner Herrlichkeit. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werde? Sie aber sprachen zu ihm: Wir können es. Jesus aber sprach zu ihnen: Den Kelch, den ich trinke, werdet ihr trinken, und mit der Taufe, mit der ich getauft werde, werdet ihr getauft werden; aber das Sitzen zu meiner Rechten oder zur Linken steht nicht bei mir zu vergeben, sondern ist für die, denen es bereitet ist.
      Und als die Zehn es hörten, fingen sie an, unwillig zu werden über Jakobus und Johannes. Und als Jesus sie herzugerufen hatte, spricht er zu ihnen: Ihr wisst, dass die, die als Fürsten der Nationen gelten, diese beherrschen und dass ihre Großen Gewalt über sie ausüben. Aber so ist es nicht unter euch; sondern wer irgend unter euch groß werden will, soll euer Diener sein; und wer irgend unter euch der Erste sein will, soll der Knecht aller sein“ (Mk 10,35–44).
      Die Jünger verstanden jedoch nichts von dem, was der Herr ihnen gerade vorgestellt hatte. In großem Gegensatz zu der Bereitschaft des Herrn, den Weg tiefster Leiden zu gehen, sind sie immer noch mit sich und ihrer Stellung im Reich beschäftigt. Aus fleischlichem Antrieb kommen Jakobus und Johannes – zwei nicht unbedeutende Jünger – mit einem von großer Eigenliebe gekennzeichneten Wunsch zum Herrn. Auf die Nachfrage des Herrn spezifizieren sie ihren Wunsch genauer und machen klar, dass es ihnen um eine hohe Stellung im Reich ging.
      Ihr Ansinnen auf Ehre und Herrlichkeit in der Zukunft stand in großem Gegensatz zu dem, was Ihn aktuell beschäftigte: sein Leiden und Sterben am Kreuz.
      Diese Haltung der Jünger hat den Herrn geschmerzt. Und doch antwortet Er ihnen nicht aufgebracht oder verärgert. Er macht ihnen stattdessen mit allem Ernst noch einmal deutlich, dass der Weg zur Herrlichkeit durch Leiden führt. Es ging jetzt nicht um die Frage, welchen Platz sie im Reich einnehmen würden, sondern vielmehr um die Frage, ob sie den Kelch trinken könnten, den Er trinken würde, und ob sie mit der Taufe getauft werden könnten, mit der Er getauft werden sollte.
      Auf ihre Antwort „Wir können es“ geht Er nicht weiter ein, sondern sagt ihnen direkt, dass es ihnen einst so begegnen würde, wie es hier gesagt wird. Sie würden einmal ebenso wie Er von Seiten der Menschen leiden müssen (seinen Kelch trinken) und zum Teil sogar auch getötet werden (mit seiner Taufe getauft werden).
      In Bezug auf ihren Wunsch nach einem Platz zu seiner Rechten und Linken antwortet Er nicht so, wie sie es erwarteten. Als der vollkommen abhängige Knecht Gottes überließ Er diese Sache dem Vater und tat nichts, ohne dass der Vater Ihm etwas speziell mitgeteilt hatte.
      Leider waren auch die anderen Jünger nicht in einem besseren Zustand, wie ihre Entrüstung über die Frage der beiden anderen Jünger zeigt. Anstatt über die Eigenliebe und den Ehrgeiz der beiden betrübt und beschämt zu sein, wurden sie darüber unwillig. Dadurch kam der Stolz, der in ihren Herzen war, ans Licht. Ihr Verhalten spricht auch zu uns. Wie verhalten wir uns, wenn andere sich falsch verhalten und Fehler machen?
      Angesichts des Herzenszustands der Jünger ruft Er sie herzu und zeigt ihnen, dass sie von einem Geist, der auch unter den Nationen herrschte, gekennzeichnet waren. Er macht deutlich, dass die Prinzipien im Reich Gottes (V. 43) denen in der Welt (V. 42) oft entgegengesetzt sind. Unter den Nationen haben die Obersten und Herrscher Gewalt über ihre Untergebenen. Aber unter den Jüngern des Herrn ist es anders: Der, der damit zufrieden ist, ein Diener zu sein, und bereit ist, anderen selbstlos zu dienen, ist der „Erste“ unter ihnen.
      Wer einen solchen Platz einnimmt, ist in Übereinstimmung mit dem Herrn selbst, der das vollkommene Vorbild und der wahre Diener ist. Davon spricht der nachfolgende Vers.
      Gekommen – um zu dienen
      „Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45).
      Gerade in dem Augenblick, als die Jünger miteinander um den Vorrang streiten und das Ihre suchen, spricht der Herr diese Worte, die den Kernvers dieses Evangeliums bilden. Er, der Einzige, der ein Recht hatte zu herrschen, war gekommen, um zu dienen. Während seines ganzen Lebens auf der Erde zeigte Er diese Gesinnung. Unermüdlich war Er beschäftigt, den Bedürfnissen der Menschen zu begegnen, Kranke zu heilen, das Evangelium zu verkündigen und Liebe zu üben. Aber nicht nur das: Er hatte von dem Vater das Gebot empfangen, sein Leben zu lassen und es wiederzunehmen (Joh 10,18), damit Sünder gerettet und zu Kindern Gottes gemacht werden konnten. Und Er kam, um diesen Willen seines Vaters zu erfüllen. So wurde Er „gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Sein Dienst gipfelt darin, dass Er sein Leben als Lösegeld für viele in den Tod gegeben hat. Was für ein Heiland ist ER!
      Hier – und in Matthäus 20,28 – heißt es, dass der Herr sein Leben als Lösegeld gab für viele – nicht für alle. Das ist der Gedanke der Stellvertretung. Nur für diejenigen, die sein Erlösungswerk im Glauben annehmen und Ihm ihre Sünden bekennen, hat der Herr Jesus das Lösegeld bezahlt.
      Die Heilung des Blinden bei Jericho
      „Und sie kommen nach Jericho. Und als er aus Jericho hinausging mit seinen Jüngern und einer zahlreichen Volksmenge, saß der Sohn des Timäus, Bartimäus, der Blinde, bettelnd am Weg. Und als er hörte, dass es Jesus, der Nazarener, sei, fing er an zu schreien und zu sagen: Sohn Davids, Jesus, erbarme dich meiner! Und viele fuhren ihn an, dass er schweigen solle; er aber schrie umso mehr: Sohn Davids, erbarme dich meiner! Und Jesus blieb stehen und sprach: Ruft ihn! Und sie rufen den Blinden und sagen zu ihm: Sei guten Mutes; steh auf, er ruft dich! Er aber warf sein Oberkleid ab, sprang auf und kam zu Jesus. Und Jesus hob an und sprach zu ihm: Was willst du, dass ich dir tun soll? Der Blinde aber sprach zu ihm: Rabbuni, dass ich wieder sehend werde. Und Jesus sprach zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dich geheilt. Und sogleich wurde er wieder sehend und folgte ihm nach auf dem Weg“ (Mk 10,46–52).
      Mit der Geschichte des Blinden in Jericho beginnt in den drei ersten Evangelien die Beschreibung der letzten Ereignisse im Leben des Herrn auf der Erde, die Ihm auf seinem Weg nach Jerusalem begegneten.
      Als der Herr Jericho, die Stadt des Fluches (Jos 6,26) verlässt, sitzt ein blinder Mann mit Namen Bartimäus bettelnd am Weg. Seine Krankheit symbolisiert den Zustand des Volkes Israel. Es erkannte den Sohn Davids, den Messias, der mitten unter ihnen war, nicht. Für sie war Er nur der verachtete Nazarener. Ebenso hatte die Mehrzahl der Israeliten auch keinen Blick für den eigenen Zustand.
      Anders war es bei Bartimäus. Er konnte den Herrn zwar nicht sehen, aber er hatte ein Verlangen nach Ihm. Er hatte ein Bewusstsein seines schlimmen Zustandes und seiner Hilflosigkeit und empfand den dringenden Wunsch, davon geheilt zu werden. Als er nun hört, dass Jesus von Nazareth vorbeizieht, schreit er um Erbarmen. Dabei ruft er aber nicht nach dem Herrn als dem „Nazarener“, sondern er erkennt Ihn als den wahren König Israels, den „Sohn Davids“, an und gibt Ihm die Ehre, die Ihm zukommt.
      Sein Glaube ließ sich auch nicht durch die Drohungen der Volksmengen aufhalten. „Er schrie umso mehr“ heißt es in Vers 48. Angesichts eines solchen Glaubens und einer solchen Not kann der Herr nicht weitergehen. Er bleibt stehen, weil einer da war, der Ihn suchte. Er hatte den Ruf des Blinden schon beim ersten Mal gehört, aber Er wollte die Ausdauer des Glaubens erproben. Jetzt lässt Er den Blinden rufen. Auf den Hilferuf des Menschen antwortet Er mit seinem Ruf der Gnade. Als Bartimäus es hört, wirft er sein Gewand ab und kommt zu Jesus. Er lässt alles fallen, was ihn irgendwie hindern kann, zum Herrn zu kommen.
      Mit der Frage „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ bringt der Herr den Blinden dahin, ganz klar zu erkennen, was er braucht.
      Zugleich bietet Er ihm mit dieser Frage aber auch seine ganze Hilfe an und gibt ihm die volle Sicherheit, dass Er allen seinen Bedürfnissen entsprechen kann. Das erfährt Bartimäus dann auch sogleich auf seine Bitte, dass er sehend werden möchte. Diese Bitte des Glaubens beantwortet der Herr sofort und belohnt Er das Vertrauen, das Bartimäus Ihm entgegenbrachte. Er wurde direkt geheilt und beantwortete die Gnade des Herrn, indem er Ihm auf dem Weg nachfolgte.
      Diese Begebenheit spricht auch praktisch zu uns, indem sie uns den Weg des sündigen Menschen zu Gott zeigt und deutlich macht, inwieweit wir so einen Menschen auf seinem Weg zu Gott fördern oder hindern können.
      Von Natur aus ist jeder Mensch blind und in Jericho, d. h. unter dem Fluch der Sünde. Um aus diesem Zustand befreit zu werden, sind der persönliche Kontakt mit dem Herrn und die Annahme seines Werkes von Golgatha nötig. Wie verhalten wir uns, wenn wir einer solch suchenden Seele begegnen? Sind wir – wie die Volksmengen hier – ein Hindernis (V. 48), oder gleichen wir denen, die den Blinden rufen und zum Herrn führen (V. 49)? Sind wir durch unser Verhalten ein Hindernis für andere, oder verhalten wir uns so, dass andere an uns erkennen können, wie herrlich es ist, dem Herrn nachzufolgen und sein Eigentum zu sein?
      Kapitel 11
      Der Einzug in Jerusalem
      „Und als sie sich Jerusalem, Bethphage und Bethanien nähern, gegen den Ölberg hin, sendet er zwei seiner Jünger und spricht zu ihnen: Geht hin in das Dorf euch gegenüber; und sogleich, wenn ihr dort hineinkommt, werdet ihr ein Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat; bindet es los und bringt es herbei. Und wenn jemand zu euch sagt: Warum tut ihr dies?, so sagt: Der Herr benötigt es, und er sendet es sogleich hierher. Und sie gingen hin und fanden ein Fohlen angebunden an einer Tür draußen auf der Straße; und sie binden es los. Und einige von denen, die dort standen, sprachen zu ihnen: Was tut ihr, dass ihr das Fohlen losbindet? Sie aber sprachen zu ihnen, wie Jesus gesagt hatte. Und sie ließen sie gewähren. Und sie bringen das Fohlen zu Jesus und legen ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Und viele breiteten ihre Kleider auf den Weg aus, andere aber Zweige, die sie auf den Feldern abgehauen hatten; und die Vorangehenden und die Nachfolgenden riefen: Hosanna! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Gepriesen sei das kommende Reich unseres Vaters David! Hosanna in der Höhe! Und er zog in Jerusalem ein, in den Tempel; und als er über alles umhergeblickt hatte, ging er, da es schon spät an der Zeit war, mit den Zwölfen hinaus nach Bethanien“ (Mk 11,1–11).
      Mit Kapitel 11 beginnt die letzte Woche für den Herrn, die mit seinem Begräbnis am Ende von Kapitel 15 endet. Sein Weg führt immer näher nach Jerusalem hinauf. Auf diesem Weg finden wir, wie Gott wirkt, um seinem Sohn ein letztes Lob von Seiten des Volkes zukommen zu lassen. Die Szene, die wir hier vor uns haben, ist ein Vorgeschmack der Huldigung, die dem Herrn bei seinem Einzug in Jerusalem zu Beginn des Friedensreiches zuteilwerden wird.
      Nahe bei Jerusalem, Bethphage und Bethanien sendet der Herr zwei Jünger in ein Dorf, wo sie ein Eselsfohlen angebunden finden würden, das sie lösen und zu Ihm bringen sollen. So eine Anordnung konnte Er, als Herr der ganzen Schöpfung, geben. Hier – und auch in Kapitel 14,13 – wird wieder deutlich, dass der Herr, auch wenn Er seinen Weg in Niedrigkeit und Demut als der Knecht Gottes ging, doch zugleich auch der allwissende Sohn Gottes ist.
      Die Jünger gehen in das Dorf, finden alles so vor, wie der Herr es ihnen gesagt hatte, und bringen das Fohlen zu Ihm. Diesen jungen Esel benutzt der Herr dann, um in Jerusalem einzuziehen. Damit handelt Er ganz in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes. Zum einen erfüllt Er die Prophezeiung aus Sacharja 9,9. Er kam nicht in Macht und Herrlichkeit, sondern in aller Demut und Sanftmut, reitend auf einem Eselsfohlen.
      Zum anderen war der Esel das von Gott vorgesehene „Fortbewegungsmittel“ für sein Volk. Pferde waren dem Volk Israel und besonders seinen Königen lediglich in Maßen erlaubt (5. Mo 17,16). Diesem Gebot Gottes wurde wohl auch bis zur Zeit Salomos Folge geleistet. So finden wir z. B. im Buch der Richter, dass hochgestellte Leute im Volk Israel auf Eseln ritten (Ri 5,10; 10,4; 12,14). Erst Salomo fing an, sich die Rosse zu mehren (1. Kön 10,26–29). Es ist daher schön, zu sehen, dass, wenn der Herr sich als der König Israels zeigt, Er in allen Teilen nach den Gedanken Gottes handelt.
      In diesen Versen wird ganz besonders deutlich, dass Gott in allem der Handelnde ist. Er bewirkt, dass der Besitzer des Fohlens es bereitwillig dem Herrn zur Verfügung stellt.
      Er bewirkt auch, dass dieses Fohlen, auf dem bis dahin kein Mensch gesessen hatte, willig folgt, als der Herr es benutzt, um darauf nach Jerusalem zu reiten. Normalerweise ist ein junger Esel sehr störrisch, wenn zum ersten Mal jemand auf ihm reiten will. Hier jedoch nicht, der Esel ist unter der Leitung des Herrn folgsam.
      Ganz besonders wird das Wirken Gottes in der Huldigung sichtbar, die die Mengen dem Herrn Jesus entgegenbringen. Viele von ihnen verstanden nicht, was sie mit ihren Worten sagten. Aber Gott führte es so, dass seinem Sohn auf dem Weg zum Kreuz diese Huldigung noch gebracht wurde.
      Was für Empfindungen müssen in dem Herzen des Herrn gewesen sein, als Er so in seine Stadt, die „Stadt des großen Königs“, einzog, und das in dem Bewusstsein, dass dort das Kreuz auf Ihn wartete und dass ein Großteil derer, die Ihm hier huldigten, dann rufen würde: „Kreuzige Ihn!“ (Kap. 15,13.14).
      Hier ist es nur eine kurzzeitige Bewegung in den Herzen der Menschen. Aber in der Zukunft, wenn die Prophezeiung aus Sacharja 9,9 und 10 ganz erfüllt und Er in Jerusalem einziehen wird, um sein Reich aufzurichten, wird Ihm ein aufrichtiges Lob gebracht werden und sein Volk beständig „voller Willigkeit sein“ (Ps 110,3).
      In Jerusalem angekommen, stößt der Herr sofort in das Zentrum des jüdischen Gottesdienstes vor – in den Tempel. Er hatte das Tun der Menschen gesehen und ihre Worte gehört, aber jetzt kommt Er, um sich alles von innen zu besehen. Das tut Er bei jedem Menschen, auch bei den Gläubigen. Denn das, was nach außen sichtbar ist, kommt aus dem Herzen des Menschen hervor. Was findet Er in unseren Herzen? Ist das, was nach außen sichtbar ist, in unseren Herzen gegründet, oder täuschen wir etwas vor, so dass der Herr zu anderen weitergehen muss, wo Er das findet, was Er sucht?
      So war es hier. Er bleibt nicht über Nacht in Jerusalem, sondern geht hinaus nach Bethanien, wo Herzen sind, die Ihm entgegenschlagen, und wo Er so kurz vor dem Kreuz noch etwas Ruhe finden kann.
      Im Matthäusevangelium wird nichts davon berichtet, dass der Herr zunächst einmal in den Tempel geht, um sich alles anzusehen. Dort wird sofort von der Tempelreinigung berichtet, die Er in richterlicher Autorität durchführt (Mt 21,12.13). Hier geht Er zunächst in den Tempel, um sich in Ruhe mit eigenen Augen ein Bild von der Situation zu machen. Das ist in Übereinstimmung mit dem Charakter dieses Evangeliums, indem es uns den Herrn zeigt, wie Er persönlich in die Situation eintritt, die sich vor Ihm abspielte. Dieses Handeln des Herrn zeigt etwas von der Langmut Gottes, die z. B. auch in 1. Mose 18,20 und 21 bei Sodom deutlich wurde.
      Der fruchtlose Feigenbaum
      „Und am folgenden Tag, als sie von Bethanien weggegangen waren, hungerte ihn. Und als er von weitem einen Feigenbaum sah, der Blätter hatte, ging er hin, ob er vielleicht etwas an ihm fände; und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter, denn es war nicht die Zeit der Feigen. Und er hob an und sprach zu ihm: Nie mehr esse jemand Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten es“ (Mk 11,12–14).
      Am folgenden Morgen kehrt der Herr aus der schönen Atmosphäre von Bethanien wieder zurück nach Jerusalem. Sein Auftrag an dem Volk Israel und auch an der Stadt Jerusalem war noch nicht erfüllt. Daher geht Er als der treue Diener wieder nach Jerusalem zurück. Auf dem Weg dorthin „hungert Ihn“ und Er sucht Frucht an einem Feigenbaum, der aber nur Blätter und keine Früchte hat.
      Um richtig zu verstehen, warum der Herr diesen Feigenbaum verfluchte, weil er nur Blätter hatte, und warum es doch am Ende von Vers 13 heißt, dass es nicht die Zeit der Feigen war, ist es hilfreich, wenn wir zwei Dinge bedenken:
      1. Ein Feigenbaum in Palästina trägt dreimal im Jahr Früchte. Die ersten Früchte, die sogenannten Vorfeigen bilden sich im Frühjahr zusammen mit den ersten Blättern. Obwohl sie nicht saftig sind, werden sie trotzdem gegessen. Zu Beginn des Sommers entwickeln sich dann die Frühfeigen. Ihnen folgen dann die Spätfeigen, die am Ende des Sommers die Haupternte bilden.
      2. Wenn es heißt, dass es nicht die Zeit der Feigen war, meint das, dass es nicht die Erntezeit der Feigen war.

      Da dieser Feigenbaum Blätter hatte und die Früchte normalerweise schon vor, bzw. mit den Blättern da sind, hätte dieser Feigenbaum Früchte haben müssen, es sei denn, sie wären schon abgeerntet gewesen. Dies wird jedoch mit dem Hinweis darauf, dass es nicht die Erntezeit der Feigen war, ausgeschlossen.
      Der Baum täuschte also durch die Blätter nach außen vor, Frucht zu tragen, obwohl sie gar nicht da war. Das war es, was der Herr richten musste.
      Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Feigenbaum hier ein treffendes Bild von dem Zustand des Volkes Israel zur Zeit des Herrn war. Rein äußerlich gesehen waren viele „Blätter“ einer religiösen Form und eines frommen Bekenntnisses vorhanden, aber es war keine Frucht für Gott da.
      Diese Frucht suchte der Herr bei seinem Volk (s. a. Lk 13,6–9), aber Er fand nichts als nur Blätter, nichts als nur eine äußere Form. Daher musste der Herr das Volk Israel in seinem verderbten Zustand verfluchen und beiseitesetzen.
      Bedeuten die Worte des Herrn in Vers 14, dass Israel nie wiederhergestellt werden wird? Sicherlich nicht, denn aus vielen anderen Stellen wissen wir, dass Gott sein Volk in der Zukunft wieder annehmen wird. Aber dann wird das Volk in einem völlig anderen Zustand vor Gott sein. Die Wiederannahme des Volkes wird in Römer 11,15 mit „Leben aus den Toten“ verglichen. Erst in diesem neuen Zustand kann Gott die Frucht bei seinem Volk finden, die Er so lange vergeblich gesucht hat.
      Wir können diese Begebenheit auf uns anwenden, denn auch bei uns sucht Gott Frucht (Röm 7,4).
      Aus Psalm 1 und Jeremia 17,7 und 8 wissen wir, dass die Menschen oft mit Bäumen verglichen werden. Ein Baum ist durch Wurzeln, Blätter und Früchte gekennzeichnet. Das, was man nach außen von einem Baum sieht, sind die Blätter. Sie reden von dem Zeugnis eines Menschen, von dem, was man von ihm sieht. Das Zeugnis ist wichtig, aber wenn es ohne Frucht ist, ist es wertlos für Gott. Frucht gibt es jedoch nur, wenn die Wurzeln des Baumes im Wasser gegründet sind. So können auch wir nur aus der Gemeinschaft mit Gott heraus Frucht hervorbringen (Joh 15,5); Frucht, die Ihm wohlgefällig ist und die Er sucht. In der allgemeinen Christenheit heute kann Er sie nicht finden. Findet Er sie bei uns? Oder täuschen auch wir durch ein frommes Bekenntnis oder einen nach außen tadellosen Wandel etwas vor, was in Wirklichkeit bei uns gar nicht vorhanden ist?
      Die Tempelreinigung
      „Und sie kommen nach Jerusalem. Und als er in den Tempel eingetreten war, fing er an hinauszutreiben, die im Tempel verkauften und kauften; und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um. Und er erlaubte nicht, dass jemand ein Gefäß durch den Tempel trug. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: „Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Nationen“? Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht. Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten es und suchten, wie sie ihn umbringen könnten; denn sie fürchteten ihn, weil die ganze Volksmenge sehr erstaunt war über seine Lehre. Und wenn es Abend wurde, ging er zur Stadt hinaus“ (Mk 11,15–19).
      In Jerusalem angekommen, geht Er wieder in den Tempel und beginnt mit Autorität den Tempel zu reinigen. Was für ein Schmerz muss es für den Herrn gewesen sein, zu sehen, was die Menschen aus dem Haus Gottes gemacht hatten! Es war ein Ort, um Gott zu nahen und um zu beten, diese Menschen aber hatten es zu einer „Räuberhöhle“ gemacht, wo sie der Geldliebe und dem Handel nachgingen.
      Es war der Wunsch Gottes, dass man in seinem Haus Ihn und seine Ehre suchte. Aber die Menschen hatten sein Haus zu einer Räuberhöhle gemacht, zu einem Ort, wo sie etwas für sich selbst suchten und sich in den Mittelpunkt stellten. Sie missachteten zwei große Grundsätze des Hauses Gottes: zum einen, dass dem Haus Gottes Heiligkeit geziemt (Ps 93,5), und zum anderen, dass es ein Bethaus für alle Nationen sein sollte (Jes 56,7; 1. Tim 2,1). Dies musste Er richten, denn mit einer äußeren Form kann Er sich nicht zufrieden geben.
      Der Zusammenhang, in dem die hier vom Herrn zitierten Worte aus Jeremia 7,8–11 stehen, zeigt den schlimmen Zustand, der hier herrschte. Diese Worte hätten die, die diese Schriftstelle kannten, treffen und verurteilen müssen. Aber anstelle einer Umkehr bewirkten sie nur noch mehr Hass und Ablehnung bei den Schriftgelehrten. Sie wollten Ihn töten, weil sie um ihren Einfluss bei den Volksmengen fürchteten. Da seine Stunde noch nicht gekommen war, konnten sie ihre Pläne nicht ausführen, aber was für einen Schmerz fügten sie dem Herrn damit zu. Doch in dem Bewusstsein, dass auch diese Leiden zum Ratschluss Gottes für Ihn gehörten, ertrug Er sie still, ging jedoch abends wieder aus der Stadt hinaus.
      Diese Begebenheit können wir auch auf uns anwenden. Sie zeigt uns wieder den Gedanken der Unterscheidung zwischen dem Inneren und dem Äußeren (s. a. Verse 11.13). Auch in Verbindung mit dem Gottesdienst geht es dem Herrn um den Zustand unserer Herzen. Wir können nach außen einen perfekten Gottesdienst ausüben, aber doch in unseren Herzen Dinge haben, die damit nicht in Verbindung zu bringen sind und die der Heiligkeit Gottes völlig entgegengesetzt sind. Davor müssen wir uns hüten.
      Die Kraft des Glaubens und des Gebets
      „Und als sie frühmorgens vorbeigingen, sahen sie den Feigenbaum verdorrt von den Wurzeln an. Und Petrus erinnerte sich und spricht zu ihm: Rabbi, siehe, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Und Jesus antwortete und spricht zu ihnen: Habt Glauben an Gott. Wahrlich, ich sage euch: Wer irgend zu diesem Berg sagen wird: Werde aufgehoben und ins Meer geworfen! – und nicht zweifeln wird in seinem Herzen, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt –, dem wird es werden. Darum sage ich euch: Alles, um was ihr betet und bittet – glaubt, dass ihr es empfangt, und es wird euch werden. Und wenn ihr dasteht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer Vater, der in den Himmeln ist, euch eure Vergehungen vergebe. Wenn ihr aber nicht vergebt, so wird euer Vater, der in den Himmeln ist, auch eure Vergehungen nicht vergeben“ (Mk 11,20–26).
      Frühmorgens ist der Herr wieder auf dem Weg nach Jerusalem. Obwohl sein Dienst zu Ende ging und der Widerstand immer stärker wurde, finden wir den Herrn als den treuen Diener wieder früh unterwegs, um seinen Dienst fortzusetzen. Auf dem Weg geht Er mit seinen Jüngern an dem verfluchten Feigenbaum vorbei und sie sehen diesen verdorrt. Die Schnelligkeit, mit der dies geschah, und die Tatsache, dass der Baum nicht wie gewöhnlich von außen, sondern von den Wurzeln an verdorrte, unterstreicht die Tatsache, dass es ein vom Herrn bewirktes Wunder war. So schnell, wie dieser Baum verdorrte, so schnell verfiel auch das Volk Israel nach der Kreuzigung des Herrn in die Bedeutungslosigkeit und „verdorrte“.
      Petrus und die anderen Jünger hatten mit offenen Ohren (V. 14) und Augen (V. 20) das verfolgt, was der Herr gesagt und getan hatte, und jetzt spricht Petrus darüber mit dem Herrn (V. 21). Dies benutzt der Herr, um den Jüngern noch mehr zu zeigen.
      Er fordert sie auf, Glauben an Gott zu haben. Der Gott, der Ihm geantwortet hatte, war auch bereit, ihre Bitten zu erhören und jedes Hindernis in ihrem Dienst für Ihn aus dem Weg zu räumen. Wenn sie so einen bedingungslosen Glauben hätten, könnten sie zu einem Berg sagen, dass er aufgehoben und ins Meer geworfen werden solle. Damit ist sicherlich nicht buchstäblich ein Berg gemeint, sondern der Herr benutzt das Bild des Berges als eine weitere Beschreibung Israels.
      Der Berg scheint hier somit ein Bild von Israel als Nation und Volk auf dieser Erde zu sein. Israel würde als etablierte Nation in dieser Welt weggetan und ins Meer der Nationen geworfen werden. Damit erweitert der Herr das Bild des verdorrten Feigenbaums in Bezug auf Israel. Israel hatte nicht nur aufgehört, das fruchtbringende Volk Gottes zu sein, es würde auch als Nation an sich bedeutungslos werden und sich in den Nationen verlieren. Der Glaube, der sich immer auf das Wort und den Willen Gottes stützt, konnte dies voraussagen, da es im Alten Testament bereits vorausgesagt worden war (z. B. 5. Mo 28,64.65).
      Zum anderen ist ein Berg auch ein Symbol für ein Hindernis auf dem Weg. Unter diesem Aspekt können wir in dem Berg ein Bild des Widerstandes und der Feindschaft des Volkes gegen den Herrn sehen. Angesichts dieses Widerstandes, der sich wie ein großer Berg auch vor den Jüngern auftürmte – was besonders auch in der Apostelgeschichte deutlich wird –, brauchten sie Glauben an Gott, um nicht zu verzagen. Der Herr sagt ihnen daher mit diesem Bild, dass auch dieser Widerstand zerbrochen werden würde.
      In Verbindung mit den Worten über das Gebet nennt der Herr in diesen Versen zwei Voraussetzungen für die Erhörung eines Gebetes.
      Zum einen ist es ein bedingungsloser Glaube (V. 23.24). Ein Gott wohlgefälliges Gebet des Glaubens ist immer durch Vertrauen zu Gott untermauert. So war es in vollkommener Weise bei dem Herrn Jesus. Er kannte den Willen Gottes völlig und setzte sein Vertrauen auf Ihn (Heb 2,13).
      Je mehr wir in unseren Gebeten Ihm ähnlich werden und durch glaubensvolles Vertrauen gekennzeichnet sind, desto eher können wir mit der Erhörung unserer Gebete rechnen, da dann jeder Selbstzweck aus unseren Gebeten verschwindet und wir in Übereinstimmung mit seinem Willen bitten.
      Die andere Voraussetzung ist eine vergebungsbereite Herzenshaltung. Wenn jemand gegen uns gesündigt hat und wir somit berechtigterweise etwas (es geht nicht nur um große Dinge) gegen ihn haben, sollten wir doch jederzeit zum Vergeben bereit sein. Dies fällt uns umso leichter, wenn wir daran denken, wie viel Gott uns vergeben hat. Sind wir nicht zum Vergeben bereit, können wir in der täglichen Praxis unseres Lebens auch nicht mit der Vergebung Gottes rechnen.
      Um Gebetserhörungen zu erleben (V. 24), muss also unsere Beziehung zu Gott (V. 23) und unsere Beziehung zu unseren Mitmenschen (V. 25.26) in Ordnung sein.
      In Verbindung mit der Erhörung unserer Gebete werden in der Bibel noch verschiedene andere Voraussetzungen gezeigt:
      1. Joh 9,31: Gottesfurcht und das Tun seines Willens
      2. Joh 14,13; 16,23: in seinem Namen bitten
      3. Joh 15,7: in Ihm und in seinem Wort bleiben
      4. 1. Joh 3,21.22: seine Gebote halten und das Ihm Wohlgefällige tun
      5. 1. Joh 5,14.15: nach seinem Willen bitten

      Es werden jedoch auch verschiedene Dinge gezeigt, die einer Erhörung unserer Gebete entgegenstehen können:
      1. Ps 66,18: Sünde bei uns
      2. Spr 21,13: Gleichgültigkeit gegenüber der Not anderer
      3. Spr 28,9: Eigenwille / Ungehorsam
      4. Jak 1,6: Zweifel
      5. Jak 4,3: falsche, üble Bitten
      6. 1. Pet 3,7: falsches Verhalten den Ehefrauen gegenüber

      Diese Voraussetzungen und Hindernisse sollten wir gut bedenken, wenn wir mit der Erhörung unserer Gebete rechnen wollen. Aber zugleich brauchen wir uns auch nicht vor jedem Gebet ängstlich zu fragen, ob wir alle Punkte erfüllen. Denn es gilt auch das Wort aus Römer 8,26 und 27, dass der Geist sich unserer Schwachheit annimmt und sich für uns verwendet, da wir nicht wissen, was wir bitten sollen. Gott ist „eingedenk, dass wir Staub sind“ (Ps 103,14), und darauf können wir uns stützen, wenn wir in Umständen sind, die unseren Glauben niederdrücken, und wir kaum noch beten können.
      „In welchem Recht tust du diese Dinge?“
      „Und sie kommen wieder nach Jerusalem. Und als er im Tempel umherging, kommen die Hohenpriester und die Schriftgelehrten und die Ältesten zu ihm und sagten zu ihm: In welchem Recht tust du diese Dinge? Oder wer hat dir dieses Recht gegeben, dass du diese Dinge tust? Jesus aber sprach zu ihnen: Auch ich will euch ein Wort fragen, und antwortet mir, und ich werde euch sagen, in welchem Recht ich diese Dinge tue: Die Taufe des Johannes, war sie vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir. Und sie überlegten miteinander und sprachen: Wenn wir sagen: Vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt? Sagen wir aber: Von Menschen – sie fürchteten die Volksmenge, denn alle dachten von Johannes, dass er wirklich ein Prophet war. Und sie antworteten Jesus und sagen: Wir wissen es nicht. Und Jesus spricht zu ihnen: So sage auch ich euch nicht, in welchem Recht ich diese Dinge tue“ (Mk 11,27–33).
      Als der Herr und seine Jünger wieder in Jerusalem sind, konfrontieren die Obersten des Volkes den Herrn mit der Frage, in welchem Recht Er die Dinge tat, die geschehen waren. Diese Frage war insbesondere eine Reaktion auf das Handeln des Herrn in den Versen 15–18, das die Obersten sehr verärgert hatte. Als der Herzenskenner wusste der Herr sofort, dass es keine aufrichtige Frage war, und beantwortet ihre Frage daher nicht direkt.
      Um ihre Herzen offenbar zu machen, stellt Er ihnen stattdessen eine Gegenfrage. Er fragt sie in seiner Weisheit, ob die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen war.
      Mit dieser Frage traf Er die Herzen der Führer des Volkes. Denn die Taufe des Johannes war mit dem Aufruf zur Buße verbunden. Diesen hatten sie abgelehnt, weil sie nicht Buße tun wollten. Aber diese Frage brachte die Obersten auch in Verlegenheit. Wenn sie anerkannten, dass die Autorität Johannes` vom Himmel kam, verurteilten sie ihren eigenen Unglauben. Schrieben sie seine Autorität jedoch den Menschen zu, hätten sie sich den Ärger des Volkes zugezogen, an dessen Gunst ihnen doch sehr gelegen war.
      Ihre Überlegungen „wenn wir sagen: Vom Himmel, … sagen wir aber: Von Menschen …“ zeigen, dass sie an einer aufrichtigen Antwort nicht interessiert waren. Es war offenbar, dass Johannes in der Autorität und Vollmacht des Himmels handelte. Welcher Mensch hätte ihm auch so eine Vollmacht geben können? Aber da sie die Autorität vom Himmel nicht anerkennen wollten, flüchteten sie sich in geheuchelte Unwissenheit, die jedoch in Wirklichkeit Unwahrheit war.
      Mit ihrer Antwort stellten sie sich selbst ein Armutszeugnis aus. Wenn sie schon in Bezug auf Johannes die Frage der Vollmacht – die ebenso wie die des Herrn vom Himmel kam – nicht beurteilen konnten, wie wollten sie es dann im Fall des Herrn Jesus tun? Der Herr beantwortet ihre Frage daher auch nicht weiter.
      Aus diesen Versen können wir einige praktische Anwendungen ziehen:
      Wird es in unserem Leben deutlich, in wessen Auftrag und Vollmacht wir handeln? Das kann man sehen, wenn wir in der täglichen Praxis ein „Brief Christi“ sind und wenn es in unserem Dienst deutlich wird, dass wir Ihm dienen möchten und nicht unsere eigene Ehre suchen (1. Pet 4,11). Bei dem Herrn Jesus war jederzeit klar und deutlich zu erkennen, dass Er seinem Gott und Vater diente.
      Wenn es bei uns um die Anerkennung von Autoritäten geht, müssen wir uns die Frage stellen, ob diese Autorität von Gott gegeben ist oder von Menschen angemaßt ist. Ist sie von Gott, müssen wir sie anerkennen. Tun wir das nicht, müssen wir die Folgen tragen.
      Wir finden auch noch einen praktischen Hinweis für das Bibelstudium in dieser Begebenheit. Da die Obersten unaufrichtig und nicht bereit waren, die Autorität des Herrn Jesus anzuerkennen, bekamen sie keine Antwort auf ihre Frage. Auch wir empfangen nur dann weiteres Licht über Ihn und sein Wort, wenn wir aufrichtig sind und das, was wir bereits erkannt haben, in unserem praktischen Leben verwirklichen.
      Kapitel 12
      Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern
      „Und er fing an, in Gleichnissen zu ihnen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und setzte einen Zaun darum und grub einen Keltertrog und baute einen Turm; und er verpachtete ihn an Weingärtner und reiste außer Landes. Und er sandte zur bestimmten Zeit einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern von den Früchten des Weinbergs in Empfang nehme. Und sie nahmen ihn, schlugen ihn und sandten ihn leer fort. Und wiederum sandte er einen anderen Knecht zu ihnen; und den schlugen sie auf den Kopf und behandelten ihn verächtlich. Und er sandte einen anderen, und den töteten sie; und viele andere: Die einen schlugen sie, die anderen töteten sie. Da er nun noch einen geliebten Sohn hatte, sandte er ihn als letzten zu ihnen und sprach: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Jene Weingärtner aber sprachen zueinander: Dieser ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, und das Erbe wird unser sein. Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn zum Weinberg hinaus. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg anderen geben. Habt ihr nicht auch diese Schrift gelesen: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden; von dem Herrn her ist er dies geworden. Und er ist wunderbar in unseren Augen“? Und sie suchten ihn zu greifen; doch sie fürchteten die Volksmenge; denn sie erkannten, dass er das Gleichnis im Blick auf sie geredet hatte. Und sie ließen ihn und gingen weg“ (Mk 12,1–12).
      In den vorangegangenen Versen war der verderbte Zustand der Obersten des Volkes noch einmal so besonders deutlich geworden. Diese Zustandsbeschreibung stellt der Herr als der göttliche Prophet hier in Form eines Gleichnisses in einen größeren Zusammenhang. Er beschreibt die lange Geschichte des Volkes Israel als verantwortliches irdisches Volk Gottes und zeigt, wie es zu diesem schlimmen Zustand gekommen war, der in der Tötung des geliebten Sohnes seinen Höhepunkt finden würde. Zugleich wird in diesem Gleichnis aber auch die überwältigend große Güte und Fürsorge Gottes gegenüber seinem undankbaren und ablehnenden Volk deutlich.
      Der Weinberg, den der Hausherr in diesem Gleichnis pflanzte, ist ein Bild des Volkes Israel. Schon im Alten Testament wird dieses Bild mehrfach für Israel benutzt, wenn wir an Stellen wie Jeremia 12,10 und Jesaja 5,1–7 denken. Die Mühe, die der Hausherr sich um seinen Weinberg machte, zeigt eindrucksvoll, welche Mühe sich Gott um sein Volk gemacht hatte und wie Er alle Rahmenbedingungen geschaffen hatte, damit es Ihm die Frucht bringen konnte, die Er suchte.
      Er hatte sein Volk von den Nationen abgesondert und wollte sie durch das Gesetz vor den Sünden der Nationen bewahren (der Zaun). Zugleich hatte Er jede Vorsorge getroffen, damit das Volk Frucht bringen und auch Freude haben konnte (die Kelter), und hatte über sein Volk gewacht und es beschützt (der Turm).
      Dann wird berichtet, dass der Hausherr den Weinberg an Weingärtner verpachtete und außer Landes reiste. Gott griff in seiner Regierung nicht mehr so direkt ein, wie Er es während der Wüstenreise getan hatte, und legte die Verwaltung des Volkes in die Hände der Obersten und Führer der Juden.
      Aber auch wenn Er „außer Landes reiste“ und das Volk sich von Gott entfernte, ließ Er es in seiner Gnade nicht einfach laufen. Er „machte sich früh auf“, wie es in Jeremia 7,13 heißt, und sandte seine Boten, die Propheten, zu seinem Volk. Er wollte „von den Früchten des Weinbergs in Empfang zu nehmen“. Doch die religiösen Führer des Volkes lehnten die Boten Gottes ab, verachteten sie und gingen in ihrem Hass gegen sie sogar immer weiter, wie die Verse 2–5 unseres Abschnitts zeigen. Schon im Alten Testament war dies vorhergesagt worden: „Und der Herr, der Gott ihrer Väter, sandte zu ihnen durch seine Boten, früh sich aufmachend und sendend; denn er erbarmte sich seines Volkes und seiner Wohnung. Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten seine Worte und verhöhnten seine Propheten, bis der Grimm des Herrn gegen sein Volk stieg, dass keine Heilung mehr war“ (2. Chr 36,15.16). Auch Nehemia 9,26, Apostelgeschichte 7,52 und 1. Thessalonicher 2,15 weisen auf dieses böse Verhalten hin.
      Nachdem das Volk die ersten Boten abgelehnt hatte, brachte Gott in seiner großen Langmut und jahrhundertelangen Geduld noch kein Gericht über das Volk, sondern sandte immer wieder neue Knechte – bis Er schließlich nur noch einen geliebten Sohn hatte und auch Ihn sandte.
      Der Evangelist Markus beschreibt die Sendung des Sohnes besonders eindrucksvoll: „Da er nun noch einen geliebten Sohn hatte, sandte er ihn als letzten zu ihnen und sprach: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen“ (V. 6). Das war die höchste Gabe, die Er geben konnte. Alle Boten, die zum Weinberg kamen, wurden von Gott gesandt und wurden von dem Volk abgelehnt. Aber nur einer war kein Knecht, sondern der Sohn, der geliebte Sohn Gottes. „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn“ (Heb 1,1.2).
      Doch diesen größten Beweis der Liebe Gottes beantworteten die Führer des Volkes mit schlimmstem Hass. In Matthäus 21,38 lesen wir, dass dieser Hass und der Wunsch, den Sohn Gottes zu töten, schon aufkamen, als sie den Herrn nur sahen. Dem Herrn begegnete genau das, was im Vorbild auch Joseph schon geschehen war (1. Mo 37,18).
      Hass und Neid waren die besonderen Kennzeichen, mit denen die Juden dem Herrn begegneten; das wusste auch Pilatus (Mt 27,18). Die Römer behandelten den Herrn wohl grausam, aber an seiner Person lag ihnen nicht viel. Gezielter Hass und Neid kennzeichnete jedoch insbesondere die Juden. Durch dieses Verhalten gegenüber dem Sohn Gottes und seiner Liebe wurde die völlige Verderbtheit des Volkes, und auch der Menschen im Allgemeinen, endgültig offenbar.
      Was muss es für den Herrn gewesen sein, in der Mitte der „Weingärtner“ zu stehen und seinen nahe bevorstehenden Tod mit den Worten vorauszusagen: „Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn zum Weinberg hinaus“ (V. 8)! Viel mehr als das, was man in den vergangenen Jahren den einzelnen Knechten angetan hatte, würde man in wenigen Tagen Ihm selbst, dem Sohn, antun. Die Berichte über die Verurteilung und Kreuzigung des Herrn in den Evangelien zeigen dies deutlich (z. B. Mt 26,67; 27,22–31).
      Die Worte der Weingärtner in Vers 7: „Dieser ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, und das Erbe wird unser sein“, machen zweierlei deutlich: Zum einen zeigen sie, dass die Obersten der Juden genau wussten, wen sie in dem Sohn vor sich hatten, und sie lehnten Ihn daher ganz bewusst ab und verwarfen Ihn. Zum anderen wird offenbar, zu welch einer Verblendung der Hass gegen den Herrn Jesus und das Leben in der Sünde führen kann und was für folgenschwere Irrtümer daraus resultieren können:
      Die „Weingärtner“ irrten, indem sie dachten, den Herrn durch seine Tötung an der Besitznahme seines Erbteils hindern zu können. Sie irrten auch, wenn sie meinten, durch den Tod des Erben das Erbe an sich bringen zu können. Statt des Erbes empfingen sie das Gericht Gottes, wie es in Vers 9 angekündigt wird.
      Sie vergaßen, dass hinter dem „Erben“ der „Herr des Weinbergs“ stand, und rechneten nicht mit dessen Eingreifen, das hier mit drei Konsequenzen in Verbindung gebracht wird:
      1. Gericht für die Weingärtner;
      2. Übergabe des Weinbergs an „andere“ und
      3. Ehre für den geliebten Sohn.

      Der Herr des Weinbergs würde kommen und die Weingärtner umbringen (V. 9), das heißt, die Weingärtner würden Gericht empfangen. Der erste Teil dieses Gerichts fand im Jahr 70 n. Chr. statt, als Jerusalem und der Tempel von den Römern zerstört wurden. Der zweite Teil des Gerichts wird bei der Ankunft des Herrn in Macht und Herrlichkeit erfüllt werden.
      Dann würde der Herr des Weinbergs den Weinberg „anderen geben“. Gott wird in der Zukunft für einen Überrest sorgen, der Ihm die Frucht bringen wird, die Er so lange vergeblich gesucht hat. Das wird das wiederhergestellte Volk Israel im 1000-jährigen Reich sein. „Und dein Volk, sie alle werden Gerechte sein, werden das Land besitzen auf ewig, sie, ein Spross meiner Pflanzungen, ein Werk meiner Hände, zu meiner Verherrlichung“ (Jes 60,21).
      Die dritte Konsequenz wird in Vers 10 und 11 gezeigt. In diesen Versen wechselt zwar das Bild, aber nicht das Thema. Vom Bild des Weinbergs geht der Herr zu dem eines Hauses über. Im Weinberg verwarfen die Knechte den Sohn, im Haus verwarfen die Bauleute den Stein. Der Herr selbst war dieser „Stein“ aus Psalm 118,22.23, auf den Er hier anspielt und von dem auch an vielen anderen Stellen in der Schrift gesprochen wird (z. B. 1. Mo 49,24; Jes 28,16; 1. Pet 2,6). Er, der durch die Hand der Bauleute verworfen wurde, wird durch die Hand Gottes einst hoch erhoben und verherrlicht werden. Gott ehrt seinen Sohn, den die Menschen verworfen haben!
      Die Verblendung der Obersten der Juden wird auch in Vers 12 deutlich. Sie erkannten, dass der Herr das Gleichnis im Blick auf sie geredet hatte. Und doch suchten sie, Ihn zu töten. Dadurch bestätigten sie die Worte des Herrn und beschleunigten sozusagen ihre Erfüllung, gerade im Hinblick auf ihr Gericht.
      „Und sie ließen Ihn und gingen weg“ – das war ihre Reaktion auf die Worte des Herrn, die sie getroffen hatten. Eine Entscheidung, die – falls sie nicht noch Buße taten – ewiges Verderben für sie bedeutete. Für uns stellt sich die Frage, wie wir uns verhalten, wenn das Wort Gottes uns trifft.
      Die Frage nach der Steuer für den Kaiser
      „Und sie senden einige der Pharisäer und der Herodianer zu ihm, damit sie ihn in der Rede fingen. Und sie kommen und sagen zu ihm: Lehrer, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und dich um niemand kümmerst; denn du siehst nicht auf die Person der Menschen, sondern lehrst den Weg Gottes nach der Wahrheit. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben, oder nicht? Sollen wir sie geben, oder sollen wir sie nicht geben? Da er aber ihre Heuchelei kannte, sprach er zu ihnen: Was versucht ihr mich? Bringt mir einen Denar, damit ich ihn sehe. Sie aber brachten einen. Und er spricht zu ihnen: Wessen ist dieses Bild und die Aufschrift? Sie aber sprachen zu ihm: Des Kaisers. Jesus aber sprach zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Und sie verwunderten sich über ihn“ (Mk 12,13–17).
      In den jetzt folgenden Abschnitten kommen die Führer der verschiedenen Klassen der Juden zum Herrn, um Ihn zu versuchen. Es ist beeindruckend, zu sehen, dass der Herr, obwohl Er sie völlig durchschaut, sich doch immer wieder mit ihnen beschäftigt. Er offenbart die Überlegungen ihrer Herzen und stellt sie bloß, aber das tut Er in heiligem Ernst und Entschiedenheit.
      Zunächst sehen wir, dass die Pharisäer und Herodianer – zwei an sich verfeindete Parteien – sich vereinigen und zu dem Herrn kommen, um Ihn in der Rede zu fangen. Der Hass gegen den Herrn und der gemeinsame Wunsch, Ihn beiseitezusetzen, führte zu dieser Vereinigung der Pharisäer, die die höchste religiöse Partei in Israel darstellten, mit den Herodianern, die eine weltliche, politische Partei bildeten und nach Macht und Ansehen in dieser Welt strebten. Daran und auch an der freundschaftlichen Verbindung zwischen Pilatus und Herodes in Lukas 23,12 können wir erkennen, was für eine vereinigende Kraft in der Ablehnung des Herrn liegt. Aber was für eine vereinigende Kraft liegt im Gegensatz dazu in der Liebe zum Herrn, wenn wir an die ersten Christen in der Apostelgeschichte denken (z. B. Apg 4,32).
      Sie treten zunächst mit schmeichelnden Worten an den Herrn Jesus heran, wohl in der Hoffnung, Ihn dadurch leichter zu Fall zu bringen. Das, was sie in Heuchelei sagten, traf für sich genommen genau auf den Herrn zu und war das Gegenteil von dem, was sie waren und taten. Sie waren im Gegensatz zum Herrn nicht wahrhaftig, sondern Heuchler. Sie sahen sehr wohl auf die Person der Menschen und legten viel Wert auf deren Meinung. Sie lehrten Menschengebote und waren sehr weit davon entfernt, den Weg Gottes nach der Wahrheit zu lehren. Dann stellen sie ihre Frage bezüglich der Steuer, mit der sie Ihn fangen wollten.
      Der Hintergrund für diese Frage war, dass die Juden als Folge ihrer Untreue und ihres Ungehorsams unter die Herrschaft des römischen Kaisers gekommen waren. Das brachte u. a. mit sich, dass sie der Besatzungsmacht Steuern zahlen mussten. Zu diesem Thema hatten sie sich aus menschlicher Sicht eine sehr listige Fragestellung ersonnen, mit der sie dachten, Ihn auf jeden Fall in Schwierigkeiten bringen zu können.
      Wenn der Herr es bejaht hätte, dem Kaiser Steuern zu geben, hätte Er die Juden gegen sich aufgebracht. Denn wie konnte Er ein aufrichtiger Jude oder sogar der verheißene Messias sein, wenn Er die Rechte der römischen Besatzungsmacht bestätigte? Wo war dann seine befreiende Kraft?
      Wenn Er es verneint hätte, dem Kaiser Steuern zu geben, hätte Er ihnen – und besonders den Herodianern – einen Vorwand gegeben, Ihn bei Pilatus, dem Vertreter der Besatzungsmacht, anzuklagen.
      Menschlich gesehen also eine schwierige Frage, doch nicht so für den Herrn. In seiner göttlichen Weisheit (Hiob 5,12.13) beantwortet Er ihre Frage so, dass sie beschämt und verwundert zurückbleiben.
      Er antwortet ihnen zunächst mit der Gegenfrage: „Was versucht ihr mich?“ Damit macht Er einen Strich durch ihre Absicht, Ihn in seiner Rede zu fangen, und zeigt ihnen, was der wahre Beweggrund für ihre Frage war. Zugleich drängt Er sie mit dieser Frage in die passive Rolle und setzt sie auf die Anklagebank.
      Dann lässt Er sich von ihnen einen Denar – die römische Steuermünze – geben und macht ihnen daran deutlich, in welchem Zustand sie als Nation waren und dass es ihre eigene Schuld war, die sie in diese Lage der Abhängigkeit von den Römern gebracht hatte. Die Tatsache, dass sie Steuern zahlen mussten, zeigte deutlich, dass sie nicht mehr frei waren. Da das Bild des Kaisers auf dem Denar war, war es offensichtlich, dass er dem Kaiser gehörte. Somit sollten sie dem Kaiser auch das geben, was ihm zustand.
      Doch dann fügt der Herr noch einen bemerkenswerten Zusatz an und sagt: „Gebt … Gott, was Gottes ist.“ Das hatten sie völlig aus dem Auge verloren. Anstatt Gott das Ihm Zustehende zu geben, verwarfen sie Ihn in der Person seines Sohnes.
      Die Frage der Sadduzäer nach der Auferstehung
      „Und es kommen Sadduzäer zu ihm, die sagen, es gebe keine Auferstehung; und sie fragten ihn und sprachen: Lehrer, Mose hat uns geschrieben: Wenn jemandes Bruder stirbt und hinterlässt eine Frau und hinterlässt kein Kind, dass sein Bruder sie zur Frau nehme und seinem Bruder Nachkommen erwecke. Es waren sieben Brüder. Und der erste nahm eine Frau; und als er starb, hinterließ er keinen Nachkommen; und der zweite nahm sie und starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen; und der dritte ebenso. Und die sieben hinterließen keinen Nachkommen. Als letzte von allen starb auch die Frau. In der Auferstehung, wenn sie auferstehen werden, welchem von ihnen wird sie zur Frau sein? Denn die sieben hatten sie zur Frau. Jesus sprach zu ihnen: Irrt ihr nicht deshalb, weil ihr die Schriften nicht kennt noch die Kraft Gottes? Denn wenn sie aus den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet, sondern sie sind wie Engel in den Himmeln. Was aber die Toten betrifft, dass sie auferstehen – habt ihr nicht in dem Buch Moses gelesen, „in dem Dornbusch“, wie Gott zu ihm redete und sprach: „Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“? Er ist nicht der Gott der Toten, sondern der Lebenden. Ihr irrt sehr“ (Mk 12,18–27).
      Als Nächstes kommen die Sadduzäer zum Herrn. Sie konfrontieren Ihn mit einem Fall, der in ihren Augen die Unmöglichkeit einer Auferstehung beweisen sollte. Sie leugneten die Tatsache einer Auferstehung (Apg 23,8; 4,1.2). Darin gleichen sie vielen Menschen unserer Tage, die auch nicht an eine Auferstehung glauben wollen, weil damit ihre Verantwortung und der Gedanke an ein Gericht in Verbindung steht.
      Die Sadduzäer bauen ihre Gedankenkonstruktion auf eine Anordnung Gottes aus 5. Mose 25,5. Dort hatte Gott gesagt, dass eine kinderlose Witwe von ihrem Schwager geheiratet werde sollte, um Nachkommen zu zeugen. Der Fall einer Frau mit sieben Männern, den die Sadduzäer hier konstruieren, ist jedoch ohne Praxisbezug. Sie wollen den Herrn dadurch in Verlegenheit bringen. Aber auch sie erkennen nicht, wer vor ihnen steht.
      Obwohl der Herr ihre Absicht natürlich durchschaut, gibt Er sich doch die Mühe, ihnen eine klare Antwort zu geben, denn die Frage nach der Auferstehung beschäftigte sicherlich viele Herzen unter den anwesenden Juden.
      In seiner Antwort weist Er die Sadduzäer zunächst auf ihre Unkenntnis bezüglich des Wortes Gottes und der Kraft Gottes hin. Er zeigt, dass die irdischen Beziehungen im Himmel nicht fortgesetzt werden. Die Auferstandenen werden wie Engel sein. Engel sind geschlechtslos und sterben nicht, daher besteht für sie auch keine Notwendigkeit, zu heiraten, um Nachkommen zu zeugen. Die Beziehungen, in die wir auf der Erde gestellt sind und die wir hier genießen, werden wir im Himmel nicht mehr haben. Dieser Gedanke wird durch 1. Korinther 15,42–49 bestätigt. Jedoch werden wir die irdischen Beziehungen in keiner Weise vermissen.
      So eine Auskunft über den Zustand nach der Auferstehung konnte nur Gott selbst geben. Daher haben wir hier wieder einen der Verse, in denen im Markusevangelium die Gottheit des Herrn hervorstrahlt.
      In den Versen 26 und 27 beweist Er ihnen ihre Unkenntnis der Schriften im Blick auf die Auferstehung. Hätten sie die Schriften richtig gelesen, hätten sie so manchen Hinweis auf die Auferstehung erkennen können. Denn Stellen wie 1. Samuel 2,6; Hiob 19,25.26; Psalm 16,10; Jesaja 53,10.11 oder Daniel 12,2–3.13 sprechen deutlich von einer Auferstehung. Doch der Herr benutzt keine dieser klaren Stellen, um ihre Meinung zu widerlegen. Stattdessen nimmt Er einen eher indirekten Hinweis aus den Schriften Moses, um ihnen die Tatsache einer Auferstehung zu zeigen. Dies tut Er in seiner Weisheit, da die Sadduzäer nur die Bücher Moses anerkannten. Sie hatten Ihn mit einem Gebot aus dem fünften Buch Mose zu Fall bringen wollen, Er widerlegt ihre Gedanken daher mit einem Zitat aus dem zweiten Buch Mose.
      Gott offenbarte sich Mose in dem Dornbusch, indem Er sagte: „Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Zu diesem Zeitpunkt waren Abraham, Isaak und Jakob schon lange gestorben, und doch nennt Gott sich noch ihr Gott. Obwohl ihr Leib im Grab lag, lebte ihr Geist und ihre Seele für Gott und demzufolge würde auch ihr Leib nicht für immer im Tod bleiben, sondern auferstehen. Denn der Mensch ist nicht eher vollständig, als bis Geist, Seele und Leib wieder vereinigt sind (1. Thes 5,23). Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.
      Aber nicht nur das, Gott hatte Abraham, Isaak und Jakob auch Verheißungen gegeben, die sich während ihres Lebens nicht erfüllt hatten. Jedem von ihnen hatte Gott persönlich verheißen, das Land zu geben (1. Mo 13,15; 26,3; 28,13). Da Gott zu seinem Wort steht und seine Verheißungen erfüllt, müssen sie also auferstehen, um dann das Land besitzen zu können. Hebräer 11,9.10 und 18.19 sagt, dass Abraham die Kraft Gottes kannte, die sich gerade in der Auferstehung zeigt (Eph 1,19.20).
      Die Sadduzäer kannten diese Kraft Gottes jedoch nicht und waren in Unkenntnis über die Schriften. Sie irrten daher sehr, wie der Herr ihnen in ernsten Worten sagen musste.
      Die Frage des Schriftgelehrten nach dem ersten Gebot
      „Und einer der Schriftgelehrten, der gehört hatte, wie sie miteinander verhandelten, trat herzu, und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: „Höre, Israel: Der Herr, unser Gott, ist ein Herr; und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft.“ Das zweite ist dieses: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Größer als diese ist kein anderes Gebot. Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Recht, Lehrer, du hast nach der Wahrheit geredet; denn er ist einer, und außer ihm ist kein anderer; und ihn lieben aus ganzem Herzen und aus ganzem Verständnis und aus ganzer Kraft, und den Nächsten lieben wie sich selbst, ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Und als Jesus ihn sah, dass er verständig geantwortet hatte, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu befragen“ (Mk 12,28–34).
      Der Nächste, der in diesem Kapitel zu dem Herrn Jesus kommt, ist ein Schriftgelehrter. Er hat gehört, wie der Herr den Sadduzäern geantwortet hat. Diese Antwort hatte den Schriftgelehrten gut gefallen, da es ihnen nie so gelungen war, die Lehre der Sadduzäer in Bezug auf die Auferstehung zu widerlegen.
      Der Herr benutzt die Gelegenheit, um zu zeigen, welche Herzenseinstellung sich dem Gott gegenüber geziemt, den Er in den vorigen Versen als den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs vorgestellt hat, der kein Gott der Toten, sondern ein Gott der Lebendigen ist.
      Der Schriftgelehrte fragt den Herrn nach dem ersten, d. h. dem bedeutungsvollsten Gebot. Dabei dachte er sicher an eins der zehn Gebote aus 2. Mose 20. Zu Beginn seiner Antwort hebt der Herr den Gedanken der Einheit der Gottheit hervor. Der Herr unser Gott ist die oberste Autorität. Dieser Gedanke musste vor allen anderen in den Herzen der Israeliten sein. Gott offenbart sich selbst als der einige Gott. Erst dann fordert Er auf, Ihn zu lieben, denn das kann man nur, wenn man Ihn kennt.
      Anschließend führt der Herr die Verse aus 5. Mose 6,4.5 an, die eine Zusammenfassung der ersten vier Gebote aus 2. Mose 20 darstellen. Diese ersten vier Gebote legen die Verantwortlichkeit des Menschen Gott gegenüber fest.
      Danach zitiert der Herr den 18. Vers aus 3. Mose 19; Dieser fasst die restlichen sechs Gebote aus 2. Mose 20 zusammen, die von der Verantwortlichkeit des Menschen seinen Mitmenschen gegenüber handeln.
      So gibt der Herr in seiner Antwort eine göttliche Zusammenfassung des ganzen Gesetzes, ohne eines der Gebote besonders hervorzuheben:
      Die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen – das sind die beiden großen Hauptthemen, die in den zehn einzelnen Geboten präzisiert werden.
      Wenn wir die Worte des Herrn in Vers 30 mit der Stelle in 5. Mose 6,5 vergleichen, fällt auf, dass der Herr diesen Vers etwas anders zitiert. In 5. Mose 6 wird davon gesprochen, Gott mit unserem ganzen Herzen (dem Sitz der Zuneigungen), mit unserer ganzen Seele (dem Sitz der Persönlichkeit) und mit unserer ganzen Kraft (mit aller Energie) zu lieben. Hier in Markus heißt es bei all diesen Punkten „aus“. Es scheint, als ob der Herr hier besonders betonen will, dass die Liebe zu Gott wirklich von innen heraus kommen muss.
      Als Ergänzung fügt der Herr auch noch hinzu: „aus deinem ganzem Verstand“. Dabei dachte Er sicher besonders an die Schriftgelehrten und Sadduzäer, die so viel Wert auf das Verständnis legten.
      Der Vers 31 wird auch in Römer 13,9.10 als eine Zusammenfassung des Gesetzes angeführt. Dort wird gesagt, dass die Liebe die Summe des Gesetzes ist. Das ist ein Gedanke, der im Alten Testament so nicht hervortrat. Die zehn Gebote entsprangen der Liebe Gottes, die sich um sein Volk mühte und von seinem Volk erwarten konnte, dass es Ihn als den einen wahren Gott achtete und liebte. Jedoch wurde erst auf Golgatha der volle Umfang der Liebe Gottes offenbart.
      Das Gesetz war „heilig und gerecht und gut“ (Röm 7,12). Und doch musste jeder Israelit, der den aufrichtigen Wunsch hatte, das Gesetz zu tun, erkennen, dass er es nicht konnte. Dazu ist die neue Natur erforderlich, die wir heute als Ergebnis des vollbrachten Erlösungswerkes auf Golgatha besitzen. Aber unser Lebensinhalt geht weit darüber hinaus. Wir lieben Gott heute, „weil er uns zuerst geliebt hat“ (1. Joh 4,19). Es ist Liebe aus Dankbarkeit, die sich im Gehorsam äußert (Joh 14,21).
      Der Schriftgelehrte zeigt in seiner Antwort ein Maß an Verständnis, das über das allgemeine Verständnis der übrigen Schriftgelehrten hinausging. Er erkannte, dass es auf die Wahrheit im Innern ankam und nicht auf äußere Formen. Obwohl er die Wahrheit der Worte des Herrn anerkannte und verstand, erkannte und verstand er doch nicht die Herrlichkeit der Person des Herrn.
      Er war „nicht fern vom Reich Gottes“, jedoch nicht im Reich Gottes. Aber darauf kommt es an. Ein Zustand äußerer Nähe allein reicht nicht und bedeutet in letzter Konsequenz die ewige Gottesferne.
      Dieser Schriftgelehrte spricht eine ernste Sprache zu solchen, die vielleicht jahrelang in die Zusammenkünfte gehen, aber keine echte Beziehung zu dem Herrn Jesus haben. Sie sind nah dran und doch nur Mitläufer. Besonders Kindern gläubiger Eltern gilt dieser Appell: Nah dran reicht nicht, du brauchst den Heiland der Welt als deinen Heiland, ganz persönlich!
      Davids Sohn und Davids Herr
      „Und Jesus hob an und sprach, als er im Tempel lehrte: Wie sagen die Schriftgelehrten, dass der Christus Davids Sohn sei? David selbst hat in dem Heiligen Geist gesagt: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße.“ David selbst nennt ihn Herr, und woher ist er sein Sohn? – Und die große Volksmenge hörte ihn gern“ (Mk 12,35–37).
      Nachdem der Herr die Fragen der verschiedenen Gruppen beantwortet hat, stellt Er jetzt selbst den Zuhörern im Tempel eine Frage. Im Gegensatz zu ihren spitzfindigen Fangfragen stellt Er jedoch eine Frage, die auf der Schrift basiert und die Wahrheit über seine Person beinhaltet.
      Die Schriftgelehrten erkannten an, dass der Messias der Sohn Davids sein würde. Aber das war nicht genug. Daher fragt Er sie, wieso David Ihn in Psalm 110,1 zugleich als seinen Herrn und als seinen Sohn bezeichnete. Wie konnte das sein? Das war nur möglich, wenn Christus, der Sohn Davids, zugleich auch der Sohn Gottes war. Gott und Mensch in einer Person – das wollten die Juden in ihrem Unglauben nicht anerkennen. Und an dieser Wahrheit scheitern auch heute noch viele Menschen. Als einen vorbildlichen Menschen lassen sie den Herrn noch gelten, jedoch nicht als Sohn Gottes.
      In Römer 1,1–4 finden wir eine ähnliche Stelle, die von dem Herrn als Mensch aus dem Samen Davids spricht und zugleich zeigt, dass Er der Sohn Gottes ist. Auch in Offenbarung 22,16 wird dies deutlich, wenn der Herr von sich als der Wurzel und dem Geschlecht Davids spricht.
      David hatte die Worte in Psalm 110,1 „in dem Heiligen Geist“ gesagt – ein schöner Hinweis auf die Inspiration des Wortes Gottes und ein Beispiel für die Harmonie zwischen dem Alten und Neuen Testament.
      Der Inhalt dieses Verses ist für Gott von großer Wichtigkeit und wird wiederholt im Neuen Testament angeführt (Apg 2,34.35; 1. Kor 15,25; Heb 1,13): „Der Herr (Gott der Vater) sprach zu meinem Herrn (Gott der Sohn): Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße.“
      Gott wird dafür sorgen, dass seinem Sohn einmal auf dieser Erde – auf der Er verworfen und getötet wurde und bis heute noch der Verachtete ist – alle Ehre zuteilwerden wird. Er wird herrschen, bis Ihm alle Feinde zu Füßen liegen. Für jeden gläubigen Christen ist das ein Grund zur Freude, für jeden Ungläubigen allerdings eine ernste Warnung.
      Die Warnung vor den Schriftgelehrten
      „Und er sprach in seiner Lehre: Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die in langen Gewändern umhergehen wollen und die Begrüßungen auf den Märkten lieben und die ersten Sitze in den Synagogen und die ersten Plätze bei den Gastmählern; die die Häuser der Witwen verschlingen und zum Schein lange Gebete halten. Diese werden ein schwereres Gericht empfangen“ (Mk 12,38–40).
      In diesen Versen tadelt der Herr als der Herzenskenner in deutlichen Worten die Scheinfrömmigkeit der Schriftgelehrten. Sie liebten es aufzufallen und suchten sowohl im wirtschaftlichen (Märkte) und religiösen (Synagogen) als auch im gesellschaftlichen Leben (Gastmähler) im Vordergrund zu stehen. Darüber hinaus bereicherten sie sich sogar an armen Witwen. Dafür würden sie ein schwereres Gericht empfangen. Wenn auch die Länge des Gerichts für alle gleich sein wird, wird es doch Unterschiede in der Schwere geben. Ein jeder wird nach seinen Werken gerichtet (Off 20,12; Lk 12,47).
      Auch diese Verse sind zu unserer Belehrung geschrieben. Müssen wir nicht aufrichtig bekennen, dass wir in manchen Charakterzügen mehr oder weniger den Schriftgelehrten gleichen? Dann sollten wir diese Warnung des Herrn zum Anlass nehmen, falsche Verhaltensweisen zu bekennen und abzulegen. Darüber freut sich unser Herr.
      Die Witwe mit den zwei Scherflein
      „Und Jesus setzte sich dem Schatzkasten gegenüber und sah zu, wie die Volksmenge Geld in den Schatzkasten legt; und viele Reiche legten viel ein. Und eine arme Witwe kam und legte zwei Scherflein ein, das ist ein Cent. Und er rief seine Jünger herzu und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben. Denn alle haben von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrem Mangel, alles, was sie hatte, eingelegt, ihren ganzen Lebensunterhalt“ (Mk 12,41–44).
      Ganz im Gegensatz zu den äußerlich so frommen Schriftgelehrten steht diese arme, aber von Herzen fromme Witwe, die den Herrn erfreute. Er ließ sich nicht – wie wir so oft – von dem äußeren Schein beeindrucken.
      Wir hätten diese arme Witwe und ihre Gabe neben den äußerlich so eindrucksvollen Schriftgelehrten und den vielen Reichen, die große Gaben einlegten, vielleicht gar nicht beachtet.
      Anders der Herr: Er beurteilt die Beweggründe und nicht die Größe der Gabe. Er sah diese Witwe, die ein Herz für Gott und sein Haus hatte und ihren ganzen Lebensunterhalt gab. Sie hatte sich entschieden, beide Scherflein einzulegen, und musste für ihren weiteren Lebensunterhalt nun ganz auf die Fürsorge Gottes vertrauen (Ps 68,6; 1. Tim 5,5).
      Ähnlich handelte die Witwe von Zarpath in 1. Könige 17,12–15. Auch sie gab im Vertrauen das Letzte, was sie hatte, für den Propheten Elia und wurde dann reich belohnt. Das Beispiel dieser Witwen wirft Fragen auf, die zu unseren Herzen reden:
      1. Wie ist es um unser Vertrauen auf Gott bestellt?
      2. Wie hätten wir uns entschieden?
      3. Wie viel geben wir für den Herrn und in welcher Gesinnung tun wir es?

      Wenn wir ein brennendes Herz für Gott, unseren Vater, und den Herrn Jesus haben, regeln sich diese Fragen in Bezug auf das Geben eigentlich von selbst. Dann wissen wir, dass alles, was wir haben, von Ihm kommt und wir Ihm nur das zurückgeben, was Er uns anvertraut hat (1. Chr 29,14).
      Und wir tun es mit einem fröhlichen Herzen, weil wir wissen, dass Gott einen solchen Geber liebt (2. Kor 9,7c).
      Kapitel 13
      In diesem Kapitel finden wir die letzte große prophetische Rede des Herrn. Diese Rede richtet sich an Jünger des Herrn aus dem Volk Israel. Er kündigt bevorstehende Ereignisse und Schwierigkeiten an, die seinen Jüngern in ihrem Dienst begegnen würden. Für diese Zeit gibt Er ihnen Trost und Unterweisungen, die hier bei Markus – ganz in Übereinstimmung mit dem Charakter des Evangeliums – besonders mit ihrem Dienst in Verbindung stehen.
      In seiner Rede geht Er oft nahtlos von der nahen Zukunft für die Jünger – der Zeit nach seiner Kreuzigung – über zu der Zeit nach der Entrückung der Versammlung. Er verbindet das damals nah bevorstehende Gericht Jerusalems mit den zukünftigen Gerichten, die noch über die Juden kommen werden. Die Zeit der Gnade, in der die Versammlung auf der Erde ist, wird dabei übersprungen und ist hier nicht Gegenstand der Unterweisungen des Herrn. Aber trotzdem können auch wir manche Anwendung auf unsere Zeit machen.
      Die Ankündigung der Zerstörung des Tempels
      „Und als er aus dem Tempel heraustritt, sagt einer seiner Jünger zu ihm: Lehrer, siehe, was für Steine und was für Gebäude! Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Gebäude? Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen gelassen werden, der nicht abgebrochen wird“ (Mk 13,1.2).
      Anlass für diese Rede des Herrn sind die Worte eines Jüngers, der den Herrn auf die Schönheit und Größe der damals bestehenden Tempelgebäude hinweist. Der Herr antwortet ihm daraufhin, dass diese eindrucksvollen Gebäude zur Zerstörung bestimmt sind. Diese Prophezeiung fand eine erste Erfüllung bei der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. Aber die Antwort, die der Herr hier und in den folgenden Versen gibt, geht über die Ereignisse, die direkt nach seinem Weggang folgen würden, hinaus bis hin zu der Zeit, wenn Er in Macht und Herrlichkeit zur Errichtung des 1000-jährigen Reiches kommen wird.
      Unterweisungen des Herrn im Blick auf die Zukunft
      „Und als er auf dem Ölberg saß, dem Tempel gegenüber, fragten ihn Petrus und Jakobus und Johannes und Andreas für sich allein: Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen, wann dies alles vollendet werden soll? Jesus aber fing an, zu ihnen zu sagen: Gebt Acht, dass euch niemand verführe! Viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: „Ich bin es!“, und sie werden viele verführen. Wenn ihr aber von Kriegen und Kriegsgerüchten hören werdet, so erschreckt nicht. Dies muss geschehen, aber es ist noch nicht das Ende. Denn Nation wird sich gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich. Es werden Erdbeben sein an verschiedenen Orten; es werden Hungersnöte sein. Dies ist der Anfang der Wehen.
      Ihr aber, gebt Acht auf euch selbst: Sie werden euch an Synedrien und an Synagogen überliefern; ihr werdet geschlagen und vor Statthalter und Könige gestellt werden um meinetwillen, ihnen zum Zeugnis; und allen Nationen muss zuvor das Evangelium gepredigt werden. Und wenn sie euch hinführen, um euch zu überliefern, so sorgt euch vorher nicht, was ihr reden sollt, sondern was irgend euch in jener Stunde gegeben wird, das redet. Denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Heilige Geist. Und der Bruder wird den Bruder zum Tod überliefern und der Vater das Kind; und Kinder werden sich erheben gegen die Eltern und sie zu Tode bringen. Und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden“ (Mk 13,3–13).
      Der Herr beginnt mit generellen Unterweisungen und Warnungen für seine Jünger. Zunächst waren sie für die Apostel, die zur Zeit des Herrn und bis in die Apostelgeschichte hinein ihren Dienst ausübten. Aber sie gelten besonders den Jüngern aus dem gottesfürchtigen Überrest der Juden, der in der Zukunft nach der Entrückung der Versammlung seinen Dienst aufnehmen wird.
      Auf die Fragen der Jünger in Vers 3 antwortet der Herr nicht direkt. Stattdessen fordert Er sie in den Versen 5 und 6 zur Wachsamkeit auf. Er warnt sie vor solchen, die unter seinem Namen kommen und viele verführen werden – eine Verführung, die ihren Höhepunkt in dem Antichristen finden wird (2. Thes 2,4). Das ist nicht so sehr eine Gefahr für Gläubige der Gnadenzeit, die darauf warten, dass der Herr bis in die Wolken wiederkommt, um sie zu entrücken. Jedoch für den gottesfürchtigen Überrest, der darauf wartet, dass der Herr auf die Erde kommt, um das Reich aufzurichten, können solche Verführer eine große Gefahr sein.
      Ähnliche Aufrufe zur Wachsamkeit finden wir in den Versen 9.23.33.35.37. Diese deutlichen Worte an die Jünger haben aber auch eine Bedeutung für uns. Als Diener des Herrn müssen wir unseren Weg wachsam und bewusst gehen. Denn auch heute gibt es viele Gefahren und falsche Stimmen, die uns zu Fall bringen wollen (z. B. Röm 16,17; 1. Joh 4,1).
      In den Versen 7 und 8 sagt der Herr Unruhen und Kriege voraus, die die Jünger des Herrn in der Zukunft erleben werden. Es wird eine schlimme Zeit sein, aber Er tröstet sie durch die Worte „so erschreckt nicht“ und zeigt, dass dies „geschehen muss“, weil es in den Plänen Gottes so vorgesehen ist. Er sagt ihnen auch unmissverständlich, dass dies noch nicht „das Ende“ sein wird, sondern erst „der Anfang der Wehen“. An diesen Worten wird deutlich, dass der Herr nicht die Christenheit vor Augen hat. Denn wir werden im Neuen Testament darauf hingewiesen, dass das Ende aller Dinge nahe gekommen ist (1. Pet 4,7). Den Juden steht jedoch nach der Entrückung der Versammlung noch die Zeit der Drangsal bevor, durch die sie wegen der Verwerfung und Kreuzigung des Herrn gehen müssen.
      Die Verse 9–13 schildern speziell das Schicksal der Diener und Jünger des Herrn in diesen Zeiten. Der Herr zeigt ihnen, dass sie in der Ausübung ihres Dienstes mit zunehmender Feindschaft aus verschiedenen Richtungen rechnen müssen.
      Zunächst würde ihnen um seinetwillen die Feindschaft der Regierenden entgegenschlagen (V. 9). Etwas, was sich bereits in der Apostelgeschichte (vor)erfüllte, was aber besonders in der Zukunft wieder so sein wird.
      Dann würden sie aber auch von ihren Familienangehörigen angefeindet werden. Der Hass gegen die Lehre der Wahrheit bricht selbst die engsten Familienbande entzwei.
      Doch damit nicht genug: Am Ende dieses Abschnitts sagt der Herr ihnen, dass sie um seines Namens willen schließlich von allen gehasst werden würden.
      Wie nötig würden die Jünger somit den Trost brauchen, den der Herr ihnen in so liebevoller Weise zu Beginn, in der Mitte und am Ende dieser Verse zusagt. In Vers 7 sagt Er ihnen: „So erschreckt nicht.“ In Vers 11 sichert Er ihnen den Beistand und die Hilfe des Heiligen Geistes zu, der für sie reden würde. Schließlich stellt der Herr ihnen die Errettung am Ende vor, d. h. den Eingang in das 1000-jährige Reich. Und nicht zuletzt tröstete Er sie auch dadurch, dass Er ihnen dies alles vorhersagte.
      Die große Drangsalszeit
      „Wenn ihr aber den Gräuel der Verwüstung stehen seht, wo er nicht sollte – wer es liest, beachte es –, dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge fliehen; wer aber auf dem Dach ist, steige nicht in das Haus hinab und gehe nicht hinein, um etwas aus seinem Haus zu holen; und wer auf dem Feld ist, kehre nicht zurück, um sein Oberkleid zu holen. Wehe aber den Schwangeren und den Stillenden in jenen Tagen! Betet aber, dass es nicht im Winter stattfinde; denn jene Tage werden eine Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Schöpfung, die Gott schuf, bis jetzt nicht gewesen ist und nicht wieder sein wird. Und wenn nicht der Herr die Tage verkürzt hätte, so würde kein Fleisch errettet werden; aber um der Auserwählten willen, die er auserwählt hat, hat er die Tage verkürzt.
      Und dann, wenn jemand zu euch sagt: „Siehe, hier ist der Christus! Siehe dort!“, so glaubt es nicht. Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und werden Zeichen und Wunder tun, um wenn möglich die Auserwählten zu verführen. Ihr aber gebt Acht! Siehe, ich habe euch alles vorhergesagt“ (Mk 13,14–23).
      Diese Verse führen in die Mitte der letzten Jahrwoche Daniels (Dan 9), zum Beginn der großen Drangsal für Jakob (Jer 30,7). Zu diesem Zeitpunkt wird im Tempel – der dann wiederaufgebaut sein wird – ein Götzenbild aufgestellt werden, wie ein Vergleich von Daniel 9,27 mit Daniel 12,11 und unserem Vers hier zeigt. Es ist ein Gräuel, d. h. ein Götze. Seine Aufstellung wird Verwüstung für die Juden und Jerusalem zur Folge haben. Aus Offenbarung 13,14 können wir entnehmen, dass dieser Götze wohl ein Bild des römischen Herrschers ist, das auf Initiative des Antichristen im Tempel aufgestellt werden wird.
      Mit der Aufstellung dieses Götzen wird der echte Gottesdienst im Tempel aufhören und eine brutale Verfolgung der gottesfürchtigen Juden einsetzen, wie aus diesem Abschnitt und Offenbarung 13,15–17 deutlich wird.
      Hinzu kommt, dass in dieser Zeit auch Satan und seine Engel aus dem Himmel auf die Erde geworfen werden (Off 12,7–14). Da Satan dann keinen Zutritt mehr zum Himmel hat, um dort als Verkläger der Brüder aufzutreten, wird er seine ganze Wut auf die Treuen auf der Erde konzentrieren. Und „da er weiß, dass er wenig Zeit hat“, wird er große Wut haben (Off 12,12).
      Daher können wir gut verstehen, dass der Herr die „Seinigen“ auffordert, in die Berge zu fliehen, um dieser Gefahr zu entrinnen. Dabei werden sie keine Zeit zu verlieren haben. Denn die Eindringlichkeit, mit der der Herr in den Versen 15 und 16 auffordert zu fliehen, zeigt, mit was für einer Schnelligkeit die Gefahr und Verfolgung der großen Drangsal über das Volk hereinbrechen werden. Ihr ganzes Denken soll darauf gerichtet sein, zu fliehen, um ihr Leben zu retten.
      Gott selbst wird ihnen in den Bergen einen Zufluchtsort bereiten, wo Er sie während der Zeit der Drangsal schützen und versorgen wird. Schriftstellen, die sich darauf beziehen, sind z. B. Jesaja 26,20.21, Hosea 2,14.15; Joel 4,16.17 und Offenbarung 12,13.14. Diejenigen, die nicht fliehen können, werden zum großen Teil getötet werden, wenn sie sich weigern, das Götzenbild anzubeten (Off 13,15–17).
      Die Verse 17–20 machen das Mitgefühl und Erbarmen Gottes für die bedrängten Heiligen deutlich. Er ist zu allen Zeiten für seine Auserwählten besorgt und denkt an jede Einzelheit im Leben der Seinen. Es ist interessant, dass der Herr hier auffordert, zu beten, dass die Flucht nicht im Winter geschehe. Gott weiß den Zeitpunkt doch im Voraus. Aber es scheint, dass Er sich auch bezüglich dieser Dinge durch die Gebete der Seinen leiten lässt. Er hört auf die Gebete seiner Kinder und berücksichtigt sie in der Ausführung seiner Pläne, wie Er es bei Abraham in 1. Mose 18 getan hat.
      Wie schrecklich es während der Zeit der großen Drangsal sein wird, können wir kaum erahnen. Der Herr selbst sagt hier, dass so eine Drangsal seit Beginn der Schöpfung nicht gewesen ist und auch nicht sein wird. Einen kleinen Eindruck von den Ereignissen in dieser Zeit bekommen wir in Psalm 79,1–3: „Gott! die Nationen sind in dein Erbteil gekommen, haben deinen heiligen Tempel verunreinigt, haben Jerusalem zu Trümmerhaufen gemacht! Die Leichen deiner Knechte haben sie den Vögeln des Himmels zum Fraß gegeben, das Fleisch deiner Frommen den wilden Tieren der Erde. Sie haben ihr Blut wie Wasser vergossen rings um Jerusalem, und niemand war da, der begrub.“
      Wie gut ist es daher, dass der Herr den Seinen hier im Voraus den Trost gibt, dass die Tage der Drangsal „um der Auserwählten willen“ auf dreieinhalb Jahre verkürzt werden und dass Er ihnen die Fluchtmöglichkeit in die Berge zeigt.
      Die „Auserwählten“ – das sind hier die Gläubigen des jüdischen Überrestes, die nach der Entrückung der Versammlung das Evangelium des Reiches angenommen haben. Sie werden in dieser Zeit nicht nur äußere Verfolgung und Not erleiden, sie werden auch jeder Art von Verführung ausgesetzt sein. Satan, der zu allen Zeiten der Widersacher Christi gewesen ist, wird seine Verführungskünste dann auf die Spitze treiben. Dazu wird er insbesondere den Antichristen benutzen (2. Thes 2,9–12). In ihrer Not warten die bedrängten Gläubigen auf das Kommen des Herrn, dass Er sie befreie. Daher können sie in Gefahr stehen, auf falsche Stimmen zu hören, die von der Ankunft Christi sprechen. Aber Gott selbst wird dafür sorgen, dass es nicht möglich sein wird, seine Auserwählten zu verführen. Sie aber sollen wachsam sein und auf die kommenden Ereignisse achten, da der Herr ihnen alles vorhergesagt hat.
      Die Erscheinung des Herrn
      „Aber in jenen Tagen, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden und der Mond seinen Schein nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte in den Himmeln werden erschüttert werden. Und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit. Und dann wird er die Engel aussenden und seine Auserwählten versammeln von den vier Winden her, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels“ (Mk 13,24–27).
      Zum Ende der Drangsalszeit wird Gott in Macht einschreiten und alle Ungerechtigkeit und Drangsal beenden. Er wird jede Art von irdischer Ordnung und Autorität – davon sind die Himmelskörper in der Schrift oft ein Bild – umstoßen und auflösen. Aber es ist nicht auszuschließen, dass die Schöpfung auch buchstäblich betroffen ist, wie es auch bei der Kreuzigung des Herrn geschah.
      Dann wird der Herr selbst als der Sohn des Menschen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit kommen.
      Er, der einst in Niedrigkeit auf diese Erde kam und in einer Krippe lag, Er, dem man einst ins Gesicht spuckte und den man schlug, ist dann Der, der in Macht und Herrlichkeit kommt, um Gericht auszuüben an allen, die Ihm entgegen sind, und sein Reich anzutreten. Dann wird sich Offenbarung 1,7 und Johannes 5,27 erfüllen und alle Not des Überrestes ein Ende haben.
      Wenn in Vers 27 von der Sammlung seiner „Auserwählten“ die Rede ist, geht das über die Gläubigen des Überrestes der Juden hinaus. Zu den „Auserwählten“ scheinen auch die Gläubigen aus den übrigen zehn Stämmen Israels zu gehören. Die zehn Stämme sind nach der Wegführung in die assyrische Gefangenschaft nie wieder zurückgekehrt. Sie sind bis heute über die ganze Erde zerstreut. Aber nach der Erscheinung des Herrn in Macht und Herrlichkeit, zu Beginn des 1000-jährigen Reiches, wird sich Gott auch aus diesen Stämmen einen Überrest absondern, den Er in das Land der Verheißung zurückbringen wird (Jes 18,7; 66,19–22; Hes 36,24; 37,15–28). So wird Gott auch in dieser Hinsicht seine Wege bezüglich seines Volkes zum Ziel bringen.
      Wacht!
      „Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon weich wird und die Blätter hervortreibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. Ebenso auch ihr, wenn ihr dies geschehen seht, so erkennt, dass es nahe an der Tür ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschehen ist. Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater.
      Gebt Acht, wacht und betet; denn ihr wisst nicht, wann die Zeit ist. Wie ein Mensch, der außer Landes reiste, sein Haus verließ und seinen Knechten die Gewalt gab, einem jeden sein Werk, und dem Türhüter einschärfte zu wachen. Wacht also, denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, abends oder um Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder frühmorgens; damit er nicht, wenn er plötzlich kommt, euch schlafend finde. Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht!“ (Mk 13,28–37).
      Der Herr beschließt dieses Kapitel mit einem Gleichnis und der eindringlichen Aufforderung zu wachen, bis Er kommt. Mit dem Gleichnis vom Feigenbaum benutzt der Herr ein bekanntes Bild aus der Natur, um seinen Jüngern die Geschehnisse in der Zukunft zu verdeutlichen. Wenn der Feigenbaum (ein Bild von Israel als Nation) anfangen würde, weich zu werden und Zweige zu treiben, sollten sie erkennen, dass der Sommer nahe ist. Damit wird die Sammlung und Rückführung der Juden in das Land Israel angedeutet und die Erscheinung des Überrestes in der Zeit der Drangsal. Dies wird ein Zeichen sein, dass der Sommer, d. h. die Zeit des 1000-jährigen Friedensreiches, nahe ist.
      Wenn der Herr in Vers 30 „dieses Geschlecht“ anspricht, hat das mehr eine moralische als eine zeitliche Bedeutung. So nennt der Herr das Volk z. B. auch in Kapitel 9,19, wenn Er von dem ungläubigen Geschlecht spricht, oder in 5. Mose 32,5, wo Er es ein verkehrtes und verdrehtes Geschlecht nennt (s. a. Spr 30,11–14; Lk 11,29). Das ungläubige Volk der Juden wird nicht vergehen, bis all das, was in diesem Kapitel vorgestellt wurde, geschehen ist.
      Auch die Worte des Herrn werden nicht vergehen, bis dies alles erfüllt sein wird, sie werden bleiben bis in alle Ewigkeit. Seine Worte – auch die des Gerichts – stehen fest. Das ist in der Anwendung auf unsere Tage ein ernster Gedanke in Bezug auf jeden, der keine Buße tun will.
      Der Zusatz „noch der Sohn“ in Vers 32 hat manche Frage aufgeworfen. Doch die Schwierigkeiten verschwinden, wenn wir bedenken, dass wir den Herrn in diesem Evangelium als den vollkommen abhängigen Mensch und Diener vor uns haben, der sich auf das beschränkt, was Gott Ihm gibt. Wenn Gott nichts über den Tag oder die Stunde sagt, weiß auch Er nicht mehr.
      In den letzten Versen finden wir die deutliche Aufforderung des Herrn an seine Knechte, zu wachen. Er vergleicht sich mit einem Hausherrn, der auf eine Reise ging, sein Haus verließ und seinen Knechten Gewalt gab und einem jeden Knecht sein Werk und dem Türhüter einschärfte, zu wachen. Das ist ein Bild von der Art und Weise, in der der Herr die Jünger inmitten der Juden zurückließ. Sie wussten nicht, wann Er wiederkommen würde, und sollten daher wachen, damit sie bei seinem Kommen nicht schlafend gefunden würden. Wenn Er in Vers 35 von seinem Kommen spricht, fällt auf, dass Er nur die vier römischen Nachtwachen und keine Tageszeiten erwähnt. Die Zeit der Abwesenheit des Herrn ist auf dieser Erde durch moralische Finsternis gekennzeichnet.
      Die Aufforderung zu Wachen wird in Vers 37 erweitert und gilt somit auch uns ganz persönlich.
      Wir finden verschiedene Aufforderungen zur Wachsamkeit im Neuen Testament. Einen etwas anderen Aspekt der Wachsamkeit finden wir in 1. Thessalonicher 5,6, wo wir aufgefordert werden, zu wachen, damit wir uns nicht von dem Zeitgeist dieser Welt einschläfern lassen. In 1. Petrus 5,8 ist erneut von Wachsamkeit die Rede, da es viele Feinde um uns her gibt, deren Anführer Satan ist. Diese beiden Stellen zeigen uns, dass Wachsamkeit zu unserem eigenen Schutz erforderlich ist. Hier werden wir jedoch aufgefordert zu wachen, damit wir zur Freude unseres Herrn sind, wenn Er kommt.
      Als Knechte des Herrn sollen wir in unserem Bereich und Dienst („einem jeden sein Werk“) fleißig, treu und wachsam sein und Ihn erwarten, wie es die Thessalonicher taten. Sie hatten sich „zu Gott bekehrt …, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (1. Thes 1,9.10).
      Wenn wir täglich bewusst mit dem Kommen des Herrn rechnen, kommt Er für uns nicht „plötzlich“ (V. 36), sondern es hat einen außerordentlich positiven Einfluss auf unser Leben (1. Joh 3,3). Dann werden wir den Wunsch haben, unseren Weg so zu gehen, dass wir jederzeit mit Freuden an sein Kommen denken. Und Er hat verheißen: „Ich komme bald“ (Off 22,7.12.20).
      Kapitel 14
      Kapitel 14 führt uns wieder zurück zu dem Ablauf der Ereignisse in den Tagen des Herrn vor seiner Kreuzigung. Es schildert uns die letzten ergreifenden Szenen im Leben des Herrn auf der Erde und zeigt, wie in seiner Nähe die Überlegungen vieler Herzen offenbar werden. Es beginnt mit den listigen Plänen der Obersten des Volkes, zeigt die ergreifende Liebe im Herzen von Maria, den Verrat durch Judas, die Liebe des Herrn zu seinen Jüngern in der Einsetzung des Gedächtnismahls, die Verleugnung durch Petrus und schließlich den Herrn im Garten Gethsemane und vor dem Synedrium.
      Die Pläne der Menschen
      „Es war aber nach zwei Tagen das Passah und das Fest der ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List greifen und töten könnten; denn sie sagten: Nicht an dem Fest, damit nicht etwa ein Aufruhr des Volkes entsteht“ (Mk 14,1.2).
      Zwei Tage vor dem Passah beratschlagen die Hohenpriester und Schriftgelehrten, wie sie den Herrn möglichst geschickt töten könnten (Ps 64,3.6). Da sie die Menschen fürchten, die die gesegneten Auswirkungen des Handelns des Herrn in ihrer Mitte erfahren hatten, wollen sie Ihn nicht am Passahfest töten, um einen Aufruhr zu vermeiden.
      Aber damit standen sie im Gegensatz zu den Gedanken Gottes. Er hatte in seinem Ratschluss schon lange vorher bestimmt, dass sein Sohn genau am Passahfest als das göttliche Passahlamm sterben sollte, damit Er die Erfüllung des Vorbildes würde. So sehen wir in diesem Kapitel ganz besonders, wie Gott selbst dann, wenn die Feindschaft des Menschen und die Macht Satans ihren Höhepunkt erreichen, alle Dinge in seiner Hand hält. Er sorgt dafür, dass nur das geschieht, was Er beschlossen hat, und zwar genau wann und wie Er es will (Spr 19,21).
      Die Salbung des Herrn im Haus Simons in Bethanien
      „Und als er in Bethanien war, im Haus Simons, des Aussätzigen, kam, während er zu Tisch lag, eine Frau, die ein Alabasterfläschchen mit Salböl von echter, sehr kostbarer Narde hatte. Sie zerbrach das Alabasterfläschchen und goss es aus auf sein Haupt. Einige aber waren unwillig bei sich selbst und sprachen: Wozu ist diese Vergeudung des Salböls geschehen? Denn dieses Salböl hätte für mehr als dreihundert Denare verkauft und den Armen gegeben werden können. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie; was macht ihr ihr Schwierigkeiten? Sie hat ein gutes Werk an mir getan; denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen wohltun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie vermochte; sie hat im Voraus meinen Leib zum Begräbnis gesalbt. Aber wahrlich, ich sage euch: Wo irgend das Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch davon geredet werden, was diese getan hat, zu ihrem Gedächtnis“ (Mk 14,3–9).
      Die Szene, die uns in diesen Versen vorgestellt wird, steht in großem Gegensatz zu dem zuvor berichteten. Hier, im Haus Simons des Aussätzigen, offenbart sich ein Herz voller Liebe und Anbetung dem Herrn gegenüber. Während des Abendessens kommt Maria, die Schwester von Lazarus und Martha (Joh 11,1), und salbt den Herrn mit „echter, sehr kostbarer Narde“. Diese besondere Beschreibung des Wertes der Salbe macht deutlich, wie wertvoll diese Handlung in den Augen Gottes war. Denn Gottes Wort geht mit solchen Auszeichnungen wesentlich zurückhaltender um, als wir es oft tun.
      In Marias Handeln zeigte sich die ganze Wertschätzung und Zuneigung, die in ihrem Herzen für den Herrn vorhanden war, aber auch ihr Verständnis über die Situation des Herrn, das hier wohl über das der Jünger hinausging. Sie redete kein Wort, sondern handelte aus den Empfindungen der Anbetung in ihrem Herzen heraus.
      Maria kam mit einem Alabasterfläschchen voller Salböl, das das Ausströmen ihrer Anbetung darstellte. Hohelied 1,3.12 machen deutlich, wovon das Salböl und die Narde sprechen: „Lieblich an Duft sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name; darum lieben dich die Jungfrauen. Während der König an seiner Tafel war, gab meine Narde ihren Duft.“ Salböl ist die Herrlichkeit und Schönheit dessen, was die Person des Herrn für den Vater ist. Narde ist das, was wir davon verstanden haben (meine Narde) und in Gemeinschaft mit dem Vater vor Ihn bringen (Tafel) zu seiner Freude (Duft). Marias Salböl hatte einen Wert von mehr als dreihundert Denaren, was ungefähr dem Jahresverdienst eines Tagelöhners entsprach. Sie musste also lange dafür gespart und dann das Salböl gekauft und aufbewahrt haben, um es zum richtigen Zeitpunkt dem Herrn zu geben.
      Das ist ein Hinweis darauf, wie auch wir uns in der Woche mit dem Herrn und seinem Werk beschäftigen sollen, um etwas zu sammeln, was wir dann persönlich, aber besonders auch gemeinsam am Sonntag „ausfließen“ lassen können. Denn die gemeinsame Anbetung am Tisch des Herrn sonntags ist die Frucht der gesammelten Gedanken jedes Einzelnen während der Woche.
      Doch da, wo sich Anbetung zeigt, kommt auch der Feind auf den Plan. Angestiftet durch Judas (vgl. Joh 12,4) werden einige der Jünger unwillig und fahren Maria an. Ihre Beurteilung der Tat Marias ist schlimm: „Wozu ist diese Vergeudung des Salböls geschehen?“ Das kostbare Salböl, das Maria für den Herrn gab, hätten sie lieber verkauft und den Armen gegeben. Das wäre für sie keine Vergeudung gewesen. Aber weil es für den Herrn gegeben wurde, werteten sie es als Vergeudung. Dieses Verhalten beinhaltet eine ernste Warnung für uns. Auch bei uns kann es dazu kommen, dass wir große Aktivitäten im Dienst an Gläubigen und Ungläubigen entwickeln, aber dem Herrn und der Anbetung seiner Person nicht den ersten Platz einräumen. Diese Dinge und auch gute Werke an Armen haben durchaus ihren Platz. Aber es kommt auf die Prioritäten in unserem Leben an.
      Die Jünger waren besorgt um die Armen, verkannten aber Den, der arm geworden war (2. Kor 8,9), als der Arme hier über die Erde ging (Ps 40,18 und 41,2) und nicht hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte (Lk 9,58). Stattdessen griffen sie Maria an, die den Herrn im Gegensatz zu ihnen als „den Armen“ erkannte.
      Maria verteidigt sich nicht selbst. Auch in Lukas 10,38–42 hatte sie es nicht getan. Sie überlässt ihre Sache dem Herrn, der sie sofort in Schutz nimmt und ihre Handlung außerordentlich würdigt. Was sie getan hatte, war ein gutes Werk an Ihm. Er selbst war der Beweggrund ihres Handelns gewesen, und die Liebe zu Ihm bewog sie, diese kostbare Salbe ausschließlich Ihm zu geben. „Sie hat getan, was sie vermochte!“ Nicht mehr und nicht weniger – aber alles, was sie tun konnte (vgl. auch Mk 12,44c). „Sie hat es getan“ – das steht im Gegensatz zu der Sprache der Jünger in Vers 5, die davon redeten, was man hätte tun können. Es zeigt das Ergebnis einer Tat des Glaubens im Gegensatz zu den Überlegungen des Unglaubens.
      Marias zarte Empfindungen für den Herrn trieben sie dazu, seinen Leib im Voraus zum Begräbnis zu salben. Sie zeigte Ihm ihre Zuneigung und brachte Ihm ihre Anbetung direkt vor seinen tiefsten Leiden. Das war für den Herrn so wertvoll, dass Er die Verheißung gab, dass ihre Tat überall dort erwähnt werden würde, wo das Evangelium gepredigt werden würde. Das zeigt die Verbindung zwischen dem Evangelium und der Anbetung. Das Evangelium in seinem umfassenden Charakter beinhaltet zum einen das „Wort vom Kreuz“ zum Heil für den Verlorenen, hat aber auch zum Ziel, den erretteten Sünder zu einem wahren Anbeter zu machen.
      Der verräterische Plan des Judas
      „Und Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, ging hin zu den Hohenpriestern, um ihn an sie zu überliefern. Sie aber freuten sich, als sie es hörten, und versprachen, ihm Geld zu geben. Und er suchte, wie er ihn zu gelegener Zeit überliefern könnte“ (Mk 14,10.11).
      Hier zeigt sich wieder ein großer Gegensatz zu dem vorangegangenen Geschehen im Haus Simons. Dort war Maria, eine Frau, die ein Herz voller Liebe für den Herrn hatte; hier begegnen wir Judas, einem Mann, der herzlosen Verrat an dem Herrn verübte. Maria gab freiwillig dem Herrn, Judas fragte die Hohenpriester: „Was wollt ihr mir geben?“ (Mt 26,15).
      Es war „einer von den Zwölfen“, der zu den Hohenpriestern ging, um seinen Herrn an sie zu überliefern.
      Was muss das für den Herrn gewesen sein! Wenn wir Psalm 41,10 oder Psalm 55,13.14 lesen, bekommen wir einen kleinen Einblick in die Empfindungen des Herrn in Bezug auf Judas und erkennen, wie der Herr auch durch diesen Verrat auf seinem Weg zum Kreuz gelitten hat.
      Judas hatte den Herrn gut drei Jahre in nächster Nähe begleitet, hatte sein Handeln und seine Liebe – auch ihm gegenüber – gesehen und war doch gleichgültig und unberührt davon geblieben.
      Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Person des Herrn und die Geldliebe in seinem Herzen führten zu seiner schrecklichen Sünde. Seine Geldliebe machte ihn zu einem Dieb (Joh 12,6) und trieb ihn so weit, den Herrn gegen einen Lohn von dreißig Silberstücken, dem Preis für einen Knecht (2. Mo 21,32), zu verkaufen. Aber zugleich verkaufte er damit sich selbst dem Satan. Daran erkennen wir, was für ein furchtbares Werkzeug die Geldliebe in der Hand Satans ist. Sie ist eine „Wurzel alles Bösen“ (1. Tim 6,10) und wir werden nicht umsonst vor ihr gewarnt, da sie eine Gefahr für jeden darstellt, egal ob er arm oder reich ist.
      Dass es „einer von den Zwölfen“ war, illustriert auch, wie nahe ein Mensch dem Herrn Jesus äußerlich sein kann, um dann doch verloren zu gehen, wenn keine echte Herzensbeziehung und Wiedergeburt vorhanden ist. Es redet aber auch zu uns, indem es uns zeigt, dass ein Gläubiger (auch wenn Judas keiner war) in die schlimmsten Sünden fallen kann, wenn er nicht wachsam ist (1. Pet 4,15).
      Judas ist auch ein Bild von dem ungläubigen Teil des Volkes Israel zur Zeit des Herrn Jesus auf der Erde. Die Menge der Juden hat den Herrn in all den Jahren erlebt und die segensreichen Auswirkungen seiner Gegenwart und seines Handelns erfahren. Und doch lehnten sie Ihn ab und brachten Ihn ans Kreuz. Ähnlich wie Judas handelte Absalom im Alten Testament, der Verrat an seinem Vater David beging.
      Der Ort und die Vorbereitungen für das Passah
      „Und am ersten Tag der ungesäuerten Brote, da man das Passah schlachtete, sagen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und bereiten, damit du das Passah essen kannst? Und er sendet zwei seiner Jünger und spricht zu ihnen: Geht hin in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der einen Krug Wasser trägt; folgt ihm, und wo irgend er hineingeht, sprecht zu dem Hausherrn: Der Lehrer sagt: Wo ist mein Gastzimmer, wo ich mit meinen Jüngern das Passah essen kann? Und dieser wird euch ein großes Obergemach zeigen, mit Polstern belegt und fertig; und dort bereitet es für uns. Und seine Jünger gingen weg und kamen in die Stadt und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte; und sie bereiteten das Passah“ (Mk 14,12–16).
      Diese Verse machen uns zunächst einmal den Herrn Jesus groß. Das letzte vorbildliche Passah naht heran. Er, der im Begriff stand, das wahre Passahlamm zu werden, sendet zwei seiner Jünger aus, um alles für dieses Fest vorzubereiten, das Er noch einmal mit seinen Jüngern feiern wollte. Obwohl der Augenblick seiner tiefsten Erniedrigung kurz bevorstand, sehen wir hier noch einmal seine göttliche Herrlichkeit, seine Macht und Allwissenheit hervorstrahlen. Er sieht alles vor Augen und gibt den Jüngern klare Anweisungen für die Vorbereitungen. Alles trifft genau so ein. Die Jünger finden es so vor, wie Er es ihnen gesagt hatte.
      In der Anwendung können wir diesen Versen wichtige Hinweise in Bezug auf den Platz des Zusammenkommens nach seinen Gedanken entnehmen, insbesondere im Blick auf das Brotbrechen und die Verkündigung seines Todes.
      Zunächst lernen wir etwas über den Wunsch im Herzen eines Gläubigen, diesen Platz zu finden (V. 12). Dann sehen wir, welche Führer und Hilfsmittel der Herr uns gibt, um an diesen Platz zu gelangen (V. 13), und schließlich erfahren wir, wodurch dieser Ort charakterisiert ist (V. 13–15).
      Es beginnt mit der wichtigen Frage der Jünger: „Wo willst du, dass wir hingehen?“ Das ist die entscheidende Frage, die hier an die richtige Adresse gerichtet wird. Wenn es um den Platz des Zusammenkommens geht, dann ist allein der Wille des Herrn ausschlaggebend. Heute wird das oft missachtet, man fragt viel lieber: „Wo will ich hingehen?“ Wie erfreut es dann das Herz des Herrn, wenn Er solche findet, die in dieser Sache allein nach seinem Willen fragen und den Ort suchen, wo Er sich aufhält.
      Ähnliche Fragen finden wir auch in Johannes 1,38 und in Hohelied 1,7. Wenn wir diese Stellen mit unseren Versen vergleichen, stellen wir fest, dass
      1. die Fragen immer an den Herrn gerichtet werden,
      2. der Herr nirgendwo eine genaue Adresse angibt und
      3. die Fragenden immer zur Ruhe kommen.

      Statt ihnen den konkreten Ort zu nennen, gibt Er den Jüngern hier eine auf den ersten Blick etwas interessant anmutende Anweisung: Sie würden einem Menschen (oder Mann) begegnen, der einen Krug Wasser trägt. Das war etwas Besonderes, denn normalerweise war es Aufgabe der Frauen, Wasser zu holen. Diesem Menschen sollten sie folgen. Mehr sagt Er ihnen nicht. Dies macht deutlich, dass es bei uns eine gewisse geistliche Übung voraussetzt, um den Platz zu finden, wo der Herr in unserer Mitte sein will.
      Aber auf dem Weg zu diesem Ort sind wir nicht allein gelassen. In Vers 13 finden wir die Führer, die uns den Weg weisen wollen. Zunächst ist es der Herr selbst, dem wir gehorchen müssen. Er sendet die Jünger aus, um an den Ort zu gelangen. Dann haben wir den Menschen, der den Krug Wasser trägt. Darin sehen wir ein Bild des Heiligen Geistes (vgl. Joh 16,13), der das Wort Gottes (vgl. Eph 5,26) benutzt und es uns aufschließt, um uns an den richtigen Ort zu bringen. Der Herr, der Geist und das Wort – das sind drei absolut zuverlässige Führer. Denn alle drei sind „die Wahrheit“, (Joh 14,6; 16,13; 17,17; 1. Joh 5,6). Wenn wir auf diese Führer achten und ihnen nachgehen, folgen wir also der Wahrheit und wir sind auf dem richtigen Weg. Und wir werden wie die Jünger die Erfahrung machen, dass wir alles so finden, „wie er ihnen gesagt hatte“ (V. 16). Es liegt also an uns, den Willen des Herrn zu erfragen, ihn dann aber auch zu tun. Den Jüngern würde der „Mensch mit dem Krug Wasser“ auf dem Weg „begegnen“. Auch das ist eine Erfahrung, die wir machen werden, wenn wir den Willen des Herrn tun möchten: „Du kommst dem entgegen, der Freude daran hat, Gerechtigkeit zu üben, denen, die sich auf deinen Wegen an dich erinnern“ (Jes 64,4).
      In den folgenden Versen finden wir dann verschiedene Punkte, die den Ort des Zusammenkommens nach den Gedanken des Herrn kennzeichnen.
      Zunächst heißt es, dass die Jünger in die Stadt gehen sollten. Eine Stadt ist ein Ort in dieser Welt, wo Menschen wohnen. So kommen auch wir in dieser Zeit zusammen, während wir hier auf der Erde wohnen und unter den Menschen leben. Wenn wir beim Brotbrechen den Tod des Herrn verkünden, tun wir dies auch vor den Menschen, die uns umgeben.
      Dann sollten die Jünger nach dem Gastzimmer fragen. Es ist ein Ort mit vorübergehendem Charakter; man hat dort ein Bewusstsein von Fremdlingschaft.
      Als Gläubige ist „unser Bürgertum in den Himmeln“ (Phil 3,20). Hier auf der Erde sind wir „Fremdlinge“ und „ohne Bürgerrecht“ (1. Pet 2,11). Aber wir kennen hier ein „Gastzimmer“, einen Ort, wohin der Herr uns einlädt. Da sind wir in seinem Namen versammelt, und Er verheißt in unserer Mitte zu sein (Mt 18,20). Da verkündigen wir den Tod des Herrn, „bis er kommt“ (1. Kor 11,26).
      Es ist sein Gastzimmer. Dieser Ort gehört Ihm allein – nicht uns. Er ist der Gastgeber, von dem in den Zusammenkünften alles so ausgeht und gelenkt wird, dass es zum Segen und Wohlergehen der Gläubigen ist.
      Weiter heißt es, dass den Jüngern ein großes Obergemach gezeigt werden würde. Das spricht davon, dass wir an diesem Ort über die irdischen Umstände „emporgehoben“ werden. Wir dürfen dort schon auf der Erde etwas „Himmelsluft“ atmen und die Gemeinschaft mit Ihm genießen. Dieses Obergemach ist dadurch gekennzeichnet, dass es groß ist. Es ist ein Ort, der grundsätzlich allen Kindern Gottes offen steht, auch wenn wir in der Praxis aufgrund der Zerrissenheit in der Christenheit leider nicht mehr mit allen Gläubigen gottesdienstlich verbunden sein können. Aber die Grundlage des Zusammenkommens an diesem Ort ist die Wahrheit von dem einen Leib, der Einheit aller Erlösten mit dem Herrn. In dem einen Brot, das vor uns steht, wenn wir den Tod des Herrn verkünden, sehen wir alle Gläubigen. Das wollen wir nie vergessen.
      Das Obergemach war mit Polstern belegt. Das lässt uns daran denken, dass der Ort nach den Gedanken Gottes durch Ruhe, Frieden und Ordnung gekennzeichnet ist. Und es zeigt auch, dass die Suche nach diesem Ort einmal ein Ende haben darf und dass wir dort in Ruhe unsere himmlischen Beziehungen genießen werden.
      Zuletzt sagt der Herr, dass das Gastzimmer fertig sein würde. Für uns ist dieser Ort seit Apostelgeschichte 2 fertig und durch den Herrn bereitet. An diesem Ort bleibt kein Platz für menschliche Ideen und die Wahrheit über das Zusammenkommen an diesem Ort unterliegt keiner Änderung.
      Wie dankbar können wir sein, diesen Ort zu kennen, wo Er mit seinen Jüngern (V. 14) in dieser Welt zusammenkommen will!
      Welche Erfahrung machten die Jünger damals? Vers 16 sagt es: „Seine Jünger gingen weg und kamen in die Stadt und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte.“ Die gleiche Erfahrung wird heute jeder machen, der aufrichtig den Wunsch hat, diesen Platz zu finden, und der sich dabei durch den Geist Gottes im Gehorsam zur Bibel leiten lässt.
      Judas wird offenbar
      „Und als es Abend geworden war, kommt er mit den Zwölfen. Und während sie zu Tisch lagen und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern, der, der mit mir isst. Sie fingen an, betrübt zu werden und einer nach dem anderen zu ihm zu sagen: Doch nicht ich? Er aber sprach zu ihnen: Einer der Zwölf, der mit mir die Hand in die Schüssel eintaucht. Denn der Sohn des Menschen geht zwar dahin, wie über ihn geschrieben steht; wehe aber jenem Menschen, durch den der Sohn des Menschen überliefert wird! Es wäre besser für jenen Menschen, wenn er nicht geboren wäre“ (Mk 14,17–21).
      Als es Abend geworden ist, kommt der Herr mit seinen zwölf Jüngern, um mit ihnen das letzte Passah während seines Lebens auf der Erde zu feiern. Während des Essens offenbart der Herr seinen Jüngern, was sein Herz bewegt. Er sagt, dass einer von ihnen Ihn überliefern würde. Wir haben schon bei der Betrachtung von Vers 10 daran gedacht, was für ein Schmerz es für den Herrn gewesen sein muss, dass gerade „einer von den Zwölfen“ (V. 10.20), „einer von euch“ (V. 18) Ihn verraten würde. Er hatte von Anfang an gewusst, dass Judas ein Verräter war (Lk 6,16), und hatte ihn doch bis zu diesem Augenblick mit vollkommener Liebe geliebt und getragen. Ja, Er hatte Judas mit seiner Liebe so umgeben, dass die übrigen Jünger ihn bis jetzt nicht erkannt hatten. Daher sind sie so erschrocken, als der Herr ihnen eröffnet, dass einer von ihnen Ihn überliefern würde.
      Der Herr hätte Judas mit einem Satz überführen können. Doch Er tat es nicht, weil Er in den Herzen der Jünger zweierlei erreichen wollte:
      Zum einen wollte Er sie etwas an dem teilhaben lassen, wie Er in dieser Sache zu leiden hatte; zum anderen wollte Er aber auch ihre Gewissen in Übung bringen.
      Diese beiden Ziele verfolgt Er auch heute, wenn Er in der Mitte der Seinen Böses offenbaren muss.
      Er möchte, dass wir erkennen, was Ihm durch Sünde angetan wird und wie Er dadurch betrübt wird. Aber Er will auch unser aller Gewissen treffen, damit wir erkennen, dass in uns nichts Gutes wohnt und dass wir zu allem Bösen fähig sind, wenn wir nicht wachsam sind und uns nicht von Ihm bewahren lassen.
      Die Gewissen der Jünger wurden erreicht. Sie wussten, dass der Herr stets die Wahrheit sagte, und fragten daher einer nach dem anderen ängstlich: „Doch nicht ich?“ In den Herzen der elf Jünger war keine Selbstsicherheit mehr, sondern nur noch Misstrauen sich selbst gegenüber. Anders jedoch bei Judas, der in Matthäus 26,25 auch diese Frage stellt. Wir erschrecken, wenn wir sehen, welche Macht der Teufel über Judas hatte. Er stellte nicht nur diese heuchlerische Frage, sondern tauchte auch noch seine Hand mit dem Herrn in eine Schüssel ein. So nah war er äußerlich dem Herrn und doch innerlich so fern.
      In der Schüssel befand sich vermutlich Brühe mit bitteren Kräutern, in die die Bissen beim Passah eingetaucht wurden. Diese Brühe redet von der Bitterkeit des Todes, den der Herr erleiden musste. Dieses Zeichen war hier vor Judas, doch er blieb davon und auch von den ernsten Worten des Herrn unberührt.
      Die Worte des Herrn in Vers 21 zeigen den Ratschluss Gottes, aber auch die Verantwortung des Menschen.
      Der Herr ging als der Sohn des Menschen, als wirklicher Mensch, „dahin, wie über ihn geschrieben steht“. Das ganze Alte Testament hatte seinen Weg vorgezeichnet. Und diesen Weg ging der Herr als vollkommener Mensch, obwohl Er genau wusste, da Er zugleich Gott war, was Ihm dieser Weg einbringen würde. So groß war seine Liebe!
      Aber dieser Weg nach dem Vorsatz Gottes schmälerte in keiner Weise die Verantwortung des Judas, der „Sohn des Verderbens“ (Joh 17,12). Die überaus ernsten Worte des Herrn an Judas waren ein letzter Appell zur Rettung seiner Seele, doch Judas erkannte es nicht und ging, nachdem er den Bissen aus der Hand des Herrn genommen hatte, hinaus in die Nacht, wie Johannes berichtet. Er hatte – wie der König Pharao – die bestimmte Zeit vorübergehen lassen und war verloren (Jer 46,17).
      Die Einsetzung des Mahles des Herrn
      „Und während sie aßen, nahm er Brot, segnete, brach und gab es ihnen und sprach: Nehmt; dies ist mein Leib. Und er nahm einen Kelch, dankte und gab ihnen diesen; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Dies ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird. Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken werde bis zu jenem Tag, wenn ich es neu trinke in dem Reich Gottes. Und als sie ein Loblied gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg“ (Mk 14,22–26).
      Diese Verse schildern uns eine sehr beeindruckende Szene. Judas hat den Obersaal verlassen. Der Herr liegt mit seinen Jüngern zu Tisch und isst mit ihnen das Passahmahl. Welche Empfindungen müssen Ihn dabei bewegt haben! Wusste Er doch genau, dass Er wenig später sein Leben geben und schrecklich leiden würde. Doch dann nimmt Er plötzlich Brot, segnet (oder dankt), bricht es und gibt es seinen Jüngern mit den Worten: „Nehmt; dies ist mein Leib“, und Lukas fügt noch die Worte des Herrn hinzu: „der für euch gegeben wird.“ Ebenso tut Er mit dem Kelch.
      Aus Lukas 22,19 und 1. Korinther 11,24–26 lernen wir, dass Er ihnen diese Zeichen zu seinem Gedächtnis und zur Verkündigung seines Todes gab. Was für eine Liebe spricht aus seinen Worten und aus seinem Handeln! Und wie erfreut es den Herrn, wenn wir seine Liebe erwidern und seiner Aufforderung entsprechen und von Herzen zu seinem Gedächtnis zusammenkommen, um seinen Tod zu verkündigen.
      Er gibt den Jüngern diese zwei schlichten Zeichen Brot und Wein, die voll tiefer Bedeutung sind, wie die Worte des Herrn deutlich machen.
      Als Er den Jüngern das Brot reicht, sagt Er: „Dies ist mein Leib.“ Als Er ihnen den Kelch reicht, sagt Er: „Dies ist mein Blut.
      Das Brot ist also ein Symbol, eine bildhafte Darstellung seines Leibes, den Er für uns in den Tod gegeben hat. Ebenso ist der Wein ein Symbol seines Blutes, das Er am Kreuz von Golgatha vergossen hat. Brot und Wein voneinander getrennt reden vom Tod. Aber auch beide Symbole sprechen für sich vom Tod, wenn wir an ihren Entstehungsprozess denken. Es ist wichtig, dass wir daran denken, dass das Brot und der Wein nur Symbole sind, die sich nicht verändern, wenn sie gegessen bzw. getrunken werden.
      In 1. Korinther 10 und 11 finden wir den lehrmäßigen Hintergrund zum Tisch des Herrn und Mahl des Herrn. Dort wird die Bedeutung der Symbole bestätigt. Eine weitere Bedeutung des Brotes wird uns in 1. Korinther 10,17 gezeigt. Das Brot ist auch ein Bild von der wunderbaren Einheit aller Kinder Gottes, die aus dem Werk auf Golgatha hervorgegangen ist. Es spricht von dem einen Leib, von dem der Herr Jesus jetzt das verherrlichte Haupt im Himmel ist.
      Das Blut wird hier und in den Parallelstellen immer mit dem neuen Bund in Verbindung gebracht. Daraus könnte man schließen, dass dieser Bund mit den Gläubigen der Gnadenzeit in Verbindung steht. Dies ist jedoch nicht so.
      Aus Jeremia 31,31–34 und Hebräer 8,8–13 lernen wir, dass der neue Bund mit Israel geschlossen wird. Mit Israel gab es bereits einen alten, einen ersten Bund (2. Mo 24,3–8). Dieser Bund war ein zweiseitiger Bund zwischen dem Volk und dem Herrn. Es war ein Bund der Werke. Er gründete sich auf die freiwillige Verpflichtung des Volkes Israel, alle Worte, die der Herr geredet hatte, zu tun. Dieser Bund wurde durch Blut besiegelt. Allerdings war das Blut dort ein Zeichen des Todes für jeden, der den Bund brechen würde.
      Der neue Bund ist von ganz anderer Natur. Es ist ein einseitiger Bund, der sich allein auf Gott gründet und nichts vom Menschen fordert. Das Blut des Herrn Jesus, das durch den Kelch symbolisiert wird, ist die Grundlage des neuen Bundes. Daher wird es hier und in den anderen Berichten das „Blut des [neuen] Bundes“ genannt. Die Grundlage dieses Bundes ist also auf Golgatha gelegt worden, der Bund selbst ist jedoch noch zukünftig (Jer 31,31.33). Er beinhaltet im Wesentlichen drei Dinge:
      1. Israel wird wieder das Volk Gottes werden, es wird eine Wiedergeburt als Nation erleben („Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen … ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein“ [Jer 31,33]).
      2. Israel wird wieder zur Erkenntnis des Herrn kommen („Sie alle werden mich erkennen“ [Jer 31,34]).
      3. Israel wird in den Genuss der Sündenvergebung gelangen („Ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken“ [Jer 31,34]).

      In welchem Verhältnis stehen nun wir Christen zu diesem neuen Bund? Wir genießen diese Segnungen jetzt schon. Aber wir genießen sie nicht in einer Bundesbeziehung, sondern als Kinder, mit denen Gott keinen Bund schließt. Unsere Segnungen gehen weit über die des neuen Bundes hinaus, wenn wir nur an das denken, was uns in Epheser 1 vorgestellt wird.
      Das Mahl, das der Herr hier einsetzte, wurde durch Danksagung gekennzeichnet. Er dankte, bevor Er das Brot verteilte, und dankte, bevor Er den Jüngern den Kelch gab.
      Wir tun gut daran, wenn wir diesem Muster in unseren Zusammenkünften zum Brechen des Brotes genau folgen. Sei es, was die Reihenfolge der Handlungen betrifft, sei es, was die Schlichtheit betrifft, die über allem liegt, aber auch in Bezug auf den Charakter der Zusammenkunft. Wir kommen bei dieser Gelegenheit nicht zusammen, um unsere Bitten vor den Herrn zu bringen, sondern um Ihm zu danken, um Ihn durch Lieder, Bibelstellen und Gebete zu loben und zu preisen. Wir kommen zusammen, um seinen Tod zu verkündigen. Sein Tod am Kreuz auf Golgatha ist der Mittelpunkt dieses Zusammenkommens. Und diesen Tod verkündigen wir gemeinsam, indem wir von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken (1. Kor 11,26).
      Der Herr kündigt in Vers 25 an, dass Er selbst nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks – in seinem natürlichen Sinn – trinken würde, bis Er es neu tun würde im Reich Gottes. Sein Tod unterbrach seine Beziehungen zu der Erde und bedeutete in dieser Hinsicht das Ende jeder Freude für Ihn. In der Zeit von seinem Tod bis zur Errichtung des Reiches findet Er auch keine Freude und Frucht mehr an seinem irdischen Volk Israel. Das alles wird erst im zukünftigen Reich wieder gefunden werden.
      „Als sie ein Loblied gesungen hatten gingen sie hinaus an den Ölberg.“ Das ist ein beeindruckendes Zeugnis von der inneren Ruhe und Stärke, die den Herrn auf seinem Weg ans Kreuz kennzeichnete. Wahrscheinlich waren es die Psalm 115–118, die sie sangen, die so genannten „Hallel-Psalmen“. Was muss den Herrn dabei bewegt haben, wenn es z. B. in Psalm 118,27 heißt: „Bindet das Festopfer mit Stricken bis an die Hörner des Altars.“ Er wusste genau, was Ihm begegnen würde, und konnte doch angesichts all dessen, was vor Ihm stand, noch solch ein Loblied singen!
      Warnungen an die Jünger
      „Und Jesus spricht zu ihnen: Ihr werdet alle Anstoß nehmen, denn es steht geschrieben: „Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden zerstreut werden.“ Aber nach meiner Auferweckung werde ich euch vorausgehen nach Galiläa. Petrus aber sprach zu ihm: Wenn auch alle Anstoß nehmen werden, ich aber nicht. Und Jesus spricht zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, dass du heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, mich dreimal verleugnen wirst. Er aber beteuerte über die Maßen: Wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen. Ebenso aber sprachen auch alle“ (Mk 14,27–31).
      Auf dem Weg zum Ölberg kündigt der Herr den Jüngern an, was die bevorstehenden Stunden und seine Kreuzigung auch für sie bedeuten würden. Sie werden an Ihm „Anstoß nehmen“, weil sie nicht verstehen können, warum ihr Meister so behandelt werden wird und warum Gott das zulassen wird.
      Der Herr zitiert dann eine Stelle aus Sacharja 13,7 und kündigt an, dass der Hirte geschlagen und dass die Schafe zerstreut werden.
      Es sollte etwas geschehen, was für die Jünger eine große Änderung in ihrem Dienst und praktischen Wandel bedeuten würde. Bisher waren sie in den Jahren des gemeinsamen Dienstes mit dem Herrn vor allem bewahrt geblieben. Mit der Gefangennahme und dem Tod des Herrn änderte sich dies. Der Hass, die Feindschaft und die völlige Verwerfung, die den Herrn treffen würden, werden sich auch auf sie auswirken und dazu führen, dass sie, die Schafe, zerstreut werden. So sehen wir dann auch in Vers 50: „Und es verließen ihn alle und flohen.“ Sie flohen vor der „Gewalt der Finsternis“, vor der Feindschaft der Menschen.
      Aber was für ein Sturm brach erst gegen den Herrn los, als Er, der Hirte, in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz von Gott geschlagen wurde. Was das für ein Gericht war, können wir nicht erahnen.
      Wenn auch die unmittelbaren Auswirkungen des Kreuzes zur Zerstreuung der Jünger führten, können wir uns doch an das herrliche Ergebnis des vollbrachten Sühnungswerkes am Kreuz erinnern. Dieses Werk ist die gerechte Grundlage dafür, dass der Herr die Seinen jetzt sammeln kann. Er starb, um die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu versammeln (Joh 11,52) und um die Schafe aus dem jüdischen Schafhof und aus den Nationen zu einer Herde zusammenzubringen (Joh 10,16).
      Auch wenn die Jünger sich an Ihm stoßen und Ihn verlassen würden – der Herr würde sie nicht verlassen. Er blickt schon über das Kreuz hinaus und tröstet sie damit, dass Er vor ihnen nach Galiläa hergehen und dass sie Ihn dort wiedersehen würden. Darin erkennen wir einen Bezug zu dem letzten Versteil aus Sacharja 13,7: „Ich werde meine Hand den Kleinen (o. Geringen) zuwenden.“ Das ist unser Herr in seiner nie endenden Fürsorge für die Seinen!
      Die Verse 29–31 führen uns Petrus und die Ankündigung seiner Verleugnung vor Augen. Dabei fallen vier Punkte in seinem Verhalten auf, in denen er – und auch die anderen Jünger (s. V. 31b) – versagte und die auch uns zur Gefahr werden können:
      1. Petrus glaubte den Worten des Herrn nicht und widersprach Ihm – der Herr hatte gesagt, dass sich alle Jünger an Ihm ärgern würden, Petrus sagt jedoch: „Ich aber nicht.“
      2. Petrus schätzte sich falsch ein – er hatte ein Herz voller Liebe für den Herrn und meinte es aufrichtig, aber seine Liebe war nicht mit Kraft und Besonnenheit gepaart (2. Tim 1,7).
      3. Petrus verglich sich selbstgerecht mit den anderen – bei seinem Vergleich stellte Petrus sich über die anderen Jünger. Er meinte zu stehen und musste die schmerzliche Erfahrung machen, dass er fiel (1. Kor 10,12).
      4. Petrus nahm die Warnung des Herrn nicht an – die sehr präzisen Worte des Herrn in Vers 30 hätten ihn vorsichtig und nachdenklich machen sollen. Aber sie führten bei ihm zum Gegenteil. Er beteuerte seine Hingabe nur noch leidenschaftlicher und überheblicher.

      Wenn wir diese Punkte auf uns einwirken lassen, erkennen wir schnell, dass es uns nicht zusteht, über Petrus zu richten, weil wir uns selbst in seinem Bild erkennen. Wie oft kommen wir zu Fall und müssen dann feststellen, dass die Ursache dafür der eine oder andere oder sogar mehrere der genannten Punkte waren. Wir wollen uns daher durch diese Verse warnen lassen und festhalten, dass wir nur in Gemeinschaft mit Ihm und durch seine Gnade vor Versagen und Straucheln bewahrt bleiben können.
      Aus dem weiteren Verlauf der Geschichte und den Berichten in den anderen Evangelien wissen wir, dass das Selbstvertrauen des Petrus durch seinen Fall gründlich zerstört wurde. Es freut uns, wenn wir sehen, dass Petrus durch die persönliche und öffentliche Wiederherstellung durch den Herrn auch bleibend davon befreit wurde. Denn wie hätte er sonst in Apostelgeschichte 3,14 zu den Männern von Israel sagen können: „Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet“?
      Gethsemane
      „Und sie kommen an einen Ort, mit Namen Gethsemane, und er spricht zu seinen Jüngern: Setzt euch hier, bis ich gebetet habe. Und er nimmt Petrus und Jakobus und Johannes mit sich und fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden. Und er spricht zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod; bleibt hier und wacht. Und er ging ein wenig weiter, fiel auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorübergehe. Und er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir weg! Doch nicht, was ich will, sondern was du willst! Und er kommt und findet sie schlafend; und er spricht zu Petrus: Simon, schläfst du? Vermochtest du nicht eine Stunde zu wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach. Und er ging wieder hin, betete und sprach dasselbe Wort. Und als er wiederkam, fand er sie schlafend, denn ihre Augen waren beschwert; und sie wussten nicht, was sie ihm antworten sollten. Und er kommt zum dritten Mal und spricht zu ihnen: So schlaft denn weiter und ruht euch aus. Es ist genug; die Stunde ist gekommen: Siehe, der Sohn des Menschen wird in die Hände der Sünder überliefert. Steht auf, lasst uns gehen; siehe, der mich überliefert, ist nahe gekommen“ (Mk 14,32–42).
      Über dem Geschehen in Gethsemane liegen unausgesprochen die Worte aus 2. Mose 3,5: „Zieh deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliger Boden.“ Wir sehen den Herrn in seinen Vorempfindungen der Leiden, die unmittelbar über Ihn kommen würden und die Ihm größte Seelennot bereiten. Satan, der nach den Versuchungen in der Wüste für eine Zeit von Ihm gewichen war (Lk 4,13), kommt jetzt wieder zurück (Joh 14,30.31), um den Herrn noch einmal aufs Äußerste zu versuchen.
      Trotz all des Unverständnisses der Jünger in Bezug auf seinen Weg und seine Leiden nimmt der Herr sie doch weiter mit bis nach Gethsemane in die Nähe des Ölbergs. Dort wählt Er Petrus, Jakobus und Johannes aus, um sie etwas an seinen Leiden teilhaben zu lassen. Sie waren es auch, die Ihn in Lukas 9 auf den Berg begleitet hatten, als Er mit Mose und Elia seinen Ausgang besprach, den Er in Jerusalem erfüllen sollte (Lk 9,31). Doch in beiden Begebenheiten wurde ihre menschliche Schwachheit deutlich: Sie schliefen ein.
      Sie erleben mit, wie der Herr „sehr bestürzt und beängstigt“ wird, und hören von Ihm, dass seine Seele bis zum Tode betrübt ist. Es sind ergreifende Verse, die uns einen Blick in die Seele, in die innersten Empfindungen des Herrn gestatten. Neben dem Verrat durch Judas, der Verleugnung durch Petrus, der Verwerfung durch sein Volk stand in ganz besonderer Weise das Geschehen in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz vor dem Herrn. Dort würde Er, der Sündlose, zur Sünde gemacht werden und von einem heiligen und gerechten Gott verlassen und gerichtet werden. Dort würde Er in den Tod gehen müssen. Das ganze Gewicht des vor Ihm liegenden Sühnungswerkes bedrückte hier seine Empfindungen und bereitete Ihm tiefste Not.
      Doch der Herr ging vollkommen durch diese Stunde der Versuchung und wandte sich in ernstem Gebet und Flehen zu Dem, „der ihn aus dem Tod zu erretten vermochte“ (Heb 5,7). In Gemeinschaft mit seinem Gott – denn hier war der Herr im Gegensatz zu den drei Stunden am Kreuz noch in Gemeinschaft mit Ihm – durchlebte Er alles, was Ihm begegnen würde.
      So lesen wir dann in Vers 35: „Er ging ein wenig weiter, fiel auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorübergehe.“ Es scheint, dass diese in indirekter Rede geschilderten Worte eine Zusammenfassung seines Gebets sind, während wir dann in Vers 36 die direkten Worte seines Gebets finden.
      Drei kurze und doch so inhaltsreiche Sätze werden uns von dem Gebet des Herrn berichtet. Diese Aussagen zeigen den Herrn als Sohn sowie als Mensch und Diener:
      1. „Abba, Vater, alles ist dir möglich“ – hier redet der Herr als der Sohn, der in inniger Beziehung zu seinem Vater steht, und spricht Ihn in seiner Allmacht an.
      2. „Nimm diesen Kelch von mir weg!“ – das sagt der Herr als der vollkommene und wahre Mensch. Als solcher hatte Er während seines ganzen Lebens in ungetrübter Gemeinschaft mit seinem Gott gestanden und Er kannte Gottes Liebe und Heiligkeit in ihrem ganzen Ausmaß. Er hatte die Sünde verabscheut und wusste um den Zorn Gottes gegen die Sünde. Der Kelch, der jetzt vor Ihm stand, war gefüllt mit diesem Zorn Gottes. Wie konnte Er da wünschen, diesen Kelch zu trinken, zur Sünde gemacht und von Gott verlassen zu werden?
      3. „Doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ – diese Worte zeigen den Herrn in dem Charakter dieses Evangeliums als den vollkommenen Diener, der sich dem Willen Gottes unterwarf. Trotz all der Not, die der Kelch aus der Hand des Vaters für Ihn beinhaltete, wusste Er doch, dass es keine andere Möglichkeit gab, das Werk, das der Vater Ihm gegeben hatte, zu vollbringen. Er musste diesen Kelch des Zornes Gottes trinken. In vollkommenem Gehorsam war Er bereit, alles zu tun, was erforderlich war, um das Werk auszuführen und den Vater zu verherrlichen. Er war „gekommen, um zu dienen“ – und das bis zu seinem Tod!

      Erklären und in ihrer Tiefe verstehen können wir diese Worte nicht. Gerade in diesen Versen bestätigt sich Matthäus 11,27: „Niemand erkennt den Sohn, als nur der Vater.“
      Insgesamt dreimal brachte der Herr die Not seiner Seele in ringendem Flehen vor seinen Vater. Das lässt uns etwas davon erahnen, wie schwer und furchtbar das Vorempfinden der kommenden Leiden für Ihn war. Es ist beeindruckend, zu sehen, mit welch einer Ruhe der Herr nach jedem Gebet vor die Jünger tritt. Obwohl Er selbst in so großer Not war, kümmert Er sich doch noch in Liebe um sie. Er findet sie schlafend, dabei hatte Er sich als der wahre Mensch so sehr nach ihrem Mitgefühl, nach ihrem Mitleid gesehnt. Er spricht Simon, der sich vorher so gerühmt hatte, stellvertretend für die anderen an. In dieser Situation der Schwachheit nennt Er ihn – wie schon zuvor bei der Warnung in Lukas 22,31 – mit seinem alten Namen. Dadurch hätte Simon Petrus hellwach werden müssen. Doch wie alle anderen hatte auch er nicht gebetet, sondern war eingeschlafen.
      Es gehörte zu den Leiden des Herrn, dass Er auch in dieser Not ganz allein war. Er hatte „auf Mitleid gewartet, und da war keins, und auf Tröster“, und Er hatte „keine gefunden“ (Ps 69,21). Und in Psalm 102,7.8 hören wir Ihn klagen: „Ich gleiche dem Pelikan der Wüste, bin wie die Eule der Einöden. Ich wache und bin wie ein einsamer Vogel auf dem Dach.“
      Aber obwohl Er bei den Jüngern vergeblich auf Mitleid wartete, tadelt Er sie nicht weiter, sondern erkennt bei aller Schwachheit doch ihre Liebe zu Ihm an, indem Er sagt: „Der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach“ – eine Erfahrung, die auch wir leider oft machen.
      Darin sehen wir wieder unseren Herrn, der selbst in einer solchen Lage nicht an sich denkt, sondern an seine Jünger und sie nochmals auffordert, zu wachen und zu beten, um nicht in Versuchung zu kommen. Nur so und mit dem Bewusstsein unserer eigenen Schwachheit können wir vor Versuchungen bewahrt bleiben. Ist die Versuchung erst einmal da, haben wir oft keine Zeit mehr zu beten.
      Der Teufel will uns nicht nur zur Sünde verführen, sondern auch zum Schlafen, wie die Jünger hier. Beides führt dazu, dass wir unbrauchbar und unempfindsam werden für die Bedürfnisse des Herrn und unserer Mitmenschen. Daher haben auch wir die wiederholte Warnung des Herrn „Wacht“ so nötig.
      Als der Herr zum dritten Mal zurückkommt und die Jünger schlafend findet, sagt Er: „So schlaft denn weiter, und ruht euch aus. Es ist genug.“ Jetzt war die gelegene Zeit zu wachen vorbei. Jetzt war die Stunde gekommen, in der der Sohn des Menschen in die Hände der Sünder überliefert wurde.
      Was war das für eine Stunde? Es war die Stunde des Volkes, das Er liebte, das Ihn jetzt aber völlig verwarf. Es war die Stunde der „Gewalt der Finsternis“, die Stunde, in der Satan mit der Gewalt des Todes in seiner Hand zu Ihm kam (Lk 22,53). Und es war auch die Stunde, in der Er durch Judas verraten wurde und in der Gott Ihn in die Hand seiner Feinde gab.
      Der Sohn des Menschen sollte jetzt in die Hände der Sünder überliefert werden. Was für ein Gegensatz liegt in diesen Worten. In Daniel 7,13.14 erfahren wir etwas davon, wer der Sohn des Menschen ist und was für eine Macht und Herrlichkeit in der Zukunft mit diesem Titel verbunden sein wird. Er, dieser vollkommen Reine, Heilige und Sündlose, ließ sich in die Hände der Sünder überliefern, ließ sich von ihnen berühren und gefangen nehmen!
      Und wer war der erste dieser Sünder, der kam, um den Herrn zu überliefern? Es war „Judas, einer der Zwölf“ (V. 43), der die Schar anführte, die Ihn gefangen nehmen wollte (Lk 22,47).
      In Vers 42 wird noch einmal deutlich, was für ein Schmerz es für den Herrn gewesen sein muss, dass Ihn gerade Judas überlieferte. Er spricht nicht von der ganzen Menge, die kam, um Ihn gefangen zu nehmen, sondern nur von Judas, der kam, um Ihn zu überliefern. Von dieser Überlieferung berichtet der Heilige Geist auch in 1. Korinther 11,23. Auch wir sollten wissen, wie sehr der Herr durch das Handeln Judas' verletzt wurde.
      Judas handelte zielgerichtet und führte seinen Plan aus. Aber ebenso zielgerichtet handelte auch der Herr, der den Heilsplan Gottes ausführen wollte. Wir hören Ihn sagen: „Steht auf, lasst uns gehen.“ Jetzt, wo der Herr den Kelch aus der Hand des Vaters genommen hatte, hatte Er nur noch das eine Ziel, den Willen Gottes ganz zu erfüllen und sein Werk zu vollbringen. Er ging, um sich in die Hände der Sünder zu übergeben.
      Der Verrat und die Gefangennahme des Herrn
      „Und sogleich, noch während er redet, kommt Judas, einer der Zwölf, herzu, und mit ihm eine Volksmenge mit Schwertern und Stöcken, ausgesandt von den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und den Ältesten. Der ihn aber überlieferte, hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Wen irgend ich küssen werde, der ist es; ihn greift, und führt ihn sicher fort. Und als er kam, trat er sogleich zu ihm und spricht: Rabbi!, und küsste ihn sehr. Sie aber legten die Hände an ihn und griffen ihn. Ein gewisser von den Dabeistehenden aber zog das Schwert, schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab.
      Und Jesus hob an und sprach zu ihnen: Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber, mit Schwertern und Stöcken, um mich zu fangen? Täglich war ich bei euch, im Tempel lehrend, und ihr habt mich nicht gegriffen – aber damit die Schriften erfüllt würden. Und es verließen ihn alle und flohen. Und ein gewisser Jüngling folgte ihm, der feines Leinentuch um den bloßen Leib geworfen hatte; und sie greifen ihn. Er aber ließ das feine Leinentuch fahren und floh nackt von ihnen“ (Mk 14,43–52).
      Während der Herr noch mit seinen Jüngern redet, naht die bewaffnete Volksmenge, die von Judas angeführt wird. Jetzt war der Augenblick gekommen, wo Judas seinen boshaften Plan ausführen konnte. Er hatte überlegt, wie er den Herrn überliefern könnte, und hatte im Voraus mit der Menge ein Zeichen verabredet, mit dem er ihnen den Herrn zeigen wollte. Was für ein Hohn lag in dem Kuss und in den Worten von Judas. Der Herr, der die Liebe Gottes zu den Sündern offenbart hatte, wird jetzt von einem, der Ihn drei Jahre in engster Gemeinschaft begleitet hatte, heuchlerisch durch einen Kuss, dem Zeichen der Liebe, verraten! In dieser Tat offenbart sich die völlige Verderbtheit des menschlichen Herzens. Es hat die empfindsame Seele des Herrn getroffen, diesen Kuss von Judas zu bekommen. Aber auch dieser Schmerz gehörte zu dem Plan Gottes für seinen Sohn.
      Auch der König David wurde einmal von einem seiner engsten Vertrauten verraten. In 2. Samuel 15–17 sehen wir, wie Absalom sich gegen seinen Vater empörte und das Königreich an sich riss. David floh mit einigen Getreuen und musste erleben, wie sich sein vertrauter Berater Ahitophel von ihm abwandte, ihn verriet und Absalom unterstützte. Er gab Absalom Ratschläge, wie man David schaden könnte, jedoch anders als bei Judas verhinderte Gott diesen Plan. Bei dieser Parallele ist es auch bemerkenswert, dass sich Ahitophel, wie auch Judas, erhängte, als er erkannte, dass sein Plan nicht ausgeführt wurde (2. Sam 17,23).
      Doch der Verrat durch Judas ist noch nicht alles, was dem Herrn in dieser Szene widerfährt. Er muss erleben, wie Petrus (auch wenn sein Name hier nicht erwähnt wird) in fleischlichem Eifer handelt und mit dem Schwert dreinschlägt. Sicherlich handelte Petrus durch Liebe motiviert, aber sie war nicht von Einsicht und Verständnis begleitet. Er merkte nicht, dass er sich durch sein Tun dem Weg und Willen des Herrn ganz entgegenstellte, der als der vollkommene Knecht Gottes den Weg der Leiden bis zum Ende gehen wollte.
      Wir können uns fragen, warum Petrus hier so entgegengesetzt zu dem Willen des Herrn handelte. Liegt eine Antwort nicht darin, dass er kämpfte, ohne vorher gebetet zu haben? Er kämpfte, wo er nicht kämpfen sollte, und schlief, wo er hätte wachen sollen.
      Sein Verhalten ist voller Belehrung für uns. Auch wir können nur dann richtig und einsichtsvoll handeln, wenn wir wachsam sind und vorher in der Abhängigkeit des Gebets gewesen sind. So kann es z. B. sein, dass wir aus guten Beweggründen unseren Geschwistern mit dem Wort Gottes, dem „Schwert des Geistes“, dienen wollen, aber unser Handeln nicht in Abhängigkeit vom Herrn geschieht und nicht einsichtig ist. Wenn wir so handeln, passiert es leicht, dass wir ein „Ohr abschlagen“. Dann wundern wir uns, warum wir bei unserem Gegenüber keine Bereitschaft finden, auf das Wort Gottes zu hören. Der Herr hat nie so gehandelt. Er hat das „Schwert des Geistes“ nie benutzt, um zu töten oder ein Ohr abzuschlagen. Er hat immer auf das Herz der Menschen gezielt, um Herzen zu gewinnen und zu heilen. Auch da wollen wir von Ihm in der Anwendung des Wortes Gottes lernen.
      Die Worte des Herrn in den Versen 48 und 49 offenbaren etwas von seinem Schmerz und seinen Empfindungen angesichts der Menge, die kam, um Ihn zu fangen. Seine Worte hätten sie treffen müssen. War Er es nicht gewesen, der unter ihnen wohltuend und heilend umhergezogen war? Hatten sie Ihm nicht ihre Kranken und Schwachen gebracht? Hatten sie Ihm nicht zugejubelt und täglich seinen Worten im Tempel zugehört? Und jetzt kamen sie nachts, um Ihn wie einen Schwerverbrecher mit Schwertern (den Waffen der Soldaten) und Stöcken (den Waffen der einfachen Leute) zu fangen?
      Doch wie bedeutsam ist der Zusatz am Ende von Vers 49: „aber damit die Schriften erfüllt würden“ – so sah der Herr auch diese Menge nur als Werkzeug, Gottes großen Plan, der in den Schriften niedergeschrieben war, auszuführen. Die Worte aus Psalm 76,11 erfüllten sich: „Denn der Grimm des Menschen wird dich preisen.“
      Zuletzt lesen wir, dass Ihn alle verlassen und fliehen. Die Schrecken der Stunde des Menschen und „die Gewalt der Finsternis“ übten eine solche Macht über die Seinen aus, dass sie alle fliehen. Jetzt ist Er ganz allein in den Händen seiner Feinde auf einem Weg, auf dem Ihn niemand begleiten konnte.
      Ein junger Mann versucht noch, hinter dem Herrn herzugehen, muss aber erleben, wie sein Versuch, in eigener Kraft zu folgen, ihm nur umso größere Schmach einbringt. Er hat eine feine Leinwand umgeworfen, die er fahren lässt, als man ihn greifen will. Handeln wir nicht oft ähnlich? Wir lassen unser hohes Bekenntnis (feine Leinwand) oft fahren, wenn es gilt „Farbe zu bekennen“. Wir wollen – wie der junge Mann hier – dem Herrn folgen, aber nicht um jeden Preis. Wir haben Furcht, dass es uns so ergehen könnte wie dem Herrn.
      Wir wollen daher den Herrn bitten, uns zu helfen, dass wir Ihn nicht so schnell in wesentlich einfacheren Umständen verleugnen.
      Das Verhör vor dem Hohenpriester Kajaphas
      „Und sie führten Jesus weg zu dem Hohenpriester; und alle Hohenpriester und Ältesten und Schriftgelehrten versammeln sich um ihn. Und Petrus folgte ihm von weitem bis hinein in den Hof des Hohenpriesters; und er saß mit bei den Dienern und wärmte sich an dem Feuer.
      Die Hohenpriester aber und das ganze Synedrium suchten Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu Tode zu bringen; und sie fanden keins. Denn viele gaben falsches Zeugnis gegen ihn, aber die Zeugnisse waren nicht übereinstimmend. Und einige standen auf und gaben falsches Zeugnis gegen ihn und sprachen: Wir hörten ihn sagen: Ich werde diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen, und in drei Tagen werde ich einen anderen aufbauen, der nicht mit Händen gemacht ist. Und auch so war ihr Zeugnis nicht übereinstimmend. Und der Hohepriester stand auf, trat in die Mitte und fragte Jesus und sprach: Antwortest du nichts? Was bringen diese gegen dich vor? Er aber schwieg und antwortete nichts. Wieder fragte ihn der Hohepriester und spricht zu ihm: Bist du der Christus, der Sohn des Gesegneten? Jesus aber sprach: Ich bin es. Und ihr werdet den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen. Der Hohepriester aber zerriss seine Kleider und spricht: Was brauchen wir noch Zeugen? Ihr habt die Lästerung gehört. Was meint ihr? Sie alle aber verurteilten ihn, dass er des Todes schuldig sei. Und einige fingen an, ihn anzuspeien und sein Angesicht zu verhüllen und ihn mit Fäusten zu schlagen und zu ihm zu sagen: Weissage! Und die Diener schlugen ihm ins Angesicht“ (Mk 14,53–65).
      Nun beginnt bei Markus die Schilderung der Verhöre des Herrn Jesus. Keiner der Evangelisten berichtet von allen Verhören, die der Herr über sich ergehen ließ. Wenn wir die Evangelien jedoch vergleichen, stellen wir fest, dass der Herr wohl insgesamt sechsmal verhört wurde: dreimal von den Juden und dreimal von Richtern aus den Nationen. Folgende zeitliche Reihenfolge kann man dabei erkennen:
      Verhöre vor den Juden
      1. Das Verhör vor Annas, dem Schwiegervater des Hohenpriesters Kajaphas (Joh 18,13–24)
      2. Das Verhör vor Kajaphas (Mt 26,57–68; Mk 14,53–65)
      3. Das Verhör vor dem Synedrium (Mt 27,1; Lk 22,66–71; Mk 15,1)

      Verhöre vor Richtern aus den Nationen
      1. Das erste Verhör vor Pilatus (Mt 27,2.11–14; Mk 15,1–5; Lk 23,1–5; Joh 18,28–38)
      2. Das Verhör vor Herodes (Lk 23,6–12)
      3. Das zweite Verhör vor Pilatus (Mt 27,15–26; Mk 15,6–15; Lk 23,13–25; Joh 18,39–19,16)

      Markus beginnt mit der Schilderung des zweiten Verhörs, dem Verhör vor dem Hohenpriester Kajaphas. Dorthin hatten sich alle Hohenpriester und Ältesten und Schriftgelehrten versammelt. Es scheint, dass dieses Verhör – das in der Nacht stattfand – einen eher inoffiziellen Charakter hatte. Es sollte dazu dienen, die Verhandlung vor dem Synedrium (dem offiziellen obersten jüdischen Gericht in religiösen Angelegenheiten), das gewöhnlich am frühen Morgen zusammenkam (Jer 21,12), schnell erledigen zu können.
      Die religiösen Führer und Parteien sind sich einig, den Herrn zu Tode zu bringen. Sein Tod ist für sie beschlossene Sache. Dazu ist jedoch ein Anklagegrund erforderlich. Da keine begründete Anklage vorliegt, sucht man nach falschen Zeugen, um eine Beschuldigung formulieren zu können. Da, wo normalerweise das Recht gesucht und gesprochen wurde, sucht man hier falsches Zeugnis gegen Ihn. Prediger 3,16 beschreibt dies so: „An der Stätte des Rechts, da war die Gottlosigkeit, und an der Stätte der Gerechtigkeit, da war die Gottlosigkeit.“ Doch der Plan der Juden geht nicht auf. Anstatt das gewünschte Zeugnis gegen den Herrn Jesus zu finden, entsteht Unordnung und Verwirrung, da sich kein übereinstimmendes Zeugnis findet.
      Dann werden doch noch Zeugen gefunden. Sie verdrehen die Worte des Herrn Jesus (Joh 2,19). Mit ihren Worten machen sie deutlich, wer hinter ihnen steht – Satan selbst, der Vater der Lüge. Genau wie der Teufel bei der Versuchung des Herrn in der Wüste die Worte aus Psalm 91,11 und 12 falsch wiedergegeben hatte, fügen auch sie den Worten des Herrn etwas hinzu und geben sie falsch wieder (Ps 56,6). Der Herr hatte nicht gesagt, dass Er den Tempel abbrechen würde. Er hatte auch nicht von einem Tempel gesprochen, „der mit Händen gemacht ist“, noch von einem, „der nicht mit Händen gemacht ist“.
      Nachdem Markus noch einmal in Vers 59 betont, dass alle Zeugnisse nicht übereinstimmten, sehen wir den Hohenpriester selbst das Wort ergreifen. Er versucht, dem Herrn eine Aussage, ein Geständnis zu entlocken, aber Vers 61 berichtet, dass der Herr schweigt und dem Hohenpriester nichts antwortete. Das lenkt den Blick auf Ihn, dessen Verhalten in so völligem Gegensatz zu der Bosheit der Menschen steht. Wie viel Finsternis steht dem hellen Licht gegenüber. Wie sehr hat Satan die Herzen der Menschen in Beschlag genommen und zu religiösem Hass – der schärfsten Form des Hasses – verführt. Doch in dieser Atmosphäre voller Hass und Feindschaft sehen wir den Herrn in einer Ruhe und Würde, die uns zur Bewunderung bringt.
      Sie können nichts finden, um Ihn zu Tode zu bringen, da Er der vollkommene Mensch ist. Sein Leben war durch und durch rein und tadellos, wie es im Feinmehl des Speisopfers im Alten Testament vorgebildet wurde und im Neuen Testament in 2. Korinther 5,21, 1. Petrus 2,22 und 1. Johannes 3,5 gezeigt wird.
      Er antwortet nichts auf diese Frage des Hohenpriesters. Er ist wie ein „Stummer, der seinen Mund nicht öffnet“ (Ps 38,14; Jes 53,7). Erst als es um die Wahrheit über seine Person geht und Kajaphas Ihn fragt, ob Er „der Christus, der Sohn des Gesegneten“, sei, und Ihn dabei unter Eid stellt, wie es Matthäus 26,63 berichtet, bricht Er sein Schweigen und bezeugt die Wahrheit. Er ist der „Ich bin“ aus 2. Mose 3,14. Dies muss ein Triumph für den Hohenpriester gewesen sein. Endlich kommt er zu dem gewünschten Ergebnis. Der verachtete Nazarener (V. 67) stellt sich auf eine Stufe mit Gott. Auf diese „Lästerung“ in ihren Augen hatten Kajaphas und die Juden doch nur gewartet.
      Diesem Bekenntnis fügt der Herr die bedeutenden Worte hinzu: „Und ihr werdet den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen.“ Jetzt war Er als Mensch unter ihnen und ließ sich von ihnen verurteilen, misshandeln und töten, aber Er kündigt ihnen in ernsten Worten an, dass sie Ihn einst als den Sohn des Menschen zum Gericht kommen sehen werden. Worte, die seine göttliche Herrlichkeit in einer Situation äußerster Niedrigkeit erstrahlen lassen. Was muss das Herz Gottes empfunden haben, als der Herr dieses Zeugnis aussprach.
      In geheuchelter Entrüstung zerreißt Kajaphas sein Obergewand und tut damit selbst etwas, für das er die Todesstrafe verdiente. Denn nach dem Gesetz war das Zerreißen der Kleider – insbesondere für die Priester – strengstens verboten (3. Mo 10,6; 21,10). Er wendet sich an die Menge und nutzt die aufgeheizte Stimmung, um sie alle dahin zu bringen, das schon vorher feststehende Todesurteil (V. 55) über den Herrn auszusprechen. Doch bezeichnenderweise bringen erst die Worte des Herrn und nicht die Anstrengungen der Menschen Bewegung in die Verhandlung und führen zu seiner Verurteilung – Gott hat alles in der Hand.
      Nun bricht der ganze Hass aus den Herzen der Menschen hervor. Ohne jede Hemmschwelle misshandeln sie den gebundenen Herrn auf schrecklichste Weise, so dass sich Jesaja 52,14 erfüllt. Dies alles lässt der Herr geduldig über sich ergehen, ohne ein Wort zu sagen. Doch Psalm 69,20.21 lässt uns einen Blick in sein Herz tun und zeigt, wie Er diese Not vor seinen Gott brachte.
      Die Verleugnung durch Petrus
      „Und als Petrus unten im Hof war, kommt eine der Mägde des Hohenpriesters, und als sie Petrus sich wärmen sieht, blickt sie ihn an und spricht: Auch du warst mit dem Nazarener Jesus. Er aber leugnete und sprach: Ich weiß nicht, verstehe auch nicht, was du sagst. Und er ging hinaus in den Vorhof; und der Hahn krähte. Und als die Magd ihn sah, fing sie wieder an, zu den Dabeistehenden zu sagen: Dieser ist einer von ihnen. Er aber leugnete wieder. Und kurz darauf sagten wiederum die Dabeistehenden zu Petrus: Wahrhaftig, du bist einer von ihnen, denn du bist auch ein Galiläer. Er aber fing an zu fluchen und zu schwören: Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet. Und sogleich krähte der Hahn zum zweiten Mal. Und Petrus erinnerte sich an das Wort, wie Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und als er daran dachte, weinte er“ (Mk 14,66–72).
      Diese Verse berichten weiter von Petrus, der dem Herrn von ferne bis in den Hof des Hohenpriesters gefolgt war. Markus schildert die Verleugnung sehr ausführlich. Das zeigt uns, dass es auch für uns sehr wichtig ist. Wir sehen, wozu ein echter Jünger fähig ist und was aus der alten Natur kommen kann, wenn wir nicht wachsam sind und uns der Sünde nicht für tot halten (vgl. Röm 6,11). Die Vorgeschichte hat gezeigt, dass Petrus sich schon einige Zeit innerlich vom Herrn entfernt hatte. Einige Ursachen dafür waren:
      1. die Missachtung des Wortes des Herrn (V. 27–31);
      2. das Vertrauen auf eigene Kraft (V. 27–31);
      3. die Vernachlässigung des Gebets (V. 37–40);
      4. mangelnde Wachsamkeit (V. 37–40).

      In diesen Versen werden noch zwei weitere Ursachen hinzugefügt:
      1. der Aufenthalt am falschen Ort, die Gemeinschaft mit der Welt (V. 54.66);
      2. die Menschenfurcht (V. 68–71).

      Das alles führt zu diesem Verhalten von Petrus, das in so großem Gegensatz zu dem Verhalten des Herrn steht. Und es ist zu unserer Warnung so ausführlich berichtet, da auch wir in Gefahr stehen, in dem einen oder anderen Punkt zu versagen. Die beschämenden Erfahrungen, die Petrus machen musste, werden auch wir dann machen:
      1. Petrus hat keine Kraft mehr, der Versuchung, die ihm hier in der Person einer Magd begegnet, zu widerstehen. Eine einfache Frage wirft ihn aus der Bahn und führt ihn zu diesem tiefen Fall. Etwas, was auch wir erleben, wenn wir uns innerlich vom Herrn entfernen und nur noch äußerlich versuchen, Ihm nachzufolgen.
      2. Petrus hat keine Kraft mehr, sich von der Gemeinschaft mit der Welt am Kohlenfeuer abzusondern. Obwohl er selbst an diesem Ort noch mehrere Warnungen erhält, verlässt er diese dem Herrn so feindlich gesinnte Gesellschaft nicht. Gott führt es so, dass ihm die Fragen nicht alle auf einmal gestellt werden (Lk 22,59), dass er dadurch nicht überrannt wird, sondern dass er Zeit gehabt hätte, wegzugehen. Auch kräht der Hahn schon nach der ersten Frage durch die Magd einmal; eine deutliche Warnung, hatte der Herr ihm doch gesagt: „Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“ (V. 30.72). Doch Petrus achtet nicht darauf. Stattdessen lässt er sich durch die Fragen und Anschuldigungen zu Worten und Taten hinreißen, die sonst nur die Welt kennzeichnen. So ist es auch mit uns, wenn wir uns im Eigenwillen an einem falschen Ort aufhalten. Wir werden blind für Warnungen, wir werden schnell immer tiefer in Böses hineingezogen und verlieren jede Kraft, uns davon zu trennen. Gemeinschaft mit der Welt raubt uns die Kraft zur Absonderung und zu einem Leben, das Gott gefällt.
      3. Petrus hat auch keine Kraft mehr, ein Zeugnis für den Herrn abzulegen. Die Worte, die an ihn gerichtet werden – und die erst von Mal zu Mal schärfer werden –, hätten ihm Gelegenheit geboten, sich zu dem Herrn zu bekennen und von Ihm zu zeugen. Doch da er nicht vom Herrn beauftragt war, an diesem Ort zu sein, hat er Furcht und lässt sich zu diesen schlimmen Verleugnungen hinreißen. Es ist etwas anderes, wenn wir in Abhängigkeit vom Herrn ungläubige Menschen aufsuchen, um ihnen gegenüber ein Zeugnis abzulegen, als wenn wir aus eigenen Interessen an diese Orte gehen. Ohne den Auftrag des Herrn werden wir kläglich versagen. Und was die Menschenfurcht angeht, wissen wir alle nur zu gut, wie sehr diese uns hemmt, von unserem Herrn zu zeugen und uns zu Ihm zu bekennen. Gerade bei diesem Punkt erkennen wir, dass wir uns in keiner Weise über Petrus stellen können. Denn wie oft schämen wir uns des Herrn und verleugnen Ihn in Umständen, die wesentlich ungefährlicher für uns sind als die hier für Petrus.

      Nach der dritten Verleugnung kräht der Hahn zum zweiten Mal. Da erinnert sich Petrus an die Worte, die der Herr zu ihm geredet hatte. Das, was er einige Zeit vorher mit seinen Ohren gehört hatte, erreicht jetzt sein Herz. Wie vieles würde auch uns erspart bleiben, wenn wir das, was wir hören, direkt in unser Herz aufnehmen und in der Praxis verwirklichen würden. Der Gedanke an die Worte des Herrn und sein Blick (Lk 22,61) führen Petrus zu bitterer Reue und letztendlich zu aufrichtiger Buße. Diese Buße hat dann eine völlige Wiederherstellung zur Folge, wie wir den weiteren Berichten in den anderen Evangelien entnehmen können. Diese Wiederherstellung war so vollständig, dass er in Apostelgeschichte 3,13.14 die „Männer von Israel“ anklagen konnte, den Herrn verleugnet zu haben.
      Petrus kam wieder ganz zurecht und konnte dadurch, dass er sich selbst kennen gelernt hatte, ein gesegnetes Werkzeug in der Hand des Herrn sein. Doch wollen wir nicht vergessen, wie der Herr darunter gelitten hat, dass Petrus diesen Weg ging, obwohl Er ihn mehrfach gewarnt hatte. Und so betrüben auch wir den Herrn, wenn wir eigene und verkehrte Wege gehen, wenn wir uns seiner schämen und Ihn verleugnen; wir, die Er so teuer erkauft hat!
      Kapitel 15
      Das Verhör vor dem Synedrium
      „Und sogleich frühmorgens hielten die Hohenpriester samt den Ältesten und Schriftgelehrten und das ganze Synedrium Rat, und sie banden Jesus und führten ihn weg und überlieferten ihn Pilatus“ (Mk 15,1).
      Markus erwähnt das Verhör vor dem Synedrium frühmorgens nur in einem Satz und damit nicht so ausführlich wie Lukas in Kapitel 22,66–71. Man war schon in der Nacht übereingekommen, dass der Herr des Todes schuldig sei (Kap. 14,64). Dieses Urteil wird nun offiziell von dem Synedrium bestätigt. Da den Juden jedoch das Recht, die Todesstrafe zu verhängen, von den Römern genommen war (Joh 18,31), müssen sie den Herrn zu Pilatus führen.
      Die geistliche Führerschaft des Volkes, die eigentlich das Volk zu Gott führen sollte, nimmt hier den Herrn, bindet Ihn und bringt Ihn hin zu Pilatus, um Ihn zum Tode zu überliefern. Welche Tragik liegt in diesem Geschehen!
      Lukas 4,18 sagt, dass der Herr gesandt war, den durch Satan „Gefangenen Befreiung auszurufen und Zerschlagene in Freiheit hinzusenden“. Dieser Befreier wird jetzt durch seine Geschöpfe unter der Macht Satans gebunden und zum Tod überliefert. Doch der Herr lässt diese erniedrigende Handlung über sich ergehen. Er ist das Festopfer, das mit Stricken bis an die Hörner des Altars gebunden wurde (Ps 118,27).
      Das erste Verhör vor Pilatus
      „Und Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er aber antwortet und spricht zu ihm: Du sagst es. Und die Hohenpriester klagten ihn vieler Dinge an. Pilatus aber fragte ihn wieder und sprach: Antwortest du nichts? Sieh, wie vieler Dinge sie dich anklagen! Jesus aber antwortete gar nichts mehr, so dass Pilatus sich verwunderte“ (Mk 15,2–5).
      Aus Johannes 18,29–31 können wir erkennen, dass der Frage des Pilatus an den Herrn „Bist du der König der Juden?“ ein Dialog zwischen den Juden und Pilatus vorausgegangen ist. Der Herr antwortet mit den Worten: „Du sagst es“ – eine hebräische Redewendung, die eine nachdrückliche Bejahung darstellt. Der Herr antwortet auf diese Frage, um – wie in Kapitel 14,62 – die Wahrheit zu bezeugen.
      Auf alle anderen Fragen und Anklagen antwortete der Herr in früheren Verhören und auch hier (V. 4 und 5) nicht. Wir werden dabei an die Worte aus Psalm 38,14–16, Psalm 39,10 und Jesaja 53,7 erinnert.
      Die kurze Antwort des Herrn hier ist ein Teil des guten Bekenntnisses, auf das sich Paulus in 1. Timotheus 6,13 bezieht. Der Herr war der König der Juden und verschweigt es nicht, obwohl es Pilatus einen Anklagegrund an die Hand gibt. So sollten auch wir nicht verschweigen, dass Er unser Herr ist, und es frei bekennen (Röm 10,9). So wird in 1. Timotheus 6,12–14 das „gute Bekenntnis“ des Herrn direkt mit unserem Bekenntnis verbunden.
      Vers 3 berichtet, dass die Hohenpriester den Herrn „vieler Dinge“ anklagen. Es ist ihr unbedingter Wille, den Herrn zu Tode zu bringen. Dieser Wille und ihr Hass gegen den Herrn ziehen sich durch diesen Abschnitt. Ebenso formulieren sie ihre Anklage gegenüber Pilatus – die hier nur allgemein erwähnt wird – diesem Ziel entsprechend. Ihr eigener Anklagegrund war, dass der Herr sich zu Gottes Sohn machte (Kap. 14,62–64). Doch sie wissen, dass diese Begründung Pilatus nicht sonderlich interessieren wird. Daher klagen sie den Herrn vor Pilatus in einer Weise an, die Ihn als einen Verführer und Aufrührer der Nation darstellt und als einen, der sich gegen den Kaiser auflehnt. Das finden wir in Lukas 23,2 und 5 geschildert. Sie wissen, dass Pilatus als Vertreter des römischen Kaisers darauf reagieren muss.
      Ihr fester Wille, den Herrn zu Tode zu bringen, äußert sich auch in den weiteren Versen. Hier klagen sie den Herrn viel oder heftig an. In Vers 8 sehen wir, wie sie ein Geschrei erheben und etwas von Pilatus begehren. In Vers 11 wiegeln die Hohenpriester die Volksmengen auf, Barabbas zu fordern, und in Vers 14 schreien sie übermäßig, dass der Herr gekreuzigt werden soll. Was muss das für den Herrn gewesen sein, bei seinem Volk den Hass zu sehen, ihre Ablehnung und diesen unbedingten Willen, Ihn zu töten! Selbst Pilatus wurde von ihrem Eifer fortgerissen und fragt sie wiederholt nach ihrem Willen (Verse 9 und 12). Er wird ein Spielball in den Händen der Juden.
      Angesichts dieser Ablehnung, die dem Herrn von Seiten der Juden entgegenschlägt, ist Pilatus umso mehr erstaunt, dass der Herr nichts darauf antwortet. Sicherlich hatte er bisher noch nicht erlebt, dass ein Angeklagter nichts zu seiner Verteidigung sagte.
      Das zweite Verhör vor Pilatus
      „Zum Fest aber pflegte er ihnen einen Gefangenen freizulassen, um den sie baten. Es war aber einer, genannt Barabbas, mit den Aufrührern gebunden, die in dem Aufruhr einen Mord begangen hatten. Und die Volksmenge erhob ein Geschrei und fing an zu begehren, dass er tue, wie er ihnen zu tun pflegte. Pilatus aber antwortete ihnen und sprach: Wollt ihr, dass ich euch den König der Juden freilasse? Denn er hatte erkannt, dass die Hohenpriester ihn aus Neid überliefert hatten. Die Hohenpriester aber wiegelten die Volksmenge auf, dass er ihnen lieber Barabbas freilasse. Pilatus aber antwortete und sprach wieder zu ihnen: Was wollt ihr denn, dass ich mit dem tue, den ihr König der Juden nennt? Sie aber schrien wieder: Kreuzige ihn! Pilatus aber sprach zu ihnen: Was hat er denn Böses getan? Sie aber schrien übermäßig: Kreuzige ihn! Da aber Pilatus der Volksmenge einen Gefallen tun wollte, ließ er ihnen Barabbas frei und überlieferte Jesus, nachdem er ihn hatte geißeln lassen, damit er gekreuzigt würde“ (Mk 15,6–15).
      Aus dem Vergleich mit den anderen Evangelien können wir entnehmen, dass zwischen Vers 5 und 6 das Verhör vor Herodes stattgefunden hat. Jetzt kommt der Herr zum zweiten Mal vor Pilatus. Dieser hat genau erkannt, dass die Anklagen der Juden keinen Grund bieten, den Herrn zum Tod zu verurteilen, sondern dass es der Neid ist, der sie treibt, Ihn zu überliefern (V. 10). Doch er wagt es nicht, den Herrn freizusprechen, wie es seine Aufgabe als gerechter Richter gewesen wäre. Er sucht jetzt nach einer Lösung, wie er möglichst gut aus dieser für ihn unangenehmen Situation herauskommen kann. Dabei kommt ihm die Sitte der Römer in den Sinn, den Juden am Passahfest jeweils einen Gefangenen freizulassen. Dieses Mal ist Barabbas, ein berüchtigter Aufrührer, Mörder und Räuber, ein Kandidat für die Freilassung. Seine Überlegung war, dass, wenn die Juden zwischen Barabbas und dem Herrn zu wählen haben, sie doch sicherlich dem Herrn den Vorzug geben werden.
      Als die Juden ihn in Vers 8 an die Sitte der Römer erinnern, schlägt er ihnen daher vor, den Herrn, den er hier wieder den König der Juden nennt, freizulassen. Doch Pilatus irrt sich in seinen Überlegungen. Aufgewiegelt durch die neiderfüllten Hohenpriester fordert die gesamte Volksmenge die Freilassung des Barabbas. Und was soll mit dem Herrn geschehen? „Kreuzige ihn!“, schreien die Menschen. Jetzt erfüllt sich in seiner ganzen Tiefe das, was Gott zu Samuel in 1. Samuel 8,7 bei der Einsetzung des Königtums sagte: „Mich haben sie verworfen, dass ich nicht König über sie sein soll.“
      Sie entscheiden sich für „Bar (= Sohn) Abbas (= des Vaters)“, für den Sohn des Teufels (Joh 8,44), und gegen den vollkommenen Sohn Gottes.
      Vor dieser Entscheidung für oder gegen Gott steht auch heute jeder Mensch. Petrus sagt geleitet durch den Heiligen Geist in Apostelgeschichte 3,14 und 15 zu der Entscheidung des Volkes: „Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gebeten, dass euch ein Mann, der ein Mörder war, geschenkt würde; den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet.“ Wie hat diese unheilige Menge „den Heiligen“ verachtet und wie hat der ungerechte Richter Pilatus „den Gerechten“ und „den Urheber des Lebens“ wider besseres Wissen zum Tod verurteilt!
      Pilatus war von der Unschuld des Herrn Jesus überzeugt, wie aus den Versen 10 und 14, und besonders aus der Schilderung in Lukas 23,1–25 hervorgeht. Aber um der Volksmenge gefällig zu sein, gibt er alle Gerechtigkeit auf (Pred 3,16). Mit der Hoffnung, den blutrünstigen Hass der Volksmengen etwas zu besänftigen, lässt er den unschuldigen Angeklagten grausam geißeln, wie es der Herr in Lukas 18,33 vorhergesagt hatte. Dann überliefert er Ihn zur Kreuzigung.
      Die Misshandlung im Hof des Prätoriums
      „Die Soldaten aber führen ihn in den Hof hinein, das ist das Prätorium; und sie rufen die ganze Schar zusammen. Und sie legen ihm einen Purpurmantel an und flechten eine Dornenkrone und setzen sie ihm auf. Und sie fingen an, ihn zu grüßen: Sei gegrüßt, König der Juden! Und sie schlugen ihn mit einem Rohrstab auf das Haupt und spien ihn an, und sie beugten die Knie und huldigten ihm. Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Purpurmantel aus und zogen ihm seine Kleider an; und sie führen ihn hinaus, um ihn zu kreuzigen. Und sie zwingen einen Vorübergehenden, einen gewissen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater von Alexander und Rufus, sein Kreuz zu tragen“ (Mk 15,16–21).
      Diese Verse zeigen uns einen weiteren Aspekt der Leiden des Herrn von Seiten der Menschen. Die vorangegangenen Verse haben ganz besonders gezeigt, was der Herr von Seiten der Juden gelitten hat. Sie zeichneten sich durch Hass und Neid aus. Jetzt kommt vor uns, was der Herr von Seiten der Nationen gelitten hat. Die Römer hatten keine besondere Beziehung zu Ihm, aber sie waren durch Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet.
      Nachdem Pilatus das letzte Wort gesprochen hat, nehmen die Soldaten den Herrn und führen Ihn in den Hof des Prätoriums. Wieder lässt sich der Herr von Sünderhänden führen und dann noch einmal schrecklich misshandeln. Sie rufen die ganze Schar über Ihn zusammen, wie es Matthäus 27,27 sagt. Eine römische Schar bestand aus 600 Soldaten. Was für eine Szene ist das! Der Herr der Herrlichkeit mitten in dieser großen gewalttätigen Menge, die jetzt in brutaler Weise alle Bosheit des menschlichen Herzens an Ihm auslässt.
      Die ganze Verachtung, die die Römer gegen die Juden hatten, lassen diese Soldaten jetzt an Dem aus, der der König der Juden ist. Sie führen das fort, was ihr Landpfleger ihnen vorgemacht hat. Wie Hunde umgeben sie den Herrn (Ps 22,17) und fallen sie über Ihn her. Man legt Ihm zum Hohn einen Purpurmantel an, setzt Ihm eine Dornenkrone auf, schlägt, bespuckt und verspottet Ihn.
      Wie muss den Herrn die Gewalttätigkeit und der Hohn, der Ihm jetzt auch von den Nationen entgegenschlug, getroffen haben! Doch Er, der einmal als König und Richter über alle Menschen mit einem eisernen Zepter in seiner Hand dastehen und vor dem sich jedes Knie beugen wird, lässt dies alles hier über sich ergehen – aus Liebe zu uns.
      Wir bemerken bei der Betrachtung dieser Verse, wie der Geist Gottes die Leiden des Herrn mit großer Zurückhaltung beschreibt. Und wir tun gut daran, wenn wir das beachten. Wir stehen in einer „Entfernung von etwa zweitausend Ellen“ (Jos 3,4) – erkennen wir doch, wie wenig wir davon erfassen können, was dies alles für den Herrn gewesen ist. Auch unser natürliches Vorstellungsvermögen muss bei der Schilderung der Leiden des Herrn unter den Einfluss des Geistes Gottes kommen. Wir wollen uns aber doch durch die Betrachtung dieser Verse dahin führen lassen, uns mehr mit seinen Leiden zu beschäftigen; ja, vermehrt Den zu betrachten, „der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat“ (Heb 12,3).
      Nachdem sie Ihn verspottet haben, ziehen sie Ihm seine Kleider wieder an und führen Ihn hinaus, um Ihn zu kreuzigen. Wiederholt wird in diesen Versen davon gesprochen, dass der Herr gekreuzigt wird (z. B. V. 15.20.24.25). Das Kreuz, diese schreckliche römische Todesart, wollen die Juden für den Herrn und unbeabsichtigt sorgen sie damit für die Erfüllung der Vorhersagen des Wortes Gottes (5. Mo 21,23; Gal 3,13).
      Anschließend wird davon berichtet, wie Simon von Kyrene gezwungen wird, das Kreuz des Herrn zu tragen. Gottes Wort schweigt über den Grund dafür. Die Menschen haben daraus abgeleitet, dass der Herr unter dem Kreuz zusammengebrochen und zu entkräftet gewesen sei, um das Kreuz zu tragen. Doch davon sagt die Schrift gar nichts.
      Simon von Kyrene, ein Afrikaner aus Libyen (Apg 2,10), will an den Geschehnissen vorübergehen. Er will wohl nichts mit dieser Sache zu tun haben. Doch er wird gezwungen, das Kreuz des Herrn nach Golgatha zu tragen. Wir können annehmen, dass dieses Ereignis einen bleibenden Eindruck auf ihn ausgeübt hat. Möglicherweise ist es sein Sohn Rufus, den Paulus in Römer 16,13 „den Auserwählten im Herrn“ nennt.
      Simon war ein Vorübergehender. Können wir daraus nicht eine Anwendung für uns machen? Geht es uns nicht manchmal so, dass wir aus Gewöhnung an den Tod des Herrn nicht mehr vor seinen Leiden stillstehen, sondern einfach daran vorübergehen? Simon musste hier stehen bleiben, und so wollen auch wir uns wieder neu ermuntern, vor dem Herrn und seinen Leiden bewundernd stehen zu bleiben.
      Die Kreuzigung
      „Und sie bringen ihn zu der Stätte Golgatha, was übersetzt ist: Schädelstätte. Und sie gaben ihm Wein, mit Myrrhe vermischt; er aber nahm es nicht. Und als sie ihn gekreuzigt hatten, verteilen sie seine Kleider unter sich, indem sie das Los darüber werfen, was jeder bekommen sollte. Es war aber die dritte Stunde, und sie kreuzigten ihn. Und als Aufschrift mit seiner Beschuldigung war angeschrieben: Der König der Juden. Und mit ihm kreuzigen sie zwei Räuber, einen auf der rechten und einen auf seiner linken Seite.
      Und die Vorübergehenden lästerten ihn, indem sie ihre Köpfe schüttelten und sagten: Ha, der du den Tempel abbrichst und in drei Tagen aufbaust, rette dich selbst und steige herab vom Kreuz. Ebenso spotteten auch die Hohenpriester samt den Schriftgelehrten untereinander und sprachen: Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten. Der Christus, der König Israels, steige jetzt vom Kreuz herab, damit wir sehen und glauben. Auch die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn“ (Mk 15,22–32).
      Wir sehen weiter, wie der Herr nach Golgatha, der Schädelstätte gebracht wird. Er, der gesagt hatte: „Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben“ (Joh 10,10), und: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), lässt sich jetzt nach Golgatha, dem Ort des Todes, bringen. Ob die Soldaten schon einmal einen Gefangenen gehabt hatten, der sich so willig führen ließ?
      Der Bericht, den Markus von den Ereignissen hier gibt, ist kurz und schlicht und doch von tiefem Inhalt. Wir erkennen in den Geschehnissen am Kreuz, wie Gott hinter allem steht. Eine Prophezeiung nach der anderen erfüllt sich in wunderbarer Weise.
      Zunächst bietet man dem Herrn einen Betäubungstrank aus Essig oder Wein mit Myrrhe an (Ps 69,22). Doch Er nimmt ihn nicht an. Er will die Leiden und die unvorstellbare Not mit vollem Bewusstsein ertragen. Dieser Trank erinnert an die Bitterkeit der Leiden, die die Menschen dem Herrn zufügten.
      Dann verteilen sie seine Kleider, wie es in Psalm 22,19 vorhergesagt war. Diese Schande und Schmach, der Oberkleider beraubt am Kreuz zu hängen und den verächtlichen Blicken der Mengen ausgesetzt zu sein, hat der Herr tief empfunden, wie aus Psalm 22,18b und Psalm 69,8.20 deutlich wird. Er nahm es auf sich, entkleidet zu werden und in den Tod zu gehen, um uns jetzt „mit Kleidern des Heils“ (Jes 61,10) bekleiden zu können.
      Pilatus lässt eine Beschuldigungsschrift über dem Kreuz des Herrn anbringen, die Ihn als den „König der Juden“ ausweist. Mit dieser Überschrift soll der Tod des Herrn in den Augen der Römer gerechtfertigt werden und zugleich der Herr und das jüdische Volk verspottet werden. Aber sie ist trotzdem wahr. Gott sorgt dafür, dass, auch wenn keiner den Herrn anerkannte und die Juden ihren König verwarfen und kreuzigen ließen, der Herr doch öffentlich als solcher bezeugt wird.
      Man kreuzigt Ihn zwischen zwei Übeltätern. Damit wird eine weitere Prophezeiung Jesajas erfüllt, denn Er wurde unter die Gesetzlosen gerechnet (Jes 53,12). Diesen Platz geben die Menschen dem Herrn, als wollten sie damit zum Ausdruck bringen, dass Er der Schlimmste von allen sei. Doch auch hier muss der Herr den Platz in der Mitte einnehmen, weil Er immer der Mittelpunkt ist. Wie groß ist der Gegensatz, wenn wir den Herrn Jesus jetzt, als Antwort Gottes auf sein vollbrachtes Werk am Kreuz, auf dem Ehrenplatz zur Rechten Gottes sehen.
      Eine weitere Personengruppe tritt in Vers 29 hervor, die den Herrn verspottet und verachtet. Wir haben gesehen, wie das jüdische Volk, Pilatus und die römischen Soldaten den Herrn bereits behandelt haben. Jetzt sind es Vorübergehende. Anstatt ihre Augen entsetzt von dem Geschehen auf Golgatha abzuwenden, haben sie nur Worte der Lästerung für Ihn. Verächtlich schütteln sie ihre Köpfe über Den, der in unendlicher Liebe an das Kreuz geht und sich nicht selbst rettet. Sie greifen – wie in Kapitel 14,58 – die Worte des Herrn auf, der allerdings in Johannes 2,19 gesagt hatte, dass nicht Er, sondern sie selbst den Tempel seines Leibes abbrechen würden (Ps 56,6). Genau das erfüllen die Menschen gerade hier.
      Aber damit nicht genug. Auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten spotten untereinander. Sie, die geistlichen Führer des Volkes, die die Schriften mit all den Prophezeiungen und Hinweisen auf diese Stunden genau kennen mussten, verhalten sich so wie die unterste Klasse der Menschen: die Räuber und Übeltäter (V. 32b). Wie hat auch das den Herrn getroffen. In ihrem Spott greifen auch sie auf das zurück, was der Herr in Kapitel 14,61.62 bekannt hat. Dabei sprechen sie unwissentlich eine große Wahrheit aus:
      „Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten“ – das ist die Wahrheit der Stellvertretung. Andere konnten nur gerettet werden, wenn Er jetzt nicht gerettet wurde. Das eine schließt das andere aus. Es gab nur diese eine Möglichkeit, uns Menschen zu retten: Der Sohn Gottes musste Mensch werden, um als unser Stellvertreter zu sterben.
      Der hebräische Knecht in 2. Mose 21,5b wollte nicht frei ausgehen. So auch der Herr. Er wollte dem göttlichen „Muss“, das über seinem Leben stand, entsprechen (Joh 3,14; Lk 24,26). Er hätte vor den drei Stunden der Finsternis vom Kreuz herabsteigen können, aber Er wollte es nicht, weil sonst der Ratschluss der Liebe Gottes nicht erfüllt worden wäre! Seine vollkommene Liebe zu seinem Vater, sein vollkommener Gehorsam den Geboten des Vaters gegenüber und seine vollkommene Liebe zu uns halten Ihn hier ab, sich selbst zu retten. Er liebt die Seinen, die in der Welt sind, bis ans Ende oder bis zum Äußersten (Joh 13,1).
      Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten sprechen Worte voller Heuchelei aus. Sie wollen zuerst sehen und dann glauben. Das ist ein Charakterzug, der die Menschen zu allen Zeiten kennzeichnet. Schon der reiche Mann in Lukas 16,27–31 dachte so und auch der Jünger Thomas in Johannes 20,25.29. Und heute ist es oft nicht anders.
      „Auch die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn“ – selbst die, die in derselben schlimmen Lage sind, stimmen in die Schmähungen mit ein, etwas völlig Ungewöhnliches. Es zeigt noch einmal die Bosheit des Menschen von Natur aus und wie der Hass gegen den Herrn die Menschen aller Schichten vereint.
      Die Stunden der Finsternis
      „Und als die sechste Stunde gekommen war, kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde; und zur neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lama sabachtani?, was übersetzt ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und als einige der Dabeistehenden es hörten, sagten sie: Siehe, er ruft Elia. Einer aber lief und füllte einen Schwamm mit Essig und legte ihn um einen Rohrstab und gab ihm zu trinken und sprach: Halt, lasst uns sehen, ob Elia kommt, um ihn herabzunehmen. Jesus aber gab einen lauten Schrei von sich und verschied. Und der Vorhang des Tempels zerriss in zwei Stücke, von oben bis unten“ (Mk 15,33–38).
      In den Versen 33 und 34 haben wir den Höhepunkt der Leiden des Herrn. Bis dahin wurde gezeigt, was der Herr von Seiten der Menschen gelitten hat. Jetzt hört das Handeln und Reden des Menschen auf und nun beginnen die Leiden des Herrn von Seiten Gottes. Hier geht der heilige Gott mit seinem Sohn ins Gericht, wovon die Finsternis spricht. Ein Geschehen, das den Zentralpunkt im Handeln Gottes mit den Menschen darstellt.
      Nur zwei Verse widmet der Geist Gottes diesem Geschehen, und dabei schirmt Gott seinen Sohn durch eine absolute Finsternis vor allen Zugriffen und Blicken der Menschen ab. Daran erkennen wir, dass dies ein Bereich ist, in den wir Menschen nicht eindringen können und dürfen. So wie es im Alten Testament verboten war, in die Bundeslade zu schauen, so ist es auch uns nicht gestattet, in diese Stunden hineinzusehen. Was dort geschehen ist, können wir auch nicht im Entferntesten erahnen. Er, der Heilige, „der keine Sünde tat“ (1. Pet 2,22), der „keine Sünde kannte“ (2. Kor 5,21) und „in dem keine Sünde ist“ (1. Joh 3,5), wird jetzt von Gott zur Sünde gemacht und dementsprechend gerichtet. David hatte in Psalm 37,25 gesagt: „Nie sah ich den Gerechten verlassen.“ Doch jetzt wurde ein Mensch – und dazu ein vollkommen gerechter –von Gott verlassen.
      Verschiedene Stellen in der Schrift geben uns direkte Hinweise auf das Geschehen in diesen Stunden (z. B. 2. Kor 5,21; 1. Pet 2,24; Jes 53,10; Sach 13,7; Ps 22,2.3). Auch wenn es rein zeitlich gesehen „nur“ drei Stunden waren, in denen der Herr das ewige Gericht Gottes über die Sünde getragen hat, empfand der Herr diese Zeit jedoch unendlich länger und tiefer. Jede einzelne Stunde kam einer Ewigkeit gleich. Das können wir etwas erahnen, wenn wir Stellen wie Psalm 22,3 lesen: „Mein Gott! ich rufe am Tag, und du antwortest nicht; und bei Nacht, und mir wird keine Ruhe“ oder auch an Klagelieder 3,6 denken, wo von „Toten der Urzeit“ die Rede ist.
      Der Schrei des Herrn mit den Worten aus Psalm 22,2 am Ende der drei Stunden ist das Einzige, was uns einen kleinen Blick in das Herz des Herrn tun lässt. Er ruft mit lauter Stimme, als ob Er damit zum Ausdruck bringen will, dass Er das Recht zu diesem Ausruf hat. Denn in Ihm selbst gab es keinen Grund, von Gott verlassen zu werden. Er war in sich selbst völlig rein und hatte seinem Gott in vollkommener Weise ohne Unterlass gedient (Dan 6,17b). Wenn Er jetzt so ruft, macht das deutlich, dass Er für andere leidet.
      Die Juden nehmen diesen Schrei zum Anlass, Ihn weiter zu verspotten. Sie verstehen sehr wohl, dass der Herr zu Gott und nicht nach Elia ruft. Aber ihre Haltung ist unverändert. Sie haben nur Essig für den Herrn übrig, der nach all den Leiden einen echten, tiefen Durst hat. Dann spotten sie weiter, ob Elia kommen würde, um Ihn vom Kreuz herabzunehmen. Das ist der natürliche Mensch und das sind auch wir von Natur.
      Wir lesen in Vers 37 von einem weiteren lauten Schrei des Herrn. Dieser Schrei zeigt deutlich, dass Er nicht an Schwäche und Erschöpfung stirbt. Nein, in vollem Bewusstsein gibt der Herr sich als Lösegeld in den Tod. Was beinhaltet das doch, was uns hier so kurz und knapp berichtet wird. In diesem Augenblick gab Er sein Leben in den Tod, floss sein Blut auf dem Altar. Jetzt war das Erlösungswerk vollbracht, jetzt war die Frage der Sünde für ewig göttlich gerecht geordnet und Gott vollkommen verherrlicht worden. Und jetzt ist auch die Grundlage dafür gelegt, dass einmal die Sünde der Welt weggenommen werden kann (Joh 1,29).
      Unmittelbar nachdem der Herr verschied, bezeugt Gott in eindrucksvoller Weise, dass Er das Werk seines Sohnes angenommen hat: Der Vorhang des Tempels zerreißt von oben (d. h. von Gott gewirkt) bis unten. Es gibt keine Trennung mehr zwischen dem Heiligtum und dem Allerheiligsten. Der Weg zu Gott ist nicht mehr versperrt.
      Hebräer 10,20 sagt, dass der Vorhang den Leib unseres Herrn darstellt. Indem Er seinen Leib in den Tod gab, wurde das Judentum (das durch den Vorhang gekennzeichnet war) weggetan. Solange das Judentum, die „vordere Hütte“ (Heb 9,8), bestand, war der Weg zum Heiligtum noch nicht frei. Doch jetzt ist es beiseitegesetzt und wir dürfen zu Gott kommen, dürfen mit Freimütigkeit ins Heiligtum eintreten auf der Grundlage des kostbaren Blutes Jesu (Heb 10,19).
      Das Zeugnis des römischen Hauptmanns
      „Als aber der Hauptmann, der ihm gegenüber dabeistand, sah, dass er so schrie und verschied, sprach er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ (Mk 15,39).
      Mit Vers 39 kommen wir zu einem Wendepunkt in den Ereignissen dieses Kapitels. Bis zum Tod des Herrn haben wir den Hass, die Verachtung und Ablehnung gesehen, die dem Herrn entgegengebracht wurde, und wie man Ihn grausam behandelte und schließlich kreuzigte. Doch nach dem Tod des Herrn ist davon nichts mehr zu sehen. Alle Leiden sind zu Ende! Jetzt werden Herzen voller Liebe offenbar, die die Vollkommenheit des Herrn bezeugen, Ihm Liebe und Zuneigung entgegenbringen und seinen toten Leib mit Sorgfalt und Ehrerbietung behandeln.
      Das erste Zeugnis zur Ehre des Herrn kommt von einem Heiden. Dieser Hauptmann, der sicher schon manches gesehen hatte, erkennt durch das Verhalten des Herrn, durch seine Worte, seinen lauten Schrei und seinen plötzlichen Tod, dass der Herr Jesus nicht ein „normaler“ Mensch, sondern der Sohn Gottes sein muss. Genau das, was die Juden nicht wahrhaben wollten, bezeugt dieser Heide und gibt dabei Gott die Ehre (Lk 23,47). Was für eine Verherrlichung Gottes! Wie tief die Erkenntnis bei diesem Hauptmann ging, wissen wir nicht, doch wir hoffen, dass nicht nur sein Gefühl, sondern auch sein Herz und Gewissen angerührt wurden, denn das allein führt zur Buße.
      Durch dieses Zeugnis des Hauptmanns wird auch angedeutet, dass der Herr nicht länger nur der Messias der Juden, sondern auch der Heiland der Welt ist (1. Joh 4,14; Jes 49,6). Und es weist auf die Zeit des 1000-jährigen Reiches hin, wo viele Heiden den Herrn Jesus annehmen und Ihn als Sohn Gottes bekennen werden.
      Die Frauen, die dem Herrn gefolgt waren
      „Es waren aber auch Frauen, die von weitem zusahen, unter denen auch Maria Magdalene war und Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und von Joses, und Salome, die ihm, als er in Galiläa war, nachgefolgt waren und ihm gedient hatten; und viele andere, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren“ (Mk 15,40.41).
      Als Nächstes werden uns einige Frauen vorgestellt. Auch sie gehören zu den Personen, die in Verbindung mit dem Herrn Jesus erwähnt werden. Von den Jüngern, die in Kapitel 14 so große Worte gesprochen hatten, waren bis auf Johannes alle vollständig geflohen. Aber diese Frauen hatten von ferne zugesehen.
      Sie können uns ein Vorbild in ihrer Liebe und Hingabe für den Herrn Jesus sein. Von Galiläa an waren sie Ihm gefolgt und hatten Ihm oft gedient. Ihre Liebe ließ nicht nach. Gott gibt ihnen diesen Ehrenplatz in seinem Wort, weil Er die ehrt, die Ihn ehren (1. Sam 2,30), und zeigt damit, wie Er die Zuneigung in den Herzen schätzt. Nicht alle Frauen sind mit Namen erwähnt. Aber auch wenn sie in der Öffentlichkeit unbekannt sind, sind sie Gott doch wohlbekannt.
      Das Begräbnis des Herrn durch Joseph von Arimathia
      „Und als es schon Abend geworden war (weil es ja Rüsttag war, das ist der Vorsabbat), kam Joseph von Arimathia, ein angesehener Ratsherr, der auch selbst das Reich Gottes erwartete, und ging kühn zu Pilatus hinein und bat um den Leib Jesu. Pilatus aber wunderte sich, dass er schon tot sei; und er rief den Hauptmann herzu und fragte ihn, ob er schon lange gestorben sei. Und als er es von dem Hauptmann erfuhr, schenkte er Joseph den Leib. Und er kaufte feines Leinentuch, nahm ihn herab und wickelte ihn in das feine Leinentuch und legte ihn in eine Gruft, die aus einem Felsen gehauen war; und er wälzte einen Stein an den Eingang der Gruft. Aber Maria Magdalene und Maria, die Mutter von Joses, sahen zu, wo er hingelegt wurde“ (Mk 15,42–47).
      Mit Joseph von Arimathia sehen wir einen Mann, der wie wenige andere Gläubige in der Schrift charakterisiert wird. Aus dem Vergleich der Berichte in den vier Evangelien bekommen wir folgendes Bild von ihm:
      1. Er war ein angesehener Ratsherr, der das Reich Gottes erwartete (Mk 15,43); er war ein reicher Mann und ein Jünger Jesu (Mt 27,57);
      2. er war ein guter und gerechter Mann, der im Synedrium nicht in der Tötung des Herrn zugestimmt hatte (Lk 23,50.51);
      3. er war aus Furcht vor den Juden ein verborgener Jünger (Joh 19,38).

      Der Tod des Herrn bewirkte eine große Veränderung im Leben Josephs. Alle Furcht bei ihm verschwand. Kühn geht dieser angesehene und gerechte Ratsherr zu Pilatus und bittet um den Leib Jesu. Dazu gehörte großer Mut und Glaube. Was hätten Pilatus, das Volk und die Obersten sagen können, als sie Josephs Bitte hörten und anschließend sein Handeln mit dem Körper des Herrn sahen. Sie hatten doch gerade ihr Ziel erreicht und in ihrem blinden Hass den Herrn getötet. Und jetzt kommt einer, der dem gestorbenen Herrn solche Ehre erweist? Doch Josephs Liebe und sein Glaube überwinden diese Hindernisse und treiben ihn dazu, sein Liebeswerk an dem Herrn zu tun.
      Auf seine Bitte hin überlässt Pilatus Joseph den Leib des Herrn. Dann kauft Joseph feine Leinwand und geht damit zum Kreuz. Dort nimmt er zusammen mit Nikodemus (Joh 19,39) den Herrn vom Kreuz; etwas, was nicht einfach war (Ausgraben des Kreuzes, Lösen der großen Nägel), was sie sicherlich mit großer Sorgfalt und Vorsicht getan haben. Anschließend salben sie Ihn mit Gewürzsalben, wickeln Ihn in die feine Leinwand und legen Ihn in die neue Gruft, die Joseph gehört (s. Jes 53,9).
      Für all dies hatten sie nur knapp drei Stunden Zeit. Der Herr war um die neunte Stunde (15:00 Uhr) gestorben und mit Sonnenuntergang (um 18:00 Uhr) würde der Sabbat beginnen, an dem jede Arbeit verboten war und ein Gehängter beerdigt sein musste. Wenn wir das bedenken, bekommen wir einen besonderen Eindruck von dem Handeln Josephs und seiner Liebe und Zuneigung zu dem Herrn.
      Einerseits beschämt uns Joseph, aber andererseits ermuntert er uns auch, die wir ihm so oft in seiner früheren Furchtsamkeit gleichen. Joseph und Nikodemus sollen uns anspornen, den Herrn Jesus mehr zu ehren und Ihm mehr zu dienen, und das in einer Zeit, wo viele Menschen Ihn auch nur als den Gestorbenen ansehen.

      Kapitel 16

      Die Auferstehung des Herrn
      „Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalene und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Gewürzsalben, um zu kommen und ihn zu salben.
      Und sehr früh am ersten Tag der Woche kommen sie zu der Gruft, als die Sonne aufgegangen war. Und sie sprachen zueinander: Wer wird uns den Stein von dem Eingang der Gruft wegwälzen? Und als sie aufblickten, sehen sie, dass der Stein weggewälzt ist – er war nämlich sehr groß. Und als sie in die Gruft hineingingen, sahen sie einen Jüngling zur Rechten sitzen, bekleidet mit einem weißen Gewand, und sie entsetzten sich. Er aber spricht zu ihnen: Entsetzt euch nicht; ihr sucht Jesus, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten. Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er euch vorausgeht nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft. Denn Zittern und Bestürzung hatte sie ergriffen, und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich“ (Mk 16,1–8).
      Wieder begegnen uns hier die drei Frauen und wieder zeigt sich in ihrem Handeln ihre Liebe und Hingabe.
      Sobald der Sabbat vergangen ist, kaufen sie wohlriechende Gewürzsalben, um den Herrn zu salben. Mit diesen Salben machen sie sich am Morgen des ersten Wochentages sehr früh auf, um ihren Liebesdienst an dem Herrn zu erweisen. Doch bei aller Liebe mangelte es ihnen – wie auch den Jüngern – an Verständnis und Einsicht. Hätten sie den Worten des Herrn vor seinem Tod genau zugehört, hätten sie gewusst, dass Er bereits auferstanden war.
      Doch die wiederholte Erwähnung dieser Frauen macht deutlich, wie kostbar ihre Liebe und Zuneigung zu dem Herrn war. Ihr Beispiel ermuntert uns, Ihm mehr in Liebe und Hingabe im Verborgenen zu dienen, aber wir sollten auch mit offenen Ohren auf das hören, was Er uns sagt.
      Auf dem Weg zur Gruft sind sie voller Sorge, wie sie den großen Stein von dem Eingang der Gruft wegwälzen könnten. Lediglich zum Zeugnis für sie, die Jünger und die Welt, ist der große Stein bereits weggewälzt, denn für die Auferstehung des Herrn war dies nicht nötig.
      Beim Eintreten in die Gruft sehen sie einen Jüngling in weißem Gewand – wohl einen Engel in Menschengestalt –, der sie beruhigt und ihnen die herrliche Botschaft von der Auferstehung des Herrn Jesus verkündigt: „Er ist auferstanden, er ist nicht hier!“
      Neben dem Tod des Herrn ist die herrliche Tatsache und Wahrheit seiner Auferstehung eine der Säulen, auf denen das Evangelium ruht (1. Kor 15,3.4). Sie ist das Siegel Gottes in Bezug auf das Werk des Herrn und bezeugt uns, dass Gott das Werk des Herrn angenommen hat (Röm 4,25).
      Bis heute kennen wir den ersten Tag der Woche als den Auferstehungstag des Herrn. Das Geschehen an diesem Tag markiert den Anfang der neuen Schöpfung, der Auferstehungswelt. Wenn es daher in Vers 1 heißt, dass der Sabbat vergangen war, ist das nicht nur buchstäblich so gemeint, sondern hat auch eine geistliche Bedeutung. Mit dem Tod und der Auferstehung des Herrn verliert der Sabbat – der besondere Tag in der Woche des irdischen Volkes Gottes – seine Bedeutung, bis er einst im 1000-jährigen Reich wieder gefeiert wird. Heute kennen wir den ersten Tag der Woche als den besonderen Tag für uns, das himmlische Volk Gottes.
      Siebter und erster Tag werden in Vers 1 und 2 klar voneinander unterschieden, und es ist wichtig, dass der erste Tag der Woche nicht etwa eine Fortsetzung oder Abwandlung des Sabbats ist, sondern etwas völlig Neues darstellt.
      Der Jüngling sagt den Frauen genau, wen sie suchen. Er gebraucht dabei Namen, die mit der Menschheit des Herrn Jesus und mit seiner Niedrigkeit in Verbindung stehen (Jesus, der Nazarener, der Gekreuzigte). Dann zeigt er ihnen die Stätte, wo man Ihn hingelegt hatte. Aber das Grab ist leer, dort ist der Herr nicht mehr zu finden.
      Diese Botschaft sollen sie den Jüngern und Petrus bringen. Wie müssen diese Worte Petrus bewegt haben, als er sie hinterher hörte! Sie waren dazu gedacht, ihm jede Sorge zu nehmen, dass er nach seiner Verleugnung nicht mehr zu den Jüngern gehören würde. Die Liebe im Herzen des Herrn galt ihm unverändert.
      In Kapitel 14,28 hatte der Herr den Jüngern vorausgesagt, dass Er vor ihnen her nach Galiläa gehen würde. Dorthin sollen sie Ihm jetzt folgen, um Ihn zu sehen. In Galiläa, wo das Volk wohnte, „das im Finstern wandelt“ (Jes 9,1), hatte der Herr seinen Dienst begonnen. Aus dieser Region hatte Er sich seine Jünger ausgewählt und dort wollte Er ihnen als der Auferstandene wieder begegnen.
      In Verbindung mit Vers 19 dieses Kapitels können wir die Botschaft der Verse 6 und 7 auch für uns anwenden. Wir suchen den Herrn nicht länger auf der Erde oder in Galiläa, sondern wissen Ihn jetzt im Himmel. Dorthin ist Er uns vorausgegangen und hat uns eine Stätte bereitet (Joh 14,2). Und wir wissen, dass, wenn wir dort bei Ihm sein werden, alles Wirklichkeit werden wird, was Er gesagt und verheißen hat.
      Die Worte des Engels beruhigen die Frauen aber noch nicht. Im Gegenteil, sie fliehen bestürzt und voller Furcht von der Gruft. Sie glauben noch nicht an die Auferstehung des Herrn, auch die Jünger nicht. Doch ab Vers 9 wird berichtet, wie der Herr all diesen ungläubigen Herzen persönlich begegnet.
      So eine Begegnung mit dem auferstandenen und jetzt verherrlichten Herrn brauchen auch wir, um Ihm dienen zu können. Gott schenkt sie uns durch den Heiligen Geist (Joh 16,16), der jetzt in uns wohnt und uns den Herrn so lebendig machen will, als hätten wir Ihn selbst gesehen. Mit diesem Eindruck von Ihm und in der Kraft des Heiligen Geistes können wir dann für Ihn zeugen.
      Der Herr erscheint Maria Magdalene
      „Als er aber früh am ersten Tag der Woche auferstanden war, erschien er zuerst Maria Magdalene, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Diese ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren, die trauerten und weinten. Und als jene hörten, dass er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie es nicht“ (Mk 16,9–11).
      Eine Frau, Maria Magdalene, ist die erste Person, der der Herr nach seiner Auferstehung erscheint. Es zeigt noch einmal, wie der Herr die Liebe und Zuneigung ihres Herzens schätzte und jetzt durch seine Erscheinung auch belohnte. Oft finden wir, dass sie seine Nähe suchte. Das erkennt der Herr hier an, indem Er sich ihr offenbart. Er zeichnet sie besonders aus, indem Er ihr allein erscheint.
      Es ist bereits das vierte Mal, dass Maria erwähnt wird (Mk 15,40.47; 16,1.9), aber erst hier wird der Zusatz gemacht: „von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte“. Gerade diese Tatsache macht sie zu einer so passenden Zeugin. In 1. Johannes 3,8 wird von dem Herrn als Sohn Gottes gesagt, dass Er offenbart worden war, „damit Er die Werke des Teufels vernichte“. Das hatte Er an Maria bewiesen. Sie war schon vor dem Tod des Herrn ein lebendiges Zeugnis von seiner Macht über die Dämonen gewesen. Als solche bekommt sie jetzt ein noch herrlicheres Zeugnis. Jetzt darf sie Zeugin der Auferstehungsmacht des Herrn und Zeugin von seiner Macht über den Tod sein!
      Sie geht zu denen, „die mit ihm gewesen waren“, und richtet ihre frohe Botschaft aus. Doch leider glauben die trauernden Jünger ihr nicht.
      Der Herr erscheint zwei Jüngern
      „Danach aber offenbarte er sich zweien von ihnen in einer anderen Gestalt, während sie unterwegs waren, als sie aufs Land gingen. Und diese gingen hin und verkündeten es den Übrigen; auch denen glaubten sie nicht“ (Mk 16,12.13).
      Jetzt erscheint der Herr zwei Jüngern, die aufs Land gehen. Lukas schildert die Begegnung des Herrn mit den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus ausführlicher als Markus. Diese Jünger gehen von Jerusalem weg, weil dort alle ihre Hoffnungen mit dem Tod des Herrn Jesus zunichtegeworden waren. Doch der Herr sieht sie und will sie nicht in ihrem desillusionierten Zustand lassen. Er erscheint ihnen und nimmt sich ihrer an. Diese Begegnung gibt ihnen wieder neuen Mut und führt dazu, dass auch sie freudige Zeugen seiner Auferstehung werden.
      Der Herr erscheint den elf Jüngern
      „Nachher aber, als sie zu Tisch lagen, offenbarte er sich den Elfen und schalt ihren Unglauben und ihre Herzenshärte, dass sie denen, die ihn auferweckt gesehen hatten, nicht geglaubt hatten. Und er sprach zu ihnen: Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium. Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,14–16).
      Auch das Zeugnis der zwei Jünger nehmen die anderen Jünger nicht an. Daher muss der Herr den Unglauben und die harten Herzen der Jünger deutlich tadeln, als Er ihnen gemeinsam erscheint. Es trifft Ihn, wenn die Zeugnisse über Ihn keinen Glauben hervorrufen – auch bei uns, die wir den Jüngern oft in ihrem Unglauben gleichen.
      Wir hätten den Jüngern sicherlich nicht direkt einen solch großen Auftrag gegeben. Doch anders der Herr. Er benutzt das Aufdecken ihrer Herzen als Zubereitung für ihren Dienst. Das Bewusstsein der eigenen Unwürdigkeit und des eigenen früheren Unglaubens sowie das Vertrauen in Gott machen uns fähig, andere zum Glauben zu rufen und die Botschaft des Evangeliums weiterzutragen. Denn dieser große Auftrag des Herrn gilt bis heute unverändert.
      Das Werk des Herrn reicht so weit, dass das Evangelium, die gute Botschaft Gottes über seinen Sohn, jetzt in der ganzen Welt (nicht nur im Land Israel) und der ganzen Schöpfung, d. h. allen Menschen (nicht nur den Juden) gepredigt werden kann und soll. Im Evangelium offenbart sich Gott als der Heiland-Gott, der seine Geschöpfe liebt und will, „dass alle Menschen errettet werden“ (1. Tim 2,3.4).
      Bei diesem Auftrag denken wir schnell an Geschwister, die der Herr als Missionare oder Evangelisten berufen hat. Doch ein Teilstück der ganzen Welt liegt auch in der direkten Umgebung eines jeden Einzelnen. Die Aufforderung des Herrn „Geht hin“, gilt daher jedem von uns. Sie zeigt, dass dazu von unserer Seite Aktivität erforderlich ist. Wir müssen die Botschaft zu den Menschen bringen und nicht darauf warten, dass sie zu uns kommen. Und als Mittel zur Verbreitung des Evangeliums nennt der Herr hier – und an manch anderen Stellen – die Predigt (z. B. 2. Tim 4,2): „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort“ (Röm 10,17).
      Die Aussage des Herrn: „Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (V. 16), hat manche Menschen dazu geführt, der Taufe eine errettende Kraft in Bezug auf die Ewigkeit zuzuschreiben. Doch das ist nicht die Bedeutung dieser Stelle. Im Gegenteil, gerade der zweite Teil des Verses macht deutlich, dass allein der Glaube rettet und für die Ewigkeit entscheidend ist. Wenn ein Mensch nicht glaubt, wird er verdammt werden, ob er getauft ist oder nicht.
      Um die Verbindung zwischen Errettung und Taufe in diesem Vers richtig zu verstehen, müssen wir bedenken, dass der Begriff „Errettung“ im Neuen Testament eine vielfältige Bedeutung hat. So kennen wir die Errettung der Seele mit Bezug auf die Ewigkeit (z. B. Heb 10,39) und die Errettung in Verbindung mit der Erlösung unseres Leibes bei der Wiederkunft des Herrn (z. B. 1. Pet 1,5). Dann finden wir die Errettung mit der Bedeutung, dass der Gläubige auf seinem Weg durch die Welt hindurchgerettet wird (z. B. Heb 7,25), oder auch einfach eine leibliche oder zeitliche Errettung aus Gefahren und Schwierigkeiten (z. B. 2. Tim 4,17).
      In unserem Vers haben wir noch einen weiteren Aspekt der Errettung. Hier wird damit ein Wechsel der Stellung auf der Erde verbunden. Wer wirklich von Herzen glaubt und getauft wird, sondert sich von der Welt ab, die Christus verwirft – und über der daher das Gericht Gottes schwebt –, und kommt in den Bereich des Christentums auf der Erde, wo die Erlösung gekannt wird. Durch die Taufe trennt der Gläubige sich öffentlich von der ungläubigen Welt und kommt in den Bereich, wo alle die Segnungen genossen werden können, die der Tod des Herrn gebracht hat. Das ist hier Errettung in Verbindung mit der Taufe.
      Zeichen zur Bestätigung des Evangeliums
      „Diese Zeichen aber werden denen folgen, die glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden und werden Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden“ (Mk 16,17.18).
      Der Auftrag des Herrn von Vers 15 ging weit über alles hinaus, was den Jüngern bisher aufgetragen worden war (vgl. Kap. 3,14.15). Erschwerend kam für die Jünger hinzu, dass ihr Herr und Meister ihnen bei der Ausübung dieses Auftrags nicht mehr leibhaftig zur Verfügung stehen würde. Das konnte sie furchtsam und mutlos machen. Um dem vorzubeugen, verheißt der Herr ihnen in seiner Fürsorge fünf Zeichen göttlicher Macht:
      1. „In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben“ (Bsp.: Apg 16,18);
      2. „sie werden in neuen Sprachen reden“ (Bsp.: Apg 2);
      3. „werden Schlangen aufnehmen“ (Bsp.: Apg 28,3–6);
      4. „wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden“ (kein Beispiel in der Apostelgeschichte berichtet);
      5. „Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden“ (Bsp.: Apg 9,17.18).

      Diese Zeichen sollten ihre Predigt begleiten und denen folgen, die glauben würden. Sie sollten zur Bestätigung und Beglaubigung der völlig neuen Botschaft des Evangeliums des Heils dienen und den Hörern jeglichen Vorwand für Zweifel und Unglauben nehmen (V. 20b; Heb 2,3.4).
      Die Bestätigung einer neuen Sache durch äußere Zeichen und Wunder ist ein Handeln Gottes, das wir wiederholt in der Schrift finden. So gab Gott beispielsweise Mose drei Wunderzeichen, die ihn vor dem Volk Israel legitimierten (2. Mo 4). Auch der öffentliche Dienst und die Worte des Herrn wurden durch Zeichen und Wunder bestätigt (Mt 11,4–6).
      Der Zweck der Zeichen (Bestätigung einer neuen Sache) macht deutlich, dass diese Zeichen nur für die Anfangszeit gegeben wurden. Hinweise wie „Zeichen des Apostels“ (2. Kor 12,12) sowie „die den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen hat“ (Heb 2,3.4) und „Sprachen werden aufhören“ (abklingen oder zur Ruhe kommen; 1. Kor 13,8) zeigen dies deutlich.
      Heute haben wir diese Zeichen nicht mehr. Jeder Hinweis auf eine Fortdauer der Zeichen wird hier vermieden. Und es wird auch nicht gesagt, dass diese Zeichen allen folgen werden, die glauben.
      Die Himmelfahrt des Herrn
      „Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber gingen aus und predigten überall, wobei der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen“ (Mk 16,19.20).
      Die Schlussworte sind besonders schön in diesem Evangelium, das uns den Herrn Jesus als den vollkommenen Diener und Propheten Gottes gezeigt hat. Sie reden von der gewaltigen Erhöhung und Würde der Person unseres Herrn. Als Antwort Gottes auf das vollbrachte Werk und auf den treuen Dienst des Herrn wurde Er „in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes“. Welch eine Belohnung und Verherrlichung für Den, der gesagt hatte: „Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Heb 10,7), und: „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde; das Werk habe ich vollbracht, das du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte“ (Joh 17,4). Er ist jetzt „durch die Himmel gegangen“ (Heb 4,14) und „höher als die Himmel geworden“ (Heb 7,26).
      Diese Verherrlichung des Herrn war schon im Alten Testament angedeutet worden: „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln; er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein“ (Jes 52,13). Diese Stelle lässt sich auf die dreifache Erhöhung des Herrn anwenden, wie sie uns in diesem Kapitel des Markusevangeliums gezeigt wird. Er ist auferstanden (V. 6), Er ist in den Himmel aufgenommen worden und Er hat sich zur Rechten Gottes gesetzt (V. 19).
      Diese Verse vervollständigen auch den Rahmen, der zu Beginn des Evangeliums (Mk 1,1–3) gezeichnet wurde, indem der Geist Gottes deutlich macht, dass der Knecht, der in diesem Evangelium vorgestellt wurde, zugleich auch der Herr und der Sohn Gottes ist. Zweimal wird von Ihm in diesen abschließenden Versen als dem Herrn gesprochen, und nur als Sohn Gottes konnte Er sich selbst zur Rechten Gottes setzen.
      Doch wir sehen Ihn sogar im Himmel, zur Rechten Gottes, noch weiter dienen, indem Er „mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen“. Was für eine Ermutigung für die Jünger.
      Diese Stellung als Diener wird Er in alle Ewigkeit nicht aufgeben (Lk 12,37). Begreifen können wir das nicht, aber wir beugen uns in Anbetung vor diesem Herrn nieder, der den Vater so vollkommen verherrlicht hat und der uns so unaussprechlich liebt!




      Im Herrn Jesus Christus
      Hans Peter Wepf
      1. Mose 15.6

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      • #4
        AW: Mk 8 &gt;=&lt; Lk 9 4000 resp. 5000

        Danke Martin,
        warum bin ich nicht selbst drauf gekommen?
        Herzliche Grüße
        Jörg

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        • #5
          AW: Mk 8 &gt;=&lt; Lk 9 4000 resp. 5000

          Lieber Jörg

          Ich begrüsse Dich herzlich im Forum!

          Warum bist Du nicht selbst drauf gekommen?
          ganz einfach, damit Deine Frage ins Forum kommt und so haben andere Geschwister deswegen auch einen
          Nutzen.


          ►►Markus gekommen um zu Dienen Stefan Ulrich doc
          Im Herrn Jesus Christus
          Hans Peter Wepf
          1. Mose 15.6

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