Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

ein ganz wunderbares Kapitel !!!

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • ein ganz wunderbares Kapitel !!!

    C.A.C. - Wortbetrachtungen über das Lukasevangelium
    Kapitel 15

    Es wurde die allgemeine Behauptung aufgestellt, dass Zöllner und Sünder sich dem Herrn nahten, um Ihn zu hören. Es war gerade eine solche Hörerschaft bei Ihm, die sich gewöhnlich zu Ihm versammelte und Ihm angenehm war. Der Herr gab den Menschen als Sündern solch einen Eindruck von der Güte und Gnade Gottes, dass sie sich dafür interessierten. In der Neuen Übersetzung (von J. N. Darby) steht eine Bemerkung unten, die darauf hinweist, dass diese Schar sich gewöhnlich zum Herrn zu versammeln pflegte, um Ihn zu hören. Es war nicht nur in dem Augenblick der Fall.
    In den Augen der Schriftgelehrten und Pharisäer kam der Herr dadurch in schlechten Ruf, dass Er solch eine Schar um Sich hatte und dass Er sie aufnahm und mit ihnen aß. Es handelte
    sich aber darum, den Gegensatz zwischen dem Sinn des Himmels und dem Sinn der religiösen Menschen auf Erden festzustellen. Solchen Menschen bedeutete es viel, wenn ihnen gesagt wurde, dass sie Gott sehr wertvoll waren.
    Ich habe oft empfunden, dass wir sehr wenig von der Gesinnung der Gnade durchdrungen sind. Wir sagen einem Menschen, dass er verloren ist, und wir meinen damit, dass er heruntergekommen, erniedrigt und in einem sehr unwürdigen Zustande ist. In der Schrift wird aber das Wort „verloren“ gebraucht, um auf etwas Wertvolles hinzuweisen. Der Herr erweckte den Eindruck, dass Gott Sich für Seine Geschöpfe interessierte; Gott war sehr darum besorgt, dass Er Sein Geschöpf verloren hatte. Es war nicht nur wichtig, dass das Geschöpf verloren war, sondern es ging auch darum, wer es verloren hatte.
    Manchmal lesen wir Anzeigen über verlorene Dinge, und darin wird zuweilen bekanntgegeben, dass eine Belohnung ausgesetzt ist, und dadurch wissen wir, dass die Person, die etwas verloren hat, darum besorgt ist. Die Sache ist nicht wertlos, sondern wertvoll. Je mehr die Person sich bemüht, die Sache zurückzubekommen, desto mehr empfindet man ihren Wert.
    Was in diesem Kapitel hervorgehoben wird, ist der Wert des Sünders für Gott; es bereitet Gott Sorge, dass Er den Menschen verloren hat. „Welcher Mensch unter euch, der...eines von ihnen (von den Schafen) verloren hat..?“ Hier liegt der Nachdruck nicht so sehr darauf, dass das Schaf verloren ist, sondern mehr darauf, dass der Eigentümer es verloren hat.
    Dieses Kapitel dient dazu, die moralische Größe der Buße ans Licht zu bringen. Nach Lukas 15 wird derjenige, der Buße tut, völlig für Gott wiederhergestellt. Hier liegt der Nachdruck auf der Mühe der Personen der Gottheit, die Sünder zur Buße zu bewegen. Der Mensch, der Sünder, ist Gott sehr wertvoll; Gott hat ihn verloren, und Er will, dass er wieder gewonnen und wieder hergestellt werde. Nach diesem Kapitel ist die Buße die Wiederherstellung des Geschöpfes, das Er verloren hatte, für Gott. Somit wird der Buße ein großer Platz eingeräumt.
    Menschen mögen sagen, dass sie Gläubige sind, aber welche moralische Wirkung hat das in ihren Seelen erzeugt? Die Buße ist eine in der Seele erzeugte moralische Wirkung, welche den ganzen Charakter der Beziehungen des Geschöpfes zu Gott ändert. Es ist nicht, dass man gewisse Dinge glaubt, sondern der Mensch ist verwandelt. In der Seele ist eine moralische Wirkung vorhanden, die den Menschen dazu befähigt, Gott als in Gnade erkannt hochzuschätzen.
    Wenn Gott, als in der Gnade erkannt, geschätzt wird, so hat Er Sein Geschöpf wiedererlangt, und zwar ist es auf solch eine Weise zurückgekehrt, dass es dem Himmel eine Freude ist. Somit stellt dieses Bild des Eigentümers, der dem Schafe nachgeht, dar, wie weit der Sohn Gottes zu gehen bereit ist, um den Sünder zur Buße zu bringen. Es entfaltet nicht das, was Er zur Herrlichkeit Gottes oder um für die Sünde zu sühnen tun musste.
    Als die Tatsache, dass der Sohn Gottes für ihn in den Tod gegangen war, dem Paulus einleuchtete, verwandelte er alle seine Gedanken über Gott. Der Herr Jesus kam aus der vollen Herrlichkeit der Gottheit zu der Tiefe der Leiden auf Golgatha herab, um unsere Gedanken über Gott zu verändern. Es war nicht nötig, Gottes Gedanken zu ändern. Ich glaube, dass bei uns vielfach der Gedanke vorhanden ist, dass Jesus gekommen war, um die Gedanken Gottes über uns zu verändern. Aber Er kam, um unsere Gedanken über Gott zu verändern; das ist Buße. Wir ändern dabei unsere Gedanken und sehen ein, dass Gott dem Verlorenen nachgeht, weil es in Seinen Augen so kostbar ist; Er ist bereit, bis zum Äußersten zu gehen, um Buße zustande zu bringen. Der Sohn Gottes musste herniederkommen und in den Tod gehen, um Buße zu Gott in meiner Seele zu bewirken; das gibt uns ganz andere Gedanken über Gott. Er ist bereit, alles zu tun, um mich zur Buße zu bringen. Das verlorene Schaf wird gefunden, wenn Buße bewirkt worden ist. Nachher nimmt der Besitzer alles völlig auf sich; er hat das Schaf gefunden, und er übernimmt die Fürsorge und die ganze Verantwortung.
    Wenn wir das Evangelium predigen, stellen wir Gott in Seinem wahren Lichte dar. Gott hat den Menschen verloren, weil der Mensch allerlei falsche Gedanken über Gott hat, die ihm von Satan eingeflößt worden sind, und der natürliche Unglaube des Herzens des gefallenen Menschen klammert sich an diese falschen Gedanken. Jesus ist aber in wunderbarer Liebe und Gnade hervorgetreten. Der Sohn Gottes ist bis zum Äußersten gegangen; Er ist in den Tod gegangen, damit wir sehen möchten, was für Mühe, was für Kosten, was für eine Tätigkeit die göttliche Gnade auf sich nehmen musste, damit wir zur Buße gebracht werden möchten. Wenn das zustande gekommen ist, sind tausend Schwierigkeiten gelöst, die in der Lebensgeschichte der Seele entstehen, weil sie noch nicht gefunden worden ist.
    Man kann einem Menschen zeigen, dass er ein Sünder ist, wenn man das Gesetz predigt, und in dieser Weise ihm die Erkenntnis der Sünde beibringen. Die Evangeliumsbuße besteht aber in einem Selbstgericht, das dadurch hervorgebracht wird, dass man die Gedanken Gottes, wie auch Seine wunderbare Anteilnahme an den Menschen verstanden hat. Er wollte alles tun und Seinen Sohn in den Tod geben, um die Menschen zur Buße zu bringen. Der Hirte hat etwas verloren, und Er kann nicht ruhen, bis Er es zurückerlangt hat.
    Wenn der Herr uns die moralische Bedeutung der ersten beiden Gleichnisse angibt, sagt Er uns, dass es die Buße ist. Er sagt: „Also, sage ich euch, ist Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße tut.“ Das gefundene Schaf ist ein bußfertiger Sünder; wenn der Sünder zur Buße gebracht worden ist, hat der suchende und rettende Hirte ihn gefunden, und das hat die ganze Angelegenheit erledigt.
    Nach diesem Kapitel bedeutet die Buße die Wiederherstellung des Verlorenen für Gott; Buße geschieht nach Gott hin. Bedenkt, was in den Weg des Herrn eingeschlossen war. Dieser Weg schloss das Tragen der Sünden ein - Er wurde zur Sünde gemacht und von Gott verlassen - das ganze Tragen der Sünde am Kreuz - und so weit musste Er gehen, um mich zur Buße zu bringen.
    In den ersten beiden Gleichnissen handelt es sich noch nicht um die Wirkung auf mich, sondern die Sache wird völlig von der göttlichen Seite aus betrachtet. In dem Gleichnis von dem jüngeren Sohne sehen wir einen Teil der Übungen, die in unserer Seele vor sich gehen. Es zeigt, wie viel in der Buße enthalten ist; eine wahrhaftig bußfertige Seele ist sich dessen bewusst, dass Gott sie gefunden hat. Derjenige, der mich verloren hatte, wollte mich wieder haben und hat mich gefunden. Es hat Ihn viel gekostet, mich zu suchen, aber Er hat mich gefunden.
    Das ist ein glückseliges Bewusstsein in der Seele; der Verlorene ist erstaunt zu erfahren, dass es Gott eine Freude ist, ihn wiederzufinden. Es ist wunderbar, das Bewusstsein zu haben, dass wir Freude im Himmel hervorrufen. Nicht allein Gott nimmt Anteil daran, sondern auch alle einsichtigen Geschöpfe bei Gott. Ich zweifle nicht daran, dass es einen Kreis auf Erden gibt, der mit dem Himmel mitfühlt, eine Gemeinschaft der Freude, die den Schriftgelehrten und Pharisäern gar nicht ähnlich ist.
    Vers 10 weist auf die Freude Gottes Selbst hin, die Freude Gottes an Seiner Gnade, die die Engel vor sich haben. Wie wunderbar, die bewusste Freude zu besitzen, dass man für Gott wiedergefunden ist! Jeder Bußfertige kann sagen: Es ist etwas in meiner Seele bewirkt worden, wodurch ich für Gott völlig wiederhergestellt bin. Er hatte mich verloren; nun hat Er mich gefunden. Es könnte keine größere Freude geben, als an die Freude Gottes zu denken, die Er daran hat, mich zu haben. Das bricht die Macht der Sünde. Die Sünde bestand darin, dass ich sehr gut ohne Gott auskommen konnte; nun finde ich aber, dass Gott ohne mich nicht auskommen kann, und das bricht die Macht der Sünde.
    Der Herr sagte von Paulus: „Siehe, er betet.“ Was war das für eine Freude für Gott, den Feind und Verfolger dahin gebracht zu sehen, dass er im Lichte des verherrlichten Christus betete. Das Licht, in welchem er betete, war das Licht eines verherrlichten Heilands. Er hatte Ihn gehasst und verfolgt, und er hatte sich bemüht, Seinen Namen von der Erde auszutilgen, und nun hatte er erfahren, dass er statt eines Betrügers einen verherrlichten Heiland im Himmel hatte. Saulus betete mit diesem Lichte in seinem Herzen, und Christus hatte ihn gefunden. Er konnte sagen: Christus hat von mir Besitz ergriffen.
    Einige von uns haben nun schon ziemlich viele Jahre die tiefe Freude über den Gedanken gehabt, dass Gott und der Himmel an einem jeden von uns einzeln Anteil nehmen. In der Wertschätzung der religiösen Menschen mögen wir völlig wertlos sein, oder es mag sogar als eine Verunreinigung gelten, mit uns irgend etwas zu tun zu haben; aber was ihre Gedanken über uns auch sein mögen, so sind wir doch für Gott und für den Himmel vom tiefsten Interesse. Es ist augenblicklich eine tiefe Freude, und ich denke, dass ich sagen darf, dass uns diese Freude jetzt mehr bedeutet als damals, als wir sie zum ersten Male schmeckten. Wahre Buße sollte in unseren Seelen jetzt tiefer sein als jemals zuvor, und in gewissem Sinne sollten wir Gott und dem Himmel jetzt mehr Freude bereiten, weil wir gründlich den Zustand verurteilen, in dem wir von Natur waren, und wir sehen die wunderbare Tätigkeit der göttlichen Gnade. Es ist gut, in dieses Gebiet einzugehen.
    „Welcher Mensch unter euch, der hundert Schafe hat und eines von ihnen verloren hat, lässt nicht die neunundneunzig in der Wüste und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?“ Der Herr gibt zu verstehen, dass die neunundneunzig Personen die sind, die der Buße nicht bedürfen -; das sind eigentlich die Schriftgelehrten und die Pharisäer, so schätzen sie sich selber ein. Der Herr bringt das Herz Gottes und die Gesinnung des Himmels ans Licht. Die Gesinnung des Himmels ist voller Interesse für bußfertige Sünder. Es ist nicht dasselbe Interesse für diejenigen vorhanden, die der Buße nicht bedürfen. Hier wird die Frage nicht erwogen, ob wirklich solche vorhanden sind; dem Namen nach oder nach ihren eigenen Gedanken gibt es vielleicht solche. Wir sagen oft zu den Menschen: Wenn ihr keine Sünder seid, gibt es für euch keinen Heiland. Christus Jesus kam in diese Welt, um Sünder zu erretten; somit gibt es keinen Heiland für Leute, die keine Sünder sind.
    Das Haus, wohin das Schaf getragen wurde, deutet auf einen Ort auf Erden hin, wo die Anteilnahme des Himmels einen Widerhall findet. Wir sind dorthin gebracht worden, was Gott in Gnaden ist, und das ist unsere Freude - es ist alles, was wir haben. Was alles andere anbetrifft, so verurteilen und verwerfen wir es. Buße bedeutet, dass wir alles ablehnen, was nicht von Gott und aus Gnaden ist, und das ist vollkommenes Glück.
    Sehr viele Christen sind nicht glücklich oder jedenfalls nicht so glücklich, wie sie es sein könnten, weil sie sich Luk. 15 nicht zu eigen gemacht haben.
    Es gibt eine Person der Gottheit hier auf Erden, welche durch Gefäße wirkt, in denen Sie wohnt, und eine wunderbare Tätigkeit dieses Geistes geht beständig vor sich. Es geht nicht nur darum, wie weit der Sohn Gottes ging, indem Er in den Tod hinabstieg, um uns zur Buße zu bringen, sondern der Geist übt auch Tätigkeiten aus, die durch das Weib, das die Lampe anzündet, das Haus kehrt und sorgfältig sucht, bildlich dargestellt werden. Diese Tätigkeiten des Geistes geschehen im Blick auf dasselbe Ziel. Der Verlust des Weibes wird unterstrichen. Sie hat ihre Drachme verloren, und sie sagt in Vers 9: „Ich habe die Drachme gefunden, die ich verloren hatte.“ Eine Drachme deutet auf etwas Wertvolles hin.
    Ich bin nicht darum besorgt, dass die Menschen an gewisse Dinge glauben sollten. Sie sagen oft, dass sie glauben, doch nimmt man an ihnen kein besonderes Ergebnis wahr. Ihr Wandel ist nicht verändert. Wenn jemand behauptet, ein Gläubiger zu sein, dann möchte man wissen, was für ein moralisches Ergebnis bei ihm erzeugt worden ist. Übt der Betreffende auch Selbstgericht aus? Das ist das Wichtige. Dann hat das Herz Gott immer mehr vor sich, und Er wird, als in Gnaden erkannt und geschätzt. Daher ist eine dankerfüllte Gesinnung vorhanden, und Gott bekommt etwas von dieser Seele, und die Heiligen bekommen auch etwas.
    Die Tätigkeit des Geistes geschieht durch die Heiligen; in dieser Weise wirkt der Geist in diesem Kapitel. Im Christentum wohnt der Heilige Geist in einem Gefäß. Das Anzünden der Lampe ist die Predigt des Wortes. Das Wort wird allgemein von den Heiligen angewandt; die Dinge werden durch das Licht des Wortes beleuchtet. Was der Geist in dieser Hinsicht tut, wird durch die Heiligen getan. Stehen wir dem Geiste zu einem solchen Dienste zur Verfügung? Wir dürfen dieses wunderbare Vorrecht nicht beiseite setzen.
    Ich nehme an, dass sehr wenige zur Buße gebracht werden, ohne dass sie von den Heiligen beeinflusst werden. Das besagt einfach, dass von denen, in denen der Geist wohnt, ein Einfluss ausgeht. Es ist die Tätigkeit des Geistes, aber es geschieht durch die Heiligen. Paulus
    sagt: „Wozu er euch berufen hat durch unser Evangelium“; d. h. Paulus predigte, Gott berief und der Geist „kehrte“ - alles ging zusammen vor sich.
    Es ist etwas Großes, den persönlichen Charakter dieses Kapitels zu erfassen. Nicht nur hat Gott die Welt also geliebt, sondern Gott interessierte Sich auch für mich und wollte mich haben. Hier ist es nicht die weltumfassende Gnade, sondern die Gnade im besonderen Sinne. Gott hat mich gefunden, und deshalb kann ich Ihm sagen, dass ich weiß, wie glückselig Er ist, dass Er mich hat. Es ist etwas Wunderbares, sich dessen bewusst zu sein, dass man dem Herzen Gottes ein Gegenstand des Wohlgefallens ist.
    Ich nehme an, dass dieses Kapitel sich in besonderer Weise auf diejenigen bezieht, die auf einem bevorzugten Platze sind, mehr als auf diejenigen, die wie die Heiden gar keine Erkenntnis Gottes hatten. Der Jude war auf einem bevorzugten Platze, die Christenheit ist auf einem bevorzugten Platze, und ebenso sind es auch die Kinder gläubiger Eltern. Wer unter der christlichen Lehre erzogen ist, befindet sich auf einem bevorzugten Platze, und in einem solchen Gebiete gibt es zwei Klassen. Es gibt solche, die dem, was sie von Gott wissen, den Rücken kehren und ihrem eigenen Vergnügen leben, ohne auf Gott Rücksicht zu nehmen; und es gibt andere, die einen gewissen Anstand wahren und Ehrerbietung Gott gegenüber zu haben scheinen, aber schließlich erweisen sie sich als moralisch noch weiter von Gott entfernt als die erste Klasse.
    Der sogenannte verlorene Sohn stellt jemand dar, der sich von dem, was er kannte, entschieden abwandte; er könnte dem Worte in Jes. 53 entsprechen: „Wir wandten uns ein jeder auf seinen Weg.“ Es hat sich ein entschiedenes Abwenden von dem, was von Gott ist, und ein Hinwenden zur eigenen Befriedigung vollzogen. Ein „verlorener Sohn“ in diesem Sinne zu sein schließt in sich, dass man an einem bevorzugten Platze gewesen war. Dadurch wird der Angelegenheit eine besonders ernste Anwendung auf die Gegenwart gegeben.
    Adam und Eva entfernten sich von der ihnen bekannten und von ihnen genossenen Güte Gottes; der Garten Eden war ein Platz des Vorrechts und der Segnung, der unschuldigen Geschöpfen vollkommen angemessen war, aber Adam und Eva wandten sich entschieden auf ihren eigenen Weg. Das machte die Sache sehr ernst. Es war nicht nur das Ergebnis der Sünde Adams, sondern ein Weg der Abtrünnigkeit wurde auch dadurch von einem Menschen beschritten, der einigermaßen Gott und Seine Güte gekannt hatte.
    Sich von Gott abzuwenden ist jetzt schrecklicher als je zuvor. Es ist schrecklich zu sehen, wie die Kinder gläubiger Eltern sich abwenden, wenn sie 16 oder 17 Jahre alt werden. Sie wollen ihren eigenen Weg gehen, sie fühlen sich eingeschränkt. Alles, was sie haben, verdanken sie der Vorsehung Gottes; aber sie erheben darauf ihren Anspruch als ihr Eigentum und beanspruchen das Recht, es an sich zu nehmen und Gott zu verlassen. Ich wurde in einem christlichen Heim erzogen mit allen Vorzügen, die die Schriften und eine gebetserfüllte Umgebung mir gewähren konnten, jedoch fand sich in mir der deutliche Wunsch, sich von alledem abzuwenden.
    Der ältere Bruder stellt eine andere Klasse dar. Sie wenden sich äußerlich nicht ab; augenscheinlich erzeigen sie Gott Ehrerbietung. Sie betreten nicht öffentlich die Wege der Sünde; sie gehen zur Kirche, zur Kapelle oder zum Versammlungsraum; sie lesen die Bibel; sie sagen ihre Gebete auf und tun nichts äußerlich Verkehrtes. Es gibt viele von solchen im Kreise des Vorrechts, doch ist es möglich, dass sie sich moralisch noch weiter von Gott weg befinden als diejenigen, die auf Gott gar keine Rücksicht nehmen.
    Diese Dinge werfen ein helles Licht auf die ganze Lage. Wir sehen gewisse Leute, die das Recht beanspruchen, alles, was Gott ihnen gegeben hat, für sich zu gebrauchen. Sie wollen nicht die Beschränkung annehmen, die die Erkenntnis Gottes uns auferlegt; sie wollen sich möglichst weit davon entfernen und ihrer eigenen Befriedigung, fern von dem Gott, den sie am Platze des Vorrechts gekannt haben, leben. Es gibt auch andere, die ein anständiges, religiöses Leben führen - sie sagen: „Niemals habe ich ein Gebot von dir übertreten“ - das Ergebnis beweist aber, dass sie den Gott des Lukasevangeliums nicht kennen, und es besteht mehr Hoffnung für die erste Klasse als für die zweite.
    Wir sehen hier die Wege Gottes, wie Er es zulässt, dass wir uns bis an die Grenze des Möglichen entfernen. Der Pfad der eigenen Befriedigung wird mit jedem Tage weniger erfreulich; beständig nimmt die Ergötzung der Sünde ab. Ein junger Mann mag an der eigenen Befriedigung viel Freude finden, aber beim zweiten Mal findet er schon weniger Freude daran, und beim dritten Mal noch weniger, und so geht es weiter, bis die Zeit kommt, wo eben die Dinge, die ihn so ergötzten, ihm gar kein Vergnügen mehr bereiten - er hat alles vergeudet und ist am Ende.
    Ich glaube, dass jeder von uns moralisch das Ende des Bestrebens, Vergnügen fern von Gott zu finden, erleben muss. Wir müssen alle diesen Weg gehen. Der Herr gibt uns diesen äußersten Fall, weil er alle anderen Fälle in sich begreift. Wir haben alle gesucht, eigene Befriedigung zu finden und haben unser Vermögen vergeudet, denn ein Leben, das in der eigenen Befriedigung gelebt wird, wird vergeudet, ob es nun auf eine grobe oder auf eine verfeinerte Art geschieht.
    Hier wird uns der ganze Verlauf aufgedeckt, der Verlauf des Abirrens und der Wiederherstellung werden von einer Meisterhand beschrieben. Der verlorene Sohn hatte alles
    vergeudet, er besaß nun nichts mehr, um sein Dasein fristen zu können. Wir sind alle diesen Weg gegangen. Wir ergötzten uns an der Sünde in dieser oder jener Form, bis sie uns nicht mehr befriedigen konnte, und unsere Gewissensbisse bereiteten uns mehr Elend als die eigene Befriedigung uns Vergnügen bereitet hat.
    Wenn unsere Hilfsquellen zu Ende sind, wird die Hungersnot sicherlich kommen. Wir haben nichts mehr, das uns befriedigen könnte; und dann erweist sich uns dieses Land der Gottesferne als ein Ort der Hungersnot. Dann steigt der verlorene Sohn noch eine Stufe weiter hinab; er hängt sich an einen der Bürger jenes Landes und befindet sich nun an einem Platze der äußersten Erniedrigung. Das geschieht oft in der Lebensgeschichte einer Seele. In solch einem Falle fällt jemand in solche Tiefen der Erniedrigung, die er niemals für möglich gehalten hätte. Er kann aber dort keine Befriedigung finden, und niemand gibt ihm etwas, noch nicht einmal das Schweinefutter. Alles das geschieht durch die Barmherzigkeit Gottes.
    Ihr mögt sagen: Das ist ein furchtbares Bild des Eigenwillens und der Abtrünnigkeit; aber der Herr bringt es ans Licht, um zu zeigen, dass Gott diese Umstände gebraucht, um die höchst erdenkliche Segnung zuwege zu bringen.
    Der Mensch ist überhaupt unfähig, Freude zu genießen, als nur in den Dingen, die er durch Gottes Vorsehung besitzt. Wenn er nichts von Gott hätte, hätte er auch keine Kraft, sich zu freuen. Er hat nur das, was er durch die Vorsehung besitzt - seine Kraft, seine Gesundheit, seine Fähigkeiten, seine Mittel - alles ist ihm von Gott durch die Vorsehung gegeben, und er nimmt und gebraucht es zu seiner eigenen Befriedigung. Er muss aber auf diesem Boden zu Ende kommen, und dann findet er, dass in seinem Herzen etwas noch Tieferes ist als die eigene Befriedigung. Die eigene Befriedigung steht oben an, und wir dürfen sagen, auch in der Mitte, aber ganz unten, ist noch etwas. So war es bei dem samaritischen Weibe; sie lebte ein Leben in Selbstgefälligkeit, und alle Leute in Samaria hielten sie für eine sehr selbstgefällige Frau; der Herr aber sah noch etwas anderes. Tief unter dem allen sah der Herr den Gedanken über die Anbetung Gottes und über den Messias - über den Kommenden, der ihnen über alle Dinge Licht geben würde.
    „Als er aber zu sich selbst kam“ - das wahre „Ich“ dieses Menschen war ganz anders als die Selbstgefälligkeit, worin er bis zur äußersten Möglichkeit gelebt hatte. Das Werk der Gnade hatte das jetzt nach oben gebracht. So ist es mit denjenigen, die an einem bevorzugten Platze gewesen sind. Sie haben von dem gepriesenen Gott, der im Lukasevangelium verkündigt wird, gehört, und im Laufe ihres selbstgefälligen Lebens finden wir das auf dem Grunde ihres Herzens. Wenn alles fehlgeschlagen hat, kommt es an die Oberfläche; es tritt zutage und behauptet sich. Es war da im Herzen des verlorenen Sohnes. „Als er aber zu sich selbst kam“ - ein auffallendes Wort. Es ist das wahre „Ich“ dieses Mannes; er musste zu seinem wahren „Ich“ zurückkommen.
    Der Herr hat hier die Wiederherstellung des Verlorenen vor Sich, und alle diese Erlebnisse des verlorenen Sohnes gehören zum Wege Gottes, ihn zu dem Punkte der Buße zu bringen. Das wahre „Ich“ des Mannes wurde erreicht, als er dazu kam, sich selbst zu verurteilen und die Fülle und Befriedigung im Hause des Vaters anzuerkennen, und er sagte: „Ich aber komme hier um vor Hunger.“ Es ist ein scharfer Gegensatz. Er sagt: Ich weiß einen Ort, wo der niedrigste Tagelöhner, der niedriger ist als ein Knecht, Überfluss hat. Er besaß dieses Wissen, das er nie verlor. Das ist ein großer Trost.
    Es gibt Menschen, für die wir oft beten - die Jungen und Mädchen, die unter uns gesessen und die Wahrheit von dem Gott des Lukasevangeliums gehört haben. Man hat gesehen, wie viele von ihnen sich von Gott abwandten und ihre eigenen Wege gingen, indem sie in der Gottesferne die eigene Befriedigung suchten. Wir beten für sie, weil wir hoffen, dass etwas in die Tiefe des Herzens gelegt worden ist, das der Teufel nie wegnehmen kann. Viele Kinder der Heiligen bekennen, dass sie an Jesum glauben, die Probe kommt aber, wenn die Begierden des Fleisches sich zu behaupten beginnen und die Welt ihre Anziehungskraft bietet. Dann kann sich ein entschiedenes Abwenden vollziehen. „Wir wandten uns ein jeder auf seinen Weg.“
    Es ist ein ernster Augenblick, es ist etwas Herzzerreißendes, wenn ein junger Mann oder eine junge Frau dahin kommt, dass die Zusammenkünfte ihm oder ihr gleichgültig werden. Sie ziehen die Welt mit ihren Unterhaltungen und ihrer Geselligkeit vor, und allmählich oder plötzlich reißen sie sich von den Gläubigen los. Es ist aber ein Trost, daran zu denken, dass sie für uns nicht endgültig verloren sind. Das wahre „Ich“ kann bei ihnen vorhanden sein, wie auch eine Wertschätzung der Güte Gottes. Als ich ein kleines Kind war, hatte ich in meiner Seele ein wunderbares Bewusstsein von der Güte Gottes und von der Kostbarkeit Jesu. Es war da, ehe ich begann in ein fernes Land auszuwandern, und zur bestimmten Zeit fängt es dort an, in mir wieder aufzuleben; denn es war mein wahres „Ich“.
    Ich glaube, wir sollten das von der Seite der Unumschränktheit Gottes betrachten, und das wahre „Ich“ des Menschen, wenn er auch sein Vermögen vergeudet hat und in Armut, Hunger und Erniedrigung ist, ist das Bewusstsein von der glückseligen Güte Gottes. Es tröstet mich, sehr daran zu denken, dass, wenn der Schutt und Abfall durch traurige Erfahrungen weg geräumt worden ist, das wahre „Ich“ ans Licht kommt. Es muss dann wahres Selbstgericht eintreten, denn wenn ich mich von dem Gott des Lukasevangeliums abgewandt habe, bin ich einer der schlimmsten Sünder.
    Bedenkt, was es ist - ich habe es tatsächlich vorgezogen, Gott zu verlassen und meinen eigenen Weg zu gehen! Das hilft dann, das richtige Bewusstsein von der Sünde zu erzeugen. Es erzeugt ein tausendmal tieferes Bewusstsein von der Sünde als alle Donner des Sinai.
    Das wird hier von der Seite der Verantwortlichkeit geschildert, es ist die äußere Lebensgeschichte. Wir können aber wahrnehmen, dass unter der äußeren Lebensgeschichte ein geheimes Werk Gottes vorhanden ist, das das Bewusstsein von der Güte Gottes erzeugt. Er sagt: Da gibt es Überfluss. Es ist ein wunderbarer Augenblick in der Lebensgeschichte der Seele, wenn es ihr einleuchtet, dass die niedrigste Person, die es mit Gott zu tun hat, unendlich besser gestellt ist als die höchste Person in dieser Welt. Das ist nicht nur ein Gedanke, gleichsam wie wenn die Menschen sagen, dass Gott gütig ist.
    Die Wirklichkeit der Sache kommt durch die Bewegung zutage. Man kehrt sich entschieden von allem ab, was das Leben in der Welt ausmacht, und man kehrt sich Gott zu. Sobald dieser Punkt erreicht ist, ist alles in Ordnung.
    Der Herr deutet nicht an, dass der verlorene Sohn auch nur einen Schritt getan hat. Er sagte: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen“; Wir lesen aber nicht, dass er auch nur einen Schritt tat, denn sein Vater sah ihn, als er noch fern war. Es ist dasselbe Wort
    wie das ferne Land.
    Eine Frage steht vor einer Seele, die sich verurteilt hat, weil sie gegen den Himmel und in den Augen Gottes gesündigt hat. „Gesündigt gegen den Himmel“ ist ein bemerkenswerter Ausspruch. Wenn meine ganze Lebensführung der Gesinnung des Himmels entgegen gesetzt war und ich vor Gott, dem Gott des Lukasevangeliums gesündigt habe, was für einen Empfang kann ich dann erwarten? Wenn ich Güte von Gott erwartet habe, wird er nun aber auch so gütig sein, wie ich es erwartet habe? Der Herr sagt: Er wird unendlich gnadenreicher sein, als die größten Erwartungen, die ich jemals gehabt habe, es mir angeben.
    In dem Gleichnis sah der Vater den verlorenen Sohn, als er noch sehr fern war. Er wurde innerlich bewegt, er lief hin und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn sehr (vielmals oder zärtlich); es ist der inbrünstige Ausdruck der Zuneigungen. Und das geschah, ehe der verlorene Sohn auch nur ein Wort, irgendein Sündenbekenntnis ausgesprochen hatte.
    Das ist der Gott, mit welchem wir es zu tun haben; keine Schranke ist da, denn sobald wir uns selbst richten und von Gott Güte erwarten, wird Er alles für uns tun, Er wird alles für uns verwenden, Er wird uns mit Küssen bedecken. Das einzige Mal, wenn Gott Sich beeilt und läuft, ist, wenn es einen bußfertigen Sünder gibt. Das Bedecken mit Küssen beweist das Bewusstsein von der Liebe Gottes. Das ist mit der Gabe des Geistes verbunden.
    Es würde uns viel helfen, wenn wir das tiefe Bewusstsein von der Freude hätten, die Gott erlebt, wenn Er sieht, dass wir uns Ihm zugewandt haben. Jeder, der sich selbst gerichtet und sich Gott zugewandt hat, hat dem Herzen des gepriesenen Gottes tiefe Freude bereitet. Das gibt dem Selbstgericht Kraft. Im fernen Lande sagte der verlorene Sohn: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“, aber sein Selbstgericht wird wohl noch zehnmal tiefer gewesen sein, als die Arme des Vaters seinen Hals umfassten und er mit Küssen bedeckt wurde.
    Die wirkliche Grundlage der geistlichen Freude und Kraft besteht darin, dass wir uns vor der göttlichen Gnade zu verurteilen wissen, so dass wir niemals etwas von uns selbst erwarten, sondern alles von Gott erwarten - dann sind wir glücklich. Habt ihr jemals das unbeschreibliche Bewusstsein der Liebe Gottes und Seiner Freude, dass Er Sich Selbst euch zugewandt hat, erlebt? Es ist Gott eine Wonne, dieses Bewusstsein zu geben; wir können es einander nicht geben. Ich glaube nicht, dass irgend jemand beschreiben kann, was es ist - das unbeschreibliche Bewusstsein, dass Er mich liebt und dass ich ein Gegenstand Seines Wohlgefallens bin, weil ich mich selbst gerichtet habe und bußfertig bin und mich Ihm zugewandt habe.
    Die Seele empfindet das durch den Geist; all die Liebe, die auf Golgatha zusammengefasst wurde, wird jetzt durch den Geist in Millionen Herzen ausgegossen, und jedes Herz hat empfunden, dass es geküsst wurde. Wir haben hier dieselben Worte - „der Vater fiel um seinen Hals“ - wie in Apg. 11 - der Heilige Geist „fiel“ auf die, welche im Hause des Kornelius das Wort hörten. Die Liebe Gottes wird in unsere Herzen durch den Geist gebracht, so dass die Haltung Gottes uns gegenüber innerlich erkannt wird.
    Die Grundlage für alles dieses ist die Versöhnung, doch wird das in diesem Kapitel nicht ans Licht gebracht. Die einzige Andeutung darauf sehen wir in dem Schlachten des gemästeten Kalbes, was auf den Tod Christi hindeutet; aber es ist der Tod Christi mehr als die Grundlage der ewigen Freude im Hause Gottes, als die Versöhnung. Es beruht alles auf der Versöhnung, aber die Versöhnung wurde durch den Tod Christi bewirkt. Durch den Tod Christi wurde ein solches Werk vollbracht, dass alles, was Gott nicht wohlgefiel, beseitigt wurde.
    Hier in Luk. 15 sehen wir das auf Erfahrungen gegründete Werk in der Seele, wodurch die Frucht der Versöhnung uns zugute kommt. Alles, was wir hier haben, beruht auf der Versöhnung. Kol. 1 sagt: „Versöhnt in dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und tadellos und unsträflich vor sich hinzustellen.“ Der verlorene Sohn wird in dieser Weise hingestellt, er ist heilig und tadellos und unsträflich. Das ist die Frucht der Versöhnung. Wenn die Versöhnung durch den Tod Christi nicht bewirkt worden wäre, so hätten wir keinesfalls Luk. 15 in unseren Bibeln.
    Das beste Kleid besagt, dass wir in einem neuen Zustande vor Gott stehen. Als der Vater den verlorenen Sohn küsste, konnte seitens des Vaters nichts hinzugefügt werden; Er bedeckte ihn mit Küssen. Er konnte nicht mehr tun - das Kleid, der Ring und die Sandalen sind alle den Küssen untergeordnet. Wenn jemand mich inbrünstig küsst, so ist darin mehr Zuneigung als im Geben eines Kleides. Die Küsse deuten auf das Hervorkommen der tiefsten Tiefen des Herzens Gottes betreffs dieses Gegenstandes der Liebe. Das Herz Gottes bricht in Seiner ganzen Fülle hervor, und der verlorene Sohn fühlt, dass Gott ihn von ganzem Herzen liebt. Gott bedeckt ihn mit Küssen - was könnte noch größer sein als das?
    Dann werden seitens des verlorenen Sohnes einige Dinge benötigt, so dass das Kleid, der Ring und die Sandalen in Erscheinung treten, damit er mit bewusster Annehmlichkeit für Den, der ihn geküsst hat, bekleidet ist. Das beste Kleid scheint mit dem Vorsatze Gottes verbunden zu sein; es ist im Hause vorhanden, und die Knechte wissen, wo es zu finden ist. Es war nach Seinem Vorsatze da. Wir können sagen, es war von Ewigkeit her da. An diesem besten Kleide war alles vorhanden, was die genaueste Untersuchung des Auges Gottes befriedigen konnte. Wenn man sich dessen bewusst ist, dass man geküsst worden ist, so kann das Herz durch nichts befriedigt werden, als nur durch das Bewusstsein von der Wohlannehmlichkeit Dem gegenüber, der einen geküsst hat. Darum wird man durch das beste Kleid mit Wohlannehmlichkeit bekleidet. Die Person, die geküsst wurde, ist nun angenehm gemacht in dem Geliebten.
    Die Knechte sind da, um mit dem besten Kleide zu bekleiden; es ist ihre Arbeit, dies zu tun. Sie kennen den Reichtum und die Hilfsquellen des Hauses. Wir sollten fähig sein, die verlorenen Söhne zu bekleiden, wenn sie zurückkehren.
    In diesem Gleichnis wird beim Charakter des Empfanges verweilt; es endet nicht mit der Buße des Sünders, die im Falle des Schafes und der Drachme die Hauptsache ist. Natürlich tritt in dieser Geschichte die Wahrheit der Buße ans Licht, aber die Hauptsache ist der wunderbare Charakter des Empfanges. Man möchte seine Seele mit dem Bewusstsein von dem wunderbaren Empfang erfüllt haben, den Gott allen Zurückkehrenden gewährt.
    So stellt der Herr die Angelegenheit dar. Wir haben eine Schilderung, die unmöglich von einem anderen gegeben werden konnte als nur vom Sohne der Liebe des Vaters. Gott hat an dieser Angelegenheit eine solche tiefe Freude, dass Er sagt, es gezieme sich, fröhlich zu sein und sich zu freuen. Er rechtfertigt Sein Tun nicht auf Grund der Barmherzigkeit und der Gnade, sondern Er sagt: „Es geziemte sich.“ Die Lehre Pauli über die Gerechtigkeit Gottes liegt dem zugrunde, d. h. Seine Gnade ist eine Angelegenheit der Gerechtigkeit.
    Gott will, dass wir die Art und Weise, wie Er uns empfängt, erfassen, wie auch die Vollkommenheit und Glückseligkeit Seiner eigenen Gedanken, die vor Anbeginn der Welt in Christo gefasst worden sind. Unsere geistliche Lebensgeschichte möchte uns damit bekleiden, damit wir, wie Paulus sagt, „vollkommen in Christo“ dargestellt werden. Paulus schreibt an die Kolosser: „Christus ... den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, auf dass wir jeden Menschen vollkommen in Christo darstellen.“ Das war das Bemühen des Apostels Paulus, und auch Epaphras rang im Hintergrund darum, auf dass die Heiligen mit dem besten Kleide, dem Ring und den Sandalen bekleidet sein möchten. Die ewigen Gedanken Gottes in Christo sind völlig ans Licht gekommen, so dass sie denjenigen, die an Ihn glauben, verliehen werden können. Die Knechte bedienen den Heimgekehrten im Blick darauf, dass er durch den Dienst Christi so von sich denken möchte, wie Gott von ihm denkt.
    Am Anfang des Epheserbriefes redet Paulus davon, dass Gott die Heiligen vor Grundlegung der Welt in Christo auserwählt hat, auf dass sie heilig und tadellos vor Ihm in Liebe seien. Denkt euch solch einen Vorsatz! Denkt an das Wesen dieser Heiligkeit und Tadellosigkeit, das in den Gedanken Gottes in Christo vor Grundlegung der Welt vorhanden war! Es ist nicht Adam, ob unschuldig oder gefallen, noch der wiederhergestellte Adam, sondern es ist diejenige Art der Wohlannehmlichkeit vor Gott, die in Seinen Gedanken und in Seinem Herzen in Christo vor Grundlegung der Welt vorhanden war. Dieses wunderbare Kleid war von Ewigkeit her vorhanden, es konnte aber nicht eher herausgebracht werden, als bis diese köstlichen Gedanken in dem auferstandenen und verherrlichten Christus Gestalt angenommen hatten.
    Jetzt haben diese Gedanken in einem auferstandenen und verherrlichten Menschen Gestalt gewonnen, und Gott will uns zu verstehen geben, dass Er jeden annimmt, der sich Ihm in der Kostbarkeit und dem Werte und der unendlichen Glückseligkeit dieser Seiner ewigen Gedanken in Christo zuwendet. Wenn man mit dem besten Kleide angetan ist, entkleidet man sich aller Gedanken an sich selbst, ob gute oder böse, und man ist mit den köstlichen Gedanken Gottes bekleidet, die im Vorsatz in Christo vor Grundlegung der Welt vorhanden waren. Wir machen einen ganz neuen Anfang. Einer, der mit dem besten Kleide angetan ist, ist von der Welt, vom Fleische und von der ganzen religiösen Ordnung der Dinge hienieden befreit, weil er mit etwas bekleidet ist, das der Ewigkeit angehört, nämlich mit den ewigen Gedanken Gottes in Christo. Das ist der einzige Weg, auf dem wir gänzlich von uns selbst befreit werden können. Es gibt keinen anderen Weg, als nur bewusst mit den Gedanken Gottes, die in Christo Gestalt gewonnen haben, angetan zu sein.
    Die Gedanken Gottes in Christo werden uns dann im Dienste nahegebracht - Verwaltung und Belehrung und Dienst am Worte sind alle nötig -, das Ergebnis ist aber, dass die Heiligen in Christo dargestellt sind. Daran ist nichts Unwirkliches oder Unrechtes. Es wird zu einem Teil des moralischen Seins. Ich bin mir dessen bewusst, dass nichts anderes für Ihn und auch für mich wohlannehmlich ist, wenn ich Ihn liebe. Nichts ist wichtiger, als dass die Heiligen bewusst mit dem Wesen der Heiligkeit, Tadellosigkeit und Unbescholtenheit angetan sein sollten, wie Gott es ihnen in Christo schon vor Grundlegung der Welt zugedacht hat. Für uns gibt es nichts Geringeres, ich muss das haben, oder ich habe mich selbst; es mag ein gutes, religiöses oder reformiertes oder verchristlichtes „Ich“ sein, aber dieses „Ich“ ist nicht Christus.
    Auf unserer Seite gibt es nichts Vollkommenes; doch auf Gottes Seite sind die Dinge vollkommen, auf unserer Seite aber nur stückweise. Sogar ein Apostel konnte sagen: „Wir erkennen stückweise“, und es wird nie anders sein, es wird immer Raum für erweiterte Erkenntnis sein, bis das Vollkommene gekommen sein wird, und dann werden wir erkennen, gleichwie wir erkannt worden sind. In dem vollkommenen Zustande werde ich mich selbst erkennen, wie Gott mich erkannt hat, und das ist der Höhepunkt der Glückseligkeit.
    Der Ring scheint in der Schrift mit öffentlicher Ehre verbunden zu sein. Dem Joseph wurde ein Ring von dem Pharao verliehen, und im Buche Esther lesen wir, dass der König dem Haman und dann dem Mordokai seinen Ring gab. Es scheint auf eine Stellung der Würde und der öffentlichen Ehrung hinzuweisen. Als Pharao seinen Ring abnahm und ihn dem Joseph gab, verlieh er ihm die öffentliche Ehre als Verwalter von allem, was in Ägypten war - das ist die Ehre, die Gott für Seine Söhne vor Sich hat. Die Söhne Gottes sollen als solche in Erscheinung treten, die bei Gott eine sehr ehrenvolle Stellung einnehmen, so dass nichts Unwürdiges oder Gemeines sich für die, welche den Ring tragen, geziemt.
    Wir könnten uns nicht dazu herablassen, etwas Niedriges oder Gemeines zu tun. Wir müssen immer dessen eingedenk sein, dass wir von Seiten Gottes mit der größten öffentlichen Ehrung angetan sind, die bald offenbar werden wird. Wenn die Söhne Gottes offenbar werden, werden sie die ganze Schöpfung befreien. Wie würden wir sein, wenn wir dieser Würde gemäß wandeln würden? Paulus schreibt an die Korinther: „Wisset ihr nicht, dass ihr die Welt richten werdet, dass ihr die Engel richten werdet“, und doch streitet ihr wegen einer kleinen Geldangelegenheit? Es war ein Verweis, sie hatten nicht den Ring an.
    Der Ring gibt uns ein Bewusstsein von der Würde an dem Platze, wo wir Gott darstellen. Als Pharao dem Joseph seinen Ring gab, war es gewissermaßen so, als wenn er sagte: Du sollst mich vertreten. Und als der König seinen Ring dem Mordokai gab, sollte er den König vertreten, damit er jedes Dokument mit dem Siegel des Königs versiegeln konnte. Der Ring stellt die Macht des Königs dar. Bedenkt, welch eine Würde es ist, dazu gesetzt zu sein, Gott im Weltall darzustellen!
    Wir sind jetzt Söhne Gottes, und uns gehört jetzt bei Gott dieselbe Ehre, die wir am Tage der Herrlichkeit haben werden. Am Tage der Herrlichkeit wird unsere Würde bei Gott nicht ein bisschen größer sein, als sie in diesem Augenblick ist. Dann wird sie offenbar werden, aber jetzt schon möchte Gott uns mit dieser Würde bekleiden. Wir denken nicht genug über uns selbst nach. Wir denken an uns nach den Richtlinien der Natur und des Fleisches, oder an das, was bei uns durch Unvollkommenheit und Schwachheit gekennzeichnet ist. Gott aber will, dass wir so über uns denken, wie Er über uns denkt, und Er trägt in Seinem Herzen die Gedanken über uns, die in Christo Gestalt gewonnen haben.
    Soweit wie wir es können, möchten wir gegenwärtig andere von Kummer befreien. Als der Herr hienieden weilte, war Er der große Befreier von jedem Kummer und von jedem Druck - das gehört zum Ring. Der Herr war hienieden, um den ganzen Reichtum des Himmels zu verwalten, und wir sind gewissermaßen in einer Stellung, worin wir Gott darstellen und vertreten sollen, weil wir Sein Siegel tragen. Bedenkt, wir sollen den Dingen das Siegel Gottes aufprägen und sie in einer Gott würdigen Weise berühren! Es ist demütigend, daran zu denken, wie wenig wir in dieser Würde stehen; aber dadurch wird Gott nicht verherrlicht.
    Die Sandalen reden davon, dass wir im Bewusstsein der Sohnschaft wandeln sollen. Nur Söhnen wurde es gestattet, Sandalen im Hause zu tragen. Wir sollen als Söhne Gottes wandeln, die vom Geiste Gottes geleitet werden. „So viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes.“ Der Geist kann mich niemals so leiten, dass ich etwas tue, das dem natürlichen Menschen entspricht. Es ist die größte Schmach für uns, wenn unser Tun dem Tun der Menschen gleicht. Diesen Vorwurf machte Paulus den Korinthern: „Ihr... wandelt nach Menschenweise.“ Wir halten es oft für selbstverständlich, dass wir nach Menschenweise wandeln, das ist aber ganz verkehrt. Wenn wir es tun, haben wir die Sandalen nicht an. Es sollte etwas an der ganzen Haltung eines Menschen, der zu Gott gebracht ist, zu sehen sein, was ihn als einen kennzeichnet, der bei Gott am Platze der Liebe steht.
    Die Freiheit der Sohnschaft gehört uns; uns ist das schon gegeben worden, was zur neuen Schöpfung gehört. Es ist nicht der verbesserte Adam noch das verbesserte Fleisch, sondern eine neue Schöpfung in Christo, und das alles wurde durch den Tod Christi zustande gebracht.
    Es ist eine Ordnung der Dinge, die gar nicht zur alten Schöpfung gehört. Das beste Kleid, der Ring und die Sandalen bildeten keinen Teil der ersten Erbschaft des verlorenen Sohnes. Er wurde aber damit angetan, und dann wurde das gemästete Kalb geschlachtet, und sie setzten sich hin und fingen an, fröhlich zu sein. Ich zweifle nicht daran, dass diese Glückseligkeit durch die Erkenntnis gesteigert wird, dass das alles durch den Tod Christi bewirkt worden ist. Das werden wir ewig feiern, wenn wir in der Glückseligkeit der neuen Schöpfung leben werden; wir werden uns ewig mit Gott an dem Gedanken ergötzen, dass alles dieses durch den Tod Christi herbeigeführt worden ist.
    Das gemästete Kalb deutet auf Christum als Denjenigen hin, in dem wir die Zartheit und Vorzüglichkeit der Liebe gesehen haben, die alle Gedanken Gottes in einer gerechten und Gott wohlannehmlichen Weise gesichert hat; alles ist durch den Tod gesichert worden. Wenn wir in irgendeinem Maße erkannt haben, was es bedeutet, mit dem besten Kleide, dem Ring und den Sandalen bekleidet zu sein, wie tröstlich ist es dann, mit Gott daran zu denken, dass dies ganz und gar die Frucht des Todes Seines Sohnes ist!
    Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Hause und dem Felde. Das Feld stellt den Ort der Gütigkeiten der Vorsehung Gottes dar; es bedeutet alles Gute, das Gott den Menschen, die auf der Erde leben, schenken kann. Man könnte natürlich denken, es wäre ein recht guter Ort, um dort zu leben; aber es ist nicht das Haus. Ich denke, dass das Feld in diesem Kapitel die Gütigkeit der Vorsehung, die genossen werden kann, darstellt. Eine große Anzahl Menschen leben an diesem Orte; sie sind dankbar für die Güte Gottes und für Seine Gütigkeiten, für Gesundheit und Kraft, Fähigkeiten und Mittel und für alles, was von der Gütigkeit der Vorsehung Gottes redet; das ist aber das Feld und nicht das Haus. Das Haus ist der Ort, wo die Freude der Gnade wohnt, und das ist etwas ganz anderes als die Gütigkeit der Vorsehung. Ich kann die beste Gesundheit haben und in meinen irdischen Umständen gut gestellt sein, und ich kann Gott für Seine Güte an mir dankbar sein. Das ist aber nicht die Gnade Gottes; es ist das Feld und nicht das Haus. Das Haus wird hier als der Kreis der Freude
    der Gnade gesehen, und wir sollten dort hineingehen.
    Es wird uns nicht gesagt, dass der Mann im nächsten Kapitel ein böser Mann war; es wird uns gesagt, dass er reich und gut gestellt war, aber er starb, und er schlug seine Augen im Hades auf.
    Der letzte Abschnitt dieses Kapitels ist sehr wichtig, weil er den Zustand sehr vieler Menschen schildert und zeigt, wo sie leben. Die Frage wird gar nicht aufgeworfen, ob der ältere Sohn ein Übeltäter war. Wie wir sagen würden, führte er ein achtbares, ordentliches Leben. Er konnte sagen: „So viele Jahre diene ich dir, und niemals habe ich ein Gebot von dir übertreten.“ Der Herr stellt ihn als einen äußerst musterhaften Mann dar. Er ist auf dem Felde und genießt dort die Gütigkeit und Barmherzigkeit der Vorsehung Gottes, er ist aber außerhalb der Hauses, und soweit wie dieses Gleichnis geht, kommt er niemals herein. Das Haus ist der Ort, wo Fröhlichkeit herrscht, wo Musik und Reigen sind. Es ist, wo die Freude der Gnade den ganzen Schauplatz mit Musik erfüllt.
    Nun handelt es sich für uns alle um die Frage: Wo leben wir? Leben wir im Hause, auf der Feier der göttlichen Gnade, oder im Felde, beim Genießen der Gütigkeiten Gottes? In diesem Lande muss unsere Predigt oft an diejenigen gerichtet werden, die dem älteren Sohne ähnlich sind. Der jüngere Sohn hatte ein ausschweifendes Leben geführt und vergeudete sein Vermögen in Schwelgereien. Sehr viele Leute aber leben um uns her, die ein solches Leben gar nicht geführt haben. Sie haben sich anständig und religiös verhalten. Wie sie denken, haben sie ihre Pflicht vor Gott und vor ihrem Nächsten getan, sie kennen aber das Haus gar nicht.
    Die Vorsehung Gottes für die Welt ist auf die Versöhnung gegründet; jeder Regenschauer, der fällt, und jeder Sonnenstrahl, alles was wächst, die gesamte Gesundheit der Menschen und jeder Atemzug sind auf die Versöhnung gegründet. Wenn Christus nicht gestorben wäre, wäre nichts von alledem da; aber das ist nicht das Haus. Wenn nicht der Tod Christi gewesen wäre, wäre diese Welt schon vor Jahrtausenden untergegangen.
    In der Vorsehung bezeugt Gott Seine Güte. Ein Mensch kann nicht zu Mittag speisen, ohne ein Zeugnis von der Güte Gottes zu haben. Die Menschen sagen: Wir verdienen das mit unserer Arbeit, aber das ist nicht der Fall. Nehmen wir an, Gott würde keinen Regen und keinen Sonnenschein geben, was würde da die Arbeit des Menschen nützen? Er ist hilflos wie ein Sandkorn. Alles kommt von Gott durch Seine gütige Vorsehung, aber das ist das Feld; es ist nicht das Haus.
    Ein alter Bruder pflegte zu mir zu sagen: Warum wird beim Predigen immer über den jüngeren Sohn gepredigt? Warum predigt man nicht auch über den älteren Sohn? Das Wunderbare ist, dass Gott wirkt, um sogar einen solchen zur Erkenntnis Seiner Selbst in Gnade zu bringen. Gott wirkt die ganze Zeit, um diese religiösen und anständigen Menschen, die nie etwas Böses getan haben, zur Erkenntnis Seiner Gnade zu bringen. Hier richtete der Herr Seine Rede an die Pharisäer, die sich darüber beschwert hatten, dass Er Sünder aufnahm und mit ihnen aß. Darum beschreibt er die Zöllner und Sünder unter dem Bilde des jüngeren Sohnes, und die Schriftgelehrten und die Pharisäer unter dem Bilde des älteren Sohnes. Dann aber zeigt Er, dass im Herzen Gottes dieselbe Gnade beiden gegenüber wohnt. Das Herz des Vaters neigt sich ebenso zu dem einen wie auch zu dem anderen - das ist der Gegenstand des Lukasevangeliums.
    Gott hat nicht zwei verschiedene Gesinnungen den Menschen gegenüber; Er hat dieselbe Gesinnung allen Arten von Menschen gegenüber, damit jeder Mensch zur Erkenntnis Seiner Selbst in der Freude Seiner Gnade gebracht werden sollte. Der Weg, den älteren Bruder der Sünde zu überführen, ist, ihm das Bewusstsein beizubringen, dass er mit all seiner ganzen Güte, Anständigkeit und Religiosität Gott in Gnade nicht kennt, und dass er Gott in Gnade nicht schätzt - er wurde zornig.
    Der Vater verfährt mit dem älteren Sohne in solch einer wunderbaren Gnade; Er trat heraus und sagte: „Kind“. Darin liegt ein besonderer Zug der Liebe. Gott hat väterliche Gefühle für jeden stolzen Pharisäer in dieser Welt. In einem gewissen Sinne hat Er väterliche Gefühle für jeden Menschen in dieser Welt, denn die Haltung Gottes den Menschen gegenüber ist gnädig.
    Paulus sagt zu den Athenern: „Wir sind sein Geschlecht.“ Wir sind so langsam und schwerfällig, die Haltung Gottes zu erfassen und zu verstehen, dass die Gefühle Seines Herzens einem gegenüber, der Ihn wegen Seiner Gnade hasst, derart sind. Gott hat eine grenzenlose Freude an der Gnade, Er wird aber dafür gehasst, und dann sagt Er noch: Ich habe genau dieselben Gefühle zu dir.
    Die ganze Schrift ist ein Zeugnis von den väterlichen Gefühlen Gottes zu Seinem Geschöpf, dem Menschen. Die wunderbare und unaussprechliche Gnade Gottes kommt aber nirgends in einer solchen Pracht ans Licht, wie sie in Seinem Verfahren mit dem älteren Sohn zum Ausdruck kommt. Der ältere Sohn lebte in seinen eigenen Umständen, und die Freude der Gnade war seinem Herzen vollständig fremd. Als er davon hörte, rief er einen der Knechte, einen Knaben herzu. Jeder Knabe im Hause kannte seinen Vater besser als er. Er war ganz und gar außerhalb desselben. Als er die Musik und den Reigen hörte, wurde er zornig - der ganze Ort war mit Fröhlichkeit erfüllt -, er aber war außerhalb und musste einen Knaben herbeirufen, um zu erfahren, was geschehen war. Er erfuhr, dass sein Bruder gekommen war und dass sie das gemästete Kalb für ihn geschlachtet hatten. Der ältere Sohn kannte seinen Vater nicht als einen Geber. Er sagte: „Mir hast du niemals ein Böcklein gegeben, auf dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre.“ Er hatte einen Kreis von Freunden, zweifellos waren
    es sehr anständige Leute wie er selbst. Es war eine Art Gesellschaft zur gegenseitigen Bewunderung, aber ohne jede Freude über die Gnade. Es war unwahrscheinlich, dass sein Vater etwas zu einer solchen Fröhlichkeit beisteuern würde. Alles das zeigte, dass er mit dem Vater keinen einzigen gemeinsamen Gedanken hatte. Es war im Hause augenscheinlich ein ganzes System der Dinge vorhanden, worüber der ältere Sohn gar nichts wusste. Er wusste nichts von der Fröhlichkeit, dem Essen und Trinken und dem Reigen; er kannte nicht die Schätze des Hauses - das beste Kleid, den Ring und die Sandalen -, er war der ganzen Sache völlig fremd. Dennoch trat der Vater zu ihm hinaus und ermahnte ihn. Gott lässt nicht den stolzesten Pharisäer ohne die flehentliche Ermahnung der Gnade. Was kann aus einem werden, der über die Gnade zornig ist? Wenn er sich nicht umstellt, wird er bei dem reichen Manne im nächsten Kapitel sein.
    Der Bereich der Freude der Gnade ist der Bereich der Glückseligkeit Gottes. Es geht nicht um den Gewinn, den der Sohn hat, der zurückkommt, sondern um den Gewinn Gottes. Den Sohn zurückzuhaben, ist die Freude des Himmels. Die Freude des Himmels besteht nicht nur darin, dass arme Sünder von ihrem Elend erlöst und in endlose Güte versetzt werden, sondern die Freude des Himmels ist der Gewinn, den Gott hat.
    Wenn Gott einen Sünder empfängt, der Ihm entfremdet war, so ertönt die Freude darüber im Himmel droben, und im Hause unten ertönt der Widerhall der Fröhlichkeit. Wenn jemand bekennt, bekehrt zu sein, so sollten wir wirkliches Interesse dafür haben, zu erfahren, was Gott dadurch erworben hat. Die wirkliche Frage, die ein Verkündiger stellen sollte, wenn er niederkniet, ist: „O Gott, wieviel hast Du bekommen?“ Wenn ein Bruder aufsteht, um Gott in der Freude der Gnade zu preisen, so ist das wie die Musik - sind wir bereit, dazu einen Reigen zu tanzen? Schlägt jedes Herz dem freudig entgegen und tanzt es zu dieser Musik?
    Der Herr sagte zu etlichen: „Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzt.“ Wenn ein Laut des Lobpreises Gottes wegen Seiner Gnade im Hause ertönt, regt sich dann unser Geist als Antwort darauf? Der Psalmist spricht über die Lobeserhebung Gottes im Reigen; das bedeutet lebhafte Regungen in den Zuneigungen. Im Alten Testament waren natürlich diese Dinge äußerlich, jetzt sind aber Musik und Reigen geistlich.
    Der ältere Bruder sagt: „Dein Sohn“, nicht „mein Bruder.“ Er stimmte nicht im Geringsten mit seinem Vater überein. Die ganze Zeit, wo der verlorene Sohn weg gewesen war, hatte er sich kein einziges Mal hingesetzt, um zu hören, was der Vater über ihn zu sagen hatte. Während der Abwesenheit des verlorenen Sohnes hatte Er niemals seinem Vater Gesellschaft geleistet, um zu erfahren, was sein Vater fühlte, denn er war erstaunt über den Empfang des verlorenen Sohnes. Wenn er mit seinem Vater Gemeinschaft gepflegt hätte, wären ihm die Gedanken seines Vaters bekannt gewesen.
    Der Vater sagt zu ihm: „Kind, du bist allezeit bei mir, und all das Meinige ist dein.“ Aus Gnaden sagte der Vater gleichsam zu ihm: Mein Gedanke ist, dass du bei mir sein solltest. Das Meinige ist dein, und ich möchte, dass du an dieser Angelegenheit ebenso teilnimmst wie Ich. Trotz der Hartherzigkeit, Selbstgerechtigkeit und Selbstsucht des älteren Sohnes ist der Vater darauf bedacht, jedes Mittel zu gebrauchen, um ihn zur Selbsterkenntnis in der Gnade zu bringen, wie auch dazu, mit Seiner Freude an der Gnade im Einklang zu sein. Es gibt nichts Rührenderes, als die Art und Weise, in welcher der Vater zu ihm redet; alles war für ihn da.
    Der Römerbrief bringt das der Lehre nach ans Licht. Wenn wir die moralische Grundlage dieser Dinge kennen wollen, müssen wir uns zum Römerbrief wenden. In Luk. 15 haben wir nicht die Grundlage der Lehre gemäß, sondern die Quelle dieser Dinge im Herzen Gottes wird geoffenbart - das ist das große Ziel der Evangelien. In den Briefen wird das Evangelium gelehrt; in der Apostelgeschichte wird es gepredigt, und in den Evangelien wird die frohe Botschaft bildlich dargestellt, so dass das jüngste Kind sie verstehen kann. Die Bilder sind von einer Meisterhand entworfen worden.
    Zweifellos hatte der Jude einen gewissen Vorzug, wie auch der Pharisäer. Die Schriftgelehrten und Pharisäer besaßen eine Erkenntnis der Schriften, die die Zöllner und Sünder nicht hatten. Der ältere Sohn hatte darin einen Vorzug vor dem jüngeren, dass er äußerlich zum Hause gehörte. Wir finden aber, dass sein wirkliches Interesse in einer Gemeinschaft lag, die der Freude an der Gnade ebenso fremd war wie das ferne Land. Deshalb waren die beiden Söhne gleich weit entfernt von Gott - der eine war nur äußerlich nahe, der andere weit entfernt von Gott. Als aber der eine zu Gott zurückgebracht wurde, da wurde die Freude des Herzens Gottes gesichert.
    Paulus war innerlich bewegt über die Juden, da er selbst ein älterer Bruder gewesen war. Die Welt der Nationen war kein Ort, wo er die älteren Brüder finden konnte. Er schildert diese Welt in Rom als einen Schauplatz des hoffnungslosen Verfalls, des Verderbens und der Ausschweifung. Der Jude hatte die Schriften, den Tempel und die Gunst Gottes. Trotz ihres Zustandes wurden sie vom Messias geliebt, und auch Gott liebte sie. Paulus litt unaufhörlichen Schmerz ihretwegen, und sein ganzes Herz schlug ihnen entgegen. Er sagte: „Ich habe gewünscht, durch einen Fluch von Christo entfernt zu sein für meine Brüder“. Er ging so weit, wie ein Mensch gehen kann. Paulus dachte: Wenn sie auch keinem anderen glauben, so werden sie auf mich hören. Ich stand dabei, als das Blut des Märtyrers Stephanus vergossen wurde. Sie werden wissen, was für ein Pharisäer ich war, wie ich die Christen hasste und mich bemühte, jenen Namen auszurotten - sie werden sicherlich auf mich hören. Sie wollten aber nicht.
    Wir finden nicht, dass der ältere Sohn zugehört hat. Der Vater ermahnte und flehte, aber nichts deutet darauf hin, dass er zugehört hätte.
    Wir können Gott nicht mehr Liebe erweisen, als an Ihn der Wahrheit gemäß zu denken. Das ist Seine Gnade zu Seinem Geschöpf. Wenn wir an Gott der Wahrheit gemäß denken, so denken wir an den Gott, der in Luk. 15 dargestellt wird. Wir beten Ihn an und loben und verherrlichen Ihn, weil wir Ihn in der Wahrheit Seiner Gnade erkennen. Wenn ich dahin gebracht werde, so hat Gott mehr Freude daran als ich, denn Gott weiß, wie weit entfernt ich war, und Er ist der Einzige, der es weiß.
    Wo keine Erkenntnis Gottes Seiner Gnade gemäß ist, da ist der Mensch in Bezug auf Gott tot; da gibt es keine Regung des Lebens. Und ein Mensch, der zu Gott geht und Ihm dafür dankt, dass er nicht wie andere Menschen ist, dass er anständig und religiös erzogen wurde - dieser Mensch ist tot.
    Nehmen wir einen Augenblick an, dass der ältere Sohn nachgegeben und zu seinem Vater gesagt hätte: „Ich war ebenso schlecht und noch schlechter als mein Bruder“, und wenn der Vater ihn dann auch geküsst hätte, so wäre er herein gekommen, und beide hätten dann das beste Kleid und den Ring und die Sandalen angezogen und hätten das gemästete Kalb gegessen und sich gefreut, so wäre keine Spur vom verlorenen Sohn oder vom Pharisäer zurückgeblieben. Sie wären aufgrund der ewigen Gedanken Gottes in Gnade herein gekommen. Es gibt dort keinen verlorenen Sohn oder Pharisäer mehr, sondern einen neuen Menschen - das ist die Wahrheit von der Gnade Gottes.

    Abschrift: Nicole F.
Lädt...
X